Einführung in die VWL, Mikroökonomik I Vorlesung im Fach Volkswirtschaftslehre | 27.09.2019 | Prof. Dr. Grobosch | DHBW Stuttgart | 1. Studiensemester www.dhbw-stuttgart.de 27.09.2019 Gliederung 1. Grundtatbestände des Wirtschaftens 1.1 Aufgaben, Methoden und Gegenstand der VWL 1.2 Der Mensch im Mittelpunkt des Wirtschaftens 1.3 Das ökonomische Prinzip 1.4 Knappheit als gesellschaftliches Phänomen 1.5 Arbeitsteilung, Tausch und Handel 2. Funktionsweise der Marktwirtschaft 2.1 Der Koordinationsmechanismus Markt 2.2 Die Rolle des Wettbewerbs 2.4 Ein einfaches Marktmodell 2.5 Das Modell der sozialen Marktwirtschaft 3. Nachfragetheorie 3.1 Die Nachfrage der Haushalte 3.2 Nutzenanalyse 3.3 Indifferenzkurven 3.4 Grenzrate der Substitution 3.5 Die optimale Konsumentscheidung 3.6 Elastizitäten Prof. Dr. Grobosch Seite 2 27.09.2019 Literaturempfehlungen Baßeler, U., Heinrich, J., Utecht, W.: Grundlagen und Probleme der Volkswirtschaft, 19. Auflage 2010 Bofinger, P.: Grundzüge der Volkswirtschaftslehre: Eine Einführung in die Wissenschaft von Märkten, 3. Auflage 2011 Mankiw, N.G., Taylor, M.P.: Grundzüge der Volkswirtschaftslehre, 5. Auflage 2012 Neubäumer, R., Hewel, B., Lenk, T.: Volkswirtschaftslehre, 6. Auflage 2017 Stiglitz, J.E., Walsh, C.E.: Mikroökonomie, 4. Auflage 2012 Varian, H. R.: Grundzüge der Mikroökonomik, 8. Auflage 2011 Prof. Dr. Grobosch Seite 3 27.09.2019 1. Grundtatbestände des Wirtschaftens 1.1 Aufgaben, Methoden und Gegenstand der VWL Aufgaben der VWL Beschreibung der zu erklärenden Phänomene: Arbeitslosigkeit, Inflation, Wachstum, Konjunktur,… müssen exakt erfasst und beschrieben werden. Das erfordert eine konkrete Definitionen sowie statistische Erfassung in einer rückblickenden Bestandsaufnahme (ex-post). Mündet letztlich in einem umfassenden System von Statistiken, der Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung (VGR). Erklärung des wirtschaftlichen Geschehens: Wirft sehr komplexe Fragestellungen auf! Eine zu erklärende Größe wird definiert (z.B. Arbeitslosigkeit), zahlreiche Ursachen wirken aber immer gleichzeitig auf ein Phänomen. Erfordert eine genaue Definition und Eingrenzung der möglichen Einflussfaktoren, i.d.R erfolgt eine Beschränkung auf die wesentlichen Einflussgrößen. Nicht selten können eindeutige Antworten nicht gegeben werden, daraus resultieren konkurrierende Theorien mit abweichenden Erklärungen. Prof. Dr. Grobosch Seite 4 27.09.2019 Erklärung des wirtschaftlichen Geschehens Zu erklärende Größe: Prof. Dr. Grobosch Seite 5 27.09.2019 Prognose der wirtschaftlichen Entwicklung: Abschätzung der künftigen Entwicklung von wirtschaftlich relevanten Größen mit Aussagen über die Zukunft. Die Erklärungsmodelle werden zu Prognosemodellen. Prognosen basieren aber immer auf bestimmten Annahmen/Szenarien. Sie sind von großer Bedeutung für die Erwartungsbildung von Haushalten, Unternehmen und Staat. Politikberatung: Ökonomen geben konkrete Entscheidungshilfe für die praktische Wirtschaftspolitik. Neben der ökonomischen Analyse von möglichen Maßnahmen und Instrumenten (Steuersenkung, Mindestlohn, Mietpreisbremse,….) steht die Definition des Spektrums möglicher wirtschaftspolitischer Ziele im Zentrum. Analyse von wirtschaftspolitischen Handlungsspielräume mit den jeweiligen Vor- und Nachteilen sowie Aufzeigen von Zielharmonien oder Zielkonflikten. Die ökonomische Theorie bietet ein weit gefächertes Instrumentarium zur Analyse und Bewertung von denkbaren Alternativen wirtschaftspolitischen Entscheidungen. Prof. Dr. Grobosch Seite 6 27.09.2019 Methoden der VWL: Die ökonomische Modelltheorie Vermutete Zusammenhänge über ökonomische Größen werden zunächst als