Anatomieskriptum Dr. Isabel Haider - Strutz -1- 1 EINLEITUNG Wir werden uns in dieser Vorlesung mit BIOLOGIE - der Lehre vom Leben im weitesten Sinne und im speziellen mit der ANATOMIE - der Lehre vom Bau des Körpers und seiner Organe beschäftigen. Die Anatomie lässt sich in zahlreiche Bereiche unterteilen, dieses Skriptum widmet sich vorrangig der systematischen Anatomie - also dem Aufbau der Organe und seiner Organsysteme (Verdauungstrakt, Herz - Kreislaufsystem, ...). Teilweise werden wir uns auch mit der funktionellen Anatomie, die der Physiologie schon nahesteht, auseinandersetzen. -2- 2 TERMINOLOGIE Unter Terminologie versteht man die "Lehre von den Fachausdrücken", die die Kommunikation verwandter Berufsgruppen erleichtert. Auch in der Medizin werden Fachtermini verwendet, welche sich aus dem Lateinischen oder aus dem Altgriechischen entwickelt haben. Die anatomische Nomenklatur leitet sich in erster Linie aus dem Lateinischen ab, einige Begriffe sind jedoch auch aus dem Altgriechischen übernommen. Im Gegensatz dazu bedient sich die Pathologie (Krankheitslehre) in erster Linie der griechischen Begriffe. In diesem Kapitel möchte ich auf grundlegende Bezeichnungen, die die Orientierung am und im Körper erleichtern und vereinheitlichen, eingehen. Organspezifische Fachausdrücke werden in den einzelnen Kapiteln besprochen. Der Körperstamm - Truncus im weiteren Sinne besteht aus dem Kopf - Caput, dem Hals Collum und dem Rumpf – Truncus im engeren Sinne. Dieser ist wiederum aus der Brust Thorax, dem Bauch - Abdomen und dem Becken - Pelvis aufgebaut. Achsen durch den Körper Die Sagittalachse (a) durchdringt den Körper von vorne nach hinten, die Longitudinal-achse (b) zieht von oben nach unten durch den Körper und die Transversalachse (c) geht von rechts nach links. Ebenen durch den Körper Jeweils zwei Achsen spannen eine Ebene auf. So wird die Medianebene durch jene Sagittal - und Longitudinalachse aufgespannt, die genau durch die Körpermitte ziehen und so den Körper in zwei spiegelgleiche Hälften teilt. Alle Ebenen, die Parallel zu dieser Medianebene liegen, bezeichnet man als Sagittalebene. Frontalebenen werden durch eine Transversal - und eine Longitudinalachse gebildet, sie liegen parallel zu Stirnbein (Os frontale). Transversalebenen werden durch Sagittal - und Transversalachsen aufgespannt. Richtungen im Raum anterior posterior superior inferior ventral dorsal kranial kaudal lateral medial dexter sinister vorn liegend hinten liegend oben liegend unten liegend bauchseitig rückwärts zum Schädel hin (beim Menschen also oben) steißwärts (beim aufrecht stehenden Menschen unten) zur Seite hin gelegen zur Mitte hin gelegen rechts links -3- proximal distal nasal okzipital obere Extremität ulnar radial palmar dorsal untere Extremität tibial fibular plantar dorsal zum Körper hin gelegen (an einer Extremität) vom Körper entfernt gelegen (an einer Extremität) nasenwärts zum Hinterkopf hin gelegen zur Elle hin zu Speiche hin zur Handfläche zum Handrücken zum Schienbein zum Wadenbein zur Fußsohle zum Fußrücken Bewegungsrichtungen Flexion - Beugen Extension - Strecken Adduktion - an den Körper heranführen Abduktion - vom Körper wegführen Bewegungen von Händen und Füßen Supination - Auswärtsdrehen Pronation - Einwärtsdrehen Wichtige Abkürzungen Arterie(n): A., Aa. Vene(n): V., Vv. Nerv(en): N., Nn -4- 3 AUFBAU DER MATERIE Wir werden uns mit einigen wenigen chemischen Grundlagen, welche uns den Organismus und seine Stoffwechselvorgänge leichter verständlich machen, kurz in seinen Grundzügen widmen. 3.1 Wasser – H2O Chemisch besteht ein Wassermolekül (H2O) aus zwei Wasserstoffatomen (H) und einem Sauerstoffatom (O). Der menschliche Körper besteht zu etwa 60 % aus Wasser, wobei jüngere und muskulöse Menschen mehr Wasser im Körper gebunden haben als alte und adipöse Menschen. Wasser spielt eine entscheidende Rolle als Lösungsmittel im Körper und ist auf die unterschiedlichen Räume im Organismus verteilt. Etwa zwei Drittel des Gesamtkörperwassers befinden sich innerhalb der Zellen, im sogenannten Intrazellularraum (IZR), ein Drittel befindet sich außerhalb der Zellen, im Extrazellularraum (EZR). Das extrazelluläre Wasser lässt sich wieder aufteilen in die intravasale Flüssigkeit innerhalb der Blutgefäße, sie macht etwa ein Viertel des extrazellulären Wassers aus, der Rest befindet sich zwischen den Zellen als interstitielle Flüssigkeit und in geringer Menge auch in den Körperhöhlen. Die unterschiedlichen Flüssigkeitsräume sind durch halbdurchlässige (semipermeable) Membranen (Basalmembranen, Zellmembranen) voneinander getrennt, in den Flüssigkeiten herrschen unterschiedliche Konzentrationen zahlreicher Elektrolyte. Durch diese Membranen können unterschiedliche Milieus aufrechterhalten werden. Ein erwachsener Mensch nimmt etwa 2,5 Liter Wasser pro Tag auf. Etwa 1–1,5 Liter werden über zugeführte Flüssigkeiten von den Darmzotten des Verdauungstraktes in das Blut aufgenommen, der Rest setzt sich aus dem Wasseranteil in der festen Nahrung und dem Oxidationswasser, welches bei Stoffwechselvorgängen entsteht, zusammen. Genauso viel Wasser wird über die Nieren, den Darm und durch Schwitzen über die Haut wieder ausgeschieden. Der größte Anteil macht mit etwa 1,5 Litern der Urin aus, etwa 100 ml Wasser verlassen den Körper über den Stuhl, der Rest wird über die Schleimhäute, etwa während des Atmens und über die Haut, abgegeben. Im Körperwasser sind Ionen in einer ganz bestimmten Zusammensetzung gelöst. Die Körperflüssigkeit ist eine 0,9 %-ige Salzlösung, das bedeutet, in einem Liter Wasser sind 9 Gramm NaCl (Kochsalz) gelöst. -5- 3.2 Säuren und Basen Säuren sind chemische Verbindungen, die bei chemischen Prozessen positiv geladene H-Ionen (= Protonen) abgeben. Sie sind also Protonendonatoren („Protonenabgeber“). z.B. Salzsäure: HCl àH+ + Cl¯ Das Wasserstoffion H+ ist also das charakteristische Ion der Säuren. Wasserstoffionen sind Wasserstoffatome, die ein Elektron abgegeben haben; übrig bleibt die positive Ladung im Wasserstoffatomkern, eben das Proton. Basen sind chemische Verbindungen, die bei chemischen Reaktionen Protonen aufnehmen. Sie sind Protonenakzeptoren. Auch Basen besitzen ein charakteristisches Ion, das Hydroxidion (OH–). z.B. Natronlauge NaOH; Mischt man eine Säure mit einer gleich starken Base, dann neutralisieren sich die beiden, die so entstandene Verbindung ist neutral, weder sauer noch basisch. Verbinden sich das H+-Ion der Säure und das OH–-Ion der Base, dann entsteht H2O, neutrales Wasser. Auf diesem Prinzip beruhen Mechanismen im Körper, die den Säure - Basen - Haushalt regeln. Die Stärke von Säuren und Basen wird durch den pH-Wert bestimmt, er ergibt sich aus der Konzentration der H+-Ionen (sauer) oder OH–-Ionen (basisch) einer Lösung. Ein pH-Wert von 7 bedeutet, dass eine Lösung neutral, also weder sauer noch basisch ist. Je weiter dieser Wert gegen 0 absinkt, umso saurer wird eine Lösung, je weiter er sich 14 nähert, umso alkalischer (basischer) ist die Lösung. Der pH-Wert hat im Körper einen ganz wesentlichen Einfluss auf die Stoffwechselfunktionen und unterscheidet sich in den unterschiedlichen Körpersäften erheblich. So herrscht im nüchternen Magen ein pH-Wert von 1,0–1,5 – also sehr sauer –, im Dünndarm herrscht hingegen ein Milieu mit einem pH-Wert von 6–8. Ganz wesentlich für den Ablauf von Körperfunktionen ist der pH-Wert im Blut. Dieser muss sich in engen Grenzen bewegen, ein Blut-pH-Wert von 7,36–7,44 ist physiologisch. Ein Absinken des Blut-pH-Wertes unter 7,36 wird als Azidose (Übersäuerung), ein Ansteigen auf über 7,44 als Alkalose (zu basisches Milieu) bezeichnet. Der menschliche Organismus verfügt über Steuersysteme, sogenannte Puffersysteme, um diesen physiologischen pH-Wert möglichst konstant zu halten. Das wichtigste Puffersystem im Körper ist der Kohlensäure-Bicarbonat - Puffer. 3.3 Puffersysteme Puffersysteme halten den physiologischen pH- Wert ( ca. 7,4) in den Körperflüssigkeiten konstant. Sie bestehen aus einer schwachen Säure und ihrer dazugehörigen Base. Das wichtigste Puffersystem im menschlichen Organismus ist der Kohlensäure – Bikarbonat – Puffer. Das Kohlensäure-Bikarbonat-Puffersystem besteht aus Kohlensäure (H2CO3) als schwache Säure und Bikarbonat (HCO3) als dazugehörige Base. Die chemischen Gleichungen -6- verdeutlichen, dass Kohlensäure ein Wasserstoffion H+ -Ion mehr hat, als Bikarbonat. Es kann H+ -Ionen freisetzen, während Bikarbonat H+ - Ionen aufnehmen kann. Die chemische Gleichung sieht so aus: Das Besondere an Kohlensäure als Bestandteil des Puffersystems ist, dass die Kohlensäure sich auch in Wasser (H2O) und Kohlendioxid (CO2), einem Atemgas, aufspalten kann, welches abgeatmet wird. Dieser Vorgang vollzieht sich fortlaufend über die Lunge. Puffersysteme gleichen im Körper eine Verschiebung des pH – Wertes, sowohl in saures Milieu (Azidose) als auch in basisches Milieu (Alkalose), aus. 3.3.1 Azidose und Alkalose Azidose und Alkalose können sowohl stoffwechselbedingt (metabolisch) als auch durch Beeinträchtigung der Atmung (respiratorisch) auftreten! Unter einer Azidose versteht man die Übersäuerung des Organismus unter einen pH – Wert von 7,36 , eine Alkalose tritt auf, wenn die Körpersäfte zu basisch, also über pH 7,44 sind. Respiratorische (atmungsbedingte) Azidose: Eine respiratorische Azidose („atmungsbedingte Übersäuerung“) tritt immer dann auf, wenn das Abatmen von Kohlendioxid gestört ist und sich damit Kohlendioxid und Wasserstoffionen im Körper ansammeln. Sie tritt zum Beispiel bei Lungenfunktionsstörungen oder bei medikamentös verursachten vermindertem Atemantrieb (Atemdepression) auf. In ausgeprägten Fällen ist der Patient zyanotisch („blaue Lippen“) und hat Atemnot. Durch den „Stau“ des sauren Kohlendioxids kommt es zur Azidose. Kompensatorisch reagieren die Nieren mit vermehrter Wasserstoffausscheidung, um den verschobenen pH – Wert auszugleichen. Metabolische (stoffwechselbedingte) Azidose Als metabolische Azidose bezeichnet man eine stoffwechselbedingte Übersäuerung des Blutes und des Körpers. Metabolisch deshalb, weil die Ursache nicht in der Atmung, sondern im Stoffwechsel (Metabolismus) begründet liegt. Die häufigsten Ursachen einer metabolischen Azidose sind Niereninsuffizienz oder eine diabetische Stoffwechselentgleisung mit Ketoazidose beim absoluten Insulinmangel (diabetisches Koma), Urämie beim Nierenversagen, Vergiftung mit sauren Substanzen wie beispielsweise Acetylsalicylsäure, dem Wirkstoff von Aspirin. Die häufigste metabolische Azidose ist die diabetische Ketoazidose: Der Diabetiker gewinnt bei Insulinmangel, da er keine Glukose verwerten kann, Energie durch verstärkte Verbrennung von Fettsäuren. Bei diesem verstärkten Fettabbau entstehen Ketonkörper, die große Mengen von Bikarbonatpuffer binden. Der daraus entstehende relative Mangel an Bikarbonat führt zur Übersäuerung des Blutes. -7- Ein Patient mit metabolischer Azidose fällt vor allem durch seine verstärkte, tiefe und beschleunigte Atmung auf (sogenannte Kußmaulsche Atmung). Bei der Ketoazidose des Diabetikers kann man meist auch einen fruchtartigen Acetongeruch in der Atemluft bemerken. Entscheidend für die Erkennung und Quantifizierung einer Azidose oder einer Alkalose ist die Blutgasanalyse. Aus dem Basendefizit, dem pH-Wert und dem CO2 Partialdruck lässt sich leicht das Ausmaß der metabolischen Azidose und das Ausmaß der respiratorischen Kompensation des Körpers erkennen. Respiratorische Alkalose: Unter einer respiratorischen Alkalose versteht man einen durch die Atmung (respiratorisch) verursachten Anstieg des Blut-pH-Wertes über 7,43 (Alkalose) durch einen Mangel an Kohlendioxid. Ursachen: Durch Überreizung des Atemzentrums wird zu viel ein- und ausgeatmet (Hyperventilation) und damit zu viel Kohlendioxid abgeatmet. Der CO2-Partialdruck in den Alveolen und im (arteriellen) Blut sinkt damit ab, da es zu einer Verschiebung des Puffergleichgewichts CO2 + H20 <--> H2CO3 --> H+ + HCO3- nach links und damit zum „Verbrauch” von H+ (Säure) kommt. Zu einer Hyperventilation kommt es häufig durch psychische Einflüsse aber auch bei Aufenthalt in großer Höhe, da der gesunkene Sauerstoff-Partialdruck durch ein erhöhtes Atemminutenvolumen ausgeglichen wird. Bei einer (respiratorischen) Alkalose kann es zu Muskelkrämpfen, sog. Hyperventilationstetanien kommen. Dies kann bis zur Bewusstlosigkeit führen. Therapie: Bei psychisch bedingter Hyperventilation hilft es häufig, die betroffene Person zu beruhigen und zu einer bewussten (langsameren) Atmung anzuhalten. Gelingt dies nicht, kann die Rückatmung über die Hände oder sogar einen Plastikbeutel versucht werden (hier ist sehr behutsam vorzugehen!). In schweren Fällen muss der Patient sediert werden, z.B. mit Midazolam oder Valium. Metabolische Alkalose: Unter einer metabolischen Alkalose versteht man einen durch den Stoffwechsel (metabolisch) bedingten Anstieg des Blut-pH-Wertes über 7,43 (Alkalose). Bei Erbrechen oder Magendrainage (Absondern von Mageninhalt) kann es durch den Verlust vonder Magensäure zu einer metabolischen Alkalose kommen. 3.4 Nukleinsäuren Nukleinsäuren sind die Träger der Erbanlagen und die Schlüsselsubstanzen der Proteinbiosynthese. Sie kommen im Zellkern, in den Ribosomen, im Zytoplasma und in den Mitochondrien vor. Nukleinsäuren sind aus drei Bestandteilen aufgebaut: stickstoffhaltige Base: Adenin A, Thymin T, Guanin G, Cytosin C oder Uracil U Zuckermolekül: Ribose oder Desoxyribose Anorganisches Phosphat Ein Nukleotid ist eine Einheit, bestehend aus diesen 3 Bestandteilen -8- Base Phosphatrest Zucker Nukleinsäuren sind Polynukleotide, das heißt, sie sind aus mehreren Nukleotiden zusammengesetzt. Man unterscheidet die DNA oder DNS von der RNA oder RNS. DNA – DNS DesoxyRibonukleinSäure (Acid) Die DNA besteht aus einem Doppelstrang untereinander angeordneter Nukleotide, bestehend aus einem Zuckermolekül, der Desoxyribose, einem Phosphatmolekül und jeweils einer der Basen Adenin, Thymin, Guanin oder Cytosin. Sie hat die Form einer um sich gewundenen Strickleiter. Dabei bestehen die seitlichen Stränge aus den Zucker und Phosphatmolekülen, die Sprossen aus den korrespondierenden Basen ( A - T, G - C). Adenin korrespondiert immer mit Thymin, Guanin mit Cytosin. Die korrespondierenden basen passen nach dem Schlüssel – Schloß – Prinzip zusammen. Die Basen eines Stranges sind daher das Negativ des anderen. Wir sprechen vom Watson - Crick Modell, benannt nach ihren Entdeckern . Ein DNA – Abschnitt von etwa 1000 Sprossen entspricht einem Gen, einer Erbeinheit. Der Mensch besitzt etwa 30,- 40 tausend Gene. Für jedes Protein, das synthetisiert werden kann, liegt ein ganz bestimmtes Gen an der DNA vor. RNA – RNS RiboNukleinSäure (Acid) Die RNA besteht nur aus einem einzelnen Strang aneinandergereihter Nukleotide, ihr Zuckermolekül heißt Ribose und ihre Basen sind Adenin, Cytosin, Guanin und Uracil anstatt des Thymins der DNA. Die kleinste Informationseinheit der RNA setzt sich aus drei Nukleotiden (Basentriplett) zusammen, das sind drei untereinander angeordnete Abschnitte, die jeweils aus einer Base, einer Ribose und einem Phophatrest bestehen. Ein Triplett ist der Code für eine Aminosäure und heißt dementsprechend Codon. Ein Codon besteht also aus drei zusammenhängenden Nukleotiden, die Information für eine bestimmte Aminosäure steckt in der Anordnung der drei Basen dieser Nukleotide. Aminosäuren sind die Grundbausteine der Proteine (Eiweiße). Die RNA erfüllt unterschiedliche Aufgaben, man unterscheidet mehrere Arten: Die m-RNA (messenger RNA oder Boten-RNA) liest während der Proteinbiosynthese im Zellkern die Informationen (also die Reihenfolge der aneinandergereihten Basen) der DNA ab und bringt diese Information ins Zytoplasma zu den Ribosomen, wo die Eiweißsynthese stattfindet. Die m-RNA fertigt von der Information der DNA des Zellkerns eine Negativkopie an, indem sie die Basenfolge der DNA durch Anlagerung ihrer korrespondierenden Basen abliest. Die t-RNA (transfer RNA oder „Übersetzer“-RNA) übersetzt quasi den Code der mRNA für die richtigen Aminosäuren. Ihre Basentripletts heften die richtige Aminosäure, -9- welche sich schon im Zytoplasma befindet, an sich an und transportieren diese zu den Ribosomen, den Bildungsstätten der Eiweiße. Die r-RNA (ribosomale RNA) ist der wesentlichste Baustein der Ribosomen. - 10 - 4 DIE ZELLE Eine Zelle ist die kleinste selbständig lebensfähige Einheit. Sie hat einen eigenen Stoffwechsel, viele Zellen können wachsen und sich durch Teilung vermehren. Der Mensch besteht aus etwa 100 000 Milliarden Zellen, die zum einen Teil ständig erneuert werden (etwa 100 Millionen in der Sekunde), zum anderen Teil ein ganzes Menschenleben überdauern. Man unterscheidet einzellige Lebewesen, Protozoen, von mehrzelligen, den Metazoen. Der Mensch ist demnach ein Metazoon. Grundsätzlich besitzen Protozoen einen Zellkern oder ein Zelläquivalent, sie sind Eukaryoten. Nur dadurch sind sie als Einzeller lebensfähig, sie können sich teilen und Stoffwechsel betreiben. Einige Zellen mehrzelliger Lebewesen sind Prokaryoten, also kernlose Zellen wie die reifen Erythrozyten. Ihre Lebensdauer und Lebensfunktionen sind deutlich eingeschränkt. Menschliche Zellen unterscheiden sich in der Form, Funktion, Größe und Lebensdauer, wobei ein enger Zusammenhang zwischen diesen Eigenschaften besteht. Rote Blutkörperchen sind hantelförmige Scheibchen, um die engsten Kapillaren passieren zu können, Skelettmuskelzellen sind langgezogene Zellen, um sich zusammenziehen zu können. Abwehrzellen leben nur wenige Tage, dann haben sie ihre Funktion erfüllt, Nervenzellen müssen Jahrzehnte überdauern. Allen Zellen gemeinsam ist eine aber einheitliche Grundstruktur, bestehend aus Zellmembran (Plasmalemm), Grundsubstanz (Zytoplasma) mit Zellorganellen und dem Zellkern (Nucleus). Zellen gleicher Funktion schließen sich zu Zellverbänden, den Geweben zusammen. 4.1 Die Zellmembran - Plasmalemm Die Zellmembran ist eine komplexe Struktur, die die Zelle umgibt, im Lichtmikroskop zeigt sie einen einschichtigen Aufbau, im Elektronenmikroskop erscheint sie jedoch dreischichtig. In Wahrheit besteht die Zellmembran aber aus einer Doppelschicht von Phospholipiden, deren hydrophile oder wasseranziehende Anteile (Köpfchen) die Membran einerseits zum Intrazellulärraum, andererseits auf der gegenüberliegenden Seite zum extrazellulären Raum, also nach außen begrenzen. Die lipophilen (fettanziehenden) Anteile (Schwänzchen) sind dazwischen gegeneinander ausgerichtet und bilden eine hydrophobe (wasserabweisende) Barriere. Der lipophile Charakter der Zellmembran ermöglicht es, zwei wässrige Milieus, nämlich den Intrazellulärraum und den Extrazellulärraum, gegeneinander abzugrenzen und einer Vermischung vorzubeugen, solche Membranen sind nur selektiv durchlässig oder semipermeabel. Geladene Teilchen (Ionen) und größere Moleküle können diese Membranen nur schwer oder gar nicht passieren, in die Zellwand eingebaute Kanäle und Transporter ermöglichen selektiv Substanzen zwischen den beiden Milieus auszutauschen. So lassen sich Konzentrationsdifferenzen aufrechterhalten und unterschiedliche - 11 - Membranpotentiale aufbauen. Membranpotentiale spielen eine wesentliche Rolle bei der Erregung von Nervenzellen und Muskelzellen. Zellmembranen umhüllen einerseits die Zelle, sie begrenzen aber auch alle Strukturen im Zellinneren, wie den Zellkern, die Mitochondrien, den Golgi-Apparat und das endoplasmatische Retikulum. Kleine Membrananteile können als Vesikel (Bläschen) abgeschnürt werden und spielen damit eine entscheidende Rolle bei der Einschleusung und Ausschleusung (Endozytose und Exozytose) von Stoffen und Partikeln. Die Zellmembran zeigt häufig feine Ausstülpungen zur Oberflächenvergrößerung, die Mikrovilli und ist von einer Schicht aus Zuckermolekülen und Proteinen, der Glykokalix, umhüllt. Die Glykokalyx bei Erythrozyten bestimmt zum Beispiel die Blutgruppe und beinhaltet den Rhesusfaktor. Die Zellmembran hat Schutz- und Transportfunktion und ist semipermeabel (nur für bestimmte Stoffe durchlässig). Kleine lipophile (fettlösliche) Substanzen können die Membran leicht überwinden, große, hydrophile (wasserlösliche) oder geladene Teilchen benötigen für ihren Durchtritt Transporteiweiße (Transportproteine). 4.2 Zytoplasma Das Zytoplasma ist der gesamte Inhalt einer Zelle, der nach außen hin von der Zellmembran umschlossen wird. Das Zytoplasma besteht aus der Zellflüssigkeit oder Zytosol, das zu 80 bis 85% aus Wasser, zu 10–15 % aus Proteinen, Lipiden und Polysacchariden besteht, dem Zellskelett - Zyto – skelett und den Zellorganellen. 