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Anatomie

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Anatomieskriptum
Dr. Isabel Haider - Strutz
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1
EINLEITUNG
Wir werden uns in dieser Vorlesung mit BIOLOGIE - der Lehre vom Leben im weitesten
Sinne und im speziellen mit der ANATOMIE - der Lehre vom Bau des Körpers und seiner
Organe beschäftigen. Die Anatomie lässt sich in zahlreiche Bereiche unterteilen, dieses
Skriptum widmet sich vorrangig der systematischen Anatomie - also dem Aufbau der
Organe und seiner Organsysteme (Verdauungstrakt, Herz - Kreislaufsystem, ...). Teilweise
werden wir uns auch mit der funktionellen Anatomie, die der Physiologie schon nahesteht,
auseinandersetzen.
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2
TERMINOLOGIE
Unter Terminologie versteht man die "Lehre von den Fachausdrücken", die die
Kommunikation verwandter Berufsgruppen erleichtert. Auch in der Medizin werden
Fachtermini verwendet, welche sich aus dem Lateinischen oder aus dem Altgriechischen
entwickelt haben. Die anatomische Nomenklatur leitet sich in erster Linie aus dem
Lateinischen ab, einige Begriffe sind jedoch auch aus dem Altgriechischen übernommen.
Im Gegensatz dazu bedient sich die Pathologie (Krankheitslehre) in erster Linie der
griechischen Begriffe.
In diesem Kapitel möchte ich auf grundlegende Bezeichnungen, die die Orientierung am
und im Körper erleichtern und vereinheitlichen, eingehen. Organspezifische Fachausdrücke werden in den einzelnen Kapiteln besprochen.
Der Körperstamm - Truncus im weiteren Sinne besteht aus dem Kopf - Caput, dem Hals Collum und dem Rumpf – Truncus im engeren Sinne. Dieser ist wiederum aus der Brust Thorax, dem Bauch - Abdomen und dem Becken - Pelvis aufgebaut.
Achsen durch den Körper
Die Sagittalachse (a) durchdringt den Körper von vorne nach hinten, die Longitudinal-achse
(b) zieht von oben nach unten durch den Körper und die Transversalachse (c) geht von
rechts nach links.
Ebenen durch den Körper
Jeweils zwei Achsen spannen eine Ebene auf. So wird die Medianebene durch jene Sagittal
- und Longitudinalachse aufgespannt, die genau durch die Körpermitte ziehen und so den
Körper in zwei spiegelgleiche Hälften teilt. Alle Ebenen, die Parallel zu dieser Medianebene
liegen, bezeichnet man als Sagittalebene.
Frontalebenen werden durch eine Transversal - und eine Longitudinalachse gebildet, sie
liegen parallel zu Stirnbein (Os frontale). Transversalebenen werden durch Sagittal - und
Transversalachsen aufgespannt.
Richtungen im Raum
anterior
posterior
superior
inferior
ventral
dorsal
kranial
kaudal
lateral
medial
dexter
sinister
vorn liegend
hinten liegend
oben liegend
unten liegend
bauchseitig
rückwärts
zum Schädel hin (beim Menschen also oben)
steißwärts (beim aufrecht stehenden Menschen unten)
zur Seite hin gelegen
zur Mitte hin gelegen
rechts
links
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proximal
distal
nasal
okzipital
obere
Extremität
ulnar
radial
palmar
dorsal
untere
Extremität
tibial
fibular
plantar
dorsal
zum Körper hin gelegen (an einer Extremität)
vom Körper entfernt gelegen (an einer Extremität)
nasenwärts
zum Hinterkopf hin gelegen
zur Elle hin
zu Speiche hin
zur Handfläche
zum
Handrücken
zum Schienbein
zum
Wadenbein
zur Fußsohle
zum Fußrücken
Bewegungsrichtungen
Flexion - Beugen
Extension - Strecken
Adduktion - an den Körper heranführen
Abduktion - vom Körper wegführen
Bewegungen von Händen und Füßen
Supination - Auswärtsdrehen
Pronation - Einwärtsdrehen
Wichtige Abkürzungen
Arterie(n): A., Aa.
Vene(n): V., Vv.
Nerv(en): N., Nn
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3
AUFBAU DER MATERIE
Wir werden uns mit einigen wenigen chemischen Grundlagen, welche uns den Organismus
und seine Stoffwechselvorgänge leichter verständlich machen, kurz in seinen Grundzügen
widmen.
3.1
Wasser – H2O
Chemisch besteht ein Wassermolekül (H2O) aus zwei Wasserstoffatomen (H) und einem
Sauerstoffatom (O). Der menschliche Körper besteht zu etwa 60 % aus Wasser,
wobei jüngere und muskulöse Menschen mehr Wasser im Körper gebunden haben
als alte und adipöse Menschen. Wasser spielt eine entscheidende Rolle als Lösungsmittel
im Körper und ist auf die unterschiedlichen Räume im Organismus verteilt.
Etwa zwei Drittel des Gesamtkörperwassers befinden sich innerhalb der Zellen, im
sogenannten Intrazellularraum (IZR), ein Drittel befindet sich außerhalb der Zellen, im
Extrazellularraum (EZR). Das extrazelluläre Wasser lässt sich wieder aufteilen in die
intravasale Flüssigkeit innerhalb der Blutgefäße, sie macht etwa ein Viertel des
extrazellulären Wassers aus, der Rest befindet sich zwischen den Zellen als interstitielle
Flüssigkeit und in geringer Menge auch in den Körperhöhlen.
Die unterschiedlichen Flüssigkeitsräume sind durch halbdurchlässige (semipermeable)
Membranen (Basalmembranen, Zellmembranen) voneinander getrennt, in den
Flüssigkeiten
herrschen unterschiedliche Konzentrationen zahlreicher Elektrolyte. Durch diese
Membranen können unterschiedliche Milieus aufrechterhalten werden.
Ein erwachsener Mensch nimmt etwa 2,5 Liter Wasser pro Tag auf. Etwa 1–1,5 Liter
werden
über zugeführte Flüssigkeiten von den Darmzotten des Verdauungstraktes in das
Blut aufgenommen, der Rest setzt sich aus dem Wasseranteil in der festen Nahrung und
dem Oxidationswasser, welches bei Stoffwechselvorgängen entsteht, zusammen.
Genauso
viel Wasser wird über die Nieren, den Darm und durch Schwitzen über die Haut
wieder ausgeschieden. Der größte Anteil macht mit etwa 1,5 Litern der Urin aus, etwa
100 ml Wasser verlassen den Körper über den Stuhl, der Rest wird über die Schleimhäute,
etwa während des Atmens und über die Haut, abgegeben.
Im Körperwasser sind Ionen in einer ganz bestimmten Zusammensetzung gelöst. Die
Körperflüssigkeit ist eine 0,9 %-ige Salzlösung, das bedeutet, in einem Liter Wasser sind
9 Gramm NaCl
(Kochsalz) gelöst.
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3.2
Säuren und Basen
Säuren sind chemische Verbindungen, die bei chemischen Prozessen positiv geladene
H-Ionen (= Protonen) abgeben. Sie sind also Protonendonatoren („Protonenabgeber“).
z.B. Salzsäure: HCl àH+ + Cl¯
Das Wasserstoffion H+ ist also das charakteristische Ion der Säuren. Wasserstoffionen
sind Wasserstoffatome, die ein Elektron abgegeben haben; übrig bleibt die positive
Ladung im Wasserstoffatomkern, eben das Proton.
Basen sind chemische Verbindungen, die bei chemischen Reaktionen Protonen
aufnehmen. Sie sind Protonenakzeptoren. Auch Basen besitzen ein charakteristisches
Ion, das Hydroxidion (OH–).
z.B. Natronlauge NaOH;
Mischt man eine Säure mit einer gleich starken Base, dann neutralisieren sich die beiden,
die so entstandene Verbindung ist neutral, weder sauer noch basisch. Verbinden sich das
H+-Ion der Säure und das OH–-Ion der Base, dann entsteht H2O, neutrales Wasser. Auf
diesem Prinzip beruhen Mechanismen im Körper, die den Säure - Basen - Haushalt regeln.
Die Stärke von Säuren und Basen wird durch den pH-Wert bestimmt, er ergibt sich aus der
Konzentration der H+-Ionen (sauer) oder OH–-Ionen (basisch) einer Lösung. Ein pH-Wert
von 7 bedeutet, dass eine Lösung neutral, also weder sauer noch basisch ist. Je weiter
dieser Wert gegen 0 absinkt, umso saurer wird eine Lösung, je weiter er sich 14 nähert,
umso alkalischer (basischer) ist die Lösung.
Der pH-Wert hat im Körper einen ganz wesentlichen Einfluss auf die
Stoffwechselfunktionen und unterscheidet sich in den unterschiedlichen Körpersäften
erheblich. So herrscht im nüchternen Magen ein pH-Wert von 1,0–1,5 – also sehr sauer –, im
Dünndarm herrscht hingegen ein Milieu mit einem pH-Wert von 6–8. Ganz wesentlich
für den Ablauf von Körperfunktionen ist der pH-Wert im Blut.
Dieser muss sich in engen Grenzen bewegen, ein Blut-pH-Wert von 7,36–7,44 ist
physiologisch. Ein Absinken des Blut-pH-Wertes unter 7,36 wird als Azidose
(Übersäuerung), ein Ansteigen auf über 7,44 als Alkalose (zu basisches Milieu) bezeichnet.
Der menschliche Organismus verfügt über Steuersysteme, sogenannte
Puffersysteme, um diesen physiologischen pH-Wert möglichst konstant zu halten. Das
wichtigste Puffersystem im Körper ist der Kohlensäure-Bicarbonat - Puffer.
3.3 Puffersysteme
Puffersysteme halten den physiologischen pH- Wert ( ca. 7,4) in den Körperflüssigkeiten
konstant. Sie bestehen aus einer schwachen Säure und ihrer dazugehörigen Base. Das
wichtigste Puffersystem im menschlichen Organismus ist der Kohlensäure – Bikarbonat –
Puffer.
Das Kohlensäure-Bikarbonat-Puffersystem besteht aus Kohlensäure (H2CO3) als schwache
Säure und Bikarbonat (HCO3) als dazugehörige Base. Die chemischen Gleichungen
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verdeutlichen, dass Kohlensäure ein Wasserstoffion H+ -Ion mehr hat, als Bikarbonat. Es
kann H+ -Ionen freisetzen, während Bikarbonat H+ - Ionen aufnehmen kann.
Die chemische Gleichung sieht so aus:
Das Besondere an Kohlensäure als Bestandteil des Puffersystems ist, dass die Kohlensäure
sich auch in Wasser (H2O) und Kohlendioxid (CO2), einem Atemgas, aufspalten kann,
welches abgeatmet wird. Dieser Vorgang vollzieht sich fortlaufend über die Lunge.
Puffersysteme gleichen im Körper eine Verschiebung des pH – Wertes, sowohl in saures
Milieu (Azidose) als auch in basisches Milieu (Alkalose), aus.
3.3.1 Azidose und Alkalose
Azidose und Alkalose können sowohl stoffwechselbedingt (metabolisch) als auch durch
Beeinträchtigung der Atmung (respiratorisch) auftreten!
Unter einer Azidose versteht man die Übersäuerung des Organismus unter einen pH – Wert
von 7,36 , eine Alkalose tritt auf, wenn die Körpersäfte zu basisch, also über pH 7,44 sind.
Respiratorische (atmungsbedingte) Azidose:
Eine respiratorische Azidose („atmungsbedingte Übersäuerung“) tritt immer dann auf,
wenn das Abatmen von Kohlendioxid gestört ist und sich damit Kohlendioxid und
Wasserstoffionen im Körper ansammeln.
Sie tritt zum Beispiel bei Lungenfunktionsstörungen oder bei medikamentös verursachten
vermindertem Atemantrieb (Atemdepression) auf.
In ausgeprägten Fällen ist der Patient zyanotisch („blaue Lippen“) und hat Atemnot. Durch
den „Stau“ des sauren Kohlendioxids kommt es zur Azidose. Kompensatorisch reagieren
die Nieren mit vermehrter Wasserstoffausscheidung, um den verschobenen pH – Wert
auszugleichen.
Metabolische (stoffwechselbedingte) Azidose
Als metabolische Azidose bezeichnet man eine stoffwechselbedingte Übersäuerung des
Blutes und des Körpers. Metabolisch deshalb, weil die Ursache nicht in der Atmung,
sondern im Stoffwechsel (Metabolismus) begründet liegt.
Die häufigsten Ursachen einer metabolischen Azidose sind Niereninsuffizienz oder eine
diabetische Stoffwechselentgleisung mit Ketoazidose beim absoluten Insulinmangel
(diabetisches Koma), Urämie beim Nierenversagen, Vergiftung mit sauren Substanzen wie
beispielsweise Acetylsalicylsäure, dem Wirkstoff von Aspirin.
Die häufigste metabolische Azidose ist die diabetische Ketoazidose: Der Diabetiker
gewinnt bei Insulinmangel, da er keine Glukose verwerten kann, Energie durch verstärkte
Verbrennung von Fettsäuren. Bei diesem verstärkten Fettabbau entstehen Ketonkörper,
die große Mengen von Bikarbonatpuffer binden. Der daraus entstehende relative Mangel
an Bikarbonat führt zur Übersäuerung des Blutes.
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Ein Patient mit metabolischer Azidose fällt vor allem durch seine verstärkte, tiefe und
beschleunigte Atmung auf (sogenannte Kußmaulsche Atmung). Bei der Ketoazidose des
Diabetikers kann man meist auch einen fruchtartigen Acetongeruch in der Atemluft
bemerken. Entscheidend für die Erkennung und Quantifizierung einer Azidose oder einer
Alkalose ist die Blutgasanalyse. Aus dem Basendefizit, dem pH-Wert und dem CO2 Partialdruck lässt sich leicht das Ausmaß der metabolischen Azidose und das Ausmaß der
respiratorischen Kompensation des Körpers erkennen.
Respiratorische Alkalose:
Unter einer respiratorischen Alkalose versteht man einen durch die Atmung
(respiratorisch) verursachten Anstieg des Blut-pH-Wertes über 7,43 (Alkalose) durch einen
Mangel an Kohlendioxid.
Ursachen: Durch Überreizung des Atemzentrums wird zu viel ein- und ausgeatmet
(Hyperventilation) und damit zu viel Kohlendioxid abgeatmet. Der CO2-Partialdruck in den
Alveolen und im (arteriellen) Blut sinkt damit ab, da es zu einer Verschiebung des
Puffergleichgewichts CO2 + H20 <--> H2CO3 --> H+ + HCO3- nach links und damit zum
„Verbrauch” von H+ (Säure) kommt.
Zu einer Hyperventilation kommt es häufig durch psychische Einflüsse aber auch bei
Aufenthalt in großer Höhe, da der gesunkene Sauerstoff-Partialdruck durch ein erhöhtes
Atemminutenvolumen ausgeglichen wird.
Bei einer (respiratorischen) Alkalose kann es zu Muskelkrämpfen, sog.
Hyperventilationstetanien kommen. Dies kann bis zur Bewusstlosigkeit führen.
Therapie: Bei psychisch bedingter Hyperventilation hilft es häufig, die betroffene Person
zu beruhigen und zu einer bewussten (langsameren) Atmung anzuhalten. Gelingt dies
nicht, kann die Rückatmung über die Hände oder sogar einen Plastikbeutel versucht
werden (hier ist sehr behutsam vorzugehen!). In schweren Fällen muss der Patient sediert
werden, z.B. mit Midazolam oder Valium.
Metabolische Alkalose:
Unter einer metabolischen Alkalose versteht man einen durch den Stoffwechsel
(metabolisch) bedingten Anstieg des Blut-pH-Wertes über 7,43 (Alkalose).
Bei Erbrechen oder Magendrainage (Absondern von Mageninhalt) kann es durch den
Verlust vonder Magensäure zu einer metabolischen Alkalose kommen.
3.4 Nukleinsäuren
Nukleinsäuren sind die Träger der Erbanlagen und die Schlüsselsubstanzen der
Proteinbiosynthese. Sie kommen im Zellkern, in den Ribosomen, im Zytoplasma und in den
Mitochondrien vor.
Nukleinsäuren sind aus drei Bestandteilen aufgebaut:
stickstoffhaltige Base: Adenin A, Thymin T, Guanin G, Cytosin C oder Uracil U
Zuckermolekül: Ribose oder Desoxyribose
Anorganisches Phosphat
Ein Nukleotid ist eine Einheit, bestehend aus diesen 3 Bestandteilen
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Base
Phosphatrest
Zucker
Nukleinsäuren sind Polynukleotide, das heißt, sie sind aus mehreren Nukleotiden
zusammengesetzt. Man unterscheidet die DNA oder DNS von der RNA oder RNS.
DNA – DNS DesoxyRibonukleinSäure (Acid)
Die DNA besteht aus einem Doppelstrang untereinander angeordneter Nukleotide,
bestehend aus einem Zuckermolekül, der Desoxyribose, einem Phosphatmolekül und
jeweils einer der Basen Adenin, Thymin, Guanin oder Cytosin. Sie hat die Form einer um sich
gewundenen Strickleiter. Dabei bestehen die seitlichen Stränge aus den Zucker und
Phosphatmolekülen, die Sprossen aus den korrespondierenden Basen ( A - T, G - C). Adenin
korrespondiert immer mit Thymin, Guanin mit Cytosin. Die korrespondierenden basen
passen nach dem Schlüssel – Schloß – Prinzip zusammen. Die Basen eines Stranges sind
daher das Negativ des anderen. Wir sprechen vom Watson - Crick Modell, benannt nach
ihren Entdeckern .
Ein DNA – Abschnitt von etwa 1000 Sprossen entspricht einem Gen, einer Erbeinheit.
Der Mensch besitzt etwa 30,- 40 tausend Gene. Für jedes Protein, das synthetisiert werden
kann, liegt ein ganz bestimmtes Gen an der DNA vor.
RNA – RNS RiboNukleinSäure (Acid)
Die RNA besteht nur aus einem einzelnen Strang aneinandergereihter Nukleotide, ihr
Zuckermolekül heißt Ribose und ihre Basen sind Adenin, Cytosin, Guanin und Uracil
anstatt des Thymins der DNA. Die kleinste Informationseinheit der RNA setzt sich aus
drei Nukleotiden (Basentriplett) zusammen, das sind drei untereinander angeordnete
Abschnitte, die jeweils aus einer Base, einer Ribose und einem Phophatrest bestehen.
Ein Triplett ist der Code für eine Aminosäure und heißt dementsprechend Codon. Ein
Codon besteht also aus drei zusammenhängenden Nukleotiden, die Information für
eine bestimmte Aminosäure steckt in der Anordnung der drei Basen dieser Nukleotide.
Aminosäuren sind die Grundbausteine der Proteine (Eiweiße).
Die RNA erfüllt unterschiedliche Aufgaben, man unterscheidet mehrere Arten:
Die m-RNA (messenger RNA oder Boten-RNA) liest während der Proteinbiosynthese
im Zellkern die Informationen (also die Reihenfolge der aneinandergereihten Basen)
der DNA ab und bringt diese Information ins Zytoplasma zu den Ribosomen, wo die
Eiweißsynthese stattfindet. Die m-RNA fertigt von der Information der DNA des Zellkerns
eine Negativkopie an, indem sie die Basenfolge der DNA durch Anlagerung ihrer
korrespondierenden Basen abliest.
Die t-RNA (transfer RNA oder „Übersetzer“-RNA) übersetzt quasi den Code der mRNA für die richtigen Aminosäuren. Ihre Basentripletts heften die richtige Aminosäure,
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welche sich schon im Zytoplasma befindet, an sich an und transportieren diese zu den
Ribosomen, den Bildungsstätten der Eiweiße.
Die r-RNA (ribosomale RNA) ist der wesentlichste Baustein der Ribosomen.
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4
DIE ZELLE
Eine Zelle ist die kleinste selbständig lebensfähige Einheit. Sie hat einen eigenen
Stoffwechsel, viele Zellen können wachsen und sich durch Teilung vermehren. Der Mensch
besteht aus etwa 100 000 Milliarden Zellen, die zum einen Teil ständig erneuert werden
(etwa 100 Millionen in der Sekunde), zum anderen Teil ein ganzes Menschenleben
überdauern.
Man unterscheidet einzellige Lebewesen, Protozoen, von mehrzelligen, den Metazoen.
Der Mensch ist demnach ein Metazoon. Grundsätzlich besitzen Protozoen einen Zellkern
oder ein Zelläquivalent, sie sind Eukaryoten. Nur dadurch sind sie als Einzeller lebensfähig,
sie können sich teilen und Stoffwechsel betreiben. Einige Zellen mehrzelliger Lebewesen
sind Prokaryoten, also kernlose Zellen wie die reifen Erythrozyten. Ihre Lebensdauer und
Lebensfunktionen sind deutlich eingeschränkt.
Menschliche Zellen unterscheiden sich in der Form, Funktion, Größe und Lebensdauer,
wobei ein enger Zusammenhang zwischen diesen Eigenschaften besteht. Rote
Blutkörperchen sind hantelförmige Scheibchen, um die engsten Kapillaren passieren zu
können, Skelettmuskelzellen sind langgezogene Zellen, um sich zusammenziehen zu
können. Abwehrzellen leben nur wenige Tage, dann haben sie ihre Funktion erfüllt,
Nervenzellen müssen Jahrzehnte überdauern.
Allen Zellen gemeinsam ist eine aber einheitliche Grundstruktur, bestehend aus
Zellmembran (Plasmalemm), Grundsubstanz (Zytoplasma) mit Zellorganellen und dem
Zellkern (Nucleus).
Zellen gleicher Funktion schließen sich zu Zellverbänden, den Geweben zusammen.
4.1
Die Zellmembran - Plasmalemm
Die Zellmembran ist eine komplexe Struktur, die die Zelle umgibt, im Lichtmikroskop zeigt
sie einen einschichtigen Aufbau, im Elektronenmikroskop erscheint sie jedoch
dreischichtig.
In Wahrheit besteht die Zellmembran aber aus einer Doppelschicht von Phospholipiden,
deren hydrophile oder wasseranziehende Anteile (Köpfchen) die Membran einerseits zum
Intrazellulärraum, andererseits auf der gegenüberliegenden Seite zum extrazellulären
Raum, also nach außen begrenzen. Die lipophilen (fettanziehenden) Anteile
(Schwänzchen) sind dazwischen gegeneinander ausgerichtet und bilden eine hydrophobe
(wasserabweisende) Barriere.
Der lipophile Charakter der Zellmembran ermöglicht es, zwei wässrige Milieus, nämlich den
Intrazellulärraum und den Extrazellulärraum, gegeneinander abzugrenzen und einer
Vermischung vorzubeugen, solche Membranen sind nur selektiv durchlässig oder
semipermeabel. Geladene Teilchen (Ionen) und größere Moleküle können diese
Membranen nur schwer oder gar nicht passieren, in die Zellwand eingebaute Kanäle und
Transporter ermöglichen selektiv Substanzen zwischen den beiden Milieus auszutauschen.
So lassen sich Konzentrationsdifferenzen aufrechterhalten und unterschiedliche
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Membranpotentiale aufbauen. Membranpotentiale spielen eine wesentliche Rolle bei der
Erregung von Nervenzellen und Muskelzellen.
Zellmembranen umhüllen einerseits die Zelle, sie begrenzen aber auch alle Strukturen im
Zellinneren, wie den Zellkern, die Mitochondrien, den Golgi-Apparat und das
endoplasmatische Retikulum. Kleine Membrananteile können als Vesikel (Bläschen)
abgeschnürt werden und spielen damit eine entscheidende Rolle bei der Einschleusung
und Ausschleusung (Endozytose und Exozytose) von Stoffen und Partikeln.
Die Zellmembran zeigt häufig feine Ausstülpungen zur Oberflächenvergrößerung, die
Mikrovilli und ist von einer Schicht aus Zuckermolekülen und Proteinen, der Glykokalix,
umhüllt. Die Glykokalyx bei Erythrozyten bestimmt zum Beispiel die Blutgruppe und
beinhaltet den Rhesusfaktor.
Die Zellmembran hat Schutz- und Transportfunktion und ist semipermeabel (nur für
bestimmte Stoffe durchlässig). Kleine lipophile (fettlösliche) Substanzen können die
Membran leicht überwinden, große, hydrophile (wasserlösliche) oder geladene Teilchen
benötigen für ihren Durchtritt Transporteiweiße (Transportproteine).
4.2
Zytoplasma
Das Zytoplasma ist der gesamte Inhalt einer Zelle, der nach außen hin von der Zellmembran
umschlossen wird.
Das Zytoplasma besteht aus der Zellflüssigkeit oder Zytosol, das zu 80 bis 85% aus Wasser,
zu 10–15 % aus Proteinen, Lipiden und Polysacchariden besteht, dem Zellskelett - Zyto –
skelett und den Zellorganellen.
4.3
Zellorganellen - „Organe der Zellen“
Zu den Zellorganellen zählen das endoplasmatische Retikulum, die Mitochondrien, der
Golgi Apparat, die Zentriolen und die Lysosomen. Menschliche Zellorganellen sind von einer
Doppelmembran, gleich der Zellmembran, begrenzt. Prokaryoten (Zellen ohne Kern)
besitzen keine Organellen.
Das endoplasmatische Retikulum
Das ER durchzieht als weit verzweigtes Röhrensystem aus Doppelmembranen das
Zytoplasma. Man findet das ER in allen eukaryotischen Zellen; je nach Zelltyp ist es
unterschiedlich stark entwickelt. Die ER-Membran geht direkt in die Kernhülle des
Zellkerns über, das heißt Kernhülle und ER stellen strukturell eine Einheit dar.
Es kann granuliert (rau) und ungranuliert (glatt) vorkommen.
Raues ER: an seiner Oberfläche sitzen kleine Körnchen, die Ribosomen, die hauptsächlich aus RNA bestehen. Es findet sich besonders in proteinbildenden Zellen, da es für
die Eiweiß (Protein) - Synthese verantwortlich ist. Zusätzlich ist es für die Produktion von
Bestandteilen aller Zellmembranen von großer Bedeutung.
Glattes ER: es besitzt keine Granula und ist für den Lipidstoffwechsel verantwortlich
(zB. in der Leber) und spielt eine Rolle bei Entgiftungsvorgängen der Zelle.
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Mitochondrien
Mitochondrien sind ei,- oder nierenförmige Gebilde aus Doppelmembranen, deren innere
Membran Auffaltungen (Cristae) zur Oberflächenvergrößerung besitzt. Sie sind die
Energielieferanten der Zelle, daher findet man in Zellen mit großem Energiebedarf
reichlich Mitochondrien (zB. Herzmuskel, Spermienzelle).
Zur Energiegewinnung laufen in den Mitochondrien chemische Reaktionen der
so genannten inneren Zellatmung ab, wobei die aus dem Blut aufgenommene Glukose
zur Synthese von Adenosintriphosphat ATP verwendet wird. ATP wird im Intermembranraum (zwischen den beiden Membranen der Doppelmembran) synthetisiert und
kann von dort ins Zytosol der Zelle abgegeben werden. ATP ist vergleichbar mit einer
„vollen Batterie“ , welches durch Abspaltung eines Phosphatrestes Energie freisetzt und
so in ADP (Adenosindiphosphat) umgewandelt wird.
Mitochondrien sind aber auch Träger der mitochondrialen DNA und haben ein eigenes
mitochondriales Genom (Erbsubstanz). Dieses Genom macht ca. 1% der menschlichen
genetischen Information aus und wird ausschließlich maternal (nur in der mütterlichen
Linie) vererbt.
Golgi - Apparat
Der Golgi - Apparat besteht aus mehreren Golgi-Feldern (Diktyosomen), die wiederum aus
5-10 schüsselförmigen Säckchen bestehen.
Seine Funktion ist die Ausscheidung der Stoffe aus dem endoplasmatischen Retikulum
(Lipide, Proteine). Stoffe, die vom endoplasmatischen Retikulum hergestellt werden,
werden im Golgi - Apparat modifiziert und verpackt. Dazu werden kleine Vesikel
(Bläschen) abgeschnürt, die die Zellprodukte sammeln, zur Zellmembran transportieren
und diese durch Verschmelzen der Membranen, ausscheiden. So können die Stoffe durch
Exozytose aus der Zelle ausgeschleust werden.
Der Zellkern: Nucleus
Der Zellkern ist das Hauptmerkmal zur Unterscheidung von Eukaryonten (Lebewesen mit
Zellkern) und Prokaryonten.
Der Zellkern enthält den größten Teil des genetischen Materials in Form der DNA. Eine Zelle
kann einen oder auch mehrere Zellkerne (Skelettmuskelzelle) besitzen, Ausnahme sind die
roten Blutkörperchen, die keinen besitzen.
Der Zellkern ist lichtmikroskopisch sichtbar und ist durch eine wiederum doppelte Kernmembran vom Zytoplasma getrennt. Die äußere Schicht der Kernmembran geht in das ER
über.
Im Zellkern befindet sich also die genetische Information (Gene). Diese liegt im Arbeitskern
in Form des Chromatins oder während der Zellteilung als Chromosomen vor. Gene
bestehen wiederum aus DNA.
Im Rahmen der Zellteilung verschwindet der Zellkern scheinbar, weil die Kernhülle für die
Zeit des Teilungsvorgangs aufgelöst wird. Aus dem Chromatin entsteht eine
charakteristische Anzahl kompakter Chromosomen, mit deren Hilfe die DNA besser auf
die Tochterzellen verteilt werden kann.
Nach der Teilung bilden sich die Kernhüllen um die Kerne der Tochterzellen wieder aus
und die Chromosomen werden wieder zum kaum sichtbaren Chromatin.
Im Zellkern findet sich noch das Zellkörperchen, der Nukleolus, der einen Teil der RNA
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enthält.
Chromosomen: Chromosomen bestehen aus DNA (Desoxyribonukleinsäure) und
beinhalten die Erbsubstanz jedes Individuums. Die DNA besteht aus einer langen
Doppelkette von Einheiten der vier Basen Adenin, Thymin, Guanin und Cytosin, einer
Desoxyribose und einem Phosphatrest.
Jeder menschliche Zellkern mit Ausnahme der reifen Geschlechtszellen besitzt 23
Chromosomenpaare, das sind 46 Chromosomen. Man spricht daher von einem doppelten
(diploiden) Chromosomensatz. Jeweils ein Chromosom jedes Paares stammt von der
Mutter, das andere vom Vater dieses Individuums. Nur das 23. Chromosomenpaar
unterscheidet sich bei Mann und Frau, indem männliche Körperzellen 1X und 1YChromosom, weibliche jedoch 2X-Chromosomen besitzt.
Je nach Zeitpunkt der Zellteilung, bestehen die Chromosomen aus einem oder aus zwei
Chromatiden, die in diesem Fall am Zentromer miteinander verbunden sind. 2 - Chromatid
- Chromosomen beinhalten den verdoppelten Chromosomensatz, der während der
Zellteilung auf zwei Zellen aufgeteilt wird. Unter einem haploiden (einfachen)
Chromosomensatz versteht man jedoch Chromosomen, die nicht paarig vorkommen, wie
das in den reifen Geschlechtszellen der Fall ist, unter einem diploiden (doppelten)
Chromosmensatz versteht man paarig auftretende Chromosomen mit dem Erbmaterial
beider Elternteile, wie in allen kernhaltigen Körperzellen.
Chromatid (Ein – Chromatid – Chromosom)
)
)
)
)
)
)
))
) ) ) ) ) ) ) ) .......
)( )( )( )( )( )( )( )(
4.4
Zwei Chromatid – Chromosom
(verdoppelter Chromosomensatz)
........... 23 mal!!! einfacher Chromosomensatz (Geschlechtszelle)
23 Paare!!!! doppelter Chromosomensatz (Körperzelle)
)( )( .......... 23 Paare eines verdoppelten Chromosomensatzes
(Zelle vor Teilung)
Zellteilung
Im menschlichen Organismus werden ständig Zellen durch Teilung neu gebildet, um
einerseits Wachstumsvorgänge zu ermöglichen und abgestorbene Zellen zu erneuern,
andererseits um aus Keimzellen befruchtungsfähige Geschlechtszellen (Eizelle,
Spermienzelle) zu erhalten. Den Vorgang der Teilung von Körperzellen bezeichnet man als
Mitose, die Teilung der Geschlechtszellen als Meiose.
Wichtig für das Verständnis von Teilungsvorgängen ist die Unterscheidung zwischen
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Ein-Chromatid-Chromosom und Zwei-Chromatid-Chromosom! Befindet sich die Zelle
nicht in Teilung, liegt die Erbsubstanz in Form einer langen DNA-Doppelhelix, welche
dem genetischen Material von 23 Ein-Chromatid-Chromosomenpaaren (2n) entspricht,
im Kernplasma vor. Ein-Chromatid-Chromosomen sind nur im letzten Schritt der Zellteilung
sichtbar, nachdem sich die Zwei-Chromatid-Chromosomen in Längsrichtung
geteilt haben. Zwei-Chromatid-Chromosomen sind die )(-förmigen Chromosomen, welche
kurz vor und während der Zellteilung sichtbar sind. Da das genetische Material bereits vor
der Zellteilung verdoppelt wird, das heißt, in dem Stadium, in dem die DNA - Doppelhelix
noch nicht zu sichtbaren Chromosomen verdichtet wurde, sind während der Zellteilung
eben nur Zwei-Chromatid-Chromosomen darstellbar.
) Ein-Chromatid-Chromosom
)( Zwei-Chromatid-Chromosom
(verdoppelter Chromosomensatz während der Zellteilung)
Unter einem einfachen Chromosomensatz versteht man, dass Erbinformationen in einer
Zelle nur einfach (haploid – 1n) vorliegen (entweder in Form väterlicher oder mütterlicher
Gene), wie das in reifen Eizellen und Spermienzellen vorkommt. Ein doppelter (diploider –
2n) Chromosomensatz bedeutet hingegen, dass die genetische Information doppelt
vorliegt (sowohl vom Vater als auch von der Mutter). Die Chromosomen gibt es in diesen
Zellen also paarweise! Alle Körperzellen besitzen einen doppelten Chromosomensatz.
) ) ) oder )( )( )( einfacher Chromosomensatz (nicht verdoppelt und verdoppelt)
in Eizellen und Spermienzellen
)) )) )) oder )()( )()( )()( doppelter Chromosomensatz (nicht verdoppelt und verdoppelt)
in allen Körperzellen, ausgenommen Eizelle und Spermienzelle
Während eines Zellzyklus laufen verschiedene Phasen ab. Den weitaus größten
Zeitabschnitt im Leben einer Zelle macht die Interphase, die Zeitspanne zwischen zwei
Zellteilungen, aus. Während dieser Phase geht die Zelle ihren eigentlichen Aufgaben nach,
es werden aber auch die Voraussetzungen für die Zellteilung geschaffen. Die Interphase
wird in drei Abschnitte, eine G1-Phase, eine S-Phase und eine G2-Phase, unterteilt. Ist die
Interphase abgeschlossen, tritt die Zelle in die eigentliche Zellteilungsphase ein, während
der vier Phasen, die Prophase, die Metaphase, die Anaphase und die Telophase, hintereinander ablaufen.
Den größten Teil ihrer Lebenszeit verbringen Zellen jedoch in der Phase zwischen den
Zellteilungen (Interphase), in der sie ihrer eigentlichen Aufgabe, etwa Kontraktion einer
Muskelzelle oder Schleimproduktion einer Becherzelle, nachkommen. In dieser Phase sind
die Chromosomen nicht sichtbar, die DNA liegt als langer Faden im Zytoplasma vor und
wird nun als Chromatin bezeichnet. Schon gegen Ende der Interphase, also noch vor der
eigentlichen Zellteilung, verdoppelt sich das genetische Material der Zelle, die
Chromatinfäden liegen nun als paarige Fäden der DNA-Doppelhelix vor (verdoppelter
diploider Chromosomensatz).
Will man den Chromosomensatz eines Menschen zu Diagnosezwecken sichtbar machen
(Karyogramm), muss in der verwendeten Zelle künstlich die Zellteilung eingeleitet werden.
- 15 -
Interphase
G1-Phase/Gap-Phase:
Während dieser Phase des Zellzyklus nimmt die Zelle nach einer vorangegangenen Zellteilung wieder ihre ursprüngliche Größe an, sie erhöht ihre Eiweißsynthese und es kommt
zur Ausbildung der Histone. Histone sind Proteine, um die sich der DNA - Faden spiralisiert,
um als Chromosomen sichtbar werden zu können. Die DNA besteht in der G1-Phase aus 23
Paaren (2n) Ein-Chromatid-Chromosomen, die jedoch während der gesamten Interphase
nicht als Chromosomen sichtbar sind. Es liegt ein diploider (2n) Chromosomensatz vor.
S-Phase/Synthese-Phase:
In der auf die G1-Phase folgenden S-Phase kommt es zur Vervielfältigung (Replikation)
der DNA, das heißt, während dieser Phase wird das genetische Material verdoppelt und
am Ende verfügt nun der Zellkern über 23 Paare (2n) Zwei-Chromatid -Chromosomen.
Jedes Chromosom verfügt nun über zwei identisch aufgebaute Untereinheiten
(Chromatiden), es liegt nun ein verdoppelter diploider Chromosomensatz vor. Während
der darauffolgenden Mitose werden sich die beiden identen Schenkel (Chromatiden) der
Chromosomen trennen und gleichmäßig auf die beiden Tochterzellen verteilen.
G2-Phase:
In der G2-Phase kommt es zum Zellwachstum und zur weiteren Eiwei.vermehrung, die
Zelle l.st ihre Zellkontakte zu benachbarten Zellen und die Zellteilung kann beginnen.
4.4.1. Mitose
Die Mitose ist die Teilung von Körperzellen mit dem Ziel, aus einer Zelle zwei idente, das
heißt erbgleiche Tochterzellen zu erhalten. Prinzipiell können sich Zellen jeden Gewebes
teilen, jedoch weisen wenig differenzierte Gewebe eine deutlich höhere Teilungsrate auf
als höher differenzierte. Die Mitose dient dem Wachstum der Gewebe des Körpers und
seiner Organe und der Regeneration zugrunde gegangener Körperzellen bei der
Zellmauserung (Erneuerung von Zellen) oder nach Verletzungen.
Die Mitose läuft in vier Schritten ab, in denen das Erbmaterial in Form von Chromosomen
im Lichtmikroskop deutlich sichtbar ist.
Die Phasen der Mitose:
1. Phase – Prophase: In dieser Teilungsphase kondensieren die bereits verdoppelten
Chromatinfäden im Zellkern, sie falten und winden sich zu kompakten Strukturen
zusammen, wickeln sich um die Histone und werden schließlich als Chromosomen im
Lichtmikroskop sichtbar. Die Chromosomen weisen eine )(-Form auf, sie bestehen aus
jeweils zwei Chromatiden, die am Zentromer zusammengehalten werden. Die beiden
Chromatiden sind Ausdruck der bereits verdoppelten DNA, also der verdoppelten
diploiden (2n) Erbsubstanz. Insgesamt werden 46 Chromosomen sichtbar, die sich als 23
Chromosomenpaare (jeweils ein Chromosom mit dem Erbmaterial der Mutter und
eines vom Vater des Individuums) darstellen.
Durch diese kompakte Form des Erbmaterials wird ein Ablesen der genetischen
Information während des Teilungsvorganges nicht möglich, die Erbinformation ist so
geschützt.
- 16 -
In der Prometaphase löst sich die Kernhülle auf und es lagern sich die ebenfalls doppelten
Zentrosomen an den gegenüberliegenden Polen der Zelle an. Von den Zentrosomen bilden
sich sternförmig Spindelfasern (Mitosespindel) zu den Zentromeren der Chromosomen
aus.
2. Phase – Metaphase: Die Spindelfasern, die nun die Zentrosomen an den Polen mit
den Zentromeren der Chromosomen verbinden, ordnen durch Zug die Chromosomen
nahe des Zelläquators an. Durch diese Positionierung können in der Folge die einzelnen
Schwesterchromatiden voneinander getrennt und auf die beiden neu entstehenden
Zellen verteilt werden. Dadurch wird die Verteilung der Gene in die neu entstehenden
Zellen erst möglich gemacht.
3. Phase – Anaphase: Nun werden die zusammengehörigen Chromatiden durch Zug
der sich verkürzenden Spindelfasern getrennt und jeweils ein Chromatid jedes ZweiChromatid-Chromosoms in Richtung der beiden Pole gezogen. Insgesamt erhält nun
jede der beiden neu entstehenden Tochterzellen 46 Ein-Chromatid-Chromosomen,
das genetische Material beider Tochterzellen ist ident. Es liegt in jeder Tochterzelle
wieder ein diploider Chromosomensatz (2n) mit 23 Paaren Ein-Chromatid-Chromosomen
vor.
4. Phase – Telophase: Sind die Chromatiden weit genug getrennt, bilden sich zum Teil aus
den alten Kernmembranbruchstücken neue Zellkerne aus und die Chromosomen entspiralisieren sich wieder zu Chromatinfäden. Gleichzeitig schnürt sich auch die
Zellmembran ab, die zwei vollkommen identen Tochterzellen gehen wieder in ihre
Arbeitsform über.
Merke! Die Mitose ist die Teilung der Körperzellen. Das Ziel der Mitose ist die erbgleiche
Verteilung der Gene (im Zellkern) von der Mutterzelle auf zwei idente Tochterzellen. Vor
Beginn der Mitose wird das Genmaterial einmal verdoppelt, um dann einmal geteilt zu
werden. Es entstehen also aus einer Zelle mit diploidem (2n) Chromosomensatz
(Erbinformationen sowohl vom Vater als auch von der Mutter) zwei idente (erbgleiche)
Tochterzellen mit diploidem (2n) Chromosomensatz.
4.4.2. Meiose
Die Meiose ist der Teilungsvorgang der Keimzellen, aus dem die reife Eizelle und die reife
Spermienzelle hervorgehen. Das Ziel der Meiose ist es, die genetische Information zu
durchmischen und zu halbieren, also einen haploiden Chromosomensatz zu erzielen, da
sich bei der Befruchtung eine Eizelle und eine Spermienzelle vereinigen und wiederum eine
Zelle mit doppeltem (diploidem) Chromosomensatz entsteht. Diese Zygote genannte Zelle
ist die erste Körperzelle des neu entstandenen Lebewesens, die sich in der Folge wieder
durch Mitose teilt.
Das Ziel der Meiose ist demnach die Entstehung erbungleicher Zellen mit einfachem
(haploidem – 1n) Chromosomensatz.
Die Meiose erfolgt, im Gegensatz zur Mitose, in zwei Teilungsschritten, einer ersten und
einer zweiten Reifeteilung. Bevor diese unreifen Keimzellen jedoch in Teilung gehen, um
sich zu reifen Eizellen oder Spermienzellen zu entwickeln, besitzen auch sie einen diploiden
- 17 -
(doppelten) Chromosomensatz mit Informationen sowohl vom Vater als auch von der
Mutter. Dieser Chromosomensatz wird vor der Teilung während der Interphase
verdoppelt, die Zelle besitzt nun einen verdoppelten diploiden (doppelten – 2n)
Chromosomensatz, der in zwei Teilungsschritten zu einem haploiden (einfachen – 1n)
Chromosomensatz reduziert wird.
1. Reifeteilung: Reduktionsteilung
Während der Reduktionsteilung werden die zusammengehörigen (homologen)
Chromosomen der Chromosomenpaare voneinander getrennt. Aus einer diploiden
Mutterzelle (2n) entstehen zwei haploide (1n) Tochterzellen, welche jeweils 23 ZweiChromatid - Chromosomen besitzen. Die Teilung läuft in folgenden Schritten ab.
1. Phase – Prophase I: Am Beginn dieser Phase lagern sich die zusammengehörigen
mütterlichen und väterlichen verdoppelten Chromosomen aneinander. Es liegen also
23 Chromosomenpaare mit jeweils zwei Chromatiden vor. Die Chromatiden der
Chromosomenpaare können sich in dieser Phase überlagern, abbrechen und Platz
tauschen. Dieser Vorgang wird als crossing over bezeichnet und dient der Durchmischung
des genetischen Materials. Am Ende der Prophase löst sich die Kernmembran auf.
Crossing over
2. Phase – Metaphase I: In der Metaphase I ordnen sich die homologen Chromosomen
in der Äquatorialebene an und die Spindelfasern bilden sich von den Zentrosomen an
den Zellpolen aus und verbinden sich mit den Zentromeren der einzelnen Chromosomen.
3. Phase – Anaphase I: Die homologen Chromosomenpaare (!) werden durch das Verkürzen
der Spindelfasern getrennt und zu den Polen gezogen. Im Unterschied zur Mitose wird hier
jeweils ein ganzes Chromosom eines Paares an die Pole gezogen und nicht die einzelnen
Chromatiden. Die Verteilung der Chromosomen eines Paares erfolgt zufällig und dient wie
das crossing over ebenfalls der Durchmischung des Erbgutes. So
entstehen Tochterzellen mit neuen Genvarianten.
4. Phase – Telophase I: Die Kernmembranen werden wieder gebildet, die Zellmembran
schnürt sich ab und die beiden entstandenen, erbungleichen Zellen trennen sich
voneinander.
Es liegen nun zwei haploide Zellen mit jeweils 23 Zwei-Chromatid-Chromosomen (1n) vor.
Nach der Reduktionsteilung durchlaufen die beiden neu entstandenen Tochterzellen einen
weiteren Teilungsschritt, bei dem die bereits verteilten (halb so vielen) Chromosomen
nochmals ihre einzelnen Chromatiden auf zwei Zellen verteilen.
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2. Reifeteilung: Äquationsteilung
Es kommt nun in einem zweiten Schritt zu einer neuerlichen Teilung der beiden
Tochterzellen.
Dabei werden von den aufgeteilten 23 Zwei-Chromatid-Chromosomen die einzelnen
Chromatiden getrennt und wiederum auf jeweils zwei, also insgesamt vier Tochterzellen
verteilt. Dieser Schritt läuft ähnlich der Mitose ab, wobei allerdings am Ende nur mehr 23
Chromosomen (1n) vorhanden sind (haploid).
Da bei der Meiose nach einer Verdoppelung des Chromosomensatzes der Mutterzelle zwei
Teilungsschritte durchlaufen werden, liegen nach der abgeschlossenen Meiose vier
haploide erbungleiche Tochterzellen mit jeweils 23 Ein-Chromatid-Chromosomen (1n) vor.
Aus einer männlichen Keimzelle entstehen vier erbungleiche Spermienzellen, aus einer
weiblichen Keimzelle entstehen jedoch nur eine reife haploide Eizelle und drei
Polkörperchen, die sich nicht weiterentwickeln.
Bei der Verschmelzung zweier haploider Geschlechtszellen (Spermienzelle vom Vater,
Eizelle von der Mutter) entsteht dann wieder eine Zelle mit diploidem Chromosomensatz.
Diese verschmolzene Zelle ist die Zygote, aus ihr entsteht das neue Lebewesen; sie teilt
sich wieder durch Mitose.
Merke! Die Meiose ist die Teilung der Geschlechtszellen. Das Ziel der Meiose ist die
erbungleiche Verteilung der Gene (im Zellkern) von der Mutterzelle auf vier nicht idente
Tochterzellen. Vor Beginn der Meiose wird das Genmaterial einmal verdoppelt, um dann
im Verlauf der Teilung zweimal geteilt zu werden. Es entstehen also aus einer Zelle mit
diploidem Chromosomensatz vier erbungleiche Tochterzellen mit haploidem
Chromosomensatz.
- 19 -
4.5
Stammzellen
Stammzellen sind Zellen, die nicht oder nur gering differenziert sind und sich durch Mitose
vermehren können und das Potential besitzen, sich in unterschiedliche Richtungen zu
differenzieren.
Man unterscheidet embryonale Stammzellen von adulten, die noch in den Organen des
erwachsenen Menschen vorhanden sind und der regeneration von Zellen dienen.
Embryonale Stammzellen findet man im Embryo, wobei totipotente (omnipotente)
Stammzellen von pluripotenten Stammzellen unterschieden werden.
Totipotente Stammzellen sind bis etwa zum 16 – zell Stadium, also bis etwa 36 Stunden
nach der Befruchtung vorhanden. Sie können sich noch in einen vollständigen Organismus,
wie das bei der Entstehung von eineiigen Zwillingen geschieht, entwickeln.
Pluripotente Stammzellen sind die Zellen der Blastozyste (Zellhaufen) oder des
Embryoblasten, sie sind bis einige Tage nach der Befruchtung vorhanden. Es können
unterschiedliche Organe aus diesen Zellen entstehen – aber kein vollständiger Organismus.
Adulte Stammzellen findet man im ausgereiften Organismus in allen Organen. Von ihnen
geht die Regeneration aus, sie können aber nur Zellen "ihres" Gewebes bilden. Zu ihnen
gehören etwa die Knochenmarkstammzellen oder die Basalzellen der Haut. Sie sind
multipotente Stammzellen.
Gewinnung von Stammzellen
Embryonale Stammzellen können nur durch künstliche Befruchtung im Reagenzglas
gewonnen werden, fetale Stammzellen stammen von abgetriebenen Föten.
Stammzellen aus Nabelschnurblut können nur zu Blutzellen differenziert werden, adulte
Knochenmarkstammzellen werden auch zur Neubildung von Blutzellen therapeutisch
verwendet, z.B. bei Leukämien.
Shinya Yamanakaerhielt 2012 den Nobelpreis für Medizin 2012, nachdem er durch
Veränderung von 4 Genen in normalen menschlichen Hautzellen, die Rückführung dieser
Zellen zu pluripotente Stammzellen erreichte. Diese Zellen werden induzierte pluripotente
Stammzellen - IPS genannt.
Stammzelltherapien mit fremden Zellen tragen immer das Potential der Entstehung von
Krebszellen oder die Gefahr von Abstoßungsreaktionen in sich. Zumindest die Gefahr einer
Gewebsabstoßung wäre mit induzierten Stammzellen gebannt.
Folgende Krankheiten könnte man vielleicht in naher Zukunft durch Stammzellen
wirkungsvoll bekämpfen: Diabetes mellitus Typ 1, M. Parkinson, Herzinfarkt,
Querschnittslähmungen, senile Makuladegeneration. Bei zahlreichen Bluterkrankungen
und zur Neubildung von Hautzellen nach Verbrennungen werden diese Therapien bereits
angewandt.
- 20 -
5
GEWEBE
Gewebe sind Zellverbände gleichsinnig differenzierter Zellen, also Zellen gleicher Funktion.
Sie werden durch nichtzelluläre Substanzen (Interzellularsubstanz) mehr oder weniger
ergänzt.
Wir unterscheiden 4 Gewebetypen:
• Epithelgewebe
• Binde,- und Stützgewebe
• Muskelgewebe
• Nervengewebe
Organe sind aus verschiedenen Geweben zusammengesetzt, die einerseits dem Organ
Festigkeit geben und es versorgen, andererseits die spezifische Funktion eines Organs
erfüllen. Man unterscheidet das "Funktionsgewebe" - Parenchym und das "Organbinde oder stützgewebe" - Stroma, das dem Organ auch die lebensnotwendigen Strukturen, wie
Arterien, Venen und Nerven zuführt.
5.1
Epithelgewebe
Epithelgewebe bestehen aus einer bis zu mehreren Lagen von Epithelzellen ohne
dazwischenliegende Interzellularsubstanz oder Fasern. Epithelgewebe tritt im Körper als
Oberflächenepithel, als Drüsenepithel und als Sinnesepithel auf.
Oberflächenepithelien überziehen die gesamten inneren und äußeren Oberflächen des
Körpers. Ihre unterste Zellschicht sitzt einer Basalmembran auf, die andere Seite bildet eine
Oberfläche (Haut, Schleimhaut, Auskleidung von Gefäßen, ...). Oberflächenepithelien
werden im Körperinneren auch als Endothel bezeichnet. Untereinander stehen die
Epithelzellen je nach Organ in mehr oder weniger engem Kontakt miteinander.
Epithelgewebe besitzen keine Blutgefäße und werden vom darunter liegenden
Bindegewebe durch Diffusion ernährt, wodurch die Schichtdicke der Epithelien beschränkt
ist.
Funktion der Epithelien:
• Schutz vor mechanischer Schädigung und dem Eindringen von Mikroorganismen
• Schutz vor Wasserverlust durch Verdunstung
• Wahrnehmung von Reizen
• Resorption
• Sekretion
5.1.1
Oberflächenepithel
Oberflächenepithelien sitzen mit ihrer untersten Zelllage dem Bindegewebe auf, mit der
anderen begrenzen sie innere oder äußere Oberflächen. Ihre Unterteilung erfolgt nach der
Anzahl der Zellschichten, nach der Zellform, nach der Verhornung und der
Oberflächendifferenzierung.