Hypothesen formuliert: „Wirtschaftswachstum führt zu einer Reduzierung der Arbeitslosigkeit“. Die Hypothesen müssen präzise formuliert sein, die verwendeten Begriffe erfordern exakte Definitionen (Arbeitslosigkeit? Wirtschaftswachstum?) Eine empirische Überprüfung erfolgt anhand der beobachteten Daten der Vergangenheit. Es folgt eine Bestätigung oder Verwerfung der Hypothese. Ein System gut bestätigter, widerspruchsfreier Hypothesen bildet eine Theorie. Modelle sind vereinfachte Abbilder der Realität, die sich auf das Wesentliche beschränken. Sie dienen der Komplexitätsreduktion und beschränken sich auf wenige, bestimmende Einflussfaktoren. Der Erklärungsanspruch eines theoretischen Modells ist somit immer begrenzt. Die ökonomische Theorie ist eine logisch geschlossene und somit widerspruchsfreie Modelltheorie. Man unterscheidet in den Modellen endogene Größen (zu erklärende) und exogene Größen (sind gegeben, nicht Erklärungsgegenstand). Eine Theorie muss in jedem Fall kausale Zusammenhänge aufzeigen. Kausalität und Korrelation sind in jedem Fall zu unterscheiden! Prof. Dr. Grobosch Seite 7 27.09.2019 1) Verbale Modellbildung: „Die Produktion in einer Volkswirtschaft wird bestimmt vom Konsum der Haushalte und den Investitionen der Unternehmen. Mit der Produktion von Waren und Dienstleistungen wird wertgleich Einkommen geschaffen.“ 2) Grafische Darstellung: Prof. Dr. Grobosch Seite 8 27.09.2019 3) Mathematische Modellbildung: Y=C+I Produktion/Entstehung Y=C+S Einkommen/Verwendung Daraus folgt: I=S Definitionsgleichungen Ausland: Y = C + I + (Ex - Im) C = C(Y), S = S(Y,i), I = I(i) Verhaltensgleichungen Y = C(Y) + I(i) bzw. Y = C(Y) + S(Y,i) Y = Y(A,K) Technische Gleichung A=N Gleichgewichtsbedingung 4) Experimentelle Ökonomie Prof. Dr. Grobosch Seite 9 27.09.2019 Gegenstand der VWL „Gegenstand der VWL sind Entscheidungen von Individuen, Unternehmen und Regierungen innerhalb einer Gesellschaft und der Einfluss dieser Entscheidungen auf die Verwendung gesellschaftlicher Ressourcen.“ (Stiglitz, 1999) Ressourcen sind Mittel, die in die Produktion von Waren und Dienstleistungen eingehen (enge Definition als Produktionsfaktoren) oder einen unmittelbaren Nutzen stiften (natürliche Ressourcen). Entscheidungen sind erforderlich, weil Ressourcen knapp sind! Knappheit bedeutet, dass nicht alle Bedürfnisse der Menschen gleichzeitig befriedigt werden können. Die Summe der Bedürfnisse übersteigt das vorhandene Güterangebot. Wir müssen aber zwischen absoluter und relativer Knappheit unterscheiden! Im Kern geht es also in der ökonomischen Theorie um rationales Entscheiden über knappe Ressourcen! Im Zentrum der Volkswirtschaftslehre stehen vier Grundfragen: 1) Was wird in welcher Menge produziert? 2) Wie werden diese Güter produziert? 3) Für wen werden die Güter produziert? 4) Wer trifft die Entscheidungen/Entscheidungsmechanismus? Prof. Dr. Grobosch Seite 10 27.09.2019 1.2 Der Mensch im Mittelpunkt des Wirtschaftens In der ökonomischen Theorie bestehen folgende Annahmen über das menschliche Verhalten: Nutzenmaximierung: Menschen sind Nutzenmaximierer, die ökonomischen Handlungen sind egozentrisch auf die Maximierung des individuellen Nutzens ausgerichtet. Anreize: Menschen reagieren auf finanzielle und nicht-finanzielle Anreize. Sie streben nach materiellen Dingen (Einkommen, Vermögen), aber auch nach Ansehen, Statussymbole und Anerkennung sind erstrebenswert. Methodologischer Individualismus: Menschen stellen sich als einzelnes Individuum mit ihren individuellen Wünschen und Bedürfnissen in das Zentrum ihrer Entscheidungen. (anthropozentrische Sichtweise). Rationalität: Menschen treffen ihre ökonomischen