4.3 Zellorganellen - „Organe der Zellen“ Zu den Zellorganellen zählen das endoplasmatische Retikulum, die Mitochondrien, der Golgi Apparat, die Zentriolen und die Lysosomen. Menschliche Zellorganellen sind von einer Doppelmembran, gleich der Zellmembran, begrenzt. Prokaryoten (Zellen ohne Kern) besitzen keine Organellen. Das endoplasmatische Retikulum Das ER durchzieht als weit verzweigtes Röhrensystem aus Doppelmembranen das Zytoplasma. Man findet das ER in allen eukaryotischen Zellen; je nach Zelltyp ist es unterschiedlich stark entwickelt. Die ER-Membran geht direkt in die Kernhülle des Zellkerns über, das heißt Kernhülle und ER stellen strukturell eine Einheit dar. Es kann granuliert (rau) und ungranuliert (glatt) vorkommen. Raues ER: an seiner Oberfläche sitzen kleine Körnchen, die Ribosomen, die hauptsächlich aus RNA bestehen. Es findet sich besonders in proteinbildenden Zellen, da es für die Eiweiß (Protein) - Synthese verantwortlich ist. Zusätzlich ist es für die Produktion von Bestandteilen aller Zellmembranen von großer Bedeutung. Glattes ER: es besitzt keine Granula und ist für den Lipidstoffwechsel verantwortlich (zB. in der Leber) und spielt eine Rolle bei Entgiftungsvorgängen der Zelle. - 12 - Mitochondrien Mitochondrien sind ei,- oder nierenförmige Gebilde aus Doppelmembranen, deren innere Membran Auffaltungen (Cristae) zur Oberflächenvergrößerung besitzt. Sie sind die Energielieferanten der Zelle, daher findet man in Zellen mit großem Energiebedarf reichlich Mitochondrien (zB. Herzmuskel, Spermienzelle). Zur Energiegewinnung laufen in den Mitochondrien chemische Reaktionen der so genannten inneren Zellatmung ab, wobei die aus dem Blut aufgenommene Glukose zur Synthese von Adenosintriphosphat ATP verwendet wird. ATP wird im Intermembranraum (zwischen den beiden Membranen der Doppelmembran) synthetisiert und kann von dort ins Zytosol der Zelle abgegeben werden. ATP ist vergleichbar mit einer „vollen Batterie“ , welches durch Abspaltung eines Phosphatrestes Energie freisetzt und so in ADP (Adenosindiphosphat) umgewandelt wird. Mitochondrien sind aber auch Träger der mitochondrialen DNA und haben ein eigenes mitochondriales Genom (Erbsubstanz). Dieses Genom macht ca. 1% der menschlichen genetischen Information aus und wird ausschließlich maternal (nur in der mütterlichen Linie) vererbt. Golgi - Apparat Der Golgi - Apparat besteht aus mehreren Golgi-Feldern (Diktyosomen), die wiederum aus 5-10 schüsselförmigen Säckchen bestehen. Seine Funktion ist die Ausscheidung der Stoffe aus dem endoplasmatischen Retikulum (Lipide, Proteine). Stoffe, die vom endoplasmatischen Retikulum hergestellt werden, werden im Golgi - Apparat modifiziert und verpackt. Dazu werden kleine Vesikel (Bläschen) abgeschnürt, die die Zellprodukte sammeln, zur Zellmembran transportieren und diese durch Verschmelzen der Membranen, ausscheiden. So können die Stoffe durch Exozytose aus der Zelle ausgeschleust werden. Der Zellkern: Nucleus Der Zellkern ist das Hauptmerkmal zur Unterscheidung von Eukaryonten (Lebewesen mit Zellkern) und Prokaryonten. Der Zellkern enthält den größten Teil des genetischen Materials in Form der DNA. Eine Zelle kann einen oder auch mehrere Zellkerne (Skelettmuskelzelle) besitzen, Ausnahme sind die roten Blutkörperchen, die keinen besitzen. Der Zellkern ist lichtmikroskopisch sichtbar und ist durch eine wiederum doppelte Kernmembran vom Zytoplasma getrennt. Die äußere Schicht der Kernmembran geht in das ER über. Im Zellkern befindet sich also die genetische Information (Gene). Diese liegt im Arbeitskern in Form des Chromatins oder während der Zellteilung als Chromosomen vor. Gene bestehen wiederum aus DNA. Im Rahmen der Zellteilung verschwindet der Zellkern scheinbar, weil die Kernhülle für die Zeit des Teilungsvorgangs aufgelöst wird. Aus dem Chromatin entsteht eine charakteristische Anzahl kompakter Chromosomen, mit deren Hilfe die DNA besser auf die Tochterzellen verteilt werden kann. Nach der Teilung bilden sich die Kernhüllen um die Kerne der Tochterzellen wieder aus und die Chromosomen werden wieder zum kaum sichtbaren Chromatin. Im Zellkern findet sich noch das Zellkörperchen, der Nukleolus, der einen Teil der RNA - 13 - enthält. Chromosomen: Chromosomen bestehen aus DNA (Desoxyribonukleinsäure) und beinhalten die Erbsubstanz jedes Individuums. Die DNA besteht aus einer langen Doppelkette von Einheiten der vier Basen Adenin, Thymin, Guanin und Cytosin, einer Desoxyribose und einem Phosphatrest. Jeder menschliche Zellkern mit Ausnahme der reifen Geschlechtszellen besitzt 23 Chromosomenpaare, das sind 46 Chromosomen. Man spricht daher von einem doppelten (diploiden) Chromosomensatz. Jeweils ein Chromosom jedes Paares stammt von der Mutter, das andere vom Vater dieses Individuums. Nur das 23. Chromosomenpaar unterscheidet sich bei Mann und Frau, indem männliche Körperzellen 1X und 1YChromosom, weibliche jedoch 2X-Chromosomen besitzt. Je nach Zeitpunkt der Zellteilung, bestehen die Chromosomen aus einem oder aus zwei Chromatiden, die in diesem Fall am Zentromer miteinander verbunden sind. 2 - Chromatid - Chromosomen beinhalten den verdoppelten Chromosomensatz, der während der Zellteilung auf zwei Zellen aufgeteilt wird. Unter einem haploiden (einfachen) Chromosomensatz versteht man jedoch Chromosomen, die nicht paarig vorkommen, wie das in den reifen Geschlechtszellen der Fall ist, unter einem diploiden (doppelten) Chromosmensatz versteht man paarig auftretende Chromosomen mit dem Erbmaterial beider Elternteile, wie in allen kernhaltigen Körperzellen. Chromatid (Ein – Chromatid – Chromosom) ) ) ) ) ) ) )) ) ) ) ) ) ) ) ) ....... )( )( )( )( )( )( )( )( 4.4 Zwei Chromatid – Chromosom (verdoppelter Chromosomensatz) ........... 23 mal!!! einfacher Chromosomensatz (Geschlechtszelle) 23 Paare!!!! doppelter Chromosomensatz (Körperzelle) )( )( .......... 23 Paare eines verdoppelten Chromosomensatzes (Zelle vor Teilung) Zellteilung Im menschlichen Organismus werden ständig Zellen durch Teilung neu gebildet, um einerseits Wachstumsvorgänge zu ermöglichen und abgestorbene Zellen zu erneuern, andererseits um aus Keimzellen befruchtungsfähige Geschlechtszellen (Eizelle, Spermienzelle) zu erhalten. Den Vorgang der Teilung von Körperzellen bezeichnet man als Mitose, die Teilung der Geschlechtszellen als Meiose. Wichtig für das Verständnis von Teilungsvorgängen ist die Unterscheidung zwischen - 14 - Ein-Chromatid-Chromosom und Zwei-Chromatid-Chromosom! Befindet sich die Zelle nicht in Teilung, liegt die Erbsubstanz in Form einer langen DNA-Doppelhelix, welche dem genetischen Material von 23 Ein-Chromatid-Chromosomenpaaren (2n) entspricht, im Kernplasma vor. Ein-Chromatid-Chromosomen sind nur im letzten Schritt der Zellteilung sichtbar, nachdem sich die Zwei-Chromatid-Chromosomen in Längsrichtung geteilt haben. Zwei-Chromatid-Chromosomen sind die )(-förmigen Chromosomen, welche kurz vor und während der Zellteilung sichtbar sind. Da das genetische Material bereits vor der Zellteilung verdoppelt wird, das heißt, in dem Stadium, in dem die DNA - Doppelhelix noch nicht zu sichtbaren Chromosomen verdichtet wurde, sind während der Zellteilung eben nur Zwei-Chromatid-Chromosomen darstellbar. ) Ein-Chromatid-Chromosom )( Zwei-Chromatid-Chromosom (verdoppelter Chromosomensatz während der Zellteilung) Unter einem einfachen Chromosomensatz versteht man, dass Erbinformationen in einer Zelle nur einfach (haploid – 1n) vorliegen (entweder in Form väterlicher oder mütterlicher Gene), wie das in reifen Eizellen und Spermienzellen vorkommt. Ein doppelter (diploider – 2n) Chromosomensatz bedeutet hingegen, dass die genetische Information doppelt vorliegt (sowohl vom Vater als auch von der Mutter). Die Chromosomen gibt es in diesen Zellen also paarweise! Alle Körperzellen besitzen einen doppelten Chromosomensatz. ) ) ) oder )( )( )( einfacher Chromosomensatz (nicht verdoppelt und verdoppelt) in Eizellen und Spermienzellen )) )) )) oder )()( )()( )()( doppelter Chromosomensatz (nicht verdoppelt und verdoppelt) in allen Körperzellen, ausgenommen Eizelle und Spermienzelle Während eines Zellzyklus laufen verschiedene Phasen ab. Den weitaus größten Zeitabschnitt im Leben einer Zelle macht die Interphase, die Zeitspanne zwischen zwei Zellteilungen, aus. Während dieser Phase geht die Zelle ihren eigentlichen Aufgaben nach, es werden aber auch die Voraussetzungen für die Zellteilung geschaffen. Die Interphase wird in drei Abschnitte, eine G1-Phase, eine S-Phase und eine G2-Phase, unterteilt. Ist die Interphase abgeschlossen, tritt die Zelle in die eigentliche Zellteilungsphase ein, während der vier Phasen, die Prophase, die Metaphase, die Anaphase und die Telophase, hintereinander ablaufen. Den größten Teil ihrer Lebenszeit verbringen Zellen jedoch in der Phase zwischen den Zellteilungen (Interphase), in der sie ihrer eigentlichen Aufgabe, etwa Kontraktion einer Muskelzelle oder Schleimproduktion einer Becherzelle, nachkommen. In dieser Phase sind die Chromosomen nicht sichtbar, die DNA liegt als langer Faden im Zytoplasma vor und wird nun als Chromatin bezeichnet. Schon gegen Ende der Interphase, also noch vor der eigentlichen Zellteilung, verdoppelt sich das genetische Material der Zelle, die Chromatinfäden liegen nun als paarige Fäden der DNA-Doppelhelix vor (verdoppelter diploider Chromosomensatz). Will man den Chromosomensatz eines Menschen zu Diagnosezwecken sichtbar machen (Karyogramm), muss in der verwendeten Zelle künstlich die Zellteilung eingeleitet werden. - 15 - Interphase G1-Phase/Gap-Phase: Während dieser Phase des Zellzyklus nimmt die Zelle nach einer vorangegangenen Zellteilung wieder ihre ursprüngliche Größe an, sie erhöht ihre Eiweißsynthese und es kommt zur Ausbildung der Histone. Histone sind Proteine, um die sich der DNA - Faden spiralisiert, um als Chromosomen sichtbar werden zu können. Die DNA besteht in der G1-Phase aus 23 Paaren (2n) Ein-Chromatid-Chromosomen, die jedoch während der gesamten Interphase nicht als Chromosomen sichtbar sind. Es liegt ein diploider (2n) Chromosomensatz vor. S-Phase/Synthese-Phase: In der auf die G1-Phase folgenden S-Phase kommt es zur Vervielfältigung (Replikation) der DNA, das heißt, während dieser Phase wird das genetische Material verdoppelt und am Ende verfügt nun der Zellkern über 23 Paare (2n) Zwei-Chromatid -Chromosomen. Jedes Chromosom verfügt nun über zwei identisch aufgebaute Untereinheiten (Chromatiden), es liegt nun ein verdoppelter diploider Chromosomensatz vor. Während der darauffolgenden Mitose werden sich die beiden identen Schenkel (Chromatiden) der Chromosomen trennen und gleichmäßig auf die beiden Tochterzellen verteilen. G2-Phase: In der G2-Phase kommt es zum Zellwachstum und zur weiteren Eiwei.vermehrung, die Zelle l.st ihre Zellkontakte zu benachbarten Zellen und die Zellteilung kann beginnen. 4.4.1. Mitose Die Mitose ist die Teilung von Körperzellen mit dem Ziel, aus einer Zelle zwei idente, das heißt erbgleiche Tochterzellen zu erhalten. Prinzipiell können sich Zellen jeden Gewebes teilen, jedoch weisen wenig differenzierte Gewebe eine deutlich höhere Teilungsrate auf als höher differenzierte. Die Mitose dient dem Wachstum der Gewebe des Körpers und seiner Organe und der Regeneration zugrunde gegangener Körperzellen bei der Zellmauserung (Erneuerung von Zellen) oder nach Verletzungen. Die Mitose läuft in vier Schritten ab, in denen das Erbmaterial in Form von Chromosomen im Lichtmikroskop deutlich sichtbar ist. Die Phasen der Mitose: 1. Phase – Prophase: In dieser Teilungsphase kondensieren die bereits verdoppelten Chromatinfäden im Zellkern, sie falten und winden sich zu kompakten Strukturen zusammen, wickeln sich um die Histone und werden schließlich als Chromosomen im Lichtmikroskop sichtbar. Die Chromosomen weisen eine )(-Form auf, sie bestehen aus jeweils zwei Chromatiden, die am Zentromer zusammengehalten werden. Die beiden Chromatiden sind Ausdruck der bereits verdoppelten DNA, also der verdoppelten diploiden (2n) Erbsubstanz. Insgesamt werden 46 Chromosomen sichtbar, die sich als 23 Chromosomenpaare (jeweils ein Chromosom mit dem Erbmaterial der Mutter und eines vom Vater des Individuums) darstellen. Durch diese kompakte Form des Erbmaterials wird ein Ablesen der genetischen Information während des Teilungsvorganges nicht möglich, die Erbinformation ist so geschützt. - 16 - In der Prometaphase löst sich die Kernhülle auf und es lagern sich die ebenfalls doppelten Zentrosomen an den gegenüberliegenden Polen der Zelle an. Von den Zentrosomen bilden sich sternförmig Spindelfasern (Mitosespindel) zu den Zentromeren der Chromosomen aus. 2. Phase – Metaphase: Die Spindelfasern, die nun die Zentrosomen an den Polen mit den Zentromeren der Chromosomen verbinden, ordnen durch Zug die Chromosomen nahe des Zelläquators an. Durch diese Positionierung können in der Folge die einzelnen Schwesterchromatiden voneinander getrennt und auf die beiden neu entstehenden Zellen verteilt werden. Dadurch wird die Verteilung der Gene in die neu entstehenden Zellen erst möglich gemacht. 3. Phase – Anaphase: Nun werden die zusammengehörigen Chromatiden durch Zug der sich verkürzenden Spindelfasern getrennt und jeweils ein Chromatid jedes ZweiChromatid-Chromosoms in Richtung der beiden Pole gezogen. Insgesamt erhält nun jede der beiden neu entstehenden Tochterzellen 46 Ein-Chromatid-Chromosomen, das genetische Material beider Tochterzellen ist ident. Es liegt in jeder Tochterzelle wieder ein diploider Chromosomensatz (2n) mit 23 Paaren Ein-Chromatid-Chromosomen vor. 4. Phase – Telophase: Sind die Chromatiden weit genug getrennt, bilden sich zum Teil aus den alten Kernmembranbruchstücken neue Zellkerne aus und die Chromosomen entspiralisieren sich wieder zu Chromatinfäden. Gleichzeitig schnürt sich auch die Zellmembran ab, die zwei vollkommen identen Tochterzellen gehen wieder in ihre Arbeitsform über. Merke! Die Mitose ist die Teilung der Körperzellen. Das Ziel der Mitose ist die erbgleiche Verteilung der Gene (im Zellkern) von der Mutterzelle auf zwei idente Tochterzellen. Vor Beginn der Mitose wird das Genmaterial einmal verdoppelt, um dann einmal geteilt zu werden. Es entstehen also aus einer Zelle mit diploidem (2n) Chromosomensatz (Erbinformationen sowohl vom Vater als auch von der Mutter) zwei idente (erbgleiche) Tochterzellen mit diploidem (2n) Chromosomensatz. 4.4.2. Meiose Die Meiose ist der Teilungsvorgang der Keimzellen, aus dem die reife Eizelle und die reife Spermienzelle hervorgehen. Das Ziel der Meiose ist es, die genetische Information zu durchmischen und zu halbieren, also einen haploiden Chromosomensatz zu erzielen, da sich bei der Befruchtung eine Eizelle und eine Spermienzelle vereinigen und wiederum eine Zelle mit doppeltem (diploidem) Chromosomensatz entsteht. Diese Zygote genannte Zelle ist die erste Körperzelle des neu entstandenen Lebewesens, die sich in der Folge wieder durch Mitose teilt. Das Ziel der Meiose ist demnach die Entstehung erbungleicher Zellen mit einfachem (haploidem – 1n) Chromosomensatz. Die Meiose erfolgt, im Gegensatz zur Mitose, in zwei Teilungsschritten, einer ersten und einer zweiten Reifeteilung. Bevor diese unreifen Keimzellen jedoch in Teilung gehen, um sich zu reifen Eizellen oder Spermienzellen zu entwickeln, besitzen auch sie einen diploiden - 17 - (doppelten) Chromosomensatz mit Informationen sowohl vom Vater als auch von der Mutter. Dieser Chromosomensatz wird vor der Teilung während der Interphase verdoppelt, die Zelle besitzt nun einen verdoppelten diploiden (doppelten – 2n) Chromosomensatz, der in zwei Teilungsschritten zu einem haploiden (einfachen – 1n) Chromosomensatz reduziert wird. 1. Reifeteilung: Reduktionsteilung Während der Reduktionsteilung werden die zusammengehörigen (homologen) Chromosomen der Chromosomenpaare voneinander getrennt. Aus einer diploiden Mutterzelle (2n) entstehen zwei haploide (1n) Tochterzellen, welche jeweils 23 ZweiChromatid - Chromosomen besitzen. Die Teilung läuft in folgenden Schritten ab. 1. Phase – Prophase I: Am Beginn dieser Phase lagern sich die zusammengehörigen mütterlichen und väterlichen verdoppelten Chromosomen aneinander. Es liegen also 23 Chromosomenpaare mit jeweils zwei Chromatiden vor. Die Chromatiden der Chromosomenpaare können sich in dieser Phase überlagern, abbrechen und Platz tauschen. Dieser Vorgang wird als crossing over bezeichnet und dient der Durchmischung des genetischen Materials. Am Ende der Prophase löst sich die Kernmembran auf. Crossing over 2. Phase – Metaphase I: In der Metaphase I ordnen sich die homologen Chromosomen in der Äquatorialebene an und die Spindelfasern bilden sich von den Zentrosomen an den Zellpolen aus und verbinden sich mit den Zentromeren der einzelnen Chromosomen. 3. Phase – Anaphase I: Die homologen Chromosomenpaare (!) werden durch das Verkürzen der Spindelfasern getrennt und zu den Polen gezogen. Im Unterschied zur Mitose wird hier jeweils ein ganzes Chromosom eines Paares an die Pole gezogen und nicht die einzelnen Chromatiden. Die Verteilung der Chromosomen eines Paares erfolgt zufällig und dient wie das crossing over ebenfalls der Durchmischung des Erbgutes. So entstehen Tochterzellen mit neuen Genvarianten. 4. Phase – Telophase I: Die Kernmembranen werden wieder gebildet, die Zellmembran schnürt sich ab und die beiden entstandenen, erbungleichen Zellen trennen sich voneinander. Es liegen nun zwei haploide Zellen mit jeweils 23 Zwei-Chromatid-Chromosomen (1n) vor. Nach der Reduktionsteilung durchlaufen die beiden neu entstandenen Tochterzellen einen weiteren Teilungsschritt, bei dem die bereits verteilten (halb so vielen) Chromosomen nochmals ihre einzelnen Chromatiden auf zwei Zellen verteilen. - 18 - 2. Reifeteilung: Äquationsteilung Es kommt nun in einem zweiten Schritt zu einer neuerlichen Teilung der beiden Tochterzellen. Dabei werden von den aufgeteilten 23 Zwei-Chromatid-Chromosomen die einzelnen Chromatiden getrennt und wiederum auf jeweils zwei, also insgesamt vier Tochterzellen verteilt. Dieser Schritt läuft ähnlich der Mitose ab, wobei allerdings am Ende nur mehr 23 Chromosomen (1n) vorhanden sind (haploid). Da bei der Meiose nach einer Verdoppelung des Chromosomensatzes der Mutterzelle zwei Teilungsschritte durchlaufen werden, liegen nach der abgeschlossenen Meiose vier haploide erbungleiche Tochterzellen mit jeweils 23 Ein-Chromatid-Chromosomen (1n) vor. Aus einer männlichen Keimzelle entstehen vier erbungleiche Spermienzellen, aus einer weiblichen Keimzelle entstehen jedoch nur eine reife haploide Eizelle und drei Polkörperchen, die sich nicht weiterentwickeln. Bei der Verschmelzung zweier haploider Geschlechtszellen (Spermienzelle vom Vater, Eizelle von der Mutter) entsteht dann wieder eine Zelle mit diploidem Chromosomensatz. Diese verschmolzene Zelle ist die Zygote, aus ihr entsteht das neue Lebewesen; sie teilt sich wieder durch Mitose. Merke! Die Meiose ist die Teilung der Geschlechtszellen. Das Ziel der Meiose ist die erbungleiche Verteilung der Gene (im Zellkern) von der Mutterzelle auf vier nicht idente Tochterzellen. Vor Beginn der Meiose wird das Genmaterial einmal verdoppelt, um dann im Verlauf der Teilung zweimal geteilt zu werden. Es entstehen also aus einer Zelle mit diploidem Chromosomensatz vier erbungleiche Tochterzellen mit haploidem Chromosomensatz. - 19 - 4.5 Stammzellen Stammzellen sind Zellen, die nicht oder nur gering differenziert sind und sich durch Mitose vermehren können und das Potential besitzen, sich in unterschiedliche Richtungen zu differenzieren. Man unterscheidet embryonale Stammzellen von adulten, die noch in den Organen des erwachsenen Menschen vorhanden sind und der regeneration von Zellen dienen. Embryonale Stammzellen findet man im Embryo, wobei totipotente (omnipotente) Stammzellen von pluripotenten Stammzellen unterschieden werden. Totipotente Stammzellen sind bis etwa zum 16 – zell Stadium, also bis etwa 36 Stunden nach der Befruchtung vorhanden. Sie können sich noch in einen vollständigen Organismus, wie das bei der Entstehung von eineiigen Zwillingen geschieht, entwickeln. Pluripotente Stammzellen sind die Zellen der Blastozyste (Zellhaufen) oder des Embryoblasten, sie sind bis einige Tage nach der Befruchtung vorhanden. Es können unterschiedliche Organe aus diesen Zellen entstehen – aber kein vollständiger Organismus. Adulte Stammzellen findet man im ausgereiften Organismus in allen Organen. Von ihnen geht die Regeneration aus, sie können aber nur Zellen "ihres" Gewebes bilden. Zu ihnen gehören etwa die Knochenmarkstammzellen oder die Basalzellen der Haut. Sie sind multipotente Stammzellen. Gewinnung von Stammzellen Embryonale Stammzellen können nur durch künstliche Befruchtung im Reagenzglas gewonnen werden, fetale Stammzellen stammen von abgetriebenen Föten. Stammzellen aus Nabelschnurblut können nur zu Blutzellen differenziert werden, adulte Knochenmarkstammzellen werden auch zur Neubildung von Blutzellen therapeutisch verwendet, z.B. bei Leukämien. Shinya Yamanakaerhielt 2012 den Nobelpreis für Medizin 2012, nachdem er durch Veränderung von 4 Genen in normalen menschlichen Hautzellen, die Rückführung dieser Zellen zu pluripotente Stammzellen erreichte. Diese Zellen werden induzierte pluripotente Stammzellen - IPS genannt. Stammzelltherapien mit fremden Zellen tragen immer das Potential der Entstehung von Krebszellen oder die Gefahr von Abstoßungsreaktionen in sich. Zumindest die Gefahr einer Gewebsabstoßung wäre mit induzierten Stammzellen gebannt. Folgende Krankheiten könnte man vielleicht in naher Zukunft durch Stammzellen wirkungsvoll bekämpfen: Diabetes mellitus Typ 1, M. Parkinson, Herzinfarkt, Querschnittslähmungen, senile Makuladegeneration. Bei zahlreichen Bluterkrankungen und zur Neubildung von Hautzellen nach Verbrennungen werden diese Therapien bereits angewandt. - 20 - 5 GEWEBE Gewebe sind Zellverbände gleichsinnig differenzierter Zellen, also Zellen gleicher Funktion. Sie werden durch nichtzelluläre Substanzen (Interzellularsubstanz) mehr oder weniger ergänzt. Wir unterscheiden 4 Gewebetypen: • Epithelgewebe • Binde,- und Stützgewebe • Muskelgewebe • Nervengewebe Organe sind aus verschiedenen Geweben zusammengesetzt, die einerseits dem Organ Festigkeit geben und es versorgen, andererseits die spezifische Funktion eines Organs erfüllen. Man unterscheidet das "Funktionsgewebe" - Parenchym und das "Organbinde oder stützgewebe" - Stroma, das dem Organ auch die lebensnotwendigen Strukturen, wie Arterien, Venen und Nerven zuführt. 