- 21 -
Unterscheidung nach Anzahl der Zellschichten
einschichtiges Epithel: alle Zellen sitzen der Basalmambran auf und begrenzen mit ihrem
gegenüberliegenden Pol eine Oberfläche; einschichtige Epithelien sind sehr zart, man
findet sie etwa als Auskleidung von Blutgefäßen oder als Überzug von Organen.
mehrschichtiges Epithel: die Form der obersten Zellschicht des mehrschichtigen Epithels
bestimmt die Bezeichnung (platt, kubisch, ...); Mehrschichtiges Epithel findet man etwa an
der Haut oder als Follikelepithel im Ovar.
mehrreihiges Epithel: im Unterschied zum mehrschichtigen sitzen alle Zellen der
Basalmembran auf, sie erreichen aber nicht alle die Oberfläche; man findet diese
Epithelform etwa als Flimmerepithel der Atemwege oder im Nebenhodengang.
Übergangsepithel oder Urothel: diese Epithelform kommt nur in den harnableitenden
Organen wie dem Nierenbecken, dem Harnleiter, der Blase und im Anfang der Harnröhre
vor; das besondere an dieser Form sind die unterschiedlichen Zellgrößen der einzelnen
Zellreihen, wodurch es sehr dehnbar und gut verschieblich ist.
Unterscheidung nach der Form der Zellen
flache Epithelzellen: Plattenepithel; dieses Epithel hat besonders bei mehreren
übereinander angeordneten Zellschichten eine effektive mechanische Schutzfunktion.
würfelförmige Epithelzellen: isoprismatisches oder kubisches Epithel; das größere
Zellvolumen deutet auf erhöhte Sekretions,- und Resorptionsleistung hin.
hochprismatische oderzylindrische Epithelzellen: Zylinderepithel; diese Epithelien
zeichnen sich durch besonders ausgeprägte Möglichkeiten der Resorption und Sekretion
aus.
Unterscheidung nach dem Grad der Keratinisierung
Wir unterscheiden verhornte und unverhornte Epithelien, wobei die Verhornung nur die
obersten Zellschichten betrifft.
Epithel, das am apikalen Zellpol Flimmerhärchen aufweist, bezeichnet man als
Flimmerepithel.
Differenzierung der Epitheloberfläche
Mikrovilli: Zytoplasmaausstülpungen zur Oberflächenvergrößerung und somit zur
Erhöhung der Resorptionsleistung. Man findet sie zB. als Stäbchensaum der
Darmschleimhaut oder als Bürstensaum in den Hauptstücken der Niere.
Die Mikrovilli besitzen ein Stützskelett aus Aktinfilamenten; sie sind lichtmikroskopisch
nicht sichtbar.
Kinozilien: aktiv bewegliche Flimmerhärchen auf den Zellen der Atemwege. Sie
transportieren Schleim und Schmutzpartiken aus den Atemwegen zum Rachen, wo diese
verschluckt werden.
Verhornung: oberste Schicht des mehrschichtigen Plattenepithels der Haut.
Crusta: Zytoplasmaverdichtung an der Zelloberfläche des Übergangsepithels zum Schutz
gegen aggressive Harninhaltsstoffe
Funktion der unterschiedlichen Oberflächenepithelien:
einschichtiges Plattenepithel: es dient vor allem der glatten Auskleidung innerer
Oberflächen, wie zum Beispiel das Endothel, als möglichst glatte Auskleidung der Blut- und
- 22 -
Lymphgefäße. Weiters findet man es als Auskleidung seröser Höhlen als seröse Häute wie
die Pleura an den Lungen, das Perikard am Herzen und das Peritoneum der Bauchhöhle. Es
kleidet aber auch die zarten Lungenbläschen (Alveolen) und die Herzinnenseite aus.
einschichtiges isoprismatisches Epithel: diese würfeligen Zellen übernehmen
Transportaufgaben im Sinne einer Sekretion/ Resorption, etwa in den Nierentubuli, den
Speicheldrüsen, der Schilddrüse und den Gallengängen.
einschichtiges hochprismatisches Epithel ("Zylinderepithel"): die Aufgabe dieser
länglichen säulenförmigen Zellen sind Sekretion und Resorption.
Beispiele: Zellen der Magenschleimhaut oder der Darmschleimhaut.
mehrschichtiges (unverhorntes) Plattenepithel: Die Mehrschichtigkeit dieses Epithels ist
ein Hinweis auf seine Schutzfunktion, zum Beispiel in Mundhöhle, der Speiseröhre oder in
der Scheide. Die typischen Lokalisationen sind die Übergänge von der äußeren Haut zu den
Schleimhäuten der Eingeweide.
mehrschichtiges verhorntes Plattenepithel: Als weitere Schutzfunktion kommt hier noch
die Verhornung der obersten Zellschicht hinzu. Man findet es physiologisch nur an der
Epidermis (Haut).
mehrschichtiges isoprismatisches Epithel: diese Form und Schichtung liegt beim
östrogenproduzierenden Follikelepithel der Ovarialfollikel vor.
mehrschichtiges Übergangsepithel ("Urothel"): bei diesem Epithel handelt es sich um ein
spezielles mehrschichtiges Epithel der Harnwege (Nierenbecken,Harnleiter, Harnblase).
Hierbei sind besonders die großen Deckzellen von großer Bedeutung, die eine Dehnung
ermöglichen, ohne dass es zu verletzungen der Schleimhaut kommt. Sie bilden eine
sogenannte Crusta, einen Überzug, welcher eine Schutzfunktion gegen die aggressiven
Harnbestandteile (Harnsäure) hat. Im Gegensatz zum Plattenepithel zeigt sich die obere
Zellschicht eher kubisch.
mehrreihiges Epithel: Alle Zellen dieses hochprismatischen Epithels haben Kontakt zur
Basalmembran. Ihre Zellobergrenzen und ihre Zellkerne liegen aber in unterschiedlicher
Höhe und bilden dadurch scheinbare Schichten (Reihen). Zusätzlich tragen die Zellen der
Atemwege noch Flimmerhärchen: respiratorisches Flimmerepithel
5.1.2
Sinnesepithel
Sinnesepithelien nehmen unterschiedliche Reize aus der Umwelt auf, wie die Zellen der
Netzhaut (Retina) des Auges, das Riechepithel der Nasenschleimhaut und die Geschmackszellen des Zungenrückens. Sie werden eingehend im Kapitel Sinnesorgane besprochen.
5.1.3
Drüsenepithelien
Hierbei handelt sich um spezialisierte Epithelzellen, die Sekrete produzieren. Grundsätzlich
unterscheiden wir exokrine und endokrine Drüsen.
Exokrine Drüsen geben ihre Sekrete mittels eines Ausführungsganges (nach außen exokrin) an eine Oberfläche ab, wie z. B. die Magen - oder Darmdrüsen, Schweißdrüsen,
Speicheldrüsen, exokriner Anteil der Bauchspeicheldrüse.
- 23 -
Endokrine Drüsen geben ihre Stoffe ohne Ausführungsgang direkt ins Blut, in die Lymphe
oder ins Gewebe (also nach innen = endokrin) ab. Da alle Hormondrüsen endokrin sind,
benutzt man die Begriffe endokrine Drüsen und Hormondrüse gleichbedeutend: z.B.
Schilddrüse, Hoden, Eierstock, exokriner Insulin produzierender Anteil der
Bauchspeicheldrüse.
Nach der Anzahl der Zellen werden außerdem einzellige von mehrzelligen Drüsen
unterschieden. Einzellige Drüsen findet man etwa als Becherzellen im Darm oder im Epithel
der Atemwege, mehrzellige Drüsen sind zum Beispiel die Speicheldrüsen oder auch die
Leber.
Nach der Zusammensetzung der Sekrete unterscheiden wir seröse Drüsen mit einem
wässrigen Sekret, muköse Drüsen mit schleimigem Sekret und gemischte Drüsen.
Nach dem Ausscheidungstyp können wir letztlich noch folgende Drüsenarten
unterscheiden
Merokrine Drüsen geben ihr Sekret durch Exzytose ab und bleiben so zur Gänze erhalten.
Dies ist zum Beispiel bei den Speicheldrüsen der Fall.
Apokrine Drüsen stoßen die mit Sekret gefüllte Zellspitze (Apex) ab. Diese Sekretionsart
findet man bei den Schweißdrüsen.
Holokrine Drüsen sondern ihren gesamten zellulären Inhalt ab und werden so bei der
Sekretion verbraucht, wie das bei den Talgdrüsen der Fall ist.
5.2
Binde - und Stützgewebe
Die Binde - und Stützgewebe bestehen im Gegensatz zu den Epithelgeweben aus einer
Grundsubstanz unterschiedlicher Festigkeit, aus Zellen (fixe und bewegliche) und Fasern.
Sie enthalten zum Teil Blutgefäße zur Ernährung.
Funktion der Binde - und Stützgewebe
Bindegewebe dienen verschiedenen Funktionen und bieten daher ein vielfältiges,
inhomogenes Bild. Es füllt als Füllgewebe Zwischenräume zwischen oder innerhalb von
Organen, schützt und umhüllt die Organe als Organkapsel, dient als Leitstruktur für Gefäße
und Nerven oder fungiert als Gleit- und Verschiebeschicht zwischen den Organen oder
Geweben eines Organs.
Die Stützgewebe dienen der Stabilisierung des Körpers, sie geben ihm Festigkeit und Halt.
Zusätzlich erfüllen diese Gewebe eine wichtige Funktion bei der Regulierung des
Wasserhaushalts und des Stoffaustausches und sie dienen auch der Immunabwehr.
- 24 -
Arten von Bindegeweben
Man unterscheidet je nach dem Verhältnis von Zellen zur Grundsubstanz zwischen
geformten und ungeformten Bindegeweben. Daneben kann man nach ihrer
Zusammensetzung und ihrer Festigkeit eine weitere Gliederung vornehmen:
- 25 -
Aufbau der Binde - und Stützgewebe
Zellen
Es werden fixe, also ortsansässige und freie, aus dem Blut eingewanderte,
Bindegewebszellen unterschieden.
Fixe Bindegewebszellen: darunter versteht man Zellen, die ganz typisch für die
unterschiedlichen Gewebe sind und immer vorhanden sind. Diese Zellen kommen als junge
aktive Formen, die so genannten Blasten vor, die sich noch teilen können und die auch die
Grundsubstanz absondern. Je nach Gewebe tragen sie ihre spezifischen Gewebenamen.
Ältere inaktive Zellen teilen sich nicht mehr und produzieren auch keine Grundsubstanz; sie
ruhen einfach in den Geweben und heißen Zyten. In einigen Geweben finden wir zusätzlich
Klasten, das sind Fresszellen, die die Gewebe abbauen.
MERKE! Im Bindegewebe heißen diese fixen Zellen Fibroblasten (aktive Formen) und
Fibrozyten (inaktive ruhende Zellen).
Im Knorpel heißen sie Chondroblasten, Chondrozyten und Chondroklasten.
Im Knochen heißen die fixen Zellen Osteoblasten, Osteozyten und Osteoklasten.
Freie Bindegewebszellen sind aus dem Blut eingewanderte Zellen, die bei Abwehr -,
Entzündungs - und allergischen Reaktionen aktiv werden.
Zu ihnen zählt man die Histiozyten, Mastzellen, Lymphozyten und große Fresszellen, die
Monozyten.
Interzellularsubstanz
Die Substanz zwischen den Zellen bestehet einerseits aus Fasern mit unterschiedlichen
Eigenschaften und aus der jeweiligen Grundsubstanz.
Fasern: wir können drei Arten von Fasern mit sehr unterschiedlichen Eigenschaften und
Aussehen unterscheiden. Dazu gehören die retikulären Fasern, die das feine
dreidimensionale Stützgerüst der so genannten „retikulären Organe“, wie Leber, Milz,
Lymphknoten und Knochenmark bilden.
Die kollagenen Fasern sind sehr zugfest, haben eine geringe Dehnbarkeit aber eine hohe
mechanische Widerstandskraft. Sie kommen in Geweben mit hohen mechanischen
- 26 -
Aufgaben wie der Lederhaut des Auges, in Sehnen und Bändern vor und bilden das gröbere
Gerüst der retikulären Organe.
Elastische Fasern sind bis 100 - 150% dehnbar und finden sich in Organen mit hoher
Dehnungsbeanspruchung. Sie kommen in elastischen Bändern, im elastischen Knorpel und
in elastischen Blutgefäßen (z.B. der Aorta) vor.
Grundsubstanz
Darunter versteht man die von fixen Bindegewebszellen gebildete homogene Substanz,
die je nach Wassergehalt sol- oder gelartig sein kann. In den Stützgeweben können
verschiedene Salze und Kalzium eingelagert sein.
Ihre Aufgaben sind der Stoffaustausch zwischen Blut und Zellen und mechanische
Aufgaben in den Stützgeweben.
Einteilung der Binde - und Stützgewebe
Bindegewebe besitzen keine konstante Eigenform aber freie und fixe Zellen, Stützgewebe
hingegen haben eine bestimmte Eigenform aber keine freien Zellen.
Bindegewebe
5.2.1 retikuläres Bindegewebe
Sternförmige Retikulumzellen bilden ein weitmaschiges Netz mit enganliegenden
retikulären Fasern. Freie Zellen können sich bei Reizung (Entzündungen) aus dem Verband
lösen und zu Phagozyten werden.
Vorkommen: Gerüst der Milz, der Leber, Lymphknoten, Knochenmark
5.2.2 Fettgewebe
Das Fettgewebe ist eine Sonderform des retikulären Gewebes, es besitzt keine
Interzellularsubstanz und besteht aus großen fettgefüllten Zellen, die von einem feinen
retikulären Fasernetz umgeben sind.
Man unterscheidet zwei Arten von Fettgeweben. Speicherfett findet man vorwiegend an
Hüfte, Oberschenkel und Bauch. Es handelt sich um Reserven für Hungerzeiten. Je nach
Geschlecht und Ernährungszustand unterscheidet sich der Fettanteil von etwa 10% - 20%
bei Sportlern und extrem schlanken Menschen, 25% bei Normalgewichtigen, bis über 50%
bei fettleibigen Menschen des Körpergewichtes. Das Körperfett variiert nach Alter und
Geschlecht.
Vorkommen: Unterhautfettgewebe, Gekröse (Mesenterien)
Im Gegensatz dazu wird das Baufettgewebe erst bei starker Abmagerung angegriffen. Es
dient an bestimmten Stellen als mechanischer Schutz in Form druckelastischer Polster
(Fettpolster): Fußsohle, Gelenke, Gesäß, Nierenlager, Fettkörper hinter dem Augapfel.
- 27 -
5.2.3 Lockeres faserreiches Bindegewebe
Es besitzt keine Eigenform und besteht aus Grundsubstanz mit vorwiegend kollagenen
Fasern, fixen und freien Bindegewebszellen. Lockeres faseriges Bindegewebe dient als
"typisches Ausstopfgewebe", da es grundsätzlich Zwischenräume ausfüllt. Es stellt den
größten Bindegewebsanteil im Körper dar.
Funktion: es dient als Füllmaterial zwischen Muskeln, Organen, in der Unterhaut, um
Blutgefäße.
Es bildet das STROMA der Organe.
5.2.4 Straffes faserreiches Bindegewebe
Hier überwiegen deutlich die Fasern gegenüber der Grundsubstanz. Die
Bindegewebsfasern
sind
entweder
geflechtartig
übereinandergeschichtet
(geflechtartiges BW) oder in einer Richtung parallel angeordnet (parallelfaseriges BW).
Das straffe faserige Bindegewebe kommt vor allem dort vor, wo das Gewebe starken
Belastungen sowohl auf Dehnung als auch auf Zug ausgesetzt ist.
Vorkommen: geflechtartiges BW findet man in der Lederhaut des Auges, Organkapseln,
in der harten Hirnhaut; es bildet flächige Strukturen.
Parallelfaseriges BW findet man in Sehnen und Bändern.
Stützgewebe
5.2.5 Knorpelgewebe
Knorpel besitzt vor allem eine hohe Druck-, aber auch eine gewisse Zugelastizität.
Aufbau: Knorpelzellen sind in fester Interzellularsubstanz mit unterschiedlichen (kollagen,
elastischen) Fasern eingebettet. Knorpel besitzt keine freien Zellen, keine Blutgefäße und
keine Nerven! Knorpel wird durch Diffusion mit Nährstoffen versorgt und heilt sehr
schlecht.
Man unterscheidet je nach der Beschaffenheit der Interzellularsubstanz und der Fasern
drei Arten von Knorpel, nämlich hyalinen, elastischen und Faserknorpel.
hyaliner Knorpel:
Er besteht aus reichlich Grundsubstanz mit kollagenen Fasern und Gruppen von
Knorpelzellen, die von einer Kapsel umgeben sind. Die (gummiähnliche) Grundsubstanz
verleiht ihm seine Festigkeit.
Vorkommen: Gelenkknorpel, Rippenknorpel, Kehlkopfskelett, Trachea, Epiphysenfuge
Hyaliner Knorpel erscheint bläulich durchsichtig.
elastischer Knorpel:
Dieser Knorpel besitzt etwas weniger Grundsubstanz mit teilweise kollagenen aber
überwiegend elastischen Fasern und von Zellhöfen umgebenen Knorpelzellen. Elastischer
- 28 -
Knorpel erscheint gelblich, lässt sich verbiegen und nimmt wieder seine ursprüngliche
Form an.
Vorkommen: Ohrknorpel, Kehldeckel (Epiglottis).
Faserknorpel:
Bei diesem Knorpel überwiegen die zahlreichen kollagenen Fasern mit wenigen
dazwischen eingebetteten Knorpelzellen und wenig Grundsubstanz.
Vorkommen: Bandscheiben, Discus und Meniscus, Symphyse und am Ansatz von Sehnen
an Knochen
Aufgrund des hohen Faseranteils ist der Faserknorpel stark auf Zug beanspruchbar.
Hyaliner Knorpel
Elastischer Knorpel
Eigenschaften
druckfähig
elastisch
und Elastisch
Aussehen
durchscheinend
bläulich
erscheint gelb
Vorkommen
Gelenkflächen
Nasescheide-wand
Kehlkopf
Luftröhre
Rippenknorpel
Ohrmuschel
Kehlkopfdeckel
Faserknorpel
Zahlreiche kollagenen
Fasern,
besonders
widerstandsfähig
weißlich
Meniskus
Bandscheiben
Symphyse
5.2.6 Knochengewebe
Die Interzellularsubstanz des Knochens enthält fixe Zellen (Osteozyten, Osteoblasten,
Osteoklasten), reichlich kollagene Fasern und eingelagerte Kalksalze und Spurenelemente.
Zahlreiche Blutgefäße durchziehen in kleinen Kanälchen die Knochensubstanz, Knochen ist
also im Gegensatz zum Knorpel gut durchblutet.
Es ist ein besonders hartes, skelettbildendes Stützgewebe, sehr widerstandsfähig
gegenüber Druck, Biegung und Drehung. Beim Knochengewebe wird der primitive
Geflechtknochen von widerstandsfähigen geordneten Lamellenknochen unterschieden.
Geflechtknochen
Lamellenknochen
Besitzt ein lamelläres Ordnungsprinzip;
Primitiver Knochen des Neugeborenen; etwa ab Die Knochenlamellen bestehen aus
dem 2. Lebensjahr beginnt der Umbau
parallel verlaufenden kollagenen Fasern
in Lamellenknochen
zwischen denen die Knochenzellen liegen.
- 29 -
5.3
Muskelgewebe
Es gibt drei Arten von Muskelgewebe, denen die Fähigkeit zur Kontraktion gemeinsam ist.
Damit sich Muskelzellen zusammenziehen können, ist die Anwesenheit der Myofibrillen Aktin und Myosin - notwendig.
Wir unterscheiden die glatte Muskulatur der Eingeweide, die quergestreifte Muskulatur
und die Herzmuskulatur.
5.3.1
Glatte Muskulatur
Charakteristisch für die glatte Muskulatur sind ihre langgestreckten, dünnen Muskelzellen
(Myozyten), die keine Querstreifung aufweisen. Glatte Muskulatur findet man in den
Eingeweiden, vornehmlich in den Wänden aller Hohlorgane wie Magen, Darm, Atemwege,
Blutgefäße, Harnwege und Geschlechtsorgane. Sie verkürzt sich wesentlich langsamer als
die quergestreifte und ist nicht durch den Willen steuerbar, also unwillkürlich. Sie unterliegt
dem vegetativen Nervensystem und kann lange Zeit ohne großen Energieaufwand und
ohne Ermüdung im kontrahierten Zustand verharren.
Glatte Muskulatur reagiert auf lokale Reize (Dehnung) und auf Impulse des vegetativen
Nervensystems, wie Stressreaktionen.
5.3.2
Quergestreifte Muskulatur - Skelettmuskulatur
Auffallend sind lange Muskelzellen mit deutlicher Querstreifung der Myofibrillen, die im
Lichtmikroskop als dunkle und helle Anteile sichtbar werden. Sie ist dem Willen
unterworfen und folgt Impulsen des somatischen Nervensystems. Der einzelne
quergestreifte Muskel besteht aus mehreren Muskelfasergruppen und wird von einer
bindegewebigen Faszie umhüllt. Quergestreifte Muskulatur ermüdet schnell.
5.3.3
Herzmuskulatur
Herzmuskelzellen sind im Gegensatz zu glatter und quergestreifter Muskulatur verzweigt
und enthalten Glanzstreifen. Die Myofibrillen zeigen Längs,- und Querstreifen wie der
Skelettmuskel und ist wie der glatte Muskel nicht dem Willen unterworfen und ermüdet
nicht.
- 30 -
Glatte Muskulatur
besteht aus spindelförmigen Zellen mit einem
Zellkern im Zentrum
arbeitet langsam und
unwillkürlich
Findet sich in:
Gefäßwänden, der Wand des
Magen,-Darmtraktes, der
Luftröhre, der Harnblase,
Gebärmutter, Eileiter...
5.4
Quergestreifte Muskulatur
Herzmuskulatur
Sonderform der quergestreiften
Muskulatur, sie ist quergestreift wie
besteht aus großen Muskelzellen die
mit vielen randständigen
Skelettmuskulatur, besitzt aber nur
Zellkernen,
einen
arbeitet schnell, kräftig,
zentralen Zellkern wie die glatte
willkürlich, ermüdet aber schnell. Muskelzelle
Die Querstreifung entsteht durch
die Zusammensetzung
der Myofibrillen (Aktin und
Glanzstreifen (Kittlinien) verbinden
Myosin)
ein
festes Flechtwerk
Findet sich in:
Skelettmuskulatur, im Zwerchfell Der Herzmuskel bewegt sich
und
unwillkürlich und ausdauernd
in der Kehlkopfmuskulatur
Nervengewebe
Nervengewebe besteht aus Nervenzellen und Gliazellen (Stützzellen), die die
Nervenfortsätze teilweise umhüllen.
Nervenzellen - Neuronen bilden die graue Substanz des zentralen Nervensystems und die
Ganglien des peripheren Nervensystems.
Nervenzellen bestehen aus einem Zellkörper mit Zellkern und Zellorganellen und seinen
Nervenfortsätzen, den Dendriten und dem Neuriten (Axon).
Dendriten: baumartige Fortsätze zur Aufnahme der Erregung
Neurit (Axon): bis zu 1m langer Fortsatz, dient der Weiterleitung der Erregung, an seinem
Ende sitzen die Synapsen, die Schaltstellen zwischen zwei Nervenzellen.
Die Gliazellen bilden das Stützgerüst und die Isolierschicht von Gehirn, Rückenmark und
von peripheren Nerven. Sie stellen die sogenannte weiße Substanz des Nervensystems dar.
Gliazellen des zentralen Nervensystems: Astrozyten, Oligodendrozyten, Stützfunktion im
Gehirn und Rückenmark
Gliazellen des peripheren Nervensystems: Schwann´sche Zellen, sie umhüllen die Axone.
- 31 -
6
KNOCHEN UND SKELETTSYSTEM
Knochen haben vom Prinzip her einen einheitlichen Aufbau, der im Folgenden an einem
Röhrenknochen dargestellt wird.
6.1
Aufbau des Knochens
Röhrenknochen bestehen aus einem Schaft, der Diaphyse, und zwei Enden, den
Epiphysen. Zwischen Epiphyse und Diaphyse findet man die Metaphyse.
Die Knochensubstanz selbst besteht aus Knochenzellen, den Osteoblasten, den
Osteoklasten und den „ruhenden“ Osteozyten, einer Knochengrundsubstanz, dem
Osteoid mit kollagenen Fasern und Kalksalzen.
Osteoblasten haben die Fähigkeit zur Zellteilung und zur Bildung der
Knochengrundsubstanz, sie werden mit der Zeit in das Osteoid eingemauert und wandeln
sich in ruhende Osteozyten um. Osteoklasten können den Knochen abbauen und spielen
bei Umbauvorgängen des Knochens eine große Rolle.
Alle Knochen bestehen aus einer dichten, äußeren Schicht, der Corticalis oder Kompakta
und einer schwammartigen, aus Knochenbälkchen aufgebauten inneren Schicht, der
Spongiosa.
Die Epiphysen sind an ihren Gelenksflächen von hyalinem Knorpel überzogen, die Diaphyse
wird von der Knochenhaut, dem Periost, umhüllt. In ihm befinden sich zahlreiche Gefäße
und Nerven (Schmerz!). Sie versorgen den Knochen durch kleine Öffnungen (Foramina
nutricia).
Funktion des Periosts: Schutzfunktion, Ernährung, Ansatz für Sehnen; nach
Knochenbrüchen beginnt vom Periost aus die Heilung
Im Inneren der Knochen befindet sich das Knochenmark:
Rotes, blutbildendes Knochenmark befindet sich beim Kind in allen Anteilen aller Knochen,
beim Erwachsenen nur mehr in den Epiphysen der Röhrenknochen und in den kurzen,
unregelmäßigen und flachen Knochen.
Gelbes Fettmark findet man beim Erwachsenen in den Diaphysen der Röhrenknochen, es
ersetzt das verschwundene rote Knochenmark und ist sonst funktionslos.
6.2 Feinbau des Knochens
Grundsätzlich unterscheidet man den grobfaserigen Geflechtknochen vom geordneten
und widerstansfähigen Lamellenknochen.
Der Geflechtknochen entspricht vom Aufbau her dem verknöcherten Bindegewebe des
Neugeborenen und stellt den „primitiveren“ Knochen dar. Beim Neugeborenen überwiegt
noch der Anteil der Geflechtknochen, beim Erwachsenen kommen fast nur noch die stärker
differenzierten Lamellenknochen vor. Beim Erwachsenen findet man Geflechtknochen
jedoch immer bei Heilungsvorgängen, etwa nach Knochenbrüchen.
- 32 -
Der Geflechtknochen ist die primäre unreife Form des Knochens, in dem die Kollagenfasern
der Knochenmatrix nicht ausgerichtet sind, sondern kreuz und quer verlaufen, d.h.
miteinander verflochten sind.
Der Lamellenknochen entsteht durch Umbauvorgänge aus dem Geflechtknochen durch
die Beanspruchung der Knochen. Um einen Gefäßkanal, dem so genannten Havers Kanal
lagern sich kollagene Fibrillen lamellenartig an. Diese Faserschichten wechseln mit
Schichten von Knochenzellen ab. Ein Gefäßkanal mit seinen Lamellen wird Osteon oder
Havers System genannt.
6.3
Knochenverbindungen
Verbindungen zwischen Knochen können entweder kontinuierlich (Synarthrosen) oder
diskontinuierlich (Diarthrosen) sein.
6.3.1
Synarthrosen - Knochenfugen
Knochenfugen sind enge Verbindungen zwischen Knochen in denen kaum Bewegungen
möglich sind. Viele ursprünglich bindegewebige Verbindungen verknöchern mit der Zeit.
Wir unterscheiden folgende Arten von Synarthrosen.
Syndesmose: Verbindung zweier Knochen durch straffes Bindegewebe. zB. Membrana
interossea (Zwischenknochenmembran) zwischen Elle und Speiche, Sonderform:
Schädelnähte, die im Laufe des Lebens verknöchern
Synchondrose: Verbindung 2-er Knochen durch hyalinen Knorpel. zB. Epiphysenfuge,
knorpelige Verbindungen der 1., 6., und 7. Rippe mit dem Brustbein
Symphyse: Faserknorpel und Bindegewebe, z.B.Verbindung zwischen den beiden
Schambeinästen
Synostose: feste Knochenverbindung, z.B. Epiphyse nach Verknöcherung, Verbindungen
zwischen Darmbein, Schambein und Sitzbein
6.3.2 Diarthrosen - Gelenke
Gelenke bestehen aus den artikulierenden Gelenkflächen, die von hyalinem Knorpel
überzogen sind und einer Gelenkkapsel, die nahe dem Knorpel am Knochen ansetzt und
das gelenk vollständig umhüllt. Die innere Schicht der Kapsel produziert die
Gelenksschmiere (Synovia), die äußere Schicht der Kapsel besteht aus faserigem
Bindegewebe. Die Synovia ernährt den Knorpel und erleichtert die Bewegung.
Zwischen den Gelenksflächen liegt ein spaltartiger Zwischenraum, der Gelenkspalt.
Gelenke werden häufig ergänzt durch Schleimbeutel, die sich an jenen Stellen befinden an
denen Muskeln direkt über den Knochen ziehen. Sie sind kleine bindegewebige „Beutel",
die mit Synovialflüssigkeit gefüllt sind. Die Schleimbeutel liegen wie Kissen zwischen
Muskel und Knochen und schützen so beide vor Druck und Reibung.
- 33 -
Außerdem findet man in einigen Gelenken Disci und Menisci (Zwischenscheiben). Als
Meniskus bezeichnet man in der Anatomie einen unvollständig scheibenförmigen (im Knie
halbmondförmigen) Knorpel zwischen den Gelenkflächen. Im Gegensatz zu einem Diskus
teilt ein Meniskus die Gelenkhöhle nur unvollständig.
Unter Diskus versteht man eine bewegliche Knorpelscheibe, welche z.B. im Handgelenk
oder im Kiefergelenk für ein genaues Anpassen von Gelenkflächen sorgt. Auch die
Bandscheiben zwischen den Wirbelkörpern sind Disci.
Gelenkformen:
Planes Gelenk - Articulatio plana: Zwei ebene Gelenkflächen kommunizieren miteinander
Beispiel: Wirbelgelenke
Mögliche Bewegungen: Schiebebewegungen nach vorne und hinten und nach beiden
Seiten, es besitzt somit 2 Freiheitsgrade (nach vorne und zurück, zur einen und zur anderen
Seite).
Scharniergelenk - Ginglymus: Es kommunizieren ein konvexer und ein konkaver
Gelenkkörper miteinander, es besitzt nur 1 Freiheitsgrad
Beispiel: Finger - und Zehengelenke (Interphalangealgelenke), Ellenbogengelenk zwischen
Humerus und Ulna.
Mögliche Bewegungen: Beugen und Strecken (analog einem Scharniergelenk einer Türe)
Zapfen - oder Radgelenk: Ein konvexer Gelenkkörper bewegt sich in einem konkaven,
es besitzt nur 1 Freiheitsgrad
Beispiel: Articulatio radioulnaris proximalis (Gelenk zwischen Radius und Ulna im
Ellenbogen)
Mögliche Bewegungen: Drehbewegung, der konkave Gelenkskörper der Ulna wird noch
durch ein Band ergänzt und umfasst das Radiusköpfchen zur Gänze.
Eigelenk - Articulatio ellipsoidea: Besteht aus einer konvexen und einer konkaven
ellipsenförmigen Gelenkfläche, 2 Freiheitsgrade
Beispiel: Proximales Handgelenk, wobei Radius und Ulna die konkave Pfanne und die
proximale Handwurzelreihe den konvexen Gelenkkopf bilden.
- 34 -
Mögliche Bewegungen: Beugen und Strecken, Seit zu Seitbewegung, durch Kombination
dieser Bewegungen ist eine scheinbare „Rotation“ möglich.
Sattelgelenk - Articulatio sellaris:
Eine konkave und eine konvexe sattelförmige
Gelenkfläche kommunizieren miteinander wie der Reiter mit seinem Sattel, 2Freiheitsgrade
Beispiel: Daumengrundgelenk
Mögliche Bewegungen: scheinbares Kreisen durch Seit,- Vor,- und Rückwärtsbewegungen
ist möglich. Dieses gelenk ermöglicht die Opposition (das Gegenüberstellen) des Daumens
zur Handfläche.
Kugelgelenk: Articulatio sphaeroidea: Dieses Gelenk besitzt eine konkave Gelenkspfanne
und einen kommunizierenden konvexen Gelenkskopf, es besitzt 3 Freiheitsgrade
Beispiele: Schultergelenk, Hüftgelenk
Mögliche Bewegungen:
Anteversion und Retroversion (Vor - und Zurückführen der
Extremität), Ab - und Adduktion, Innen - und Außenrotation
DAS SKELETT
6.4 Schädelknochen
Der Schädel ist aus zwei Anteilen zusammengesetzt, dem Gehirnschädel (Neurokranium)
und dem Gesichtsschädel (Viscerokranium). Die Grenze zwischen diesen beiden Anteilen
verläuft von der Nasenwurzel über den oberen Rand der Augenhöhlen zu den äußeren
Gehörgängen.
Die Knochen des Gehirnschädels bilden eine Knochenhöhle, die das Gehirn schützend
umgibt. Folgende Knochen bilden den Gehirnschädel:
Stirnbein (Os frontale)
Paariges Scheitelbein (Os parietale)
Paariges Schläfenbein (Os temporale)
Hinterhauptsbein (Os occipitale)
Keilbein (Os sphenoidale)
Siebbein (Os ethmoidale)
Die Knochen des Gesichtsschädels bilden die Grundlage für die Gesichtsform und werden
teilweise durch knorpelige Anteile ergänzt. Folgende Knochen bilden den Gesichtsschädel:
das paarige Jochbein (lat. Os zygomaticum)
Oberkiefer (Maxilla),
Unterkiefer (Mandibula)
das paarige Nasenbein (Os nasale)
das paarige Tränenbein (Os lacrimale)
Pflugscharbein (der Vomer)
Gaumenbein (Os palatinum)
Die Schädelbasis wird von drei treppenartig versetzten Gruben, denen das Gehirn aufliegt,
gebildet, nämlich der vorderen, mittleren und der hinteren Schädelgrube.
Das Foramen magnum, das große Hinterhauptsloch dient dem Durchtritt des
Rückenmarks.
- 35 -
6.5 Schädelnähte und Fontanellen
Da die platten Schädelknochen beim Embryo bindegewebig angelegt sind, sind sie
während der Wachstumsphase des Schädels durch bindegewebige Syndesmosen
miteinander verbunden, die zunehmend verknöchern und beim Erwachsenen vollständig
in knöcherne Synostosen umgewandelt werden. Ihre Ränder können mehr oder weniger
gezackt sein.
Die Stirnnaht (Sutura frontalis) verbindet in vertikaler Richtung in der Mitte der Stirn die
beiden Stirnbeine. Sie verknöchert relativ früh und ist schon vor dem 10. Lebensjahr kaum
mehr sichtbar.
Die Kranznaht (Sutura coronalis) ist die ursprünglich bindegewebige Verbindung zwischen
dem Stirnbein und den beiden Scheitelbeinen. Sie steht im rechten Winkel zur Pfeilnaht.
Die Pfeilnaht (Sutura sagittalis) verläuft in einem zackigen Verlauf im Bereich des
Scheitels zwischen den beiden Scheitelbeinen. Während der Geburt können die
Scheitelbeine zur Verringerung des Durchmessers des kindlichen Kopfes etwas
übereinander geschoben werden.
Die Schuppennaht (Sutura squamosa) ist eine bogenförmig verlaufende Naht, welche die
Oberkante der Schläfenbeinbeinschuppe mit der Unterkante des Scheitelbeins verbindet.
Die Lambdanaht (Sutura lambdoidea) hat die Form des griechischen Buchstabens
„Lambda“ (λ). Sie verläuft zwischen dem Hinterhauptsbein und der Hinterkante der beiden
Scheitelbeine.
Der kindliche Schädel hat neben den bindegewebigen Schädelnähten noch flächige
Bindegewebszwickel zwischen einigen Knochen, die das Schädelwachstum ermöglichen.
Diese bindegewebigen Knochenverbindungen heißen Fontanellen, man unterscheidet
zwei große, unpaare und zwei kleinere, paarige, welche zu unterschiedlichen Zeitpunkten
verknöchern.
Große Fontanelle (Fonticulus anterior): Die große Fontanelle liegt im Bereich des
vorderen Schädeldaches zwischen den beiden Stirnbeinen und den beiden Scheitelbeinen. Sie hat die Form einer Raute, ihr größter Durchmesser beträgt 2,5–3 cm und sie
verknöchert im 3. Lebensjahr.
Kleine Fontanelle (Fonticulus posterior): Diese auch Hinterhauptsfontanelle genannte
Fontanelle liegt im hinteren Bereich des Schädeldaches zwischen dem Hinterhauptsbein
und den beiden Scheitelbeinen. Sie zeigt eine dreieckige Form und verknöchert schon im
3. Lebensmonat.
Vordere und hintere Seitenfontanelle: Die Seitenfontanellen liegen paarig vor. Die
vordere Seitenfontanelle liegt beidseits des Schädels zwischen Schläfenbein, Scheitelbein
und Keilbein und verknöchert bis zum 6. Lebensmonat, die hintere Seitenfontanelle
liegt beidseits zwischen Schläfenbein, Scheitelbein und Hinterhauptsbein im Bereich des
Warzenfortsatzes und verknöchert bis zum 18. Lebensmonat.
! Wichtig! Die Fontanellen sollen im Hautniveau liegen! Eingesunkene Fontanelle bei
Wasserverlust (Fieber, Durchfall). Gewölbte Fontanelle bei erhöhtem Hirndruck
(Hydrocephalus).
- 36 -
6.6 Übersicht über das Skelett
6.6.1
Wirbelsäule
Die Wirbelsäule wird aus 24 einzelnen Wirbeln aufgebaut, nämlich
7 Halswirbel
12 Brustwirbel
5 Lendenwirbel
und dem Kreuzbein (Os sacrum, 5 miteinander verschmolzene Sakralwirbel) und dem
Steißbein (Os coccygis, 4 verschmolzene Wirbel)
An der Wirbelsäule unterscheidet man vier physiologische Krümmungen, die
Halslordose, Brustkyphose, Lendenlordose und Sakralkyphose. Als Lordose bezeichnet
man Krümmungen nach vorne, als Kyphose Krümmungen nach hinten.
Der erste Halswirbel heißt Atlas, er hat die Form eines Ringes und ist gelenkig mit dem
Hinterhauptsbein und dem 2. Wirbel verbunden.
Der zweite Halswirbel heißt Axis, er unterscheidet sich von den folgenden Halswirbeln
durch einen Knochenzapfen (Dens axis), der in den Ring des Atlas hineinragt und mit ihm
gelenkig verbunden ist.
Der Aufbau der übrigen Wirbel ist ziemlich einheitlich, Form und Größe variieren aber.
Grundaufbau eines Wirbels (Vertebra):
Wirbelkörper: Corpus vertebrae
Wirbelbogen: Arcus vertebrae
Wirbelloch: Foramen vertebrae
Dornfortsatz: Processus spinosus
2 Querfortsätze: Processus transversus
Die Wirbel sind gelenkig untereinander verbunden; dazu entspringen auf Höhe der
Querfortsätze je zwei obere und untere Gelenkfortsätze. Zwischen dem Gelenkfortsatz
und Wirbelkörper zweier benachbarter Wirbel entsteht das Zwischenwirbelloch, durch
das die Nervenwurzeln der Spinalnerven den Wirbelkanal verlassen. Die Brustwirbel
besitzen auch Gelenkflächen für die Rippen.
Zwischen den einzelnen Wirbeln findet man die Bandscheiben (Discus intervertebralis)
6.6.2 Knochen des Brustkorbes und der oberen Extremität
Rippe - Costa
Zwölf Rippenpaare bauen den Brustkorb mit auf. Sie haben einen knöchernen dorsalen
und einen knorpeligen ventralen Anteil und sind gelenkig mit der Wirbelsäule und
teilweise mit dem Brustbein verbunden.
Wir unterscheiden sieben wahre Rippen - Costa vera, welche gelenkig mit der WS und
dem Sternum verbunden sind, und fünf falsche Rippen - Costa spuria. Die 8.-10. Rippe
sind knorpelig mit der 7. Rippe verbunden, 11. und 12. Rippe enden frei zwischen der
Muskulatur.
- 37 -
Zwischen jeweils zwei Rippen finden wir den Zwischenrippenraum oder Interkostalraum,
der mit mit Muskulatur ausgefüllt ist und jeweils eine Arterie, eine Vene und einen Nerv
beherbergt, zur Versorgung der Brust – und Bauchwand.
Brustbein - Sternum
Das Brustbein besteht aus drei Anteilen, dem Handgriff (Manubrium sterni), dem
Brustbeinkörper (Corpus sterni) und dem Schwertfortsatz (Processus xyphoideus.)
Das Brustbein ist gelenkig mit dem Schlüsselbein und mit den wahren Rippen verbunden.
Am Processus xyphoideus entspringt teilweise die kräftige Bauchmuskulatur.
Schlüsselbein - Clavicula
es handelt sich um einen S - förmig gebogenen Knochen, der einerseits mit dem Brustbein
im Sternoclaviculargelenk, andererseits mit dem Acromion des Schulterblattes gelenkig
verbunden ist.
Schulterblatt - Scapula
Die Scapula ist ein flacher dreieckiger Knochen, der an der dorsalen Fläche einen Fortsatz,
die Schultergräte (Spina scapulae), besitzt, die zum Acromion (Schulterhöhe) hin ausläuft.
Es ist einerseits mit der Clavicula, andererseits mit dem Oberarmknochen gelenkig
verbunden.
Oberarmknochen - Humerus
Der Humerus ist ein kräftiger Röhrenknochen, an dem Oberarmkopf (Caput humeri),
Oberarmschaft (Corpus humeri), Epicondylus medialis und lateralis und die dazwischen
liegenden die Gelenksflächen für das Ellbogengelenk unterschieden werden. Der
Humeruskopf trägt die Gelenkfläche für das Schultergelenk.
Elle - Ulna
Sie besteht aus einem Corpus, einer großen Extremitas proximalis, also dem proximalen
Ende, das sowohl mit dem Humerus als auch mit dem Radius gelenkig verbunden ist und
einer kleineren Extremitas distalis, dem distalen Ende mit Gelenkflächen für Radius und den
proximalen Handwurzelknochen.
Die Ellbogenspitze bildet das Olekranon.
Speiche - Radius
Die Speiche besteht aus einem wiederum aus einem Corpus und einer Extremitas
proximalis und distalis.
Elle und Speiche sind in der Art. radioulnaris und durch eine Membrana interossea
miteinander verbunden.
Handsklelett
Das Handskelett besteht aus acht Handwurzelknochen, von denen das Kahnbein und das
Mondbein an der Bildung des proximalen Handgelenks beteiligt sind, aus den
- 38 -
röhrenförmigen Mittelhandknochen und den Grund,- Mittel,- und Endphalangen der
Finger. Ausnahme Daumen: nur Grund,- und Endphalanx.
Merksatz für die Handwurzelknochen: Ein Kahn der fuhr im Mondenschein ums Dreieckund ums Erbsenbein; Vieleck groß, Vieleck klein, ein Kopf, der muss am Haken sein.
Proximale Reihe: Os scaphoideum (Kahnbein), Os lunatum (Mondbein), Os triquetrum
(Dreiecksbein), Os pisiforme (Erbsenbein)
Distale Reihe: Os trapezium (Großes Vieleckbein), Os trapezoideum (Kleines Vieleckbein),
Os capitatum (Kopfbein), Os hamatum (Hakenbein)
6.6.3 Gelenke der oberen Extremität
Schultergelenk - Articulatio humeri
kommunizierende Gelenkflächen sind die Gelenkpfanne des Schulterblattes und der
Humeruskopf
Gelenkform: Kugelgelenk
Bewegungen: Heben und Senken
Ab,- und Adduktion
Innen,- und Außenrotation
Ellbogengelenk - Articulatio cubiti
Das Ellbogengelenk ist ein zusammengesetztes Gelenk aus der Articulatio
humeroradialis, der Form nach ein Kugelgelenk, der Articulatio humeroulnaris, ein
Scharniergelenk und der Articulatio radioulnaris proximalis, ein Zapfengelenk.
Gelenkform: Drehscharniergelenk
Bewegungen: Flexion und Extension
Pronation und Supination
Handgelenk Articulatio manus
Es wird zusammengesetzt aus der Articulatio radiocarpalis zwischen dem Radius und der
proximalen Handwurzelreihe (Proximales Handgelenk) und aus Articulatio
mediocarpalis zwischen den beiden Handwurzelreihen (distales Handgelenk).
Gelenkform proximales Handgelenk: Eigelenk
Bewegungen: Radial,- und Ulnarabduktion
Flexion, Extension
Pronation, Supination
Kombinationsbewegung, die einer Rotation nahekommt.
Daumengelenke
Daumengrundgelenk: Sattelgelenk
Interphalangealgelenke: Scharniergelenk
Bewegungen: Ab -, Adduktion
Opposition, Reposition
Zirkumduktion
- 39 -
Fingergelenke
Grundgelenke: Kugelgelenke, die in ihrer Funktion durch Bänder stark eingeschränkt
sind.
Scharniergelenke zw. den Phalangen: Beugen und Strecke
Bewegungen: Beugen und Strecken
6.6.4 Knochen des Beckengürtels und der unteren Extremität
Wegen der Bedeutung des Beckens und des Beckenbodens wird in diesem Kapitel nicht
nur das knöcherne Becken, sondern das Becken in seiner Gesamtheit besprochen!!
Becken - Pelvis
Das Becken besteht aus dem Kreuzbein - Os sacrum und den beiden Hüftbeinen - Ossa
coxae, die durch die Symphyse verbunden sind.
Das Hüftbein setzt sich zusammen aus dem Darmbein- Os ilium, dem Sitzbein- Os ischii und
dem Schambein - Os pubis. Diese Knochen verschmelzen im Laufe der Pubertät vollständig
miteinander. Die Linea terminalis bildet die Grenze zwischen dem großen und dem kleinen
Becken. Sie verläuft vom Gelenk zwischen Os sacrum und dem 5. Lendenwirbelkörper
(Promontorium) nach vorne zur knorpeligen Verbindung zwischen den beiden
Schambeinästen (Symphyse).
Beide Hüftbeine sind über das Kreuzbein-Darmbein-Gelenk (Articulatio sacroiliaca) mit dem
Kreuzbein verbunden. Dieses Gelenk ist eine Amphiarthrose, also ein straffes Gelenk, das
kaum Bewegungen ausführen kann, aber für die Federung der Wirbelsäule von großer
Wichtigkeit ist.
An der Vorderseite sind die beiden Hüftbeine knorpelig durch die Symphyse
(Schambeinfuge) verbunden.
Alle drei Hüftknochen treffen in der Hüftgelenkpfanne (Acetabulum) zusammen, welche
mit dem Kopf des Oberschenkelknochens das Hüftgelenk bildet.
Großes und kleines Becken - Pelvis maior und minor
Das große Becken ist jener Abschnitt des Beckens, der oberhalb der Beckeneingangslinie
(Linea terminalis) zwischen den Darmbeinschaufeln liegt.
Das kleine Becken ist der Teil des Beckens, der unterhalb der Beckeneingangslinie (Linea
terminalis) liegt.
Es enthält den Mastdarm – Rektum, die Harnblase – Vesica urinaria, die Eierstöcke Ovarien, die Gebärmutter – Uterus und die Scheide - Vagina bei der Frau und beim Mann
die Vorsteherdrüse - Prostata.
Der Beckeneingang - Apertura pelvis superior - wird begrenzt vom Oberrand der Symphyse,
der Linea terminalis und hinten vom Promontorium. Oberhalb der Linea terminalis liegt das
große Becken, darunter das kleine Becken!!
Der Beckenausgang - Apertura pelvis inferior wird begrenzt von den unteren
Schambeinästen (Rami ossis pubis inferiores), den Sitzbeinästen (Rami ossis ischii), dem
Ligamentum
sacrotuberale ( Band vom Os sacrum zum Tuber ischiadicum –
Sitzbeinhöcker) und dem Steißbein (Os coccygis).
- 40 -
Unterschiede zwischen weiblichem und männlichem Becken:
Das weibliche Becken ist flacher und breiter als das männliche.
Der weibliche Beckeneingang, die von der Linea terminalis und dem Promontorium (L5/S1)
markierten Grenze zwischen großem und kleinem Becken, ist größer und rundlich oval, das
männliche dagegen herzförmig.
Die Größe des Symphysenwinkels - Angulus subpubicus, also die Stelle, wo die beiden
unteren Schambeinäste in der Symphyse zusammentreffen, unterscheiden sich bei Mann
und Frau insoferne, dass dieser Winkel beim Mann aufgrund der vertikalen Hochstellung
des Beckens kleiner als 90°, bei der Frau dieser Winkel größer als 90° ist.
Zusätzlich ist der Abstand der Sitzbeinhöcker (Tubera ischiadica) bei der Frau deutlich
weiter als beim Mann.
Beckenmaße
Um den Durchmesser des Geburtsweges abschätzen zu können, werden mit einem so
genannten Beckenzirkel die äußeren Beckenmaße gemessen, die inneren Beckenmaße
sind nur mit bildgebenden Verfahren (CT, MRT), teilweise per vaginam messbar.
Distantia spinarum: Abstand zwischen den beiden vorderen Darmbeinstachel - Spinae
iliacae anteriores superiores. Er beträgt etwa 25-26 cm.
Distantia cristarum: Abstand zwischen den am weitesten voneinander entfernt
liegenden Punkten der Darmbeinkämme - Cristae iliacae. Er beträgt 28 – 29 cm
Distantia trochanterica: Abstand der beiden Trochanteres majores - große Rollhügel der
Oberschenkelknochen. Diese Strecke beträgt rund 32 cm.
Conjugata externa: Abstand zwischen dem oberen Rand der Symphyse und dem
Processus spinosus des 5. Lendenwirbels - oberer Punkt der Michaelis-Raute. Er misst
19 – 20 cm.
Beträgt das Maß der Conjugata externa weniger als 18 cm, ist die Conjugata vera (innerer
gerader Durchmesser) mit Sicherheit verkürzt
Äußere Beckenmaße: mittels Beckenzirkel messbar!
https://image.jimcdn.com/app/cms/image/transf/none/path/se1e7984c47992210/image/i3e6c1b8b89cb7a52/version/1454847537/image.j
pg
- 41 -
1.
2.
3.
4.
5.
Distantia spinarum: 25 - 26 cm
2. Distantia cristarum: 28 - 29 cm
Distantia trochanterica: 32 cm
Conjugata externa: 18 - 21 cm
Conjugata vera: 11 cm
Innere Beckenmaße: nur durch bildgebende Verfahren messbar, bei der Schwangerern
mittels MRT!! Teilweise auch per vaginam
https://viamedici.thieme.de/api/images/l/r/i/e/f/1/ana_002850_steckbrief1.png
Diameter transversa: 13 cm
Conjugata vera: 11 cm
Diameter obliqua: 12 cm
Conjugata diagonalis: 12,5 - 13 cm
Die Conjugata vera obstetrica ist mit 11 cm der kürzeste Durchmesser und damit die engste
Stelle, die der kindliche Kopf überwinden muss!! Sie reicht vom Hinterrand der Symphyse
zum Promontorium.
Beckenboden
Da der Beckenboden keine knöcherne Begrenzung nach unten hat, aber die gesamte Last
der Beckenorgane trägt, besteht er aus einer kräftigen Struktur, gebildet aus aus Muskeln,
Bändern und Faszien.
Am Beckenboden sind die Muskeln mit ihren zugehörigen Faszien in drei Etagen
angeordnet:
• Innerste Etage: Diaphragma pelvis
• Mittlere Etage: Diaphragma urogenitale
• Äußerste Etage: Schließ – und Schwellkörpermuskeln des Urogenital – und
Darmtraktes
- 42 -
Die innere Etage wird vom trichterförmigen M. levator ani - Afterhebermuskel – und seiner
oberen und unteren Muskelfaszie gebildet, der den Anus U - förmig von hinten umschließt.
Die mittlere Etage - das Diaphragma urogenitale - besteht aus einer Muskel Bindegewebsplatte, die zwischen den Sitz – und Schambeinästen ausgespannt ist. Sie
besteht hauptsächlich aus dem M. transversus perinei profundus et superficialis und seiner
oberen und unteren Muskelfaszie. Sie hat einen horizontalen Verlauf und verschließt das
"Levatortor".