Entscheidungen rational. Es erfolgt ein bewusstes Abwägen von Kosten und Nutzen der zur Wahl stehenden Alternativen. Der ‚homo oeconomicus‘ ist umstritten und wird zunehmend kritisch hinterfragt (Altruismus; Umweltschutz, Generationengerechtigkeit). Prof. Dr. Grobosch Seite 11 27.09.2019 Menschen haben Bedürfnisse: Gefühle des Mangels mit dem Antrieb, diesen zu beseitigen (primäre / sekundäre). Diese sind von Präferenzen zu unterscheiden: Abwägen zwischen verschiedenen Möglichkeiten der Befriedigung von Bedürfnissen (Limonade / Wasser, Kaffee / Tee, Porsche / Jaguar, …). Konsumentensouveränität als Leitbild in der ökonomischen Theorie: 1) Konsumenten sind souverän in ihren Wahlhandlungen und Entscheidungen, nur sie kennen ihre individuellen Bedürfnisse und Präferenzen. 2) Mit ihren Wahlhandlungen bestimmen die Konsumenten, welche Güter von den Unternehmen in welcher Menge produziert werden. Güter sind Mittel zur Befriedigung von Bedürfnissen. Wir unterscheiden: - Waren / Dienstleistungen (materiell / immateriell). - Konsumgüter dienen der unmittelbaren Bedürfnisbefriedigung. - Produktionsmittel werden in der Herstellung von Gütern eingesetzt. (Vorprodukte, Hilfsmittel, Produktionsfaktoren). - Private und öffentliche Güter. Prof. Dr. Grobosch Seite 12 27.09.2019 1.3 Das ökonomische Prinzip Wirtschaften = Rationales Entscheiden über knappe Ressourcen. Was bedeutet Rationalität einer Entscheidung? - Ziel ist die individuelle Nutzenmaximierung. - Bewusstes abwägen von Nutzen und Kosten der Alternativen. - Verfügbare Informationen nutzen. - Logisches, bis zu einem gewissen Grad nachvollziehbares Verhalten. - Widerspruchsfreie Bedürfnisskala, das heißt: A>B B>C A>C Transitivität bzw. logische Durchgängigkeit. Prof. Dr. Grobosch Seite 13 27.09.2019 Das ökonomische Prinzip Mitteleinsatz Ergebnis Minimalprinzip minimieren gegeben Maximalprinzip gegeben maximieren Prof. Dr. Grobosch Seite 14 27.09.2019 1.4 Knappheit als gesellschaftliches Phänomen Die Produktionsmöglichkeiten für Güter zur Bedürfnisbefriedigung in einer Volkswirtschaft sind bestimmt von der Menge der verfügbaren Produktionsfaktoren. Annahmen: Wir stellen nur zwei Güter her (Maschinen, Nahrungsmittel) und verwenden dafür zwei Produktionsfaktoren (Arbeit, Kapital). Aus der verfügbaren Menge der Produktionsfaktoren können wir bei gegebener Technologie die maximalen Produktionsmöglichkeiten abbilden: Prof. Dr. Grobosch Seite 15 27.09.2019 Transformationskurve / Produktionsmöglichkeitenkurve: Menge aller Güterkombinationen, die mit gegebenen Produktionsfaktoren maximal produziert werden können. Opportunitätskosten: Kosten des Verzichts, entgangener Nutzen aller nicht realisierbaren Alternative Knappheit! Kosten der Allokation der Produktionsfaktoren: Zuordnung der Produktionsfaktoren auf alternative Verwendungsmöglichkeiten. Rationales Entscheiden: Bewusstes Abwägen zwischen den Alternativen! Opportunitätskostenkalküle von Konsumenten und Produzenten führen zu einer effizienten Ressourcenallokation. Prof. Dr. Grobosch Seite 16 27.09.2019 1.5 Arbeitsteilung, Tausch und Handel Selbstversorgungswirtschaften: Jeder produziert die Güter, die er benötigt (z.B. Nahrung, Kleidung, Werkzeuge usw.) Robinson-Crusoe-Wirtschaft. Auch hier ist Wirtschaften aufgrund der Knappheit erforderlich. Tauschwirtschaften: Sind durch ein hohes Maß an Arbeitsteilung und Spezialisierung gekennzeichnet. Es besteht ein enger logischer Zusammenhang zwischen Arbeitsteilung und Spezialisierung sowie Tausch und Handel auf Märkten Globalisierung. Adam Smith, Wohlstand der Nationen (1723 - 1790) Arbeitsteilung und Spezialisierung sowie Tausch und Handel auf Märkten