5.1 Epithelgewebe Epithelgewebe bestehen aus einer bis zu mehreren Lagen von Epithelzellen ohne dazwischenliegende Interzellularsubstanz oder Fasern. Epithelgewebe tritt im Körper als Oberflächenepithel, als Drüsenepithel und als Sinnesepithel auf. Oberflächenepithelien überziehen die gesamten inneren und äußeren Oberflächen des Körpers. Ihre unterste Zellschicht sitzt einer Basalmembran auf, die andere Seite bildet eine Oberfläche (Haut, Schleimhaut, Auskleidung von Gefäßen, ...). Oberflächenepithelien werden im Körperinneren auch als Endothel bezeichnet. Untereinander stehen die Epithelzellen je nach Organ in mehr oder weniger engem Kontakt miteinander. Epithelgewebe besitzen keine Blutgefäße und werden vom darunter liegenden Bindegewebe durch Diffusion ernährt, wodurch die Schichtdicke der Epithelien beschränkt ist. Funktion der Epithelien: • Schutz vor mechanischer Schädigung und dem Eindringen von Mikroorganismen • Schutz vor Wasserverlust durch Verdunstung • Wahrnehmung von Reizen • Resorption • Sekretion 5.1.1 Oberflächenepithel Oberflächenepithelien sitzen mit ihrer untersten Zelllage dem Bindegewebe auf, mit der anderen begrenzen sie innere oder äußere Oberflächen. Ihre Unterteilung erfolgt nach der Anzahl der Zellschichten, nach der Zellform, nach der Verhornung und der Oberflächendifferenzierung. - 21 - Unterscheidung nach Anzahl der Zellschichten einschichtiges Epithel: alle Zellen sitzen der Basalmambran auf und begrenzen mit ihrem gegenüberliegenden Pol eine Oberfläche; einschichtige Epithelien sind sehr zart, man findet sie etwa als Auskleidung von Blutgefäßen oder als Überzug von Organen. mehrschichtiges Epithel: die Form der obersten Zellschicht des mehrschichtigen Epithels bestimmt die Bezeichnung (platt, kubisch, ...); Mehrschichtiges Epithel findet man etwa an der Haut oder als Follikelepithel im Ovar. mehrreihiges Epithel: im Unterschied zum mehrschichtigen sitzen alle Zellen der Basalmembran auf, sie erreichen aber nicht alle die Oberfläche; man findet diese Epithelform etwa als Flimmerepithel der Atemwege oder im Nebenhodengang. Übergangsepithel oder Urothel: diese Epithelform kommt nur in den harnableitenden Organen wie dem Nierenbecken, dem Harnleiter, der Blase und im Anfang der Harnröhre vor; das besondere an dieser Form sind die unterschiedlichen Zellgrößen der einzelnen Zellreihen, wodurch es sehr dehnbar und gut verschieblich ist. Unterscheidung nach der Form der Zellen flache Epithelzellen: Plattenepithel; dieses Epithel hat besonders bei mehreren übereinander angeordneten Zellschichten eine effektive mechanische Schutzfunktion. würfelförmige Epithelzellen: isoprismatisches oder kubisches Epithel; das größere Zellvolumen deutet auf erhöhte Sekretions,- und Resorptionsleistung hin. hochprismatische oderzylindrische Epithelzellen: Zylinderepithel; diese Epithelien zeichnen sich durch besonders ausgeprägte Möglichkeiten der Resorption und Sekretion aus. Unterscheidung nach dem Grad der Keratinisierung Wir unterscheiden verhornte und unverhornte Epithelien, wobei die Verhornung nur die obersten Zellschichten betrifft. Epithel, das am apikalen Zellpol Flimmerhärchen aufweist, bezeichnet man als Flimmerepithel. Differenzierung der Epitheloberfläche Mikrovilli: Zytoplasmaausstülpungen zur Oberflächenvergrößerung und somit zur Erhöhung der Resorptionsleistung. Man findet sie zB. als Stäbchensaum der Darmschleimhaut oder als Bürstensaum in den Hauptstücken der Niere. Die Mikrovilli besitzen ein Stützskelett aus Aktinfilamenten; sie sind lichtmikroskopisch nicht sichtbar. Kinozilien: aktiv bewegliche Flimmerhärchen auf den Zellen der Atemwege. Sie transportieren Schleim und Schmutzpartiken aus den Atemwegen zum Rachen, wo diese verschluckt werden. Verhornung: oberste Schicht des mehrschichtigen Plattenepithels der Haut. Crusta: Zytoplasmaverdichtung an der Zelloberfläche des Übergangsepithels zum Schutz gegen aggressive Harninhaltsstoffe Funktion der unterschiedlichen Oberflächenepithelien: einschichtiges Plattenepithel: es dient vor allem der glatten Auskleidung innerer Oberflächen, wie zum Beispiel das Endothel, als möglichst glatte Auskleidung der Blut- und - 22 - Lymphgefäße. Weiters findet man es als Auskleidung seröser Höhlen als seröse Häute wie die Pleura an den Lungen, das Perikard am Herzen und das Peritoneum der Bauchhöhle. Es kleidet aber auch die zarten Lungenbläschen (Alveolen) und die Herzinnenseite aus. einschichtiges isoprismatisches Epithel: diese würfeligen Zellen übernehmen Transportaufgaben im Sinne einer Sekretion/ Resorption, etwa in den Nierentubuli, den Speicheldrüsen, der Schilddrüse und den Gallengängen. einschichtiges hochprismatisches Epithel ("Zylinderepithel"): die Aufgabe dieser länglichen säulenförmigen Zellen sind Sekretion und Resorption. Beispiele: Zellen der Magenschleimhaut oder der Darmschleimhaut. mehrschichtiges (unverhorntes) Plattenepithel: Die Mehrschichtigkeit dieses Epithels ist ein Hinweis auf seine Schutzfunktion, zum Beispiel in Mundhöhle, der Speiseröhre oder in der Scheide. Die typischen Lokalisationen sind die Übergänge von der äußeren Haut zu den Schleimhäuten der Eingeweide. mehrschichtiges verhorntes Plattenepithel: Als weitere Schutzfunktion kommt hier noch die Verhornung der obersten Zellschicht hinzu. Man findet es physiologisch nur an der Epidermis (Haut). mehrschichtiges isoprismatisches Epithel: diese Form und Schichtung liegt beim östrogenproduzierenden Follikelepithel der Ovarialfollikel vor. mehrschichtiges Übergangsepithel ("Urothel"): bei diesem Epithel handelt es sich um ein spezielles mehrschichtiges Epithel der Harnwege (Nierenbecken,Harnleiter, Harnblase). Hierbei sind besonders die großen Deckzellen von großer Bedeutung, die eine Dehnung ermöglichen, ohne dass es zu verletzungen der Schleimhaut kommt. Sie bilden eine sogenannte Crusta, einen Überzug, welcher eine Schutzfunktion gegen die aggressiven Harnbestandteile (Harnsäure) hat. Im Gegensatz zum Plattenepithel zeigt sich die obere Zellschicht eher kubisch. mehrreihiges Epithel: Alle Zellen dieses hochprismatischen Epithels haben Kontakt zur Basalmembran. Ihre Zellobergrenzen und ihre Zellkerne liegen aber in unterschiedlicher Höhe und bilden dadurch scheinbare Schichten (Reihen). Zusätzlich tragen die Zellen der Atemwege noch Flimmerhärchen: respiratorisches Flimmerepithel 5.1.2 Sinnesepithel Sinnesepithelien nehmen unterschiedliche Reize aus der Umwelt auf, wie die Zellen der Netzhaut (Retina) des Auges, das Riechepithel der Nasenschleimhaut und die Geschmackszellen des Zungenrückens. Sie werden eingehend im Kapitel Sinnesorgane besprochen. 5.1.3 Drüsenepithelien Hierbei handelt sich um spezialisierte Epithelzellen, die Sekrete produzieren. Grundsätzlich unterscheiden wir exokrine und endokrine Drüsen. Exokrine Drüsen geben ihre Sekrete mittels eines Ausführungsganges (nach außen exokrin) an eine Oberfläche ab, wie z. B. die Magen - oder Darmdrüsen, Schweißdrüsen, Speicheldrüsen, exokriner Anteil der Bauchspeicheldrüse. - 23 - Endokrine Drüsen geben ihre Stoffe ohne Ausführungsgang direkt ins Blut, in die Lymphe oder ins Gewebe (also nach innen = endokrin) ab. Da alle Hormondrüsen endokrin sind, benutzt man die Begriffe endokrine Drüsen und Hormondrüse gleichbedeutend: z.B. Schilddrüse, Hoden, Eierstock, exokriner Insulin produzierender Anteil der Bauchspeicheldrüse. Nach der Anzahl der Zellen werden außerdem einzellige von mehrzelligen Drüsen unterschieden. Einzellige Drüsen findet man etwa als Becherzellen im Darm oder im Epithel der Atemwege, mehrzellige Drüsen sind zum Beispiel die Speicheldrüsen oder auch die Leber. Nach der Zusammensetzung der Sekrete unterscheiden wir seröse Drüsen mit einem wässrigen Sekret, muköse Drüsen mit schleimigem Sekret und gemischte Drüsen. Nach dem Ausscheidungstyp können wir letztlich noch folgende Drüsenarten unterscheiden Merokrine Drüsen geben ihr Sekret durch Exzytose ab und bleiben so zur Gänze erhalten. Dies ist zum Beispiel bei den Speicheldrüsen der Fall. Apokrine Drüsen stoßen die mit Sekret gefüllte Zellspitze (Apex) ab. Diese Sekretionsart findet man bei den Schweißdrüsen. Holokrine Drüsen sondern ihren gesamten zellulären Inhalt ab und werden so bei der Sekretion verbraucht, wie das bei den Talgdrüsen der Fall ist. 5.2 Binde - und Stützgewebe Die Binde - und Stützgewebe bestehen im Gegensatz zu den Epithelgeweben aus einer Grundsubstanz unterschiedlicher Festigkeit, aus Zellen (fixe und bewegliche) und Fasern. Sie enthalten zum Teil Blutgefäße zur Ernährung. Funktion der Binde - und Stützgewebe Bindegewebe dienen verschiedenen Funktionen und bieten daher ein vielfältiges, inhomogenes Bild. Es füllt als Füllgewebe Zwischenräume zwischen oder innerhalb von Organen, schützt und umhüllt die Organe als Organkapsel, dient als Leitstruktur für Gefäße und Nerven oder fungiert als Gleit- und Verschiebeschicht zwischen den Organen oder Geweben eines Organs. Die Stützgewebe dienen der Stabilisierung des Körpers, sie geben ihm Festigkeit und Halt. Zusätzlich erfüllen diese Gewebe eine wichtige Funktion bei der Regulierung des Wasserhaushalts und des Stoffaustausches und sie dienen auch der Immunabwehr. - 24 - Arten von Bindegeweben Man unterscheidet je nach dem Verhältnis von Zellen zur Grundsubstanz zwischen geformten und ungeformten Bindegeweben. Daneben kann man nach ihrer Zusammensetzung und ihrer Festigkeit eine weitere Gliederung vornehmen: - 25 - Aufbau der Binde - und Stützgewebe Zellen Es werden fixe, also ortsansässige und freie, aus dem Blut eingewanderte, Bindegewebszellen unterschieden. Fixe Bindegewebszellen: darunter versteht man Zellen, die ganz typisch für die unterschiedlichen Gewebe sind und immer vorhanden sind. Diese Zellen kommen als junge aktive Formen, die so genannten Blasten vor, die sich noch teilen können und die auch die Grundsubstanz absondern. Je nach Gewebe tragen sie ihre spezifischen Gewebenamen. Ältere inaktive Zellen teilen sich nicht mehr und produzieren auch keine Grundsubstanz; sie ruhen einfach in den Geweben und heißen Zyten. In einigen Geweben finden wir zusätzlich Klasten, das sind Fresszellen, die die Gewebe abbauen. MERKE! Im Bindegewebe heißen diese fixen Zellen Fibroblasten (aktive Formen) und Fibrozyten (inaktive ruhende Zellen). Im Knorpel heißen sie Chondroblasten, Chondrozyten und Chondroklasten. Im Knochen heißen die fixen Zellen Osteoblasten, Osteozyten und Osteoklasten. Freie Bindegewebszellen sind aus dem Blut eingewanderte Zellen, die bei Abwehr -, Entzündungs - und allergischen Reaktionen aktiv werden. Zu ihnen zählt man die Histiozyten, Mastzellen, Lymphozyten und große Fresszellen, die Monozyten. Interzellularsubstanz Die Substanz zwischen den Zellen bestehet einerseits aus Fasern mit unterschiedlichen Eigenschaften und aus der jeweiligen Grundsubstanz. Fasern: wir können drei Arten von Fasern mit sehr unterschiedlichen Eigenschaften und Aussehen unterscheiden. Dazu gehören die retikulären Fasern, die das feine dreidimensionale Stützgerüst der so genannten „retikulären Organe“, wie Leber, Milz, Lymphknoten und Knochenmark bilden. Die kollagenen Fasern sind sehr zugfest, haben eine geringe Dehnbarkeit aber eine hohe mechanische Widerstandskraft. Sie kommen in Geweben mit hohen mechanischen - 26 - Aufgaben wie der Lederhaut des Auges, in Sehnen und Bändern vor und bilden das gröbere Gerüst der retikulären Organe. Elastische Fasern sind bis 100 - 150% dehnbar und finden sich in Organen mit hoher Dehnungsbeanspruchung. Sie kommen in elastischen Bändern, im elastischen Knorpel und in elastischen Blutgefäßen (z.B. der Aorta) vor. Grundsubstanz Darunter versteht man die von fixen Bindegewebszellen gebildete homogene Substanz, die je nach Wassergehalt sol- oder gelartig sein kann. In den Stützgeweben können verschiedene Salze und Kalzium eingelagert sein. Ihre Aufgaben sind der Stoffaustausch zwischen Blut und Zellen und mechanische Aufgaben in den Stützgeweben. Einteilung der Binde - und Stützgewebe Bindegewebe besitzen keine konstante Eigenform aber freie und fixe Zellen, Stützgewebe hingegen haben eine bestimmte Eigenform aber keine freien Zellen. Bindegewebe 5.2.1 retikuläres Bindegewebe Sternförmige Retikulumzellen bilden ein weitmaschiges Netz mit enganliegenden retikulären Fasern. Freie Zellen können sich bei Reizung (Entzündungen) aus dem Verband lösen und zu Phagozyten werden. Vorkommen: Gerüst der Milz, der Leber, Lymphknoten, Knochenmark 5.2.2 Fettgewebe Das Fettgewebe ist eine Sonderform des retikulären Gewebes, es besitzt keine Interzellularsubstanz und besteht aus großen fettgefüllten Zellen, die von einem feinen retikulären Fasernetz umgeben sind. Man unterscheidet zwei Arten von Fettgeweben. Speicherfett findet man vorwiegend an Hüfte, Oberschenkel und Bauch. Es handelt sich um Reserven für Hungerzeiten. Je nach Geschlecht und Ernährungszustand unterscheidet sich der Fettanteil von etwa 10% - 20% bei Sportlern und extrem schlanken Menschen, 25% bei Normalgewichtigen, bis über 50% bei fettleibigen Menschen des Körpergewichtes. Das Körperfett variiert nach Alter und Geschlecht. Vorkommen: Unterhautfettgewebe, Gekröse (Mesenterien) Im Gegensatz dazu wird das Baufettgewebe erst bei starker Abmagerung angegriffen. Es dient an bestimmten Stellen als mechanischer Schutz in Form druckelastischer Polster (Fettpolster): Fußsohle, Gelenke, Gesäß, Nierenlager, Fettkörper hinter dem Augapfel. - 27 - 5.2.3 Lockeres faserreiches Bindegewebe Es besitzt keine Eigenform und besteht aus Grundsubstanz mit vorwiegend kollagenen Fasern, fixen und freien Bindegewebszellen. Lockeres faseriges Bindegewebe dient als "typisches Ausstopfgewebe", da es grundsätzlich Zwischenräume ausfüllt. Es stellt den größten Bindegewebsanteil im Körper dar. Funktion: es dient als Füllmaterial zwischen Muskeln, Organen, in der Unterhaut, um Blutgefäße. Es bildet das STROMA der Organe. 5.2.4 Straffes faserreiches Bindegewebe Hier überwiegen deutlich die Fasern gegenüber der Grundsubstanz. Die Bindegewebsfasern sind entweder geflechtartig übereinandergeschichtet (geflechtartiges BW) oder in einer Richtung parallel angeordnet (parallelfaseriges BW). Das straffe faserige Bindegewebe kommt vor allem dort vor, wo das Gewebe starken Belastungen sowohl auf Dehnung als auch auf Zug ausgesetzt ist. Vorkommen: geflechtartiges BW findet man in der Lederhaut des Auges, Organkapseln, in der harten Hirnhaut; es bildet flächige Strukturen. Parallelfaseriges BW findet man in Sehnen und Bändern. Stützgewebe 5.2.5 Knorpelgewebe Knorpel besitzt vor allem eine hohe Druck-, aber auch eine gewisse Zugelastizität. Aufbau: Knorpelzellen sind in fester Interzellularsubstanz mit unterschiedlichen (kollagen, elastischen) Fasern eingebettet. Knorpel besitzt keine freien Zellen, keine Blutgefäße und keine Nerven! Knorpel wird durch Diffusion mit Nährstoffen versorgt und heilt sehr schlecht. Man unterscheidet je nach der Beschaffenheit der Interzellularsubstanz und der Fasern drei Arten von Knorpel, nämlich hyalinen, elastischen und Faserknorpel. hyaliner Knorpel: Er besteht aus reichlich Grundsubstanz mit kollagenen Fasern und Gruppen von Knorpelzellen, die von einer Kapsel umgeben sind. Die (gummiähnliche) Grundsubstanz verleiht ihm seine Festigkeit. Vorkommen: Gelenkknorpel, Rippenknorpel, Kehlkopfskelett, Trachea, Epiphysenfuge Hyaliner Knorpel erscheint bläulich durchsichtig. elastischer Knorpel: Dieser Knorpel besitzt etwas weniger Grundsubstanz mit teilweise kollagenen aber überwiegend elastischen Fasern und von Zellhöfen umgebenen Knorpelzellen. Elastischer - 28 - Knorpel erscheint gelblich, lässt sich verbiegen und nimmt wieder seine ursprüngliche Form an. Vorkommen: Ohrknorpel, Kehldeckel (Epiglottis). Faserknorpel: Bei diesem Knorpel überwiegen die zahlreichen kollagenen Fasern mit wenigen dazwischen eingebetteten Knorpelzellen und wenig Grundsubstanz. Vorkommen: Bandscheiben, Discus und Meniscus, Symphyse und am Ansatz von Sehnen an Knochen Aufgrund des hohen Faseranteils ist der Faserknorpel stark auf Zug beanspruchbar. Hyaliner Knorpel Elastischer Knorpel Eigenschaften druckfähig elastisch und Elastisch Aussehen durchscheinend bläulich erscheint gelb Vorkommen Gelenkflächen Nasescheide-wand Kehlkopf Luftröhre Rippenknorpel Ohrmuschel Kehlkopfdeckel Faserknorpel Zahlreiche kollagenen Fasern, besonders widerstandsfähig weißlich Meniskus Bandscheiben Symphyse 5.2.6 Knochengewebe Die Interzellularsubstanz des Knochens enthält fixe Zellen (Osteozyten, Osteoblasten, Osteoklasten), reichlich kollagene Fasern und eingelagerte Kalksalze und Spurenelemente. Zahlreiche Blutgefäße durchziehen in kleinen Kanälchen die Knochensubstanz, Knochen ist also im Gegensatz zum Knorpel gut durchblutet. Es ist ein besonders hartes, skelettbildendes Stützgewebe, sehr widerstandsfähig gegenüber Druck, Biegung und Drehung. Beim Knochengewebe wird der primitive Geflechtknochen von widerstandsfähigen geordneten Lamellenknochen unterschieden. Geflechtknochen Lamellenknochen Besitzt ein lamelläres Ordnungsprinzip; Primitiver Knochen des Neugeborenen; etwa ab Die Knochenlamellen bestehen aus dem 2. Lebensjahr beginnt der Umbau parallel verlaufenden kollagenen Fasern in Lamellenknochen zwischen denen die Knochenzellen liegen. - 29 - 5.3 Muskelgewebe Es gibt drei Arten von Muskelgewebe, denen die Fähigkeit zur Kontraktion gemeinsam ist. Damit sich Muskelzellen zusammenziehen können, ist die Anwesenheit der Myofibrillen Aktin und Myosin - notwendig. Wir unterscheiden die glatte Muskulatur der Eingeweide, die quergestreifte Muskulatur und die Herzmuskulatur. 5.3.1 Glatte Muskulatur Charakteristisch für die glatte Muskulatur sind ihre langgestreckten, dünnen Muskelzellen (Myozyten), die keine Querstreifung aufweisen. Glatte Muskulatur findet man in den Eingeweiden, vornehmlich in den Wänden aller Hohlorgane wie Magen, Darm, Atemwege, Blutgefäße, Harnwege und Geschlechtsorgane. Sie verkürzt sich wesentlich langsamer als die quergestreifte und ist nicht durch den Willen steuerbar, also unwillkürlich. Sie unterliegt dem vegetativen Nervensystem und kann lange Zeit ohne großen Energieaufwand und ohne Ermüdung im kontrahierten Zustand verharren. Glatte Muskulatur reagiert auf lokale Reize (Dehnung) und auf Impulse des vegetativen Nervensystems, wie Stressreaktionen. 5.3.2 Quergestreifte Muskulatur - Skelettmuskulatur Auffallend sind lange Muskelzellen mit deutlicher Querstreifung der Myofibrillen, die im Lichtmikroskop als dunkle und helle Anteile sichtbar werden. Sie ist dem Willen unterworfen und folgt Impulsen des somatischen Nervensystems. Der einzelne quergestreifte Muskel besteht aus mehreren Muskelfasergruppen und wird von einer bindegewebigen Faszie umhüllt. Quergestreifte Muskulatur ermüdet schnell. 5.3.3 Herzmuskulatur Herzmuskelzellen sind im Gegensatz zu glatter und quergestreifter Muskulatur verzweigt und enthalten Glanzstreifen. Die Myofibrillen zeigen Längs,- und Querstreifen wie der Skelettmuskel und ist wie der glatte Muskel nicht dem Willen unterworfen und ermüdet nicht. - 30 - Glatte Muskulatur besteht aus spindelförmigen Zellen mit einem Zellkern im Zentrum arbeitet langsam und unwillkürlich Findet sich in: Gefäßwänden, der Wand des Magen,-Darmtraktes, der Luftröhre, der Harnblase, Gebärmutter, Eileiter... 5.4 Quergestreifte Muskulatur Herzmuskulatur Sonderform der quergestreiften Muskulatur, sie ist quergestreift wie besteht aus großen Muskelzellen die mit vielen randständigen Skelettmuskulatur, besitzt aber nur Zellkernen, einen arbeitet schnell, kräftig, zentralen Zellkern wie die glatte willkürlich, ermüdet aber schnell. Muskelzelle Die Querstreifung entsteht durch die Zusammensetzung der Myofibrillen (Aktin und Glanzstreifen (Kittlinien) verbinden Myosin) ein festes Flechtwerk Findet sich in: Skelettmuskulatur, im Zwerchfell Der Herzmuskel bewegt sich und unwillkürlich und ausdauernd in der Kehlkopfmuskulatur Nervengewebe Nervengewebe besteht aus Nervenzellen und Gliazellen (Stützzellen), die die Nervenfortsätze teilweise umhüllen. Nervenzellen - Neuronen bilden die graue Substanz des zentralen Nervensystems und die Ganglien des peripheren Nervensystems. Nervenzellen bestehen aus einem Zellkörper mit Zellkern und Zellorganellen und seinen Nervenfortsätzen, den Dendriten und dem Neuriten (Axon). Dendriten: baumartige Fortsätze zur Aufnahme der Erregung Neurit (Axon): bis zu 1m langer Fortsatz, dient der Weiterleitung der Erregung, an seinem Ende sitzen die Synapsen, die Schaltstellen zwischen zwei Nervenzellen. Die Gliazellen bilden das Stützgerüst und die Isolierschicht von Gehirn, Rückenmark und von peripheren Nerven. Sie stellen die sogenannte weiße Substanz des Nervensystems dar. Gliazellen des zentralen Nervensystems: Astrozyten, Oligodendrozyten, Stützfunktion im Gehirn und Rückenmark Gliazellen des peripheren Nervensystems: Schwann´sche Zellen, sie umhüllen die Axone. - 31 - 6 KNOCHEN UND SKELETTSYSTEM Knochen haben vom Prinzip her einen einheitlichen Aufbau, der im Folgenden an einem Röhrenknochen dargestellt wird. 6.1 Aufbau des Knochens Röhrenknochen bestehen aus einem Schaft, der Diaphyse, und zwei Enden, den Epiphysen. Zwischen Epiphyse und Diaphyse findet man die Metaphyse. Die Knochensubstanz selbst besteht aus Knochenzellen, den Osteoblasten, den Osteoklasten und den „ruhenden“ Osteozyten, einer Knochengrundsubstanz, dem Osteoid mit kollagenen Fasern und Kalksalzen. Osteoblasten haben die Fähigkeit zur Zellteilung und zur Bildung der Knochengrundsubstanz, sie werden mit der Zeit in das Osteoid eingemauert und wandeln sich in ruhende Osteozyten um. Osteoklasten können den Knochen abbauen und spielen bei Umbauvorgängen des Knochens eine große Rolle. Alle Knochen bestehen aus einer dichten, äußeren Schicht, der Corticalis oder Kompakta und einer schwammartigen, aus Knochenbälkchen aufgebauten inneren Schicht, der Spongiosa. Die Epiphysen sind an ihren Gelenksflächen von hyalinem Knorpel überzogen, die Diaphyse wird von der Knochenhaut, dem Periost, umhüllt. In ihm befinden sich zahlreiche Gefäße und Nerven (Schmerz!). Sie versorgen den Knochen durch kleine Öffnungen (Foramina nutricia). Funktion des Periosts: Schutzfunktion, Ernährung, Ansatz für Sehnen; nach Knochenbrüchen beginnt vom Periost aus die Heilung Im Inneren der Knochen befindet sich das Knochenmark: Rotes, blutbildendes Knochenmark befindet sich beim Kind in allen Anteilen aller Knochen, beim Erwachsenen nur mehr in den Epiphysen der Röhrenknochen und in den kurzen, unregelmäßigen und flachen Knochen. Gelbes Fettmark findet man beim Erwachsenen in den Diaphysen der Röhrenknochen, es ersetzt das verschwundene rote Knochenmark und ist sonst funktionslos. 6.2 Feinbau des Knochens Grundsätzlich unterscheidet man den grobfaserigen Geflechtknochen vom geordneten und widerstansfähigen Lamellenknochen. Der Geflechtknochen entspricht vom Aufbau her dem verknöcherten Bindegewebe des Neugeborenen und stellt den „primitiveren“ Knochen dar. Beim Neugeborenen überwiegt noch der Anteil der Geflechtknochen, beim Erwachsenen kommen fast nur noch die stärker differenzierten Lamellenknochen vor. Beim Erwachsenen findet man Geflechtknochen jedoch immer bei Heilungsvorgängen, etwa nach Knochenbrüchen. - 32 - Der Geflechtknochen ist die primäre unreife Form des Knochens, in dem die Kollagenfasern der Knochenmatrix nicht ausgerichtet sind, sondern kreuz und quer verlaufen, d.h. miteinander verflochten sind. Der Lamellenknochen entsteht durch Umbauvorgänge aus dem Geflechtknochen durch die Beanspruchung der Knochen. Um einen Gefäßkanal, dem so genannten Havers Kanal lagern sich kollagene Fibrillen lamellenartig an. Diese Faserschichten wechseln mit Schichten von Knochenzellen ab. Ein Gefäßkanal mit seinen Lamellen wird Osteon oder Havers System genannt. 