Die äußere Etage wird von den äußeren Schließ - und Schwellkörpermuskeln gebildet. Dazu
gehören:
M. bulbospongiosus - Harnröhrenschwellkörpermuskel
M. ischiocavernosus – Sitzbein - Schwellkörpermuskel
M. sphincter urethrae externus – äußerer Harnröhrenschließmuskel – von Fasern des M.
transversus perinei profundus gebildet
M. sphincter ani externus – äußerer Analschließmuskel
Zu erwähnen wäre noch die Nervenversorgung des Beckenbodens und der Schließmuskel,
die teilweise aus quergestreifter und teilweise aus glatter Muskulatur bestehen. Der
quergestreifte Beckenboden wird willkürlich vom Nervus pudendus aus dem Plexus
lumbosacralis versorgt. Er führt somatosensible Fasern für die Haut des Beckenbodens und
somatomotorische Fasern für die Beckenbodenmuskulatur.
Die inneren Schließmuskel, M. sphincter urethrae internus und M. sphincter ani internus
bestehen aus glatter Eingeweidemuskulatur und werden vom Sympathikus und
Parasympathikus innerviert. Sie unterliegen also nicht unserem Willen!
Oberschenkelknochen- Femur
Der Femur ist der längste Röhrenknochen im Körper. Vom langen OberschenkelschaftCorpus femoris geht proximal schräg der Schenkelhals- Collum femoris ab. An seinem Ende
befindet sich der Oberschenkelkopf. Am Übergang vom Corpus zum Collum sitzen zwei
Vorsprünge - Trochanter major und minor, an denen Muskeln ihren Ursprung nehmen. Am
distalen Femurende findet man die Epicondylus medialis und lateralis, dazwischen liegt die
Gelenksfläche zum Schienbein, die aus den Condylus medialis und lateralis besteht.
Schienbein- Tibia
Es handelt sich um einen langen kräftigen, im Querschnitt dreieckigen, Knochen mit einem
proximalen Schienbeinkopf - Caput tibiae und einem distalen verbreiterten Ende, das den
Innenknöchel - Malleolus medialis bildet.
Wadenbein- Fibula
Das Wadenbein ist ein zarter Röhrenknochen lateral vom Schienbein gelegen mit einem
Corpus, einem proximalen Caput fibulae und dem distalen Malleolus lateralis, dem
Außenknöchel. Die beiden Knöchel bilden die Malleolengabel, die das proximale
Sprunggelenk mit dem Sprungbein bilden. Eine membranea interossea verbindet die
beiden Unterschenkelknochen.
Fußskelett
Der Fuß besteht aus 7 Fußwurzelknochen, 5 Mittelfußknochen - Ossa metatarsalia und den
Grund,- Mittel,- und Endglieder der Zehen.
- 43 -
6.6.5 Gelenke der unteren Extremität
Hüftgelenk - Articulatio coxae
Die kommunizierenden Gelenkflächen sind die Hüftgelenkspfanne, Acetabulum, das aus
allen drei Anteilen des Hüftknochens gebildet wird und die Gelenkfläche des Femurkopfes.
Das Hüftgelenk wird durch zahlreiche straffe Bänder gesichert.
Gelenkform: Kugelgelenk
Bewegungsrichtungen: Heben und Senken
Ab,- und Adduktion
Innen,- und Außenrotation
Kniegelenk - Articulatio genus
Es kommunizieren die Gelenkflächen des Oberschenkelknochens (Femur), des
Schienbeins (Tibia), des Wadenbeins (Fibula) und der Kniescheibe (Patella).
Der Gelenkspalt beinhaltet zwei "Stoßdämpfer" aus Faserknorpel, ein
halbmondförmiger Meniscus medialis und ein kreisförmiger Meniscus lateralis
Weiters wird das Kniegelenk durch die innen liegenden Kreuzbänder und die außen
seitlich liegenden Seitenbänder gesichert.
Gelenktyp: Scharniergelenk
Bewegungsrichtungen: Beugen und Strecken, nur im gebeugten Zustand geringe
Außen,- und Innenrotation möglich.
Oberes Sprunggelenk
Die kommunizierenden Gelenkflächen sind die so genannte Malleolengabel von Tibia
und Fibula einerseits , welche gabelartig die Gelenkfläche des Talus (Sprungbein)
umfasst.
Gelenktyp: Scharniergelenk
Bewegungsrichtungen: Dorsal,- und Plantarflexion
Unteres Sprunggelenk
Es wird gebildet vom Sprungbein, dem Kahnbein und dem Fersenbein.
Es ist ein zusammengesetztes Gelenk, das con zahlreichen Bändern verstärkt wird.
Bewegungsrichtungen: Supination, Pronation
Zehengrundgelenke
Anatomisch sind Zehengrundgelenke Kugelgelenke, die in ihrer Bewegung durch straffe
Bänder stark eingeschränkt sind.
Interphalangealgelenke
Es handelt sich wie bei den Fingern um Scharniergelenke.
Bewegungsrichtungen: Flexion und Extension
- 44 -
7
MUSKULATUR
Man unterscheidet drei Arten von Muskulatur, die quergestreifte, glatte und die
Herzmuskulatur.
Durch abwechselndes Anspannen und Erschlaffen der einzelnen Muskelfasern wird
Muskelbewegung möglich. Um Bewegung auf das Skelett zu übertragen sind die Muskeln
durch Sehnen am Knochen fixiert. Damit ein Gelenk bewegt werden kann, liegt der
Muskelursprung immer proximal, der Ansatz immer distal des Gelenks.
Synergisten sind Muskeln, die bei einer Bewegung zusammenarbeiten, Antagonisten
machen gegenteilige Bewegungen.
Muskeln erhalten ihre Namen nach unterschiedlichen Eigenschaften, zu Beispiel
- nach dem Faseverlauf:
M. transversus abdominis: querer Bauchmuskel
M. obliquus abdominis: schräger Bauchmuskel
- nach der Lage:
M. temporalis: Schläfenbeinmuskel
M. tibialis anterior: vorderer Schienbeinmuskel
- nach Größe und Länge:
maximus: der "größte" - M. glutaeus maximus
minimus: der "kleinste" - M. glutaeus minimus
longus: lang - M. peroneus longus
brevis: kurz - M. peroneus brevis
- nach der Zahl der Ursprünge:
Biceps: zwei Muskelköpke - M. biceps brachii
Triceps: drei Muskelköpfe - M. triceps brachii
Quadriceps: vier Muskelköpfe - M. quadriceps femoris
- nach der Form:
M. deltoideus: Deltamuskel
M. trapezius: Trapezmuskel, Kapuzenmuskel
7.1 Quergestreifte Muskulatur
Sie besteht aus bis zu 15 cm langen 10 – 100 Mikrometer dicken, mehrkernigen
Muskelzellen. Mehrkernige Muskelzellen entstehen durch vereinigung mehrerer
Einzelzellen, man spricht von einem Syncytium. Diese Zellen beinhalten Myofibrillen mit
deutlicher Längs,- und Querstreifung, welche aus vielen funktionellen Einheiten
zusammengesetzt sind. Eine solche Einheit nennt man Sarkomer.
Mikroskopisch lassen sich an den Muskelfasern abwechselnd helle und dunkle Streifen
erkennen, die durch die Filamente zweier verschiedener Proteine, dem Aktin und dem
Myosin entstehen:
Das Aktin bildet in regelmäßigen Abständen feste Anheftungsscheiben, von denen dünne
Fäden ausgehen. Zwischen diesen Fäden liegen die Myosinmoleküle. Ihre Enden
überlappen sich mit den Enden der Aktinfäden.
- 45 -
Das Myosin besteht aus dickeren Faserbündeln mit nach außen gerichteten Widerhaken,
zwischen die die dünneren Aktinfilamente hineinragen. Bei einer Muskelkontraktion
schieben sich die Aktinfilamente zwischen die Myosinfilamente, wodurch der Muskel
verkürzt wird. (Kontraktion)
Die quergetreifte Skelettmuskulatur wird von motorischen willkürlichen Nerven zur
Kontraktion angeregt, der Nervenreiz gelangt über die motorische Endplatte, eier
synapsenähnlichen Struktur zur Nervenzelle.
Die Nervenfaser und die von ihr innervierten Muskelzellen bilden die so genannte
motorische Einheit. Darunter versteht man eine motorische Nervenfaser und die
Gesamtheit, der von ihr innervieren Muskelzellen.
Muskulatur arbeitet nach dem Alles oder Nichts Prinzip. Bei einer Erregung werden alle
Muskelfasern einer motorischen Einheit vollkommen erregt und kontrahieren sich. Es
werden jedoch nicht alle motorischen Einheiten eines Muskels gleichzeitig erregt!
Zusätzlich unterscheiden wir unterschiedliche Möglichkeiten der Muskelkontraktion:
Muskeltonus: Durch die Erregung einer gewissen Anzahl motorischer Einheiten ist eine
Grundspannung des Körpers garantiert, wie die Körperhaltung oder Kopfhaltung.
Isotonische Kontraktion: Kontraktion mit Verkürzung ohne Änderung des Muskeltonus. Sie
erzeugt Bewegung, wie das Gehen.
Isometrische Kontraktion: Kontraktion des fixierten Muskels ohne Verkürzung der
Muskelfasern; der Muskeltonus steigt ohne Bewegung. Diese Kontraktion ermöglicht etwa
das Tragen einer Last bei ausgestrecktem Arm.
7.2 Herzmuskulatur
Die Herzmuskulatur unterscheidet sich in einigen Punkten vom Skelettmuskel. Die
Muskelfasern sind dünner und kürzer und haben nur 1 Kern pro Muskelfaser und sind
unregelmäßig miteinander verwoben, um einen Hohlmuskel entstehen zu lassen.
Der Herzmuskel kontrahiert sich unwillkürlich und rhythmisch, hat eine längere
Refraktärzeit (Zeit zwischen zwei möglichen Erregungen) und ist extrem ausdauernd.
7.3 Glatte Muskulatur
Auch die glatte Muskulatur weist Unterschiede zur Skelettmuskulatur auf. Glatte
Muskelfasern sind kürzer, zarter und spindelförmig. Sie besitzen nur einen ovalen Zellkern.
7.4
Muskulatur des Schädels und des Halses
Am Schädel unterscheiden wir einerseits die Muskeln, die unseren Gefühlsbewegungen
Ausdruck verleihen, die so genannte mimische Muskulatur, andererseits die
Kaumuskulatur.
- 46 -
Die mimische Muskulatur entspringt am knöchernen Schädel und zieht nicht über Gelenke
hinweg, sondern in die Haut von Gesicht und Hals. Sie ermöglicht Gefühlsregungen
auszudrücken. Im folgenden Text werden nur die wichtigsten Muskeln besprochen!
7.4.1
Mimische Muskeln
Die wichtigsten mimischen Muskeln können folgende Bewegungen ausführen.
Stirnmuskel – M. frontalis: legt die Stirn in Falten
Musculus orbicularis oculi: Augenringmuskel, schließt die Augen
Musculus orbicularis oris: Mundringmuskel, schließt den Mund
Musculus risorius: Lachmuskel
Musculus zygomaticus major und minor: Jochbeinmuskel, heben die Mundwinkel
Musculus buccinator: Wangenmuskel
7.4.2
Kaumuskulatur
Die Kaumuskeln entspringen an Schädelknochen und setzen an der Mandibula an. Sie
bewegen den Unterkiefer gegen den Oberkiefer.
Schläfenmuskel - M. temporalis: zieht vom Schläfenbein zum Unterkiefer
Kaumuskel - M. masseter: kräftiger Kaumuskel, zieht vom Jochbein zum Unterkieferwinkel
7.4.3
Halsmuskeln
Mimische Muskulatur, wie der große flächige Halshautmuskel - Platysma - geben der
Halsregion ihre Kontur. Es zieht vom Unterkiefer zum Thorax.
Vordere, hintere und tiefe Halsmuskeln dienen der Bewegung des Kopfes.
Obere Zungenbeinmuskulatur, die den Mundboden bildet, und die untere
Zungenbeinmuskulatur sind unerlässlich für die Bewegungen im Kehlkopfbereich für
Schlucken und Sprechen. Sie werden hier im Einzelnen nicht besprochen.
M. sternocleidomastoideus - Kopfwender: er zieht vom Processus mastoideus des
Schläfenbeines schräg nach vorne unten zur Clavicula und zum Sternum.
7.5
Muskulatur des Körperstammes
7.5.1
Autochtone Rückenmuskulatur
Sie ist primär am Rücken entstanden und bildet die tiefe Muskelschicht der
Rückenmuskulatur. Es handelt sich um überlappende Muskelfaserzüge entlang der
Wirbelsäule, die die Bewegungen der Wirbelsäule, wie Strecken und Drehen ermöglichen
und für die Stabilisierung der Wirbelsäule äußerst wichtig sind. Sie entspringt und setzt am
Rücken an.
- 47 -
7.5.2
Atemmuskulatur
Das Einatmen ist ein aktiver Vorgang, der spezielle Muskeln benötigt, die den Brustkorb
erweitern. Das Ausatmen hingegen erfolgt passiv durch die Spannung und Elastizität des
Brustkorbes und der Lunge, das tiefe Ausatmen gelingt jedoch wiederum nur unter Mithilfe
von Muskeln. An der Atmung sind äußere und innere Muskelschichten zwischen
benachbarten Rippen, das Zwerchfell und auch die Bauchmuskulatur beteiligt.
Äußere Zwischenrippenmuskeln - Mm. intercostales externi: sie ziehen schräg an der
Außenseite von einer Rippe zur nächsten und erweitern bei Kontraktion den Brustkorb in
frontaler und sagittaler Richtung - sie heben die Rippen, wir atmen ein. Heben die Rippen
und erweitern den Brustkorb. Einatmen
Innere Zwischenrippenmuskeln - Mm. intercostales interni: sie ziehen schräg an der
Innenseite von einer Rippe zur nächsten und verringern bei Kontraktion den Durchmesser
des Brustkorbs in frontaler und sagittaler Richtung - sie senken die Rippen, wir atmen aus.
Hebenken die Rippen und verkleinern den
Zwerchfell - Diaphragma: Kuppelförmiger Muskel zwischen Brust und Bauchhöhle, dessen
Fasern von der Innenseite der Rippen und der Wirbelsäule entspringen und in eine
Sehnenplatte im Zentrum des Zwerchfells ziehen. Durch Kontraktion flacht das Zwerchfell
ab, senkt sich in Richtung Bauchhöhle und erweitert so den Brustraum, wir atmen ein.
MERKE!!! Das Einatmen erfolgt also durch Kontraktion der äußeren
Zwischenrippenmuskeln und des Zwerchfells, das Ausatmen geschiehtpassiv durch die
Elatizität des Brustkorbes und der Rippen und kann durch die inneren
Zwischenrippenmuskeln und die Bauchmuskulatur unterstützt werden. Senkt Kontraktion:
Vergrößerung des Brustkorbes, Einatmen!
Wölbt sich beim Entspannen nach oben: Verkleinerung des Brustkorbes,
Atemhilfsmuskulatur: unterstützt das Einatmen, wie der große und kleine BrustmuskelMm. pectorales major et minor und das Ausatmen durch die Kontraktion der
Bauchmuskulatur, wodurch die Bauchorgane in Richtung Brustraum gedrängt werden.
7.5.3
Bauchwandmuskulatur
Sie besteht aus mehreren Muskelschichten, die vom Rippenbogen zum Becken verlaufen.
Sie wirken beim Beugen und Drehen des Rumpfes mit und schützen die Bauchorgane.
Durch Kontraktion (Anspannen) erhöhen sie den Druck im Bauchraum und unterstützen
die Blasen - und Darmentleerung.
gerader Bauchmuskel - M. rectus abdominis: zieht gerade von den Rippenansätzen am
Sternum und dem Processus xyphoideus des Brustbeins zum Schambein.
schräger Bauchmuskel - M. obliquus abdominis: entspringt seitlich vom Brustkorb und
Beckenknochen und zieht zur Bauchwandmitte in ein breites Sehnenband, die
Aponeurose.
querer Bauchmuskel - M. transversus abdominis: er zieht gürtelförmig über den Bauch und
strahlt ebenfalls in die Aponeurose ein.
- 48 -
7.6
Muskulatur des Schultergürtels und der oberen Extremität
Die Muskeln des Schultergürtels fixieren das Schulterblatt am Körper, wodurch die
Armbewegungen erst ermöglicht werden. Die wichtigsten werden im Folgenden
besprochen.
7.6.1
Schultergürtelmuskulatur:
vordere Schultergürtelmuskulatur:
M. serratus anterior - vorderer Sägezahnmuskel: entspringt an der 1. – 9. Rippe und zieht
zum Schulterblatt; er dreht das Schulterblatt nach außen und oben.
M. pectoralis minor - kleiner Brustmuskel: entspringt von der 3. bis zur 5. Rippe und zieht
zum Schulterblatt. Er zieht das Schulterblatt nach vorne und unten.
hintere Schultergürtelmuskulatur:
M. trapezius - Kapuzenmuskel: Der weitaus größte Muskel dieser Gruppe entspringt am
Hinterhauptsbein und allen Hals,- und Brustwirbeln und zieht zum Schulterblatt und zum
Schlüsselbein. Er hilft bei zahlreichen Bewegungen des Armes mit.
M. levator scapulae - Schulterblattheber: zieht vom 1. - 4. Halswirbel zum Schulterblatt;
hebt das Schulterblatt
7.6.2
Schultermuskulatur
Deltamuskel - M. deltoideus: Der größte Schultermuskel entspringt an der Spina scapulae,
dem Akromion und der Clavicula und zieht an die Außenseite des Humerus. Dieser
dreieckige Muskel gibt der Schulter ihre Form und ist an allen Bewegungen im
Schultergelenk beteiligt, besonders am Heben des Armes.
M. pectoralis major - großer Brustmuskel: entspringt an der Vorderseite des Stammes und
zieht zum Oberarm
M. latissimus dorsi - breitester Rückenmuskel: entspringt am Rücken und zieht zum
Oberarm
7.6.3 Oberarmmuskulatur
Drei große Muskeln ziehen vom Schultergürtel, unter Umgehung des Schultergelenkes,
oder direkt vom Oberarm über das Ellbogengelenk zum Unterarm. Dadurch bewegen sie
nicht das Schultergelenk, sondern das Ellbogengelenk im Sinne einer Beugung oder
Streckung.
Die Unterarmbeuger liegen an der Vorderseite des Oberarmes und ziehen ventral über das
Ellbogengelenk.
M. biceps brachii - Oberarmbizeps: er entspringt mit zwei Köpfen am Schulterblatt, die mit
einer gemeinsamen Sehne am Radiusköpfchen ansetzen. Er beugt das Ellbogengelenk und
ist an der Supination beteiligt.
- 49 -
M. brachialis - Armbeuger: entspringt am Humerus und zieht vor dem Ellbogengelenk zum
Unterarm.
Die Unterarmstrecker liegen an der Rückseite des Oberarmes und ziehen dorsal über das
Ellbogengelenk.
M. triceps brachii - Oberarmtrizeps: Er entspringt mit drei Köpfen am Oberarmknochen
und setzt mit einer gemeinsamen Sehne an der Ulnahinterseite an. Er streckt das
Ellbogengelenk.
7.6.4 Unterarmmuskulatur
Diese Muskeln entspringen am Unterarm und ziehen zur Hand und zu den Fingern. Sie
strecken und beugen das Hand - und die Fingergelenke und sind an der Supination und der
Pronation beteiligt. Wir unterscheiden vier Muskelgruppen:
Pronatoren: M. pronator teres et quadratus: runder u. viereckiger Einwärtsdreher
Supinatoren: M. biceps brachii und M. supinator: sie sind Auswärtsdreher im Handgelenk
Strecker - Extensoren: sie strecken das Handgelenk und die Finger
Dazu gehören die M. extensor carpi radialis longus et brevis und der M. extensor carpi
ulnaris.
Beuger - Flexoren: dazu zählt man den M. flexor carpi ulnaris und den M. flexor carpi
radialis, die Fingerbeuger, Fingerstrecker, kurze Handmuskeln und die Daumenmuskeln.
7.7
Muskulatur des Beckenbodens und der unteren Extremität
7.7.1
Beckenbodenmuskulatur
Die Muskeln des Beckenbodens sind in mehreren Lagen angeordnet, sie müssen ja die nach
unten drängende Last der Beckenorgane tragen. Die Schließmuskeln für Blase und
Mastdarm sorgen für Kontinenz, welche durch eine Schwächung des Beckenbodens, etwa
nach Geburten, empfindlich gestört werden kann.
Die innere Schicht des Beckenbodens heißt Diaphragma pelvis, sie wird vom
Afterhebermuskel (M. levator ani), welcher vom Mastdarm durchbrochen wird, und vom
Steißbeinmuskel (M. coccygeus) gebildet. Der M. levator ani entspringt beidseits des
Schambeins und bildet eine nach kaudal ausgerichtete u-förmige, trichterförmige
Muskelplatte, welche in der Mitte eine Öffnung, das Levatortor, ausspart. Die Verbindung
der beiden Levatoranteile bildet vor dem After (Anus) die Grundlage für den Damm
(Perineum), einige Muskelfasern bilden eine Schlinge um den After für den äußeren
Afterschließmuskel (M. sphincter ani externus).
Die äußere Beckenbodenschicht, das Diaphragma urogenitale, setzt sich aus dem tiefen
und dem oberflächlichen querverlaufenden Dammmuskel (M. transversus perinei
profundus et superficialis), ihren Muskelfaszien und querverlaufenden Bändern
zusammen. Es verschließt als querverlaufende Muskelplatte das Levatortor nach unten.
- 50 -
Das Diaphragma urogenitale wird beim Mann von der Harnröhre (Urethra) und bei der Frau
von Harnröhre und Scheide (Vagina) durchbrochen.
In dieser Ebene liegt auch der äußere Harnröhrenschließmuskel (M. sphincter urethrae
externus). Zusätzliche Muskeln sind die beiden Schwellkörpermuskeln, der M.
ischiocavernosus und der M. bulbospongiosus. Sowohl der äußere Afterschließmuskel als
auch der äußere Harnröhrenschließmuskel sind unserem Willen unterworfen und können
bewusst gesteuert werden.
Harnröhre und After besitzen zusätzlich jeweils auch einen inneren Schließmuskel aus
glatter Muskulatur des Darmes und der Harnröhre, einen M. sphincter ani internus und
einen M. sphincter urethrae internus, welche im Gegensatz zu den äußeren Schließmuskeln
nicht unserem Willen unterworfen sind; sie öffnen sich reflexartig bei voller Blase oder
vollem Mastdarm.
Am Beckenboden existieren fünf Faszien, die verschiedene Räume definieren. Von
oberflächlich nach tief handelt es sich dabei um folgende Faszien:
Fascia perinei superficialis (Fascia perinei): liegt unter der Subkutis und verschmilzt dorsal
mit der nächsthöheren Faszie
Faszien des Diaphragma urogenitale: Fascia diaphragmatica urogenitalis inferior und Fascia
diaphragmatica urogenitalis superior
Faszien des Diaphragma pelvis: Fascia diaphragmatica pelvis inferior und Fascia
diaphragmatica pelvis superior
Zusätzlich findet man bindegewebige Strukturen zwischen den Beckenorganen, die auch
zahlreiche Bänder beinhalten:
Bei Mann und Frau findet man das Paracystium (um die Harnblase gelegen) und das
Paraproktium (um das Rektum gelegen)
Bei der Frau findet man zusätzlich Bindegewebe um die inneren Geschlechtsorgane, das
Parametrium (um den Uterus gelegen) und das Parakolpium (um die Vagina gelegen).
Die Strukturen des Beckenbodens werden meist von N. pudendus und A. pudenda interna
versorgt.
Die sensible und motorische Innervation übernehmen die Nervus pudendus (S1-S4) und der
N. coccygeus (S5-Co2).
Die Blutversorgung erfolgt über die Arteria pudenda interna aus der Arteria iliaca interna.
Der venöse Abfluss erfolgt über die Vena pudenda interna in die Vena iliaca interna.
Ringmuskel Harnröhre: M. sphincter urethrae
Ringmuskel Mastdarm: M. sphincter ani
Afterhebermuskel: M. levator ani
oberflächlicher querer Dammmuskel: M. transversus perinei superficialis
tiefer querer Dammmuskel: M. transversus perinei profundus
- 51 -
7.7.2
Beuger im Hüftgelenk - Flexoren
Die Muskeln der unteren Extremität sind die stärksten Muskeln im Körper, da sie den
Körper beim Gehen und Stehen stabilisieren müssen; sie ermöglichen erst den aufrechten
Gang.
Die Hüftbeuger entspringen entweder an der Lendenwirbelsäule oder am Hüftbein, ziehen
ventral über das Hüftgelenk; sie setzen entweder am Femur an oder ziehen als
zweigelenkige Muskeln zum Unterschenkel und strecken zusätzlich im Kniegelenk.
M. iliopsoas - Darmbeinlendenmuskel: er zieht von der Lendenwirbelsäule und der
Innenseite des Darmbeines zum Femur. Er ist ein kräftiger Muskel und der wichtigste
Beuger im Hüftgelenk.
M.rectus femoris - gerader Schenkelmuskel: er entspringt von der Spina iliaca ant.inf. und
zieht ventral über das Hüftgelenk. Er bildet einen der vier Köpfe des M. quadriceps und
zieht somit auch über das Kniegelenk. Dadurch beugt er im Hüftgelenk und streckt das
Kniegelenk.
M. sartorius - Schneidermuskel: entspringt von der Spina iliaca ant. sup. und zieht quer
über den Oberschenkel als längster Muskel des menschlichen Körpers zur medialen Seite
der Tibia.
7.7.3
Strecker im Hüftgelenk - Extensoren
Sie ziehen hinter dem Hüftgelenk vom Becken zum Oberschenkelknochen. Diese
Muskelgruppe streckt im Hüftgelenk und ermöglicht so den aufrechten Stand.
M. glutaeus maximus - größter Gesäßmuskel: entspringt am Darm - und Kreuzbein und
setzt an der Hinterseite des Oberschenkelknochens an. Dieser kräftige Muskel ist wichtig
beim Aufrichten aus dem Sitzen und beim Treppensteigen, er verhindert das
Vorwärtskippen des Rumpfes im aufrechten Stand.
M. biceps femoris (Oberschenkelbizeps), M. semitendinosus (Halbsehnenmuskel), M.
semimembranosus (Plattsehenmuskel): diese Muskeln entspringen am Beckenknochen,
ziehen hinter Hüft - und Kniegelenk und setzen erst am Unterschenkel an, dadurch
strecken sie im Hüftgelenk und beugen zusätzlich im Kniegelenk.
7.7.4
Abspreizer - Abduktoren
Sie entspringen am Hüftknochen und ziehen seitlich über das Hüftgelenk zum
Oberschenkelknochen. Dadurch ziehen sie das Bein zur Seite.
M. glutaeus medius - mittlerer Gesäßmuskel: wichtigster Abduktor, in diesen Muskel
werden die im. Injektionen verabreicht.
M. glutaeus minimus - kleinster Gesäßmuskel: Er verlauft wie der Vorgenannte teilweise
verdeckt durch andere Muskel vom Beckenknochen zum Femur.
7.7.5
Anzieher - Adduktoren
Sie ziehen vom Becken zur Femurinnenseite und ziehen das Bein heran.
M. adductor longus, magnus und brevis
- 52 -
7.7.6 Strecker im Kniegelenk
Diese Muskelgruppe zieht vorne über das Kniegelenk und setzt an den
Unterschenkelknochen an.
M. quadriceps femoris - Oberschenkelquadrizeps: die Köpfe dieses gewaltigen Muskels
entspringen teilweise am Beckenknochen und am Femur und setzen mittels einer
gemeinsamen breiten Sehne an der Tibia an, in die die Patella als Sesambein eingelassen
ist. Er ist ein kräftiger Strecker im Kniegelenk, ein Kopf, der M. rectus femoris beugt
zusätzlich im Hüftgelenk.
7.7.7
Beuger im Kniegelenk
Sie sind als zweigelenkige Muskeln sowohl Strecker im Hüftgelenk als auch Beuger im
Kniegelenk.
Dazu gehören der M. biceps femoris und der M. sartorius.
7.7.8
Strecker im Fußgelenk und der Zehen
Diese Muskeln entspringen an der Unterschenkelvorderseite und ziehen über die
Fußgelenke zum Fuß und den zehen. Sie ziehen den Fuß und die Zehen nach obenm
machen also eine Dorsalflexion im Sprunggelenk und strecken die Zehen. Zusätzlich sind
sie an der Pronation des Fußes beteiligt.
M. tibiails anterior: er zieht von der Unterschenkelvorderseite zum Fußrücken
M.extensor digitorum longus- langer Großzehenstrecker: dieser Muskel zieht von der
Unterschenkel - Vorderseite zur Großzehe.
7.7.9
Beuger im Fußgelenk und der Zehen
Diese Muskeln entspringen an der Unterschenkelrückseite und setzen im Bereich der
Fußsohle an. Sie ziehen den Fuß nach unten (Plantarflexion), beugen in den Zehengelenken
und sind an der Supination beteiligt.
M. triceps surae - dreiköpfiger Wadenmuskel: er setzt sich aus dem Zwillingsmuskel (M.
gastrocnemius) und dem tiefer liegenden Schollenmuskel (M.soleus) zusammen. Alle drei
Köpfe setzen gemeinsam mittels der Achillessehne am Fersenhöcker an.
M. tibialis posterior
Lange Großzehen,- und Zehenbeuger
7.7.10 Laterale Unterschenkelmuskulatur
M. fibularis longus et brevis: Sie ziehen von der Fibula zum Fuß; sind Beuger im
Sprunggelenk aber hauptsächlich Pronatoren.
Kurze Fußmuskeln zum Bewegen der Zehen und Erhalten des Fußgewölbes.
- 53 -
7.8
Muskelfaszien
Als Faszie bezeichnet man eine bindegewebige Hüllschicht, die einzelne Muskeln,
Muskelgruppen oder ganze Körperabschnitte umgeben kann.
Sie bestehen zum größten Teil aus straffem kollagenem Bindegewebe und Elastin. An der
Innenseite der Faszie findet man eine dünne Schicht lockeres Bindegewebe, das so
genannte Epimysium, mit dem es dem Muskel mehr oder weniger verschieblich aufliegt.
An den Enden eines Muskels vereinigt sich das Bindegewebe der Faszie zur Sehne des
Muskels, mit der er am Knochen ansetzt.
Faszien geben dem Muskel Form und Festigkeit, sie verhindern, dass die Fasern des
Muskels während der Kontraktion ihren morphologischen Zusammenhalt verlieren.
Darüber hinaus dienen sie der Abgrenzung der Muskeln untereinander und verhindern so,
dass eng zusammenliegende Muskeln sich bei der Kontraktion gegenseitig beeinflussen.
Einige Faszien dienen als Ursprung oder Ansatzstelle der Muskulatur.
Faszien geben dem gesamten Körper Halt und Struktur.
- 54 -
8
DAS HERZ
Das Herz ist ein muskuläres Hohlorgan, welches im Herzbeutel im Mediastinum oder
Mittelfellraum (Raum zwischen den beiden Lungen, welcher von der Wirbelsäule zum
Brustbein und unten zum Zwerchfell reicht) liegt.
Der Hohlraum des Herzens ist in vier Räume, nämlich 2 Vorhöfe und 2 Kammern, unterteilt.
8.1
Lage und Form des Herzens
Das Herz liegt schräg im Mediastinum, die Herzbasis zeigt nach oben, rechts und hinten,
die Herzspitze zeigt dementsprechend nach unten, links und vorne.
Die Herzachse verläuft also von rechts oben hinten nach links unten vorne!
Das Herz hat die Form eines umgekehrten Kegels und etwa die Größe der Faust seines
Trägers. An seiner Oberfläche unterscheidet man drei Flächen:
Die Facies sternocostalis ist gegen die vordere Brustwand gerichtet und wird rechts und
links von der Lunge überlagert.
Eine Facies diaphragmatica, die dem Zwerchfell aufliegt und zum überwiegenden Teil vom
linken Ventrikel gebildet wird.
Die Facies posterior zeigt gegen das hintere Mediastinum und kommt hier mit der
Speiseröhre in Kontakt.ist gegen die vordere Brustwand gerichtet und wird rechts und links
von der Lunge überlagert.
Weiters unterscheidet man am Herzen
die Herzbasis: An ihr münden und entspringen scheinbar die großen zu - und abführenden
Gefäße des Herzens und die Herzkranzgefäße. Die obere und untere Hohlvene mündet fast
senkrecht in den rechten Vorhof, beinahe horizontal münden die Lungenvenen paarig in
den linken Vorhof (Venenkreuz).
Die Aorta entspringt aus dem linken Ventrikel und überkreuzt vorne den Stamm der
Lungenarterie (Truncus pulmonalis), der aus dem rechten Ventrikel entspringt.
und die Herzspitze: Sie wird vom linken Ventrikel gebildet und kommt im 5.
Zwischenrippenraum (Interkostalraum) der Brustwand so nahe, dass man an dieser Stelle
den Herzspitzenstoß fühlen und bei schlanken Menschen auch sehen kann.
8.2
Räume und Klappen des Herzens
Das Herz wird durch die Herzscheidewand (Vorhof,- und Kammerseptum) in Längsrichtung
in ein rechtes und ein linkes Herz unterteilt. Durch die Atrioventrikularklappen werden
diese beiden Herzhälften noch einmal in horizontaler Richtung geteilt.
Dadurch entstehen vier Herzräume: Ein rechter Vorhof, der das Blut aus dem
Körperkreislauf aufnimmt und in den rechten Ventrikel weiterschickt. Der rechte Ventrikel
pumpt das Blut weiter über die Lungenarterien in den Lungenkreislauf. In der Folge nimmt
der linke Vorhof das Blut aus dem Lungenkreislauf auf und gibt es an den linken Ventrikel
weiter. Von dort wird es schließlich über die Aorta in den Körperkreislauf gepumpt.
- 55 -
Demnach unterscheiden wir am Herzen 2 Vorhöfe (Atrium) und 2 Kammern (Ventrikel):
rechter Vorhof - Atrium dextrum
linker VH - Atrium sinistrum
Rechte Kammer - Ventriculus dexter
Linke Kammer - Ventriculus sinister
MERKE!!! Im gesamten rechten Herzen findet man sauerstoffarmes Blut, im linken Herzen
sauerstoffreichen Blut! In die Vorhöfe münden die Venen, aus den Ventrikeln entspringen
Arterien!
Die Beschreibung der Vorhöfe und Kammern folgt nun der Richtung des Blutflusses von
der Einmündung der Hohlvenen in den rechten Vorhof bis zum Austritt der Aorta aus dem
linken Ventrikel.
8.2.1
Rechter Vorhof - Atrium dextrum
Am rechten Vorhof unterscheidet man einen hinteren glatten Anteil in den die obere und
untere Hohlvene (V. cava superior und inferior) und der venöse Abfluss der
Herzkranzarterien münden. Am vorderen Anteil des rechten Vorhofs fallen grobe
Muskelstränge, die Mm. pectinati und ein dreieckiger vorspringender Anteil, das rechte
Herzohr, auf. Zur Mitte hin wird er vom Vorhofseptum gegen den linken Vorhof begrenzt.
Die eigentliche VH- Muskulatur ist durchscheinend dünn und wird von kräftigeren
Muskeltrabekeln verstärkt.
Die obere Hohlvene und die untere Hohlvene münden klappenlos in den rechten Vorhof.
An der VH – Hinterseite befindet sich auch die Mündungsstelle der Herzkranzvenen, der
Sinus coronarius.
8.2.2
Rechte Kammer - Ventriculus dexter
Auch die rechte Kammer weist eine relativ dünne Muskelwand auf, da sie nur den geringen
Widerstand des Lungenkreislaufs überwinden muss. Man unterscheidet wiederum einen
hinteren Anteil, entsprechend der Einflussbahn des Blutes, welcher netzförmig
angeordnete Muskeltrabekel (Trabeculae carneae) aufweist von einer vorderen,
glattwandigen Ausflussbahn. Zusätzlich findet man drei bis vier kräftige Papillarmuskel, die
gegen das Lumen (Hohlraum) vorspringen. Das Blut aus dem rechten Vorhof gelangt über
die Tricupidalklappe - Valva atrioventricularis dextra in den rechten Ventrikel. Sie besteht
aus drei dreieckigen Segeln (= Cuspis).
Die Pulmonalklappe befindet sich am Ursprung des Truncus pulmonalis, durch den das Blut
aus dem rechten Ventrikel in die Lungen weiterströmt. Sie wird von drei
halbmondförmigen Taschen, den Valvulae semilunares gebildet.
8.2.3
Linker Vorhof - Atrium sinistrum
Der linke Vorhof ist dickwandiger als der rechte und er erhält sauerstoffreiches Blut aus der
Lunge über jeweils zwei rechte und zwei linke Lungenvenen (Vv. pulmonales).
Sie bilden gemeinsam mit den Hohlvenen, die in den rechten Vorhof münden, das so
genannte Venenkreuz, da sie im rechten Winkel zu den Hohlvenen verlaufen.
- 56 -
8.2.4 Linke Kammer - Ventriculus sinister
Die linke Kammer besitzt eine deutlich dickere Wand (etwa dreifache Dicke) als die rechte
Kammer, da sie den hohen Widerstand des Körperkreislaufs überwinden muss. Am linken
Ventrikel lässt sich wieder eine Einflussbahn mit Trabeculae carneae von einer glatten
Ausflussbahn unterscheiden. Rechte und linke Kammer sind durch das Kammerseptum
(Septum interventriculare) voneinander getrennt.
Das Blut aus dem linken Vorhof gelangt über die linke Atrioventrikularklappe - Valva
atrioventricularis sinistra - Mitralklappe in den linken Ventrikel. Die Mitralklappe besteht
nur aus zwei Segeln (Cuspis). Ihren Namen erhielt sie wegen ihrer Ähnlichkeit mit einer
Bischofsmütze - Mitra.
Über die Aortenklappe wird das Blut aus dem linken Ventrikel in die Aorta und damit in den
Körperkreislauf gepumpt. Sie wird wie die Pulmonalklappe von drei halbmondförmigen
Taschen (Valvulae semilunares) gebildet.
MERKE!!! Die Mitralklappe und die Tricuspidalklappe sind SEGELKLAPPEN, Pulmonal - und
Aortenklappe sind TASCHENKLAPPEN.
8.2.5
Ventilebene des Herzens
Die Ventilebene liegt zwischen Vorhof und Kammer, unter den Ventilen werden die
Klappen veratanden. Sie besteht aus einem bindegewebigen Ring und beherbergt die
beiden Segelklappen und die zwei Taschenklappen.
Unter Herzskelett versteht man eben diese Bindegewebszüge, die zwischen den Vorhöfen
und den Kammern liegen und sowohl der Muskulatur der Kammern und der Vorhöfe
Ursprung und Ansatz bieten, aber auch eine Verankerung aller Herzklappen bilden. Es wird
nur von den Fasern des Erregungsleitungssystems durchdrungen.
8.2.6 Segelklappen
Die Segel der Segelklappen, die sich zwischen den Vorhöfen und den Kammern befinden,
bestehen jeweils aus einer Bindegewebsplatte, die beidseitig von einem einschichtigen
Plattenepithel, dem Endokard (Herzinnenhaut) überzogen ist. Sie haben die Form von
dreieckigen Segeln. An der dem Vorhof zugewandten Seite sind sie glatt, von ihrer dem
Ventrikel zugewandten Unterseite und ihren freien Rändern entspringen bindegewebige
Sehnenfäden, die zu den kräftigen Papillarmuskeln ziehen. Während der Systole
kontrahieren und verkürzen sich die Papillarmuskel und spannen die Sehnenfäden.
Dadurch wird ein Zurückschlagen der Segel in die Vorhöfe während der Systole
verhindert.
Wegen ihrer Lage zwischen Vorhof und Kammer werden die Segelklappen auch Atrio Ventricular -Klappen oder kurz AV-Klappen genannt.
Zwischen rechtem Vorhof und rechter Kammer liegt eine „dreizipfelige“ Segelklappe, die
Tricudpidalklappe; zwischen linkem Vorhof und linker Kammer liegt die „zweizipfelige“
Bikuspidalklappe oder Mitralklappe (Mitralis).
- 57 -
8.2.7
Taschenklappen
Taschenklappen findet man einerseits zwischen der rechten Kammer und der
Lungenschlagader andererseits zwischen linker Kammer und Aorta.
Sie bestehen aus jeweils drei bogenförmigen Taschen, die wiederum an einem
Bindegewebsring befestigt sind. Sie öffnen sich während der Austreibungsphase der
Kammern, also während der Systole! Am Ende der Austreibungsphase fließt das Blut
zurück in Richtung Kammern. Dabei füllen sich jedoch diese Taschen mit Blut, blähen sich
auf und ihre Ränder verschließen die Gefäßöffnung.
Alle vier Klappen sind in einer Ebene an einem bindegewebigen Ring befestigt, der
Ventilebene oder dem Herzskelett.
Klinik: Herzklappen können krankhaft verändert sein. Diese Klappenfehler können
angeboren oder erworben (entzündlich, rheumatisch) sein. Man unterscheidet
Verengungen (Stenosen), die ein Öffnen der Klappen erschweren und Veränderungen, bei
denen die Klappen nicht mehr richtig schließen (Insuffizienz). Es kommen auch
kombinierte Defekte vor.
8.3
Feinbau des Herzens
Die Wand des Herzens besteht aus 3 Schichten, welche eng einander aufliegen. Innen liegt
das Endokard, dem schließt sich das Myokard an und außen ist es von einer serösenHaut,
dem Epikard bedeckt, das dem visceralen Blatt des Herzbeutels entspricht.
Visceral: die Eingeweide betreffend (viscerales Blatt: gehört dem Organ an)
Parietal: seitlich wandständig (parietales Blatt: liegt außen, kleidet die seröse Höhle aus, in
der das Organ liegt).
8.3.1
Herzinnenhaut - Endokard
Als Fortsetzung der Tunica intima, der zarten Endothelauskleidung der Gefäße, kleidet das
Endokard die innere Oberfläche der Herzräume aus und überzieht auch die Herzklappen.
Es besteht aus einer Schicht platter Endothelzellen, die einer bindegewebigen
Basalmembran aufsitzen. Es kleidet als innerste Schicht alle Herzräume aus, wobei sie in
den Vorhöfen dicker ausgebildet ist als in den Kammern. Diese zarte glatte Schicht soll
verhindern, dass sich Blutplättchen anlagern und beugen so der Thrombenentstehung vor.
8.3.2
Herzmuskelschicht - Myokard
Die quergestreifte Herzmuskulatur entspringt und setzt am Herzskelett auch wieder an.
Sie verläuft in mehreren Schichten, die zum Teil schräg oder längs angeordnet sind.
Das Myokard stellt die Arbeitsmuskulatur des Herzens dar im Gegensatz zur Muskulatur
des Reizleitungssystems, das den Herzschlag steuert.
Die Vorhofmuskulatur ist sehr dünn, da die Entleerung der Vorhöfe zum großen Teil passiv
durch die Sogwirkung der Ventrikel in der Diastole erfolgt. Sie entspringt in zwei Schichten
vom Bindegeweben Herzskelett und zieht in mehrere Richtungen über die beiden Vorhöfe.
Die Kammermuskulatur besteht aus drei Muskelschichten. Die äußere Schicht verläuft
schräg, wie eine Spirale bis zur Herzspitze, senkt sich dort in die Tiefe und verläuft als
- 58 -
innerste Schicht wieder zum Herzskelett zurück. Die mittlere Schicht ist eher ringförmig für
jeden Ventrikel selbständig angeordnet und links, wegen des großen Widerstandes im
Körperkreislauf, deutlich stärker ausgebildet als rechts.
8.3.3
Herzaußenhaut - Epikard
Das Epikard überzieht als seröse Haut die Außenfläche des gesamten Herzens und stellt
gleichzeitig das viszerale Blatt des Herzbeutels dar.
Es sitzt dem Myocard mittels einer fibroelastischen Membran auf, eingelagerte
Fettpölsterchen runden die Form des Herzens ab.
8.3.4 Herzbeutel - Perikard
Der Herzbeutel besteht aus zwei Blättern, die durch einen dünnen mit wenig seröser
Flüssigkeit gefüllten Spalt voneinander getrennt sind. Das innere seröse Blatt des
Herzbeutels entspricht dem Epikard; es ist das viszerale Blatt des Herzbeutels. Es wird von
einer glatten einschichtigen Zellschicht gebildet und gibt eine seröse (dünnflüssige)
Flüssigkeit in den Spalt ab. Dadurch wird ein reibungsfreies Gleiten des Herzens während
der Herzaktionen ermöglicht.
Das äußere fibröse Blatt des Herzbeutels besteht aus kollagenen und elastischen
Bindegewebsfasern. Der Herzbeutel ist teilweise mit seiner Umgebung verwachsen, er
schützt das Herz vor Überdehnung und stellt eine Barriere gegen Entzündungen von außen
dar.
Viszeral: die Eingeweide betreffend (viszerales Blatt: gehört dem Organ an)
Parietal: seitlich wandständig (parietales Blatt: außen liegend)
Das viszerale Blatt des Herzbeutels (Epikard) setzt sich auf den Ursprungsteil der großen
Gefäße (Aorta, Truncus pulmonalis, V. cava superior und inferior) fort und schlägt hier in
das parietale Blatt des Herzbeutels um. So entsteht ein vollkommen geschlossener Spalt
zwischen den beiden Blättern.
8.4
Gefäßversorgung des Herzens
Die Herzkranzarterien, Aa. coronariae, versorgen den Herzmuskel mit arteriellem Blut und
führen ihm Sauerstoff und Nährstoffe zu. Sie entspringen aus der Aorta, unmittelbar nach
ihrem Ursprung aus dem linken Ventrikel. Man unterscheidet zwei Herzkranzarterien, eine
rechte A. coronaria dextra und eine linke A. coronaria sinistra, die sich sehr individuell
aufteilen und den Herzmuskel optimal mit Sauerstoff versorgen. Die rechte
Herzkranzarterie zieht zwischen rechtem Vorhof und rechtem Ventrikel zur Hinterseite des
Herzens und wendet sich zwischen den beiden Ventrikeln in Richtung Herzspitze. Die linke
Herzkranzarterie entsendet einen Ast an der Vorderseite des Herzens zwischen die beiden
Ventrikel zu Herzspitze und verläuft als Ramus circumflexus zwischen linkem Vorhof und
Ventrikel zur Herzhinterseite.
Ring-Schleifen-Modell: Die Herzkranzarterien bilden einen horizontalen und einen
vertikalen Ring um das Herz um eine optimale Blutversorgung zu ermöglichen. Ein
- 59 -
Gefäßring läuft im Sulcus coronarius zwischen Vorhöfen und Ventrikel, gebildet von der A.
coronaria dextra und dem Ramus circumflexus der A. coronaria sinistra.
Eine Schleife steht dazu senkrecht und verläuft im Sulcus interventricularis anterior und
posterior. Beide Ringe treffen sich an der hinteren Fläche des Herzens.
Die Koronararterien sind Endarterien, sie bilden untereinander keine Anastomosen
(Verbindungsgefäße).
Die Koronarvenen laufen mit den Arterien gemeinsam, ihr Blut fließt in den an der
Herzhinterseite liegenden Sinus coronarius ab, welcher in den rechten Vorhof mündet.
8.5
Herzzyklus
Die normale Herzaktion besteht aus einem periodisch ablaufenden zweiphasigen Zyklus.
Während der Kammersystole kontrahieren sich die Ventrikel und werfen den Großteil ihres
Blutes in die großen Arterien aus (Aorta, Truncus pulmonalis). In der Diastole erschlaffen
die Ventrikel und füllen sich mit Blut aus den Vorhöfen. Dieser Vorgang wiederholt sich
beim gesunden Herzen in Ruhe etwa 70-mal pro Minute. Sowohl in der Systole als auch in
der Diastole sind verschiedene Phasen unterscheidbar.
Während die Kammern ihre Systole durchlaufen, befinden sich die Vorhöfe in deren
Diastole und umgekehrt.
8.5.1
Kammersystole
Zu Beginn der Systole sind die Taschenklappen noch geschlossen, die Segelklappen
schließen sich. Es sind also kurz zu Beginn der Systole alle Klappen geschlossen.
Dann erfolgt die Anspannungsphase: Der Herzmuskel kontrahiert sich und erhöht den
Druck auf die mit Blut gefüllten Ventrikel, bis der Druck in den Ventrikeln den Druck in der
Aorta und im Truncus pulmonalis überschreitet. Dadurch öffnen sich schlagartig die
Taschenklappen und die Austreibungsphase beginnt.
Austreibungsphase: je 70ml Blut werden in die Aorta und in den Truncus pulmonalis als so
genanntes Schlagvolumen ausgestoßen. Dadurch sinkt der ventrikuläre Druck gegen Ende
der Systole unter den Druck, welcher in Aorta und Lungenarterien herrscht und die
Taschenklappen schließen sich, weil das in Richtung Ventrikel zurückfließende Blut die
Täschchen bläht.
8.5.2
Kammerdiastole:
Am Ende der Systole sind wiederum alle Klappen geschlossen. Während der Diastole
entspannen sich die Ventrikel wieder und das Blut strömt aus den vollen Vorhöfen in die
Ventrikel.
Entpannungsphase: In dieser Phase sind alle Herzklappen geschlossen, die Ventrikel
entspannen und weiten sich und der Ventrikeldruck fällt zunehmend unter den Druck der
gefüllten Vorhöfe ab.
Füllungsphase: Durch den Druckunterschied zwischen Vorhöfen und Kammern öffnen sich
die AV-Klappen in Richtung der Ventrikel und das Blut aus den Vorhöfen strömt in die
Ventrikel, bis die vollen Ventrikel wieder ein Schließen der AV – Klappen bewirken.
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Die Herzklappen öffnen und schließen rein passiv durch die Druckunterschiede in den
einzelnen Herzräumen. Die Papillarmuskel verhindern ein Durchschlagen der AV-Klappen
in die Vorhöfe während der Systole.
8.6
Erregungsbildung, Erregungsleitung
Isoliert man das Herz, so schlägt es eine Zeit lang auch außerhalb des Organismus weiter.
Das beweist, dass die rhythmischen Kontraktionen dem Herzen nicht von außen
aufgezwungen werden, sondern dass die Erregungsbildung im Herzen selbst stattfindet.
Dieses Verhalten bezeichnet man als Automatie oder Autorhythmie des Herzens.
Betrachtet man den Erregungsablauf des Herzens, dann erkennt man, dass sich die
Vorhöfe stets vor den Kammern kontrahieren, die Erregung breitet sich also von den
Vorhöfen auf die Kammern aus. Das hat den Sinn, dass die Kammern erst kontrahieren,
wenn die Vorhöfe bereits vollständig ihr Blut in die Ventrikel entleert haben. Die
Erregungsbildung - und leitung erfolgt in einem System spezifischer Muskelzellen, das aus
mehreren Strukturen besteht. Von diesen speziellen Muskelzellen unterscheidet man die
Arbeitsmuskulatur des Herzens, dem eigentlichen Herzmuskel. Die Zellen des ELS
depolarisieren wesentlich schneller als die Zellen der Arbeitsmuskulatur, d.h. die Erregung
wird wesentlich schneller weitergeleitet und dadurch der gesamte Herzmuskel in sehr
kurzer Zeit erregt.
8.6.1
Eregungsleitungssystem
Das ELS setzt sich aus folgenden Strukturen zusammen:
Sinusknoten: er liegt in der Wand des rechten Vorhofs an der Mündung der V. cava
superior. Er ist der primäre Schrittmacher des Herzens und erzeugt beim gesunden
Erwachsenen in Ruhe 60-90 Erregungen pro Minute. Die Erregung breitet sich dann über
das gesamte VH-Myokard aus und gelangt zum
AV-Knoten: dieser liegt im Bereich des Septums des rechten Vorhofs. Er verzögert die
Weiterleitung der Erregung etwas, damit die Füllung der Kammern abgeschlossen werden
kann bevor der Ventrikel mit der Systole beginnt. Er kann bei Ausfall des Sinusknotens als
sekundärer Schrittmacher die Schrittmacherfunktion mit einer Frequenz von 40-60
Schlägen pro Minute übernehmen. Er leitet die Erregung weiter an das
His-Bündel: dieses kurze Faserbündel läuft vom Boden des rechten Vorhofs zum
Kammerseptum, wo es sich in zwei Schenkel aufteilt. Es durchbricht also die
Klappenebene.
Rechter und linker Kammerschenkel, Tawaraschenkel: Sie laufen entlang des
Kammerseptums Richtung Herzspitze und zweigen sich am Ende fächerförmig auf, um die
Papillarmuskel und das Kammermyokard zu erregen. Seine Endaufzweigungen bezeichnet
man als Purkinje-Fasern
Die Erregung des Herzmuskels hat seine nachfolgende Kontraktion zum Zweck. Es kann
allerdings zu verschiedenen Störungen im Bereich dieses Reizleitungssystems kommen.