ermöglichen es, Wohlfahrtsgewinne in einer Gesellschaft zu realisieren. Grundlegende Erkenntnis der ökonomischen Theorie! David Ricardo, Theorie komparativer Kostenvorteile (1772 – 1823) Internationaler Handel erhöht die Verfügbarkeit von Gütern und Ressourcen. Die Ausnutzung absoluten und komparative Kostenvorteilen in der Produktion erhöht den Wohlstand in den beteiligten Volkswirtschaften. Prof. Dr. Grobosch Seite 17 27.09.2019 2. Funktionsweise der Marktwirtschaft 2.1 Der Koordinationsmechanismus Markt Märkte sind Orte des Tausches, an denen Angebot und Nachfrage zusammentreffen und sich Preise bilden. Ökonomische Grundfragen: - Was leistet der Markt? - Wie beurteilen wir die Ergebnisse der Marktprozesse? - Wie funktionieren Märkte und was sind die Funktionsvoraussetzungen? - In welchen Bereichen kann man dem Markt vertrauen, wo brauchen wir den Staat? Staat oder Markt? Beispiele: Post, Telekommunikation, Energieversorgung, Bahn… aber auch Gesundheitswesen, Rente, Mindestlöhne. Prof. Dr. Grobosch Seite 18 27.09.2019 Angebot und Nachfrage auf einem Markt Preis Angebot P* Nachfrage X* Menge Prof. Dr. Grobosch Seite 19 27.09.2019 Märkte unterscheidet man nach folgenden Kriterien: - Waren- / Dienstleistungsmärkte, Faktormärkte - Organisationsgrad - Offenheit - Vollkommenheit Vollkommener Markt = Referenzmodell der ökonomischen Theorie. Kennzeichen: 1) Homogenität der gehandelten Güter 2) Vollständige Markttransparenz/Informationen 3) Fehlende Präferenzen (persönlich/räumlich/zeitlich) 4) Unendliche Anpassungs-/Reaktionsgeschwindigkeit Prof. Dr. Grobosch Seite 20 27.09.2019 2.2 Die Rolle des Wettbewerbs Wettbewerb / Konkurrenz: Anbieter konkurrieren um Absatzmöglichkeiten und damit letztlich um die Konsumenten. Beschreibt eine Situation von Rivalität und gegenseitiger Abhängigkeit und setzt eine Vielzahl von Teilnehmern voraus. Die Wettbewerbsfähigkeit entscheidet darüber, wer sich dauerhaft im Markt behaupten kann. Das betrifft sowohl die Produkte als auch verwendeten Produktionstechnologien. Rationales Ziel der Unternehmen ist Gewinnmaximierung. Sie müssen dafür die von den Konsumenten gewünschten Produkte zu den geringsten Kosten auf den Markt bringen. Die Produktion folgt den Bedürfnissen und Präferenzen der Konsumenten. Wettbewerb ist eine zentrale Voraussetzung für einen funktionierenden Preismechanismus und systembegründendes Element einer Marktwirtschaft. Vollkommene Konkurrenz: Viele Anbieter und viele Nachfrager auf einem Markt, man spricht von einer atomistischen Marktstruktur. Die Anzahl der Marktteilnehmer muss hinreichend groß sein. War lange Zeit das Idealmodell und Leitbild der Wettbewerbspolitik. Prof. Dr. Grobosch Seite 21 27.09.2019 Homogenes Polypol: Vollkommene Konkurrenz auf einem vollkommenen Markt. Der Marktanteil des Einzelnen ist so klein, dass seine Aktionen keinen Einfluss auf das Marktgeschehen haben. Der einzelne Anbieter ist dann Preisnehmer und Mengenanpasser. Er akzeptiert den Marktpreis als gegeben (Datum) und wählt unter den gegebenen Bedingungen die gewinnmaximale Produktionsmenge. In der ökonomischen Modelltheorie ist ein marktwirtschaftliches System unter den formulierten Annahmen (….) effizient. Gesamtwirtschaftliche Effizienz beschreibt den Zustand der Pareto-Optimalität: Es ist nicht mehr möglich, ein Individuum besser zu stellen, ohne ein anderes Individuum schlechter zu stellen! Idealzustand der Wohlfahrtsökonomik, weil vollkommene Effizienz im Einsatz der Ressourcen erreicht wird. Die Individuen einer Gesellschaft erreichen ein absolutes Nutzenmaximum, das auch ein wohlwollender staatlicher Planer nicht mehr verbessern kann. Prof. Dr. Grobosch