6.3 Knochenverbindungen Verbindungen zwischen Knochen können entweder kontinuierlich (Synarthrosen) oder diskontinuierlich (Diarthrosen) sein. 6.3.1 Synarthrosen - Knochenfugen Knochenfugen sind enge Verbindungen zwischen Knochen in denen kaum Bewegungen möglich sind. Viele ursprünglich bindegewebige Verbindungen verknöchern mit der Zeit. Wir unterscheiden folgende Arten von Synarthrosen. Syndesmose: Verbindung zweier Knochen durch straffes Bindegewebe. zB. Membrana interossea (Zwischenknochenmembran) zwischen Elle und Speiche, Sonderform: Schädelnähte, die im Laufe des Lebens verknöchern Synchondrose: Verbindung 2-er Knochen durch hyalinen Knorpel. zB. Epiphysenfuge, knorpelige Verbindungen der 1., 6., und 7. Rippe mit dem Brustbein Symphyse: Faserknorpel und Bindegewebe, z.B.Verbindung zwischen den beiden Schambeinästen Synostose: feste Knochenverbindung, z.B. Epiphyse nach Verknöcherung, Verbindungen zwischen Darmbein, Schambein und Sitzbein 6.3.2 Diarthrosen - Gelenke Gelenke bestehen aus den artikulierenden Gelenkflächen, die von hyalinem Knorpel überzogen sind und einer Gelenkkapsel, die nahe dem Knorpel am Knochen ansetzt und das gelenk vollständig umhüllt. Die innere Schicht der Kapsel produziert die Gelenksschmiere (Synovia), die äußere Schicht der Kapsel besteht aus faserigem Bindegewebe. Die Synovia ernährt den Knorpel und erleichtert die Bewegung. Zwischen den Gelenksflächen liegt ein spaltartiger Zwischenraum, der Gelenkspalt. Gelenke werden häufig ergänzt durch Schleimbeutel, die sich an jenen Stellen befinden an denen Muskeln direkt über den Knochen ziehen. Sie sind kleine bindegewebige „Beutel", die mit Synovialflüssigkeit gefüllt sind. Die Schleimbeutel liegen wie Kissen zwischen Muskel und Knochen und schützen so beide vor Druck und Reibung. - 33 - Außerdem findet man in einigen Gelenken Disci und Menisci (Zwischenscheiben). Als Meniskus bezeichnet man in der Anatomie einen unvollständig scheibenförmigen (im Knie halbmondförmigen) Knorpel zwischen den Gelenkflächen. Im Gegensatz zu einem Diskus teilt ein Meniskus die Gelenkhöhle nur unvollständig. Unter Diskus versteht man eine bewegliche Knorpelscheibe, welche z.B. im Handgelenk oder im Kiefergelenk für ein genaues Anpassen von Gelenkflächen sorgt. Auch die Bandscheiben zwischen den Wirbelkörpern sind Disci. Gelenkformen: Planes Gelenk - Articulatio plana: Zwei ebene Gelenkflächen kommunizieren miteinander Beispiel: Wirbelgelenke Mögliche Bewegungen: Schiebebewegungen nach vorne und hinten und nach beiden Seiten, es besitzt somit 2 Freiheitsgrade (nach vorne und zurück, zur einen und zur anderen Seite). Scharniergelenk - Ginglymus: Es kommunizieren ein konvexer und ein konkaver Gelenkkörper miteinander, es besitzt nur 1 Freiheitsgrad Beispiel: Finger - und Zehengelenke (Interphalangealgelenke), Ellenbogengelenk zwischen Humerus und Ulna. Mögliche Bewegungen: Beugen und Strecken (analog einem Scharniergelenk einer Türe) Zapfen - oder Radgelenk: Ein konvexer Gelenkkörper bewegt sich in einem konkaven, es besitzt nur 1 Freiheitsgrad Beispiel: Articulatio radioulnaris proximalis (Gelenk zwischen Radius und Ulna im Ellenbogen) Mögliche Bewegungen: Drehbewegung, der konkave Gelenkskörper der Ulna wird noch durch ein Band ergänzt und umfasst das Radiusköpfchen zur Gänze. Eigelenk - Articulatio ellipsoidea: Besteht aus einer konvexen und einer konkaven ellipsenförmigen Gelenkfläche, 2 Freiheitsgrade Beispiel: Proximales Handgelenk, wobei Radius und Ulna die konkave Pfanne und die proximale Handwurzelreihe den konvexen Gelenkkopf bilden. - 34 - Mögliche Bewegungen: Beugen und Strecken, Seit zu Seitbewegung, durch Kombination dieser Bewegungen ist eine scheinbare „Rotation“ möglich. Sattelgelenk - Articulatio sellaris: Eine konkave und eine konvexe sattelförmige Gelenkfläche kommunizieren miteinander wie der Reiter mit seinem Sattel, 2Freiheitsgrade Beispiel: Daumengrundgelenk Mögliche Bewegungen: scheinbares Kreisen durch Seit,- Vor,- und Rückwärtsbewegungen ist möglich. Dieses gelenk ermöglicht die Opposition (das Gegenüberstellen) des Daumens zur Handfläche. Kugelgelenk: Articulatio sphaeroidea: Dieses Gelenk besitzt eine konkave Gelenkspfanne und einen kommunizierenden konvexen Gelenkskopf, es besitzt 3 Freiheitsgrade Beispiele: Schultergelenk, Hüftgelenk Mögliche Bewegungen: Anteversion und Retroversion (Vor - und Zurückführen der Extremität), Ab - und Adduktion, Innen - und Außenrotation DAS SKELETT 6.4 Schädelknochen Der Schädel ist aus zwei Anteilen zusammengesetzt, dem Gehirnschädel (Neurokranium) und dem Gesichtsschädel (Viscerokranium). Die Grenze zwischen diesen beiden Anteilen verläuft von der Nasenwurzel über den oberen Rand der Augenhöhlen zu den äußeren Gehörgängen. Die Knochen des Gehirnschädels bilden eine Knochenhöhle, die das Gehirn schützend umgibt. Folgende Knochen bilden den Gehirnschädel: Stirnbein (Os frontale) Paariges Scheitelbein (Os parietale) Paariges Schläfenbein (Os temporale) Hinterhauptsbein (Os occipitale) Keilbein (Os sphenoidale) Siebbein (Os ethmoidale) Die Knochen des Gesichtsschädels bilden die Grundlage für die Gesichtsform und werden teilweise durch knorpelige Anteile ergänzt. Folgende Knochen bilden den Gesichtsschädel: das paarige Jochbein (lat. Os zygomaticum) Oberkiefer (Maxilla), Unterkiefer (Mandibula) das paarige Nasenbein (Os nasale) das paarige Tränenbein (Os lacrimale) Pflugscharbein (der Vomer) Gaumenbein (Os palatinum) Die Schädelbasis wird von drei treppenartig versetzten Gruben, denen das Gehirn aufliegt, gebildet, nämlich der vorderen, mittleren und der hinteren Schädelgrube. Das Foramen magnum, das große Hinterhauptsloch dient dem Durchtritt des Rückenmarks. - 35 - 6.5 Schädelnähte und Fontanellen Da die platten Schädelknochen beim Embryo bindegewebig angelegt sind, sind sie während der Wachstumsphase des Schädels durch bindegewebige Syndesmosen miteinander verbunden, die zunehmend verknöchern und beim Erwachsenen vollständig in knöcherne Synostosen umgewandelt werden. Ihre Ränder können mehr oder weniger gezackt sein. Die Stirnnaht (Sutura frontalis) verbindet in vertikaler Richtung in der Mitte der Stirn die beiden Stirnbeine. Sie verknöchert relativ früh und ist schon vor dem 10. Lebensjahr kaum mehr sichtbar. Die Kranznaht (Sutura coronalis) ist die ursprünglich bindegewebige Verbindung zwischen dem Stirnbein und den beiden Scheitelbeinen. Sie steht im rechten Winkel zur Pfeilnaht. Die Pfeilnaht (Sutura sagittalis) verläuft in einem zackigen Verlauf im Bereich des Scheitels zwischen den beiden Scheitelbeinen. Während der Geburt können die Scheitelbeine zur Verringerung des Durchmessers des kindlichen Kopfes etwas übereinander geschoben werden. Die Schuppennaht (Sutura squamosa) ist eine bogenförmig verlaufende Naht, welche die Oberkante der Schläfenbeinbeinschuppe mit der Unterkante des Scheitelbeins verbindet. Die Lambdanaht (Sutura lambdoidea) hat die Form des griechischen Buchstabens „Lambda“ (λ). Sie verläuft zwischen dem Hinterhauptsbein und der Hinterkante der beiden Scheitelbeine. Der kindliche Schädel hat neben den bindegewebigen Schädelnähten noch flächige Bindegewebszwickel zwischen einigen Knochen, die das Schädelwachstum ermöglichen. Diese bindegewebigen Knochenverbindungen heißen Fontanellen, man unterscheidet zwei große, unpaare und zwei kleinere, paarige, welche zu unterschiedlichen Zeitpunkten verknöchern. Große Fontanelle (Fonticulus anterior): Die große Fontanelle liegt im Bereich des vorderen Schädeldaches zwischen den beiden Stirnbeinen und den beiden Scheitelbeinen. Sie hat die Form einer Raute, ihr größter Durchmesser beträgt 2,5–3 cm und sie verknöchert im 3. Lebensjahr. Kleine Fontanelle (Fonticulus posterior): Diese auch Hinterhauptsfontanelle genannte Fontanelle liegt im hinteren Bereich des Schädeldaches zwischen dem Hinterhauptsbein und den beiden Scheitelbeinen. Sie zeigt eine dreieckige Form und verknöchert schon im 3. Lebensmonat. Vordere und hintere Seitenfontanelle: Die Seitenfontanellen liegen paarig vor. Die vordere Seitenfontanelle liegt beidseits des Schädels zwischen Schläfenbein, Scheitelbein und Keilbein und verknöchert bis zum 6. Lebensmonat, die hintere Seitenfontanelle liegt beidseits zwischen Schläfenbein, Scheitelbein und Hinterhauptsbein im Bereich des Warzenfortsatzes und verknöchert bis zum 18. Lebensmonat. ! Wichtig! Die Fontanellen sollen im Hautniveau liegen! Eingesunkene Fontanelle bei Wasserverlust (Fieber, Durchfall). Gewölbte Fontanelle bei erhöhtem Hirndruck (Hydrocephalus). - 36 - 6.6 Übersicht über das Skelett 6.6.1 Wirbelsäule Die Wirbelsäule wird aus 24 einzelnen Wirbeln aufgebaut, nämlich 7 Halswirbel 12 Brustwirbel 5 Lendenwirbel und dem Kreuzbein (Os sacrum, 5 miteinander verschmolzene Sakralwirbel) und dem Steißbein (Os coccygis, 4 verschmolzene Wirbel) An der Wirbelsäule unterscheidet man vier physiologische Krümmungen, die Halslordose, Brustkyphose, Lendenlordose und Sakralkyphose. Als Lordose bezeichnet man Krümmungen nach vorne, als Kyphose Krümmungen nach hinten. Der erste Halswirbel heißt Atlas, er hat die Form eines Ringes und ist gelenkig mit dem Hinterhauptsbein und dem 2. Wirbel verbunden. Der zweite Halswirbel heißt Axis, er unterscheidet sich von den folgenden Halswirbeln durch einen Knochenzapfen (Dens axis), der in den Ring des Atlas hineinragt und mit ihm gelenkig verbunden ist. Der Aufbau der übrigen Wirbel ist ziemlich einheitlich, Form und Größe variieren aber. Grundaufbau eines Wirbels (Vertebra): Wirbelkörper: Corpus vertebrae Wirbelbogen: Arcus vertebrae Wirbelloch: Foramen vertebrae Dornfortsatz: Processus spinosus 2 Querfortsätze: Processus transversus Die Wirbel sind gelenkig untereinander verbunden; dazu entspringen auf Höhe der Querfortsätze je zwei obere und untere Gelenkfortsätze. Zwischen dem Gelenkfortsatz und Wirbelkörper zweier benachbarter Wirbel entsteht das Zwischenwirbelloch, durch das die Nervenwurzeln der Spinalnerven den Wirbelkanal verlassen. Die Brustwirbel besitzen auch Gelenkflächen für die Rippen. Zwischen den einzelnen Wirbeln findet man die Bandscheiben (Discus intervertebralis) 6.6.2 Knochen des Brustkorbes und der oberen Extremität Rippe - Costa Zwölf Rippenpaare bauen den Brustkorb mit auf. Sie haben einen knöchernen dorsalen und einen knorpeligen ventralen Anteil und sind gelenkig mit der Wirbelsäule und teilweise mit dem Brustbein verbunden. Wir unterscheiden sieben wahre Rippen - Costa vera, welche gelenkig mit der WS und dem Sternum verbunden sind, und fünf falsche Rippen - Costa spuria. Die 8.-10. Rippe sind knorpelig mit der 7. Rippe verbunden, 11. und 12. Rippe enden frei zwischen der Muskulatur. - 37 - Zwischen jeweils zwei Rippen finden wir den Zwischenrippenraum oder Interkostalraum, der mit mit Muskulatur ausgefüllt ist und jeweils eine Arterie, eine Vene und einen Nerv beherbergt, zur Versorgung der Brust – und Bauchwand. Brustbein - Sternum Das Brustbein besteht aus drei Anteilen, dem Handgriff (Manubrium sterni), dem Brustbeinkörper (Corpus sterni) und dem Schwertfortsatz (Processus xyphoideus.) Das Brustbein ist gelenkig mit dem Schlüsselbein und mit den wahren Rippen verbunden. Am Processus xyphoideus entspringt teilweise die kräftige Bauchmuskulatur. Schlüsselbein - Clavicula es handelt sich um einen S - förmig gebogenen Knochen, der einerseits mit dem Brustbein im Sternoclaviculargelenk, andererseits mit dem Acromion des Schulterblattes gelenkig verbunden ist. Schulterblatt - Scapula Die Scapula ist ein flacher dreieckiger Knochen, der an der dorsalen Fläche einen Fortsatz, die Schultergräte (Spina scapulae), besitzt, die zum Acromion (Schulterhöhe) hin ausläuft. Es ist einerseits mit der Clavicula, andererseits mit dem Oberarmknochen gelenkig verbunden. Oberarmknochen - Humerus Der Humerus ist ein kräftiger Röhrenknochen, an dem Oberarmkopf (Caput humeri), Oberarmschaft (Corpus humeri), Epicondylus medialis und lateralis und die dazwischen liegenden die Gelenksflächen für das Ellbogengelenk unterschieden werden. Der Humeruskopf trägt die Gelenkfläche für das Schultergelenk. Elle - Ulna Sie besteht aus einem Corpus, einer großen Extremitas proximalis, also dem proximalen Ende, das sowohl mit dem Humerus als auch mit dem Radius gelenkig verbunden ist und einer kleineren Extremitas distalis, dem distalen Ende mit Gelenkflächen für Radius und den proximalen Handwurzelknochen. Die Ellbogenspitze bildet das Olekranon. Speiche - Radius Die Speiche besteht aus einem wiederum aus einem Corpus und einer Extremitas proximalis und distalis. Elle und Speiche sind in der Art. radioulnaris und durch eine Membrana interossea miteinander verbunden. Handsklelett Das Handskelett besteht aus acht Handwurzelknochen, von denen das Kahnbein und das Mondbein an der Bildung des proximalen Handgelenks beteiligt sind, aus den - 38 - röhrenförmigen Mittelhandknochen und den Grund,- Mittel,- und Endphalangen der Finger. Ausnahme Daumen: nur Grund,- und Endphalanx. Merksatz für die Handwurzelknochen: Ein Kahn der fuhr im Mondenschein ums Dreieckund ums Erbsenbein; Vieleck groß, Vieleck klein, ein Kopf, der muss am Haken sein. Proximale Reihe: Os scaphoideum (Kahnbein), Os lunatum (Mondbein), Os triquetrum (Dreiecksbein), Os pisiforme (Erbsenbein) Distale Reihe: Os trapezium (Großes Vieleckbein), Os trapezoideum (Kleines Vieleckbein), Os capitatum (Kopfbein), Os hamatum (Hakenbein) 6.6.3 Gelenke der oberen Extremität Schultergelenk - Articulatio humeri kommunizierende Gelenkflächen sind die Gelenkpfanne des Schulterblattes und der Humeruskopf Gelenkform: Kugelgelenk Bewegungen: Heben und Senken Ab,- und Adduktion Innen,- und Außenrotation Ellbogengelenk - Articulatio cubiti Das Ellbogengelenk ist ein zusammengesetztes Gelenk aus der Articulatio humeroradialis, der Form nach ein Kugelgelenk, der Articulatio humeroulnaris, ein Scharniergelenk und der Articulatio radioulnaris proximalis, ein Zapfengelenk. Gelenkform: Drehscharniergelenk Bewegungen: Flexion und Extension Pronation und Supination Handgelenk Articulatio manus Es wird zusammengesetzt aus der Articulatio radiocarpalis zwischen dem Radius und der proximalen Handwurzelreihe (Proximales Handgelenk) und aus Articulatio mediocarpalis zwischen den beiden Handwurzelreihen (distales Handgelenk). Gelenkform proximales Handgelenk: Eigelenk Bewegungen: Radial,- und Ulnarabduktion Flexion, Extension Pronation, Supination Kombinationsbewegung, die einer Rotation nahekommt. Daumengelenke Daumengrundgelenk: Sattelgelenk Interphalangealgelenke: Scharniergelenk Bewegungen: Ab -, Adduktion Opposition, Reposition Zirkumduktion - 39 - Fingergelenke Grundgelenke: Kugelgelenke, die in ihrer Funktion durch Bänder stark eingeschränkt sind. Scharniergelenke zw. den Phalangen: Beugen und Strecke Bewegungen: Beugen und Strecken 6.6.4 Knochen des Beckengürtels und der unteren Extremität Wegen der Bedeutung des Beckens und des Beckenbodens wird in diesem Kapitel nicht nur das knöcherne Becken, sondern das Becken in seiner Gesamtheit besprochen!! Becken - Pelvis Das Becken besteht aus dem Kreuzbein - Os sacrum und den beiden Hüftbeinen - Ossa coxae, die durch die Symphyse verbunden sind. Das Hüftbein setzt sich zusammen aus dem Darmbein- Os ilium, dem Sitzbein- Os ischii und dem Schambein - Os pubis. Diese Knochen verschmelzen im Laufe der Pubertät vollständig miteinander. Die Linea terminalis bildet die Grenze zwischen dem großen und dem kleinen Becken. Sie verläuft vom Gelenk zwischen Os sacrum und dem 5. Lendenwirbelkörper (Promontorium) nach vorne zur knorpeligen Verbindung zwischen den beiden Schambeinästen (Symphyse). Beide Hüftbeine sind über das Kreuzbein-Darmbein-Gelenk (Articulatio sacroiliaca) mit dem Kreuzbein verbunden. Dieses Gelenk ist eine Amphiarthrose, also ein straffes Gelenk, das kaum Bewegungen ausführen kann, aber für die Federung der Wirbelsäule von großer Wichtigkeit ist. An der Vorderseite sind die beiden Hüftbeine knorpelig durch die Symphyse (Schambeinfuge) verbunden. Alle drei Hüftknochen treffen in der Hüftgelenkpfanne (Acetabulum) zusammen, welche mit dem Kopf des Oberschenkelknochens das Hüftgelenk bildet. Großes und kleines Becken - Pelvis maior und minor Das große Becken ist jener Abschnitt des Beckens, der oberhalb der Beckeneingangslinie (Linea terminalis) zwischen den Darmbeinschaufeln liegt. Das kleine Becken ist der Teil des Beckens, der unterhalb der Beckeneingangslinie (Linea terminalis) liegt. Es enthält den Mastdarm – Rektum, die Harnblase – Vesica urinaria, die Eierstöcke Ovarien, die Gebärmutter – Uterus und die Scheide - Vagina bei der Frau und beim Mann die Vorsteherdrüse - Prostata. Der Beckeneingang - Apertura pelvis superior - wird begrenzt vom Oberrand der Symphyse, der Linea terminalis und hinten vom Promontorium. Oberhalb der Linea terminalis liegt das große Becken, darunter das kleine Becken!! Der Beckenausgang - Apertura pelvis inferior wird begrenzt von den unteren Schambeinästen (Rami ossis pubis inferiores), den Sitzbeinästen (Rami ossis ischii), dem Ligamentum sacrotuberale ( Band vom Os sacrum zum Tuber ischiadicum – Sitzbeinhöcker) und dem Steißbein (Os coccygis). - 40 - Unterschiede zwischen weiblichem und männlichem Becken: Das weibliche Becken ist flacher und breiter als das männliche. Der weibliche Beckeneingang, die von der Linea terminalis und dem Promontorium (L5/S1) markierten Grenze zwischen großem und kleinem Becken, ist größer und rundlich oval, das männliche dagegen herzförmig. Die Größe des Symphysenwinkels - Angulus subpubicus, also die Stelle, wo die beiden unteren Schambeinäste in der Symphyse zusammentreffen, unterscheiden sich bei Mann und Frau insoferne, dass dieser Winkel beim Mann aufgrund der vertikalen Hochstellung des Beckens kleiner als 90°, bei der Frau dieser Winkel größer als 90° ist. Zusätzlich ist der Abstand der Sitzbeinhöcker (Tubera ischiadica) bei der Frau deutlich weiter als beim Mann. Beckenmaße Um den Durchmesser des Geburtsweges abschätzen zu können, werden mit einem so genannten Beckenzirkel die äußeren Beckenmaße gemessen, die inneren Beckenmaße sind nur mit bildgebenden Verfahren (CT, MRT), teilweise per vaginam messbar. Distantia spinarum: Abstand zwischen den beiden vorderen Darmbeinstachel - Spinae iliacae anteriores superiores. Er beträgt etwa 25-26 cm. Distantia cristarum: Abstand zwischen den am weitesten voneinander entfernt liegenden Punkten der Darmbeinkämme - Cristae iliacae. Er beträgt 28 – 29 cm Distantia trochanterica: Abstand der beiden Trochanteres majores - große Rollhügel der Oberschenkelknochen. Diese Strecke beträgt rund 32 cm. Conjugata externa: Abstand zwischen dem oberen Rand der Symphyse und dem Processus spinosus des 5. Lendenwirbels - oberer Punkt der Michaelis-Raute. Er misst 19 – 20 cm. Beträgt das Maß der Conjugata externa weniger als 18 cm, ist die Conjugata vera (innerer gerader Durchmesser) mit Sicherheit verkürzt Äußere Beckenmaße: mittels Beckenzirkel messbar! https://image.jimcdn.com/app/cms/image/transf/none/path/se1e7984c47992210/image/i3e6c1b8b89cb7a52/version/1454847537/image.j pg - 41 - 1. 2. 3. 4. 5. Distantia spinarum: 25 - 26 cm 2. Distantia cristarum: 28 - 29 cm Distantia trochanterica: 32 cm Conjugata externa: 18 - 21 cm Conjugata vera: 11 cm Innere Beckenmaße: nur durch bildgebende Verfahren messbar, bei der Schwangerern mittels MRT!! Teilweise auch per vaginam https://viamedici.thieme.de/api/images/l/r/i/e/f/1/ana_002850_steckbrief1.png Diameter transversa: 13 cm Conjugata vera: 11 cm Diameter obliqua: 12 cm Conjugata diagonalis: 12,5 - 13 cm Die Conjugata vera obstetrica ist mit 11 cm der kürzeste Durchmesser und damit die engste Stelle, die der kindliche Kopf überwinden muss!! Sie reicht vom Hinterrand der Symphyse zum Promontorium. Beckenboden Da der Beckenboden keine knöcherne Begrenzung nach unten hat, aber die gesamte Last der Beckenorgane trägt, besteht er aus einer kräftigen Struktur, gebildet aus aus Muskeln, Bändern und Faszien. Am Beckenboden sind die Muskeln mit ihren zugehörigen Faszien in drei Etagen angeordnet: • Innerste Etage: Diaphragma pelvis • Mittlere Etage: Diaphragma urogenitale • Äußerste Etage: Schließ – und Schwellkörpermuskeln des Urogenital – und Darmtraktes - 42 - Die innere Etage wird vom trichterförmigen M. levator ani - Afterhebermuskel – und seiner oberen und unteren Muskelfaszie gebildet, der den Anus U - förmig von hinten umschließt. Die mittlere Etage - das Diaphragma urogenitale - besteht aus einer Muskel Bindegewebsplatte, die zwischen den Sitz – und Schambeinästen ausgespannt ist. Sie besteht hauptsächlich aus dem M. transversus perinei profundus et superficialis und seiner oberen und unteren Muskelfaszie. Sie hat einen horizontalen Verlauf und verschließt das "Levatortor". Die äußere Etage wird von den äußeren Schließ - und Schwellkörpermuskeln gebildet. Dazu gehören: M. bulbospongiosus - Harnröhrenschwellkörpermuskel M. ischiocavernosus – Sitzbein - Schwellkörpermuskel M. sphincter urethrae externus – äußerer Harnröhrenschließmuskel – von Fasern des M. transversus perinei profundus gebildet M. sphincter ani externus – äußerer Analschließmuskel Zu erwähnen wäre noch die Nervenversorgung des Beckenbodens und der Schließmuskel, die teilweise aus quergestreifter und teilweise aus glatter Muskulatur bestehen. Der quergestreifte Beckenboden wird willkürlich vom Nervus pudendus aus dem Plexus lumbosacralis versorgt. Er führt somatosensible Fasern für die Haut des Beckenbodens und somatomotorische Fasern für die Beckenbodenmuskulatur. Die inneren Schließmuskel, M. sphincter urethrae internus und M. sphincter ani internus bestehen aus glatter Eingeweidemuskulatur und werden vom Sympathikus und Parasympathikus innerviert. Sie unterliegen also nicht unserem Willen! Oberschenkelknochen- Femur Der Femur ist der längste Röhrenknochen im Körper. Vom langen OberschenkelschaftCorpus femoris geht proximal schräg der Schenkelhals- Collum femoris ab. An seinem Ende befindet sich der Oberschenkelkopf. Am Übergang vom Corpus zum Collum sitzen zwei Vorsprünge - Trochanter major und minor, an denen Muskeln ihren Ursprung nehmen. Am distalen Femurende findet man die Epicondylus medialis und lateralis, dazwischen liegt die Gelenksfläche zum Schienbein, die aus den Condylus medialis und lateralis besteht. Schienbein- Tibia Es handelt sich um einen langen kräftigen, im Querschnitt dreieckigen, Knochen mit einem proximalen Schienbeinkopf - Caput tibiae und einem distalen verbreiterten Ende, das den Innenknöchel - Malleolus medialis bildet. Wadenbein- Fibula Das Wadenbein ist ein zarter Röhrenknochen lateral vom Schienbein gelegen mit einem Corpus, einem proximalen Caput fibulae und dem distalen Malleolus lateralis, dem Außenknöchel. Die beiden Knöchel bilden die Malleolengabel, die das proximale Sprunggelenk mit dem Sprungbein bilden. Eine membranea interossea verbindet die beiden Unterschenkelknochen. Fußskelett Der Fuß besteht aus 7 Fußwurzelknochen, 5 Mittelfußknochen - Ossa metatarsalia und den Grund,- Mittel,- und Endglieder der Zehen. - 43 - 6.6.5 Gelenke der unteren Extremität Hüftgelenk - Articulatio coxae Die kommunizierenden Gelenkflächen sind die Hüftgelenkspfanne, Acetabulum, das aus allen drei Anteilen des Hüftknochens gebildet wird und die Gelenkfläche des Femurkopfes. Das Hüftgelenk wird durch zahlreiche straffe Bänder gesichert. Gelenkform: Kugelgelenk Bewegungsrichtungen: Heben und Senken Ab,- und Adduktion Innen,- und Außenrotation Kniegelenk - Articulatio genus Es kommunizieren die Gelenkflächen des Oberschenkelknochens (Femur), des Schienbeins (Tibia), des Wadenbeins (Fibula) und der Kniescheibe (Patella). Der Gelenkspalt beinhaltet zwei "Stoßdämpfer" aus Faserknorpel, ein halbmondförmiger Meniscus medialis und ein kreisförmiger Meniscus lateralis Weiters wird das Kniegelenk durch die innen liegenden Kreuzbänder und die außen seitlich liegenden Seitenbänder gesichert. Gelenktyp: Scharniergelenk Bewegungsrichtungen: Beugen und Strecken, nur im gebeugten Zustand geringe Außen,- und Innenrotation möglich. Oberes Sprunggelenk Die kommunizierenden Gelenkflächen sind die so genannte Malleolengabel von Tibia und Fibula einerseits , welche gabelartig die Gelenkfläche des Talus (Sprungbein) umfasst. Gelenktyp: Scharniergelenk Bewegungsrichtungen: Dorsal,- und Plantarflexion Unteres Sprunggelenk Es wird