Die normale und auch die pathologische Herzfunktion kann man mittels EKG sichtbar
machen.
Auskultation: darunter versteht man das Abhorchen der Herzaktionen mittels
Stethoskops.
- 61 -
8.6.2 Herzleistung
Die physiologische Herzfrequenz eines Erwachsenen beträgt in Ruhe etwa 70 Schläge/
min., das Schlagvolumen etwa 70 ml/ Herzaktion. Aus diesen beiden Parametern lässt sich
das Herz - Zeit - Volumen (Herz – Minuten – Volumen) berechnen.
Herz- Zeit- Volumen:
Herz- Minuten- Volumen:
also rund 5 Liter /Minute
Schlagvolumen X Schlagfrequenz
70 ml
X 70 Schläge/min
=
4900 ml/min,
Die Herzleistung kann durch Erhöhung der Herzfrequenz und Erhöhung des
Schlagvolumens deutlich gesteigert werden, bis zu 30l/min.
Die Herzfrequenz eines Neugeborenen ist deutlich höher als die des Erwachsenen und
liegt bei durchschnittlich 120 Schlägen/min.
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9
KREISLAUF - UND GEFÄSSSYSTEM
Die Blutgefäße bilden zusammen mit dem Herzen das Herz,- Kreislaufsystem oder das
kardiovaskuläre System.
Es ist ein in sich geschlossenes System in dem Sauerstoff - O2 und Nährstoffe zu den
Geweben und Kohlendioxid - CO2 und Stoffwechselendprodukte aus den Geweben
abtransportiert werden. Es ist in erster linie ein wichtiges Transportsystem.
Der Kreislauf besteht aus zwei Abschnitten, dem großen Kreislauf oder Körperkreislauf und
dem kleinen oder Lungenkreislauf. Der Körperkreislauf hat die Aufgabe Nährstoffe und
Sauerstoff zu den Geweben aller Organe zu transportieren und Kohlendioxid und
Stoffwechselendprodukte abzutransportieren. Er beginnt in der linken Kammer und endet
im rechten Vorhof. Aus dem linken Ventrikel geht die große Körperschlagader, die Aorta,
ab. Entlang ihres Verlaufes gibt sie zahlreiche große Arterien zu ihren Versorgungsgebieten
im Körper ab. Diese Arterien verzweigen sich in immer kleinere Arterien und Arteriolen und
schließlich in unzählige kleinste arterielle Kapillaren, die den Stoffaustausch in den
Geweben ermöglichen. Dort sammelt sich das „verbrauchte“ Blut aus den Geweben
wiederum in den venösen Kapillarschenkeln und fließt in immer größer werdenden
Venolen und Venen zum Herzen zurück.
Körperkreislauf: Linker Ventrikel --> Aorta --> Arterien --> Arteriolen --> arterieller
Kapillarschenkel --> venöser Kapillarschenkel --> Venolen --> Venen --> V. cava superior et
inferior (obere und untere Hohlvene) --> rechter Vorhof.
Die Aufgabe des Lungenkreislaufs ist das O2 und CO2 Austausch in der Lunge. Er beginnt
in der rechten Kammer und endet im linken Vorhof.
Lungenkreislauf: Rechter Ventrikel --> Truncus pulmonalis --> 2 Lungenarterien -->
Lungenarteriolen --> Lungenkapillaren --> Lungenvenolen --> 4 Lungenvenen --> linker
Vorhof.
MERKE!!!!
Arterien sind Gefäße, die vom Herzen wegführen und sauerstoffreiches Blut
transportieren.
Ausnahme: Lungenarterien, Nabelschnurarterien
Venen sind Gefäße, die zum Herzen führen und sauerstoffarmes Blut transportieren.
Ausnahme: Lungenvenen, Nabelschnurvene
- 63 -
9.1
Arterien und Arteriolen
Die Wand der Arterien – und auch der Venen - sind aus drei Schichten aufgebaut.
Tunica interna oder Intima: ist die innerste der drei Schichten; auf einer elastischen
Membran liegt eine zarte Bindegewebsschicht, darauf eine Schichte platter
Endothelzellen.
Bei Kapillaren liegen die Endothelzellen direkt einer dünnen Basalmembran auf. Zwischen
den Endothelzellen findet man je nach Organ mehr oder weniger durchlässige Poren.
Tunica media oder Media: besteht aus elastischen Fasern und Muskulatur.
Die elastischen Fasern kommen hauptsächlich in den größeren herznahen Arterien vor; sie
dienen der Anpassung des Gefäßdurchmessers an die Druckunterschiede während der
Systole und der Diastole und dem Transport der Blutsäule (Windkesselfunktion). In den
kleineren herzfernen Arterien überwiegen die Muskelfasern. Diese Gefäße regulieren
durch ihr Weiter - oder Engerstellen die Organdurchblutung.
Tunica externa oder Adventitia: besteht aus Bindegewebe und elastischen Fasern. Sie
stellt die Verbindung der Gefäße zur Umgebung dar und baut die Gefäße verschieblich in
umgebendes Bindegewebe ein.
9.2
Kapillaren
Kapillaren sind die mikroskopisch kleinsten Aufzweigungen der Gefäße, sie haben wegen
ihrer großen Zahl den größten Gesamtdurchmesser aller Gefäße. Wir unterscheiden einen
arteriellen und einen venösen Kapillarschenkel, die fließend inneinander übergehen.
Trotz des geringen Einzeldurchmessers ist wegen des hohen Gesamtquerschnittes die
Strömungsgeschwindigkeit in den Kapillaren sehr gering. Deshalb und durch die
Durchlässigkeit der Kapillarwände kommt es in den Kapillarstromgebieten zu einem regen
Stoffaustausch zwischen Blut und Gewebe.
Gewebe mit hoher Stoffwechselaktivität sind reich an Kapillaren: Niere, Leber, Muskel.
Gewebe mit niederer Stoffwechselaktivität sind arm an Kapillaren: Bindegewebe, Knochen
Manche Gewebe sind frei von Kapillaren: Knorpel, Augenlinse, Hornhaut des Auges
Im Bereich der Kapillaren kommt es zum Stoffaustausch zwischen dem Blut und dem
Gewebe; Sauerstoff, CO2 und Nährstoffe werden ausgetauscht.
Für die Vorgänge der Filtration und der Reabsorption müssen einige physikalische
Vorgänge erklärt werden. Einerseits spielen die unterschiedlichen Druckverhältnisse
innerhalb der Kapillare und des sie umgebenden Gewebes, andererseits die Konzen
trationsunterschiede der Atemgase und anderer Stoffe eine wesentliche Rolle, um diese
Vorgänge überhaupt möglich zu machen. Stoffe werden immer vom Ort höherer
Konzentration zum Ort niedrigerer Konzentration wandern, wenn sie die Kapillarwand, die
sie trennt, passieren können.
Zuerst müssen die unterschiedlichen Drucke, der hydrostatische und der
kolloidosmotische Druck, erläutert werden.
Der hydrostatische Druck wird durch das Gewicht einer Wassersäule (Flüssigkeitssäule)
- 64 -
erzeugt. Beim Tauchen wird er einem schnell bewusst. Kurz unterhalb der
Wasseroberfläche ist er kaum spürbar, in wenigen Metern Tiefe nimmt man das Gewicht
des Wassers schon deutlich wahr.
In den Kapillaren ist dieser Druck beim stehenden Menschen in den Beinen natürlich am
höchsten. Er wird aber in allen Gefäßen durch den Blutdruck, den die Blutsäule auf die
Gefäßwände erzeugt, bewirkt. Durch die physiologische Leistung des Herzens ist er in den
Arterien und im arteriellen Kapillarschenkel wesentlich höher als im Venensystem.
Der hydrostatische Druck in den Gefäßen bewirkt, dass Flüssigkeit und gelöste Stoffe, die
klein genug sind, um durch die Poren der Kapillaren durchtreten zu können, aus dem
Kapillarblut in das umgebende Gewebe gedrückt werden.
Ein osmotischer (onkotischer) Druck wird erzeugt, wenn eine konzentrierte Lösung und
eine weniger konzentrierte Lösung durch eine halbdurchlässige (semipermeable)
Membran voneinander getrennt sind, die gelösten Teilchen aber aufgrund ihrer Größe die
Membran nicht überwinden können. Ist dies der Fall, wird Flüssigkeit aus der wenig
konzentrierten Lösung in die höher konzentrierte Lösung strömen, bis ein
Konzentrationsgleichgewicht erreicht ist, also bis gleich viele Teilchen pro Volumeneinheit
Flüssigkeit vorhanden sind. Zum Beispiel drei Teilchen in einem Liter Wasser und sechs
Teilchen in zwei Litern Wasser. Das Verhältnis von 3:1 ist dann auf beiden Seiten dasselbe.
Im Blut entsprechen diese Teilchen, die die Membran (Kapillarwand) nicht passieren
können, den Blutzellen und den größeren Eiweißen, vor allem den Albuminen. Da Eiweiße
auch Kolloide genannt werden, heißt dieser osmotische Druck, der die Flüssigkeit wieder
in die konzentriertere Lösung, also zurück in das Blut des venösen Kapillarschenkels
„zieht“, kolloidosmotischer Druck.
9.2.1. Filtration
Die Filtration ist jener Vorgang, der bewirken soll, dass Flüssigkeit mit O2 und Nährstoffen
aus dem Kapillarblut in das Gewebe und zu den Zellen gelangt.
Dieser Vorgang läuft im arteriellen Kapillarschenkel ab. In diesem Gefäßabschnitt herrscht
ein höherer hydrostatischer Druck (Blutdruck) als im umliegenden Gewebe, zusätzlich ist
die Konzentration an Sauerstoff und Nährstoffen höher als im Gewebe.
Der höhere hydrostatische Druck presst Flüssigkeit mit O2 und den Bestandteilen, die
durch die Poren der Kapillaren durchtreten können, aus dem Blut ins Gewebe. Die größeren
Blutbestandteile, wie Blutzellen und größere Eiweiße (Kolloide), können nicht durchtreten
und bleiben im Blut zurück. Es bleibt also eine höher konzentrierte Flüssigkeit in den
Kapillaren zurück, die nun weiter in den venösen Kapillarschenkel fließt.
MERKE!!! Das Ziel der Filtration ist es, Flüssigkeit mit Sauerstoff und Nährstoffen aus dem
Blut ins Gewebe zu befördern. Dieser Vorgang läuft im arteriellen Kapillarschenkel ab.
9.2.2. Reabsorption
Nun ist also das „eingedickte“ Blut im venösen Kapillarschenkel angekommen. Die hohe
Konzentration an Eiweißen im venösen Kapillarblut erzeugt einen höheren
kolloidosmotischen Druck innerhalb der Kapillare als im umgebenden Gewebe. Dieser
- 65 -
bewirkt ein Einströmen von Flüssigkeit aus dem Gewebe ins Blutgefäß und da die
Konzentration von CO2 und Abbauprodukten im Gewebe nun sehr hoch ist, strömen mit
der Flüssigkeit auch diese Stoffe wieder zurück ins Blut und können „entsorgt“ werden.
Jene Flüssigkeit, die im Gewebe verblieben ist, bezeichnet man als Lymphflüssigkeit.
Sie wird über Lymphgefäße zurück ins Blut transportiert.
MERKE!! Das Ziel der Reabsorption ist es, Flüssigkeit mit CO2 und Abbauprodukten aus den
Geweben ins Blut zu befördern und abzutransportieren. Dieser Vorgang läuft im venösen
Kapillarschenkel ab.
9.2.1
Ödeme
Ödeme sind Flüssigkeitsansammlungen im Gewebe, wenn mehr Flüssigkeit in das Gewebe
abgegeben wird als resorbiert werden kann. Ursache kann entweder ein zu hoher
hydrostatischer Druck oder ein zu geringer kolloidosmotischer Druck in den Kapillaren sein.
Bei der Herzinsuffizienz wird durch die verminderte Pumpleistung des Herzens das Blut in
die Peripherie zurückgestaut und der hydrostatische Druck im venösen System steigt an.
Dadurch wird nicht genügend Flüssigkeit aus den Geweben abtransportiert.
Bei Eiweißmangel kommt es durch das Absinken der Eiweißkonzentration im Blut
(zB.Hunger, Leberzirrhose) zu einem geringeren kolloidosmotischen Druck in den Gefäßen;
Flüssigkeit sammelt dadurch sich im Gewebe an.
9.3
Venen und Venolen
Die Venolen sammeln das Blut aus dem Kapillarstromgebiet und bringen es über immer
größere Venen zum Herzen zurück. In der Peripherie begleiten sie die Arterien paarig, die
größeren Venen kommen einzeln vor und zeigen einen von den Arterien unabhängigen
Verlauf.
Grundsätzlich entspricht der Aufbau der Venenwand dem der Arterien, die Venenwand ist
aber wesentlich dünner und dadurch dehnbarer.
Im Venensystem befindet sich etwa 2/3 des gesamten Blutvolumens, weshalb sie als
Kapazitätsgefäße bezeichnet werden. Dies macht man sich bei kollabierten Patienten zu
Nutze, indem man sie flach auf dem Boden liegend mit angehobenen Beinen lagert. So
fließt wieder mehr Blut aus den Beinvenen zum Herzen zurück.
Um den Rückstrom des Blutes zum Herzen zu gewährleisten, besitzen die kleinen und
mittleren Venen Taschenklappen, zusätzlich wirkt die so genannte Muskelpumpe. Die
Klappen werden vom Endothel gebildet und öffnen sich herzwärts. Bei Füllung von „oben“
wölben sich die Taschen der Klappen und verschließen das Venenlumen, um ein
Zurückfließen des Blutes in die Peripherie zu verhindern. Unterstützend wirkt die sog.
Muskelpumpe; durch Kontraktion der Skelettmuskulatur werden die Venen komprimiert
und das Blut in Richtung Herz gepresst.
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An den Beinen findet man drei Venentypen:
Oberflächliche Venen liegen direkt unter der Haut.
Tiefe Beinvenen laufen in der Muskulatur und transportieren das Blut zum Herzen.
Perforansvenen stellen die Verbindung zwischen oberflächlichen und tiefen Beinvenen dar
und transportieren das Blut aus den oberflächlichen zu den tiefen Beinvenen.
Bei langem Stehen überwiegt die Filtration gegenüber der Reabsorption, es entstehen
Ödeme, die beim Gehen wieder verschwinden sollten.
Lässt die Elastizität in den Venen nach oder kommt es zu anderen Schädigungen der
Venenwand kann es zum Auftreten verschiedener Krankheitsbilder, wie einer
Venenklappeninsuffizienz und Varizen oder einer Venenthrombose kommen.
- 67 -
10 DAS ATMUNGSSYSTEM – RESPIRATORISCHES SYSTEM
Das Atmungssystem wird in die oberen Atemwege, das sind Nase, Nasennebenhöhlen und
Rachen und in die unteren Atemwege, wie Kehlkopf, Luftröhre, Bronchien und Lunge
unterteilt. Die Atemorgane dienen dem Austausch von Sauerstoff (O2) und Kohlendioxid
(CO2) zwischen dem Blut und der Luft. Dieser Vorgang wird äußere Atmung genannt. Als
innere Atmung hingegen bezeichnet man die Verbrennung von Glukose
zur
Energiegewinnung unter Verbrauch von Sauerstoff in den Körperzellen (ATP Gewinnung
im Zitronensäurezyklus).
10.1 Nase
Die Nase lässt sich in die äußere Nase, die aus einem knöchernen und einem knorpeligen
Anteil besteht, und in die paarig angelegte, im Schädel liegende Nasenhöhle (Cavitas nasi)
unterteilen. An ihrer Innenseite ist sie mit einer speziellen Schleimhaut ausgekleidet.
Die äußere Nase verleiht dem menschlichen Gesicht sein charakteristisches Profil. Sie
besteht aus einem knöchernen und einem knorpeligen Anteil.
Der knöcherne Anteil der äußeren Nase bwird von aus den beiden Nasenbeinen (Os nasale)
und dem Stirnfortsatz des Oberkiefers geformt.
Der knorpelige Anteil, also die Nasenflügel, Nasenspitze, Teile des Nasenrückens und des
Nasenseptums besteht aus Knorpel. Die paarige Nasenhöhle liegt unter der vorderen
Schädelgrube. Ihren vorderen Abschnitt bezeichnet man als Nasenvorraum. Sie hat die
Form einer Pyramide, deren Dach von den Nasenbeinen, dem Stirnbein und dem Siebbein
und deren Boden vom Gaumen gebildet wird. Nach vorne unten öffnet sich die Nasenhöhle
durch die Nasenlöcher nach außen, hinten durch die sog. Choanen in den Rachen. Die
Nasenscheidewand, das Septum nasi, die ebenfalls aus einem vorderen knorpeligen und
einem hinteren knöchernen Anteil besteht, teilt die Nasenhöhle in zwei mehr oder minder
gleiche Hälften. In die Nasenhöhle münden der Tränennasengang aus der Tränendrüse und
die Nasennebenhöhlen.
10.1.1 Nasenschleimhaut
Das mehrschichtige Plattenepithel des Nasenvorhofs geht in das respiratorische Epithel
der Nasenhöhle über. Die Nasenschleimhaut dient hauptsächlich der Erwärmung, der
Befeuchtung und der Reinigung der Atemluft. Dafür hat sie verschiedene Einrichtungen:
ein mehrreihiges hochprismatisches Flimmerepithel mit Flimmerhärchen, befördert
Schmutzpartikel in den Rachen, Becherzellen und seromuköse Drüsen befeuchten die
Atemluft, ein ausgedehntes Venengeflecht unterhalb der Schleimhaut dient der
Erwärmung der Atemluft.
An der oberen Nasenmuschel und dem angrenzenden Septumbereich liegt die gelbliche
Riechschleimhaut, die die Rezeptoren für den Riechnerv bilden, ihre Fortsätze ziehen durch
das Siebbein zum Gehirn.
- 68 -
10.2 Nasennebenhöhlen
Die Nasennebenhöhlen gehören zusammen mit dem Mittelohr zu den pneumatischen
(luftgefüllten) Räumen des Schädels. Sie sind in der Regel paarig angelegt und zu ihnen
gehören:
Sinus maxillaris (Kieferhöhle), Sinus frontalis (Stirnhöhle), Cellulae ethmoidales
(Siebbeinzellen), Sinus sphenoidalis (Keilbeinhöhle).
Über ihre Funktion gibt es unterschiedliche Meinungen, einige seien hier angeführt:
Reduktion des Schädelgewichtes
Resonanzräume für die Stimme
Erwärmung und Anfeuchtung der Atemluft
Die Nasenschleimhaut setzt sich in die Nasennebenhöhlen fort, bei Entzündungen sind sie
häufig im Sinne einer Sinusitis (Nebenhöhlenentzündung) mitbeteiligt.
Die Nasennebenhöhlen stehen durch kleine Öffnungen mit der Nasenhöhle in Verbindung;
auch der Tränengang mündet in die Nasenhöhle. Dadurch können Sekrete durch die Nase
abfließen, aber eben auch Entzündungen der Nasenschleimhaut auf die
Nasennebenhöhlen übergreifen.
10.3 Rachen - Pharynx
Dem Pharynx, Rachen oder Schlund ist ein Muskelschlauch, der vor der Halswirbelsäule
liegt und in Längsrichtung von der Schädelbasis bis zum 6. Halswirbel reicht; dort geht er
in den Oesophagus, die Speiseröhre und nach vorne in den kehlkopf (Larynx) über. Er ist
etwa 12-15 cm lang und hat breite Verbindungen zur vor ihm liegenden Nasenhöhle, zur
Mundhöhle und zum Kehlkopfeingang. Der wird dementsprechend in drei Etagen
unterteilt:
Nasopharynx (Pars nasalis pharyngis): Er reicht von der Schädelbasis bis zum weichen
Gaumen und steht über die Choanen mit der Nasenhöhle in Verbindung. In diesen Teil
mündet die Ohrtrompete oder Tuba auditiva, eine Verbindung zum Mittelohr. Die
Ohrtrompete dient dem Druckausgleich zwischen Mittelohr und Rachen. Zusätzlich
befindet sich im oberen Pharynxbereich die Rachenmandel – Tonsilla pharyngea.
Oropharynx (Pars oralis pharyngis): Die Pars oralis pharyngis ist der mittlere
Rachenabschnitt, er reicht vom weichen Gaumen bis zum Oberrand des Kehldeckels.
Er ist über die Schlundenge, den Isthmus faucium, mit der Mundhöhle offen verbunden.
Seitlich befinden sich die Gaumenmandeln, die zusammen mit den Rachenmandeln und
den Seitensträngen der Infektabwehr dienen (lymphatisches Gewebe). Gemeinsam
werden die mandeln als lymphatischer Waldeyerscher Rachenring bezeichnet.
Laryngopharynx (Pars laryngea pharyngis): Dies ist der untere Pharynxabschnitt, vom
Oberrand des Kehldeckels bis zum Ringknorpel reichend, der in die Luftröhre übergeht. Er
ist der längste der drei Abschnitte.
10.3.1 Funktion
Im Pharynx überkreuzen sich Luft - und Speiseweg. Der vordere Abschnitt geht in die
Luftröhre über, der hintere mündet in den Oesophagus. Im Pharynx wird der Speisebrei
- 69 -
aus der Mundhöhle in die Speiseröhre transportiert. Beim Schlucken legt sich der
Kehldeckel über den Kehlkopfeingang und verschließt ihn. Der Speisebrei gelangt so in die
hinter der Luftröhre liegende Speiseröhre.
Beim Atmen steht der Kehldeckel nach hinten oben und gibt so den Weg für die Atemluft
in den Kehlkopf frei.
10.4 Kehlkopf - Larynx
Der Kehlkopf liegt unterhalb des Zungenbeines in Höhe des 5. und 6. Halswirbels.
Das Kehlkopfskelett besteht aus mehreren Knorpeln, die zum Teil gelenkig miteinander
verbunden sind und geringe Dreh - und Kippbewegungen gegeneinander ausführen
können. Schild-, Ring- und Stellknorpel bestehen aus festem hyalinem Knorpel, damit sie
beim Atmen ihre Form behalten; der Kehldeckel hingegen besteht aus elastischem
Knorpel, um sich dem Kehlkopfeingang beim Schlucken besser anschmiegen zu können.
Schildknorpel: Er besteht aus zwei nahezu rechteckigen Platten, die in unterschiedlichem
Winkel vorne aneinanderstoßen. Dieser Vorsprung wird beim Mann Adamsapfel genannt.
Der hintere Rand läuft in jeweils zwei langen oberen und kürzeren unteren Hörnern aus.
Die Unterhörner bilden eine gelenkige Verbindung mit dem darunter liegenden
Ringknorpel.
Ringknorpel: Er ähnelt einem Siegelring, dessen Bogen nach vorne und dessen "Siegel"
nach hinten zeigt. Er ist caudal mit der Luftröhre verbunden und hat gelenkige
Verbindungen zum Schildknorpel und zu den Stellknorpeln.
Stellknorpel: Die beiden Stellknorpel sind pyramidenförmige hyaline Knorpel, an deren
ventralen Spitzen die Stimmbänder ansetzen. Sie sind beweglich und bestimmen so die
Spannung der Stimmbänder.
Kehldeckel, Epiglottis: Die Epiglottis ist ein blattförmiger elastischer Knorpel mit nach
caudal gerichtetem Stiel. Sie ist an der Rückfläche des Schildknorpels befestigt und
verschließt beim Schluckakt den Kehlkopfeingang.
Diese Knorpel sind untereinander durch zahlreiche Bänder und Muskel verbunden und an
ihrer Innenseite wieder von Schleimhaut ausgekleidet, die die Atemluft reinigt, befeuchtet
und erwärmt.
10.4.1 Funktion des Kehlkopfes
Die Hauptaufgaben des Kehlkopfes sind der Verschluss der tiefen Atemwege beim
Schlucken und die Stimmbildung (Phonation). Im darüber liegenden Rachen kreuzt der
Speiseweg den Atemweg. Beim Schlucken wird der Luftweg durch den Kehldeckel
(Epiglottis) verschlossen und die Nahrung gelangt in die Speiseröhre (Oesophagus). Beim
Atmen führt der Luftweg über die Stimmritze, die unterschiedlich weit geöffnet werden
kann, in die Trachea; bei der Lauterzeugung wird der Luftstrom durch die verengte
Stimmritze gepresst und die Stimmbänder in Schwingung versetzt; das ist entscheidend
für die Stimmbildung.
- 70 -
10.5 Luftröhre - Trachea
Die Luftröhre erstreckt sich mit einer Länge von etwa 12cm vom Ringknorpel bis zu ihrer
Aufteilungsstelle in die beiden Hauptbronchienin Höhe des 4. Brustwirbelkörpers. Dorsal
grenzt sie an den Oesophagus, ventral wird sie vom Aortenbogen überkreuzt.
Aufbau: Vorder - und Seitenwand der Luftröhre sind aus 16-20 hufeisenförmigen
Knorpelspangen aufgebaut, die dorsal durch glatte Muskulatur und Bindegewebe zu
einem Ring geschlossen werden. Zwischen den Knorpelspangen finden sich elastische
Bänder, die eine Dehnung der Luftröhre bis 25% in Längsrichtung während der Atmung
ermöglichen. Ihr Durchmesser beträgt etwa 15-20mm.
Die Schleimhaut der Luftröhre ist aus mehrreihigem Flimmerepithel und Schleim
produzierenden Becherzellen aufgebaut. Die Flimmerhärchen befördern Schleim und
Staubpartikel rachenwärts.
Mit ihrer Umgebung steht die Luftröhre durch eine lockere Adventitia in Verbindung.
Klinik: Bei Rauchern verkleben die Flimmerhärchen und Schadstoffe können dadurch in
tiefere Bronchialabschnitte gelangen.
10.6 Lunge – Pulmo
In der Lunge findet die äußere Atmung statt, das heißt, der Austausch von Atemgasen
zwischen Blut und Atemluft.
Man unterscheidet zwei Lungenflügel, Pulmo dexter (rechte Lunge) und Pulmo sinister
(linke Lunge). Jeder Lungenflügel hat die Form eines Kegels, dessen Basis dem Zwerchfell
aufsitzt und dessen Spitze über die obere Thoraxöffnung in den Halsbereich hineinragt.
Gegen die Rippen zeigt die Lunge eine konvex gewölbte Fläche, zum Mittelfellraum
(Mediastinum) hin eine konkave Fläche. Hier treten Gefäße, Nerven und Bronchien an der
Lungenwurzel, der Radix pulmonis, in die Lunge ein und aus.
Die Lunge ist durch tiefe Spalten in Lungenlappen unterteilt. Die rechte Lunge besteht aus
drei Lappen, einem Ober,- Mittel,- und Unterlappen, die linke Lunge aus zwei, einem Ober,und einem Unterlappen. Entsprechend der Aufteilung der Bronchien unterteilt man die
Lungenlappen noch weiter in Lungensegmente und Lungenläppchen.
10.6.1 Bronchialbaum und Lungensegmente
Die Luftröhre teilt sich vor dem 4. Brustwirbel an der Bifurkation (Teilungsstelle) in die
beiden Hauptbronchien, den Bronchus principalis dexter und sinister, einer für jede
Lunge. Diese teilen sich weiter in die Lappenbronchien, Bronchi lobares, die den
Lungenlappen entsprechen. Daher findet man rechts drei Lappenbronchien und an der
linken Lunge zwei.
In weiteren Teilungsschritten verzweigen sich die Lappenbronchien dann weiter zu
Segmentbronchien. Diese entsprechen den kleineren Unterteilungen der Lungenlappen,
den Lungensegmenten (rechts 10, links 9 - 10 Segmente).
Die Segmentbronchien verzweigen sich weiter in 6 - 12 Teilungsschritten in immer kleinere
Bronchien, die mittleren und kleinen Bronchien und dann letztlich in die Bronchiolen.
Diese teilen sich weiter auf bis am Ende die kleinsten Aufzweigungen, die Alveolen stehen.
- 71 -
Demnach entsprechen die Lappenbronchien den Lungenlappen, die Segmentbronchien
den Lungensegmenten und die Bronchiolen den Lungenläppchen!
10.6.2 Feinbau der Lunge
Die Hauptbronchien zeigen denselben Aufbau wie die Luftröhre aus hufeisenförmigen
hyalinen Knorpelspangen; sie haben nur einen kleineren Durchmesser.
Die Lappen - und Segmentbronchien teilen sich weiter baumartig auf und ihre
hufeisenförmigen Knorpelspangen werden zunehmend bruchstückhaft. Diese
unregelmäßigen Knorpelstücke sind in den größeren Bronchien hyalin, werden in den
kleineren aber durch elastischen Knorpel ersetzt. Mit abnehmendem Durchmesser
vermindert sich der Knorpelanteil und der Muskelanteil wird immer größer.
Die Bronchiolen bestehen nur mehr aus glatten Muskelzellen und elastischen Fasern, da
sie ihren Durchmesser dem Ein - und Ausatmen anpassen müssen.
Die kleinsten Bronchiolen gehen in die Lungenbläschen, die Alveolen, über. Alveolen sind
traubenförmig angeordnet und in ihnen findet die eigentliche Atmung, der Austausch von
Sauerstoff und Kohlendioxid zwischen Atemluft und Kapillarblut, statt. Die Alveolenwand
besteht aus Pneumozyten und Bindegewebe, die von einem dichten Kapillarnetz umgeben
sind. Zwei benachbarte Alveolen teilen sich eine dünne bindegewebige Wand, das Septum
alveolare. Die dünne Schicht, die in diesen Lungenabschnitten Luft und Blut trennt, heißt
Blut-Luft-Schranke.
MERKE!!! Die Blut - Luft - Schranke besteht aus den Pneumozyten, dem Kapillarendothel
und einer dünnen gemeinsamen dazwischen liegenden Basallamina!
In den Alveolen befindet sich zusätzlich eine dünne Schicht einer Flüssigkeit, das
Surfactant, das von den Pneumozyten gebildet wird.
Dieses vermindert die
Oberflächenspannung der Alveolen und verhindert ihr Zusammenfallen. Unreife Lungen
der Frühgeborenen können noch kein Surfactant bilden! Deshalb müssen ihre Lungen
"gereift" werden oder sie müssen beatmet werden.
Durch die Blut-Luft-Schranke diffundiert Sauerstoff aus der Luft in das Kapillarblut und
Kohlendioxid aus dem Blut in die Lungenalveolen, um abgeatmet zu werden.
10.7 Pleura
Jeder Lungenflügel liegt in einer geschlossenen mit seröser Flüssigkeit ausgekleideten
Höhle, der Pleurahöhle. Zwischen den beiden Pleurahöhlen liegt das Mediastinum, der
Mittelfellraum. An der Pleura unterscheidet man ein äußeres Blatt, die Pleura parietalis
oder Rippenfell und ein inneres Blatt, die Pleura visceralis oder Lungenfell. Beide Blätter
gehen an der Lungenwurzel ineinander über.
Die Pleura visceralis, das Lungenfell ist eine glatte glänzende Schicht, die fest mit der Lunge
verwachsen ist und sich auch in die Lungenspalten fortsetzt.
- 72 -
Die Pleura parietalis, das Rippenfell bildet das derbe äußere Blatt der Pleura und überzieht
Rippen, Wirbelkörper, die Rückseite des Brustbeins, die obere Zwerchfellfläche und das
Mediastinum.
Zwischen den beiden Pleurablättern befindet sich die Pleurahöhle mit wenig seröser
Flüssigkeit. Sie dient der Lunge als Verschieberaum bei der Atmung.
Im Pleuraspalt herrscht zusätzlich ein Unterdruck, wodurch die Lungen der Innenseite des
Brustkorbes eng anliegen und so den Atembewegungen des Brustkorbes folgen müssen.
10.8 Atemregulation
Die Regulation der Atmung erfolgt über Dehnungsrezeptoren und über zentrale und
periphere Chemorezeptoren.
Dehnungsrezeptoren sitzen in der Wand der Alveolen und in der Atemmuskulatur. Sie
reagieren auf die Dehnungsreize beim Ein - und Ausatmen und leiten Gegenbewegungen
ein.
Starke Dehnung --> Ausatmen; Entspannung --> Einatmen
Zentrale Chemorezeptoren befinden sich im Atemzentrum im verlängerten Mark.
Periphere Chemorezeptoren befinden sich im Glomus caroticum und Glomus aorticum.
Das sind parasympathische Nervengeflechte, die vom IX. (N. glossopharyngeus) und vom
X. (N. vagus) gebildet werden.
Beide Chemorezeptoren reagieren sowohl auf den O2-Partialdruck, den CO2-Partialdruck
und auf den pH-Wert im Blut.
Ein Absinken des O2 - Partialdruckes, Ansteigen des CO2 - Partialdruckes und dadurch ein
niedriger ph-Wert (Azidose) bewirken eine Steigerung der Atemtätigkeit und umgekehrt.
10.9 Lungen - und Atemvolumina
Atemzugvolumen: Darunter versteht man jenes Luftvolumen, das pro Atemzug
eingeatmet werden kann, das sind etwa 500-600 ml/ Atemzug bei einem gesunden
Erwachsenen.
Das Atemzugvolumen setzt sich zu etwa 70% (350-400ml) aus dem alveolaren Anteil
(Gasaustausch) und zu 30% aus dem Totraumanteil (kein Gasaustausch) zusammen.
Totraumvolumen: Das ist jenes Volumen, das nicht am Gasaustausch teilnimmt. Dieser
Anteil der Atemluft befindet sich im Totraum, das sind die zuführenden Atemwege bis zur
Bronchiolen - Alveolen - Grenze. Er dient zur Reinigung und Erwärmung der Atemluft.
Atemminutenvolumen: Das in einer Minute ein und ausgeatmete Atemvolumen.
Pro Atemzug werden 500 ml ein und ausgeatmet, die Atemfrequenz beträgt etwa 15
Atemzüge pro min.
AMV = AZV X AF/min
AMV = 500ml X 15AZ/min > AMV = 7,5l Luft/min
- 73 -
Inspiratorisches Reservevolumen: Volumen, das nach normaler Inspiration noch
zusätzlich eingeatmet werden kann; 2-3l
Exspiratorisches Reservevolumen: Volumen, das nach normaler Exspiration noch
zusätzlich ausgeatmet werden kann; 1 – 1,5l
Vitalkapazität: IRV + AZV + ERV
Residualvolumen: Volumen, das auch nach stärkster Exspiration noch in den Atemwegen
verbleibt.
Totalkapazität: maximal mögliches Luftvolumen der Lunge; TK = VK + RV
- 74 -
11
DAS BLUT
Das Blut besteht aus einem flüssigen Anteil, dem Blutplasma, in dem verschiedenste Stoffe
gelöst sind und den darin verteilten Blutkörperchen.
11.1
Zusammensetzung des Blutes
Blutplasma: Der Anteil des Blutplasmas beträgt etwa 55% des Blutgesamtvolumens; es
handelt sich um eine klare, hellgelbe Flüssigkeit, die zwar keine Blutzellen aber etwa 8%
gelöste Substanzen enthält. Es ist der gerinnungsfähige Anteil des Blutes ohne seine
Blutzellen.
Das Blutplasma steht durch die Kapillaren in Diffusionsaustausch mit den Geweben. Es
kann durch Abzentrifugieren der schwereren Blutkörperchen gewonnen werden.
Blutserum: Gerinnt das Blut, so scheidet sich der sog. Blutkuchen, der aus den Fibrinfasern
und den Blutzellen besteht, vom flüssigen Blutserum ab. Das bedeutet, dass im Gegensatz
zum Plasma keine Gerinnungsfaktoren mehr vorhanden sind.
Das Blutserum ist demnach der nicht mehr gerinnungsfähige Anteil des Blutes.
Weder im Plasma noch im Serum findet man Blutzellen.
Blutzellen (Blutkörperchen): Blutzellen machen etwa 45% des Gesamtvolumens des Blutes
aus. Es handelt sich dabei um eine Gruppe lebender Zellen, die sich in Aussehen,
chemischer Zusammensetzung und Aufgaben voneinander unterscheiden. Ihr
prozentueller Anteil wird als der Hämatokrit bezeichnet. Von diesen Zellen machen mehr
als 99% die roten Blutzellen (Erythrozyten), etwa 1% die weißen Blutzellen (Leukozyten) und
die Blutplättchen (Thrombozyten) gemeinsam aus.
11.2
Funktion des Blutes
Das Blut hat zahlreiche Funktionen, an denen die Blutzellen, die Bluteiweiße und die
Flüssigkeit mit ihren Elektrolyten beteiligt sind.
- Transport der Blutgase: O2 und CO2 werden von den Erythrozyten transportiert.
- Transport und Verteilung von Hormonen und Nährstoffen
- Regulierung des Wasser - und Elektrolythaushaltes
- Aufrechterhaltung des Säure - Basengleichgewichtes; das Blut ist mit einem pHWert von 7,4 schwach basisch.
- Regulierung der Körpertemperatur
- Blutgerinnung
- Abwehr
- Entsorgung von Stoffwechselendprodukten
- Aufrechterhaltung des kolloidosmotischen Druckes
- 75 -
11.3
Blutplasma
Das Blutplasma besteht etwa aus: 90% Wasser
8% Plasmaproteinen
2% anderen Stoffen wie Vitamine, Hormone, Salze,
Enzyme, Glukose, Stoffwechselprodukte wie
Harnsäure
11.3.1 Plasmaptoteine
Plasmaproteine sind Eiweiße verschiedener Funktionen, die durch ihre unterschiedliche
Wanderungsgeschwindigkeit im elektrischen Feld (Proteinelektrophorese) aufgespalten
werden können.
Die wichtigsten sind:
Albumine: 35-40 g/l, diese großen Eiweißmoleküle dienen der Aufrechterhaltung des
kolloidosmotischen Druckes im Blut und damit der Aufrechterhaltung des Blutvolumens,
da sie eine wichtige Rolle für die Rückresorption von Flüssigkeit aus den Geweben spielen.
Außerdem dienen sie dem Transport von Calcium, Bilirubin, Fettsäuren.
Alpha 1-GLOBULINE: 3-6 g/l, Transport von Lipiden und Hormonen.
Alpha 2- GLOBULINE: 4-9 g/l, Oxidasefunktion
Beta-GLOBULINE: 6-11 g/l, Transport von Lipoproteinen und Eisen
Gamma-Globuline: 13-17 g/l, Antikörper (Immunglobuline), sie werden von den
Plasmazellen (B – Zellen) gebildet und dienen der Abwehr
Fibrinogen: 2-4,5 g/l, dient der Blutgerinnung (Vorstufe von Fibrin)
Prothrombin: Faktor der Blutgerinnung (Vorstufe von Thrombin)
11.4 Blutzellen
Wir unterscheiden drei Gruppen von Blutzellen
Rote Blutkörperchen: Erythrozyten
Weiße BK: Leukozyten
Blutplättchen: Thrombozyten
11.4.1 Erythrozyten
Erythrozyten sind kreisrunde, bikonkave kernlose Scheiben (Ausnahme: unreife
Vorstufen). Ihr Durchmesser beträgt 7-8 Mikrometer, ihre Dicke etwa 2 Mikrometer und sie
sind nicht aktiv beweglich.
Erythrozyten besitzen keinen Zellkern und Zellorganellen und haben aufgrund des Fehlens
von DNA und RNA keine Fähigkeit zur Protein-Biosynthese und zur Zellteilung.
Die Zahl der Erythrozyten beträgt etwa 5 Millionen/mm³ Blut, das sind mehr als 90% der
gesamten Blutzellen. Abweichungen von 0,5 Mill. nach oben und unten gelten als
physiologisch. Die Ery-zahl ist unabhängig von Körpertemperatur, Jahreszeit und
Nahrungsaufnahme; ihre Anzahl steigt jedoch bei dauernder vermehrter Muskelarbeit und
- 76 -
längeren Aufenthalten im Hochgebirge (wenig Sauerstoff in der Atemluft) und auch bei
chronischen Lungenerkrankungen!! Durch die geringere Sauerstoffsättigung des Blutes
schüttet die Niere das Hormon Erythropoetin aus, welches das rote Knochenmark zu
vermehrter Bildung von Erythrozyten anregt.
Funktion: da die Erythrozyten kernlos sind, können sie sich nicht mehr teilen, sie können
jedoch eine größere Menge von Hämoglobin (Hb) aufnehmen. Hb ist ein Eiweißmolekül aus
vier Polypeptidketten mit einem zentralen Fe-haltigen Hämanteil. Dieser Hämanteil kann
O2 und CO2 reversibel binden. Erythrozyten sind demnach für den O2 Transport in die
Gewebe und dem Abtransport von CO2 aus den Geweben zuständig. Das O2 - reiche Blut
erscheint hellrot, das O2 - arme Blut dunkelrot.
Durch die bikonkave Form wird eine große Oberfläche für den Gasaustausch erzielt und die
Verformbarkeit ermöglicht die Mikrozirkulation in den kleinsten Kapillaren.
Bildung der roten Blutzellen – Erythropoese: nach der Geburt findet die Blutbildung im
roten Knochenmark der Epiphysen der langen Röhrenknochen und in den platten Knochen
(Rippen, Sternum) statt; vor der Geburt in allen Knochen, in der Leber und auch in der Milz.
Die Erythrozytenzahl wird dem O2-Bedarf angepasst; das geschieht durch das Hormon
Erythropoetin, das in der Niere gebildet wird und durch Sauerstoffmangel ausgeschüttet
wird.
Da unter Normalbedingungen die Erythrozytenzahl weitgehend konstant bleibt, muss der
Neubildung ein gleichwertiger Abbau gegenüberstehen.
Die Lebensdauer der Erythrozyten beträgt etwa 120 Tage.
Ihr Abbau erfolgt durch Phagozytose im retikuloendothelialen System (Knochenmark,
Leber, Milz). Das dabei freiwerdende Hämoglobin wird zum Teil in der Leber den
Gallenfarbstoff Bilirubin umgewandelt und über den Darm ausgeschieden oder als Urobilin
über die Niere ausgeschieden. Bilirubin färbt dabei den Stuhl braun, Urobilin färbt den
Harn. Das Eisen wird ins Knochenmark zurücktransportiert und dort wieder verwendet.
11.4.2 Leukozyten
Diese "weißen" Blutzellen enthalten kein Hämoglobin und sind daher im ungefärbten
Zustand farblos. Ihre Zahl ist viel geringer als jene der Erythrozyten, morgens nüchtern
beträgt sie 5000-9000/mm³ Blut. Ihre Zahl ist physiologischen Schwankungen
unterworfen: Tagesrhythmus, Verdauung, körperliche Anstrengung, Schwangerschaft
wirken sich zahlenmäßig aus.
Leukozyten besitzen einen Zellkern und sind amöboid beweglich, wodurch sie die
Blutgefäße verlassen können und an Abwehrvorgängen im Körper teilhaben. Ihre
Lebensdauer ist viel kürzer als die der Erys, sie werden großteils in der Milz abgebaut und
vor allem in der Körperperipherie bei der Abwehr „verbraucht“.
Ihre Gruppe ist aus sehr unterschiedlichen Zellen zusammengesetzt, die teils granuliert
(gekörnt), teils ungranuliert sind. Sie alle bilden eine Funktionsgemeinschaft, deren
Aufgabe die Abwehr schädigender Einwirkungen auf den Organismus ist.
Zellen des weißen Blutbildes:
Granulozyten: Neutrophile
Eosinophile
Basophile
- 77 -
Lymphozyten
Monozyten
11.4.2.1 Granulozyten:
Granulozyten besitzen einen gelappten Kern, wodurch sie durch Offnungen der
Kapillarwände durchwandern können und dessen vergrößerte Oberfläche sich günstig auf
die erhöhte Stoffwechselfunktion auswirkt. Sie sind größer als die Lymphozyten und die
Erythrozyten. Man unterscheidet auf Grund der Färbbarkeit ihrer Körnchen im Zytoplasma,
den Granula, drei Typen von Granulozyten.
- Neutrophile Granulozyten: 55-70% der Leukozyten
Aussehen: Ihr Durchmesser beträgt etwa 9-12 Mikrometer; in ihrem Zytoplasma findet man
schwach färbbare, feinste Granula (Körnchen). Sie besitzen einen groben gelappten
Zellkern, es kommen jedoch auch stabkernige Jugendformen im Blut vor (5%).
Bei gewissen Erkrankungen treten entweder vermehrt jugendliche Stabkernige auf, wir
sprechen von Linksverschiebung - oder überalterte Übersegmentierte, dann sprechen wir
von Rechtsverschiebung im Blutbild.
Eine Linksverschiebung tritt meist zusammen mit einer Leukozytose (Vermehrung der
Leukozyten im Blut), häufig bei Infektionskrankheiten auf, da das Knochenmark vermehrt
unreife Formen auf Grund des erhöhten Bedarfes ins Blut abgibt.
Rechtsverschiebung tritt bei Bildungsstörungen von Granulozyten des Knochenmarks,
etwa bei perniziöser Anämie (Vit B12 Mangel) auf.
Funktion: neutrophile Granulozyten können durch Bakterien zur Diapedese (Auswandern
in die Gewebe durch amöboide Bewegung) angeregt werden. Sie enthalten Enzyme und
Abwehrstoffe gegen Krankheitserreger und können auch Bakterien und
Gewebsfragmente phagozytieren = MIKROPHAGEN. Sie sind an der Entstehung von Eiter
beteiligt, indem sie Fermente abgeben, die Bakterien und das entzündete Gewebe
einschmelzen können (Reifen eines Furunkels).
- Eosinophile Granulozyten: 1-4% der Leukos im Blut
Aussehen: die eosinophilen Granulozyten sind an ihren großen, eosinophil (rot) färbbaren
Granula gut erkennbar, die den meist hantelförmigen Kern teilweise überdecken.
Ihr Duchmesser beträgt etwa 11-14 Mikrometer.
Funktion: Eosinophile sind gut amöboid beweglich, sie phagozytieren Ag–Ak-Komplexe.
Sie treten bei allergischen Reaktionen auf und haben eine direkt zytotoxische
(zellschädigende) Wirkung auf tierische Parasiten (Würmer).
- Basophile Granulozyten:
Sie sind die kleinsten Granulozyten und auch die seltensten: 0,3-1%.
Basophile haben einen meist kugeligen großen Zellkern, der von den basophil (blau)
gefärbten Granula fast verdeckt ist.
Funktion: Ihre Granula beinhalten Histamin und Heparin, die sie bei allergischen
Reaktionen freisetzen. Histamin wirkt gefäßerweiternd (dilatierend) und erhöht die
Durchlässigkeit (Permeabilität) der Kapillarwände, Heparin vermindert die Blutgerinnung
und macht so ebenfalls die Kapillaren durchlässiger à Schwellung (zB. nach Bienenstich).
- 78 -
Sie sind an akuten allergischen Reaktionen beteiligt, wie beim anapylaktischen Schock und
beim akuten Asthma, aber auch bei chronischen allergischen Erkrankungen.
Basophile bleiben nur wenige Stunden in der Blutbahn und wandern dann in die Gewebe
aus, wo sie sich etwa 24 Stunden aufhalten.
Die Mastzellen sind in Aussehen und Funktion den Basophilen sehr ähnlich, kommen aber
nur in den Geweben vor, nicht im Blut.
11.4.2.2 Monozyten
Monozyten wandern aus dem Blut ins Gewebe aus und differenzieren sich dort in
Makrophagen!
Aussehen: sind die größten weißen Blutzellen, ihre Größe variiert aber stark zwischen
12-20 μm; sie haben unterschiedliches Aussehen mit nierenförmigem, kugeligem oder
gelapptem Zellkern.
Funktion: Monozyten sind gut amöboid beweglich und wandern nach 1-2 Tagen aus dem
Blut in die Gewebe, wo sie sich zu Gewebsmakrophagen differenzieren. Dort
phagozytieren sie auch größere Teilchen, wie abgestorbene Blutzellen, Mikroorganismen
oder größere Zelltrümmer und auch vom Immunsystem als fremd erkannte Körperzellen.
Monozyten wandeln sich in den Geweben in unterschiedliche Makrophagen um:
- Histiocyten (Gewebe)
- Kupffer Sternzellen (Leber)
- Alveolarmakrophagen (Lunge)
- Perivaskuläre Makrophagen (ZNS)
11.4.2.3 Lymphozyten
Lymphozyten besiedeln vor der Geburt das rote Knochenmark und den Thymus (Bries) und
werden dort geprägt. Im Knochenmark (bone marrow) werden die B- Lymphozyten, im
Thymus die T- Lymphozyten geprägt. Danach wandern sie in die peripheren Lymphorgane
wie Milz, Lymphknoten und Tonsillen ein.
Aussehen: Lymphozyten sind etwa gleich groß wie Erythrozyten und haben einen großen,
kugeligen, kräftig lila färbbaren Kern und einen schmalen blassen Zytoplasmasaum.
- T-Lymphozyten
Die T-Lymphozyten sind runde Zellen mit einem deutlich blau färbbaren, runden Kern.
Sie werden im roten Knochenmark gebildet, wandern in den Thymus (Bries) aus, wo sie
geprägt werden. Unter Prägung versteht man die Fähigkeit körpereigene Zellen von
körperfremden zu unterscheiden, damit nur fremde Zellen vom Immunsystem attackiert
werden, was leider nicht immer gelingt (Autoimmunerkrankungen). Fehlerhafte Prägung
kann aber auch bewirken, dass das Immunsystem zu tolerant gegenüber Eindringlingen
wird und den Organismus nicht ausreichend zu schützen vermag. Erst nach der Prägung
wandern diese Zellen in die lymphatischen Organe ein.
T-Lymphozyten sind die Zellen der erworbenen, spezifischen Immunität. Man
unterscheidet zytotoxische Zellen, Helferzellen und Suppressorzellen. Zytotoxische Zellen
- 79 -
erkennen virusinfizierte Zellen und Tumorzellen und bekämpfen diese, T-Helferzellen
bewirken das Heranreifen von B-Lymphozyten zu Plasmazellen, welche Antikörper
produzieren, und T-Suppressorzellen verhindern überschießende Immunreaktionen,
indem sie diese unterdrücken. T-Gedächtnis-Zellen sind langlebig und können sich auch
später noch an die feindlichen Eindringlinge erinnern.
- B-Lymphozyten
Optisch unterscheiden sich die B-Lymphozyten nicht von den T-Zellen, sie haben aber
andere Eigenschaften und Funktionen. Beide gehören jedoch der erworbenen,
spezifischen Immunität an.
B-Lymphozyten werden im Knochenmark (bone marrow) geprägt und wandeln sich bei
Immunreaktionen in Plasmazellen um, welche Antikörper oder Immunglobuline bilden.
Deshalb werden sie zur erworbenen humoralen Abwehr gezählt.
Sowohl bei den T- als auch den B-Lymphozyten gibt es Zellen, die sich bei einem neuerlichen
Kontakt mit einem Antigen an dieses (Erreger, Fremdstoffe) erinnern können und eine sehr
schnelle Abwehrreaktion bewirken. Diese Zellen heißen Gedächtniszellen oder „memory
cells“.
- Natürliche Killerzellen
Sie gehören auch zur Gruppe der Lymphozyten, sind aber Zellen der unspezifischen
Immunität, das heißt, sie zerstören bereits bei einem Erstkontakt bestimmte
Krankheitserreger wie Bakterien, Viren, Parasiten und Tumorzellen, indem sie imstande
sind von Erregern befallene oder bösartig veränderte Körperzellen zu identifizieren.
Thrombozyten: Blutplättchen
Es handelt sich um farblose, platte Zellbruchstücke, von 1-4 μm DM.
200 000-300 000 /mm³ Blut. Sie werden im roten Knochenmark gebildet, haben eine
Lebensdauer von ca. 1 Woche und werden in der Milz phagozytiert.
Ihre Aufgabe ist es, bei einer Endothelverletzung durch Verkleben diese Stelle abzudichten
und die Blutgerinnung auszulösen.
11.5
Blutbildung - Hämatopoese
Nach der Geburt findet die Blutbildung ausschließlich im roten Knochenmark statt. Die
Zellen, aus der alle Blutzellen entstehen, heißen PLURIPOTENTE (= vielkönnende)
STAMMZELLEN. Diese differenzieren sich in zwei Richtungen: es entstehen einerseits
myeloische Stammzellen, aus denen sich die Erythrozyten, die Granulozyten, Monozyten
und Thrombozyten entwickeln und andererseits die lymphoiden Stammzellen, aus denen
die B,- und T- Lymphozyten, die Plasmazellen und die natürlichen Killerzellen entstehen.