Seite 22 27.09.2019 2.3 Ein einfaches Marktmodell Wirtschaftskreislauf, Kreislauftheorie, Francois Quesnay (1694 - 1774) Prof. Dr. Grobosch Seite 23 27.09.2019 2.4 Das Modell der sozialen Marktwirtschaft Märkte können den Wohlstand einer Volkswirtschaft maximieren. Wettbewerbsmärkte brauchen Rahmenbedingungen für wirtschaftliche Handeln. Märkte setzen zudem bestimmte Eigenschaften der gehandelten Güter voraus. Zahlreiche Güter kann der Markt nicht bereitstellen, oder die Märkte führen zu unbefriedigenden Ergebnissen. Verschiedene Formen des Marktversagens rechtfertigen staatliches Eingreifen: - Monopolbildung / Kartelle - Öffentliche Güter / Externe Effekte - Konjunkturschwankungen / Wirtschaftskrisen Zudem werden gesellschaftliche Zielsetzungen verfolgt, wie z.B. Gerechtigkeit. Märkte honorieren die Marktleistung: Wer viel leistet, erzielt hohe Einkommen / Gewinne. Kranke, Kinder, Alte und Behinderte haben trotz größter Anstrengungen eine geringe Leistungsfähigkeit und erzielen keine oder nur sehr geringe Einkommen. Das ist gerecht im Sinne der Marktleistung, widerspricht aber gesellschaftlichen Zielsetzungen (Menschenwürde!). Zur Vermeidung von Härten schafft der Staat ein System der sozialen Sicherung und greift mit Steuern und Sozialabgaben in die Einkommen von Haushalten und Unternehmen ein. Das Modell der Sozialen Marktwirtschaft ist eine Konzeption zwischen individuellen Freiheitsrechten (Eigentum, Berufsfreiheit) und gesellschaftlichen Zielsetzungen (Gerechtigkeit). Prof. Dr. Grobosch Seite 24 27.09.2019 3. Nachfragetheorie 3.1 Die Nachfrage der Haushalte Die Nachfrage der privaten Haushalte nach einem Konsumgut hängt im Wesentlichen von drei Faktoren ab: 1. den Güterpreisen (p), 2. dem verfügbaren Einkommen (Y) und 3. dem Nutzen aus dem Konsum eine Gutes (U). Mathematisch lässt sich somit die nachgefragte Menge eines Gutes (q von quantity) als Funktion dieser Faktoren darstellen: qNachfrage = f(p1; p2; …. pn; Y; U). Die nachgefragte Menge eines Konsumgutes ist in erster Linie abhängig vom Preis (p) des Gutes. In der Regel gilt: Ist der Preis eines Gutes hoch, wird wenig nachgefragt. Fällt der Preis, steigt die nachgefragte Menge: dq/dp < 0 Prof. Dr. Grobosch Seite 25 27.09.2019 Die Nachfrage nach einem Gut hängt auch von den Preisen anderer Güter ab: - Substitute: Güter, die im Konsum gegeneinander ausgetauscht werden können (z.B. Heizöl oder Gas als Brennstoff, Butter oder Margarine). Steigt der Preis von Heizöl, wird der Haushalt durch einen größeren Konsum an Gas substituieren. - Komplementärgüter: Güter, die nur in Kombination sinnvoll verwendet werden können (Strom und Glühbirne, rechter und linker Schuh). Steigt der Preis für Strom, werden die Haushalte ihn sparsamer verbrauchen und damit auch weniger Glühbirnen benötigen. Der Verlauf der Nachfragekurven bei Substituten und Komplementären hängt dabei vom Grad der Substituierbarkeit bzw. der Komplementarität ab, also ob ein Gut x das Gut y ganz oder nur teilweise substituieren kann. Prof. Dr. Grobosch Seite 26 27.09.2019 Ändert sich der Preis eines Gutes, so wird der Haushalt mit der Konsummenge darauf reagieren. Man bewegt sich auf der Kurve, bei einer Preissteigerung von Punkt A nach B. Ändern sich dagegen andere Variablen (Preis anderer Güter, Einkommen oder Präferenzen), führt dies zu einer Verschiebung der Nachfragekurve. Prof. Dr. Grobosch Seite 27 27.09.2019 Die Nachfrage nach einem Gut hängt auch von dem zur Verfügung stehenden Einkommen des Haushalts ab. Im Fall superiorer Güter steigt mit dem Einkommen der Konsum, die Nachfragefunktion verschiebt sich nach rechts. Im Fall inferiorer Güter nimmt der Konsum