gebildet vom Sprungbein, dem Kahnbein und dem Fersenbein. Es ist ein zusammengesetztes Gelenk, das con zahlreichen Bändern verstärkt wird. Bewegungsrichtungen: Supination, Pronation Zehengrundgelenke Anatomisch sind Zehengrundgelenke Kugelgelenke, die in ihrer Bewegung durch straffe Bänder stark eingeschränkt sind. Interphalangealgelenke Es handelt sich wie bei den Fingern um Scharniergelenke. Bewegungsrichtungen: Flexion und Extension - 44 - 7 MUSKULATUR Man unterscheidet drei Arten von Muskulatur, die quergestreifte, glatte und die Herzmuskulatur. Durch abwechselndes Anspannen und Erschlaffen der einzelnen Muskelfasern wird Muskelbewegung möglich. Um Bewegung auf das Skelett zu übertragen sind die Muskeln durch Sehnen am Knochen fixiert. Damit ein Gelenk bewegt werden kann, liegt der Muskelursprung immer proximal, der Ansatz immer distal des Gelenks. Synergisten sind Muskeln, die bei einer Bewegung zusammenarbeiten, Antagonisten machen gegenteilige Bewegungen. Muskeln erhalten ihre Namen nach unterschiedlichen Eigenschaften, zu Beispiel - nach dem Faseverlauf: M. transversus abdominis: querer Bauchmuskel M. obliquus abdominis: schräger Bauchmuskel - nach der Lage: M. temporalis: Schläfenbeinmuskel M. tibialis anterior: vorderer Schienbeinmuskel - nach Größe und Länge: maximus: der "größte" - M. glutaeus maximus minimus: der "kleinste" - M. glutaeus minimus longus: lang - M. peroneus longus brevis: kurz - M. peroneus brevis - nach der Zahl der Ursprünge: Biceps: zwei Muskelköpke - M. biceps brachii Triceps: drei Muskelköpfe - M. triceps brachii Quadriceps: vier Muskelköpfe - M. quadriceps femoris - nach der Form: M. deltoideus: Deltamuskel M. trapezius: Trapezmuskel, Kapuzenmuskel 7.1 Quergestreifte Muskulatur Sie besteht aus bis zu 15 cm langen 10 – 100 Mikrometer dicken, mehrkernigen Muskelzellen. Mehrkernige Muskelzellen entstehen durch vereinigung mehrerer Einzelzellen, man spricht von einem Syncytium. Diese Zellen beinhalten Myofibrillen mit deutlicher Längs,- und Querstreifung, welche aus vielen funktionellen Einheiten zusammengesetzt sind. Eine solche Einheit nennt man Sarkomer. Mikroskopisch lassen sich an den Muskelfasern abwechselnd helle und dunkle Streifen erkennen, die durch die Filamente zweier verschiedener Proteine, dem Aktin und dem Myosin entstehen: Das Aktin bildet in regelmäßigen Abständen feste Anheftungsscheiben, von denen dünne Fäden ausgehen. Zwischen diesen Fäden liegen die Myosinmoleküle. Ihre Enden überlappen sich mit den Enden der Aktinfäden. - 45 - Das Myosin besteht aus dickeren Faserbündeln mit nach außen gerichteten Widerhaken, zwischen die die dünneren Aktinfilamente hineinragen. Bei einer Muskelkontraktion schieben sich die Aktinfilamente zwischen die Myosinfilamente, wodurch der Muskel verkürzt wird. (Kontraktion) Die quergetreifte Skelettmuskulatur wird von motorischen willkürlichen Nerven zur Kontraktion angeregt, der Nervenreiz gelangt über die motorische Endplatte, eier synapsenähnlichen Struktur zur Nervenzelle. Die Nervenfaser und die von ihr innervierten Muskelzellen bilden die so genannte motorische Einheit. Darunter versteht man eine motorische Nervenfaser und die Gesamtheit, der von ihr innervieren Muskelzellen. Muskulatur arbeitet nach dem Alles oder Nichts Prinzip. Bei einer Erregung werden alle Muskelfasern einer motorischen Einheit vollkommen erregt und kontrahieren sich. Es werden jedoch nicht alle motorischen Einheiten eines Muskels gleichzeitig erregt! Zusätzlich unterscheiden wir unterschiedliche Möglichkeiten der Muskelkontraktion: Muskeltonus: Durch die Erregung einer gewissen Anzahl motorischer Einheiten ist eine Grundspannung des Körpers garantiert, wie die Körperhaltung oder Kopfhaltung. Isotonische Kontraktion: Kontraktion mit Verkürzung ohne Änderung des Muskeltonus. Sie erzeugt Bewegung, wie das Gehen. Isometrische Kontraktion: Kontraktion des fixierten Muskels ohne Verkürzung der Muskelfasern; der Muskeltonus steigt ohne Bewegung. Diese Kontraktion ermöglicht etwa das Tragen einer Last bei ausgestrecktem Arm. 7.2 Herzmuskulatur Die Herzmuskulatur unterscheidet sich in einigen Punkten vom Skelettmuskel. Die Muskelfasern sind dünner und kürzer und haben nur 1 Kern pro Muskelfaser und sind unregelmäßig miteinander verwoben, um einen Hohlmuskel entstehen zu lassen. Der Herzmuskel kontrahiert sich unwillkürlich und rhythmisch, hat eine längere Refraktärzeit (Zeit zwischen zwei möglichen Erregungen) und ist extrem ausdauernd. 7.3 Glatte Muskulatur Auch die glatte Muskulatur weist Unterschiede zur Skelettmuskulatur auf. Glatte Muskelfasern sind kürzer, zarter und spindelförmig. Sie besitzen nur einen ovalen Zellkern. 7.4 Muskulatur des Schädels und des Halses Am Schädel unterscheiden wir einerseits die Muskeln, die unseren Gefühlsbewegungen Ausdruck verleihen, die so genannte mimische Muskulatur, andererseits die Kaumuskulatur. - 46 - Die mimische Muskulatur entspringt am knöchernen Schädel und zieht nicht über Gelenke hinweg, sondern in die Haut von Gesicht und Hals. Sie ermöglicht Gefühlsregungen auszudrücken. Im folgenden Text werden nur die wichtigsten Muskeln besprochen! 7.4.1 Mimische Muskeln Die wichtigsten mimischen Muskeln können folgende Bewegungen ausführen. Stirnmuskel – M. frontalis: legt die Stirn in Falten Musculus orbicularis oculi: Augenringmuskel, schließt die Augen Musculus orbicularis oris: Mundringmuskel, schließt den Mund Musculus risorius: Lachmuskel Musculus zygomaticus major und minor: Jochbeinmuskel, heben die Mundwinkel Musculus buccinator: Wangenmuskel 7.4.2 Kaumuskulatur Die Kaumuskeln entspringen an Schädelknochen und setzen an der Mandibula an. Sie bewegen den Unterkiefer gegen den Oberkiefer. Schläfenmuskel - M. temporalis: zieht vom Schläfenbein zum Unterkiefer Kaumuskel - M. masseter: kräftiger Kaumuskel, zieht vom Jochbein zum Unterkieferwinkel 7.4.3 Halsmuskeln Mimische Muskulatur, wie der große flächige Halshautmuskel - Platysma - geben der Halsregion ihre Kontur. Es zieht vom Unterkiefer zum Thorax. Vordere, hintere und tiefe Halsmuskeln dienen der Bewegung des Kopfes. Obere Zungenbeinmuskulatur, die den Mundboden bildet, und die untere Zungenbeinmuskulatur sind unerlässlich für die Bewegungen im Kehlkopfbereich für Schlucken und Sprechen. Sie werden hier im Einzelnen nicht besprochen. M. sternocleidomastoideus - Kopfwender: er zieht vom Processus mastoideus des Schläfenbeines schräg nach vorne unten zur Clavicula und zum Sternum. 7.5 Muskulatur des Körperstammes 7.5.1 Autochtone Rückenmuskulatur Sie ist primär am Rücken entstanden und bildet die tiefe Muskelschicht der Rückenmuskulatur. Es handelt sich um überlappende Muskelfaserzüge entlang der Wirbelsäule, die die Bewegungen der Wirbelsäule, wie Strecken und Drehen ermöglichen und für die Stabilisierung der Wirbelsäule äußerst wichtig sind. Sie entspringt und setzt am Rücken an. - 47 - 7.5.2 Atemmuskulatur Das Einatmen ist ein aktiver Vorgang, der spezielle Muskeln benötigt, die den Brustkorb erweitern. Das Ausatmen hingegen erfolgt passiv durch die Spannung und Elastizität des Brustkorbes und der Lunge, das tiefe Ausatmen gelingt jedoch wiederum nur unter Mithilfe von Muskeln. An der Atmung sind äußere und innere Muskelschichten zwischen benachbarten Rippen, das Zwerchfell und auch die Bauchmuskulatur beteiligt. Äußere Zwischenrippenmuskeln - Mm. intercostales externi: sie ziehen schräg an der Außenseite von einer Rippe zur nächsten und erweitern bei Kontraktion den Brustkorb in frontaler und sagittaler Richtung - sie heben die Rippen, wir atmen ein. Heben die Rippen und erweitern den Brustkorb. Einatmen Innere Zwischenrippenmuskeln - Mm. intercostales interni: sie ziehen schräg an der Innenseite von einer Rippe zur nächsten und verringern bei Kontraktion den Durchmesser des Brustkorbs in frontaler und sagittaler Richtung - sie senken die Rippen, wir atmen aus. Hebenken die Rippen und verkleinern den Zwerchfell - Diaphragma: Kuppelförmiger Muskel zwischen Brust und Bauchhöhle, dessen Fasern von der Innenseite der Rippen und der Wirbelsäule entspringen und in eine Sehnenplatte im Zentrum des Zwerchfells ziehen. Durch Kontraktion flacht das Zwerchfell ab, senkt sich in Richtung Bauchhöhle und erweitert so den Brustraum, wir atmen ein. MERKE!!! Das Einatmen erfolgt also durch Kontraktion der äußeren Zwischenrippenmuskeln und des Zwerchfells, das Ausatmen geschiehtpassiv durch die Elatizität des Brustkorbes und der Rippen und kann durch die inneren Zwischenrippenmuskeln und die Bauchmuskulatur unterstützt werden. Senkt Kontraktion: Vergrößerung des Brustkorbes, Einatmen! Wölbt sich beim Entspannen nach oben: Verkleinerung des Brustkorbes, Atemhilfsmuskulatur: unterstützt das Einatmen, wie der große und kleine BrustmuskelMm. pectorales major et minor und das Ausatmen durch die Kontraktion der Bauchmuskulatur, wodurch die Bauchorgane in Richtung Brustraum gedrängt werden. 7.5.3 Bauchwandmuskulatur Sie besteht aus mehreren Muskelschichten, die vom Rippenbogen zum Becken verlaufen. Sie wirken beim Beugen und Drehen des Rumpfes mit und schützen die Bauchorgane. Durch Kontraktion (Anspannen) erhöhen sie den Druck im Bauchraum und unterstützen die Blasen - und Darmentleerung. gerader Bauchmuskel - M. rectus abdominis: zieht gerade von den Rippenansätzen am Sternum und dem Processus xyphoideus des Brustbeins zum Schambein. schräger Bauchmuskel - M. obliquus abdominis: entspringt seitlich vom Brustkorb und Beckenknochen und zieht zur Bauchwandmitte in ein breites Sehnenband, die Aponeurose. querer Bauchmuskel - M. transversus abdominis: er zieht gürtelförmig über den Bauch und strahlt ebenfalls in die Aponeurose ein. - 48 - 7.6 Muskulatur des Schultergürtels und der oberen Extremität Die Muskeln des Schultergürtels fixieren das Schulterblatt am Körper, wodurch die Armbewegungen erst ermöglicht werden. Die wichtigsten werden im Folgenden besprochen. 7.6.1 Schultergürtelmuskulatur: vordere Schultergürtelmuskulatur: M. serratus anterior - vorderer Sägezahnmuskel: entspringt an der 1. – 9. Rippe und zieht zum Schulterblatt; er dreht das Schulterblatt nach außen und oben. M. pectoralis minor - kleiner Brustmuskel: entspringt von der 3. bis zur 5. Rippe und zieht zum Schulterblatt. Er zieht das Schulterblatt nach vorne und unten. hintere Schultergürtelmuskulatur: M. trapezius - Kapuzenmuskel: Der weitaus größte Muskel dieser Gruppe entspringt am Hinterhauptsbein und allen Hals,- und Brustwirbeln und zieht zum Schulterblatt und zum Schlüsselbein. Er hilft bei zahlreichen Bewegungen des Armes mit. M. levator scapulae - Schulterblattheber: zieht vom 1. - 4. Halswirbel zum Schulterblatt; hebt das Schulterblatt 7.6.2 Schultermuskulatur Deltamuskel - M. deltoideus: Der größte Schultermuskel entspringt an der Spina scapulae, dem Akromion und der Clavicula und zieht an die Außenseite des Humerus. Dieser dreieckige Muskel gibt der Schulter ihre Form und ist an allen Bewegungen im Schultergelenk beteiligt, besonders am Heben des Armes. M. pectoralis major - großer Brustmuskel: entspringt an der Vorderseite des Stammes und zieht zum Oberarm M. latissimus dorsi - breitester Rückenmuskel: entspringt am Rücken und zieht zum Oberarm 7.6.3 Oberarmmuskulatur Drei große Muskeln ziehen vom Schultergürtel, unter Umgehung des Schultergelenkes, oder direkt vom Oberarm über das Ellbogengelenk zum Unterarm. Dadurch bewegen sie nicht das Schultergelenk, sondern das Ellbogengelenk im Sinne einer Beugung oder Streckung. Die Unterarmbeuger liegen an der Vorderseite des Oberarmes und ziehen ventral über das Ellbogengelenk. M. biceps brachii - Oberarmbizeps: er entspringt mit zwei Köpfen am Schulterblatt, die mit einer gemeinsamen Sehne am Radiusköpfchen ansetzen. Er beugt das Ellbogengelenk und ist an der Supination beteiligt. - 49 - M. brachialis - Armbeuger: entspringt am Humerus und zieht vor dem Ellbogengelenk zum Unterarm. Die Unterarmstrecker liegen an der Rückseite des Oberarmes und ziehen dorsal über das Ellbogengelenk. M. triceps brachii - Oberarmtrizeps: Er entspringt mit drei Köpfen am Oberarmknochen und setzt mit einer gemeinsamen Sehne an der Ulnahinterseite an. Er streckt das Ellbogengelenk. 7.6.4 Unterarmmuskulatur Diese Muskeln entspringen am Unterarm und ziehen zur Hand und zu den Fingern. Sie strecken und beugen das Hand - und die Fingergelenke und sind an der Supination und der Pronation beteiligt. Wir unterscheiden vier Muskelgruppen: Pronatoren: M. pronator teres et quadratus: runder u. viereckiger Einwärtsdreher Supinatoren: M. biceps brachii und M. supinator: sie sind Auswärtsdreher im Handgelenk Strecker - Extensoren: sie strecken das Handgelenk und die Finger Dazu gehören die M. extensor carpi radialis longus et brevis und der M. extensor carpi ulnaris. Beuger - Flexoren: dazu zählt man den M. flexor carpi ulnaris und den M. flexor carpi radialis, die Fingerbeuger, Fingerstrecker, kurze Handmuskeln und die Daumenmuskeln. 7.7 Muskulatur des Beckenbodens und der unteren Extremität 7.7.1 Beckenbodenmuskulatur Die Muskeln des Beckenbodens sind in mehreren Lagen angeordnet, sie müssen ja die nach unten drängende Last der Beckenorgane tragen. Die Schließmuskeln für Blase und Mastdarm sorgen für Kontinenz, welche durch eine Schwächung des Beckenbodens, etwa nach Geburten, empfindlich gestört werden kann. Die innere Schicht des Beckenbodens heißt Diaphragma pelvis, sie wird vom Afterhebermuskel (M. levator ani), welcher vom Mastdarm durchbrochen wird, und vom Steißbeinmuskel (M. coccygeus) gebildet. Der M. levator ani entspringt beidseits des Schambeins und bildet eine nach kaudal ausgerichtete u-förmige, trichterförmige Muskelplatte, welche in der Mitte eine Öffnung, das Levatortor, ausspart. Die Verbindung der beiden Levatoranteile bildet vor dem After (Anus) die Grundlage für den Damm (Perineum), einige Muskelfasern bilden eine Schlinge um den After für den äußeren Afterschließmuskel (M. sphincter ani externus). Die äußere Beckenbodenschicht, das Diaphragma urogenitale, setzt sich aus dem tiefen und dem oberflächlichen querverlaufenden Dammmuskel (M. transversus perinei profundus et superficialis), ihren Muskelfaszien und querverlaufenden Bändern zusammen. Es verschließt als querverlaufende Muskelplatte das Levatortor nach unten. - 50 - Das Diaphragma urogenitale wird beim Mann von der Harnröhre (Urethra) und bei der Frau von Harnröhre und Scheide (Vagina) durchbrochen. In dieser Ebene liegt auch der äußere Harnröhrenschließmuskel (M. sphincter urethrae externus). Zusätzliche Muskeln sind die beiden Schwellkörpermuskeln, der M. ischiocavernosus und der M. bulbospongiosus. Sowohl der äußere Afterschließmuskel als auch der äußere Harnröhrenschließmuskel sind unserem Willen unterworfen und können bewusst gesteuert werden. Harnröhre und After besitzen zusätzlich jeweils auch einen inneren Schließmuskel aus glatter Muskulatur des Darmes und der Harnröhre, einen M. sphincter ani internus und einen M. sphincter urethrae internus, welche im Gegensatz zu den äußeren Schließmuskeln nicht unserem Willen unterworfen sind; sie öffnen sich reflexartig bei voller Blase oder vollem Mastdarm. Am Beckenboden existieren fünf Faszien, die verschiedene Räume definieren. Von oberflächlich nach tief handelt es sich dabei um folgende Faszien: Fascia perinei superficialis (Fascia perinei): liegt unter der Subkutis und verschmilzt dorsal mit der nächsthöheren Faszie Faszien des Diaphragma urogenitale: Fascia diaphragmatica urogenitalis inferior und Fascia diaphragmatica urogenitalis superior Faszien des Diaphragma pelvis: Fascia diaphragmatica pelvis inferior und Fascia diaphragmatica pelvis superior Zusätzlich findet man bindegewebige Strukturen zwischen den Beckenorganen, die auch zahlreiche Bänder beinhalten: Bei Mann und Frau findet man das Paracystium (um die Harnblase gelegen) und das Paraproktium (um das Rektum gelegen) Bei der Frau findet man zusätzlich Bindegewebe um die inneren Geschlechtsorgane, das Parametrium (um den Uterus gelegen) und das Parakolpium (um die Vagina gelegen). Die Strukturen des Beckenbodens werden meist von N. pudendus und A. pudenda interna versorgt. Die sensible und motorische Innervation übernehmen die Nervus pudendus (S1-S4) und der N. coccygeus (S5-Co2). Die Blutversorgung erfolgt über die Arteria pudenda interna aus der Arteria iliaca interna. Der venöse Abfluss erfolgt über die Vena pudenda interna in die Vena iliaca interna. Ringmuskel Harnröhre: M. sphincter urethrae Ringmuskel Mastdarm: M. sphincter ani Afterhebermuskel: M. levator ani oberflächlicher querer Dammmuskel: M. transversus perinei superficialis tiefer querer Dammmuskel: M. transversus perinei profundus - 51 - 7.7.2 Beuger im Hüftgelenk - Flexoren Die Muskeln der unteren Extremität sind die stärksten Muskeln im Körper, da sie den Körper beim Gehen und Stehen stabilisieren müssen; sie ermöglichen erst den aufrechten Gang. Die Hüftbeuger entspringen entweder an der Lendenwirbelsäule oder am Hüftbein, ziehen ventral über das Hüftgelenk; sie setzen entweder am Femur an oder ziehen als zweigelenkige Muskeln zum Unterschenkel und strecken zusätzlich im Kniegelenk. M. iliopsoas - Darmbeinlendenmuskel: er zieht von der Lendenwirbelsäule und der Innenseite des Darmbeines zum Femur. Er ist ein kräftiger Muskel und der wichtigste Beuger im Hüftgelenk. M.rectus femoris - gerader Schenkelmuskel: er entspringt von der Spina iliaca ant.inf. und zieht ventral über das Hüftgelenk. Er bildet einen der vier Köpfe des M. quadriceps und zieht somit auch über das Kniegelenk. Dadurch beugt er im Hüftgelenk und streckt das Kniegelenk. M. sartorius - Schneidermuskel: entspringt von der Spina iliaca ant. sup. und zieht quer über den Oberschenkel als längster Muskel des menschlichen Körpers zur medialen Seite der Tibia. 7.7.3 Strecker im Hüftgelenk - Extensoren Sie ziehen hinter dem Hüftgelenk vom Becken zum Oberschenkelknochen. Diese Muskelgruppe streckt im Hüftgelenk und ermöglicht so den aufrechten Stand. M. glutaeus maximus - größter Gesäßmuskel: entspringt am Darm - und Kreuzbein und setzt an der Hinterseite des Oberschenkelknochens an. Dieser kräftige Muskel ist wichtig beim Aufrichten aus dem Sitzen und beim Treppensteigen, er verhindert das Vorwärtskippen des Rumpfes im aufrechten Stand. M. biceps femoris (Oberschenkelbizeps), M. semitendinosus (Halbsehnenmuskel), M. semimembranosus (Plattsehenmuskel): diese Muskeln entspringen am Beckenknochen, ziehen hinter Hüft - und Kniegelenk und setzen erst am Unterschenkel an, dadurch strecken sie im Hüftgelenk und beugen zusätzlich im Kniegelenk. 7.7.4 Abspreizer - Abduktoren Sie entspringen am Hüftknochen und ziehen seitlich über das Hüftgelenk zum Oberschenkelknochen. Dadurch ziehen sie das Bein zur Seite. M. glutaeus medius - mittlerer Gesäßmuskel: wichtigster Abduktor, in diesen Muskel werden die im. Injektionen verabreicht. M. glutaeus minimus - kleinster Gesäßmuskel: Er verlauft wie der Vorgenannte teilweise verdeckt durch andere Muskel vom Beckenknochen zum Femur. 7.7.5 Anzieher - Adduktoren Sie ziehen vom Becken zur Femurinnenseite und ziehen das Bein heran. M. adductor longus, magnus und brevis - 52 - 7.7.6 Strecker im Kniegelenk Diese Muskelgruppe zieht vorne über das Kniegelenk und setzt an den Unterschenkelknochen an. M. quadriceps femoris - Oberschenkelquadrizeps: die Köpfe dieses gewaltigen Muskels entspringen teilweise am Beckenknochen und am Femur und setzen mittels einer gemeinsamen breiten Sehne an der Tibia an, in die die Patella als Sesambein eingelassen ist. Er ist ein kräftiger Strecker im Kniegelenk, ein Kopf, der M. rectus femoris beugt zusätzlich im Hüftgelenk. 7.7.7 Beuger im Kniegelenk Sie sind als zweigelenkige Muskeln sowohl Strecker im Hüftgelenk als auch Beuger im Kniegelenk. Dazu gehören der M. biceps femoris und der M. sartorius. 7.7.8 Strecker im Fußgelenk und der Zehen Diese Muskeln entspringen an der Unterschenkelvorderseite und ziehen über die Fußgelenke zum Fuß und den zehen. Sie ziehen den Fuß und die Zehen nach obenm machen also eine Dorsalflexion im Sprunggelenk und strecken die Zehen. Zusätzlich sind sie an der Pronation des Fußes beteiligt. M. tibiails anterior: er zieht von der Unterschenkelvorderseite zum Fußrücken M.extensor digitorum longus- langer Großzehenstrecker: dieser Muskel zieht von der Unterschenkel - Vorderseite zur Großzehe. 7.7.9 Beuger im Fußgelenk und der Zehen Diese Muskeln entspringen an der Unterschenkelrückseite und setzen im Bereich der Fußsohle an. Sie ziehen den Fuß nach unten (Plantarflexion), beugen in den Zehengelenken und sind an der Supination beteiligt. M. triceps surae - dreiköpfiger Wadenmuskel: er setzt sich aus dem Zwillingsmuskel (M. gastrocnemius) und dem tiefer liegenden Schollenmuskel (M.soleus) zusammen. Alle drei Köpfe setzen gemeinsam mittels der Achillessehne am Fersenhöcker an. M. tibialis posterior Lange Großzehen,- und Zehenbeuger 7.7.10 Laterale Unterschenkelmuskulatur M. fibularis longus et brevis: Sie ziehen von der Fibula zum Fuß; sind Beuger im Sprunggelenk aber hauptsächlich Pronatoren. Kurze Fußmuskeln zum Bewegen der Zehen und Erhalten des Fußgewölbes. - 53 - 7.8 Muskelfaszien Als Faszie bezeichnet man eine bindegewebige Hüllschicht, die einzelne Muskeln, Muskelgruppen oder ganze Körperabschnitte umgeben kann. Sie bestehen zum größten Teil aus straffem kollagenem Bindegewebe und Elastin. An der Innenseite der Faszie findet man eine dünne Schicht lockeres Bindegewebe, das so genannte Epimysium, mit dem es dem Muskel mehr oder weniger verschieblich aufliegt. An den Enden eines Muskels vereinigt sich das Bindegewebe der Faszie zur Sehne des Muskels, mit der er am Knochen ansetzt. Faszien geben dem Muskel Form und Festigkeit, sie verhindern, dass die Fasern des Muskels während der Kontraktion ihren morphologischen Zusammenhalt verlieren. Darüber hinaus dienen sie der Abgrenzung der Muskeln untereinander und verhindern so, dass eng zusammenliegende Muskeln sich bei der Kontraktion gegenseitig beeinflussen. Einige Faszien dienen als Ursprung oder Ansatzstelle der Muskulatur. Faszien geben dem gesamten Körper Halt und Struktur. - 54 - 8 DAS HERZ Das Herz ist ein muskuläres Hohlorgan, welches im Herzbeutel im Mediastinum oder Mittelfellraum (Raum zwischen den beiden Lungen, welcher von der Wirbelsäule zum Brustbein und unten zum Zwerchfell reicht) liegt. Der Hohlraum des Herzens ist in vier Räume, nämlich 2 Vorhöfe und 2 Kammern, unterteilt. 