- 80 -
11.6 Hämostase – Blutstillung und Blutgerinnung
Der menschliche Organismus verfügt über ein komplexes System, um schnell und effektiv
auf Gefäßverletzungen reagieren zu können und Blutungen zu stillen. Dieser als
Hämostase bezeichnete Vorgang läuft in zwei aufeinanderfolgenden Schritten ab: Der
Vorgang der Blutstillung verschließt mit einem „provisorischen“ weißen Thrombus aus
Blutplättchen (Thrombozyten) schnell die Wunde, die nachfolgende Blutgerinnung hat
einen stabilen Wundverschluss durch einen roten Thrombus zum Ziel, welcher den
weißen Thrombus ersetzt.
11.6.1 Primäre Hämostase- Blutstillung
Dieser Vorgang sorgt schon in 2-3 Minuten für einen Wundverschluss und wird durch
mehrere Faktoren bewirkt. Substanzen, die aus der verletzen Gefäßwand frei werden (zB.
Serotonin) bewirken ein Zusammenziehen (Vasokonstriktion) des verletzten Gefäßes.
Dadurch wird der Blutstrom verlangsamt und Thrombozyten lagern sich am Ort der
Verletzung ab. Die abgelagerten Thrombozyten setzen wiederum Stoffe frei, die weitere
Thrombozyten anlocken und zum Anlagern animieren. Die Thrombozyten bilden nun
Pseudopodien (Scheinfüßchen) aus mit denen sich diese aneinanderhaften. Ein so
entstandener weißer Thrombus (enthält nur Thrombozyten) verschließt die Wunde aufs
erste.
11.6.2 Sekundäre Hämostase - Blutgerinnung
Ziel dieses Ablaufes ist es, Fibrin zu aktivieren und einen stabilen Wundverschluss zu
erreichen. Dazu müssen insgesamt 13 Gerinnungsfaktoren (Faktor I – XIII) nacheinander
aktiviert werden, die sog. Gerinnungskaskade.
Dieses Gerinnungssystem wird nun entweder bei großen Verletzungen durch freigesetzte
Gewebssubstanzen (exogenes System) oder bei kleineren Endothelverletzungen durch
Substanzen aus der innersten Gefäßschicht (endogenes System) aktiviert.
Das exogene System muss schnell ablaufen und läuft daher über weniger Schritte ab als
das endogene System.
Letztlich wird das im Blut inaktive Prothrombin in Thrombin umgewandelt, das wiederum
das inaktive Fibrinogen in Fibrin umwandelt. Thrombin und Fibrin liegen in ihrer inaktiven
Form im Blut vor, um einer Thrombenbildung vorzubeugen. Sie sollten erst aktiviert
werden, wenn eine Gerinnung des Blutes sinnvoll ist.
Die Fibrinfäden lagern sich nun an dem bereits vorhandenen weißen Thrombus ab und
bilden ein Maschenwerk, in dem sich nun auch Erythrozyten und Leukozyten einlagern.
Man spricht nun von einem roten Thrombus. Durch Zusammenziehen der Fibrinfäden
entsteht ein stabiler Thrombus. Für den Ablauf der Gerinnungskaskade ist zusätzlich noch
Kalzium notwendig.
Der Fibrinthrombus kann nun durch Aktivierung des Plasminogen in das aktive Plasmin
(teilweise) wieder abgebaut werden. Manche Thromben bleiben auch zur Gänze erhalten.
In diese Thromben wandern mit der Zeit Bindegewebszellen ein, der Thrombus wird
bindegewebig umgewandelt oder organisiert (organisierter Thrombus). Er wird dann nicht
- 81 -
mehr mit dem Blutstrom mitgerissen und kann auch wieder durchgängig gemacht werden
(rekanalisiert).
11.7
Blutgruppen
Das ABO - System
Zur Bestimmung der verschiedenen Blutgruppenmuster wird das Blut nach dem AB0Blutgruppensystem in vier verschiedene Blutgruppen eingeteilt. Dieses von Karl
Landsteiner (1868-1943) im Jahr 1901 entdeckte System beruht auf der Erkenntnis, dass das
Blut von verschiedenen Spendern bei Durchmischung teilweise verklumpt.
Landsteiner stellte fest, dass es auf der Oberfläche der roten Blutkörperchen zwei
unterschiedliche Antigene, nämlich Antigen A und Antigen B gibt, gegen die im Serum die
Antikörper Anti – A und Anti – B auftreten. Je nach Vorhandensein der Antigene auf der
Erythrozyten-Oberfläche unterteilte Landsteiner die Blutgruppen der Menschen in die
Blutgruppen A, B, AB oder 0.
Blutgruppe A bedeutet, dass auf der Oberfläche der Blutkörperchen das Antigen A
vorhanden ist, im Serum finden sich Antikörper gegen die Blutkörperchenoberfläche der
Gruppe B, also Anti – B - AK.
Menschen mit der Blutgruppe B besitzen das Antigen B an der Erythrozytenoberfläche, im
Serum sind Antikörper gegen die Blutgruppe A zu finden.
Bei der Blutgruppe 0 sind keine Antigene vorhanden, im Serum findet man jedoch
Antikörper gegen A und B.
Da bei der Blutgruppe AB beide Antigene A und B auf der Oberfläche der Blutkörperchen
vorhanden sind, befinden sich keine Antikörper im Blut, sie würden sich gegenseitig
zerstören.
Merkmale der einzelnen Blutgruppen:
Blutgruppe Antigen
Antikörper
A
A
B
B
B
A
AB
A und B
keine Antikörper
O
Keine Antigene A und B
MERKE!!!
AB0 Blutgruppen sind schon bei der Geburt vorhanden.
Die Anti-A und Anti-B- AK sind im Gegensatz zu den Anti-Rhesus-AK nicht plazentagängig,
sonst käme es unter bestimmten Umständen zu Unverträglichkeitsreaktionen zwischen
unterschiedlicher mütterlicher und kindlicher Blutgruppe!
In Mitteleuropa haben etwa 45% aller Menschen Blutgruppe A, 40% Blutgruppe 0, 10%
Blutgruppe B und 5% Blutgruppe AB.
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Etwa 85% aller Mitteleuropäer sind Rhesus-positiv, 15% Rhesus-negativ.
Die seltenste Blutgruppe ist also AB-negativ.
Das Rhesus-System
Der Rhesusfaktor ist ein Antigen (Antigen D) auf der Zellmembran der roten
Blutkörperchen im menschlichen Blut. Rhesus positiv ist demnach ein Mensch, der dieses
Antigen D auf seinen Blutzellen besitzt. Rhesus negativ bedeutet, dass kein Antigen D
vorhanden ist. Nur rhesusnegative Menschen entwickeln beim Kontakt mit
rhesuspositivem Blut Anti - D Antikörper.
Die Antikörper gegen den Rhesusfaktor D werden bei Menschen ohne diesen Faktor
jedoch nur gebildet, wenn sie mit ihm in Berührung kommen! Rhesus – AK sind also nicht
von vornhrein vorhaden!!
Dieser Kontakt kann durch Bluttransfusionen stattfinden, bei Frauen auch während der
Schwangerschaft, besonders während der Geburt.
So kann der Rhesusfaktor problematisch werden, wenn eine Rhesus-negative Frau mit
einem Rhesus-positiven Kind schwanger ist. Während der Geburt gelangen Rh – AK vom
Kind in den mütterlichen (rhesusnegativen) Kreislauf und die Mutter entwickelt nun AK. Da
das mütterliche rhesusnegative Blut frei von Rhesus – AG ist, kommt es zu keinerlei Folgen
für die Mutter. Sind nun jedoch Rhesus - Antikörper im mütterlichen Blut vorhanden, kann
es während einer nachfolgenden Schwangerschaft zur Verklumpung des Blutes im Fetus
kommen, da die kleinen RH – AK durch die Plazenta hindurchtreten können und zu einer
Schädigung oder den Tod des Kindes führen.
Gefahr besteht also in erster Linie für das rhesuspositive zweite Kind, da die AK meist erst
während der Geburt des ersten Kindes gebildet werden!
Durch Blutaustausch kann dieser Folge entgegengewirkt werden. Heutzutage ist dies
jedoch in der Regel unnötig, da schon nach der ersten Schwangerschaft eine Anti-DProphylaxe durchgeführt wird, die die Ausbildung von Antikörpern unterdrückt.
Der Rhesusfaktor wird dominant vererbt, deshalb ist das Blutgruppenmerkmal rhesusnegativ selten
- 83 -
Wenn eine erstgebärende Mutter mit rhesusnegativem Blut ein Baby erwartet, dessen Blut
rhesus-positiv ist, so entstehen daraus in der Regel
keine Probleme.
Während der Schwangerschaft kommt es nur selten
vor, dass rhesus-positives Blut des Babys in den
Blutkreislauf der Mutter gelangt ( etwa bei der
Amniozentese). Bei der Geburt ist die
Wahrscheinlichkeit allerdings höher. Ist es zu einer
solchen "Blutübertragung" gekommen, befindet
sich im mütterlichen Blutkreislauf zunächst sowohl
rhesus-negatives, als auch rhesus-positives Blut
Das Immunsystem der Mutter reagiert jedoch sofort
auf diese "Fremdkörper", indem es Antikörperchen ( Y
) bildet, die die roten rhesus-positiven Blutkörperchen
zerstören.
Bei der nächsten Schwangerschaft mit einem rhesuspositiven Baby könnten diese noch immer
vorhandenen Antikörper der Mutter in den
Blutkreislauf des Babys gelangen, dort die rhesuspositiven Blutkörperchen angreifen und mehr oder
weniger zerstören. Durch diesen Verlust roter
Blutkörperchen kommt es zu einer "Blutarmut" mit
einer Verminderung des Sauerstoffgehaltes im Blut des
Babys.
http://www.rund-ums-baby.de/schwangerschaft/images/rhesus2.gif
- 84 -
12 DAS HORMONSYSTEM
Hormone werden von endokrinen Drüsen oder einzelnen Drüsenzellen gebildet. Endokrine
Drüsen besitzen im Gegensatz zu exokrinen Drüsen keine Ausführungsgänge, sie geben
ihre Substanzen an das Blut oder unmittelbar an die Zellen ihrer Umgebung ab. (Im
Gegensatz dazu: exokrine Drüsen geben ihre Substanzen über Ausführungsgänge an
Oberflächen ab.)
12.1
Hormone
Hormone sind chemische Signalstoffe (Botenstoffe), die von endokrinen Organen gebildet
werden und über das Blut oder durch Diffusion an ihre Zielzellen gelangen, an deren
Oberfläche Rezeptoren die Botschaft erkennen und spezifische Reaktionen ausgelöst
werden.
Hormone sind Träger von Informationen und ermöglichen eine Kommunikation zwischen
Zellen oder Organen. Sie wirken in kleinsten Konzentrationen und brauchen oft Minuten
bis Stunden, um ihre Informationen zu vermitteln.
Botenstoffe, die Informationen zwischen Nervenzellen weitergeben, brauchen jedoch nur
Bruchteile von Sekunden. Die Übergänge zwischen den Transmittern der Nervenzellen
(Neurotransmitter) und den Hormonen der endokrinen Organe sind fließend und man
unterscheidet dementsprechend unterschiedliche Arten der hormonvermittelten
Informationsübertragung:
Hormone der endokrinen Drüsen (endokrine Sekretion): Ihre Hormone beeinflussen über
lange Distanzen hinweg ihr Zielorgan, das sie über den Blutweg erreichen. Sie geben ihre
Hormone ans Blut ab. Die zu erwartende Antwort kann Stunden bis Tage dauern.
Hormone des autokrin- parakrinen Systems (auto,- und parakrine Sekretion): Ihre
Hormone erreichen durch Diffusion ihren Zielort in unmittelbarer Nähe. Diese Drüsen
steuern sich z.B. selbst oder etwa glatte Muskelzellen ganz in der Nähe. Die Antwort ist
rasch zu erwarten.
Neurohormone: Werden von sekretorisch tätigen Neuronen des Nervensystems
freigesetzt. Sie entfalten entweder ihre Wirkung an Synapsen (Neurotransmitter) oder sie
werden ans Blut abgegeben und zeigen dadurch eine Fernwirkung, wie das Noradrenalin
des Nebennierenmarks.
Hormone lassen sich auf Grund ihrer chemischen Struktur, ihres Bildungs - und Wirkortes
und ihres Wirkungsmechanismus einteilen:
Steroidhormone:
Leiten sich vom Cholesterin ab und werden in der Nebennierenrinde, den Hoden, Ovarien
und in der Plazenta synthetisiert. Es handelt sich um Mineralokortikoide und
Glukokortikoide aus der Nebennierenrinde oder um Sexualhormone.
Aminosäurederivate:
Leiten sich von Aminosäuren ab, wie Adrenalin, Noradrenalin oder Dopamin, welche ihre
Wirkungen im Nervensystem entfalten.
Peptidhormone:
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Sind aus Aminosäure -Ketten zusammengesetzt, wie das Insulin und das Glukagon, die den
Blutzucker steuern.
Proteine:
Einige Geschlechtshormone (Gonadotropine), Wachstumshormon
Fettsäurederivate:
Leiten sich von ungesättigten Fettsäuren ab, wie die Prostglandine
Hormone werden im Blut häufig an Transportproteine gebunden transportiert.
Um ein Hormon am Zielort wirksam zu machen, sind Rezeptoren an den Zielzellen
notwendig. Hormone und ihre Rezeptoren passen dafür wie Schlüssel und Schloss
zusammen, wodurch Hormone sehr spezifisch wirken. Diese Rezeptoren können entweder
an den Zellmembranen sitzen oder intrazellulär lokalisiert sein.
Hormone werden in der Leber abgebaut und in der Folge über den Harn oder Stuhl
ausgeschieden.
12.2 Hierarchie des Hormonsystems
Das Hormonsystem ist hierarchisch strukturiert.
Der Hypothalamus ist das übergeordnete Steuerorgan und beeinflusst über Releasing
Hormone (Freisetzungshormone - stimulieren die Sekretion) und über Inhibiting Hormone
(Hemmhormone - hemmen die Sekretion) den Hypophysenvorderlappen. Dieser steuert
wiederum über so genannte Steuerhormone die nachgeschalteten Hormondrüsen. Durch
positive und negative Rückkoppelung wird die Hormonausschüttung reguliert.
12.3 Hypothalamus
Der Hypothalamus wird vom unteren Abschnitt
Hauptaufgabe ist die Steuerung des vegetativen
(Hormondrüsen) Systems. Sein hormonaler Anteil
Hierarchie der Hormondrüsen (1.Befehlsinstanz). Er
der Hypophyse (2.Befehlsinstanz), mit der er durch
und entsendet zwei Arten von Hormonen:
des Zwischenhirns gebildet. Seine
(Eingeweide) und des endokrinen
fungiert als oberster Regler in der
steht in engem Zusammenhang mit
den Hypophysenstiel verbunden ist,
Steuerhormone an den Hypophysenvorderlappen (Adenohypophyse): Dies sind die
Releasing und Inhibiting Hormone. Diese Steuerhormone werden vom Hypothalamus
gebildet und gelangen zur Adenohypophyse, dem drüsigen Anteil der Hypophyse. Er
fördert durch Releasing Hormone, "freisetzende Hormone" oder Liberine, die Sekretion
der Hormone der Adenohypophyse und hemmt sie durch Inhibiting Hormone, "hemmende
Hormone" oder Statine. Dadurch wird die Produktion der von der Adenohypophyse
produzierten Hormone je nach Bedarf gesteuert.
Hormone an den Hypophysenhinterlappen, die Neurohypophyse, die dort gespeichert
werden und bei Bedarf an die Zielorgane abgegeben werden. Der Hypophysenhinterlappen besteht aus Nervengewebe und ist ein Speicherorgan.
- 86 -
MERKE!!! Hormone, die untergeordnete Hormondrüsen beeinflussen heißen
Steuerhormone, Hormone, die eine direkte Wirkung auf Organe entfalten
Effektorhormone!!
12.3.1 Steuerhormone des Hypothalamus - Releasing und Inhibiting
Hormone
Für die von der Adenohypophyse gebildeten glando - gonado - und somatotropen
Hormone schüttet der Hypothalamus folgende Hormone aus:
Releasinghormone (Freisetzende Hormone):
Thyreotropin-Releasing-Hormon für das TSH (Thyreoidea-stimulierendes-Hormon):
Wirkung auf Schilddrüse!
Corticotropin-Releasing-Hormon für das ACTH (Adrenocorticotropes Hormon): Wirkung
auf Nebennierenrinde!
Gonadotropin-Releasing-Hormon für die glandotropen Sexualhormone FSH und LH:
Wirkung auf Geschlechtsdrüsen
Somatotropin-Releasing-Hormon für das Wachstumshormon
Prolaktin-Releasing-Hormon für die Milchproduktion
Inhibitinghormone (Hemmende Hormone):
Somatostatin
Prolaktin-Inhibiting-Hormon
Releasing Hormone fördern die Freisetzung, Inhibiting Hormone bremsen die Freisetzung
„untergeordneter Hormone“!!!!
12.3.2 Oxytocin und Vasopressin
Die Hormone Oxytocin und Vasopressin (Adiuretin) gelangen auf neuronalem
Weg
(Nervenweg
Neurosekretion)
zur
Neurohypophyse,
also
dem
Hypophysenhinterlappen, werden dort gespeichert und bei Bedarf ans Blut abgegeben.
Diese beiden Hormone sind keine Steuerhormone, sie entfalten gleich ihre Wirkung auf die
ZiHypophyse - Hirnanhangsdrüse
Die walzenförmige Hypophyse ist eine Drüse und liegt in der Sella turcica (Türkensattel)
des Keilbeins; sie ist durch den Hypophysenstiel mit dem Hypothalamus verbunden.
Der weitaus größere Anteil (etwa 75%) ist der aus Drüsenzellen aufgebaute
Hypophysenvorderlappen oder Adenohypophyse. In ihr werden verschiedene
Peptidhormone gebildet, die entweder auf untergeordnete Hormondrüsen als
glandotrope Hormone, auf die Geschlechtsdrüsen als gonadotrope Hormone oder direkt
auf Körpergewebe wirken (somatotrope Hormone).
Daneben werden in den Kernen des Hypophysenhinterlappens oder Neurohypophyse die
Hormone Oxytocin und Vasopressin aus dem Hypothalamus gespeichert und bei Bedarf an
die Zielorgane ausgeschüttet.
- 87 -
12.3.3 Hormone des Hypophysenvorderlappens
Die Hormone des Hypophysenvorderlappens wirken als glandotrope Hormone auf einige
Drüsen des Körpers, nämlich Schilddrüse und Teile der Nebennierenrinde, als gonadotrope
Hormone auf die Gonaden (Eierstock und Hoden) und als somatotrope Hormone auf
zahlreiche Gewebe und Organe im Körper.
Ihre Freisetzung wird von den Hormonen des Hypothalamus gesteuert.
Glandotrope Hormone wirken stimulierend auf Hormondrüsen.
TSH - Thyreoidea stimulierendes Hormon stimuliert die Schilddrüse zur Ausschüttung der
Hormone Thyroxin (T3) und Trijodthyronin (T4).
ACTH - Adrenocorticotropes Hormon stimuliert die Glukokorticoidausschüttung (Cortisol)
in der Nebennierenrinde.
Gonadotrope Hormone wirken auf die Eierstöcke und Hoden.
FSH - Follikel stimulierendes Hormon stimuliert die Follikelreifung in den Eierstöcken und
die Spermienbildung im Hoden.
LH - luteinisierendes Hormon stimuliert die Eireifung, den Eisprung und die
Gelbkörperbildung im Ovar und die Testosteronbildung im Hoden.
Somatotrope Hormone haben eine direkt stimulierende Wirkung auf verschiedene
Körperzellen.
GH - Growth Hormon oder Wachstumshormon stimuliert das Körperwachstum und den
Fett -und Glykogenabbau.
Bei einer Überproduktion kommt es zum Riesenwuchs.
Prolaktin stimuliert die Milchproduktion in der Brustdrüse
Melanozyten-stimulierendes-Hormon - MSH beeinflusst die Hautpigmentierung als Schutz
vor UV-Strahlung.
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12.3.4 Hormone, die im Hypophysenhinterlappen gespeichert werden
Oxytocin bewirkt eine Kontraktion der Gebärmuttermuskulatur (Myometrium) und löst
damit die Geburtswehen aus. Es wird im Rahmen der klinischen Geburtshilfe als so
genannter „Wehentropf“ eingesetzt. Darüber hinaus verursacht es die Milchejektion
(Entleerung derMilchdrüse) durch Stimulation der sogenannten myoepithelialen Zellen der
Milchdrüse.
Vasopressin (Adiuretin, Antidiuretisches Hormon) fördert die Reabsorption von Wasser in
der Niere und wirkt gefäßverengend. Beide Wirkungen erhöhen den Blutdruck.
12.4 Zirbeldrüse - Epiphyse
Die Zirbeldrüse ist ein etwa 1cm großes Organ, das oberhalb des Mittelhirns liegt. Ihre
Zellen reagieren auf Lichtreize, die sie über die Netzhaut (Retina) erhalten. Sie steuert
zirkadiane Rhythmen (Tag - Nacht Rhythmus) und produziert bei Dunkelheit das Hormon
Melatonin, welches den Schlaf fördert.
12.5 Schilddrüse - Glandula thyreoidea
Die Schilddrüse ist eine rotbraune Drüse, die aus einem rechten und einem linken Lappen,
den Lobus dexter et sinister, und einem verbindenden Querstück, den Isthmus, besteht.
Der Isthmus liegt vor dem 2.-4. Trachealring, die beiden Lappen bedecken seitlich den
Schildknorpel, den Ringknorpel und die oberen Luftröhrenringe. Die Schilddrüse sollte
beim Gesunden kaum tastbar und nicht sichtbar sein.
Die Drüse ist von einer inneren dünnen und einer äußeren derben Kapsel umhüllt. Die
äußere Hülle ist mit dem Kehlkopf und der Luftröhre verbunden, so macht sie die
Bewegungen des Kehlkopfes beim Schluckakt mit.
Das drüsige Schilddrüsengewebe besteht aus Follikeln, das sind zystenförmige Gebilde, die
von einem kubischen Epithel ausgekleidet und mit einer gelatinösen Substanz gefüllt sind.
Zwischen den Follikeln findet man Bindegewebe mit Gefäßen und Nerven. Die Epithelzellen
der Follikel produzieren die Schilddrüsenhormone Thyroxin T4 und Trijodthyronin T3, die
in den Follikeln gespeichert werden. Zwischen den Follikeln findet man noch die C-Zellen
(parafollikuläre Zellen), die ein weiteres Hormon, das Calcitonin, produzieren.
12.5.1 Schilddrüsenhormone
In den Follikeln der Schilddrüse werden zwei jodhaltige Hormone gespeichert, das
Thyroxin T4 und das Trijodthyronin T3, die von den Follikelzellen gebildet werden.
Thyroxin wird in weit höherem Ausmaß gebildet, wird dann aber im Körper zum Großteil in
das viel wirksamere T3 umgewandelt.
Wirkung:
- Steigerung des Grundumsatzes: Herztätigkeit, Körpertemperatur, Abbau von Fett
und Mobilisierung von Glykogen werden gesteigert
- Das Körperwachstum und die Entwicklung des Gehirns werden gefördert
- 89 -
-
Die Aktivität des Nervensystems wird gesteigert
Schilddrüsenhormone spielen eine große Rolle für die Entwicklung des Kindes, weshalb die
Schilddrüsenhormone beim Neugeborenenscreening mittels Fersenblut bestimmt
werden. Wird die Unterfunktion nicht schon im frühen Säuglingsalter behandelt, kommt es
zu
schwerwiegenden
Entwicklungsstörungen,
wie
psychomotorischer
Entwicklungsverzögerung, allgemeiner Wachstumsverzögerung, irreversiblen mentalen
Defiziten, Ataxie (Bewegungsstörungen) ,Innenohrschwerhörigkeit und Bradykardie
(verlangsamte Herzfrequenz).
In den C-Zellen zwischen den Follikeln wird das Hormon Calcitonin gebildet.
Es senkt den Kalziumspiegel im Blut indem es dessen Ausscheidung über die Niere steigert.
12.5.1.1 Regelkreis der Schilddrüsenhormone
Die Ausschüttung der Hormone der Schilddrüse wird über einen hormonellen Regelkreis
gesteuert.
Der Hypothalamus schüttet das TRH (Thyreotropin - Releasinghormon) aus. TRH regt den
Hypophysenvorderlappen zur Ausschüttung von TSH (Thyroidea stimulierendes Hormon)
an. Das TSH der Hypophyse bewirkt in der Folge eine verstärkte Bildung der
Schilddrüsenhormone T3 und T4 in der Schilddrüse. Die Schilddrüsenhormone gelangen
über die Blutbahn an die Zielzellen im Körper und entfalten dort ihre Wirkung. Über die
Blutbahn gelangen die Hormone jedoch auch in den Hypothalamus und in die Hypophyse.
Dort nehmen spezielle Rezeptoren den T3 und T4 Blutspiegel wahr. Je nach Hormonkonzentration wird dann die Bildung von TRH und TSH und in der Folge der
Schilddrüsenhormone gehemmt oder angeregt.
Da ein hoher Blutwert an Schilddrüsenhormonen die Sekretion von TRH und TSH
vermindert, spricht man von einer negativen Rückkoppelung.
- 90 -
12.6 Nebenschilddrüse - Glandula parathyreoidea
Die Nebenschilddrüsen sind gelbliche, linsengroße Körperchen, genannt
Epithelkörperchen, von denen man jeweils ein oberes und ein unteres Paar an der Rückseite
der Schilddrüse findet. Sie produzieren das Parathormon, welches im engen
Zusammenhang mit dem Vitamin D und dem Calcitonin den Kalziumhaushalt des
menschlichen Körpers reguliert.
Wirkung des Parathormons:
- mobilisiert Kalzium aus dem Knochen, indem es die Osteoklasten zum Knochenabbau
stimuliert.
- vermindert die Kalziumausscheidung und fördert die Phophatausscheidung durch die
Niere.
- fördert die Resorption von Kalzium im Darm.
Dadurch kommt es zu einem Anstieg der Kalziumkonzentration im Blut!
Ein hoher Kalziumspiegel im Blut hemmt, ein niederer Blut-Kalziumspiegel fördert die
Ausschüttung von Parathormon aus der Nebenschilddrüse.
12.7 Nebenniere - Glandula suprarenalis
Die Nebennieren sind lebensnotwendige Hormondrüsen, die aus zwei Organen
unterschiedlicher Funktion aufgebaut sind - der Nebennierenrinde und dem
Nebennierenmark. Die Nebennieren liegen unter der Nierenfettkapsel dem oberen Pol der
Nieren auf, wobei die rechte NN eine dreieckige und die linke NN eine halbmondförmige
Gestalt aufweisen.
12.7.1 Nebennierenrinde
Diese besteht aus 3 untereinander angeordneten Zonen, die jeweils verschiedene
Hormone produzieren und altersabhängigen Veränderungen unterworfen sind.
- Zona glomerulosa: äußerste Schicht mit knäuelartig gewundenen Zellsträngen; in ihr
werden die Mineralokortikoide gebildet, die den Salz - und Wasserhaushalt regulieren.
- Zona fasciculata: breite Mittelschicht mit parallelen Strängen fetthaltiger Zellen; in ihr
werden die Glukokortikoide gebildet.
- Zona reticularis: innerste Schicht mit netzartigen Zellsträngen; in ihr werden eine
geringe Menge Sexualhormone, hauptsächlich Androgene gebildet.
12.7.1.1 Hormone der Nebennierenrinde:
Glukokortikoide: Das CRH - Corticotropin Releasing Hormon aus dem Hypothalamus regt
die Ausschüttung von ACTH in der Hypophyse an, welches wiederum die
Glukokortikoidausschüttung in der NNR steuert. Niedere Glukokortikoidspiegel im Blut
fördern, hohe Spiegel hemmen die ACTH und CRH Ausschüttung. (Regelkreis)
Die wichtigsten Glukokortikoide sind das Cortisol, Cortison und das Corticosteron.
Wirkungen:
- 91 -
-
erhöhen den Blutzuckerspiegel durch Erhöhung der Glukoneogenese (Neubildung
von Glukose) in der Leber und Verminderung der Glukoseverwertung in den Zellen
Erhöhung des Eiweiß - und Fettabbaus
Abnahme der Lymphozyten und Hemmung der Phagozytose (immunsuppressiver,
entzündungshemmender Effekt)
Antiallergischer Effekt durch Hemmung überschießender Immunreaktionen.
Osteoporotischer Effekt
Wegen der antiallergischen und immunsuppressiven Wirkung werden die Glukokorticoide
(Kortison) zur Therapie von chronischen Entzündungen, Allergien und
Autoimmunerkrankungen verwendet.
Vermehrte Sekretion von Glukokortikoiden oder chronische medikamentöse Zufuhr von
Cortison führen zum MORBUS CUSHING mit Stammfettsucht, Vollmondgesicht, erhöhten
BZ-Werten und RR-Werten, Muskelschwund und Osteoporose.
Mineralokortikoide: Das wichtigste Mineralokortikoid ist das Aldosteron, dessen
Ausschüttung durch das Hormon Renin aus der Niere gesteuert wird. Es fördert die
Natrium - und Wasserrückresorption und die Kaliumausscheidung in der Niere.
Androgene: Das wichtigste Hormon dieser Gruppe ist das Dehydroepiandrosteron, das
sowohl beim Mann als auch bei der Frau gebildet wird. Es wirkt anabol und führt in der
Pubertät zu einem Wachstumsschub.
Es kann sowohl in Östrogen als auch in Testosteron umgewandelt werden.
12.7.2 Nebennierenmark
Das NNM gehört eigentlich dem sympathischen Nervensystem an und ist keine Drüse im
engeren Sinn. Die Zellen des Marks lassen sich in Adrenalin produzierende A-Zellen und
Noradrenalin produzierende N-Zellen einteilen. Noradrenalin und Adrenalin gehören zu
den Katecholaminen und sind Neurotransmitter des sympathischen Nervensystems, die
besonders in Stresssituationen eine Rolle spielen. Unter ihrem Einfluss kommt es zu einer
Erhöhung der Herztätigkeit, zu vermehrter Durchblutung der Skelettmuskulatur, Blockade
von Denkvorgängen zu Gunsten vorprogrammierter Reflexe.
PHÄOCHROMOCYTOM: Meist gutartiger Tumor des Nebennierenmarks mit
Überproduktion der Katecholamine mit Bluthochdruck, Schwitzen, Kopfschmerzen,
Herzklopfen.
12.8 Hormondrüsen ohne Steuerung durch die Hypophyse
Neben den Hormondrüsen, die direkte Steuerbefehle von der Hypophyse erhalten,
existieren auch Hormondrüsen, die nicht durch die Hypophyse gesteuert werden.
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Dazu gehört die Bauchspeicheldrüse. Hier werden über eigene
Regelkreise die Reaktion auf die Inhaltsstoffe der Nahrung und der
Blutzuckerspiegel kontrolliert. Dies geschieht mit Hilfe der Hormone
Insulin und Glukagon. Die Freisetzung von Insulin wird also über den
Blutzuckerspiegel gesteuert.
Auch die Zirbeldrüse (Epiphyse) wird nicht über den Hypothalamus
und die Hypophyse gesteuert. Sie produziert das Hormon Melatonin.
Es hat Einfluss auf die "innere Uhr" des Menschen, auf den
Alterungsprozeß und den Schlaf - Wachrhythmus.
Im Nebennierenmark werden die Hormone
Adrenalin und Noradrenalin produziert. Die
Produktion dieser Stoffe wird in Gefahren - und
Stresssituationen
direkt
über
autonome
Nervenimpulse gesteuert.
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13 GESCHLECHTSORGANE
Die äußeren und inneren Geschlechtsorgane entwickeln sich während der Embryonalzeit
bei beiden Geschlechtern aus einer identen, indifferenten Anlage. Sie differenzieren sich
im Laufe der Entwicklung, je nachdem, ob der Chromosomensatz des heranwachsenden
Embryos weiblich (23 XX) oder männlich (23 XY) angelegt ist, in die unterschiedlichen
geschlechtsspezifischen Organe.
Es werden primäre und sekundäre Geschlechtsmerkmale unterschieden, wobei zu den
primären die inneren und äußeren Geschlechtsorgane gehören, zu den sekundären zählt
man jene, die sich während der Pubertät unter dem Einfluss der geschlechtsspezifischen
Hormone entwickeln. Das sind die unterschiedliche Körperbehaarung von Mann und
Frau, das Wachsen des Kehlkopfes (Adamsapfel) beim Mann, aber auch der kräftigere
männliche Körperbau und die vermehrte Muskelmasse. Bei der Frau zählt man das Brustwachstum und die Regelblutung dazu.
Bereits ab der 4. Embryonalwoche bilden sich paarige Genitalleisten aus, in die sich die
noch undifferenzierten Urkeimzellen einnisten. Je nach dem chromosomalen Geschlecht
entwickeln sich daraus die entsprechenden Geschlechtsdrüsen (Gonaden), also entweder
die Eierstöcke oder die Hoden. In der 6. Woche bilden sich die beiden Genitalgänge,
der Urnierengang oder Wolff-Gang, und der Müller-Gang aus.
Ab der 7. Schwangerschaftswoche beginnt die Entwicklung der unterschiedlichen
Geschlechtsorgane je nach genetisch determiniertem Geschlecht. Ganz wesentlich für die
Entwicklung männlicher oder weiblicher Geschlechtsorgane ist ein Gen, welches sich am
kurzen Arm des Y-Chromosoms befindet. Dieses SRY-Gen beinhaltet den Code für den
Hoden-determinierenden Faktor. Dieser Faktor bewirkt nun die Differenzierung der
ursprünglichen embryonalen Genitalanlage in Richtung männlich. So kann sowohl
Testosteron in den sich differenzierenden Leydig - Zellen als auch das Anti-Müller-Hormon
gebildet werden.
Das Testosteron induziert die Ausbildung der männlichen Geschlechtsorgane, das
Anti-Müller-Hormon bewirkt die Rückbildung der Müller’schen Gänge beim männlichen
Embryo. Aus den erhalten gebliebenen Wolff-Gängen entstehen Nebenhoden, Samenleiter und Bläschendrüsen. Die Prostata entwickelt sich aus dem Urogenitalkanal, aus dem
auch Harnblase und Harnröhre entstehen.
Beim weiblichen Geschlecht fehlt aufgrund der genetischen Konstellation (XXChromosomen) die Bildung von Testosteron und Anti-Müller-Hormon. Der Müller-Gang
bleibt also erhalten und entwickelt sich zu Gebärmutter, Eileiter und oberem Scheidenteil
weiter. Der untere Teil der Vagina, die Harnblase und die Harnröhre entstammen wiederum
dem Urogenitalkanal.
Die äußeren Geschlechtsorgane entwickeln sich ab der 9. Embryonalwoche in eine
männliche oder eine weibliche Richtung. Bis zu diesem Zeitpunkt besteht eine gemeinsame
Anlage aus Genitalhöcker, Genitalwülsten und Genitalfalten.
13.1. Anatomie der männlichen Geschlechtsorgane
Die inneren Geschlechtsorgane des Mannes setzen sich aus dem Hoden (Testis), dem
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Nebenhoden (Epididymis), dem Samenleiter (Ductus deferens), der Vorsteherdrüse
(Prostata), der Bläschendrüse (Glandula vesiculosa) und der Cowper‘schen Drüse
zusammen.
Zu den äußeren männlichen Geschlechtsorganen zählen das männliche Glied (Penis)
und der Hodensack (Skrotum).
13.1.1. Hoden – Testis
Die paarigen, pflaumengroßen Hoden sind die Keimdrüsen des Mannes. Sie liegen im
Hodensack, obwohl sie sich während der Embryonalzeit in der Bauchhöhle entwickeln. Die
Wanderung der Hoden in den Hodensack (Descensus testis) sollte bei der Geburt des
Knaben abgeschlossen sein, dies gilt als Reifezeichen. Der Grund, dass die Hoden aus der
Bauchhöhle in den Hodensack (Skrotum) verlagert werden, ist die Intoleranz der Spermien
für Wärme.
Die Hoden hängen eingehüllt von mehreren bindegewebigen Hodenhüllen und Faszien am
Samenleiter (Ductus deferens) innerhalb des Hodensackes. Seinem oberen Pol liegt der
Nebenhoden (Epididymis) wie eine Kappe direkt auf. Der Hodensack besteht aus mehreren
bindegewebigen Schichten, die äußere Hodenhaut liegt locker ihrer Unterlage auf. Der
Hoden selbst ist von einer derben weißen Bindegewebsschicht, der Tunica albuginea,
eingehüllt. Um diese herum befinden sich die beiden serösen Hüllen des Hodens, sie
entsprechen dem Peritoneum viscerale und dem Peritoneum parietale, welche während
des Descensus des Hodens aus der Bauchhöhle mit ausgestülpt wurden.
In seinem Inneren wird der Hoden durch Bindegewebssepten in etwa 300 Läppchen
unterteilt, in denen die stark gewundenen Hodenkanälchen liegen. An dem dem
Nebenhoden zugewandten Rand befindet sich das bindegewebige Zentrum des Hodens
(Mediastinum testis), in dem sich die Kanälchen des Hodennetzes (Rete testis) und
Blutgefäße befinden. Das Rete testis besteht aus zahlreichen geraden Hodenkanälchen,
die in die Kanälchen des Nebenhodens übergehen. Die Nebenhodenkanälchen sind
eigentlich die Fortsetzung der Hodenkanälchen.
In den Hodenkanälchen findet man drei unterschiedliche Zellarten. Einer zarten
Basalmembran liegen im Inneren der Hodenkanälchen Sertoli-Stützzellen auf, welche den
Kanälchen eine gewisse Festigkeit geben. Dazwischen befinden sich die LeydigZwischenzellen, die für die Synthese der männlichen Geschlechtshormone (Testosteron,
Androgene) im Hoden verantwortlich sind. Als dritte Zellart findet man in den
Hodenkanälchen die Samenzellen, aus denen im Verlauf der Spermatogenese
(Spermienbildung) die Spermien heranreifen.
Die Funktion des Hodens ist demnach die Bildung des Testosterons und die Reifung der
Spermienzellen unter dem Einfluss des FSH (Follikelstimulierendes Hormon) und LH
(Luteinisierendes Hormon) des Hypophysenvorderlappens.
13.1.2. Nebenhoden und Samenleiter
Der Nebenhoden liegt dem oberen hinteren Pol des Hodens auf und lässt sich in einen
kranialen Nebenhodenkopf, einen mittleren Nebenhodenkörper und einen kaudal
gelegenen Nebenhodenschwanz unterteilen, wobei dieser am unteren Ende des
Nebenhodens in den Samenleiter (Ductus deferens) übergeht.
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Der Nebenhoden (Epididymis) besteht aus dem stark gewundenen Nebenhodengang,
dessen Wand aus glatter Muskulatur mit einer inneren Auskleidung von
Flimmerepithelzellen besteht. Im Nebenhoden werden die Spermienzellen gereift und
gespeichert, durch Kontraktion der glatten Muskelzellen werden sie in den Samenleiter, im
Wesentlichen auch ein Muskelschlauch, weitergeleitet. Die schlagenden Flimmerhärchen
unterstützen den Transport der Spermien.
Der Samenleiter (Ductus deferens) ist ein 30–40 cm langer Muskelschlauch, welcher aus
dem Nebenhodenschwanz hervorgeht. Er mündet in die Harnröhre und befördert während
der Ejakulation die Spermien in die Harnsamenröhre des Penis. Der Samenleiter zeigt einen
interessanten Verlauf, da er während des Descensus testis die Wanderung des Hodens aus
der Bauchhöhle mitgemacht hat. Er beginnt am kaudalen Ende des Nebenhodens, zieht
hinter ihm nach oben, um gemeinsam mit Blutgefäßen und Nerven den sogenannten
Samenstrang (Funiculus spermaticus) zu bilden. Danach zieht er unter dem Leistenband
(Ligamentum inguinale) durch den Leistenkanal hindurch in die Bauchhöhle. In der
Bauchhöhle verläuft der Ductus deferens bedeckt vom Peritoneum parietale entlang der
Bauchwand in das kleine Becken, bis er unterhalb der Harnblase zur Prostata gelangt. Diese
durchbricht er von seitlich hinten, um dann wie der Samenleiter der Gegenseite innerhalb
der Prostata in die Harnröhre einzumünden.
13.1.3. Vorsteherdrüse (Prostata) und andere Drüsen
Die Vorsteherdrüse ist eine unpaare Drüse, sie liegt zwischen der Harnblase und dem
Beckenboden des Mannes und wird vom Verlauf der Harnröhre durchzogen. Sie hat die
Form und Größe einer Kastanie, ihre Basis zeigt zur Harnblase, ihre Spitze gegen den
Beckenboden.
Die Prostata besteht aus zahlreichen Einzeldrüsen, die mit vielen kleinen
Ausführungsgängen in die Harnröhre münden. Das leicht saure Prostatasekret macht etwa
30 % des Spermas aus, es enthält Enzyme, welche die Beweglichkeit der Spermien erhöhen
und dem Sperma seinen typischen Geruch verleihen.
Die längliche Bläschendrüse (Glandula vesiculosa) liegt paarig an der Hinterseite der
Harnblase und mündet in den Samenleiter, bevor dieser in die Prostata eintritt. Das Sekret
der Bläschendrüsen macht 70 % des Ejakulates aus, es ist basisch und enthält Nährstoffe für
die Spermien.
Innerhalb der Beckenbodenmuskulatur liegt noch ein weiteres kleines Drüsenpaar, die
Cowper‘schen Drüsen, welche unterhalb der Prostata in die Harnröhre münden. Ihr
schleimiges Sekret soll die Harnröhre reinigen und die Eichel gleitfähig machen.
13.1.4. Glied – Penis
Der Penis gehört zu den äußeren Geschlechtsorganen, er dient der Kopulation und der
Harnausscheidung. Er wird in seiner gesamten Länge von der Harnsamenröhre
durchzogen. Der Penis besteht aus einer Wurzel (Radix penis), dem Körper (Corpus penis)
und der an der Penisspitze sitzenden Eichel (Glans penis), welche von der Vorhaut
(Präputium) bedeckt ist. Er besitzt insgesamt drei Schwellkörper, einen paarigen Penisschwellkörper (Corpus cavernosum penis) an der Penisoberseite und den unpaaren Harnröhrenschwellkörper (Corpus spongiosum penis) an der Unterseite des Penis, welcher die
Urethra beherbergt und an dessen Ende die Eichel sitzt. Die Penisschwellkörper sind mit
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den Schambeinästen und dem Diaphragma urogenitale des Beckenbodens fest verbunden.
Jeder Schwellkörper ist von einer bindegewebigen Hülle umgeben, gemeinsam liegen sie
innerhalb einer Faszie. Die äußere Penishaut sitzt mit ihrer fettarmen Subcutis dieser Faszie
locker verschieblich auf.
Die Schwellkörper bestehen aus venösen Blutleitern, in die Blut hineingepumpt werden
kann, um eine Erektion des Gliedes zu erzielen. Der Harnröhrenschwellkörper bleibt bei der
Erektion weicher, damit er kein Hindernis für den Samenerguss durch die Harnröhre
darstellt.
13.2. weibliche Geschlechtsorgane
Auch bei den weiblichen Geschlechtsorganen lassen sich innere und äußere unterscheiden.
Zu den inneren zählt man die Eierstöcke (Ovarien) die Eileiter (Tuba uterina), die
Gebärmutter (Uterus) und die Scheide (Vagina). Eierstöcke und Eileiter werden zusammen
als Adnexe bezeichnet, was so viel wie „Anhängsel“ des Uterus bedeutet.
Die äußeren weiblichen Geschlechtsorgane (Vulva) setzen sich aus dem Scheidenvorhof
(Vestibulum vaginae), den großen und kleinen Schamlippen (Labia majores et minores),
dem Schamberg (Mons pubis) und dem Kitzler (Clitoris) zusammen.
13.2.1. Eierstock (Ovarium) und Eileiter (Tuba uterina)
Die Eierstöcke sind die paarig angelegten Keimdrüsen der Frau, sie liegen intraperitoneal
im kleinen Becken. Eierstock und auch Eileiter sind durch Bänder mit der Gebärmutter
(Uterus) und der seitlichen Beckenwand verbunden.
Das breite Gebärmutterband (Ligamentum latum uteri) ist eine Peritonealduplikatur,
welche flächig von der Gebärmutter zur seitlichen Beckenwand zieht. Sowohl das Ovar als
auch der Eileiter sind durch weitere Bänder am Ligamentum latum beweglich fixiert.
Der zur Gebärmutter gerichtete Pol des Ovars ist noch über das Eierstockeigenband
(Ligamentum ovarii proprium) mit der Gebärmutter und der laterale Pol über das
Aufhängeband des Eierstocks (Ligamentum suspensorium ovarii) mit der seitlichen
Beckenwand verbunden.
Das Ovar ist ein ovales Organ von etwa 3–4 cm Länge, es liegt intraperitoneal. Unter einer
bindegewebigen Organkapsel befindet sich die Rindenzone des Ovars, in welcher die
Eizellen in den Follikeln heranreifen. Pro Eierstock sind beim neugeborenen Mädchen bis
zu 500 000 Primärfollikel, welche die Keimzellen beinhalten, angelegt. Diese reduzieren
sich bis zum 20. Lebensjahr auf etwa 200.000, ab der Pubertät reifen bis zur Menopause
etwa 400 dieser Follikel heran.
Im Zentrum des Eierstocks liegt die Markzone, welche im Wesentlichen aus Bindegewebe
und den versorgenden Gefäßen besteht.
Der Eileiter (Tuba uterina) ist ein etwa 12–15 cm langer Muskelschlauch, welcher am
Oberrand des Ligamentum latum uteri von der Gebärmutter zum Eierstock verläuft. Mit
der Gebärmutter ist er fest verwachsen, sein ovariales Ende ist zum Fimbrientrichter
(Infundibulum) erweitert, welcher sich beim Eisprung über das Ovar stülpt, um das Ei
aufzufangen und in die Gebärmutter zu befördern. Unter Fimbrien versteht man
fächerförmige Fransen am freien Ende des Eileiters, welche das aus dem Eierstock
entlassene Ei in die trichterförmige Öffnung des Eileiters transportieren. Die Befruchtung
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des Eies durch die Spermienzelle findet im Eileiter statt, wellenförmige Bewegungen
(Peristaltik) der glatten Muskulatur und das Flimmerepithel des Eileiters bewegen das
Ei in Richtung Gebärmutter.
13.2.2. Gebärmutter – Uterus
Der Uterus ist bei Frauen, die noch nie geboren haben, ein etwa hühnereigroßes
Hohlorgan, wobei seine Muskelschicht sehr dick ist und der innere Hohlraum sehr schmal.
Der Uterus befindet sich in der Mitte des kleinen Beckens, er liegt nach vorne gebogen der
Harnblase auf. Bei Füllung der Harnblase richtet sich die Gebärmutter entsprechend gegen
das große Becken auf.
Am Uterus lassen sich der Uterusgrund (Fundus uteri), der Uteruskörper (Corpus uteri) und
der Uterushals (Cervix uteri) unterscheiden. Der Fundus ist der gewölbte Anteil oberhalb
der Mündungsstelle der Eileiter, die Cervix uteri der schlanke Halsteil, der sich nach oben
über den inneren Muttermund (Ostium uteri internum) und nach unten über den äußeren
Muttermund (Ostium uteri externum) in die Scheide öffnet.
Im Frontalschnitt fällt die dreieckige Form der Uterushöhle auf, die beiden oberen Ecken
repräsentieren die Mündungsstellen der beiden Eileiter, die untere Spitze des Dreiecks
wird durch die Öffnung zur Scheide gebildet. Der untere Teil der Cervix ragt zapfenförmig
in die Scheide (Vagina) hinein, dieser Cervixteil wird Portio uteri (Scheidenteil der
Gebärmutter) genannt. Seine Öffnung ist der äußere Muttermund (Ostium uteri
externum).
Im Querschnitt fällt auch die dicke Muskelschicht der Gebärmutter, das Myometrium, auf,
welches außen vom Peritoneum (Perimetrium) der Bauchhöhle bedeckt ist. Die
Gebärmutterhöhle ist von einer zweischichtigen Schleimhaut (Endome trium)
ausgekleidet, welche aus einer Basalschicht und einer Funktionsschicht besteht, wobei die
Funktionsschicht die zyklischen Veränderungen während der Menstruation mitmacht und
regelmäßig abgestoßen wird.
Die Gebärmutter weist einen dreischichtigen Aufbau auf: Außen überzieht eine Serosa
(Perimetrium) das Organ, in der Mitte liegt eine kräftige Muskelschicht (Myometrium) und
innen befindet sich die Schleimhaut (Endometrium). Das Endometrium gliedert sich
wiederum in eine Basalzone (Basalis), welche der Muskelschicht eng verzahnt aufliegt, und
eine Funktionsschicht (Functionalis), die während der Menstruation abgestoßen wird.
Das breite Mutterband (Ligamentum latum uteri) fixiert den Uterus an der seitlichen
Bauchwand, an seinem oberen Rand verläuft der Eileiter vom Uterus zum Ovar. Auch die
Gefäße und Nerven der inneren weiblichen Geschlechtsorgane verlaufen in diesem Band.
13.2.3. Scheide (Vagina)
Die Scheide ist ein 8–10 cm langer Muskelschlauch aus glatter Muskulatur von der Portio
uteri bis zu ihrer Öffnung im Scheidenvorhof am Beckenboden, welche vor dem ersten
Geschlechtsverkehr vom Jungfernhäutchen (Hymen) teilweise verschlossen ist. Die
Scheidenschleimhaut besteht aus einem unverhornten mehrschichtigen Plattenepithel
und zeigt zahlreiche querverlaufende Falten, die durch Geburten zunehmend verstreichen.
Die Vaginalschleimhaut wird neben dem abgesonderten Zervixschleim auch von
einem Transsudat aus der Epithelschicht benetzt.
Die Vagina dient dem ungeborenen Kind als Geburtskanal. Die bindegewebige Brücke
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zwischen Scheide und Rektum, der Damm (Perineum), wird während des Geburtsvorgangs
manchmal eingeschnitten, um nicht einzureißen.
13.2.4. äußere weibliche Geschlechtsorgane – Vulva
Als Vulva fasst man den Schamberg (Mons pubis), die großen und kleinen Schamlippen
(Labia majora et minora), den Kitzler (Clitoris) und den Scheidenvorhof (Vestibulum
vaginae) zusammen.
Als Schamberg (Mons pubis) bezeichnet man die Erhebung vor und oberhalb der
Symphyse, welche bei der geschlechtsreifen Frau von Schamhaaren bedeckt ist. Er setzt
sich nach hinten unten in die großen Schamlippen (Labia majora) fort, die den
Scheideneingang bedecken und deren Haut ebenfalls Schamhaare besitzt. Die Haut der
Innenseite der Schamlippen ähnelt eher einer Schleimhaut. Verdeckt von den großen
Schamlippen liegen die kleinen Schamlippen (Labia minora), die als zarte dünne Hautfalten
den Scheidenvorhof (Vestibulum vaginae) einrahmen. Sie treffen sich an ihren ventralen
Enden im Bereich des Kitzlers (Clitoris). Die Klitoris besteht aus den paarigen
Klitorisschwellkörpern (Corpora cavernosa clitoris), analog den Penisschwellkörpern. Auch
sie schwellen bei sexueller Erregung an, indem ihre Venen mit Blut gefüllt werden.
In den Scheidenvorhof, jenen Bereich zwischen den kleinen Schamlippen, münden vorne
die Harnröhre und dahinter die Scheide nach außen. Der Scheideneingang ist bei der
Jungfrau in der Regel nicht vollständig vom Jungfernhäutchen verschlossen.
Die Haut der großen Schamlippen ist mit zahlreichen Duftdrüsen bestückt, im Bereich der
kleinen Schamlippen sitzen am Scheidenausgang die beiden Bartholini-Drüsen zum
Befeuchten der Scheide. Ihnen entsprechen die Cowper‘schen Drüsen beim Mann.
13.2.5. Brustdrüse – Mamma
Die Brustdrüse sitzt den darunterliegenden Muskelfaszien verschieblich auf und lässt sich
in einen Drüsenkörper und einen Fettgewebskörper, in den das Drüsenparenchym
eingebettet ist, unterteilen. Die weibliche Brust macht während der Pubertät eine
Wachstums- und Reifungsphase durch und unterliegt danach den hormonellen Einflüssen
der weiblichen Geschlechtshormone.
In der Schwangerschaft nimmt sie an Volumen zu, um nach der Geburt ausreichend
Muttermilch für das zu stillende Kind sezernieren zu können. Die Milchproduktion wird
durch das Hormon Prolaktin angeregt und der Milchfluss vom Oxytocin gesteuert.