dagegen ab, weil es durch ein höherwertiges Gut ersetzt wird. Bei Sättigungsgütern bleibt die Nachfrage bei Einkommensänderungen unverändert. Eine Änderung der Präferenzen zugunsten des Gutes führt ebenfalls zu einer rechtsverschiebung. Prof. Dr. Grobosch Seite 28 27.09.2019 3.2 Nutzenmaximierung Die Befriedigung, die ein Haushalt aus dem Konsum eines Gutes zieht, wird als Nutzen (U von Utility) bezeichnet. Normalerweise steigt der Nutzen mit zunehmender Verbrauchsmenge eines Gutes, jedoch mit abnehmenden Grenznutzen. Dies bedeutet, dass mit jeder konsumierten der Gesamtnutzen steigt, der Nutzenzuwachs aber geringer wird. U(x) Gesamtnutzen U‘(X) Grenznutzen X U(x) = f(x) mit Prof. Dr. Grobosch U‘(x) 0 und X U‘‘(x) 0 Seite 29 27.09.2019 Grenznutzen = U‘(x) ΔU(x) U‘(x) = ΔX = Zahlungsbereitschaft für eine weitere Einheit 1. Gossensches Gesetz: Gesetz des abnehmenden Grenznutzens „Die Größe eines und desselben Genusses nimmt, wenn wir mit der Bereitung des Genusses ununterbrochen fortfahren, fortwährend ab, bis zuletzt Sättigung eintritt“ (Hermann Gossen, 1845) Prof. Dr. Grobosch Seite 30 27.09.2019 3.3 Indifferenzkurven Wird die Betrachtung nun auf zwei Güter erweitert, von deren Verbrauchsmengen (q1 und q2) der Nutzen des Haushalts abhängt: U = f (q1; q2) Die eingezeichneten Höhenlinien geben verschiedene Nutzenniveaus für den Haushalt wieder. Eine solche Höhenlinie bedeutet, dass die betreffenden Mengenkombinationen dem Haushalt den gleichen Nutzen stiften. Der Konsument bzw. der Haushalt ist dann indifferent bezüglich dieser Gütermengenkombinationen. Prof. Dr. Grobosch Seite 31 27.09.2019 Projiziert man die verschiedenen Höhenlinien in die q1q2-Ebene, ergibt sich eine Schar von Indifferenzkurven, die unterschiedliche Nutzenniveau abbilden. Die Kurve mit der höheren Indexzahl bildet ein höheres Nutzenniveau ab. Prof. Dr. Grobosch Seite 32 27.09.2019 Die modernen Nutzenlehre basiert auf einer ordinalen Nutzentheorie. Das bedeutet, dass bestimmte Güterbündel besser, schlechter oder gleich gut sind. In der klassischen kardinalen Nutzenlehre hatte man versucht, den subjektiven Nutzen in konkreten Zahlenwerten auszudrücken. Dies hat sich aber als wissenschaftlich nicht haltbar erwiesen. Die moderne ordinale Nutzenmessung beschränkt sich auf die Festlegung einer Rangfolge: U1 < U2 < U3 < U4 …. Un Der Verlauf der Indifferenzkurven gibt Aufschluss darüber, in welcher Beziehung die beiden Güter zueinander stehen. Die Indifferenzkurven vollständiger bzw. perfekter Substitute sind Geraden, welche die Achsen schneiden. Dem Konsumenten ist es egal, ob er sein Brot mit Butter oder Margarine bestreicht. Prof. Dr. Grobosch Seite 33 27.09.2019 3.4 Die Grenzrate der Substitution Auf einer Indifferenzkurve gibt es unendlich viele Mengenkombinationen, die für den Haushalt den gleichen Nutzen stiften. Jede Güterkombination auf einer Indifferenzkurve kann gegen eine andere getauscht werden, ohne dass sich der Gesamtnutzen ändert. Ausgehend von Punkt A reduzieren wir die Menge von q2 (-Δq2) und erhöhen die Menge von q1 (+ Δq1), ohne dass sich das Nutzenniveau bzw. die Wertschätzung der Güterbündel (q1/q2) ändert. Die Steigung der Indifferenzkurve kann durch die Mengenänderungen festgelegt werden und wird als Grenzrate der Substitution bezeichnet. Sie kann mit Hilfe von zwei Punkten berechnet werden, dem Tangens des Winkels α: GRS = tg α = - q2 / + Δ q1 Die Grenzrate der Substitution in einem bestimmten Punkt entspricht der ersten Ableitung der Funktion und damit der Steigung der Indifferenzkurve: Würde immer mehr von Gut 2 durch Gut 1 substituiert, nähme die Grenzrate der Substitution (also die Steigung der