8.1 Lage und Form des Herzens Das Herz liegt schräg im Mediastinum, die Herzbasis zeigt nach oben, rechts und hinten, die Herzspitze zeigt dementsprechend nach unten, links und vorne. Die Herzachse verläuft also von rechts oben hinten nach links unten vorne! Das Herz hat die Form eines umgekehrten Kegels und etwa die Größe der Faust seines Trägers. An seiner Oberfläche unterscheidet man drei Flächen: Die Facies sternocostalis ist gegen die vordere Brustwand gerichtet und wird rechts und links von der Lunge überlagert. Eine Facies diaphragmatica, die dem Zwerchfell aufliegt und zum überwiegenden Teil vom linken Ventrikel gebildet wird. Die Facies posterior zeigt gegen das hintere Mediastinum und kommt hier mit der Speiseröhre in Kontakt.ist gegen die vordere Brustwand gerichtet und wird rechts und links von der Lunge überlagert. Weiters unterscheidet man am Herzen die Herzbasis: An ihr münden und entspringen scheinbar die großen zu - und abführenden Gefäße des Herzens und die Herzkranzgefäße. Die obere und untere Hohlvene mündet fast senkrecht in den rechten Vorhof, beinahe horizontal münden die Lungenvenen paarig in den linken Vorhof (Venenkreuz). Die Aorta entspringt aus dem linken Ventrikel und überkreuzt vorne den Stamm der Lungenarterie (Truncus pulmonalis), der aus dem rechten Ventrikel entspringt. und die Herzspitze: Sie wird vom linken Ventrikel gebildet und kommt im 5. Zwischenrippenraum (Interkostalraum) der Brustwand so nahe, dass man an dieser Stelle den Herzspitzenstoß fühlen und bei schlanken Menschen auch sehen kann. 8.2 Räume und Klappen des Herzens Das Herz wird durch die Herzscheidewand (Vorhof,- und Kammerseptum) in Längsrichtung in ein rechtes und ein linkes Herz unterteilt. Durch die Atrioventrikularklappen werden diese beiden Herzhälften noch einmal in horizontaler Richtung geteilt. Dadurch entstehen vier Herzräume: Ein rechter Vorhof, der das Blut aus dem Körperkreislauf aufnimmt und in den rechten Ventrikel weiterschickt. Der rechte Ventrikel pumpt das Blut weiter über die Lungenarterien in den Lungenkreislauf. In der Folge nimmt der linke Vorhof das Blut aus dem Lungenkreislauf auf und gibt es an den linken Ventrikel weiter. Von dort wird es schließlich über die Aorta in den Körperkreislauf gepumpt. - 55 - Demnach unterscheiden wir am Herzen 2 Vorhöfe (Atrium) und 2 Kammern (Ventrikel): rechter Vorhof - Atrium dextrum linker VH - Atrium sinistrum Rechte Kammer - Ventriculus dexter Linke Kammer - Ventriculus sinister MERKE!!! Im gesamten rechten Herzen findet man sauerstoffarmes Blut, im linken Herzen sauerstoffreichen Blut! In die Vorhöfe münden die Venen, aus den Ventrikeln entspringen Arterien! Die Beschreibung der Vorhöfe und Kammern folgt nun der Richtung des Blutflusses von der Einmündung der Hohlvenen in den rechten Vorhof bis zum Austritt der Aorta aus dem linken Ventrikel. 8.2.1 Rechter Vorhof - Atrium dextrum Am rechten Vorhof unterscheidet man einen hinteren glatten Anteil in den die obere und untere Hohlvene (V. cava superior und inferior) und der venöse Abfluss der Herzkranzarterien münden. Am vorderen Anteil des rechten Vorhofs fallen grobe Muskelstränge, die Mm. pectinati und ein dreieckiger vorspringender Anteil, das rechte Herzohr, auf. Zur Mitte hin wird er vom Vorhofseptum gegen den linken Vorhof begrenzt. Die eigentliche VH- Muskulatur ist durchscheinend dünn und wird von kräftigeren Muskeltrabekeln verstärkt. Die obere Hohlvene und die untere Hohlvene münden klappenlos in den rechten Vorhof. An der VH – Hinterseite befindet sich auch die Mündungsstelle der Herzkranzvenen, der Sinus coronarius. 8.2.2 Rechte Kammer - Ventriculus dexter Auch die rechte Kammer weist eine relativ dünne Muskelwand auf, da sie nur den geringen Widerstand des Lungenkreislaufs überwinden muss. Man unterscheidet wiederum einen hinteren Anteil, entsprechend der Einflussbahn des Blutes, welcher netzförmig angeordnete Muskeltrabekel (Trabeculae carneae) aufweist von einer vorderen, glattwandigen Ausflussbahn. Zusätzlich findet man drei bis vier kräftige Papillarmuskel, die gegen das Lumen (Hohlraum) vorspringen. Das Blut aus dem rechten Vorhof gelangt über die Tricupidalklappe - Valva atrioventricularis dextra in den rechten Ventrikel. Sie besteht aus drei dreieckigen Segeln (= Cuspis). Die Pulmonalklappe befindet sich am Ursprung des Truncus pulmonalis, durch den das Blut aus dem rechten Ventrikel in die Lungen weiterströmt. Sie wird von drei halbmondförmigen Taschen, den Valvulae semilunares gebildet. 8.2.3 Linker Vorhof - Atrium sinistrum Der linke Vorhof ist dickwandiger als der rechte und er erhält sauerstoffreiches Blut aus der Lunge über jeweils zwei rechte und zwei linke Lungenvenen (Vv. pulmonales). Sie bilden gemeinsam mit den Hohlvenen, die in den rechten Vorhof münden, das so genannte Venenkreuz, da sie im rechten Winkel zu den Hohlvenen verlaufen. - 56 - 8.2.4 Linke Kammer - Ventriculus sinister Die linke Kammer besitzt eine deutlich dickere Wand (etwa dreifache Dicke) als die rechte Kammer, da sie den hohen Widerstand des Körperkreislaufs überwinden muss. Am linken Ventrikel lässt sich wieder eine Einflussbahn mit Trabeculae carneae von einer glatten Ausflussbahn unterscheiden. Rechte und linke Kammer sind durch das Kammerseptum (Septum interventriculare) voneinander getrennt. Das Blut aus dem linken Vorhof gelangt über die linke Atrioventrikularklappe - Valva atrioventricularis sinistra - Mitralklappe in den linken Ventrikel. Die Mitralklappe besteht nur aus zwei Segeln (Cuspis). Ihren Namen erhielt sie wegen ihrer Ähnlichkeit mit einer Bischofsmütze - Mitra. Über die Aortenklappe wird das Blut aus dem linken Ventrikel in die Aorta und damit in den Körperkreislauf gepumpt. Sie wird wie die Pulmonalklappe von drei halbmondförmigen Taschen (Valvulae semilunares) gebildet. MERKE!!! Die Mitralklappe und die Tricuspidalklappe sind SEGELKLAPPEN, Pulmonal - und Aortenklappe sind TASCHENKLAPPEN. 8.2.5 Ventilebene des Herzens Die Ventilebene liegt zwischen Vorhof und Kammer, unter den Ventilen werden die Klappen veratanden. Sie besteht aus einem bindegewebigen Ring und beherbergt die beiden Segelklappen und die zwei Taschenklappen. Unter Herzskelett versteht man eben diese Bindegewebszüge, die zwischen den Vorhöfen und den Kammern liegen und sowohl der Muskulatur der Kammern und der Vorhöfe Ursprung und Ansatz bieten, aber auch eine Verankerung aller Herzklappen bilden. Es wird nur von den Fasern des Erregungsleitungssystems durchdrungen. 8.2.6 Segelklappen Die Segel der Segelklappen, die sich zwischen den Vorhöfen und den Kammern befinden, bestehen jeweils aus einer Bindegewebsplatte, die beidseitig von einem einschichtigen Plattenepithel, dem Endokard (Herzinnenhaut) überzogen ist. Sie haben die Form von dreieckigen Segeln. An der dem Vorhof zugewandten Seite sind sie glatt, von ihrer dem Ventrikel zugewandten Unterseite und ihren freien Rändern entspringen bindegewebige Sehnenfäden, die zu den kräftigen Papillarmuskeln ziehen. Während der Systole kontrahieren und verkürzen sich die Papillarmuskel und spannen die Sehnenfäden. Dadurch wird ein Zurückschlagen der Segel in die Vorhöfe während der Systole verhindert. Wegen ihrer Lage zwischen Vorhof und Kammer werden die Segelklappen auch Atrio Ventricular -Klappen oder kurz AV-Klappen genannt. Zwischen rechtem Vorhof und rechter Kammer liegt eine „dreizipfelige“ Segelklappe, die Tricudpidalklappe; zwischen linkem Vorhof und linker Kammer liegt die „zweizipfelige“ Bikuspidalklappe oder Mitralklappe (Mitralis). - 57 - 8.2.7 Taschenklappen Taschenklappen findet man einerseits zwischen der rechten Kammer und der Lungenschlagader andererseits zwischen linker Kammer und Aorta. Sie bestehen aus jeweils drei bogenförmigen Taschen, die wiederum an einem Bindegewebsring befestigt sind. Sie öffnen sich während der Austreibungsphase der Kammern, also während der Systole! Am Ende der Austreibungsphase fließt das Blut zurück in Richtung Kammern. Dabei füllen sich jedoch diese Taschen mit Blut, blähen sich auf und ihre Ränder verschließen die Gefäßöffnung. Alle vier Klappen sind in einer Ebene an einem bindegewebigen Ring befestigt, der Ventilebene oder dem Herzskelett. Klinik: Herzklappen können krankhaft verändert sein. Diese Klappenfehler können angeboren oder erworben (entzündlich, rheumatisch) sein. Man unterscheidet Verengungen (Stenosen), die ein Öffnen der Klappen erschweren und Veränderungen, bei denen die Klappen nicht mehr richtig schließen (Insuffizienz). Es kommen auch kombinierte Defekte vor. 8.3 Feinbau des Herzens Die Wand des Herzens besteht aus 3 Schichten, welche eng einander aufliegen. Innen liegt das Endokard, dem schließt sich das Myokard an und außen ist es von einer serösenHaut, dem Epikard bedeckt, das dem visceralen Blatt des Herzbeutels entspricht. Visceral: die Eingeweide betreffend (viscerales Blatt: gehört dem Organ an) Parietal: seitlich wandständig (parietales Blatt: liegt außen, kleidet die seröse Höhle aus, in der das Organ liegt). 8.3.1 Herzinnenhaut - Endokard Als Fortsetzung der Tunica intima, der zarten Endothelauskleidung der Gefäße, kleidet das Endokard die innere Oberfläche der Herzräume aus und überzieht auch die Herzklappen. Es besteht aus einer Schicht platter Endothelzellen, die einer bindegewebigen Basalmembran aufsitzen. Es kleidet als innerste Schicht alle Herzräume aus, wobei sie in den Vorhöfen dicker ausgebildet ist als in den Kammern. Diese zarte glatte Schicht soll verhindern, dass sich Blutplättchen anlagern und beugen so der Thrombenentstehung vor. 8.3.2 Herzmuskelschicht - Myokard Die quergestreifte Herzmuskulatur entspringt und setzt am Herzskelett auch wieder an. Sie verläuft in mehreren Schichten, die zum Teil schräg oder längs angeordnet sind. Das Myokard stellt die Arbeitsmuskulatur des Herzens dar im Gegensatz zur Muskulatur des Reizleitungssystems, das den Herzschlag steuert. Die Vorhofmuskulatur ist sehr dünn, da die Entleerung der Vorhöfe zum großen Teil passiv durch die Sogwirkung der Ventrikel in der Diastole erfolgt. Sie entspringt in zwei Schichten vom Bindegeweben Herzskelett und zieht in mehrere Richtungen über die beiden Vorhöfe. Die Kammermuskulatur besteht aus drei Muskelschichten. Die äußere Schicht verläuft schräg, wie eine Spirale bis zur Herzspitze, senkt sich dort in die Tiefe und verläuft als - 58 - innerste Schicht wieder zum Herzskelett zurück. Die mittlere Schicht ist eher ringförmig für jeden Ventrikel selbständig angeordnet und links, wegen des großen Widerstandes im Körperkreislauf, deutlich stärker ausgebildet als rechts. 8.3.3 Herzaußenhaut - Epikard Das Epikard überzieht als seröse Haut die Außenfläche des gesamten Herzens und stellt gleichzeitig das viszerale Blatt des Herzbeutels dar. Es sitzt dem Myocard mittels einer fibroelastischen Membran auf, eingelagerte Fettpölsterchen runden die Form des Herzens ab. 8.3.4 Herzbeutel - Perikard Der Herzbeutel besteht aus zwei Blättern, die durch einen dünnen mit wenig seröser Flüssigkeit gefüllten Spalt voneinander getrennt sind. Das innere seröse Blatt des Herzbeutels entspricht dem Epikard; es ist das viszerale Blatt des Herzbeutels. Es wird von einer glatten einschichtigen Zellschicht gebildet und gibt eine seröse (dünnflüssige) Flüssigkeit in den Spalt ab. Dadurch wird ein reibungsfreies Gleiten des Herzens während der Herzaktionen ermöglicht. Das äußere fibröse Blatt des Herzbeutels besteht aus kollagenen und elastischen Bindegewebsfasern. Der Herzbeutel ist teilweise mit seiner Umgebung verwachsen, er schützt das Herz vor Überdehnung und stellt eine Barriere gegen Entzündungen von außen dar. Viszeral: die Eingeweide betreffend (viszerales Blatt: gehört dem Organ an) Parietal: seitlich wandständig (parietales Blatt: außen liegend) Das viszerale Blatt des Herzbeutels (Epikard) setzt sich auf den Ursprungsteil der großen Gefäße (Aorta, Truncus pulmonalis, V. cava superior und inferior) fort und schlägt hier in das parietale Blatt des Herzbeutels um. So entsteht ein vollkommen geschlossener Spalt zwischen den beiden Blättern. 8.4 Gefäßversorgung des Herzens Die Herzkranzarterien, Aa. coronariae, versorgen den Herzmuskel mit arteriellem Blut und führen ihm Sauerstoff und Nährstoffe zu. Sie entspringen aus der Aorta, unmittelbar nach ihrem Ursprung aus dem linken Ventrikel. Man unterscheidet zwei Herzkranzarterien, eine rechte A. coronaria dextra und eine linke A. coronaria sinistra, die sich sehr individuell aufteilen und den Herzmuskel optimal mit Sauerstoff versorgen. Die rechte Herzkranzarterie zieht zwischen rechtem Vorhof und rechtem Ventrikel zur Hinterseite des Herzens und wendet sich zwischen den beiden Ventrikeln in Richtung Herzspitze. Die linke Herzkranzarterie entsendet einen Ast an der Vorderseite des Herzens zwischen die beiden Ventrikel zu Herzspitze und verläuft als Ramus circumflexus zwischen linkem Vorhof und Ventrikel zur Herzhinterseite. Ring-Schleifen-Modell: Die Herzkranzarterien bilden einen horizontalen und einen vertikalen Ring um das Herz um eine optimale Blutversorgung zu ermöglichen. Ein - 59 - Gefäßring läuft im Sulcus coronarius zwischen Vorhöfen und Ventrikel, gebildet von der A. coronaria dextra und dem Ramus circumflexus der A. coronaria sinistra. Eine Schleife steht dazu senkrecht und verläuft im Sulcus interventricularis anterior und posterior. Beide Ringe treffen sich an der hinteren Fläche des Herzens. Die Koronararterien sind Endarterien, sie bilden untereinander keine Anastomosen (Verbindungsgefäße). Die Koronarvenen laufen mit den Arterien gemeinsam, ihr Blut fließt in den an der Herzhinterseite liegenden Sinus coronarius ab, welcher in den rechten Vorhof mündet. 8.5 Herzzyklus Die normale Herzaktion besteht aus einem periodisch ablaufenden zweiphasigen Zyklus. Während der Kammersystole kontrahieren sich die Ventrikel und werfen den Großteil ihres Blutes in die großen Arterien aus (Aorta, Truncus pulmonalis). In der Diastole erschlaffen die Ventrikel und füllen sich mit Blut aus den Vorhöfen. Dieser Vorgang wiederholt sich beim gesunden Herzen in Ruhe etwa 70-mal pro Minute. Sowohl in der Systole als auch in der Diastole sind verschiedene Phasen unterscheidbar. Während die Kammern ihre Systole durchlaufen, befinden sich die Vorhöfe in deren Diastole und umgekehrt. 8.5.1 Kammersystole Zu Beginn der Systole sind die Taschenklappen noch geschlossen, die Segelklappen schließen sich. Es sind also kurz zu Beginn der Systole alle Klappen geschlossen. Dann erfolgt die Anspannungsphase: Der Herzmuskel kontrahiert sich und erhöht den Druck auf die mit Blut gefüllten Ventrikel, bis der Druck in den Ventrikeln den Druck in der Aorta und im Truncus pulmonalis überschreitet. Dadurch öffnen sich schlagartig die Taschenklappen und die Austreibungsphase beginnt. Austreibungsphase: je 70ml Blut werden in die Aorta und in den Truncus pulmonalis als so genanntes Schlagvolumen ausgestoßen. Dadurch sinkt der ventrikuläre Druck gegen Ende der Systole unter den Druck, welcher in Aorta und Lungenarterien herrscht und die Taschenklappen schließen sich, weil das in Richtung Ventrikel zurückfließende Blut die Täschchen bläht. 8.5.2 Kammerdiastole: Am Ende der Systole sind wiederum alle Klappen geschlossen. Während der Diastole entspannen sich die Ventrikel wieder und das Blut strömt aus den vollen Vorhöfen in die Ventrikel. Entpannungsphase: In dieser Phase sind alle Herzklappen geschlossen, die Ventrikel entspannen und weiten sich und der Ventrikeldruck fällt zunehmend unter den Druck der gefüllten Vorhöfe ab. Füllungsphase: Durch den Druckunterschied zwischen Vorhöfen und Kammern öffnen sich die AV-Klappen in Richtung der Ventrikel und das Blut aus den Vorhöfen strömt in die Ventrikel, bis die vollen Ventrikel wieder ein Schließen der AV – Klappen bewirken. - 60 - Die Herzklappen öffnen und schließen rein passiv durch die Druckunterschiede in den einzelnen Herzräumen. Die Papillarmuskel verhindern ein Durchschlagen der AV-Klappen in die Vorhöfe während der Systole. 8.6 Erregungsbildung, Erregungsleitung Isoliert man das Herz, so schlägt es eine Zeit lang auch außerhalb des Organismus weiter. Das beweist, dass die rhythmischen Kontraktionen dem Herzen nicht von außen aufgezwungen werden, sondern dass die Erregungsbildung im Herzen selbst stattfindet. Dieses Verhalten bezeichnet man als Automatie oder Autorhythmie des Herzens. Betrachtet man den Erregungsablauf des Herzens, dann erkennt man, dass sich die Vorhöfe stets vor den Kammern kontrahieren, die Erregung breitet sich also von den Vorhöfen auf die Kammern aus. Das hat den Sinn, dass die Kammern erst kontrahieren, wenn die Vorhöfe bereits vollständig ihr Blut in die Ventrikel entleert haben. Die Erregungsbildung - und leitung erfolgt in einem System spezifischer Muskelzellen, das aus mehreren Strukturen besteht. Von diesen speziellen Muskelzellen unterscheidet man die Arbeitsmuskulatur des Herzens, dem eigentlichen Herzmuskel. Die Zellen des ELS depolarisieren wesentlich schneller als die Zellen der Arbeitsmuskulatur, d.h. die Erregung wird wesentlich schneller weitergeleitet und dadurch der gesamte Herzmuskel in sehr kurzer Zeit erregt. 8.6.1 Eregungsleitungssystem Das ELS setzt sich aus folgenden Strukturen zusammen: Sinusknoten: er liegt in der Wand des rechten Vorhofs an der Mündung der V. cava superior. Er ist der primäre Schrittmacher des Herzens und erzeugt beim gesunden Erwachsenen in Ruhe 60-90 Erregungen pro Minute. Die Erregung breitet sich dann über das gesamte VH-Myokard aus und gelangt zum AV-Knoten: dieser liegt im Bereich des Septums des rechten Vorhofs. Er verzögert die Weiterleitung der Erregung etwas, damit die Füllung der Kammern abgeschlossen werden kann bevor der Ventrikel mit der Systole beginnt. Er kann bei Ausfall des Sinusknotens als sekundärer Schrittmacher die Schrittmacherfunktion mit einer Frequenz von 40-60 Schlägen pro Minute übernehmen. Er leitet die Erregung weiter an das His-Bündel: dieses kurze Faserbündel läuft vom Boden des rechten Vorhofs zum Kammerseptum, wo es sich in zwei Schenkel aufteilt. Es durchbricht also die Klappenebene. Rechter und linker Kammerschenkel, Tawaraschenkel: Sie laufen entlang des Kammerseptums Richtung Herzspitze und zweigen sich am Ende fächerförmig auf, um die Papillarmuskel und das Kammermyokard zu erregen. Seine Endaufzweigungen bezeichnet man als Purkinje-Fasern Die Erregung des Herzmuskels hat seine nachfolgende Kontraktion zum Zweck. Es kann allerdings zu verschiedenen Störungen im Bereich dieses Reizleitungssystems kommen. Die normale und auch die pathologische Herzfunktion kann man mittels EKG sichtbar machen. Auskultation: darunter versteht man das Abhorchen der Herzaktionen mittels Stethoskops. - 61 - 8.6.2 Herzleistung Die physiologische Herzfrequenz eines Erwachsenen beträgt in Ruhe etwa 70 Schläge/ min., das Schlagvolumen etwa 70 ml/ Herzaktion. Aus diesen beiden Parametern lässt sich das Herz - Zeit - Volumen (Herz – Minuten – Volumen) berechnen. Herz- Zeit- Volumen: Herz- Minuten- Volumen: also rund 5 Liter /Minute Schlagvolumen X Schlagfrequenz 70 ml X 70 Schläge/min = 4900 ml/min, Die Herzleistung kann durch Erhöhung der Herzfrequenz und Erhöhung des Schlagvolumens deutlich gesteigert werden, bis zu 30l/min. Die Herzfrequenz eines Neugeborenen ist deutlich höher als die des Erwachsenen und liegt bei durchschnittlich 120 Schlägen/min. - 62 - 9 KREISLAUF - UND GEFÄSSSYSTEM Die Blutgefäße bilden zusammen mit dem Herzen das Herz,- Kreislaufsystem oder das kardiovaskuläre System. Es ist ein in sich geschlossenes System in dem Sauerstoff - O2 und Nährstoffe zu den Geweben und Kohlendioxid - CO2 und Stoffwechselendprodukte aus den Geweben abtransportiert werden. Es ist in erster linie ein wichtiges Transportsystem. Der Kreislauf besteht aus zwei Abschnitten, dem großen Kreislauf oder Körperkreislauf und dem kleinen oder Lungenkreislauf. Der Körperkreislauf hat die Aufgabe Nährstoffe und Sauerstoff zu den Geweben aller Organe zu transportieren und Kohlendioxid und Stoffwechselendprodukte abzutransportieren. Er beginnt in der linken Kammer und endet im rechten Vorhof. Aus dem linken Ventrikel geht die große Körperschlagader, die Aorta, ab. Entlang ihres Verlaufes gibt sie zahlreiche große Arterien zu ihren Versorgungsgebieten im Körper ab. Diese Arterien verzweigen sich in immer kleinere Arterien und Arteriolen und schließlich in unzählige kleinste arterielle Kapillaren, die den Stoffaustausch in den Geweben ermöglichen. Dort sammelt sich das „verbrauchte“ Blut aus den Geweben wiederum in den venösen Kapillarschenkeln und fließt in immer größer werdenden Venolen und Venen zum Herzen zurück. Körperkreislauf: Linker Ventrikel --> Aorta --> Arterien --> Arteriolen --> arterieller Kapillarschenkel --> venöser Kapillarschenkel --> Venolen --> Venen --> V. cava superior et inferior (obere und untere Hohlvene) --> rechter Vorhof. Die Aufgabe des Lungenkreislaufs ist das O2 und CO2 Austausch in der Lunge. Er beginnt in der rechten Kammer und endet im linken Vorhof. Lungenkreislauf: Rechter Ventrikel --> Truncus pulmonalis --> 2 Lungenarterien --> Lungenarteriolen --> Lungenkapillaren --> Lungenvenolen --> 4 Lungenvenen --> linker Vorhof. MERKE!!!! Arterien sind Gefäße, die vom Herzen wegführen und sauerstoffreiches Blut transportieren. Ausnahme: Lungenarterien, Nabelschnurarterien Venen sind Gefäße, die zum Herzen führen und sauerstoffarmes Blut transportieren. Ausnahme: Lungenvenen, Nabelschnurvene - 63 - 9.1 Arterien und Arteriolen Die Wand der Arterien – und auch der Venen - sind aus drei Schichten aufgebaut. Tunica interna oder Intima: ist die innerste der drei Schichten; auf einer elastischen Membran liegt eine zarte Bindegewebsschicht, darauf eine Schichte platter Endothelzellen. Bei Kapillaren liegen die Endothelzellen direkt einer dünnen Basalmembran auf. Zwischen den Endothelzellen findet man je nach Organ mehr oder weniger durchlässige Poren. Tunica media oder Media: besteht aus elastischen Fasern und Muskulatur. Die elastischen Fasern kommen hauptsächlich in den größeren herznahen Arterien vor; sie dienen der Anpassung des Gefäßdurchmessers an die Druckunterschiede während der Systole und der Diastole und dem Transport der Blutsäule (Windkesselfunktion). In den kleineren herzfernen Arterien überwiegen die Muskelfasern. Diese Gefäße regulieren durch ihr Weiter - oder Engerstellen die Organdurchblutung. Tunica externa oder Adventitia: besteht aus Bindegewebe und elastischen Fasern. Sie stellt die Verbindung der Gefäße zur Umgebung dar und baut die Gefäße verschieblich in umgebendes Bindegewebe ein. 9.2 Kapillaren Kapillaren sind die mikroskopisch kleinsten Aufzweigungen der Gefäße, sie haben wegen ihrer großen Zahl den größten Gesamtdurchmesser aller Gefäße. Wir unterscheiden einen arteriellen und einen venösen Kapillarschenkel, die fließend inneinander übergehen. Trotz des geringen Einzeldurchmessers ist wegen des hohen Gesamtquerschnittes die Strömungsgeschwindigkeit in den Kapillaren sehr gering. Deshalb und durch die Durchlässigkeit der Kapillarwände kommt es in den Kapillarstromgebieten zu einem regen Stoffaustausch zwischen Blut und Gewebe. Gewebe mit hoher Stoffwechselaktivität sind reich an Kapillaren: Niere, Leber, Muskel. Gewebe mit niederer Stoffwechselaktivität sind arm an Kapillaren: Bindegewebe, Knochen Manche Gewebe sind frei von Kapillaren: Knorpel, Augenlinse, Hornhaut des Auges Im Bereich der Kapillaren kommt es zum Stoffaustausch zwischen dem Blut und dem Gewebe; Sauerstoff, CO2 und Nährstoffe werden ausgetauscht. Für die Vorgänge der Filtration und der Reabsorption müssen einige physikalische Vorgänge erklärt werden. Einerseits spielen die unterschiedlichen Druckverhältnisse innerhalb der Kapillare und des sie umgebenden Gewebes, andererseits die Konzen trationsunterschiede der Atemgase und anderer Stoffe eine wesentliche Rolle, um diese Vorgänge überhaupt möglich zu machen. Stoffe werden immer vom Ort höherer Konzentration zum Ort niedrigerer Konzentration wandern, wenn sie die Kapillarwand, die sie trennt, passieren können. Zuerst müssen die unterschiedlichen Drucke, der hydrostatische und der kolloidosmotische Druck, erläutert werden. Der hydrostatische Druck wird durch das Gewicht einer Wassersäule (Flüssigkeitssäule) - 64 - erzeugt. Beim Tauchen wird er einem schnell bewusst. Kurz unterhalb der Wasseroberfläche ist er kaum spürbar, in wenigen Metern Tiefe nimmt man das Gewicht des Wassers schon deutlich wahr. In den Kapillaren ist dieser Druck beim stehenden Menschen in den Beinen natürlich am höchsten. Er wird aber in allen Gefäßen durch den Blutdruck, den die Blutsäule auf die Gefäßwände erzeugt, bewirkt. Durch die physiologische Leistung des Herzens ist er in den Arterien und im arteriellen Kapillarschenkel wesentlich höher als im Venensystem. Der hydrostatische Druck in den Gefäßen bewirkt, dass Flüssigkeit und gelöste Stoffe, die klein genug sind, um durch die Poren der Kapillaren durchtreten zu können, aus dem Kapillarblut in das umgebende Gewebe gedrückt werden. Ein osmotischer (onkotischer) Druck wird erzeugt, wenn eine konzentrierte Lösung und eine weniger konzentrierte Lösung durch eine halbdurchlässige (semipermeable) Membran voneinander getrennt sind, die gelösten Teilchen aber aufgrund ihrer Größe die Membran nicht überwinden können. Ist dies der Fall, wird Flüssigkeit aus der wenig konzentrierten Lösung in die höher konzentrierte Lösung strömen, bis ein Konzentrationsgleichgewicht erreicht ist, also bis gleich viele Teilchen pro Volumeneinheit Flüssigkeit vorhanden sind. Zum Beispiel drei Teilchen in einem Liter Wasser und sechs Teilchen in zwei Litern Wasser. Das Verhältnis von 3:1 ist dann auf beiden Seiten dasselbe. Im Blut entsprechen diese Teilchen, die die Membran (Kapillarwand) nicht passieren können, den Blutzellen und den größeren Eiweißen, vor allem den Albuminen. Da Eiweiße auch Kolloide genannt werden, heißt dieser osmotische Druck, der die Flüssigkeit wieder in die konzentriertere Lösung, also zurück in das Blut des venösen Kapillarschenkels „zieht“, kolloidosmotischer Druck. 