Der Drüsenkörper der weiblichen Brust ist in etwa 20 durch Bindegewebssepten getrennte
Lappen unterteilt, wobei jeder Lappen einen Ausführungsgang (Ductus lactiferus) besitzt,
der an der Brustwarze (Mamille) mündet. Die Lappen sind wiederum aus kleineren
Läppchen zusammengesetzt, in denen sich zahlreiche Milchsäckchen (Alveolen) befinden,
deren kleinere Milchgänge in den jeweiligen größeren Ausführungsgang eines Lappens
münden. Vollständig ausgebildet werden die Milchsäckchen erst während der
Schwangerschaft. Sonst überwiegen weitgehend das Bindegewebe und das Fettgewebe.
Die Alveolen und die Ausführungsgänge sind mit einem kubischen Epithel ausgekleidet und
von glatten Muskelzellen, welche sich zum Auspressen der Milch kontrahieren können,
umgeben. Das Hormon Oxytocin entfaltet seine Wirkung an dieser glatten Muskulatur und
ermöglicht den Milchfluss. Um die Brustwarze herum befinden sich zahlreiche Duftdrüsen.
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13.2.6. Geschlechtshormone
Man unterscheidet Steuerhormone aus dem Hypothalamus und aus dem
Hypophysenvorderlappen, welche sowohl beim Mann als auch bei der Frau die Freisetzung
der Effektorhormone aus Hoden und Ovar beeinflussen.
Spezielle Steuerhormone des Hypothalamus, die Gonadotropin-Releasing-Hormone
(GnRH), regen den Hypophysenvorderlappen zur Sekretion des follikelstimulierenden
Hormons (FSH) und des luteinisierenden Hormons (LH) an. Diese bewirken die Freisetzung
des Androgens Testosteron im Hoden und der Östrogene und Gestagene im Ovar.
Die unterschiedlichen Geschlechtshormone, ihr Bildungsort und ihre Wirkung
Die Geschlechtshormone sind Steroidhormone, ihr Grundbaustein ist das Cholesterin.
Androgene werden bei beiden Geschlechtern in der Nebennierenrinde, beim Mann
zusätzlich im Hoden und bei der Frau im Ovar gebildet. Das wichtigste Androgen ist das
Testosteron, welches beim Mann in einer wesentlich höheren Konzentration vorkommt als
bei der Frau. Bei beiden Geschlechtern bewirkt es während der Pubertät das
Körperwachstum, die Entwicklung der Skelettmuskulatur und fördert die Mineralisierung
der Knochen. Ein Zuviel an Androgenen kann bei der Frau zur Vermännlichung
(Virilisierung) führen.
Beim Mann wird das Testosteron unter dem Einfluss des luteinisierenden Hormons (LH) in
den Leydig-Zwischenzellen des Hodens gebildet. Es bewirkt während der Pubertät das
Wachstum und die Reifung der primären Geschlechtsmerkmale, also des Hodens, des
Nebenhodens und des Penis, und die Ausbildung der sekundären männlichen
Geschlechtsmerkmale wie Bartwuchs, tiefe Stimme, Muskelwachstum und verstärkte
Körperbehaarung. Es hat einen steigernden Einfluss auf das sexuelle Verlangen (Libido)
und bewirkt ein aggressiveres Verhalten. Im Hoden ist es an der Reifung der
Spermienzellen beteiligt.
Östrogene werden unter dem Einfluss des follikelstimulierenden Hormons in den
Follikelzellen der Eierstöcke und auch im Fettgewebe gebildet. Während der
Schwangerschaft findet in der Plazenta die Östrogenproduktion statt. Östrogene bewirken
das Heranreifen der primären und sekundären weiblichen Geschlechtsmerkmale, wie das
Wachsen der weiblichen Brust in der Pubertät. Die Östrogene werden im Ovar in der ersten
Zyklushälfte gebildet und bewirken das Heranwachsen der Gebärmutterschleimhaut
(Proliferation), um diese für ein befruchtetes Ei vorzubereiten. Jener Anteil an Östrogenen,
der im Fettgewebe (Bauchfett) entsteht, kann beim Mann im fortgeschrittenen Alter durch
den relativen Testosteronmangel zu einer Verweiblichung mit einer Brustvergrößerung
(Gynäkomastie) führen.
Östrogene fördern das Skelettwachstum und die Härtung des Knochens und am Ende der
Pubertät den Verschluss der Epiphysenfugen, sie fördern die Blutgerinnung und auch die
Entstehung von Thromben und greifen in den Fettstoffwechsel und den
Eiweißstoffwechsel ein.
Gestagene werden vom Gelbkörper (Corpus luteum) unter dem Einfluss des
luteinisierenden Hormons in der zweiten Zyklushälfte im Ovar gebildet. Das wichtigste
Gestagen ist das Progesteron, es bewirkt die Einlagerung von Glukose in die
Gebärmutterschleimhaut (Sekretionsphase), um Energie für das befruchtete Ei
bereitzustellen. Gestagene verändern den Schleim im Gebärmutterhals, um das
Durchwandern der Spermien zu ermöglichen, und sie fördern die Ausbildung der
Brustdrüse.
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13.2.7. Menstruationszyklus
Unter dem Menstruationszyklus versteht man den immer wiederkehrenden Aufbau der
Gebärmutterschleimhaut zur Vorbereitung einer Schwangerschaft und deren Abstoßung
bei Ausbleiben einer Schwangerschaft. Ein Zyklus dauert etwa 28 Tage und wiederholt sich
ständig bei der nicht schwangeren, gebärfähigen Frau zwischen Pubertät und Menopause.
Der Menstruationszyklus lässt sich in vier Phasen unterteilen, er beginnt am ersten Tag der
Regelblutung mit der Desquamationsphase (Menstruationsphase), auf die hintereinander
die Proliferationsphase, Sekretionsphase und Ischämiephase folgen, bis wiederum die
neue Regelblutung beginnt.
Die Menstruation läuft unter dem Einfluss der Hypophysenvorderlappenhormone FSH und
LH und in der Folge des Östrogens und Progesterons aus dem Ovar ab.
Der weibliche Zyklus kann entsprechend der Sekretion dieser Hormone in eine
Follikelphase, eine Ovulationsphase und eine Gelbkörperphase unterteilt werden. Die
Follikelphase entspricht der ersten Zyklushälfte, die Ovulationsphase dem Eisprung in der
Zyklusmitte und die Gelbkörperphase der zweiten Zyklushälfte.
1. Phase – Follikelphase
Unter dem Einfluss des follikelstimulierenden Hormons aus dem Hypophysenvorderlappen
reifen einige Primärfollikel im Ovar zu Sekundärfollikeln heran. Im weiteren Verlauf setzt
sich ein dominanter Follikel durch, welcher sich in der Folge zum Tertiärfollikel und
schließlich zum sprungbereiten Graaf- Follikel weiterentwickelt. Die übrigen stimulierten
Follikel gehen zugrunde.
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Primärfollikel bestehen aus einer zirkulär um die zentrale Keimzelle angeordneten Reihe
aus kubischen Follikelzellen. Diese Zellschichten nehmen während der Follikelreifung zum
Sekundär- und Tertiärfollikel zu, bis mehrere Zellschichten um die Keimzelle angeordnet
sind. Beim sprungreifen Graaf-Follikel wird innerhalb der Follikelzellschicht eine
flüssigkeitsgefüllte Follikelhöhle um die Eizelle herum ausgebildet, um durch die Flüssigkeit
den Druck auf die Follikelzellwand zu erhöhen. Die Follikelzellen produzieren Östrogene,
welche wiederum auf die Gebärmutterschleimhaut wirken und ihre Drüsen zum Wachsen
anregen. Östrogen bewirkt an der Uterusschleimhaut (Endometrium) die
Proliferationsphase, die Functionalis nimmt an Höhe zu.
2. Phase – Ovulationsphase
Um den 14. Zyklustag steigt die Ausschüttung des luteinisierenden Hormons aus dem
Hypophysenvorderlappen sprunghaft an, wodurch im Ovar der Eisprung (Ovulation)
hervorgerufen wird. Dabei platzt der Graaf-Follikel, welcher sich nun ganz dicht an der
Oberfläche des Eierstocks befindet, und die Eizelle wird mit der Flüssigkeit in den
Fimbrientrichter des Eileiters, welcher sich schon vorher über genau diese Stelle gelegt hat,
geschleudert. Das Ei wandert nun entlang des Eileiters in Richtung Gebärmutter.
MERKE!!! Im Eileiter treffen Eizelle und Spermienzelle aufeinander, die Befruchtung findet
also im Eileiter statt. Eizellen sind nach dem Eisprung etwa 24 Stunden befruchtungsfähig,
Spermienzellen können sogar 3–5 Tage im Körper der Frau überleben.
3. Phase – Gelbkörperphase
Das nach dem Eisprung im Ovar verbleibende Follikelepithel des Graaf-Follikels baut sich
zum Gelbkörper (Corpus luteum) um und beginnt seinerseits mit der Bildung des
„Gelbkörperhormons“ Progesteron. Dieses bewirkt an der Uterusschleimhaut
(Endometrium) eine bessere Durchblutung und die Einlagerung von Glykogen
(Speicherform der Glukose) als Energiequelle für das befruchtete Ei, falls es dazu kommen
sollte. Diese Phase des Menstruationszyklus heißt Sekretionsphase. Das Endometrium wird
also für eine etwaige Schwangerschaft vorbereitet und Zucker für die Versorgung der
befruchteten Eizelle (Zygote) bereitgestellt.
Bleibt jedoch eine Befruchtung aus, bildet sich der Gelbkörper im Eierstock zurück und
die Progesteronproduktion sinkt. Dadurch wird die Durchblutung der Schleimhaut des
Uterus gedrosselt, die Gebärmutterschleimhaut stirbt ab (Ischämiephase) und wird
ausgestoßen.
Die Dequamationsphase oder Menstruationsphase eines neuen Zyklus beginnt.
MERKE!! Als erster Tag des Menstruationszyklus wird der erste Tag der Regelblutung
gezählt.
Kommt es zu einer Befruchtung und in der Folge zu einer Schwangerschaft, dann bleibt
der Gelbkörper und in der Folge die Gebärmutterschleimhaut bestehen, bis die
Progesteronproduktion von der Plazenta übernommen wird.
MERKE!!! Eine vollständig ausgetragene Schwangerschaft dauert 40 Wochen, wenn sie vom
ersten Tag der letzten Regelblutung der Frau gerechnet wird, oder 38 Wochen, wenn sie
vom letzten Eisprung und somit vom Zeitpunkt der Befruchtung berechnet wird.
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Oogenese (Eireifung):
Die Entwicklung der menschlichen Keimzellen (Gameten) zu befruchtungsfähigen Eizellen
läuft in drei Phasen ab:
Noch vor der Geburt, also während der Fetalzeit, entstehen durch Differenzierung
der Urkeimzellen (Gonozyten) in den Eierstöcken die Ureizellen (Oogonien). Diese
vermehren sich durch mitotische Teilung, sodass am Ende dieser Vermehrungsphase 1–2
Millionen solcher Zellen mit diploidem Chromosomensatz vorliegen. Bis zur Geburt hat sich
die Anzahl der Oogonien auf etwa 700.000 bis 1 Million reduziert. In der daran
anschließenden Wachstumsphase treten die Oogonien noch vor der Geburt des Mädchens
in die erste Reifeteilung der Meiose ein und werden ab da Oozyten 1. Ordnung genannt. Sie
verharren in diesem Stadium bis zur Geschlechtsreife (Pubertät) der Frau.
Da zahlreiche Oogonien I bis zur Pubertät degenerieren, sind bis dahin nur mehr etwa
400.000 von ihnen vorhanden. Ab der Pubertät laufen weitere Schritte der Teilung und
Ausreifung zur Eizelle ab, diese Phase heißt entsprechend Reifephase. In jedem Zyklus
beenden einige Oozyten 1. Ordnung die 1. Reifeteilung der Meiose und werden fortan
Oozyten 2. Ordnung genannt. Diese Oozyten II treten in die 2. Reifeteilung ein und meist
vollendet nur eine davon diesen Schritt, indem sie von einer Spermienzelle befruchtet wird.
Erst jetzt besitzt sie einen einfachen (haploiden) Chromosomensatz und wird Eizelle
(Ovum) genannt.
Wir erinnern uns, dass nach der 1. mitotischen Reifeteilung eine Oozyte 2. Ordnung und ein
Polkörperchen und nach der 2. Reifeteilung eine Eizelle und drei Polkörperchen entstanden
sind, da sich auch die Polkörperchen teilen.
Die weibliche Keimzelle ist zunächst von einem Saum eines einschichtigen Follikelepithels
umgeben, welches während der Wachstums- und Reifephase mehrschichtig wird und das
Hormon Östrogen produziert.
- 103 -
14 HARNORGANE
Zu den Harnorganen zählen die Niere (Ren) und die ableitenden Harnwege. Dazu gehören
der Harnleiter (Ureter), die Harnblase (Vesica urinaria) und die Harnröhre (Urethra).
14.1 Niere - Ren
Die paarigen Nieren liegen jeweils retroperitoneal unterhalb des Zwerchfells und seitlich
der Wirbelsäule und reichen vom 12.Brustwirbel bis zum 3. Lendenwirbel. Die rechte Niere
liegt wegen der Größe der Leber etwas tiefer als die linke. Sie haben bohnenförmige
Gestalt und eine braunrote Farbe. Die Nieren sind im Durchschnitt 10-12 cm lang, 4 cm dick
und wiegen etwa 160g. Form, Größe und Lage sind allerdings großen individuellen
Schwankungen unterworfen. Die Niere ist von einer straffen Bindegewebskapsel und einer
dicken Fetthülle (Baufett) umgeben.
Am medialen Nierenrand liegt der Nierenhilus oder die Nierenpforte. An ihm treten die
Gefäße, Nerven und der Ureter in die Niere ein oder verlassen diese. Der Nierenhilus führt
in eine größere Bucht, den Sinus renalis, in dem in Fettgewebe eingebettet das
Nierenkelchsystem oder Nierenbecken liegt.
14.1.1
Feinstruktur der Niere
Halbiert man die Niere, so kann man schon mit bloßem Auge nach Farbe und Struktur eine
Rinden - und eine Marksubstanz unterscheiden.
An der konkaven Nierenseite liegt der Nierenhilus oder die Nierenpforte, dort befinden
sich das Nierenbecken, die Nierenarterie, Nierenvene, Nerven und Lymphgefäße.
Das Nierenbecken - Pelvis renalis ist eine bindegewebige Struktur, die den Harn, der aus
den Nierenpapillen träufelt, auffängt. Hier sammeln sich die ableitenden Harnwege zum
Harnleiter.
Die innere Schicht der Niere, das Nierenmark - Medulla renalis wird durch Ausläufer der
Rinde, die so genannten Rindensäulen, in 8-16 kegelförmige Markpyramiden unterteilt. In
ihnen laufen die geraden Anteile der Nierentubuli. An der Spitze der Markpyramiden
münden die Nierenpapillen mit zahlreichen mikroskopisch kleinen Öffnungen in die
Nierenkelche, welche den Harn zum Nierenbecken ableiten.
Außen liegt die Nierenrinde - Cortex renalis; Ihre körnige Außenschicht besteht aus den
Nierenkörperchen und den gewundenen Anteilen der Nierentubuli.
MERKE!!! In der Nierenrinde befinden sich die Nierenkörperchen (Malpighi Körperchen)
und die gewundenen Anteile der Nierentubuli, im Mark verlaufen die geraden Anteile
(und die Henle – Schleifen) der Tubuli. Dadurch bekommt die rinde ein „gekörntes“ und
das Mark ein „längsgestreiftes“ Aussehen.
- 104 -
Blutgefäße der Niere
Die Nieren sind stark durchblutete Organe, pro Minute strömen etwa 0,75 – 1,2l Blut durch
die Nieren. In 4-5 min. wird also die gesamte Blutmenge gefiltert. Das Blut durchströmt
mit den Glomeruli und den Tubuluskapillaren zwei Kapillargebiete hintereinander.
Nachdem das Blut von den harnpflichtigen Substanzen befreit wurde, verlässt es die Niere
über die Vena renalis, die Nierenvene.
Die Nierenarterie (eine rechte und eine linke) geht direkt von der Aorta ab und erreicht
über den Nierenhilus die Niere. Sie teilt sich in immer kleinere Äste auf, bis sie zwei
hintereinander geschaltete Kapillargebiete bildet.
Aufteilung der Nierengefäße:
Die Aorta gibt rechts und links je eine Nierenarterie, A. renalis, zu jeder Niere ab.
Sie tritt im Nierenhilus in die Niere ein und gibt zuerst die Zwischenlappenarterien - Aa.
interlobares ab. Diese laufen zwischen den Markpyramiden in Richtung Rinde und geben
die Bogenarterien - Aa. arcuatae in Höhe der Pyramidenbasen ab, um die sie bogenförmig
herumlaufen. Von den Bogenarterien gehen nun die Zwischenläppchenarterien - Aa.
interlobulares in Richtung Nierenkapsel ab, von denen die kleinen Arteriolen (Vas
afferens) zu jedem Nierenkörperchen (etwa 1 Million pro Niere) abzweigen. Sie bilden im
weiteren Verlauf zwei hintereinander geschaltete Kapillarnetze (Wundernetz), das erste
in den Glomeruli, das zweite umwickelt die Tubuli.
Ein Vas afferens (zuleitende arterielle Kapillare) zieht zu jedem Nierenkörperchen und wird
zu einem knäuelartigen Kapillargeflecht, dem Glomerulus. Es verlässt als Vas efferens
(ableitende arterielle Kapillare) wieder das Nierenkörperchen. Im Glomerulus wird der
unkonzentrierte Primärharn dem durchströmenden Blut abgepresst.
Das Vas efferens leitet das Blut durch ein weiteres Kapillarnetz um den Tubulusapparat.
Hier werden Wasser und Substanzen, die nicht ausgeschieden werden sollen, aus dem
Harn wieder ins Blut rückresorbiert; dabei wird der Primärharn zum Sekundärharn
konzentriert. Man bezeichnet solche Kapillarnetze in Folge als Wundernetze.
Das venöse Blut sammelt sich in immer größer werdenden Venen, die die Arterien
begleiten, und ergießt sich schließlich in die Nierenvenen; diese münden in die untere
Hohlvene (V. cava inf.)
Die Bauelemente der Niere - Nephron
In beiden Nieren gemeinsam sind etwa 2,5 Millionen Nephrone vorhanden. Sie bestehen
jeweils aus einem Nierenkörperchen - Malpighi Körperchen (Glomerulus + Bowman
Kapsel) und dem zugehörigen Harnkanälchensystem mit proximalem, intermediärem und
distalem Tubulus. Das Verbindungsstück leitet über zu den Sammelrohren. Letztere
münden an den Papillen der Markpyramiden und geben den Harn ins die Nierenkelche ab.
Jedes Nierenkörperchen besteht aus einem Kapillarknäuel - Glomerulus, und einer
umhüllenden Kapsel - der Bowman Kapsel mit einem inneren und einem äußeren Blatt.
Aus dem Blut wird nun das Glomerulusfiltrat - der Primärharn in den Raum zwischen den
beiden Blättern der Bowman Kapsel gepresst. Das Glomerulusfiltrat besteht aus Wasser,
Ionen und kleinen Molekülen in gleicher Konzentration wie das Blutplasma. Größere
Teilchen wie Blutzellen und Eiweißmoleküle können nicht durch die Poren der Bowman
Kapsel durchtreten. (Filtration)
- 105 -
Tubulusapparat - Harnkanälchen:
Der Tubulusapparat besteht aus proximalem Tubulus, der Henle Schleife und distalem
Tubulus; durch Rückresorption von Wasser und Elektrolyten und durch Sekretion von
Stoffwechselprodukten wird hier der Sekundärharn gebildet.
Vas efferens
Vas afferens
Filtration des Primärharns
Gefäßknäuel
proximaler
Tubulus:
Natrium
Wasser
Wasser
Natrium
m
aktive Rückresorption
von Elektrolyten,
Glukose, Resteiweißen,
Wasser
14.1.2
Funktion der Niere
Die Nierenkörperchen sind Filterstationen. Die Glomeruluswand lässt nur Flüssigkeit und
kleine Moleküle durch, wodurch etwa 1/10 der durch die Niere fließenden
Flüssigkeitsmenge (ca. 1500l Blut/Tag) als Primärharn (ca.150 - 170l/Tag) dem Blut
abgepresst wird. Dieser gelangt in den von der Bowman Kapsel umgebenen Kapselraum
und so in die Nierentubuli. Das Tubulussystem wird von einem weiteren Kapillarnetz
umsponnen, wodurch ein Austausch zwischen Blut - und Harnsystem möglich wird. So
saugt das vorher eingedickte Blut in den Kapillaren rund 99% des Primärharns wieder in das
Kapillarsystem zurück. Elektrolyte und kleinmolekulare Stoffe werden mit der Flüssigkeit
teilweise rückresorbiert. Was übrig bleibt bezeichnet man als Sekundärharn (ca. 1,5 2l/Tag).
Filtration des Primärharns
Die Filtration des Primärharns findet in den Nierenkörperchen der Nierenrinde statt. Die
Menge des Primärharns beträgt bei durchschnittlicher Flüssigkeitszufuhr ca. 150 - 180 Liter
pro Tag.
Für die Filtration ist in der Kapillare des Glomerulums ein Blutdruck von etwa 50 mmHg
notwendig, um das Blutplasma durch das innere Blatt der Bowman-Kapsel zu pressen; die
größeren Blutbestandteile (Blutzellen und große Eiweiße) verbleiben jedoch im Blutgefäß
zurück (Filtration). Der Primärharn entspricht daher einem nahezu proteinfreien
- 106 -
Ultrafiltrat. Der Gegendruck aus dem Kapselraum der Bowman-Kapsel beträgt etwa - 15
mmHg ("Kapseldruck"), der kolloidosmotische Druck der großen Eiweißmoleküle im Blut
beträgt etwa - 25 mmHg. Bei einem starken Blutdruckabfall sinkt auch der Filtrationsdruck,
was zu einem akuten Nierenversagen führen kann.
Der Kapseldruck und der kolloidosmotische Druck wirken dem Blutdruck entgegen. Somit
ergibt sich in der Bowman-Kapsel ein effektiver Filtrationsdruck von etwa 10 mmHg. Bei
einem Blutdruckabfall kommt es zur Ausschüttung von Renin aus den Zellen des
juxtaglomerulären Apparates und einer Aktivierung des Renin-Angiotensin-AldosteronSystems und dadurch zu einem Anstieg des Filtrationsdrucks.
Bildung des Sekundärharns
Vor allem im proximalen Tubulusabschnitt kommt es nun zu einer aktiven Rückresorption
von Elektrolyten, Glukose und Resteiweißen aus dem Tubulus ins Blut und einer passiven
(durch den kolloidosmotischen Druck) Rückresorption von Wasser ins Blut. Ist jedoch
zuviel von einem Stoff (z.B. Glukose beim Diabetes mellitus) im Primärharn vorhanden und
wird so die Nierenschwelle überschritten, kann nicht mehr alles ins Blut rückresorbiert
werden und wird somit mit dem Harn ausgeschieden (Glukosurie).
Zusätzlich findet eine aktive Sekretion von Harnstoff, Harnsäure, Kreatinin, Aminosäuren
und Elektrolyten aus dem Blut in das Tubulussystem statt.
Durch diesen ersten Konzentrationsschritt wird das Volumen des Primärharns auf
durchschnittlich 18 - 20 Liter pro Tag reduziert.
In der Folge laufen in der Henle'schen Schleife und in den Sammelrohren weitere
Konzentrationsschritte ab und der Sekundärharn wird gebildet.
Wesentlich für diese Konzentrationsvorgänge ist die Tatsache, dass der absteigende Teil
der Henle-Schleife für Wasser durchlässig ist, der aufsteigende Teil nicht. Im aufsteigenden
Teil der Henle-Schleife werden Natrium-Ionen aktiv aus dem Harn in das benachbarte
Interstitium - und so in das Kapillarsystem - transportiert. Daher steigt die
Natriumkonzentration im Interstitium und entzieht dem Harn über den parallel
verlaufenden wasserdurchlässigen absteigenden Teil der Henle Schleife Wasser, wodurch
der Harn zunehmend konzentrierter wird. Dieses Prinzip der Harnkonzentrierung wird als
Gegenstromprinzip bezeichnet.
Autoregulation (Selbtsregulation) der Nierendurchblutung
1500l Blut werden täglich durch die Nieren gepumpt.
Um die glomeruläre Filtration zu gewährleisten, muss der glomeruläre Blutdruck
(hydrostatischer Druck) von 50 mm Hg aufrecht erhalten bleiben. Dies geschieht durch
Autoregulation (Selbststeuerung) der Nierengefäße, die durch glatte Muskelzellen ihre
Weite regulieren können. Zusätzlich ist das Renin- Angiotensin-System an dieser
Autoregulation beteiligt.
Bei zu hohem oder zu niedrigem Blurdruck funktioniert diese Autoregulation nicht mehr!
Sinkt der systemische Blutdruck systolisch unter 80 mm Hg kommt es in der Folge zur
Oligurie (stark eingeschränkte Harnmenge) oder sogar zur Anurie (keine Harnproduktion). Die Gefahr einer Minderdurchblutung der Niere besteht vor allem beim
Schock.
Steigt der systemische Blutdruck über 180 mm Hg kommt es zur Druckdiurese mit
Ausscheidung großer Mengen unkonzentrierten Harns.
- 107 -
Pro Tag werden etwa 170l Primärharn gebildet, jedoch nur etwa 1,5 l Sekundärharn
ausgeschieden.
Im proximalen und distalen Tubulus kommt es zur Rückresorption lebenswichtiger Stoffe,
die nicht über den Harn ausgeschieden werden sollen: Chlorid, Natrium, Kalium, Kalzium,
Bicarbonat, Aminosäuren, Glukose
Die Resorption von Wasser erfolgt hauptsächlich im distalen Tubulus und in den
Sammelrohren und wird durch das Hormon Adiuretin und Aldosteron gesteuert.
Wird jedoch ein Schwellenwert an Substanzen im Harn überschritten, so wird der
überschüssige Anteil der Substanz, der nicht mehr rückresorbiert werden kann, mit dem
Sekundärharn ausgeschieden. (Beispiel: Glukosurie beim Diabetes mellitus).
Reguliert wird die Wasserrückresorption, neben dem Aldosteron aus der
Nebennierenrinde, durch das Hormon Adiuretin oder antidiuretischem Hormon (ADH),
das aus dem Hypophysenhinterlappen ins Blut abgegeben wird. ADH bewirkt, dass mehr
Wasser aus den Sammelrohren in das Blut rückresorbiert wird. Fehlt dieses Hormon oder
ist es nicht in ausreichender Menge vorhanden, so entsteht das Krankheitsbild des
Diabetes insipidus, bei dem die Betroffenen täglich bis zu 20 Liter Flüssigkeit ausscheiden.
Aktive Filtration oder tubuläre Sekretion beschleunigt die Ausscheidung verschiedener
Substanzen. Mit Hilfe der tubulären Sekretion wird hauptsächlich die schnelle
Ausscheidung von körperfremden Stoffen gewährleistet. Dazu gehören z. B. auch
Medikamente wie Penizillin und andere toxische Substanzen. Auch körpereigene
Abbauprodukte wie die Harnsäure, Harnstoff, Ammoniak werden so beschleunigt
ausgeschieden.
Urinbestandteile
Physiologisch:
95-98% Wasser,
Harnstoff (Eiweißstoffwechsel)
Harnsäure
Kreatinin (Muskelstoffwechsel)
organische Säure (Zitronen- und Oxalsäure)
Hormone
wasserlösliche Vitamine
organische und anorganische Salze,
Farbstoffe (Urobilinogen, Urochrome)
Pathologisch:
Zucker = Glukosurie (Diabetes)
Eiweiß = Proteinurie (Harnwegsinfekt)
Bakterien = Bakteriurie (Urogenitalinfektion)
Ketonkörper = Ketonurie (Diabetes)
Blut = Hämaturie (Defekt/Infektion Urogenitalsystem)
Leukozyten = Leukozyturie (Infektion Urogenitalsystem)
- 108 -
14.1.3 Juxtaglomerulärer Apparat
Die Zellen des juxtaglomerulären Apparates gehören zum endokrinen Anteil der Niere und
dienen renalen und extrarenalen Regulationsvorgängen.
Er besteht aus mehreren Anteilen, wie dem Polkissen, epitheloide Zellen im Vas afferens,
die das Hormon Renin produzieren. Bei Blutdruckabfall wird Renin ausgeschüttet, dieses
bewirkt die Umwandlung von Angiotensinogen in Angiotensin I und Angiotensin II und
wirkt vasokonstriktorisch und somit steigernd auf den Blutdruck. Zusätzlich setzt es in der
Folge Aldosteron frei, welches durch vermehrte Wasserrückresorption ebenfalls den
Blutdruck erhöht.
Weitere endokrine Zellen findet man in der Macula densa. Der Tubulus berührt das Vas
afferens und efferens am oberen Pol des Nierenkörperchens. An dieser Stelle ist das Epithel
des Tubulus erhöht, es bildet die Macula densa. Sie ist ein Sensor für die Natrium
Konzentration im Tubulus. Natrium - Erhöhung hemmt die Reninfreisetzung.
Mesangiumzellen sind modifizierte Muskelzellen, die zwischen Macula densa und
Nierenkörperchen liegen. Sie regulieren die Nierendurchblutung.
Aufgaben des juxtaglomerulären Apparates sind die Bildung des Hormons Renin,
Phagozytose, Autoregulation der Nierendurchblutung, Blutdruckregulation und
Steuerung der glomerulären Filtrationsrate.
In der Niere wird zusätzlich das Hormon Erythropoetin gebildet, das die
Erythrozytenproduktion im roten Knochenmark anregt.
In der Niere erfolgt auch die Umwandlung von Vitamin D in das aktive Vitamin D - Hormon.
14.2 Ableitende Harnwege
14.2.1 Nierenbecken
Das Nierenbecken ist ein bindegewebiges Säckchen, das im Nierensinus liegt und den
Nierenhilus nach außen etwas überragt. Die Sammelrohre vereinigen sich zu den
Papillengängen, die an den Nierenpapillen an den Spitzen der Markpyramiden münden. Der
Harn träufelt aus den Nierenpapillen in die Nierenkelche, die den Harn ins Nierenbecken
und in der Folge in den Harnleiter weiterleiten.
14.2.2 Harnleiter - Ureter
Der Harnleiter verbindet das Nierenbecken mit der Harnblase. Es handelt sich um einen
etwa 30-35 cm langen, muskulären Schlauch mit einem Durchmesser von ungefähr 7 mm.
Er verläuft retroperitoneal nach unten ins Becken, wo er von hinten die Harnblase erreicht.
14.2.3 Harnblase - Vesica urinaria
Die Harnblase ist ein muskulöser Sack aus glatter Muskulatur, der für die Speicherung und
Entleerung des Harns verantwortlich ist. Sie liegt subperitoneal im kleinen Becken und wird
im
leeren
Zustand
von
den
Baucheingeweiden
zusammengedrückt.
Bei zunehmender Füllung nimmt sie eine kugelige Form an. Funktionell wichtig ist das
sogenannte Blasendreieck - Trigonum vesicae, das von den Uretermündungen und dem
- 109 -
Ursprung der Urethra - Harnröhre gebildet wird. Sie fasst etwa 350 – 800 ml Harn. Die
Harnblase besitzt einen inneren, unwillkürlichen, von glatter Muskulatur gebildeten, und
einen äußeren willkürlichen, von quergestreifter Beckenbodenmuskulatur gebildeten,
Schließmuskel - Sphinkter vesicae. Die Schleimhaut der ableitenden Harnwege besitzt ein
besonderes Epithel. Das urothel. Dieses mehrreihige Epithel ist gut dehnbar, wodurch die
Füllung der Harnblase ermöglicht wird.
14.2.4 Harnröhre - Urethra
Die Harnröhre ist der Ausführungsgang der Harnblase. Beim Mann ist die Harnröhre etwa
18–20 cm lang. Nach Einmündung der Samenleiter wird sie als Harnsamenleiter bezeichnet,
durchzieht den Penis und mündet an dessen Spitze nach außen. Die Harnröhre der Frau ist
nur 3–5 cm lang und mündet in den Scheidenvorhof.
- 110 -
15 DAS VERDAUUNGSSYSTEM
Der Verdauungstrakt gleicht einem durchgehenden Rohr, das vom Mund bis zum After
reicht und dessen Abschnitte dementsprechend teilweise im Kopf, Hals, Brustraum,
Bauchraum und Becken liegen. Die Verdauung wird durch Sekrete, die von zahlreichen
Drüsen entlang dieses Rohres abgegeben werden, unterstützt. Der Speisebrei (Chymus)
wird durch Bewegungen dieses Muskelschlauches ständig durchmischt und weitertransportiert (Peristaltik).
15.1
Mundhöhle - cavitas oris
Die Mundhöhle bildet den Anfangsteil des Verdauungstraktes und wird in die eigentliche
Mundhöhle – Cavitas oris propria und in den Vorhof der Mundhöhle – Vestibulum oris
unterteilt. Innerhalb der Mundhöhle findet man die Zunge (Lingua), die Kopf - oder
Mundspeicheldrüsen (Glandula salivaria) und die Zähne (Dens).
Begrenzungen der Mundhöhle:
vorne und seitlich die mit Zahnfleisch bedeckten Alveolarfortsätze des Ober,- und
Unterkiefers und die Zähne
oben harter und weicher Gaumen
unten Mundbodenmuskulatur
hinten steht sie durch den Isthmus faucium mit dem Rachen in Verbindung
Begrenzungen des Mundhöhlenvorhofes:
vorne die Lippen
seitlich die Wangen
hinten und medial die Alveolarfortsätze und Zähne
15.1.1 Zunge - Lingua
Die Zunge wird in einen hinteren, fest mit seiner Umgebung verwachsenen, unbeweglichen
Anteil, die Zungenwurzel (Radix linguae) und in einen vorderen, gut beweglichen Anteil,
den Zungenkörper ( Corpus linguae) unterteilt. Die beiden Anteile gehen ohne scharfe
Grenze ineinander über. Die Zunge ist durch das Zungenbändchen (Frenulum) am
Mundboden fixiert.
Aufbau der Zunge: Als Grundlage der Zunge dient ein kräftiger quergestreifter Muskel, der
von einer sehr differenzierten Schleimhaut überzogen wird. Diese Schleimhaut sitzt dem
Muskelkörper fest auf und zeigt an ihrer Oberfläche mehrschichtig unverhorntes
Plattenepithel und zahlreiche Papillen:
- Fadenförmige Papillen: in ihnen liegen zahlreiche Tastkörperchen und sie können
Tastempfindungen mit etwa 1,5 facher Vergrößerung vermitteln. Sie besitzen keine
Geschmacksknospen.
- Pilzförmige Papillen: sie liegen besonders an der Zungenspitze und am Zungenrand
und zeigen eine glatte kuppelförmige Oberfläche. Sie dienen dem
Geschmacksempfinden und besitzen Thermorezeptoren (Temperaturempfinden).
- 111 -
-
Blattförmige Papillen: sie liegen am hinteren seitlichen Rand der Zunge und
enthalten Geschmacksknospen.
Wallpapillen: liegen am Übergang des Zungenkörpers zur Zungenwurzel.
Aufgaben der Zunge: die Zunge erfüllt mechanische -, Tast - und Transportfunktionen beim
Kauen und Schlucken der Nahrung. Zusätzlich erfüllt sie wichtige Aufgaben beim
Schmecken und Sprechen. Die Geschmacksknospen können süß, sauer, salzig, bitter und
umami schmecken.
15.1.2 Kopfspeicheldrüsen
Sie sind durch Aussprossungen aus dem Epithel der Mundhöhle entstanden und stehen
über Ausführungsgänge mit ihrem Ursprungsort, der Mundhöhle, in Verbindung. Man
unterscheidet drei große Kopfspeicheldrüsen, die Ohrspeicheldrüse, die Unterkieferdrüse
und die Unterzungendrüse. Zusätzlich gibt es zahlreiche kleine Drüsen, die überall in der
Mundschleimhaut zu finden sind.
Funktionen der Speicheldrüsen:
Enzymatische Aufspaltung der Stärke durch das Enzym Alpha- Amylase, Reinigung der
Mundhöhle, Schutzfunktion, Lösungsmittel. Zusätzlich wird die Nahrung durch
Schleimstoffe transportfähig gemacht.
Pro Tag wird etwa 1Liter Speichel produziert. Der Speichel ist eine farblose Flüssigkeit, die
aus Wasser, Mukoproteinen, Enzymen, Ionen und Immunglobulinen besteht.
Mechanische, chemische, olfaktorische (Geruch) und psychische Reize stimulieren die
Speichelsekretion.
Ohrspeicheldrüse – Glandula parotis
Sie ist die größte Kopfspeicheldrüse und liegt vor und unterhalb des Ohres. Sie ist eine rein
seröse Drüse und mündet mit ihrem Ausführungsgang (Ductus parotideus) in den
Mundhöhlenvorhof (Vestibulum oris) gegenüber dem 2. oberen Backenzahn.
Unterkieferdrüse – Glandula submandibularis
Sie liegt unterhalb der Mundbodenmuskulatur und mündet gemeinsam mit der
Unterzungendrüse auf einer warzenförmigen Erhebung beidseits des Zungenbändchens.
Unterzungendrüse – Glandula sublingualis
Diese Drüse liegt auf der Mundbodenmuskulatur direkt unter der Schleimhaut des
Mundbodens und mündet einerseits mit der Unterkieferdrüse, andererseits mit
zahlreichen kleinen Ausführungsgängen beiderseits der Zunge.
Klinik: Durch verminderten Speichelfluss (Elektrolytverschiebung, erhöhte Viskosität) kann
es zur Ablagerung von Speichelsteinen kommen: Sialolithiasis
15.1.3 Der Zahn (Dens)
Beim Menschen haben sich auf Grund der Ernährung unterschiedliche Zahngruppen
ausgebildet. Es findet ein einziger Zahnwechsel statt, wobei die Schneide- und Eckzähne
- 112 -
und die vorderen Backenzähne Ersatzzähne sind und die hinteren Backenzähne so
genannte Zuwachszähne sind.
Aufbau des Gebisses:
Das Gebiss wird, neben der Trennung in Ober- und Unterkieferbezahnung, in je eine
spiegelsymmetrische rechte und linke Kieferhälfte eingeteilt. Daraus ergibt sich ein
Gebissschema mit vier Quadranten.
Zahnformel: Das Gebiss kann auf Grund seiner Symmetrie zur Zahnformel reduziert
werden, wobei nur mehr die Zähne eines Quadranten bezeichnet werden.
Das Milchgebiss besteht aus 20 Zähnen, also 5 Milchzähnen in jedem Quadranten und das
vollständige Dauergebiss aus 32 Zähnen, also 8 in jedem Quadranten.
Schneidezahn: Incisivus
Eckzahn: Caninus
Vorderer Backenzahn: Prämolar
hinterer Backenzahn: Molar
Durchbruch des Milchgebisses: Zwischen dem 6. LM und dem 3. LJ treten die Milchzähne
durch.
Durchbruch des Dauergebisses: Als erstes bricht der 1. Molare durch (6-Jahres-Molar),
danach wechseln bis zum 12. LJ die Milchzähne. Abschließend brechen der 2. und 3. Molar
durch.
Aufbau des Zahnes:
An jedem Zahn können eine Zahnkrone, ein Zahnhals, eine Zahnwurzel, eine Zahnhöhle
und eine Zahnpulpa unterschieden werden.
Außerdem besteht jeder Zahn aus den 3 Hartsubstanzen – Zahnschmelz, Zahnbein und
Zahnzement.
Die Zahnkrone ist jener Anteil, der aus dem Zahnfleisch herausragt. Er ist vom Zahnschmelz
überzogen. Die Wurzel steckt in einer Vertiefung der Kieferknochen (Alveole) und ist von
Zahnzement umgeben. Der Zahnhals ist das schmale Stück an dem Schmelz und Zement
aneinanderstoßen. Im Inneren des Zahnes findet man die Pulpahöhle, die sich in den
offenen Wurzelkanal, durch den Nerven und Gefäße durchtreten, fortsetzt. Sie ist von der
Zahnpulpa – lockeres Bindegewebe mit Gefäßen und Nerven – ausgefüllt.
Substanzen, aus denen der Zahn aufgebaut ist:
- Schmelz, Enamelum: ist die härteste Substanz des Körpers und besteht aus
Kalksalzen mit Spuren von Fluor. Durch Bakterien und Fruchtsäuren wird er
angegriffen und es kommt zu Karies oder Erosionen. Zahnschmelz kann nicht neu
gebildet werden!
- Zahnbein, Dentin: ist eine knochenähnliche Substanz und bildet den Hauptanteil
des Zahnes, wobei sie die Pulpahöhle und den Wurzelkanal umgibt.
- Zahnzement, Cementum: ähnelt ebenfalls dem Knochen und umgibt das
Wurzeldentin. Es gehört eigentlich zum Zahnhalteapparat.
- 113 -
Zahnhalteapparat:
dazu gehören alle Strukturen, welcher der Verbindung des Zahnes mit dem Kieferknochen
dienen: Zahnfleisch, Wurzelhaut, Zahnzement, Alveolarknochen.
15.2 Der Gaumen
Wir unterscheiden einen harten Gaumen (Palatum durum) und einen weichen Gaumen
(Palatum molle). Der harte Gaumen stellt eine Knochenplatte dar und setzt sich aus den
Gaumenfortsätzen des Oberkiefers (Processus palatinus) und den Gaumenbeinen (Ossa
palatina) zusammen, die durch Nähte kreuzförmig miteinander verbunden sind.
Hinten schließt sich der weiche Gaumen, auch Gaumensegel genannt, an. Er besteht aus
einem Bindegewebsgerüst, an dem 5 Muskeln ansetzen.
Als Schlundenge (Isthmus faucium) wird der Übergang von der Mundhöhle in den Rachen
bezeichnet. Sie wird seitlich von den Gaumenbögen und unten von der Zunge begrenzt.
15.3 Der Rachen - Pharynx
Der Pharynx ist ein muskulärer beweglicher Muskelschlauch, der vor der Halswirbelsäule
von der Schädelbasis bis zum 6. Halswirbel reicht, wo er in den Oesophagus übergeht. Er
hat eine breite Verbindung zur vor ihm liegenden Nasenhöhle (Nasopharynx), zur
Mundhöhle (Oropharynx) und zum Kehlkopfeingang (Laryngopharynx). Seine Länge
beträgt etwa 12 – 15cm.
Die Pharynxwand besteht aus inneren ringförmigen und äußeren längsverlaufenden,
quergestreiften Muskeln, der die Schleimhaut locker aufsitzt.
Der Schluckakt läuft in drei Phasen ab, wobei die erste, orale, Phase willkürlich beeinflusst
wird, die anderen beiden Phasen, die pharyngeale und oesophageale, unwillkürlich,
reflektorisch ablaufen.
In der ersten Phase wird der zerkaute Bissen durch die Zunge in Richtung Rachen befördert
(orale Phase). Dort angekommen wird der Schluckreflex ausgelöst, wobei das
Gaumensegel die Nasenhöhle, der Zungengrund die Mundhöhle und der Kehldeckel die
Luftröhre verschließen (pharyngeale Phase). So kann der Bissen durch den Kehlkopf in die
Speiseröhre befördert werden, wo er dann durch wellenförmige Kontraktionen
(Peristaltik) weiterbefördert wird (oesophageale Phase).
15.4 Die Speiseröhre - Ösophagus
Die Speiseröhre ist ein 23-26 cm langer Muskelschlauch, der den Pharynx mit dem Magen
verbindet. Sie beginnt am unteren Rand des Ringknorpels mit dem Ösophagusmund,
verläuft vor der Wirbelsäule abwärts und geht vor dem 11. - 12. Brustwirbelkörper am
Magenmund, der Kardia, in den Magen über. Man unterscheidet einen Hals- einen Brustund Bauchteil und drei Engen.
Die 1.Enge liegt 15 cm von den Zahnreihen entfernt und ist die engste Stelle des Ösophagus.
Sie entspricht dem Ösophagusmund. Dieser ist nur für Instrumente bis etwa 24mm Dicke
durchgängig. Darauf folgt die 1. Weite.
- 114 -
An der 2.Enge legt sich der Aortenbogen und der linke Hauptbronchus an den Ösophagus
(Aortenenge). Daran schließt die 2. Weite an.
Die 3.Enge liegt etwa 3cm über der Kardia. Sie entsteht durch die hier besonders
ausgeprägte Ringmuskulatur des Ösophagus. Sie heißt Zwerchfellenge, obwohl sie nicht
durch das Zwerchfell gebildet wird.
Die Ösophaguswand weist die für den gesamten Rumpfdarm gültige Schichtung in Tunica
mucosa, muscularis und adventitia (serosa) auf. Die Speiseröhre ist von einem
mehrschichtig unverhornten Plattenepithel überzogen, die Muskelschicht besteht
wiederum aus einer inneren ringförmigen und einer äußeren längsverlaufenden Lage. Eine
Adventitia verbindet das Organ locker mit seiner Umgebung.
Funktion: An ihrem oberen und unteren Ende besitzt der Oesophagus zwei funktionelle
Schließmuskel, einen oberen und einen unteren Oesophagussphinkter. Diese sind
einerseits Voraussetzung für den regelrechten Nahrungstransport während des
Schluckaktes, andererseits notwendig, damit kein Mageninhalt zurück in die Speiseröhre
gelangt, denn der Magensaft ist für die Ösophagusschleimhaut zu aggressiv.
Durch wellenförmiges Zusammenziehen der Ösophagusmuskulatur wird feste Nahrung in
weniger als 10 sec., flüssige Nahrung in etwa 1 sec. in den Magen befördert.
15.5 Das Bauchfell - Peritoneum
Das Bauchfell oder Peritoneum ist eine spiegelnd glatte Schleimhaut, die (wie die Pleura
oder das Perikard) aus einer inneren Schicht, dem Peritoneum viscerale und einer äußeren
Schicht, dem Peritoneum parietale, besteht. Das Peritoneum parietale überzieht die
Innenseite der Bauchhöhle und schlägt dann als Peritoneum viscerale auf die, in der
Bauchhöhle liegenden, Organe um. Die Umschlagstellen zwischen visceralem und
parietalem Blatt bilden, beidseitig von Peritoneum viscerale überzogen,
Peritonealduplikaturen (Bänder oder Stiele), die von der Bauchwand zu den Organen
laufen. In ihnen liegen die versorgenden Gefäße, Nerven und Lymphbahnen.
15.5.1 Organe und Räume im Bauchraum
Im Bauchraum findet man drei voneinander getrennte Räume:
Bauchhöhle oder Peritonealhöhle: in ihr liegen die von Peritoneum viscerale vollständig
umhüllten Organe. Ein Flüssigkeitsfilm ermöglicht das reibungsfreie Gleiten dieser Organe.
Intraperitoneal liegen folgende Organe: Magen, Leber, Gallenblase, Jejunum, Ileum,
Blinddarm mit Wurmfortsatz, Colon transversum, Milz, Eileiter und Ovarien
Retroperitonealraum: er ist ein bindegewebiger Raum hinter der freien Bauchhöhle, seine
Organe sind nur an ihrer Vorderfläche von Peritoneum überzogen.
Retroperitoneal liegen: Duodenum, Pankreas, Colon ascendens und desvendens, Nieren
Extraperitonealraum: seine Organe haben keine Beziehung zum Peritoneum
dazu gehören: Colon sigmoideum, Rektum
- 115 -
15.5.2 Omentum majus
Das Omentum majus („großes Netz“) ist eine von Bauchfell (Peritoneum) überzogene fettund bindegewebsreiche Struktur, die von der großen Kurvatur des Magens und dem quer
verlaufenden Teil des Dickdarms (Colon transversum) schürzenartig herabhängt und die
Dünndarmschlingen normalerweise vollständig bedeckt.
Es beinhaltet eine große Anzahl an Makrophagen und Lymphozyten, welche bei
Entzündungen vor einer Peritonitis schützen sollen. Außerdem spielt es eine Rolle bei der
Fettspeicherung im Bauchraum.
15.6 Der Magen - Ventriculus, Gaster
Der Magen stellt die größte Ausweitung des Verdauungstraktes dar. Er schließt unterhalb
des Zwerchfelles an den Ösophagus an und zeigt je nach Füllung und Geschlecht
unterschiedliche Formen. So steht er bei Frauen etwas steiler und tiefer als bei Männern.
Der Magen fasst durchschnittlich 1,5l, passt sich jedoch den Essgewohnheiten an. Er liegt
zu 2/3 im linken Oberbauch und wird zum größten Teil vom linken Rippenbogen und der
Leber verdeckt.
Der Magen lässt sich in vier Abschnitte unterteilen und geht am Pförtner in den
Zwölffingerdarm über.
Abschnitte des Magens:
- Cardia – Magenmund: schließt an den Oesophagus an
- Fundus – Magengrund: links von der Cardia gelegener (luftgefüllter) Blindsack
unter der Zwerchfellkuppel
- Corpus – Körper: Haupptteil des Magens, verengt sich vom Fundus in Richtung
Pylorus
- Antrum – Vorraum des Pförtners: ist durch eine seichte Einschnürung vom Corpus
abgesetzt
- Pylorus - Pförtner : springt gegen das Mageninnere als derber Wulst vor und grenzt
ihn als M. sphincter pylori (Schließmuskel) gegen das Duodenum ab.
15.6.1 Feinbau des Magens:
Der Magen besitzt wie das übrige Darmrohr drei Schichten: Tunica mucosa Schleimhautschicht, Tunica muscularis - Muskelschicht, Tunica serosa - Peritoneum (oder
Adventitia bei Organen, die nicht "frei" in der Bauchhöhle liegen).
Zwischen diesen Schichten liegen bindegewebige Verschiebeschichten, eine Tela
subserosa und eine Tela submucosa.
Tunica mucosa
Die Magenschleimhaut besteht aus einem einschichtigen hochprismatischen Epithel,
dessen Zellen den Magenschleim bilden, der vor Selbstverdauung schützt. Die Schleimhaut
bildet zahlreiche verstreichbare Schleimhautfalten, um die Dehnung bei der Magenfüllung
zu ermöglichen.
Auf der Schleimhautoberfläche sieht man mikroskopisch kleine Öffnungen, die Foveolae
gastricae, der Magendrüsen. Diese findet man hauptsächlich im Fundus - und
Corpusbereich.
- 116 -
Diese Drüsen der Magenschleimhaut werden von 4 Zellarten gebildet:
- Hauptzellen: sie bilden Pepsinogen, das durch die Salzsäure in das eiweißspaltende
Pepsin umgewandelt wird. Pepsin baut Eiweiße zu den Peptiden ab.
- Belegzellen: sie bilden die Salzsäure und den für die Blutbildung notwendigen
„intrinsic – factor“.
Die Salzsäure aktiviert das Pepsinogen zum wirksamen Pepsin und wirkt zusätzlich
bakterientötend. Der Intrinsic Faktor ist gemeinsam mit dem „Extrinsic Faktor“ (=
Vit.B12) aus der Nahrung für die Blutbildung notwendig. Mangel: perniziöse Anämie
- Nebenzellen: erzeugen Schleim und dienen der Regeneration des oberflächlichen
Epithels und der Drüsenzellen.
- Pylorusdrüsen – G-Zellen: bilden Gastrin, das die Magensaftsekretion fördert.
Enteroendokrine Zellen erzeugen verschiedenen Wirkstoffe wie Histamin,
Glukagon,… (erreichen ihren Wirkort über das Blut))
Tunica muscularis
Diese Schicht besteht aus drei Muskelschichten, die unterschiedlichen Verlauf zeigen, um
sich dem Füllungsgrad anzupassen und durch Peristaltik den Mageninhalt zu durchmischen
und weiterzubefördern.
Tunica serosa
Der Magen ist vollständig von Peritoneum viscerale umhüllt.
Funktion:
Der Magen hat mechanische und chemische Aufgaben. Im Magen geht die in der
Mundhöhle begonnene Verdauung weiter und der Speisebrei, Chymus, wird mittels
peristaltischer Wellen Richtung Pylorus transportiert. Gemischte Kost ist beim Gesunden
bis zu 4 Stunden im Magen nachweisbar und es werden täglich 1,5 bis 2,5l Magensaft für
die Verdauung produziert.
In Ruhe wird ein muköser Schleim produziert, der die Schleimhaut vor den aggressiven und
sauren Substanzen des Magensaftes schützt.
15.7 Der Darm - Intestinum
Der Darm wird in den Dünndarm (Intestinum tenue) und in den Dickdarm (Intestinum
crassum) unterteilt. Die Darmwand hat im Großen und Ganzen einen einheitlichen Aufbau,
der hier besprochen werden soll.