Tangente) bei einer solchen konvexen Indifferenzkurve ab (Gesetz der abnehmenden Grenzrate der Substitution). Prof. Dr. Grobosch Seite 34 27.09.2019 Die Steigung der Budgetbeschränkung Bei gegebenem Einkommen (y) und zwei Gütern (q1, q2) mit den Preise (p1, p2) kann ein Haushalt eine bestimmte Mengen konsumieren. Die Budgetbeschränkung lautet: y = p1 q1 + p2 q2 Würde dieser Haushalt nur ein Gut konsumieren, könnte er für sein zur Verfügung stehendes Budget maximal die Menge q1 = y / p1 bzw. q2 = y / p2 kaufen. Auf der Verbindungslinie liegen alle möglichen Mengenkombinationen, die dieser Haushalt mit seinem Budget bei gegebenen Preisen kaufen kann. Die Steigung der Budgetgeraden ist definiert als: Erhöht sich der Preis von p2, vermindert sich die maximale Menge von q2 auf q2*, die Steigung der Budgetgeraden wird flacher (Pfeil 1). Bei einer Preiserhöhung von p1 würde sie steiler werden. Eine Einkommenserhöhung dagegen führt zu einer Parallelverschiebung der Budgetgeraden nach rechts oben (Pfeil 2). Prof. Dr. Grobosch Seite 35 27.09.2019 3.5 Die optimale Konsumentscheidung Ein ökonomisch rational handelnder Haushalt wird bei gegebenem Budget die Güterkombination mit dem höchsten Nutzen auswählen. Das Nutzenmaximum liegt in dem Punkt, in dem die Budgetgerade die am weitesten vom Ursprung entfernte Indifferenzkurve tangiert. Weder die Mengenkombination in Punkt A noch die in Punkt C sind bei der eingezeichneten Budgetrestriktion optimal, da sie auf einer Indifferenzkurve mit geringerem Nutzen liegen. Die Indifferenzkurve U3 lässt sich bei dem gegebenen Budget nicht realisieren. Deshalb ist die Mengenkombination des Punktes B in diesem Beispiel die mit dem höchsten Nutzen für diesen Haushalt. Prof. Dr. Grobosch Seite 36 27.09.2019 Eine Erhöhung des Preises von Gut 2 bzw. eine Ausweitung des Haushaltseinkommens führt zu den Punkten D bzw. E. Die optimalen Mengenkombinationen ändern sich bei Preis- oder Einkommensänderungen. Bei einer Preiserhöhung von Gut 2 wird ein Teil der konsumierten Menge dieses Gutes durch eine Ausweitung des Konsums des Gutes 1 substituiert. Im Fall einer Einkommenserhöhung steigen beide Konsummengen. Im Nutzenmaximum sind die Steigungen der Budgetgeraden und der Indifferenzkurve gleich, sodass in diesem Punkt das Verhältnis der Preise der Güter umgekehrt proportional zur Grenzrate der Substitution sein muss: Prof. Dr. Grobosch Seite 37 27.09.2019 Einkommens- und Substitutionseffekt Im Folgenden zweigen wir, wie sich die aus einer Preisänderung resultierende Änderung der konsumierten Mengen in zwei Effekte zerlegen lässt. Ausgangspunkt ist der Punkt A. Eine Preissenkung von P1 führt zu einer Drehung der Budgetgeraden. Die maximal mögliche Konsummenge von Gut 1 steigt, maximale Konsummenge von Gut 2 bleibt konstant. Die neue Budgetgerade tangiert eine Indifferenzkurve mit einem höheren Nutzenniveau (U2) in Punkt B. Man sieht, dass sich konsumierte Menge von Gut 1 ändert, sondern auch die konsumierte Menge von Gut 2. Der Substitutionseffekt ändert die Konsumverhältnisses der Güter 1 und 2, der Einkommenseffekt beschreibt die durch die erhöhte Kaufkraft vergrößerten Konsummengen. Prof. Dr. Grobosch Seite 38 27.09.2019 Die individuelle Nachfrage eines Haushalts Die Änderung der nachgefragten Menge eines Gutes in Abhängigkeit vom Preis dieses Gutes kann mit Hilfe der Preis-Mengen-Kombinationen der optimalen Konsumentscheidungen ermittelt werden. Wenn sich der Preis von pI auf pII verdoppelt, so könnte der Haushalt nur noch die Hälfte (qII) der bisherigen Menge (qI) konsumieren; eine weitere Verdoppelung des Preises (= pIII) würde eine Vierteilung (qIII) der ursprünglichen