9.2.1. Filtration Die Filtration ist jener Vorgang, der bewirken soll, dass Flüssigkeit mit O2 und Nährstoffen aus dem Kapillarblut in das Gewebe und zu den Zellen gelangt. Dieser Vorgang läuft im arteriellen Kapillarschenkel ab. In diesem Gefäßabschnitt herrscht ein höherer hydrostatischer Druck (Blutdruck) als im umliegenden Gewebe, zusätzlich ist die Konzentration an Sauerstoff und Nährstoffen höher als im Gewebe. Der höhere hydrostatische Druck presst Flüssigkeit mit O2 und den Bestandteilen, die durch die Poren der Kapillaren durchtreten können, aus dem Blut ins Gewebe. Die größeren Blutbestandteile, wie Blutzellen und größere Eiweiße (Kolloide), können nicht durchtreten und bleiben im Blut zurück. Es bleibt also eine höher konzentrierte Flüssigkeit in den Kapillaren zurück, die nun weiter in den venösen Kapillarschenkel fließt. MERKE!!! Das Ziel der Filtration ist es, Flüssigkeit mit Sauerstoff und Nährstoffen aus dem Blut ins Gewebe zu befördern. Dieser Vorgang läuft im arteriellen Kapillarschenkel ab. 9.2.2. Reabsorption Nun ist also das „eingedickte“ Blut im venösen Kapillarschenkel angekommen. Die hohe Konzentration an Eiweißen im venösen Kapillarblut erzeugt einen höheren kolloidosmotischen Druck innerhalb der Kapillare als im umgebenden Gewebe. Dieser - 65 - bewirkt ein Einströmen von Flüssigkeit aus dem Gewebe ins Blutgefäß und da die Konzentration von CO2 und Abbauprodukten im Gewebe nun sehr hoch ist, strömen mit der Flüssigkeit auch diese Stoffe wieder zurück ins Blut und können „entsorgt“ werden. Jene Flüssigkeit, die im Gewebe verblieben ist, bezeichnet man als Lymphflüssigkeit. Sie wird über Lymphgefäße zurück ins Blut transportiert. MERKE!! Das Ziel der Reabsorption ist es, Flüssigkeit mit CO2 und Abbauprodukten aus den Geweben ins Blut zu befördern und abzutransportieren. Dieser Vorgang läuft im venösen Kapillarschenkel ab. 9.2.1 Ödeme Ödeme sind Flüssigkeitsansammlungen im Gewebe, wenn mehr Flüssigkeit in das Gewebe abgegeben wird als resorbiert werden kann. Ursache kann entweder ein zu hoher hydrostatischer Druck oder ein zu geringer kolloidosmotischer Druck in den Kapillaren sein. Bei der Herzinsuffizienz wird durch die verminderte Pumpleistung des Herzens das Blut in die Peripherie zurückgestaut und der hydrostatische Druck im venösen System steigt an. Dadurch wird nicht genügend Flüssigkeit aus den Geweben abtransportiert. Bei Eiweißmangel kommt es durch das Absinken der Eiweißkonzentration im Blut (zB.Hunger, Leberzirrhose) zu einem geringeren kolloidosmotischen Druck in den Gefäßen; Flüssigkeit sammelt dadurch sich im Gewebe an. 9.3 Venen und Venolen Die Venolen sammeln das Blut aus dem Kapillarstromgebiet und bringen es über immer größere Venen zum Herzen zurück. In der Peripherie begleiten sie die Arterien paarig, die größeren Venen kommen einzeln vor und zeigen einen von den Arterien unabhängigen Verlauf. Grundsätzlich entspricht der Aufbau der Venenwand dem der Arterien, die Venenwand ist aber wesentlich dünner und dadurch dehnbarer. Im Venensystem befindet sich etwa 2/3 des gesamten Blutvolumens, weshalb sie als Kapazitätsgefäße bezeichnet werden. Dies macht man sich bei kollabierten Patienten zu Nutze, indem man sie flach auf dem Boden liegend mit angehobenen Beinen lagert. So fließt wieder mehr Blut aus den Beinvenen zum Herzen zurück. Um den Rückstrom des Blutes zum Herzen zu gewährleisten, besitzen die kleinen und mittleren Venen Taschenklappen, zusätzlich wirkt die so genannte Muskelpumpe. Die Klappen werden vom Endothel gebildet und öffnen sich herzwärts. Bei Füllung von „oben“ wölben sich die Taschen der Klappen und verschließen das Venenlumen, um ein Zurückfließen des Blutes in die Peripherie zu verhindern. Unterstützend wirkt die sog. Muskelpumpe; durch Kontraktion der Skelettmuskulatur werden die Venen komprimiert und das Blut in Richtung Herz gepresst. - 66 - An den Beinen findet man drei Venentypen: Oberflächliche Venen liegen direkt unter der Haut. Tiefe Beinvenen laufen in der Muskulatur und transportieren das Blut zum Herzen. Perforansvenen stellen die Verbindung zwischen oberflächlichen und tiefen Beinvenen dar und transportieren das Blut aus den oberflächlichen zu den tiefen Beinvenen. Bei langem Stehen überwiegt die Filtration gegenüber der Reabsorption, es entstehen Ödeme, die beim Gehen wieder verschwinden sollten. Lässt die Elastizität in den Venen nach oder kommt es zu anderen Schädigungen der Venenwand kann es zum Auftreten verschiedener Krankheitsbilder, wie einer Venenklappeninsuffizienz und Varizen oder einer Venenthrombose kommen. - 67 - 10 DAS ATMUNGSSYSTEM – RESPIRATORISCHES SYSTEM Das Atmungssystem wird in die oberen Atemwege, das sind Nase, Nasennebenhöhlen und Rachen und in die unteren Atemwege, wie Kehlkopf, Luftröhre, Bronchien und Lunge unterteilt. Die Atemorgane dienen dem Austausch von Sauerstoff (O2) und Kohlendioxid (CO2) zwischen dem Blut und der Luft. Dieser Vorgang wird äußere Atmung genannt. Als innere Atmung hingegen bezeichnet man die Verbrennung von Glukose zur Energiegewinnung unter Verbrauch von Sauerstoff in den Körperzellen (ATP Gewinnung im Zitronensäurezyklus). 10.1 Nase Die Nase lässt sich in die äußere Nase, die aus einem knöchernen und einem knorpeligen Anteil besteht, und in die paarig angelegte, im Schädel liegende Nasenhöhle (Cavitas nasi) unterteilen. An ihrer Innenseite ist sie mit einer speziellen Schleimhaut ausgekleidet. Die äußere Nase verleiht dem menschlichen Gesicht sein charakteristisches Profil. Sie besteht aus einem knöchernen und einem knorpeligen Anteil. Der knöcherne Anteil der äußeren Nase bwird von aus den beiden Nasenbeinen (Os nasale) und dem Stirnfortsatz des Oberkiefers geformt. Der knorpelige Anteil, also die Nasenflügel, Nasenspitze, Teile des Nasenrückens und des Nasenseptums besteht aus Knorpel. Die paarige Nasenhöhle liegt unter der vorderen Schädelgrube. Ihren vorderen Abschnitt bezeichnet man als Nasenvorraum. Sie hat die Form einer Pyramide, deren Dach von den Nasenbeinen, dem Stirnbein und dem Siebbein und deren Boden vom Gaumen gebildet wird. Nach vorne unten öffnet sich die Nasenhöhle durch die Nasenlöcher nach außen, hinten durch die sog. Choanen in den Rachen. Die Nasenscheidewand, das Septum nasi, die ebenfalls aus einem vorderen knorpeligen und einem hinteren knöchernen Anteil besteht, teilt die Nasenhöhle in zwei mehr oder minder gleiche Hälften. In die Nasenhöhle münden der Tränennasengang aus der Tränendrüse und die Nasennebenhöhlen. 10.1.1 Nasenschleimhaut Das mehrschichtige Plattenepithel des Nasenvorhofs geht in das respiratorische Epithel der Nasenhöhle über. Die Nasenschleimhaut dient hauptsächlich der Erwärmung, der Befeuchtung und der Reinigung der Atemluft. Dafür hat sie verschiedene Einrichtungen: ein mehrreihiges hochprismatisches Flimmerepithel mit Flimmerhärchen, befördert Schmutzpartikel in den Rachen, Becherzellen und seromuköse Drüsen befeuchten die Atemluft, ein ausgedehntes Venengeflecht unterhalb der Schleimhaut dient der Erwärmung der Atemluft. An der oberen Nasenmuschel und dem angrenzenden Septumbereich liegt die gelbliche Riechschleimhaut, die die Rezeptoren für den Riechnerv bilden, ihre Fortsätze ziehen durch das Siebbein zum Gehirn. - 68 - 10.2 Nasennebenhöhlen Die Nasennebenhöhlen gehören zusammen mit dem Mittelohr zu den pneumatischen (luftgefüllten) Räumen des Schädels. Sie sind in der Regel paarig angelegt und zu ihnen gehören: Sinus maxillaris (Kieferhöhle), Sinus frontalis (Stirnhöhle), Cellulae ethmoidales (Siebbeinzellen), Sinus sphenoidalis (Keilbeinhöhle). Über ihre Funktion gibt es unterschiedliche Meinungen, einige seien hier angeführt: Reduktion des Schädelgewichtes Resonanzräume für die Stimme Erwärmung und Anfeuchtung der Atemluft Die Nasenschleimhaut setzt sich in die Nasennebenhöhlen fort, bei Entzündungen sind sie häufig im Sinne einer Sinusitis (Nebenhöhlenentzündung) mitbeteiligt. Die Nasennebenhöhlen stehen durch kleine Öffnungen mit der Nasenhöhle in Verbindung; auch der Tränengang mündet in die Nasenhöhle. Dadurch können Sekrete durch die Nase abfließen, aber eben auch Entzündungen der Nasenschleimhaut auf die Nasennebenhöhlen übergreifen. 10.3 Rachen - Pharynx Dem Pharynx, Rachen oder Schlund ist ein Muskelschlauch, der vor der Halswirbelsäule liegt und in Längsrichtung von der Schädelbasis bis zum 6. Halswirbel reicht; dort geht er in den Oesophagus, die Speiseröhre und nach vorne in den kehlkopf (Larynx) über. Er ist etwa 12-15 cm lang und hat breite Verbindungen zur vor ihm liegenden Nasenhöhle, zur Mundhöhle und zum Kehlkopfeingang. Der wird dementsprechend in drei Etagen unterteilt: Nasopharynx (Pars nasalis pharyngis): Er reicht von der Schädelbasis bis zum weichen Gaumen und steht über die Choanen mit der Nasenhöhle in Verbindung. In diesen Teil mündet die Ohrtrompete oder Tuba auditiva, eine Verbindung zum Mittelohr. Die Ohrtrompete dient dem Druckausgleich zwischen Mittelohr und Rachen. Zusätzlich befindet sich im oberen Pharynxbereich die Rachenmandel – Tonsilla pharyngea. Oropharynx (Pars oralis pharyngis): Die Pars oralis pharyngis ist der mittlere Rachenabschnitt, er reicht vom weichen Gaumen bis zum Oberrand des Kehldeckels. Er ist über die Schlundenge, den Isthmus faucium, mit der Mundhöhle offen verbunden. Seitlich befinden sich die Gaumenmandeln, die zusammen mit den Rachenmandeln und den Seitensträngen der Infektabwehr dienen (lymphatisches Gewebe). Gemeinsam werden die mandeln als lymphatischer Waldeyerscher Rachenring bezeichnet. Laryngopharynx (Pars laryngea pharyngis): Dies ist der untere Pharynxabschnitt, vom Oberrand des Kehldeckels bis zum Ringknorpel reichend, der in die Luftröhre übergeht. Er ist der längste der drei Abschnitte. 10.3.1 Funktion Im Pharynx überkreuzen sich Luft - und Speiseweg. Der vordere Abschnitt geht in die Luftröhre über, der hintere mündet in den Oesophagus. Im Pharynx wird der Speisebrei - 69 - aus der Mundhöhle in die Speiseröhre transportiert. Beim Schlucken legt sich der Kehldeckel über den Kehlkopfeingang und verschließt ihn. Der Speisebrei gelangt so in die hinter der Luftröhre liegende Speiseröhre. Beim Atmen steht der Kehldeckel nach hinten oben und gibt so den Weg für die Atemluft in den Kehlkopf frei. 10.4 Kehlkopf - Larynx Der Kehlkopf liegt unterhalb des Zungenbeines in Höhe des 5. und 6. Halswirbels. Das Kehlkopfskelett besteht aus mehreren Knorpeln, die zum Teil gelenkig miteinander verbunden sind und geringe Dreh - und Kippbewegungen gegeneinander ausführen können. Schild-, Ring- und Stellknorpel bestehen aus festem hyalinem Knorpel, damit sie beim Atmen ihre Form behalten; der Kehldeckel hingegen besteht aus elastischem Knorpel, um sich dem Kehlkopfeingang beim Schlucken besser anschmiegen zu können. Schildknorpel: Er besteht aus zwei nahezu rechteckigen Platten, die in unterschiedlichem Winkel vorne aneinanderstoßen. Dieser Vorsprung wird beim Mann Adamsapfel genannt. Der hintere Rand läuft in jeweils zwei langen oberen und kürzeren unteren Hörnern aus. Die Unterhörner bilden eine gelenkige Verbindung mit dem darunter liegenden Ringknorpel. Ringknorpel: Er ähnelt einem Siegelring, dessen Bogen nach vorne und dessen "Siegel" nach hinten zeigt. Er ist caudal mit der Luftröhre verbunden und hat gelenkige Verbindungen zum Schildknorpel und zu den Stellknorpeln. Stellknorpel: Die beiden Stellknorpel sind pyramidenförmige hyaline Knorpel, an deren ventralen Spitzen die Stimmbänder ansetzen. Sie sind beweglich und bestimmen so die Spannung der Stimmbänder. Kehldeckel, Epiglottis: Die Epiglottis ist ein blattförmiger elastischer Knorpel mit nach caudal gerichtetem Stiel. Sie ist an der Rückfläche des Schildknorpels befestigt und verschließt beim Schluckakt den Kehlkopfeingang. Diese Knorpel sind untereinander durch zahlreiche Bänder und Muskel verbunden und an ihrer Innenseite wieder von Schleimhaut ausgekleidet, die die Atemluft reinigt, befeuchtet und erwärmt. 10.4.1 Funktion des Kehlkopfes Die Hauptaufgaben des Kehlkopfes sind der Verschluss der tiefen Atemwege beim Schlucken und die Stimmbildung (Phonation). Im darüber liegenden Rachen kreuzt der Speiseweg den Atemweg. Beim Schlucken wird der Luftweg durch den Kehldeckel (Epiglottis) verschlossen und die Nahrung gelangt in die Speiseröhre (Oesophagus). Beim Atmen führt der Luftweg über die Stimmritze, die unterschiedlich weit geöffnet werden kann, in die Trachea; bei der Lauterzeugung wird der Luftstrom durch die verengte Stimmritze gepresst und die Stimmbänder in Schwingung versetzt; das ist entscheidend für die Stimmbildung. - 70 - 10.5 Luftröhre - Trachea Die Luftröhre erstreckt sich mit einer Länge von etwa 12cm vom Ringknorpel bis zu ihrer Aufteilungsstelle in die beiden Hauptbronchienin Höhe des 4. Brustwirbelkörpers. Dorsal grenzt sie an den Oesophagus, ventral wird sie vom Aortenbogen überkreuzt. Aufbau: Vorder - und Seitenwand der Luftröhre sind aus 16-20 hufeisenförmigen Knorpelspangen aufgebaut, die dorsal durch glatte Muskulatur und Bindegewebe zu einem Ring geschlossen werden. Zwischen den Knorpelspangen finden sich elastische Bänder, die eine Dehnung der Luftröhre bis 25% in Längsrichtung während der Atmung ermöglichen. Ihr Durchmesser beträgt etwa 15-20mm. Die Schleimhaut der Luftröhre ist aus mehrreihigem Flimmerepithel und Schleim produzierenden Becherzellen aufgebaut. Die Flimmerhärchen befördern Schleim und Staubpartikel rachenwärts. Mit ihrer Umgebung steht die Luftröhre durch eine lockere Adventitia in Verbindung. Klinik: Bei Rauchern verkleben die Flimmerhärchen und Schadstoffe können dadurch in tiefere Bronchialabschnitte gelangen. 10.6 Lunge – Pulmo In der Lunge findet die äußere Atmung statt, das heißt, der Austausch von Atemgasen zwischen Blut und Atemluft. Man unterscheidet zwei Lungenflügel, Pulmo dexter (rechte Lunge) und Pulmo sinister (linke Lunge). Jeder Lungenflügel hat die Form eines Kegels, dessen Basis dem Zwerchfell aufsitzt und dessen Spitze über die obere Thoraxöffnung in den Halsbereich hineinragt. Gegen die Rippen zeigt die Lunge eine konvex gewölbte Fläche, zum Mittelfellraum (Mediastinum) hin eine konkave Fläche. Hier treten Gefäße, Nerven und Bronchien an der Lungenwurzel, der Radix pulmonis, in die Lunge ein und aus. Die Lunge ist durch tiefe Spalten in Lungenlappen unterteilt. Die rechte Lunge besteht aus drei Lappen, einem Ober,- Mittel,- und Unterlappen, die linke Lunge aus zwei, einem Ober,und einem Unterlappen. Entsprechend der Aufteilung der Bronchien unterteilt man die Lungenlappen noch weiter in Lungensegmente und Lungenläppchen. 10.6.1 Bronchialbaum und Lungensegmente Die Luftröhre teilt sich vor dem 4. Brustwirbel an der Bifurkation (Teilungsstelle) in die beiden Hauptbronchien, den Bronchus principalis dexter und sinister, einer für jede Lunge. Diese teilen sich weiter in die Lappenbronchien, Bronchi lobares, die den Lungenlappen entsprechen. Daher findet man rechts drei Lappenbronchien und an der linken Lunge zwei. In weiteren Teilungsschritten verzweigen sich die Lappenbronchien dann weiter zu Segmentbronchien. Diese entsprechen den kleineren Unterteilungen der Lungenlappen, den Lungensegmenten (rechts 10, links 9 - 10 Segmente). Die Segmentbronchien verzweigen sich weiter in 6 - 12 Teilungsschritten in immer kleinere Bronchien, die mittleren und kleinen Bronchien und dann letztlich in die Bronchiolen. Diese teilen sich weiter auf bis am Ende die kleinsten Aufzweigungen, die Alveolen stehen. - 71 - Demnach entsprechen die Lappenbronchien den Lungenlappen, die Segmentbronchien den Lungensegmenten und die Bronchiolen den Lungenläppchen! 10.6.2 Feinbau der Lunge Die Hauptbronchien zeigen denselben Aufbau wie die Luftröhre aus hufeisenförmigen hyalinen Knorpelspangen; sie haben nur einen kleineren Durchmesser. Die Lappen - und Segmentbronchien teilen sich weiter baumartig auf und ihre hufeisenförmigen Knorpelspangen werden zunehmend bruchstückhaft. Diese unregelmäßigen Knorpelstücke sind in den größeren Bronchien hyalin, werden in den kleineren aber durch elastischen Knorpel ersetzt. Mit abnehmendem Durchmesser vermindert sich der Knorpelanteil und der Muskelanteil wird immer größer. Die Bronchiolen bestehen nur mehr aus glatten Muskelzellen und elastischen Fasern, da sie ihren Durchmesser dem Ein - und Ausatmen anpassen müssen. Die kleinsten Bronchiolen gehen in die Lungenbläschen, die Alveolen, über. Alveolen sind traubenförmig angeordnet und in ihnen findet die eigentliche Atmung, der Austausch von Sauerstoff und Kohlendioxid zwischen Atemluft und Kapillarblut, statt. Die Alveolenwand besteht aus Pneumozyten und Bindegewebe, die von einem dichten Kapillarnetz umgeben sind. Zwei benachbarte Alveolen teilen sich eine dünne bindegewebige Wand, das Septum alveolare. Die dünne Schicht, die in diesen Lungenabschnitten Luft und Blut trennt, heißt Blut-Luft-Schranke. MERKE!!! Die Blut - Luft - Schranke besteht aus den Pneumozyten, dem Kapillarendothel und einer dünnen gemeinsamen dazwischen liegenden Basallamina! In den Alveolen befindet sich zusätzlich eine dünne Schicht einer Flüssigkeit, das Surfactant, das von den Pneumozyten gebildet wird. Dieses vermindert die Oberflächenspannung der Alveolen und verhindert ihr Zusammenfallen. Unreife Lungen der Frühgeborenen können noch kein Surfactant bilden! Deshalb müssen ihre Lungen "gereift" werden oder sie müssen beatmet werden. Durch die Blut-Luft-Schranke diffundiert Sauerstoff aus der Luft in das Kapillarblut und Kohlendioxid aus dem Blut in die Lungenalveolen, um abgeatmet zu werden. 10.7 Pleura Jeder Lungenflügel liegt in einer geschlossenen mit seröser Flüssigkeit ausgekleideten Höhle, der Pleurahöhle. Zwischen den beiden Pleurahöhlen liegt das Mediastinum, der Mittelfellraum. An der Pleura unterscheidet man ein äußeres Blatt, die Pleura parietalis oder Rippenfell und ein inneres Blatt, die Pleura visceralis oder Lungenfell. Beide Blätter gehen an der Lungenwurzel ineinander über. Die Pleura visceralis, das Lungenfell ist eine glatte glänzende Schicht, die fest mit der Lunge verwachsen ist und sich auch in die Lungenspalten fortsetzt. - 72 - Die Pleura parietalis, das Rippenfell bildet das derbe äußere Blatt der Pleura und überzieht Rippen, Wirbelkörper, die Rückseite des Brustbeins, die obere Zwerchfellfläche und das Mediastinum. Zwischen den beiden Pleurablättern befindet sich die Pleurahöhle mit wenig seröser Flüssigkeit. Sie dient der Lunge als Verschieberaum bei der Atmung. Im Pleuraspalt herrscht zusätzlich ein Unterdruck, wodurch die Lungen der Innenseite des Brustkorbes eng anliegen und so den Atembewegungen des Brustkorbes folgen müssen. 10.8 Atemregulation Die Regulation der Atmung erfolgt über Dehnungsrezeptoren und über zentrale und periphere Chemorezeptoren. Dehnungsrezeptoren sitzen in der Wand der Alveolen und in der Atemmuskulatur. Sie reagieren auf die Dehnungsreize beim Ein - und Ausatmen und leiten Gegenbewegungen ein. Starke Dehnung --> Ausatmen; Entspannung --> Einatmen Zentrale Chemorezeptoren befinden sich im Atemzentrum im verlängerten Mark. Periphere Chemorezeptoren befinden sich im Glomus caroticum und Glomus aorticum. Das sind parasympathische Nervengeflechte, die vom IX. (N. glossopharyngeus) und vom X. (N. vagus) gebildet werden. Beide Chemorezeptoren reagieren sowohl auf den O2-Partialdruck, den CO2-Partialdruck und auf den pH-Wert im Blut. Ein Absinken des O2 - Partialdruckes, Ansteigen des CO2 - Partialdruckes und dadurch ein niedriger ph-Wert (Azidose) bewirken eine Steigerung der Atemtätigkeit und umgekehrt. 