Die Darmwand besteht aus 3 Hauptschichten (Tunica) und 2 Zwischenschichten (Tela) die
sich von innen nach außen in folgender Reihenfolge aneinanderlegen:
1. Tunica mucosa
2. Tela submucosa
3. Tunica muscularis
4. Tela subserosa
5. Tunica serosa
- 117 -
15.7.1 Aufbau der Darmwand
Tunica mucosa – Mukosa: innerste Schleimhautschicht; sie weist ein einschichtiges,
hochprismatisches Epithel mit Becherzellen auf. Die Schleimhaut weist in den
unterschiedlichen Darmabschnitten folgende Unterschiede auf:
Duodenum (Zölffingerdarm):
- ringförmig verlaufende Falten = Kerckring - Falten
- Zotten: fingerförmige, ca. 1mm hohe Ausstülpungen
- Lieberkühnsche Krypten: drüsige Einstülpungen
- Brunner Drüsen, die eigentlich schon in der Tela submucosa liegen
- einzelne Lymphfollikel
Jejunum (Leerdarm):
- Kerckring-Falten
- Zotten
- Lieberkühn-Drüsen
- Einzelne Lymphfollikel
Ileum (Krummdarm):
- Zotten
- Lieberkühn-Drüsen
- Ansammlungen von Lymphfollikel = Peyer- Plaques
Colon (Grimmdarm):
- Lieberkühn -Drüsen
- einzelne Lymphfollikel
- keine Zotten mehr
Appendix vermiformis (Wurmfortsatz):
wie Colon, aber ausgeprägte Peyer-Plaques (Lymphfollikel)
Tela submucosa - Submukosa: lockere bindegewebige Verschiebeschicht mit einem
ausgeprägten Netz von Blut - und Lymphgefäßen und Nerven. Sie liegt zwischen der
Schleimhaut und der Muskelschicht.
Tunica muscularis – Muscularis: besteht aus einer äußeren Längsmuskelschicht und einer
inneren Ringmuskelschicht. Dazwischen liegt ein Nervengeflecht. Sie ermöglicht die
Bewegungen des Darmrohres zur Durchmischung und Weiterbeförderung des
Speisebreies (Peristaltik). Die Darmmuskulatur besteht aus glatter Muskulatur und arbeitet
unwillkürlich.
Tela subserosa – Subserosa: Bindegewebsschicht zwischen Muskulatur und Serosa.
Tunica serosa – Serosa: Bauchfell, also Peritoneum viscerale. Dort wo es nicht vorhanden
ist, ist der Darm durch eine so genannte Adventitia mit seiner Umgebung verbunden.
15.8 Der Dünndarm - Intestinum tenue
Zum Dünndarm gehören der Zwölffingerdarm – das Duodenum
der Leerdarm – das Jejunum
der Krummdarm – das Ileum
- 118 -
Die Gesamtlänge des Dünndarms beträgt etwa 2,5-5m, wobei 2/5 auf das Jejunum und 3/5
auf das Ileum entfallen.
Das etwa 30 cm lange Duodenum liegt retroperitoneal im Anschluss an den Pförtner und
umschließt C - förmig den Kopf der Bauchspeicheldrüse. An der Flexura duodenojejunalis
geht es in das Jejunum über. Das Jejunum und das Ileum liegen intraperitoneal, sie hängen
beweglich am Gekröse (Mesenterium) in der Bauchhöhle. Jejunum und Ileum gehen ohne
sichtbare Grenze ineinander über.
15.8.1 Dünndarmschleimhaut
Durch 4 verschiedene Einrichtungen wird die resorbierende Oberfläche der
Dünndarmschleimhaut auf etwa 100m² vergrößert:
- Kerckring - Falten: bis zu 1cm hohe unverstreichbare Ringfalten, sind im Duodenum
und Jejunum häufig und verschwinden im Ileum.
- Darmzotten: finden sich im gesamten Dünndarm und geben ihm ein samtartiges
Aussehen. Sie sind im Duodenum und Jejunum höher (0,2-1,2mm) und häufiger als
im Ileum.
- Lieberkühn-Krypten: Drüsenschläuche, die einerseits ein Sekret zur Kontrolle der
Darmflora absondern, andererseits die Epithelien erneuern (zahlreiche Mitosen).
Darmzellen werden innerhalb von 48 Stunden erneuert.
- Mikrovilli:
sie
sind
Zytoplasmaausstülpungen,
Bürstensaum,
zur
Oberflächenvergrößerung.
Diese Oberflächenvergrößerungen sind notwendig, damit genügend Nährstoffe durch die
Darmschleimhaut aufgenommen werden können. Störungen der Schleimhaut führen zu
Gewichtsverlust, Mangelerscheinungen mit Durchfall, Anämie und Muskelschwäche. Im
Duodenum findet man noch die Brunner Drüsen, die einen schützenden Schleim bilden.
15.8.2 Dünndarmmuskulatur
Sie besteht aus 2 Schichten glatter Muskulatur, wobei eine als innere Ring - und eine als
äußere Längsmuskelschicht angeordnet sind. Der Dünndarm kann zur Durchmischung des
Speisebreies Pendelbewegungen (abwechselnde Verkürzungen und Verlängerungen
eines Darmabschnittes) und Segmentationsbewegungen (Einschnürungen des Darmes
an wechselnden Abschnitten) durchführen. Peristaltische Bewegungen schließlich dienen
dem Transport der Nahrung.
Klinik:
Ileus oder Darmverschluss: dieser kann entweder mechanische Ursachen durch Verlegung
des Darmrohres (mechanischer Ileus) von innen oder von außen oder eine Darmlähmung
(paralytischer Ileus) als Ursache haben.
Funktion: Verdauung des Chymus und Resorption der bereits aufgespaltenen
Nahrungsmoleküle und Verdauungssäfte. Es gelangen etwa 7l Verdauungssäfte (Speichel,
Magensaft, Galle, Bauchspeicheldrüsensekret, Dünndarmsekret) pro Tag in den
Verdauungstrakt.
Die Dünndarmschleimhaut besitzt zahlreiche Zotten zur Oberflächenvergrößerung, die im
Verlauf des Darmrohres zunehmend flacher werden, bis sie im Dickdarm gar nicht mehr
- 119 -
vorhanden sind. Jede Zotte enthält ein verzweigtes Netz von Blutgefäßen und in ihrem
Zentrum ein Lymphgefäß (Chylusgefäß).
Wasserlösliche Substanzen aus dem Speisebrei werden in das Blut aufgenommen und
gelangen über die Pfortader in die Leber, wo sie weiter ab- und umgebaut oder entgiftet
werden. Die Leber ist imstande ein überschüssiges Nahrungsangebot in Form von
Glykogen (Speicherzucker) zu speichern, sie kann bei übermäßiger Nahrungszufuhr oder
Schädigung der Leberzellen auch Fett einlagern (Fettleber).
Die Fettsäuren aus der Nahrung werden hingegen in Form von Chylomikronen über das
zentrale Chylusgefäß in den Darmzotten in die Darmlymphe aufgenommen und über den
Brustmilchgang (Ductus thoracicus) im Bereich des linken Venenwinkels, das ist der
Zusammenfluss der Drosselvene (Vena jugularis) mit der Unterschlüsselbeinvene (Vena
subclavia), in das Blut befördert. Chylomikronen sind Lipoproteine, welche das Cholesterin
und die Triglyceride aus der Nahrung „verpackt“ transportieren.
15.9 Der Dickdarm - Intestinum crassum
Der Dickdarm beginnt mit dem Übergang des Ileum in den Blinddarm an der Bauhin'schen
Klappe im rechten Unterbauch und endet mit dem Rektum am Anus. Er ist in 4 Abschnitte
unterteilt, die ohne sichtbare Grenzen ineinander übergehen. Er ist zwischen 1,5 und 1,8m
lang und bildet einen Rahmen um den Dünndarm.
15.9.1 Anteile des Dickdarms
Blinddarm (Caecum) mit der Appendix vermiformis (Wurmfortsatz):
Der Blinddarm liegt im rechten Unterbauch unterhalb der Einmündungsstelle des
Dünndarmes in den Dickdarm und ist etwa 6-8 cm lang. Nach unten läuft er in den
Wurmfortsatz, Appendix vermiformis, aus. Dieser besitzt zahlreiche Lymphfollikel und
dient der Infektabwehr.
Grimmdarm (Colon) besteht aus vier Anteilen:
Colon ascendens - aufsteigender Grimmdarm: Er ist etwa 25cm lang und erstreckt sich vom
Caecum bis unter den rechten Leberlappen. Er ist an seiner Rückseite mit der Bauchwand
verwachsen und an seiner Vorderseite von Peritoneum parietale überzogen (liegt also
retroperitoneal).
Colon transversum - querverlaufender Grimmdarm: Dieser Abschnitt ist etwa 50cm lang
und hängt an einer Bauchfellplatte, was seine Beweglichkeit erhöht. Er liegt also
intraperitoneal und zieht von der rechten Colonflexur in den linken Oberbauch zur linken
Colonflexur am vorderen Milzpol.
Colon descendens - absteigender Grimmdarm: Er ist ca. 25cm lang und zieht, an seiner
Vorderfläche von Peritoneum überzogen, nach unten bis zum linken Darmbeinkamm. Auch
er liegt retroperitoneal.
Colon sigmoideum - S-förmiger Grimmdarm: Dieser zieht s - förmig zur Mittellinie ins kleine
Becken, er liegt retroperitoneal.
Rektum – Mastdarm: Der Mastdarm liegt im kleinen Becken und ist nur mehr an seinen
kranialen Abschnitten von Peritoneum überzogen. Er ist in seinem oberen Abschnitt zur
Ampulla recti ausgeweitet und dient als Sammelbehälter für den Stuhl.
- 120 -
Canalis analis - Analkanal: dieser letzte Dickdarmabschnitt ist durch zwei Schließmuskel
nach außen verschlossen:
Der M. sphincter ani internus, innerer Schließmuskel, besteht aus glatter Muskulatur und
wird aus der Ringmuskulatur des Darmes gebildet. Deshalb ist er nicht dem Willen
unterworfen und unwillkürlich.
Der M. sphincter ani externus, äußerer Schließmuskel, wird von der quergestreiften
Beckenbodenmuskulatur gebildet und ist damit dem Willen unterworfen.
15.9.2 Merkmale des Dickdarms
Tänien: sind drei etwa 1cm breite Verdickungen der äußeren Längsmuskelschicht, zwischen
den Tänien fehlt die Längsmuskelschicht. Sie vereinigen sich am Ende des Blinddarms zum
Wurmfortsatz.
Plicae semilunares: Kontraktionsfalten, die halbmondförmig in das Darmlumen
vorspringen, ihnen entsprechen außen Einschnürungen.
Haustren: Aussackungen, die zwischen zwei Plicae semilunares entstehen. Sie verändern
sich durch die Peristaltik.
Stuhl, Kot:
Der Stuhl besteht zu etwa 75% aus Wasser, der Rest setzt sich aus folgenden Bestandteilen
zusammen:
unverdauliche Nahrungsreste, zB. Zellulose, Bakterien, abgestoßene Darmepithelzellen,
Gallenfarbstoff, Entgiftungsprodukte der Leber, Fäulnisstoffe (Geruch)
15.10 Die Leber - Hepar
Die braunrote Leber ist mit 1500g die größte Drüse des menschlichen Körpers. Sie liegt
unter der rechten Zwerchfellkuppel, ihr linker Rand reicht über die Mittellinie in den linken
Oberbauch. Man unterscheidet einen größeren rechten Leberlappen von einem kleineren
linken. Sie hat wegen ihrer Weichheit keine Eigenform und passt sich ihrer Umgebung an.
Die Leber ist von einer derben Bindegewebskapsel umhüllt.
Man unterscheidet eine Facies diaphragmatica, die sich der Zwerchfellkuppel anpasst und
eine Facies visceralis, die den Baucheingeweiden zugewandt ist. An der Facies visceralis
findet man die Leberpforte, Porta hepatis, an der die Leberarterie (A. hepatis) und die
Pfortader (V. portae) in die Leber eintreten und die großen Gallengänge (Ductus hepaticus
dexter et sinister) die Leber verlassen.
15.10.1 Prinzip der Leberdurchblutung
Die Besonderheit der Leberdurchblutung besteht darin, dass 2 Gefäße der Leber Blut
zuführen, nämlich die Leberarterie - A. hepatica, die der Leber sauerstoffreiches Blut,
ausschließlich zur Ernährung des Organs, zuführt und die Pfortader - V. portae, die das
nährstoffreiche Blut aus dem Magendarmkanal, dem Pankreas und der Milz in die Leber
transportieret. Die aus dem Darm resorbierten Stoffe werden in der Leber verarbeitet,
gespeichert und entgiftet.
- 121 -
Das Blut beider Kreisläufe wird von den Lebervenen gesammelt, die die Leber an der
Zwerchfellseite (nicht durch die Leberpforte!) verlassen und in die V. cava inf. münden.
15.10.2 Feinbau der Leber
Die Leber wird von einer bindegewebigen Kapsel, der Glisson-Kapsel, umhüllt. Von ihr
ziehen Bindegewebssepten durch die Leberpforte mit den Gefäßen ins Innere der Leber
und überziehen als hauchdünne Schicht die Grundelemente der Leber, die Leberläppchen, Lobuli hepatici. Diese haben einen Durchmesser von etwa 1mm und weisen eine
Höhe von etwa 2mm auf. Die Leber ist aus etwa 1 Million prismenförmiger Leberläppchen
aufgebaut, die im Querschnitt Bienenwaben ähneln. In ihrem Zentrum liegt je eine V.
centralis, Zentralvene, in die das Blut aus der Leberarterie und der Pfortader fließt. Diese
sammeln sich zu 2 - 3 Vv. hepaticae, den Lebervenen, die die Leber an der Zwerchfellseite
verlassen und in die V. cava inf. münden.
An den Ecken dreier Leberläppchen, dem periportalen Feld, liegt jeweils ein Ast der V.
portae, der A. hepatica und ein Gallengang (Glisson Trias).
Von den Rändern der Leberläppchen ziehen radiär angeordnete erweiterte Kapillaren, die
Lebersinusoide, zu den Zentralvenen im Zentrum der Leberläppchen. In ihnen fließt
"Mischblut" aus der Leberarterie und der Pfortader. In der Wand dieser Kapillaren findet
man Phagozyten, die Kupfer Sternzellen, die Fremdkörper und Bakterien aus dem Blut
phagozytieren. Die Lebersinusoide sind von, ebenfalls radiär angeordneten,
Leberzellbalken begleitet, die nur durch einen feinen Spalt, den Disse-Raum, von den
Sinusoiden getrennt sind. Zahlreiche Mikrovilli der Leberzellen reichen in diesen Raum
hinein, der über Poren mit den Lebersinusoiden in Verbindung steht. In diesen DisseRäumen erfolgt der Stoffaustausch zwischen Leberzellen und Blut.
In entgegengesetzter Richtung zu den Sinusoiden laufen die Gallenkapillaren, die die Galle
aus den Leberzellen zu den im periportalen Feld verlaufenden Gallengängen bringen.
Diese sammeln sich im weiteren Verlauf zu den rechten und lonken Lebergallengängen,
die Ductus hepaticus dex. et sin., die die Leber über die Leberpforte verlassen.
15.10.3 Funktion der Leber
Entgiftung und Ausscheidung: über das Blut kommen die Stoffwechselendprodukte in die
Leber, sie werden dort abgebaut und über zwei Wege ausgeschieden:
- über die Niere werden gut wasserlösliche Stoffe ausgeschieden, die von den Leberzellen
in die Lebersinusoide abgegeben (BLUT) wurden. Sie werden mit dem Urin ausgeschieden.
- über die Galle werden schlecht wasserlösliche, aber gut fettlösliche Stoffe ausgeschieden.
Sie werden von den Leberzellen in die Gallenkapillaren abgegeben und gelangen so über
die Galle in den Darm und werden über den Stuhl ausgeschieden.
Speicher- und Stoffwechselfunktion: Nahrungsbestandteile können bei Überschuss von
der Leber gespeichert werden und im Bedarfsfall wieder an das Blut abgegeben werden.
- Kohlenhydratstoffwechsel: überschüssige Kohlenhydrate werden in der Leber als
Glykogen gespeichert und bei Bedarf zu Glukose abgebaut und ans Blut abgegeben.
- 122 -
- Eiweißstoffwechsel: die Leber produziert Bluteiweiße (Albumine) und
Gerinnungsfaktoren. Bei Lebererkrankungen kommt es zu einem Mangel an Albuminen
(Aszites) und an Gerinnungsfaktoren (Blutungen).
- Fettstoffwechsel: auch Fette können in der Leber gespeichert und im Bedarfsfall wieder
abgegeben werden.
15.11 Gallenblase und Gallenwege
In der Leber wird die für die Fettverdauung notwendige Galle produziert, die über die
Gallengänge in den Zwölffingerdarm abtransportiert wird.
15.11.1 Gallenblase - Vesica fellea
Die Gallenblase ist ein birnenförmiges Hohlorgan von etwa 8 - 12cm Länge. Sie liegt an der
Eingeweideseite der Leber und ist mit der Leberkapsel verwachsen.
Ihre Schleimhaut weist netzförmige Falten auf, deren oberste Schicht aus Zylinderepithel
besteht, das einerseits ein schleimiges Sekret abgibt, andererseits Wasser aus der
Gallenflüssigkeit resorbiert und diese eindickt. Die Gallenblase stellt ein Speicherorgan für
die Galle dar, die bei Bedarf in den Dünndarm abgegeben wird. Eine scherengitterartig
angeordnete Tunica muscularis ermöglicht die optimale Kontraktion der Gallenblase.
Die Galle wird von der Leber (!!) gebildet (ca. 0,5l pro Tag) und in der Gallenblase
gespeichert. Sie besteht hauptsächlich aus Wasser, Elektrolyten, Bilirubin, Gallensäuren
und Cholesterin.
Das Bilirubin ist ein Abbauprodukt des Hämanteils der roten Blutkörperchen.
15.11.2 Gallenwege
Man unterscheidet innerhalb der Leber liegende intrahepatische und extrahepatische
Gallengänge, die außerhalb der Leber liegen.
intrahepatischen Gallengänge: Diese beginnen als kleinste Gallenkapillaren und fließen zu
immer größeren Kanälchen zusammen, bis sie schließlich als Ductus hepaticus dexter et
sinister (rechter und linker Lebergang) die Leber über die Leberpforte verlassen.
extrahepatischen Gallengänge: Sie transportieren die Gallenflüssigkeit zunächst über den
Ductus hepaticus communis (gemeinsamer Lebergang) und den Ductus cysticus
(Gallenblasengang) in die Gallenblase und von dort über den Ductus choledochus
(Gallengang) in das Duodenum.
15.12 Die Bauchspeicheldrüse - das Pankreas
Das Pankreas ist eine graurötliche Drüse, die quer vom Duodenum zur Milz verläuft. Es liegt
retroperitoneal, d.h. es ist nur an seiner Vorderseite von Peritoneum überzogen. Das
Pankreas weist eine Länge von etwa 13-18cm auf und zeigt eine Läppchenstruktur. Es ist in
drei Anteile gegliedert, den Kopf – Caput pancreatis, der in der C-förmigen Schlinge des
Duodenums liegt, den Körper – Corpus pancreatis, der quer vor der Wirbelsäule liegt, und
der Schwanz - Cauda pancreatis, der bis zur Milz reicht.
- 123 -
15.12.1 Feinbau und Funktion
Das Pankreas besteht aus 2 unterschiedlichen Anteilen, einer exokrinen Verdauungsdrüse
und einer endokrinen Hormondrüse, deren Zellen als so genannte Langerhans'sche
Inselzellen in das exokrine Pankreas inselförmig eingebettet sind.
Der exokrine Pankreasanteil liefert täglich 1-2 Liter „Bauchspeichel“, der Enzyme für die
Eiweiß,- Fett,- und Kohlenhydratverdauung enthält.
Die Enzyme zur Eiweißspaltung (Proteasen) heißen Trypsinogen, Chymotrypsinogen und
Elastase, die Enzyme zur Kohlenhydratspaltung sind die Pankreasamylasen und
Ribonukleasen, das Enzym zur Fettspaltung aus dem Pankreas ist die Pankreaslipase.
Insbesondere die Proteasen liegen innerhalb der Drüse zunächst in einer inaktiven Form
vor, um eine Selbstverdauung des Drüsegewebes zu vermeiden. Sie werden erst im
Duodenum aktiviert.
Der endokrine Anteil oder Langerhans Inseln besteht aus unterschiedlichen Zellen
verschiedener Funktionen:
A-Zellen: produzieren das Hormon Glukagon, das den Blutzuckerspiegel durch einen
erhöhten Glykogenabbau in der Leber anhebt. Glukagon ist ein Gegenspieler des Insulins.
B-Zellen: 80% der Zellen; sie bilden das blutzuckersenkende Hormon Insulin, das die
Aufnahme von Glukose in die Zellen ermöglicht und dadurch den Blutzuckerspiegel senkt.
D-Zellen: sie bilden das Somatostatin, das die Ausschüttung von Insulin und Glukagon
hemmt.
15.13 Verdauungsenzyme
Verdauung von Eiweißen
Folgende Enzyme sind an der Eiweißverdauung beteiligt:
Pepsin und Salzsäure aus dem Magen
Trypsinogen und Chymotrypsinogen aus dem Pankreas (werden erst im Dünndarm in ihre
aktiven Formen Trypsin und Chymotrypsin umgewandelt).
Aminopeptitasen aus dem Dünndarm
Verdauung von Kohlenhydraten
Alpha-Amylasen der Mundspeicheldrüsen
Alpha-Amylasen, Maltasen, Isomaltasen, Laktasen, Sacharasen aus Pankreas und
Dünndarm
Verdauung von Fetten
Zungengrundlipasen, Pankreaslipasen, Gallensäuren
- 124 -
16 DAS NERVENSYSTEM
Das Nervensystem setzt sich zusammen aus:
- Gehirn
- Rückenmark
- Hirnnerven
- Spinalnerven
- Periphere Nerven
- Ganglien
- Rezeptoren
Man kann das Nervensystem funktionell in einen somatischen und einen viszeralen Anteil
oder topographisch in einen zentralen und einen peripheren Anteil einteilen.
funktionelle Einteilung - Einteilung nach der Funktion
somatisches (animales oder willkürliches) Nervensystem: es dient der Wahrnehmung und
Aufnahme von Reizen und der motorischen Steuerung der Muskulatur. Es setzt sich
vorzugsweise mit der Umwelt auseinander.
viszerales (vegetatives oder autonomes) Nervensystem: es setzt sich mit dem Körper
selbst, also mit seinen Organen, auseinander. Es unterliegt nicht der bewussten Kontrolle.
topographische Einteilung - Einteilung nach der Lage im Körper
zentrales Nervensystem: dazu gehören das Gehirn und das Rückenmark.
peripheres Nervensystem: dazu gehören die 12 Hirnnervenpaare, die 31 Spinalnervenpaare mit ihren motorischen Efferenzen und ihren sensorischen Afferenzen und die
außerhalb des Gehirns und Rückenmarks gelegenen Anteile des vegetativen
Nervensystems (Sympathikus und Parasympathikus).
die großen Sinnesorgane, die eine Sonderstellung einnehmen.
16.1 Bau des Nervengewebes:
Das Nervengewebe besteht grundsätzlich aus zwei verschiedenen Zelltypen, den
Nervenzellen oder Neuronen und den Stützzellen oder Gliazellen.
16.1.1 Bau der Nervenzelle (Neuron)
Die Nervenzelle ist die funktionelle Grundeinheit des Nervensystems. Sie besteht aus
einem Zellkörper und seinen Fortsätzen, den Dendriten und dem Neuriten oder Axon. Ihre
Zellmembran ist in der Lage, elektrische Reize zu erzeugen. Sie kann mittels Botenstoffen
und Rezeptoren Signale empfangen und weiterleiten.
Dendriten sind kurze, baumartig verzweigte Zytoplasmaausstülpungen der Nervenzelle,
die dem Erregungsempfang dienen. Es sind mehrere pro Nervenzelle vorhanden. Sie
nehmen die Erregung von einer benachbarten Zelle auf und leiten sie zum Zellkörper
weiter.
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Der Neurit oder das Axon ist ein langer, kabelartiger Zellfortsatz, der am Axonhügel
entspringt und die Erregung weiterleitet (zur nächsten Nervenzelle, Drüse, Muskel,…). Pro
Nervenzelle geht ein Axon ab.
16.1.2 Afferenz und Efferenz
Afferenzen sind zuleitende Strukturen des Nervensystems. Bezogen auf die Nervenzelle
sind die Dendriten Afferenzen (afferent-zuleitend), bezogen auf das Nervensystem
bezeichnet man als afferent, was Informationen aus der Peripherie zum ZNS hinleitet, also
sensible Fasern, die Empfindungen zum ZNS leiten.
Efferenzen sind wegleitende Strukturen. An der Nervenzelle ist der Neurit efferent, er
leitet die Erregung der Nervenzelle weg. Andererseits bezeichnet man als efferent, was
Erregungen vom zentralen Nervensystem in die Peripherie leitet, also motorische Fasern,
welche die Muskulatur erregen.
16.1.3 Synapsen
Neuronen (Nervenzellen) stehen untereinander an bestimmten Schaltstellen in
Verbindung. Solche Schaltstellen nennt man Synapsen. An diesen synaptischen
Schaltstellen werden Erregungen von präsynaptischen Fasern (Neuriten) auf
postsynaptische Fasern (Dendriten und Nervenzellkörper) weitergeleitet. Synapsen findet
man auch zwischen Neuronen und Sinneszellen (z.B.: Stäbchen und Zapfen des Auges) und
in der Peripherie zwischen Nervenfasern und Erfolgsorgan (motorische Endplatte der
Muskulatur, Drüsenzellen).
Manche Nervenzellen besitzen nur einige wenige, manche weit über tausend Synapsen.
Aufbau: Der präsynaptische Neurit endet mit einer Anschwellung, dem präsynaptischen
Endknöpfchen an der Oberfläche des postsynaptischen Neurons. Dazwischen befindet sich
ein feiner Spalt, der Synapsenspalt, der von Überträgersubstanzen überwunden werden
muss. Nur im präsynaptischen Endknöpfchen findet man Synapsenbläschen, die diese
Überträgerstoffe enthalten. Bei einer Erregung entleeren sich die Überträgerstoffe (zB.
Acetylcholin, Noradrenalin) in den Synapsenspalt und geben die Erregung an das
postsynaptische Neuron weiter.
An den Synapsen wird die elektrische Erregungsleitung entlang der Nervenzelle in eine
chemische, durch Überträgersubstanzen übermittelte, Erregung umgewandelt. Nachdem
der Synapsenspalt durch diese Überträgersubstanzen überwunden wurde, läuft die
Erregung wieder elektrisch entlang der nächsten Nervenzelle ab.
16.1.4 Gliazellen des zentralen Nervensystems
Das Nervengewebe besitzt ein eigenes Stützgewebe, die Neuroglia oder kurz Glia. Sie
erfüllt jene Funktionen, die in anderen Organen dem Bindegewebe zukommt. Sie ist das
dreidimensionale Stützwerk der nervösen Organe und begleitet auch die peripheren
Nerven. Überall sind die Neuronen von einer isolierenden Gliahülle umgeben, die auch
Stoffwechselfunktionen hat.
Die Gliazellen überwiegen gegenüber den Nervenzellen etwa um das 10-fache. Sie füllen
alle Zwischenräume aus. Man unterscheidet verschiedene zentrale Gliazellen, wir
besprechen zwei davon. Beide gehören der sogenannten Makroglia an.
- 126 -
Astrozyten: Die größten Gliazellen sind sternförmig und sie stehen durch zahlreiche
Verästelungen miteinander in Verbindung; sie bilden ein dreidimensionales Netzwerk.
Astrozyten umhüllen die Kapillaren des Nervengewebes vollständig und bilden die Blut Hirnschranke, die den Stoffaustausch (Medikamente, Giftstoffe) zwischen Blut und
Zentralnervensystem kontrolliert.
Oligodendrozyten sind kleine Zellen mit wenigen Ausläufern. Sie bilden in der weißen
Substanz des ZNS eine Isolierschicht, die Myelinscheiden, analog den Schwannschen Zellen
der peripheren Nerven.
16.1.5 Gliazellen des peripheren Nervensystems
Die Schwannschen Zellen umhüllen die Axone der peripheren Nerven und isolieren sie vom
umgebenden Bindegewebe. Sie können mit einer dicken Schicht Myelin umhüllt sein oder
nur wenig Myelin beinhalten; dementsprechend unterscheidet man zwei Arten von
Nervenfasern.
Marklose Nervenfasern haben sich in das Zytoplasma der Schwann`schen Zellen
eingesenkt und sind von ihm umhüllt. Jede der aneinander-gereihten Zellen enthält
mehrere, meist 6-12, Achsenzylinder. Marklose Nervenfasern haben eine geringe
Nervenleitgeschwindigkeit.
Markhaltige Nervenfasern: Bei den markhaltigen Nervenfasern umhüllt jede Schwannsche
Zelle nur einen Teil eines einzigen Achsenzylinders. Sie enthält Myelin, eine Fett Eiweißsubstanz. Die Schwannschen Zellen liegen der Reihe nach angeordnet um ein Axon;
dort wo die Myelinscheide unterbrochen ist befindet sich eine Einkerbung, der Ranviersche
Schnürring. Markhaltige Nervenfasern besitzen eine hohe Leitungsgeschwindigkeit. Die
Erregungsleitung erfolgt „saltatorisch“, d.h. in Sprüngen von einem Schnürring zum
nächsten.
Bei der Multiplen Sklerose kommt es im Rahmen einer Autoimmunerkrankung zu einer
Entmyelinisierung der Nervenfasern im ZNS und dadurch zu Lähmungen und
Sensibilitätsstörungen.
16.1.6 Weiße Substanz
Markhaltige Nervenfasern erscheinen aufgrund ihres Myelingehaltes weiß. Daher
bezeichnet man markhaltige Nervenfasern im ZNS (= Bahnen) als weiße Substanz. Am
Gehirn liegt sie innen, am Rückenmark außen.
16.1.7 Graue Substanz
Ansammlungen von Nervenzellkörpern mit ihren Dendriten erscheinen grau. Im ZNS
bezeichnet man solche Areale (Kerne oder Rindenfelder) als graue Substanz. Man findet
sie am Gehirn außen und in den grauen Kernen (Basalganglien), beim Rückenmark innen
(Schmetterling).
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16.1.8 Nervenfasern
Als Nervenfaser bezeichnet man ein Axon (Neurit) mit den umhüllenden Myelinscheiden.
Nervenfasern, die vom ZNS in die Peripherie ziehen, heißen efferente Nervenfasern. Da sie
zur Muskulatur ziehen, handelt es sich um motorische Nervenfasern.
Nervenfasern, die aus der Peripherie zum ZNS ziehen, heißen afferente Nervenfasern. Es
sind sensible oder sensorische Nervenfasern,sie bringen die Reize von den Organen, der
Körperperipherie oder den großen Sinnesorganen zum Rückrnmark und Gehirn.
Als Nerv bezeichnet man Bündel von Nervenfasern, die in einer gemeinsamen
Bindegewebshülle eingebettet sind. Man unterscheidet motorische, sensible oder
gemischte Nerven.
- 128 -
17
GEHIRN - CEREBRUM
Das menschliche Gehirn ist die Steuerzentrale des gesamten Körpers. Hier laufen die
Informationen aus dem Körper und der Umwelt zusammen und werden zu Reaktionen
verarbeitet. Es ist eines der aktivsten Organe des Körpers.
Die Evolution des Menschen ist durch eine auffällige Zunahme des Hirngewichts
gekennzeichnet. Doch der Mensch hat weder absolut noch relativ das größte Gehirn. Das
menschliche Gehirn wiegt etwa 1200-1500g. (Elefant 5000g, Blauwal 7000g). Die
Gehirnmasse steht im engen Zusammenhang mit der zu innervierenden Muskelmasse.
Zusätzlich ist die Oberfläche beim Menschen durch ausgeprägte Hirnwindungen sehr groß.
Lage des Gehirns
Das Gehirn und das Rückenmark sind vollständig von Knochen umgeben. Im
Schädelknochen gibt es mehrere Foramina (Öffnungen), die den Durchtritt der großen
Arterien und Venen und der Hirnnerven ermöglichen. Das größte ist das Foramen magnum
(großes Hinterhauptsloch), durch das der Hirnstamm mit dem Rückenmark in Verbindung
steht.
Am Gehirn und auch am Rückenmark unterscheidet man graue Substanz, entsprechend
den Nervenzellkörpern und Dendriten und weiße Substanz, die den myelinhaltigen Axonen
entspricht.
Das Gehirn liegt, umhüllt von seinen Hirnhäuten, der Schädelbasis auf und besteht aus zwei
Hirnhälften, den Hemisphären. Diese stehen durch den sog. Balken miteinander in
Verbindung. Bei Betrachtung des Gehirns fällt auf, dass nicht alle Teile von außen sichtbar
sind, sondern zum Teil von der gewaltigen Masse des Großhirns überdeckt werden.
Sichtbare Anteile des Gehirns: Großhirn
Brücke, Pons
verlängertes Mark, Medulla oblongata
Kleinhirn, Cerebellum
Nicht sichtbare Anteile des Gehirns: Zwischenhirn, Diencephalon
Mittelhirn, Mesencephalon
Kurze Übersicht über die einzelnen Hirnabschnitte:
Großhirn (Telencephalon)
Zwischenhirn (Diencephalon)
Mittelhirn (Mesencephalon)
Brücke (Pons)
verlängertes Mark (Medulla oblongata)
Kleinhirn (Cerebellum)
Mittelhirn, Brücke und verlängerten Mark bilden gemeinsam den Hirnstamm.
Graue Substanz findet man im Gehirn an der Hirnrinde und in der Tiefe als Kerne. Im
Rückenmark betstehen die zentralen Anteile aus grauer Substanz (Schmetterling). Sie wird
von den Nervenzellkörpern und der Dendriten gebildet.
- 129 -
Weiße Substanz befindet sich im Gehirn unterhalb der Hirnrinde und im Rückenmark als
äußere Schicht. Sie wird von den durch Myelin eingescheideten Neuriten (Axonen)
gebildet.
17.1
Großhirn - Telencephalon
Das Großhirn, das den überwiegenden Anteil der Hirnmasse ausmacht, ist der Form des
knöchernen Schädeldaches angepasst. Es liegt, umgeben von den Hirnhäuten, unter der
knöchernen Schädelkalotte und stülpt sich über Mittel-, und Zwischenhirn. Es ist der Sitz
des Bewusstseins.
An der äußeren Oberfläche des Großhirns liegt die Großhirnrinde. Sie weist zahlreiche
Windungen (Gyrus) und Furchen (Sulcus) auf, die der Oberflächenvergrößerung dienen.
Die Großhirnrinde enthält 70% aller Nervenzellen (Neuronen) des Gehirns; diese werden als
graue Substanz des ZNS bezeichnet. Nervenzellen mit ähnlichen Funktionen liegen in
Verbänden beieinander (Rindenfelder). Nach ihrer Funktion werden motorische,
sensorische und Assotiationsfelder unterschieden!
17.1.1
Furchen und Lappen des Großhirns
Die längsverlaufende Furche Fissura longitudinalis teilt das Großhirn in zwei Hälften, die
rechte und linke Hemisphäre. Die beiden Hälften sind in der Tiefe durch den Balken
(Corpus callosum), ein querverlaufendes Fasersystem, miteinander verbunden.
Durch die Längsfurche und weitere Furchen (Sulci) wird das Großhirn in vier Lappen
unterteilt:
Lobus frontalis - Stirnlappen
Lobus parientalis - Scheitellappen
Lobus temporalis - Schläfenlappen
Lobus occipitalis - Hinterhauptslappen
Furchen des Gehirns
Fissura longitudinalis (Längsfurche): trennt die beiden Hemisphären
Sulcus centralis (Zentralfurche): trennt den Stirnlappen vom Scheitellappen
Sulcus lateralis (Lateralfurche): trennt den Stirnlappen vom Schläfenlappen
Sulcus parietooccipitalis: trennt den Hinterhauptslappen vom Scheitel - und
Schläfenlappen
17.1.2 Rindenfelder des Großhirns
Rindenfelder sind Areale gleicher Funktion an der Großhirnrinde und bestehen aus grauer
Substanz!
Motorische Rindenfelder steuern die Skelettmuskulatur, die Impulse laufen von der
Hirnrinde weg über efferente Bahnen zu den Muskeln.
Sensorische Rindenfelder verarbeiten Sinneseindrücke, die Impulse werden von den
Sinneszellen über afferente Bahnen zum Gehirn geleitet.
- 130 -
Die Assoziationsfelder verknüpfen motorische und sensorische Rindenfelder und machen
logische Handlungsabläufe möglich. Sie liegen in mehreren Rindenfeldern aller Hirnlappen.
Wir unterscheiden primäre und sekundäre Rindenfelder:
17.1.2.1 Primäre Rindenfelder
Ein primäres Rindenfeld ist ein Großhirnbereich, der über eine Art Punkt zu Punkt
Verbindung mit peripheren Körperteilen in Verbindung steht. Die Größe eines Rindenfeldes
richtet sich nach der Vielzahl an Bewegungsmustern oder Sinnesrezeptoren und nicht nach
der Größe des zu versorgenden Körperabschnittes. So ist z.B. das Rindenfeld für die
Handmuskeln größer als das Rindenfeld für die Rumpfmuskulatur, da die Handmuskulatur
viel feinere Bewegungen ausführen kann und dem entsprechend gut mit Nerven versorgt
sein muss! (siehe HOMUNCULUS!)
Die primär motorischen Rindenfelder liegen vor der Zentralfurche in der vorderen
Zentralwindung (Gyrus praecentralis). Hier liegen alle Nervenzellen für die Steuerung
bewusster Bewegungen.
Die primär sensorischen Rindenfelder liegen hinter der Zentralfurche in der hinteren
Zentralwindung (Gyrus postcentralis). Sie erhalten ihre Informationen von den peripheren
Rezeptoren aus Haut, Muskeln, Sehnen. Sie sind die Rindenfelder für die bewussten
Empfindungen.
17.1.2.2 Sekundäre Rindenfelder
Sekundär motorische Rindenfelder sind den primären motorischen Rindenfeldern
übergeordnet. Sie sind ein Koordinations- und Gedächtniszentrum und geben den
primären Feldern Informationen, wie bereits erlernte Bewegungsabläufe am besten
abgelaufen sind; Sie haben, so zu sagen, bereits erlernte Bewegungsabläufe gespeichert.
In den sekundär sensorischen Rindenfeldern sind frühere Empfindungen gespeichert,
wodurch neu eintreffende Sinneseindrücke verglichen und wiedererkannt werden.
17.1.2.3 Rindenfelder der großen Sinnesorgane
Die Rindenfelder der großen Sinnesorgane liegen, den Geschmackssinn ausgenommen,
nicht in der hinteren Zentralwindung. Auch hier gibt es primäre und sekundäre
Rindenfelder.
Das Sehzentrum liegt im Hinterhauptslappen. Im primären Sehzentrum endet die
Sehbahn, hier "entsteht" das gesehene Bild, das von der Netzhaut weitergeleitet wird.
Störung: Blindheit (Rindenblindheit)
Im sekundären Sehzentrum werden Bilder wiedererkannt, es dient der Interpretation und
Speicherung von Gesehenem; hier befindet sich auch das Lesezentrum.
Störung: Visuelle Aphasien
Das Hörzentrum liegt im Schläfenlappen. Das primäre Hörzentrum liegt im Lobus
temporalis, hier endet die Hörbahn. Bei einer Störung kommt es zur Taubheit
(Rindentaubheit).
Das sekundäre Hörzentrum liegt auch im Lobus temporalis. Seine Funktion ist die
Interpretation und Speicherung des Gehörten, hier werden Höreindrücke wiedererkannt.
Störung: Auditorische Aphasie; Gesprochenes kann gehört, aber nicht verstanden werden.
- 131 -
Der Geruchssinn endet in entwicklungsgeschichtlich „alten“ Rindenanteilen im so
genannten Inselbereich und ist mit dem limbischen System verknüpft.
Sprachzentren: Das Wernicke Zentrum dient dem Sprachverständnis; es ist also das
sensorische Sprachzentrum.
Es liegt im Lobus temporalis (leicht ausgeprägte
Seitendominanz links in der Bevölkerung). Hier wird die gehörte Sprache gespeichert.
Störung: Wernicke Aphasie (Verlust des Sprachverständnisses), auditorische Aphasie
kombiniert mit visueller Aphasie
Das Broca Zentrum koordiniert beim Sprechen Kehlkopf, Lippen und Zungenmuskulatur.
Als motorisches Zentrum ermöglicht es das Sprechen.
17.1.3 Bahnen
Verschiedene Hirnabschnitte werden durch Nervenfaserbündel (weiße Substanz)
miteinander verbunden:
Die Kommissurenbahnen verbinden die rechte und die linke Gehirnhälfte miteinander. Die
mächtigste Kommissurenbahn ist der Balken (Corpus callosum).
Die Projektionsbahnen leiten Erregungen aus verschiedenen Körperregionen zum
Großhirn und umgekehrt. Die größte motorische Projektionsbahn ist die Pyramidenbahn.
Die Assoziationsbahnen leiten Impulse zwischen den verschiedenen Rindenfeldern und
ermöglichen so die Verknüpfung verschiedener Wahrnehmungen.
17.2 Pyramidales motorisches System
Den Ursprung nimmt das pyramidale System im Gyrus praecentralis. Von den Neuronen
des primären motorischen Rindenfeldes ziehen die Nervenfasern über die Pyramidenbahn
zu den motorischen Kernen der Hirnnerven und zum Rückenmark und weiter zur
quergestreiften Muskulatur. Die Pyramidenbahn übermittelt die Steuerung der
bewussten, willkürlichen Bewegung und die Feinmotorik!
Im Bereich des Hirnstamms kreuzen die meisten der Pyramidenfasern die Seite. Das
bedeutet, dass die Pyramidenbahn der rechten Hemisphäre die linke Körperhälfte versorgt
und umgekehrt!
Deshalb ist bei einem Schlaganfall in der rechten Hemisphäre die linke Körperhälfte
betroffen und umgekehrt.
17.3 Extrapyramidal motorisches System
Die Basalganglien sind graue Kerngebiete, die in der weißen Substanz des Groß - und
Zwischenhirns liegen und als wichtige motorische Koordinationszentren dem Extra
Pyramidal Motorischen System (EPMS) - also außerhalb des Pyramidensystems liegenden
System - zugeordnet werden. Zusätzlich liegen auch einige Kerngebiete in der Hirnrinde.
Die größte Kernanhäufung der Basalganglien ist der Streifenkörper (Corpus striatum).
Dieser ist den übrigen Basalganglien als höheres Koordinationszentrum der unwillkürlichen
Motorik übergeordnet. Weitere Anteile der Basalganglien sind der Schalenkern (Putamen),
der blasse Kern (Globus pallidus), der Schweifkern (Nucleus caudatus) und der Mandelkern
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(Corpus amygdaloideum). Sie werden anatomisch und funktionell unterschiedlichen
Hirnabschnitten zugeordnet. (Globus pallidus dem Zwischenhirn, der Mandelkern dem
limbischen System)
Die Bahnen, die von diesen Kernen in die Peripherie ziehen heißen Extrapyramidale
Bahnen. Diese laufen nahe der Pyramidenbahn vom Großhirn zum Rückenmark.
Funktion: Es steuert vornehmlich die unbewußten Muskelbewegungen wie gröber
erscheinende Bewegungsabläufe vor allem der Rumpf- (tonische Halte- und Stützmotorik)
und der proximalen Extremitätenmuskulatur (sog. Massenbewegungen). Es stellt damit
die Grundlage für die pyramidal gesteuerte Feinmotorik dar. Weiterhin beeinflusst das
EPMS den Muskeltonus und sorgt durch die Verschaltung mit dem Kleinhirn, dem
optischen und dem Gleichgewichts - Reflexzentrum für die Harmonie der Bewegungen und
der Korrektur der Körperhaltung. Beide Systeme, also das pyramidale und das
extrapyramidale, ergänzen einander, damit Bewegungsabläufe sinnvoll ablaufen können.
Die häufigste Störung des extrapyramidalen Systems ist das Parkinson Syndrom, dem ein
Mangel an Dopamin produzierenden Zellen zu Grunde liegt.
17.4 Limbisches System
Das limbische System ist eine komplexe Gruppe von mehreren wie ein C konfigurierten
Strukturen um Balken und Hirnstamm, die sowohl graue als auch weiße Substanz aller
Hirnlappen enthalten. Es hat Verbindungen zu vielen tiefen Kerngebieten und zum
Geruchsapparat. Entwicklungsgeschichtlich ist das limbische System eines der primitiven
alten Teile des Gehirns.
Besonders Gefühle und emotionale Reaktionen, wie Aggression, Wut, Furcht, sexuelle
Wünsche, werden von diesem System unter Beteiligung von Großhirnrinde, des Thalamus
u. Hypothalamus gesteuert. Es wird aus Strukturen des Großhirns, des Zwischenhirns und
des Mittelhirns gebildet. Außerdem gehören dazu: Mandelkern (Corpus amygdaloideum),
Hippocampus und Teile des Hypothalamus.
17.5 Zwischenhirn - Diencephalon
Das Zwischenhirn liegt zwischen den beiden Großhirnhemisphären in der Mitte des Gehirns
und gliedert sich in mehrere Abschnitte, den Thalamus, den Hypothalamus, die
Hypophyse, den Epithalamus und die Epiphyse. Es dient als Schaltstelle zwischen Großhirn
und Hirnstamm.
17.5.1
Der Thalamus
Der Thalamus ist der größte Kern des Zwischenhirns. Er besteht hauptsächlich aus grauer
Substanz und ist beim Menschen eine mächtig entwickelte Umschalt - und Kontrollstation.
Impulse, die aus der Peripherie zum Gehirn geleitet werden und den Thalamus erreichen,
werden zu bewussten Empfindungen und Wahrnehmungen verarbeitet. Sensible Impulse,
wie Schmerz oder Berührung und sensorische Impulse, wie Sehen, Hören, Schmecken,
werden von der Peripherie an den Thalamus geleitet und nach Verarbeitung an die
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zuständigen Areale in der Großhirnrinde weitergeleitet. Der Thalamus fungiert dabei als
Filter und entscheidet, welche Impulse an die Großhirnrinde weitergeleitet werden sollen.
Einige Thalamuskerne sind nicht mit der Körperperipherie, sondern mit Assotiationsfeldern
der Großhirnrinde verbunden, die für die Verarbeitung von Sinnesreizen zu bewussten
Empfindungen von Bedeutung sind. Verbindungen zum limbischen System spielen für die
emotionale Reaktion auf verschiedene Sinneseindrücke eine wesentliche Rolle.
MERKE!!! Alle Sinneseindrücke, die aus der Umwelt oder dem Körper aufgenommen
werden, ausgenommen dem Geruchssinn(!), werden zuerst über aufsteigende Bahnen
zum Thalamus geleitet und werden dort verarbeitet. Erst dann gelangen diese gefilterten
und verarbeiteten Empfindungen weiter zur Großhirnrinde und werden dort zu
bewussten Empfindungen!
17.5.2 Hypothalamus und Hypophyse
Der Hypothalamus liegt als kleinerer Teil des Zwischenhirns unterhalb des Thalamus. Er ist
die übergeordnete Schaltstelle vieler vegetativer und hormoneller Regulationssysteme.
Der Hypothalamus ist das wichtigste Steuerzentrum vieler Körperfunktionen. Dies
geschieht teils über nervalem Weg, teils hormonell.
Er reguliert folgende Körperfunktionen: Körpertemperatur, Blutdruck, Wasser,- und
Elektrolythaushalt, Kreislauf, Nahrungsaufnahme, Gefühle wie Wut oder Aggression (er ist
ja auch ein Teil des limbischen Systems!)
Der Hypothalamus produziert als übergeordnetes Hormonzentrum einerseits
Releasinghormone, die die Adenohypophyse über Blutgefäße erreichen und sie zur
Ausschüttung der - tropen Hypophysenvorderlappenhormone anregen.
Andererseits produziert der Hypothalamus zwei Hormone, das Adiuretin und das Oxytocin,
die über nervale Verbindungen die Neurohypophyse (Hypophysenhinterlappen) erreichen.
Dort werden sie gespeichert und bei Bedarf ins Blut abgegeben.
Die Hypophyse ist eine kleine bohnenförmige Drüse, die mit einem trichterförmigen Stiel
am Hypothalamus hängt und in einer kleinen Aushöhlung des Keilbeins liegt. Man
unterscheidet einen Hypophysenvorderlappen oder Adenohypophyse vom
Hypophysenhinterlappen oder Neurohypophyse.
17.6 Hirnstamm - Truncus cerebri
Der Hirnstamm ist der unterste Hirnabschnitt und wird aus dem Mittelhirn
(Mesencephalon), der Brücke (Pons) und dem verlängerten Mark (Medulla oblongata)
gebildet.
Der Hirnstamm liegt gemeinsam mit dem Kleinhirn in der hinteren Schädelgrube und geht
im Bereich des Hinterhauptlochs (Foramen magnum) in das Rückenmark über. Er besteht
sowohl aus grauer Substanz (Nervenzellansammlungen) als auch aus weißer Substanz
(Leitungsbahnen).
- 134 -
17.6.1 Mittelhirn - Mesencephalon
Das Mittelhirn liegt zwischen dem Zwischenhirn und der Brücke und es lassen sich an ihm
folgende Strukturenunterscheiden:
- Die Vierhügelplatte: sie zeigt zwei obere und zwei untere Hügel, die durch eine
kreuzförmige Furche voneinander getrennt sind. Sie dient als akustisches und optisches
Reflexzentrum.
- die Mittelhirnhaube: in ihr liegen die Kerngebiete der III. (N. oculomotorius) und IV.
(N. trochlearis) Hirnnerven und einige Kerne, von denen der Nucleus ruber (roter Kern)
und die Substantia nigra (schwarze Substanz) auf Reize von Augen und Ohren reagieren.
Sie gehören dem extrapyramidal motorischen System (steuert unwillkürliche
Bewegungen) an und steuern daher Bewegungen der Augen, des Kopfes und des Rumpfes
auf optische und akustische Reize.
- die Großhirnstiele oder Hirnschenkel: sie sind die Summe der aus einer Hemisphäre
austretenden und in sie eintretenden Faserbündel. Sie enthalten auch die Pyramidenbahn.
Sie dienen dem Austausch motorischer und sensibler Informationen zwischen dem
Großhirn, dem Hirnstamm und dem Rückenmark.
17.6.2 Die Brücke - Pons
Die Brücke gehört zusammen mit dem Kleinhirn zum Hinterhirn. In der Brücke laufen alle
Bahnen, die aus den oberen Hirnabschnitten zum Rückenmark ziehen. Es handelt sich
demnach um weiße Substanz. Querverlaufende Fasern verbinden außerdem das Großhirn
mit dem Kleinhirn. Zwischen den Fasersträngen liegen auch einige Brückenkerne (graue
Substanz), die als Schaltstellen zwischen Groß - und Kleinhirn dienen. Außerdem
entspringen in diesem Bereich mehrere Hirnnerven.
17.6.3 Verlängertes Mark - Medulla oblongata
Das verlängerte Mark schließt an die Brücke an und geht auf Höhe des 1. Halswirbels ohne
scharfe Grenze in das Rückenmark über. Es ist zwiebelförmig aufgetrieben und lässt seitlich
zwei Vorwölbungen, die sog. Pyramiden, erkennen. Diese entstehen durch Faserbündel,
die Pyramidenbahnen, die hier zum Großteil auf die andere Seite kreuzen. (Pyramidenbahn:
efferente motorische Nervenfasern: weiße Substanz).
Lateral der Pyramiden liegen die Oliven, die als Koordinationszentrum für
Muskelbewegungen anzusehen sind, besonders für die Feinmotorik. Deshalb ziehen die
meisten Nervenfasern von der Olive zum Kleinhirn, weil dieses für die feinmotorische
Koordination der Muskelbewegungen zuständig ist. Auch Informationen aus den Muskeln
über deren momentanen Bewegungszustand oder deren Lage (propriozeptive
Sensibilität) enden hier in der Olive, um dann an das Kleinhirn weitergeleitet zu werden.
Im verlängerten Mark befinden sich allerdings auch Zentren, die lebenswichtige
Funktionen steuern (graue Substanz). Es sind dies Kontrollzentren für Herz,-Kreislauf,
Atmung, Schluck – Husten – Nies und Brechzentren. Die Informationen erhalten diese
- 135 -
Kontrollzentren teilweise über afferente, sensorische Bahnen oder die Sensoren befinden
sich direkt in der Medulla oblongata.