Konsummenge bewirken. Prof. Dr. Grobosch Seite 39 27.09.2019 Die Gesamtnachfrage auf einem Markt Die so abgeleiteten Nachfragekurven der einzelnen Haushalte lassen sich zur Gesamtnachfrage aller Haushalte zusammenfassen. Dazu addiert man die zu einem bestimmten Preis nachgefragten Mengen der einzelnen Haushalte und erhält damit die Gesamtnachfrage. Prof. Dr. Grobosch Seite 40 27.09.2019 3.6 Elastizitäten Aus ökonomischer Sicht ist es für Unternehmen interessant zu wissen, welche Reaktionen eine Preis- oder Einkommensänderung auf die nachgefragte Menge hat. Diese Frage kann präzise mit dem Elastizitätsbegriff beantwortet werden. Elastizitäten messen die Veränderung einer abhängigen Variable als Reaktion auf die Veränderung einer unabhängigen Variablen. Dabei werden prozentuale Veränderungen in Relation zueinader gesetzt: Die Preiselastizität der Nachfrage misst, um wie viel Prozent sich die nachgefragte Menge ändert, wenn sich der Preis des Gutes um einen bestimmten Prozentsatz ändert. Für die Nachfrage lassen sich folgende Elastizitäten bestimmen: 1. die direkte Preiselastizität der Nachfrage, 2. die indirekte Preiselastizität der Nachfrage (Kreuzpreiselastizität), 3. die Einkommenselastizität der Nachfrage. Prof. Dr. Grobosch Seite 41 27.09.2019 Direkte Preiselastizität der Nachfrage: p1 erhöht sich von 100 auf 110; die konsumierte Menge sinkt von 500 Stück auf 400 Stück. In die Formel eingesetzt ergibt sich eine direkte Preiselastizität der Nachfrage von -2. Betrachten wir eine unendlich kleine (infinitesimale) Preisänderung, so ergibt sich: Prof. Dr. Grobosch Seite 42 27.09.2019 Die Preiselastizität der Nachfrage in einem Punkt hängt dann von der Steigung der Nachfragefunktion und der Relation aus Preis und Menge ab. Die Nachfragefunktion lautet: q1 = 24 - 4p1. Bei einem Preis von p1 = 4 wird die Menge q1 = 8 nachgefragt und die Funktion hat die Steigung -4 sodass sich für die Elastizität ergibt: Die direkte Preiselastizität der Nachfrage hat ein negatives Vorzeichen, da sich die Nachfrage normalerweise in die entgegengesetzte Richtung der Preisänderung verändert; steigt der Preis, fällt die Nachfrage und anders herum. Ist die prozentuale Änderung der nachgefragten Menge größer als die des Preises, so ist der Betrag der Elastizität größer als 1 und die Nachfrage wird als elastisch bezeichnet; fällt die relative Mengenänderung geringer aus als die relative Preisänderung, so hat die Elastizität einen absoluten Wert kleiner als 1 und die Nachfrage gilt als unelastisch. Die Betragsfunktion der Preiselastizität der Nachfrage kann Werte im Bereich von null bis unendlich aufweisen. Formal lassen sich dementsprechend elastische und unelastische Nachfrage wie folgt unterscheiden: Prof. Dr. Grobosch Seite 43 27.09.2019 Kreuzpreiselastizität: Hier wird die relative Mengenänderung von Gut 1 ins Verhältnis zur relativen Preisänderung von Gut 2 gesetzt. Die Kreuzpreiselastizität kann sowohl positive als auch negative Vorzeichen haben, je nachdem, ob es sich um Substitute oder Komplemente handelt. Einkommenselastizität der Nachfrage: Hier ist das Einkommen die unabhängige Variable und die Mengenänderung die abhängige Variable. Es wird gemessen, wie stark die Nachfrage des Haushalts in Mengeneinheiten auf eine Einkommensänderung reagiert. Die Einkommenselastizität der Nachfrage hat normalerweise ein positives Vorzeichen. Steigt das Einkommen, dann nimmt die Nachfrage zu, sinkt Einkommen, nimmt die Nachfrage ab (superiore Güter). Anders sieht es bei inferioren Gütern aus. Bei steigendem Einkommen wird weniger konsumiert, die Einkommenselastizität der Nachfrage ist negativ. Prof. Dr. Grobosch Seite 44