Weiters liegen die Kerne für den VIII., IX., X., XI., und XII. Hirnnerven im verlängerten Mark.
Klinik: Druckanstieg im Gehirn (Verletzungen, Blutungen) können zu Einklemmungen der
Medulla oblongata und zum sofortigen Tod führen.
17.7 Formatio reticularis
Unter dem Begriff Formatio reticularis wird ein ausgeprägtes Netzwerk von Nervenzellen
zusammengefasst, das sich von der Medulla oblongata bis zum Zwischenhirn erstreckt. Sie
bilden eine netzartige Struktur mit aufsteigenden sensorischen und absteigenden
motorischen Fasern.
Sie spielt eine große Rolle bei der Steuerung der Bewusstseinslage, besonders im Rahmen
der Schlaf - Wachperiodik.
Der Schlaf ist ein notwendiger Ruhezustand, in dem sich Puls, Atemfrequenz, Blutdruck
und Bewusstseinslage reduzieren. Zur Aufrechterhaltung des Schlafes wird die Schlaftiefe
in zeitlichen Abständen variiert, es wechseln Tiefschlafphasen mit weniger tiefen
Schlafphasen ab. Gegen Ende des Schlafes wechseln diese Phasen in immer kürzeren
Abständen und der Schlafende erwacht.
Mittels EEG lassen sich diese verschiedenen Schlafphasen ableiten und aufzeichnen.
REM- Schlaf - Rapid-Eye-Movement: der Muskeltonus ist herabgesetzt, Puls und Atmung
aber erhöht. In diesen Phasen träumt der Mensch. Etwa 20% des Schlafes sind REM- Phasen.
Non- REM- Phasen: Blutdruck und Temperatur sinken ab, der Schlafende befindet sich im
Tiefschlaf und ist schwer erweckbar.
Die REM- Phasen sind am Beginn des Schlafes selten und nehmen gegen Ende des Schlafes
deutlich zu.
17.8 Kleinhirn - Cerebellum
das Kleinhirn ist nach dem Großhirn der zweitgrößte Anteil des Gehirns und liegt in der
hinteren Schädelgrube dem Hirnstamm auf.
Es hat außen eine gegliederte, etwa 1mm dicke Rinde aus grauer Substanz, in Inneren Mark
aus weißer Substanz, in dem sich noch graue Kerne befinden. Das Kleinhirn ist mit dem
Rückenmark, dem Mittelhirn, dem Großhirn und dem Gleichgewichtsorgan verbunden.
Dadurch erklärt sich seine Funktion: Aufrechterhaltung des Gleichgewichts und
des
Muskeltonus, Koordination der Muskelbewegungen; es steuert außerdem die Stellung des
Körpers im Raum und die Feinmotorik.
Das Kleinhirn (Cerebellum) koordiniert Bewegungen und sorgt dafür, dass diese flüssig
ablaufen, und ist für Gleichgewicht, Bewegungen und deren Koordination verantwortlich.
Störungen in diesem Areal des Gehirns können dazu führen, dass der Betroffene unter
Bewegungsstörungen leidet oder das Gleichgewicht verliert.
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18 DAS RÜCKENMARK - MEDULLA SPINALIS:
Das Rückenmark reicht vom großen Hinterhauptsloch, dem Foramen magnum, bis zur
Lendenwirbelsäule. Es liegt im Wirbelkanal, umgeben von den Hirnhäuten, und reicht etwa
bis zum 2. Lendenwirbelkörper, wo es in feine Nervenfasern, die Cauda equina, die einem
Pferdeschwanz ähnelt, ausläuft. Diese Nervenfasern laufen vom RM zu ihren
Austrittsstellen aus der Wirbelsäule. Die Länge des Rückenmarks beträgt etwa 50cm, sein
Durchmesser bis zu 2cm. Zu beiden Seiten des Rückenmarks treten Nervenfasern aus und
ein, man bezeichnet sie als Nervenwurzeln. Diese vereinigen sich zu 31 bis 32
Nervenpaaren, den Spinalnerven.
Diese Spinalnerven werden, entsprechend den Wirbelsäulenanteilen, aus denen sie
austreten, benannt. Sie verlassen durch die Zwischenwirbellöcher, die von jeweils zwei
benachbarten Wirbelkörpern gebildet werden, die Wirbelsäule.
Man unterscheidet folgende Abschnitte des Rückenmarks:
8 Halssegmente (C1 – C8) für die Innervation der Atemmuskulatur und der oberen
Extremität
12 Brustsegmente (Th1 – Th12), die die Rumpfwand versorgen
5 Lendensegmente (L1 – L5) und 5 Kreuzbeinsegmente (S1 – S5) zur Versorgung der
unteren Extremität, des After sund der äußeren Geschlechtsorgane
1 – 2 Steißbeinsegmente für die Haut über dem Steißbein
Unterhalb von L2 ist kein Rückenmark mehr vorhanden, die Nervenfasern ziehen in einem
Bündel, pferdeschwanzähnlich, zu ihren Zwischenwirbellöchern.
18.1 Graue und weiße Substanz
Im Rückenmarkquerschnitt zeigt sich innen die graue Substanz, deren Form an einen
Schmetterling erinnert. Sie besteht aus den Nervenzellkörpern und ihren Dendriten. An ihr
bezeichnet man im Querschnitt die Kerngebiete als Hörner, denen im Längsverlauf der
Wirbelsäule Säulen entsprechen.
Außen laufen die Bahnen des Rückenmarks als weiße Substanz nach oben und unten.
18.1.1 graue Substanz - Hörner (Cornua) des Rückenmarks
An der grauen Substanz des Rückenmarks unterscheidet man mehrere Hörner, die
unterschiedliche Kerngebiete enthalten.
Hinterhorn, Cornu posterius: die Neurone des Hinterhorns erhalten ihre Informationen
über sensible afferente Axone, die über die dorsale Wurzel der Spinalnerven in das
Rückenmark eintreten. Die Nervenzellkörper dieser Axone liegen in den Spinalganglien.
Das Hinterhorn besteht demnach aus sensiblen Neuronen, die ihre Informationen an das
Gehirn, letztlich an den sensiblen Gyrus postcentralis (hintere Zentralwindung)
weiterleiten.
Vorderhorn, Cornu anterius: hier sind die motorischen Neurone in Kerngruppen
angeordnet, ihre Axone ziehen über die Vorderwurzel in die Spinalnerven und zur
quergestreiften Muskulatur. Sie erhalten ihre Impulse aus den motorischen Arealen (Gyrus
praecentralis, Basalganglien) des Gehirns. Entsprechend der Muskelmasse nimmt auch das
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Vorderhorn im Hals - (Versorgung der Muskeln der oberen Extremität) und im Lumbal - und
Sakralbereich (untere Extremität) die größte Ausdehnung an.
Seitenhorn, Cornu laterale: in ihm liegen die afferenten (sensiblen) und efferenten
(motorischen) vegetativen Neurone, deren afferente Axone über die hintere Wurzel
eintreten und deren efferente Axone über die vordere Wurzel austreten um sich teilweise
an den Grenzstrang anzuschließen. In ihm liegen sowohl sensible als auch motorische
Nervenzellkörper des Sympathikus und des Parasympathikus zur Versorgung der
Eingeweide.
18.1.2 Weiße Substanz - Stränge
Die weiße Substanz liegt im RM außen und wird von auf und absteigenden Bahnen
gebildet.
Die Stränge enthalten auf - und absteigende Nervenbahnen und werden nach ihrer Lage
als Vorder - Seiten - und Hinterstrang bezeichnet. Vorder - und Seitenstrang werden auch
zum Vorderseitenstrang zusammengefasst.
Die wichtigsten absteigenden Bahnen sind die Pyramidenbahn, die vom primär
motorischen Bereich der Großhirnrinde zu den Kernen des Vorderhorns reicht und die
motorischen Bahnen des extrapyramidalen motorischen Systems.
Die aufsteigenden Bahnen des Hinterstrangs übermitteln sensible Informationen von Haut,
Sehnen, Muskeln und Gelenken zum Gehirn, der Vorderseitenstrang übermittelt
Informationen über groben Druck, Schmerz und Temperatur.
18.2 Reflexe
Reflexe sind immer gleich ablaufende Reaktionen auf Reize, die blitzschnell ohne
willentliche Beeinflussung, ablaufen. So ein Reflex läuft über einen Reflexbogen ab.
Reflexbogen bedeutet, dass ein Rezeptor einen Reiz aufnimmt, diesen über sensible
afferente Fasern ins ZNS weiterleitet, wo eine Reflexantwort erzeugt wird, welche
wiederum über motorische Nervenfasern zum ausführenden Organ geleitet wird.
Man unterscheidet Eigenreflexe und Fremdreflexe.
18.2.1 Eigenreflexe - monosynaptische Reflexe
Die Reizaufnahme und die Reizantwort liegen im selben Organ und zwar in einem Muskel.
Der sensible Reiz wird über afferente Fasern über die Hinterwurzel zum Hinterhorn des RM
geleitet und dort direkt (monosynaptisch) auf die motorischen Vorderhornzellen
umgeschaltet. Dieser Reiz verlässt über die Vorderwurzel das RM und erregt den gereizten
Muskel. Es kommt im Muskel zu einer Reizantwort (Kontraktion).
Eigenreflexe sind Muskelsehnenreflexe, die sehne wird sensibel gereizt, der dazugehörige
Muskel antwortet mit einer Kontraktion!
Bsp.: Patellarsehnenreflex, Achillessehnenreflex
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18.2.2 Fremdreflexe - polysynaptische Reflexe
Die Reizaufnahme und die Reizantwort liegen nicht im selben Organ. Der Reflexbogen läuft
über mehrere Synapsen ab.
So wird der sensible Reiz in der Körperperipherie (Haut) ausgelöst, die motorische Antwort
gibt wiederum die Muskulatur.
Bsp.: Schutzreflexe (zB. Hand auf heiße Herdplatte à durch Kontraktion der Armmuskeln
wird die Hand weggezogen), Fluchtreflexe
Einige physiologische Reflexe beim Neugeborenen:
Saugreflex, Schreitreflex, Schwimmreflex, Babinskireflex
18.2.3 Vegetative Reflexe
Innere Organe werden vom vegetativen Nervensystem gesteuert, Reflexe, die die inneren
Organe betreffen, werden daher vegetative Reflexe genannt.
Beispiele für vegetative Reflexe sind der Mastdarmreflex zu Stuhlentleerung und der
Blasenreflex zur Harnentleerung. Auch das Anspannen der Bauchmuskulatur bei einer
Blinddarmentzündung oder die entkrampfende Wirkung von Wärmepackungen an der
Haut auf innere Organe haben ihre Grundlage in vegetativen Reflexen.
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19 PERIPHERES NERVENSYSTEM:
Als peripheres Nervensystem bezeichnet man jenen Anteil des Nervensystems, der
außerhalb des Gehirns und des Rückenmarks liegt. Dazu gehören die 12 Hirnnervenpaare
und die 31 Spinalnervenpaare.
19.1 Hirnnerven
Die Hirnnerven entspringen, im Gegensatz zu den Nerven, die aus dem Rückenmark abgehen, direkt aus dem Gehirn und verlassen den Schädel durch vorgeformte
Austrittslöcher. Sie versorgen den Kopf und den Hals, aber auch einen Großteil der inneren
Organe und sie verbinden die großen Sinnesorgane mit dem Gehirn. Hirnnerven sind in der
Regel paarig angelegt und gehören dem peripheren Nervensystem an.
Wir unterscheiden 12 Hirnnervenpaare, die mit römischen Ziffern von bezeichnet werden:
I. Nervus olfactorius: Riechnerv
II. N. opticus: Sehnerv
III. N. oculomotorius: Augenmuskelnerv; steuert Augen - und Lidbewegungen
IV. N. trochlearis: Augenmuskelnerv
V. N. trigeminus – Drillingsnerv; er besteht aus 3 Anteilen
- N. ophthalmicus - Augenhöhlennerv, der sensibel die Augenhöhle und die
Stirn versorgt
- N. maxillaris – Oberkiefernerv zur sensiblen Versorgung von Teilen der Gesichtshaut,
der Nasenschleimhaut, der Oberlippe und der Zähne des Oberkiefers
- N. mandibularis – Unterkiefernerv: versorgt sensibel die Unterlippe und Zahnfleisch
und Zähne des Unterkiefers. Motorisch versorgt er die Kau -und Mundbodenmuskulatur.
Klinik: Trigeminusneuralgie: schmerzhafte Reizung in seinem Versorgungsgebiet
VI. N. abducens: Augenmuskelnerv
VII. N. facialis: Gesichtsnerv: er besitzt motorische, sensorische und parasympathische
Fasern. Motorisch versorgt er die mimische Muskulatur, sensorisch leitet er die
Geschmacksempfindungen der vorderen 2/3 der Zunge zum Gehirn und seine
parasympathischen Fasern versorgen die Tränendrüse, die Unterkiefer - und die
Unterzungendrüse.
Klinik: Facialisparese: häufige Lähmung des Gesichtsnervs mit unvollständigem Lidschluss,
fehlender Mimik und herabhängendem Mundwinkel der betroffenen Seite. Ist Stirnrunzeln
noch möglich, hat die Fazialisschwäche wahrscheinlich eine zentrale und keine periphere
Ursache. (zentral: Schlaganfall; peripher: Idiopathisch)
VIII. N. vestibulocochlearis: Hör - Gleichgewichtsnerv
IX. N. glossopharyngeus: Zungen - Rachennerv (Schlucken)
X. N. vagus: Eingeweidenerv; Er ist der Hauptnerv des Parasympathikus und versorgt einen
Teil der Halsorgane, die Brustorgane und die meisten Bauchorgane mit sensiblen und
motorischen vegetativen Fasern.
XI. N. accessorius: Halsnerv (Kopfdrehung, Schulterhebung), versorgt motorisch den M.
trapezius und den M. sternocleidomastoideus.
XII. N. hypoglossus: Zungennerv
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19.2 Spinalnerven
Die Spinalnerven entspringen aus dem Rückenmark und treten paarig – rechts und links durch die Zwischenwirbellöcher aus dem Spinalkanal aus. Sie setzen sich jeweils aus einer
vorderen und einer hinteren Wurzel zusammen, die sich zum Spinalnerv vereinigen.
Die hintere Wurzel besteht aus den afferenten sensiblen Nervenfasern, die Signale wie
Schmerz, Berührung, Druck, Temperatur, aus der Peripherie zum Rückenmark leiten. Ihre
Zellkörper liegen in den Spinalganglien, in denen die Nerven aus der Peripherie kommend
noch einmal auf das nächste Neuron umschalten. Die Spinalganglien liegen außerhalb des
Rückenmarks, aber innerhalb des Wirbelkanals.
Die vordere Wurzel besteht aus efferenten motorischen Nervenfasern, die ihre Kerne
(Umschaltstellen) in der grauen Rückenmark- Substanz (Vorderhornzellen) haben. Ihre
Axone enden an Muskeln.
Diese beiden Wurzeln vereinigen sich knapp vor dem Austritt durch die Zwischenwirbellöcher zum Spinalnerv.
Folgende Spinalnerven verlassen die Wirbelsäule durch die Zwischenwirbellöcher:
8 Halsnerven - Nn. cervicales: das 1. Paar tritt zwischen Schädel und Atlas aus, das 8. Paar
zwischen dem 7. Hals - und 1. Brustwirbelkörper. Sie versorgen die obere Extremität und
die Atemmuskulatur.
12 Brustnerven - Nn. thoracici: der 1. tritt zwischen 1. und 2. Brustwirbelkörper aus. Sie
versorgen die Brustwand.
5 Lendennerven - Nn. lumbales und 5 Kreuzbeinnerven - Nn.sacrales: Sie versorgen
gemeinsam die untere Extremität, die äußeren Geschlechtsorgane und den After.
1(2) Steißbeinnerven - N. coccygeus: sie versorgen den Hautbereich über dem Steißbein.
Nach seinem Austritt aus dem Spinalkanal teilt sich jeder Spinalnerv in mehrere Anteile:
Gleich nach ihrem Austritt trennen sich die vegetativen Nervenfasern (Sympathikus oder
Parasympathikus), welche zu den Eingeweiden ziehen.
Die hinteren Anteile (Ramus posterior) versorgen die Haut und die tiefe Muskulatur im Hals
- und Rückenbereich.
Die vorderen Anteile (Ramus anterior) aus dem 2.-11. Brustsegment laufen als
Nn.intercostales - Zwischenrippennerven
- zwischen jeweils 2 Rippen zur
Rumpfvorderseite und versorgen die Haut und die Muskulatur des Brustkorbes und des
Bauches.
Die vorderen Anteile aus den übrigen Rückenmarksabschnitten bilden Nervengeflechte,
so genannte Plexus, aus denen die peripheren Nerven für Arme, Zwerchfell, Beine und
Becken hervorgehen.
19.2.1
Plexus - Nervengeflechte
Wie besprochen, bilden die vorderen Anteile (Rami anteriores) der Spinalnerven, mit
Ausnahme jener aus dem 2. - 11. Brustsegment, die ja die Interkostalnerven bilden,
Nervengeflechte oder Plexus.
Der Plexus cervicalis – Halsgeflecht geht aus den vorderen Ästen der 1.-4. Zervikalnerven
(Halsnerven) hervor; er versorgt sensibel und motorisch die Bereiche von Hals und
Schulter. Aus ihm entspringt auch der N.phrenicus (Zwerchfellnerv) für das Zwerchfell.
- 141 -
Der Plexus brachialis – Armgeflecht wird aus den ventralen Ästen von C5 – Th1 gebildet. Er
versorgt Nacken und Schulter und bildet auch die drei großen Armnerven, den N.radialis,
N. ulnaris und den N. medianus, die motorisch die Armmuskulatur und sensibel die Haut
der oberen Extremität versorgen.
Der Plexus lumbosacralis – Lenden – Kreuzgeflecht entsteht aus den ventralen Ästen von
L1 – S5. Seine Nerven versorgen die untere Bauchwand, die äußeren Geschlechtsorgane,
den Damm, das Gesäß und die untere Extremität. Aus ihm gehen zwei große Nerven, der
N. femoralis zur Vorderseite des Beines und der N. ischiadicus zur Rückseite der unteren
Extremität ab.
- 142 -
20 VEGETATIVES NERVENSYSTEM
Das vegetative Nervensystem, auch autonomes Nervensystem, ist nicht dem Bewusstsein
unterworfen und steuert lebenswichtige Organfunktionen wie Herzschlag, Atmung,
Verdauung und Stoffwechsel.
Es besteht aus dem Sympathikus und dem Parasympathikus, des Großteils eine
antagonistische, also entgegengesetzte Wirkung auf die Organe haben.
20.1 Sympathikus
Der Sympathikus entspringt aus dem Seitenhorn des Brust – und Lendenmarks, seine
motorischen Fasern verlassen über die Vorderwurzel, die sensiblen Fasern über die
Hinterwurzel des Spinalnervs das Rückenmark. Übergeordnete Anteile des Sympathikus
liegen zum Teil in der Großhirnrinde, im Hypothalamus und im Hirnstamm. Sie senden ihre
Impulse zu den sympathischen Ursprungskernen im Rückenmark. Im RM liegen die
sympathischen Neurone im Seitenhorn des Brust,-und Lendenmarkes. Ihre Axone
verlassen über die Vorderwurzel das RM und die meisten Fasern ziehen zu
Nervenzellansammlungen beiderseits der WS, den Paravertebralganglien, die miteinander
verbunden sind und den sympathischen Grenzstrang bilden. Dieser läuft ähnlich einer
Strickleiter beiderseits der Wirbelsäule, in ihm sind perlschnurartig angeordnete Ganglien
über Nervenfasern miteinander verknüpft. Dort schaltet der Großteil der sympathischen
Nerven auf das 2. Neuron um ( Neurotransmitter: Acetylcholin) und die Axone (Neuriten)
ziehen zu den inneren Organen. ( Neurotransmitter: Noradrenalin).
Die Axone im Bauch - und Beckenbereich ziehen ohne Umschaltung im Grenzstrang weiter
zu den so genannten prävertebralen Ganglien, die in der Nähe großer Gefäße große
Nervengeflechte bilden (Plexus coeliacus, Plexus mesentericus superior und inferior). Erst
dort schalten ihre Axone um und ziehen zu den Organen.
Das Nebenniernmark ist ebenfalls ein Anteil des peripheren Sympathikus, es setzt bei
Sympathikusreiz (Stress!!!) Adrenalin und Noradrenalin frei und gibt sie an das Blut ab.
Funktion:
Er steigert Herztätigkeit, Blutdruck, Durchblutung der Skelettmuskulatur, die Glykolyse
und den Stoffwechsel
Er hemmt Darmtätigkeit und Blasenfunktion
Außerdem bewirkt er eine Erweiterung der Bronchien, die Ejakulation beim Mann und den
Orgasmus bei der Frau und führt zu einer Erweiterung der Pupillen.
20.2 Parasympathikus
Im Zentralnervensystem liegen die Neurone des Parasympathikus im Hirnstamm und im
Rückenmark im Seitenhorn des Sakralmarkes (Kreuzmark). Ihre Axone verlassen das ZNS
mit einigen Hirnnerven und mit Spinalnerven. Im Gegensatz zum Sympathikus schalten sie
erst in parasympathischen Ganglien um, die entweder nahe an oder bereits im
Erfolgsorgan liegen. (zum Beispiel in der Wand von Hohlorganen wie Magen, Darm,
Harnblase).
- 143 -
Die Hirnnerven III, VII und, IX führen parasympathische Fasern in die Peripherie und
versorgen die glatte Muskulatur und die Drüsen im Kopfbereich und im Bereich des Halses.
Der N. Vagus (X. Hirnnerv) versorgt die Organe im Brustbereich und die Baucheingeweide
bis zur linken Kolonflexur (Übergang des Colon transversum in das Colon descendens).
Parasympathische Fasern aus dem Sakralmark ziehen mit den Spinalnerven in die
Peripherie und versorgen das Colon descendens, das Rektum und die Beckenorgane.
Funktion: senkt Antrieb und Aufmerksamkeit, führt zu einer Verengung der Pupillen,
erhöht die Speichelproduktion, führt zu einer Kontriktion (Engstellung) der Bronchien und
zu einem Absinken der Frequenz und Schlagkraft des Herzens, senkt den Blutdruck. Er
erhöht allerdings die Verdauungstätigkeit und die Darmperistaltik.
Sympathikus und Parasympathikus wirken antagonistisch.
In der Regel bewirkt der Sympathikus eine Leistungssteigerung des Organismus, er regt
die Herztätigkeit und den Blutkreislauf an, während er die Darmtätigkeit hemmt. Er
überwiegt, wenn der Mensch aktiv ist.
Der Parasympathikus hingegen dämpft den Herzschlag und fördert die Verdauung. Er
überwiegt in Ruhe.
Der Sympathikus versetzt den Körper in den Zustand hoher Leistungsbereitschaft, er
bereitet auf Angriff, Flucht, Verteidigung und außergewöhnliche Anstrengungen vor.
Der Parasympathikus sorgt für Ruhe, Erholung und Schonung des Organismus.
Organ
Wirkung des Sympathikus
Wirkung des Parasympathikus
• Auge
Erweiterung der Pupillen
Verengung der Pupillen und
stärkere Linsenkrümmung
• Speicheldrüsen
Verminderung der
Speichelsekretion (wenig und
zäher Speichel)
Vermehrung der
Speichelsekretion (viel und
dünnflüssiger Speichel)
• Herz
Beschleunigung der
Herzfrequenz
Verlangsamung der
Herzfrequenz
• Lunge
Erweiterung der Bronchien und
Verminderung von
Bronchialschleim
Verengung der Bronchien und
Vermehrung von
Bronchialschleim
• Magen-DarmTrakt
Verminderte Darmbewegung
und verminderte Sekretion von
Magen- und Darmsaft
Vermehrte Darmbewegung und
vermehrte Sekretion von
Magen- und Darmsaft
- 144 -
• Bauchspeicheldrüse
Verminderte Sekretion von
Verdauungssäften
Vermehrte Sekretion von
Verdauungssäften
• Männliche
Sexualorgane
Ejakulation
Erektion
• Haut
Verengung der Blutgefäße,
Schweißsekretion, Aufstellen der
Haare
20.3 Meningen - Hirnhäute
Gehirn und Rückenmark füllen die knöchernen Höhlen des Schädels und der Wirbelsäule
nicht vollständig aus, sondern sind von Häuten und einer Flüssigkeit, dem Liquor
cerebrospinalis umgeben, die das empfindliche Nervengewebe vor Erschütterungen
schützen.
An den Hirnhäuten unterscheidet man 3 Blätter, eine äußere harte Hirnhaut, die Dura
mater von einer inneren weichen Hirnhaut, der Leptomeninx, die wiederum in das äußere
Blatt, die Arachnoidea, und in das innere Blatt, die Pia mater, unterteilt wird. Zwischen
diesen Blättern befindet sich ein mit Flüssigkeit, Liquor cerebrospinalis, gefüllter Raum,
der Subarachnoidalraum.
20.3.1 Dura mater
Die außen liegende Dura mater ist fest mit dem Periost des Schädelknochens verwachsen
und auch zur darunterliegenden Arachnoidea besteht eine bindegewebige Verbindung. Die
Dura besteht eigentlich aus 2 Blättern, die teilweise fest miteinander verbunden sind,
teilweise aber Hohlräume dazwischen bilden. Sie ist eine derbe sehnige Haut , die mit ihren
Gebilden (Duplikaturen) den Schädelinnenraum unterteilt und dem Gehirn Halt verleiht. In
diesen Gebilden laufen große, venöse Blutleiter.
Am Foramen magnum setzt sich die Dura auf das Rückenmark fort, wo sie sich in 2 Blätter
aufteilt. Ein äußeres, welches das Periost des Wirbelkanals bildet und ein inneres, welches
wie ein Sack das RM und den äußeren Liquorraum umhüllt. Dazwischen liegt der mit
Fettgewebe und großen Venen gefüllte Epiduralraum.
Duplikaturen der Dura mater:
Falx cerebri, Gehirnsichel: mediansagittal gelegene Duraplatte, die zwischen die zwei
Hemisphärenbis zum Balken reicht. Sie geht über in das horizontal verlaufende Tentorium
cerebelli, Kleinhirnzelt, das den Hinterhauptslappen des Großhirns vom Kleinhirn trennt,
und in die Falx cerebelli, Kleinhirnsichel, die unvollständig die Kleinhirnhemisphären
voneinander trennt, über.
- 145 -
20.3.2 Arachnoidea
Die äußere Schicht der Leptomeninx liegt der Dura innen auf und überbrückt, im Gegensatz
zur Pia mater, alle Unebenheiten des Gehirns. Sie ist sehr fein und heißt wegen ihres
Aussehens Spinnwebenhaut. Sie bildet liquorgefüllte Ausstülpungen, die
Arachnoidalzotten, die durch die Dura hindurch in die venösen Blutleiter (Sinus) der Dura
ragen und den Liquor in das Venensystem abtransportieren.
20.3.3 Pia mater
Die innerste Schichte der Hirnhäute liegt der Oberfläche des Gehirns direkt an und folgt ihr
in alle Einkerbungen und Vertiefungen. Zwischen Arachnoidea und Pia mater liegt der
liquorgefüllte Subarachnoidalraum.
20.4 Der Liquor cerebrospinalis
Der Liquor ist eine farblose, klare Flüssigkeit, der die inneren und äußeren Räume des
Gehirns ausfüllt. Er wird von einem Kapillargeflecht der Pia mater innerhalb der
Hirnventrikel gebildet und über die Arachnoidalzotten wieder in das Blut der venösen Sinus
abgegeben. Seine Hauptaufgabe ist der Schutz des Gehirns.
Lumbalpunktion: bei vielen Erkrankungen ist eine Untersuchung des Liquors von
diagnostischer Bedeutung (Meningitis, Blutungen). Liquor wird gewonnen, indem
zwischen den Dornfortsätzen des 3. und 4.Lendenwirbels punktiert wird. Da das
Rückenmark bereits auf Höhe des 2. Lendenwirbelkörpers endet, bleibt es dabei
unverletzt.
20.5 Liquorräume
Im ZNS gibt es zwei miteinander in Verbindung stehende Liquorräume, den
Subarachnoidalraum oder äußeren Liquorraum zwischen Arachnoidea und Pia mater und
das Ventrikelsystem im Inneren des Gehirns. Diese liquorgefüllten Hohlräume stehen
durch Kanäle miteinander in Verbindung.
Im Gehirn unterscheiden wir 2 Seitenventrikel in den Großhirnhemisphären, den 3.
Ventrikel im Zentrum des Zwischenhirns und den 4. Ventrikel im Rhombencephalon
(hinterster Gehirnabschnitt) zwischen Brücke und Kleinhirn; dieser setzt sich in den
Zentralkanal des Rückenmarks fort.
Klinik:
Beim Hydrocephalus liegt eine Störung zwischen Liquorbildung und
Liquorresorption vor; es kommt zu Liquoransammlungen in den Liquorräumen und in der
Folge zu einem erhöhten Hirndruck. Solange der Schädel noch wächst kommt es auch zu
einer Schädelvergrößerung.
- 146 -
20.6 Gefäßversorgung des Gehirns
20.6.1 Arterien
Das Gehirn wird aus zwei Gefäßgebieten versorgt, die zur Sicherstellung der
Hirndurchblutung zu einem Ring, den Circulus arteriosus cerebri (Willisii), verbunden sind.
Insgesamt erhält das Gehirn sein arterielles Blut aus 4 Gefäßen, nämlich aus Ästen der
beiden Aa. carotides internae (innere Halsschlagadern) und von dorsal aus den Ästen der
beiden Aa. vertebrales (Wirbelschlagadern).
20.6.2 Venen
Hirnvenen sind klappenlos und dünnwandig und verlaufen meist unabhängig von den
Arterien. Sie lassen sich in oberflächliche und tiefe Venen einteilen. Die tiefen Venen
sammeln das Blut aus den Markbereichen des Gehirns, die oberflächlichen von der
Hirnoberfläche; sie münden in die venösen Sinus (Blutleiter) zwischen den zwei Blättern
der Dura mater. Von dort fließt das Blut über die paarige V. jugularis interna in die re. und
li. V. brachiocephalica in die V. cava superior.
Klinik:
Schlaganfall: Unter einem Schlaganfall versteht man eine Störung der Hirndurchblutung,
entweder durch den Verschluss einer Arterie (Thrombose) oder durch eine Blutung in ein
bestimmtes Hirnareal. Es kann je nach betroffenem Gebiet, zu motorischen und sensiblen
Ausfällen, zu Sprach- und Sehstörungen und zu Bewusstseinseinschränkungen kommen.
- 147 -
21 SENSIBILITÄT UND SINNESORGANE
Sensibilität ist die Fähigkeit, Veränderungen der Umwelt oder des Körperinneren durch
spezielle Sinneszellen oder Sinnesorgane wahrzunehmen.
Die Sinnesrezeptoren für diese Wahrnehmungen leiten nach einem Reiz die Impulse über
sensible Nervenbahnen zum Gehirn. Verschiedene Reize benötigen unterschiedliche
Rezeptoren:
Mechanorezeptoren: reagieren auf mechanische Reize, wie Druck oder Zug.
Thermorezeptoren: Wärme und Kältereize
Photorezeptoren: Licht
Chemorezeptoren: chemische Stoffe, wie Geschmacks - oder Geruchsstoffe
Nozirezeptoren: Schmerzreize durch Gewebsschäden
21.1
Hautsinn
Die sensible Innervation des Rumpfes ist in Dermatome (Hautareale), die den einzelnen
Spinalnerven zugeordnet sind, gegliedert. Die Dermatome von Arm, Bein und
Genitalanalregion folgen komplizierten Anordnungen der Spinalnerven.
Auf Grund enger Beziehungen zwischen vegetativem und sensiblem System können
Schmerzempfindungen innerer Organe auf bestimmte Hautareale projiziert werden, man
spricht von Head`schen Zonen.
Die Haut ist das größte Sinnesorgan des Menschen. Die Empfindungen werden von einer
Vielzahl unterschiedlicher Nervenendigungen ausgelöst:
freie Nervenendigungen nehmen Schmerzreize und Temperaturreize wahr.
Merkel-Tastkörperchen sind langsam adaptierende Mechanorezeptoren
Unter Meissner-Tastkörperchen versteht man ovale, von einer Kapsel umgebene
Endkörperchen; sie vermitteln Druck - und Berührungsempfindungen.
Vater-Pacini-Körperchen sind schnell adaptierende Mechanorezeptoren, sie nehmen
Vibrationen wahr.
Ruffini-Körperchen sind ebenfalls schnell adaptierende Mechanorezeptoren, die auch in
Gelenkskapseln zu finden sind.
Krause-Endkolben sind wiederum langsam adaptierende Mechanorezeptoren, die neben
der Haut auch in Gelenken und Organkapseln vorkommen.
21.2 Geruchssinn
Als Riechorgan verfügt die Nase über zahlreiche entsprechende Sinneszellen, die als
Chemorezeptoren im oberen Bereich der Nasenscheidewand und der oberen
Nasenmuschel liegen. Die Riechschleimhaut hebt sich gelblich gefärbt gegen die übrige
Nasenschleimhaut ab.
Die Riechschleimhaut ist aus Basal - und Stützzellen aufgebaut, aus denen die Riechzellen
hervorragen. Jede dieser über zehn Millionen Riechzellen mündet in einen Riechknopf, der
von etwa fünf winzigen Riechhärchen besetzt ist. Diese sind in der Lage gelöste
Duftmoleküle aufzufangen. Wenn das geschieht, wird die Sinneszelle veranlasst, einen
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Nervenimpuls zu erzeugen. Die Riechnervenfasern, die sich zum Riechnerven, dem N.
olfactorius (1.Hirnnerv) vereinigen, leiten den entstandenen Impuls durch die
Siebbeinplatte in den Schädel zum Riechkolben. Der Riechkolben liegt unterhalb des
Stirnlappens des Großhirns, er hat etwa die Größe eines Streichholzkopfes. Das Siebbein,
das die zentrale Schädelbasis mitbildet, beinhaltet winzige Öffnungen für die Fasern der
Riechzellen. Im Riechkolben werden die Impulse auf das 2. Neuron der Riechbahn, den
Tractus olfactorius, umgeschaltet und dieser zieht zur Großhirnrinde.
21.3 Geschmackssinn
Mit den Sinneszellen der Zunge nehmen wir die Geschmacksrichtungen süß, salzig, sauer,
bitter und umami wahr. Dazu dienen vier Arten von Papillen mit insgesamt 9000
Geschmacksknospen, die sich auf dem Zungenrücken befinden.
Die Fadenpapillen (Papillae filiformes) sind über den ganzen Zungenrücken verteilt. Ihre
Spitzen übertragen mechanische Einflüsse auf zahlreiche Nervenenden und bilden so die
Grundlage für den feinen Tastsinn der Zunge.
Die Blätterpapillen gruppieren sich in zwei Reihen an jeder Zungenseite.
Die Pilzpapillen liegen am Zungenrand und auf der Zungenspitze.
Sieben bis zwölf warzenförmige Wallpapillen liegen im hinteren Teil der Zunge.
Die Geschmacksknospen der Papillen enthalten jeweils 30-80 Rezeptorzellen. Diese
nehmen über die Geschmacksporen die im Speichel gelösten Geschmacksstoffe auf. Die
Rezeptorzellen wandeln "Geschmack" in elektrische Impulse um und leiten diese weiter an
die sensorischen Nervenfasern. Über den VII. Hirnnerven (N. Facialis: vordere 2/3 der
Zunge) und den IX. Hirnnerv (N. Glossopharyngeus: hinteres 1/3) gelangen die Impulse zum
Gehirn.
Die Geschmacksknospen nehmen folgende Geschmäcker auf: süß, sauer, salzig, bitter und
umami. Die Geschmacksknospen für „bitter" sind 10.000mal empfindlicher als jene für
„süß"; auf diese Weise können die meist bitteren giftigen Substanzen besonders schnell
wahrgenommen werden.
21.4 Hör - und Gleichgewichtssinn
21.4.1
Ohr- Auris
Äußeres Ohr - Auris externa
Das äußere Ohr besteht aus der Ohrmuschel (Auricula) und dem äußeren Gehörgang mit
einem knorpeligen und einen knöchernen Anteil. Mit Hilfe des äußeren Ohres "fangen" wir
die akustischen Signale unserer Umgebung auf. Diese werden dann über den Gehörgang
in den inneren, im Schädel verborgen liegenden, Teil des Ohres weitergeleitet. Bei der von
außen sichtbarer Ohrmuschel handelt es sich um einen trichterförmigen, von Haut
überzogenen, elastischen Knorpel. Die Form und die Größe sind individuell sehr
unterschiedlich. Das Ohrläppchen besteht hingegen aus Fettgewebe, wodurch es sehr
flexibel ist. Der äußere Gehörgang reicht bis zum Trommelfell, das den Übergang vom
- 149 -
äußeren Ohr zum Mittelohr bildet. Im Gehörgang sind außerdem noch die
Ohrenschmalzdrüsen oder Zerumendrüsen zu finden.
Mittelohr - Auris media
Im Mittelohr (Auris media) befindet sich die so genannte Paukenhöhle. Die Paukenhöhle
wird nach außen zum Gehörgang vom Trommelfell begrenzt und ist mit Luft gefüllt. In ihr
befinden sich die drei Gehörknöchelchen, der Hammer, der Amboss und der Steigbügel.
Diese drei winzigen Knochen fungieren als Überträger und als Verstärker der eintreffenden
akustischen Wahrnehmungen.
Der Hammerstiel ist an der Innenseite des Trommelfells angewachsen. Durch den Schall
gerät das elastische Trommelfell in Schwingungen. Der Hammer schwingt dabei immer mit
und überträgt die Schallschwingungen an den Amboss und in der Folge auf den Steigbügel.
Dieser leitet die übertragene Schwingung schließlich zum Innenohr weiter. Der Steigbügel
schließt das Mittelohr gegenüber dem Innenohr ab, indem seine Fußplatte in eine Öffnung
des Felsenbeins beweglich eingepasst ist. Die Öffnung, in die der Steigbügel eingepasst ist,
wird ovales Fenster genannt. Da die Schallwellen vom größeren Trommelfell zum kleinen
ovalen Fenster übergeleitet werden, werden diese verstärkt und können so die Flüssigkeit
im Innenohr in Schwingung versetzen. Das Felsenbein ist ein Teil des Schläfenbeines.
Die Eustachische Röhre (Ohrtrompete) verbindet die nach außen abgeschlossener
Paukenhöhle mit dem Rachen, damit Druckunterschiede ausgeglichen werden können.
Durch Schlucken oder Pressen von Luft bei zugehaltener Nase kann etwa beim Tauchen
der Druck im Mittelohr dem höheren äußeren Druck angeglichen werden.
Ein solcher Druckausgleich ist ebenso erforderlich, wenn der Außendruck geringer als der
Druck im Mittelohr ist. Dies ist zum Beispiel beim Fliegen der Fall. Hier hilft ebenfalls das
"Luftpressen" bei zugehaltener Nase oder bewusstes Schlucken, um den Druckausgleich
über die Ohrtrompete im Mittelohr wiederherzustellen und somit das unangenehme
Druckgefühl in den Ohren los zu werden.
Innenohr - Auris interna
Der dritte Teil des Ohres, das Innenohr (Auris interna), befindet sich eingebettet im
knöchernen Bereich des Felsenbeins. Das Innenohr enthält die Bogengänge. Utriculus und
Sacculus für das Gleichgewichtsorgan und die Schnecke (Cochlea) als eigentliches
Hörorgan. Die Cochlea verdankt ihren Namen der Tatsache, dass sie aus drei übereinander
liegenden gebogenen Kanälen besteht, die ihr das Aussehen einer Schnecke verleihen. Im
Gegensatz zum äußeren Ohr und dem Mittelohr, die beide luftgefüllt sind, sind die
Bogengänge, Utriculus, Sacculus und die Schnecke mit Flüssigkeit gefüllt, die sich nicht
zusammendrücken lässt. Die knöcherne Schnecke und Bogengänge sind mit Perilymphe
gefüllt, sie umgeben eine innere häutige Schnecke und häutig angelegte Bogengänge, die
mit Endolymphe gefüllt sind.
Die häutigen Organe liegen also in einer im Knochen vorgeformten Höhle.
Die häutige Schnecke ist das mit Endolymphe gefüllte Hörorgan (Corti Organ) und
beinhaltet die Basilarmembran mit den Sinneszellen (Haarzellen), welche das Hören
ermöglichen. Die Härchen ragen in eine gallertige Deckmembran, die die Bewegungen der
Endolymphe mitmacht und diese auf die Härchen überträgt. Die Basis der Haarzellen bilden
die Fasern des VIII. Hirnnerven (N. vestibulocochlearis).
- 150 -
21.4.1.1 Hörfunktion
Schallwellen sind wellenförmige Luftschwingungen und werden von der Ohrmuschel
aufgenommen. Durch den äußeren Gehörgang gelangen sie zum Trommelfell und
versetzen dieses in Schwingungen. Die Schwingungen übertragen sich auf die
Gehörknöchelchenkette und erreichen so das ovale Fenster, die Öffnung zum Innenohr.
Die Schwingungen am ovalen Fenster übertragen sich auf die Perilymphe der
Vorhoftreppe (Scala vestibuli) und wandern bis zur Schneckenspitze und um diese herum
in die Paukentrappe (Scala tympani) und gelangen so bis zum runden Fenster, wo sie
verebben. Zwischen diesen Treppen liegt das ebenfalls flüssigkeitsgefüllte (Endolymphe)
Cortiorgan mit der Basalmembran und den Sinneszellen.
Die Wellen versetzen auch die Endolymphe im Cortiorgan in Schwingungen. Dadurch
werden zwischen den Haarzellen der Basilarmembran und der gallertigen Deckmembran
Scherbewegungen erzeugt. Die Härchen der Sinneszellen verbiegen sich und es entsteht
ein Nervenreiz. Diese Reize werden über die basal liegenden Nervenfasern zum Nervus
vestibulocochlearis (Hörnerv) weitergeleitet. Über ihn ziehen sie zum Hörzentrum im
Schläfenlappen des Großhirns.
Das menschliche Ohr kann Schall mit einer Frequenz von 16 bis etwa 20.000 Hertz erfassen.
Die obere Hörgrenze sinkt mit zunehmendem Alter bis auf Werte um 5.000 Hertz ab
(Altersschwerhörigkeit). Am empfindlichsten reagiert unser Ohr auf Frequenzen von 2.000
bis 5.000 Hertz.
21.4.2 Gleichgewichtsorgan
Das Gleichgewichtsorgan (Labyrinth, Vestibularorgan) befindet sich beim Menschen
ebenfalls im Innenohr und besteht aus fünf Anteilen, den drei Bogengängen und zwei
Ausweitungen Sacculus und Utriculus.
21.4.2.1 Bogengänge
Die drei mit Endolymphe gefüllten Bogengänge bilden das Drehsinnorgan und stehen
nahezu senkrecht zueinander und erfassen so die Drehbewegungen im Raum.
Sie bestehen jeweils aus dem eigentlichen Bogen und aus einer Erweiterung, der Ampulle.
In der Ampulle liegen die Haarzellen der Bogengänge, die Sinneszellen des
Gleichgewichtsorgans. Ihre Spitzen ragen in einen Gallertkegel, die Cupula. Bei einer
Drehung des Kopfes strömt die Endolymphe auf Grund ihrer Trägheit entgegen der
Drehrichtung durch die Bogengänge. Dadurch werden die Cupula und die in ihr liegenden
Sinneshaarzellen gebogen und erregt. Das so erzeugte elektrische Signal gelangt über den
Bogengangnerv zum Gehirn.
21.4.2.2 Sacculus und Utriculus:
Sacculus und Utriculus erfassen die linearen Beschleunigungen des Körpers im Raum. Sie
stehen ebenfalls senkrecht zueinander, sodass der Sacculus auf vertikale und der Utriculus
auf horizontale Beschleunigungen anspricht. In ihnen findet man als Sinnesorgan keine
Cupula, sondern die Macula. Diese Sinnesorgane bestehen wiederum aus Haarzellen, die in
- 151 -
eine gallertige Masse hineinragen. Die Macula wird zusätzlich durch kleine Kalkstückchen,
die Statokonien, beschwert. Im Sacculus stehen die Sinneshärchen in horizontaler
Richtung im Utriculus stehen sie vertikal.
Bei vertikalen Bewegungen werden so die Sinneszellen im Sacculus, bei
Horizontalbewegungen jene im Utriculus gereizt. Von den Sinneszellen gelangt die
Sinnesinformation über den VIII. Hirnnerv (Nervus vestibulocochlearis) zu entsprechenden
Nervenkernen im Hirnstamm (Vestibulariskerne). Diese erhalten zusätzliche Informationen
vom Kleinhirn und vom Rückenmark.
Die Verschaltung des Gleichgewichtsorgans mit den Augenmuskeln (Vestibulookulärer
Reflex) ermöglicht die visuelle Wahrnehmung eines stabilen Bildes während gleichzeitiger
Kopfbewegungen.
Für die bewusste Orientierung im Raum sind neben dem Gleichgewichtssystem
(vestibuläres System) auch das visuelle System und das propriozeptive System
(Tiefensensibilität) verantwortlich.
Neuere Untersuchungen zeigen, dass das Gleichgewichtsorgan im Innenohr nicht nur für
die Orientierung im Raum zuständig ist; eine weitere wichtige Rolle spielt es bei der
präzisen Steuerung der Körperbewegungen. Insbesondere bei Bewegungen im Dunklen
oder bei sehr komplexen Bewegungsabfolgen, wie sie z. B. Turner oder Artisten ausführen,
scheint diese Funktion eine wichtige Rolle zu spielen.
21.5 Sehsinn
Das gesamte Auge, auch Augapfel genannt, ist eine kugelförmige Struktur mit einem
Durchmesser von etwa 2,5 Zentimetern und einer deutlichen Ausbuchtung an der
Vorderseite.
Die Wand des Auges besteht aus drei Gewebeschichten:
Ganz außen liegt die schützende weiße Lederhaut (Sklera), die etwa fünf Sechstel der
Oberfläche des Augapfels bedeckt. Auf der Vorderseite geht sie in die stärker gewölbte,
durchsichtige Hornhaut (Cornea) über.
Die mittlere Schicht ist die Aderhaut (Choroidea), die von vielen Blutgefäßen durchzogen
wird und die hinteren drei Fünftel des Augapfels umschließt. Sie setzt sich in den
Ziliarkörper und in die Regenbogenhaut (Iris) fort, die sich auf der Vorderseite des Auges
befindet. Die Iris ist der von vorne sichtbare, gefärbte Teil des Auges und schließt als
kreisrunde Scheibe ein Loch, die Pupille, ein.
Die innerste Schicht schließlich ist die lichtempfindliche Netzhaut (Retina).
21.5.1
Schichten des Auges
Die äußerste Haut des Auges wird in zwei Abschnitte unterteilt:
Die weiße Lederhaut (Sclera) liegt im hinteren Augapfelbereich. An ihr setzen die äußeren
Augenmuskeln an, die das Auge in der Augenhöhle bewegen.
Die durchsichtige Hornhaut (Cornea) befindet sich im vorderen Abschnitt, durch den das
Licht ins Auge eintritt. Sie wird ständig mit Tränenflüssigkeit befeuchtet.
Die Hornhaut ist eine widerstandsfähige, durchsichtige Membran, durch die das Licht ins
Innere des Auges gelangt. Die hinter der Hornhaut gelegene vordere Augenkammer ist mit
- 152 -
Kammerwasser gefüllt, einer durchsichtigen wässrigen Flüssigkeit. Den hinteren Abschluss
der vorderen Augenkammer bildet die transparente Augenlinse, ein abgeflacht - kugeliges
Gebilde aus zahlreichen, in Schichten angeordneten, durchsichtigen Fasern. Die Linse ist
über Bänder mit einem Ringmuskel, dem Ziliarmuskel, verbunden, der sich um die ganze
Linse herumzieht und zusammen mit dem umgebenden Gewebe den Ziliarkörper bildet.
Der Ziliarmuskel kann die Linse flacher oder kugelförmiger machen und so ihre Brennweite
verändern.
Hinter der Iris befindet sich die hintere Augenkammer. Die Augenhöhle ist mit dem
kugeligen Glaskörper gefüllt, der aus einer durchsichtigen, geleeartigen Substanz, die von
einer dünnen Membran umgeben ist, gebildet wird. Der Druck des Glaskörpers sorgt dafür,
dass sich die Netzhaut nicht ablöst.
Mittlere Augenhaut
Sie besteht aus drei Abschnitten:
Die Aderhaut (Choriodea) ist reich an Blutgefäßen und versorgt die anliegenden Schichten
mit Nährstoffen und Sauerstoff, sie ist häufig pigmentiert. Nach vorne geht die Aderhaut
in den Ziliarkörper (auch Strahlenkörper, Corpus ciliare) über, der der Aufhängung der
Augenlinse und ihrer Akkommodation dient. Der vorderste Abschnitt der mittleren
Augenhaut ist die Regenbogenhaut (Iris). Sie bildet in ihrer Mitte die Pupille und reguliert
den Lichteinfall (Adaptation). Ihre Pigmentierung verursacht die individuelle Augenfarbe.
Die farbige Regenbogenhaut (Iris), die zwischen Hornhaut und Linse liegt, hat in der Mitte
eine runde Öffnung, die Pupille; ihre Größe wird von zwei Muskeln der Iris gesteuert. Der
M. dilatator pupillae (Pupillenweitsteller) zeigt einen radiären Verlauf, der M. sphincter
pupillae (Pupillenweitsteller) einen zirkulären Verlauf.
Die Netzhaut oder Retina ist die kompliziert gebaute innerste Schicht, die im Wesentlichen
aus Nervenzellen besteht. An ihrer Oberfläche liegen lichtempfindliche Sinneszellen, die zu
einer dahinter liegenden pigmentierten Gewebeschicht gerichtet sind. Die Nervenfasern
dieser Sinneszellen sammeln sich zum Sehnerv. Die Sinneszellen sehen aus wie Stäbchen
bzw. Zapfen. Die Zapfen ermöglichen das Farbensehen, während die Stäbchen lediglich
Hell-Dunkel-Unterschiede erkennen lassen.
Genau gegenüber der Pupille liegt an der Netzhaut der gelbe Fleck (Macula lutea), in
dessen Mitte sich die Fovea centralis, der Bereich des schärfsten Sehens, befindet. Im
Zentrum der Fovea centralis befinden sich ausschließlich Zapfen, in den anderen Bereichen
der Netzhaut liegen Zapfen- und Stäbchenzellen, wobei die Zahl der Zapfenzellen zum
Rand des lichtempfindlichen Bereichs hin abnimmt, die Stäbchen nehmen hingegen zu.
Ganz außen finden sich nur noch Stäbchenzellen. Daraus ergibt sich die Tatsache, dass die
zentralen Netzhautabschnitte das Farbensehen am Tag ermöglichen, bei Dämmerung
jedoch die peripher liegenden Areale erregt werden, die nur mehr Grautöne wahrnehmen
können.
Die Nervenfasern aus der Netzhaut vereinigen sich im Sehnerv, der die Impulse zum Gehirn
weiterleitet. Der Sehnerv verlässt etwas unterhalb und medial der Fovea centralis die
Netzhaut in einem kleinen runden Bereich ohne lichtempfindliche Zellen, der als blinder
Fleck bekannt ist. Der Durchblutung der Netzhaut dienen jeweils eine zentrale Arterie und
eine Vene, die im Sehnerv verlaufen.
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21.5.2
Schutzstrukturen des Auges
Dem Schutz der Augen dienen mehrere anatomische Strukturen, die selbst nicht zum
Augapfel gehören. Dazu gehören die Augenlider, zwei bindegewebige Hautfalten oben
und unten am Auge, die durch Muskeln geschlossen werden können und eine
Schutzschicht gegen zu starkes Licht und mechanische Verletzungen bilden. Die Wimpern,
Reihen kurzer Haare an beiden Augenlidern, halten Staubteilchen und Insekten bei
teilweise geschlossenen Augenlidern fern. An der Innenseite der Augenlider befindet sich
die zarte Bindehaut, die sich weiter über die sichtbaren Anteile der Lederhaut legt. An den
äußeren Augenwinkeln liegt jeweils eine Tränendrüse, die den vorderen Teil des Augapfels
mit ihrem Sekret feucht hält. Die Tränenflüssigkeit wird bei jedem Lidschlag über den
Augapfel verteilt und spült kleine Staubteilchen und andere Fremdkörper weg, bevor sie
am medialen Augenwinkel in den Tränennasengang abrinnt. Auch die Augenbrauen dienen
dem Schutz der Augen, sie verhindern, dass Schweiß von der Stirn in die Augen rinnt.
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