10.9 Lungen - und Atemvolumina Atemzugvolumen: Darunter versteht man jenes Luftvolumen, das pro Atemzug eingeatmet werden kann, das sind etwa 500-600 ml/ Atemzug bei einem gesunden Erwachsenen. Das Atemzugvolumen setzt sich zu etwa 70% (350-400ml) aus dem alveolaren Anteil (Gasaustausch) und zu 30% aus dem Totraumanteil (kein Gasaustausch) zusammen. Totraumvolumen: Das ist jenes Volumen, das nicht am Gasaustausch teilnimmt. Dieser Anteil der Atemluft befindet sich im Totraum, das sind die zuführenden Atemwege bis zur Bronchiolen - Alveolen - Grenze. Er dient zur Reinigung und Erwärmung der Atemluft. Atemminutenvolumen: Das in einer Minute ein und ausgeatmete Atemvolumen. Pro Atemzug werden 500 ml ein und ausgeatmet, die Atemfrequenz beträgt etwa 15 Atemzüge pro min. AMV = AZV X AF/min AMV = 500ml X 15AZ/min > AMV = 7,5l Luft/min - 73 - Inspiratorisches Reservevolumen: Volumen, das nach normaler Inspiration noch zusätzlich eingeatmet werden kann; 2-3l Exspiratorisches Reservevolumen: Volumen, das nach normaler Exspiration noch zusätzlich ausgeatmet werden kann; 1 – 1,5l Vitalkapazität: IRV + AZV + ERV Residualvolumen: Volumen, das auch nach stärkster Exspiration noch in den Atemwegen verbleibt. Totalkapazität: maximal mögliches Luftvolumen der Lunge; TK = VK + RV - 74 - 11 DAS BLUT Das Blut besteht aus einem flüssigen Anteil, dem Blutplasma, in dem verschiedenste Stoffe gelöst sind und den darin verteilten Blutkörperchen. 11.1 Zusammensetzung des Blutes Blutplasma: Der Anteil des Blutplasmas beträgt etwa 55% des Blutgesamtvolumens; es handelt sich um eine klare, hellgelbe Flüssigkeit, die zwar keine Blutzellen aber etwa 8% gelöste Substanzen enthält. Es ist der gerinnungsfähige Anteil des Blutes ohne seine Blutzellen. Das Blutplasma steht durch die Kapillaren in Diffusionsaustausch mit den Geweben. Es kann durch Abzentrifugieren der schwereren Blutkörperchen gewonnen werden. Blutserum: Gerinnt das Blut, so scheidet sich der sog. Blutkuchen, der aus den Fibrinfasern und den Blutzellen besteht, vom flüssigen Blutserum ab. Das bedeutet, dass im Gegensatz zum Plasma keine Gerinnungsfaktoren mehr vorhanden sind. Das Blutserum ist demnach der nicht mehr gerinnungsfähige Anteil des Blutes. Weder im Plasma noch im Serum findet man Blutzellen. Blutzellen (Blutkörperchen): Blutzellen machen etwa 45% des Gesamtvolumens des Blutes aus. Es handelt sich dabei um eine Gruppe lebender Zellen, die sich in Aussehen, chemischer Zusammensetzung und Aufgaben voneinander unterscheiden. Ihr prozentueller Anteil wird als der Hämatokrit bezeichnet. Von diesen Zellen machen mehr als 99% die roten Blutzellen (Erythrozyten), etwa 1% die weißen Blutzellen (Leukozyten) und die Blutplättchen (Thrombozyten) gemeinsam aus. 11.2 Funktion des Blutes Das Blut hat zahlreiche Funktionen, an denen die Blutzellen, die Bluteiweiße und die Flüssigkeit mit ihren Elektrolyten beteiligt sind. - Transport der Blutgase: O2 und CO2 werden von den Erythrozyten transportiert. - Transport und Verteilung von Hormonen und Nährstoffen - Regulierung des Wasser - und Elektrolythaushaltes - Aufrechterhaltung des Säure - Basengleichgewichtes; das Blut ist mit einem pHWert von 7,4 schwach basisch. - Regulierung der Körpertemperatur - Blutgerinnung - Abwehr - Entsorgung von Stoffwechselendprodukten - Aufrechterhaltung des kolloidosmotischen Druckes - 75 - 11.3 Blutplasma Das Blutplasma besteht etwa aus: 90% Wasser 8% Plasmaproteinen 2% anderen Stoffen wie Vitamine, Hormone, Salze, Enzyme, Glukose, Stoffwechselprodukte wie Harnsäure 11.3.1 Plasmaptoteine Plasmaproteine sind Eiweiße verschiedener Funktionen, die durch ihre unterschiedliche Wanderungsgeschwindigkeit im elektrischen Feld (Proteinelektrophorese) aufgespalten werden können. Die wichtigsten sind: Albumine: 35-40 g/l, diese großen Eiweißmoleküle dienen der Aufrechterhaltung des kolloidosmotischen Druckes im Blut und damit der Aufrechterhaltung des Blutvolumens, da sie eine wichtige Rolle für die Rückresorption von Flüssigkeit aus den Geweben spielen. Außerdem dienen sie dem Transport von Calcium, Bilirubin, Fettsäuren. Alpha 1-GLOBULINE: 3-6 g/l, Transport von Lipiden und Hormonen. Alpha 2- GLOBULINE: 4-9 g/l, Oxidasefunktion Beta-GLOBULINE: 6-11 g/l, Transport von Lipoproteinen und Eisen Gamma-Globuline: 13-17 g/l, Antikörper (Immunglobuline), sie werden von den Plasmazellen (B – Zellen) gebildet und dienen der Abwehr Fibrinogen: 2-4,5 g/l, dient der Blutgerinnung (Vorstufe von Fibrin) Prothrombin: Faktor der Blutgerinnung (Vorstufe von Thrombin) 11.4 Blutzellen Wir unterscheiden drei Gruppen von Blutzellen Rote Blutkörperchen: Erythrozyten Weiße BK: Leukozyten Blutplättchen: Thrombozyten 11.4.1 Erythrozyten Erythrozyten sind kreisrunde, bikonkave kernlose Scheiben (Ausnahme: unreife Vorstufen). Ihr Durchmesser beträgt 7-8 Mikrometer, ihre Dicke etwa 2 Mikrometer und sie sind nicht aktiv beweglich. Erythrozyten besitzen keinen Zellkern und Zellorganellen und haben aufgrund des Fehlens von DNA und RNA keine Fähigkeit zur Protein-Biosynthese und zur Zellteilung. Die Zahl der Erythrozyten beträgt etwa 5 Millionen/mm³ Blut, das sind mehr als 90% der gesamten Blutzellen. Abweichungen von 0,5 Mill. nach oben und unten gelten als physiologisch. Die Ery-zahl ist unabhängig von Körpertemperatur, Jahreszeit und Nahrungsaufnahme; ihre Anzahl steigt jedoch bei dauernder vermehrter Muskelarbeit und - 76 - längeren Aufenthalten im Hochgebirge (wenig Sauerstoff in der Atemluft) und auch bei chronischen Lungenerkrankungen!! Durch die geringere Sauerstoffsättigung des Blutes schüttet die Niere das Hormon Erythropoetin aus, welches das rote Knochenmark zu vermehrter Bildung von Erythrozyten anregt. Funktion: da die Erythrozyten kernlos sind, können sie sich nicht mehr teilen, sie können jedoch eine größere Menge von Hämoglobin (Hb) aufnehmen. Hb ist ein Eiweißmolekül aus vier Polypeptidketten mit einem zentralen Fe-haltigen Hämanteil. Dieser Hämanteil kann O2 und CO2 reversibel binden. Erythrozyten sind demnach für den O2 Transport in die Gewebe und dem Abtransport von CO2 aus den Geweben zuständig. Das O2 - reiche Blut erscheint hellrot, das O2 - arme Blut dunkelrot. Durch die bikonkave Form wird eine große Oberfläche für den Gasaustausch erzielt und die Verformbarkeit ermöglicht die Mikrozirkulation in den kleinsten Kapillaren. Bildung der roten Blutzellen – Erythropoese: nach der Geburt findet die Blutbildung im roten Knochenmark der Epiphysen der langen Röhrenknochen und in den platten Knochen (Rippen, Sternum) statt; vor der Geburt in allen Knochen, in der Leber und auch in der Milz. Die Erythrozytenzahl wird dem O2-Bedarf angepasst; das geschieht durch das Hormon Erythropoetin, das in der Niere gebildet wird und durch Sauerstoffmangel ausgeschüttet wird. Da unter Normalbedingungen die Erythrozytenzahl weitgehend konstant bleibt, muss der Neubildung ein gleichwertiger Abbau gegenüberstehen. Die Lebensdauer der Erythrozyten beträgt etwa 120 Tage. Ihr Abbau erfolgt durch Phagozytose im retikuloendothelialen System (Knochenmark, Leber, Milz). Das dabei freiwerdende Hämoglobin wird zum Teil in der Leber den Gallenfarbstoff Bilirubin umgewandelt und über den Darm ausgeschieden oder als Urobilin über die Niere ausgeschieden. Bilirubin färbt dabei den Stuhl braun, Urobilin färbt den Harn. Das Eisen wird ins Knochenmark zurücktransportiert und dort wieder verwendet. 11.4.2 Leukozyten Diese "weißen" Blutzellen enthalten kein Hämoglobin und sind daher im ungefärbten Zustand farblos. Ihre Zahl ist viel geringer als jene der Erythrozyten, morgens nüchtern beträgt sie 5000-9000/mm³ Blut. Ihre Zahl ist physiologischen Schwankungen unterworfen: Tagesrhythmus, Verdauung, körperliche Anstrengung, Schwangerschaft wirken sich zahlenmäßig aus. Leukozyten besitzen einen Zellkern und sind amöboid beweglich, wodurch sie die Blutgefäße verlassen können und an Abwehrvorgängen im Körper teilhaben. Ihre Lebensdauer ist viel kürzer als die der Erys, sie werden großteils in der Milz abgebaut und vor allem in der Körperperipherie bei der Abwehr „verbraucht“. Ihre Gruppe ist aus sehr unterschiedlichen Zellen zusammengesetzt, die teils granuliert (gekörnt), teils ungranuliert sind. Sie alle bilden eine Funktionsgemeinschaft, deren Aufgabe die Abwehr schädigender Einwirkungen auf den Organismus ist. Zellen des weißen Blutbildes: Granulozyten: Neutrophile Eosinophile Basophile - 77 - Lymphozyten Monozyten 11.4.2.1 Granulozyten: Granulozyten besitzen einen gelappten Kern, wodurch sie durch Offnungen der Kapillarwände durchwandern können und dessen vergrößerte Oberfläche sich günstig auf die erhöhte Stoffwechselfunktion auswirkt. Sie sind größer als die Lymphozyten und die Erythrozyten. Man unterscheidet auf Grund der Färbbarkeit ihrer Körnchen im Zytoplasma, den Granula, drei Typen von Granulozyten. - Neutrophile Granulozyten: 55-70% der Leukozyten Aussehen: Ihr Durchmesser beträgt etwa 9-12 Mikrometer; in ihrem Zytoplasma findet man schwach färbbare, feinste Granula (Körnchen). Sie besitzen einen groben gelappten Zellkern, es kommen jedoch auch stabkernige Jugendformen im Blut vor (5%). Bei gewissen Erkrankungen treten entweder vermehrt jugendliche Stabkernige auf, wir sprechen von Linksverschiebung - oder überalterte Übersegmentierte, dann sprechen wir von Rechtsverschiebung im Blutbild. Eine Linksverschiebung tritt meist zusammen mit einer Leukozytose (Vermehrung der Leukozyten im Blut), häufig bei Infektionskrankheiten auf, da das Knochenmark vermehrt unreife Formen auf Grund des erhöhten Bedarfes ins Blut abgibt. Rechtsverschiebung tritt bei Bildungsstörungen von Granulozyten des Knochenmarks, etwa bei perniziöser Anämie (Vit B12 Mangel) auf. Funktion: neutrophile Granulozyten können durch Bakterien zur Diapedese (Auswandern in die Gewebe durch amöboide Bewegung) angeregt werden. Sie enthalten Enzyme und Abwehrstoffe gegen Krankheitserreger und können auch Bakterien und Gewebsfragmente phagozytieren = MIKROPHAGEN. Sie sind an der Entstehung von Eiter beteiligt, indem sie Fermente abgeben, die Bakterien und das entzündete Gewebe einschmelzen können (Reifen eines Furunkels). - Eosinophile Granulozyten: 1-4% der Leukos im Blut Aussehen: die eosinophilen Granulozyten sind an ihren großen, eosinophil (rot) färbbaren Granula gut erkennbar, die den meist hantelförmigen Kern teilweise überdecken. Ihr Duchmesser beträgt etwa 11-14 Mikrometer. Funktion: Eosinophile sind gut amöboid beweglich, sie phagozytieren Ag–Ak-Komplexe. Sie treten bei allergischen Reaktionen auf und haben eine direkt zytotoxische (zellschädigende) Wirkung auf tierische Parasiten (Würmer). - Basophile Granulozyten: Sie sind die kleinsten Granulozyten und auch die seltensten: 0,3-1%. Basophile haben einen meist kugeligen großen Zellkern, der von den basophil (blau) gefärbten Granula fast verdeckt ist. Funktion: Ihre Granula beinhalten Histamin und Heparin, die sie bei allergischen Reaktionen freisetzen. Histamin wirkt gefäßerweiternd (dilatierend) und erhöht die Durchlässigkeit (Permeabilität) der Kapillarwände, Heparin vermindert die Blutgerinnung und macht so ebenfalls die Kapillaren durchlässiger à Schwellung (zB. nach Bienenstich). - 78 - Sie sind an akuten allergischen Reaktionen beteiligt, wie beim anapylaktischen Schock und beim akuten Asthma, aber auch bei chronischen allergischen Erkrankungen. Basophile bleiben nur wenige Stunden in der Blutbahn und wandern dann in die Gewebe aus, wo sie sich etwa 24 Stunden aufhalten. Die Mastzellen sind in Aussehen und Funktion den Basophilen sehr ähnlich, kommen aber nur in den Geweben vor, nicht im Blut. 11.4.2.2 Monozyten Monozyten wandern aus dem Blut ins Gewebe aus und differenzieren sich dort in Makrophagen! Aussehen: sind die größten weißen Blutzellen, ihre Größe variiert aber stark zwischen 12-20 μm; sie haben unterschiedliches Aussehen mit nierenförmigem, kugeligem oder gelapptem Zellkern. Funktion: Monozyten sind gut amöboid beweglich und wandern nach 1-2 Tagen aus dem Blut in die Gewebe, wo sie sich zu Gewebsmakrophagen differenzieren. Dort phagozytieren sie auch größere Teilchen, wie abgestorbene Blutzellen, Mikroorganismen oder größere Zelltrümmer und auch vom Immunsystem als fremd erkannte Körperzellen. Monozyten wandeln sich in den Geweben in unterschiedliche Makrophagen um: - Histiocyten (Gewebe) - Kupffer Sternzellen (Leber) - Alveolarmakrophagen (Lunge) - Perivaskuläre Makrophagen (ZNS) 11.4.2.3 Lymphozyten Lymphozyten besiedeln vor der Geburt das rote Knochenmark und den Thymus (Bries) und werden dort geprägt. Im Knochenmark (bone marrow) werden die B- Lymphozyten, im Thymus die T- Lymphozyten geprägt. Danach wandern sie in die peripheren Lymphorgane wie Milz, Lymphknoten und Tonsillen ein. Aussehen: Lymphozyten sind etwa gleich groß wie Erythrozyten und haben einen großen, kugeligen, kräftig lila färbbaren Kern und einen schmalen blassen Zytoplasmasaum. - T-Lymphozyten Die T-Lymphozyten sind runde Zellen mit einem deutlich blau färbbaren, runden Kern. Sie werden im roten Knochenmark gebildet, wandern in den Thymus (Bries) aus, wo sie geprägt werden. Unter Prägung versteht man die Fähigkeit körpereigene Zellen von körperfremden zu unterscheiden, damit nur fremde Zellen vom Immunsystem attackiert werden, was leider nicht immer gelingt (Autoimmunerkrankungen). Fehlerhafte Prägung kann aber auch bewirken, dass das Immunsystem zu tolerant gegenüber Eindringlingen wird und den Organismus nicht ausreichend zu schützen vermag. Erst nach der Prägung wandern diese Zellen in die lymphatischen Organe ein. T-Lymphozyten sind die Zellen der erworbenen, spezifischen Immunität. Man unterscheidet zytotoxische Zellen, Helferzellen und Suppressorzellen. Zytotoxische Zellen - 79 - erkennen virusinfizierte Zellen und Tumorzellen und bekämpfen diese, T-Helferzellen bewirken das Heranreifen von B-Lymphozyten zu Plasmazellen, welche Antikörper produzieren, und T-Suppressorzellen verhindern überschießende Immunreaktionen, indem sie diese unterdrücken. T-Gedächtnis-Zellen sind langlebig und können sich auch später noch an die feindlichen Eindringlinge erinnern. - B-Lymphozyten Optisch unterscheiden sich die B-Lymphozyten nicht von den T-Zellen, sie haben aber andere Eigenschaften und Funktionen. Beide gehören jedoch der erworbenen, spezifischen Immunität an. B-Lymphozyten werden im Knochenmark (bone marrow) geprägt und wandeln sich bei Immunreaktionen in Plasmazellen um, welche Antikörper oder Immunglobuline bilden. Deshalb werden sie zur erworbenen humoralen Abwehr gezählt. Sowohl bei den T- als auch den B-Lymphozyten gibt es Zellen, die sich bei einem neuerlichen Kontakt mit einem Antigen an dieses (Erreger, Fremdstoffe) erinnern können und eine sehr schnelle Abwehrreaktion bewirken. Diese Zellen heißen Gedächtniszellen oder „memory cells“. - Natürliche Killerzellen Sie gehören auch zur Gruppe der Lymphozyten, sind aber Zellen der unspezifischen Immunität, das heißt, sie zerstören bereits bei einem Erstkontakt bestimmte Krankheitserreger wie Bakterien, Viren, Parasiten und Tumorzellen, indem sie imstande sind von Erregern befallene oder bösartig veränderte Körperzellen zu identifizieren. Thrombozyten: Blutplättchen Es handelt sich um farblose, platte Zellbruchstücke, von 1-4 μm DM. 200 000-300 000 /mm³ Blut. Sie werden im roten Knochenmark gebildet, haben eine Lebensdauer von ca. 1 Woche und werden in der Milz phagozytiert. Ihre Aufgabe ist es, bei einer Endothelverletzung durch Verkleben diese Stelle abzudichten und die Blutgerinnung auszulösen. 11.5 Blutbildung - Hämatopoese Nach der Geburt findet die Blutbildung ausschließlich im roten Knochenmark statt. Die Zellen, aus der alle Blutzellen entstehen, heißen PLURIPOTENTE (= vielkönnende) STAMMZELLEN. Diese differenzieren sich in zwei Richtungen: es entstehen einerseits myeloische Stammzellen, aus denen sich die Erythrozyten, die Granulozyten, Monozyten und Thrombozyten entwickeln und andererseits die lymphoiden Stammzellen, aus denen die B,- und T- Lymphozyten, die Plasmazellen und die natürlichen Killerzellen entstehen. - 80 - 11.6 Hämostase – Blutstillung und Blutgerinnung Der menschliche Organismus verfügt über ein komplexes System, um schnell und effektiv auf Gefäßverletzungen reagieren zu können und Blutungen zu stillen. Dieser als Hämostase bezeichnete Vorgang läuft in zwei aufeinanderfolgenden Schritten ab: Der Vorgang der Blutstillung verschließt mit einem „provisorischen“ weißen Thrombus aus Blutplättchen (Thrombozyten) schnell die Wunde, die nachfolgende Blutgerinnung hat einen stabilen Wundverschluss durch einen roten Thrombus zum Ziel, welcher den weißen Thrombus ersetzt. 11.6.1 Primäre Hämostase- Blutstillung Dieser Vorgang sorgt schon in 2-3 Minuten für einen Wundverschluss und wird durch mehrere Faktoren bewirkt. Substanzen, die aus der verletzen Gefäßwand frei werden (zB. Serotonin) bewirken ein Zusammenziehen (Vasokonstriktion) des verletzten Gefäßes. Dadurch wird der Blutstrom verlangsamt und Thrombozyten lagern sich am Ort der Verletzung ab. Die abgelagerten Thrombozyten setzen wiederum Stoffe frei, die weitere Thrombozyten anlocken und zum Anlagern animieren. Die Thrombozyten bilden nun Pseudopodien (Scheinfüßchen) aus mit denen sich diese aneinanderhaften. Ein so entstandener weißer Thrombus (enthält nur Thrombozyten) verschließt die Wunde aufs erste. 11.6.2 Sekundäre Hämostase - Blutgerinnung Ziel dieses Ablaufes ist es, Fibrin zu aktivieren und einen stabilen Wundverschluss zu erreichen. Dazu müssen insgesamt 13 Gerinnungsfaktoren (Faktor I – XIII) nacheinander aktiviert werden, die sog. Gerinnungskaskade. Dieses Gerinnungssystem wird nun entweder bei großen Verletzungen durch freigesetzte Gewebssubstanzen (exogenes System) oder bei kleineren Endothelverletzungen durch Substanzen aus der innersten Gefäßschicht (endogenes System) aktiviert. Das exogene System muss schnell ablaufen und läuft daher über weniger Schritte ab als das endogene System. Letztlich wird das im Blut inaktive Prothrombin in Thrombin umgewandelt, das wiederum das inaktive Fibrinogen in Fibrin umwandelt. Thrombin und Fibrin liegen in ihrer inaktiven Form im Blut vor, um einer Thrombenbildung vorzubeugen. Sie sollten erst aktiviert werden, wenn eine Gerinnung des Blutes sinnvoll ist. Die Fibrinfäden lagern sich nun an dem bereits vorhandenen weißen Thrombus ab und bilden ein Maschenwerk, in dem sich nun auch Erythrozyten und Leukozyten einlagern. Man spricht nun von einem roten Thrombus. Durch Zusammenziehen der Fibrinfäden entsteht ein stabiler Thrombus. Für den Ablauf der Gerinnungskaskade ist zusätzlich noch Kalzium notwendig. Der Fibrinthrombus kann nun durch Aktivierung des Plasminogen in das aktive Plasmin (teilweise) wieder abgebaut werden. Manche Thromben bleiben auch zur Gänze erhalten. In diese Thromben wandern mit der Zeit Bindegewebszellen ein, der Thrombus wird bindegewebig umgewandelt oder organisiert (organisierter Thrombus). Er wird dann nicht - 81 - mehr mit dem Blutstrom mitgerissen und kann auch wieder durchgängig gemacht werden (rekanalisiert). 11.7 Blutgruppen Das ABO - System Zur Bestimmung der verschiedenen Blutgruppenmuster wird das Blut nach dem AB0Blutgruppensystem in vier verschiedene Blutgruppen eingeteilt. Dieses von Karl Landsteiner (1868-1943) im Jahr 1901 entdeckte System beruht auf der Erkenntnis, dass das Blut von verschiedenen Spendern bei Durchmischung teilweise verklumpt. Landsteiner stellte fest, dass es auf der Oberfläche der roten Blutkörperchen zwei unterschiedliche Antigene, nämlich Antigen A und Antigen B gibt, gegen die im Serum die Antikörper Anti – A und Anti – B auftreten. Je nach Vorhandensein der Antigene auf der Erythrozyten-Oberfläche unterteilte Landsteiner die Blutgruppen der Menschen in die Blutgruppen A, B, AB oder 0. Blutgruppe A bedeutet, dass auf der Oberfläche der Blutkörperchen das Antigen A vorhanden ist, im Serum finden sich Antikörper gegen die Blutkörperchenoberfläche der Gruppe B, also Anti – B - AK. Menschen mit der Blutgruppe B besitzen das Antigen B an der Erythrozytenoberfläche, im Serum sind Antikörper gegen die Blutgruppe A zu finden. Bei der Blutgruppe 0 sind keine Antigene vorhanden, im Serum findet man jedoch Antikörper gegen A und B. Da bei der Blutgruppe AB beide Antigene A und B auf der Oberfläche der Blutkörperchen vorhanden sind, befinden sich keine Antikörper im Blut, sie würden sich gegenseitig zerstören. Merkmale der einzelnen Blutgruppen: Blutgruppe Antigen Antikörper A A B B B A AB A und B keine Antikörper O Keine Antigene A und B MERKE!!! AB0 Blutgruppen sind schon bei der Geburt vorhanden. Die Anti-A und Anti-B- AK sind im Gegensatz zu den Anti-Rhesus-AK nicht plazentagängig, sonst käme es unter bestimmten Umständen zu Unverträglichkeitsreaktionen zwischen unterschiedlicher mütterlicher und kindlicher Blutgruppe! In Mitteleuropa haben etwa 45% aller Menschen Blutgruppe A, 40% Blutgruppe 0, 10% Blutgruppe B und 5% Blutgruppe AB. - 82 - Etwa 85% aller Mitteleuropäer sind Rhesus-positiv, 15% Rhesus-negativ. Die seltenste Blutgruppe ist also AB-negativ. Das Rhesus-System Der Rhesusfaktor ist ein Antigen (Antigen D) auf der Zellmembran der roten Blutkörperchen im menschlichen Blut. Rhesus positiv ist demnach ein Mensch, der dieses Antigen D auf seinen Blutzellen besitzt. Rhesus negativ bedeutet, dass kein Antigen D vorhanden ist. Nur rhesusnegative Menschen entwickeln beim Kontakt mit rhesuspositivem Blut Anti - D Antikörper. Die Antikörper gegen den Rhesusfaktor D werden bei Menschen ohne diesen Faktor jedoch nur gebildet, wenn sie mit ihm in Berührung kommen! Rhesus – AK sind also nicht von vornhrein vorhaden!! Dieser Kontakt kann durch Bluttransfusionen stattfinden, bei Frauen auch während der Schwangerschaft, besonders während der Geburt. So kann der Rhesusfaktor problematisch werden, wenn eine Rhesus-negative Frau mit einem Rhesus-positiven Kind schwanger ist. Während der Geburt gelangen Rh – AK vom Kind in den mütterlichen (rhesusnegativen) Kreislauf und die Mutter entwickelt nun AK. Da das mütterliche rhesusnegative Blut frei von Rhesus – AG ist, kommt es zu keinerlei Folgen für die Mutter. Sind nun jedoch Rhesus - Antikörper im mütterlichen Blut vorhanden, kann es während einer nachfolgenden Schwangerschaft zur Verklumpung des Blutes im Fetus kommen, da die kleinen RH – AK durch die Plazenta hindurchtreten können und zu einer Schädigung oder den Tod des Kindes führen. Gefahr besteht also in erster Linie für das rhesuspositive zweite Kind, da die AK meist erst während der Geburt des ersten Kindes gebildet werden! Durch Blutaustausch kann dieser Folge entgegengewirkt werden. Heutzutage ist dies jedoch in der Regel unnötig, da schon nach der ersten Schwangerschaft eine Anti-DProphylaxe durchgeführt wird, die die Ausbildung von Antikörpern unterdrückt. Der Rhesusfaktor wird dominant vererbt, deshalb ist das Blutgruppenmerkmal rhesusnegativ selten - 83 - Wenn eine erstgebärende Mutter mit rhesusnegativem Blut ein Baby erwartet, dessen Blut rhesus-positiv ist, so entstehen daraus in der Regel keine Probleme. Während der Schwangerschaft kommt es nur selten vor, dass rhesus-positives Blut des Babys in den Blutkreislauf der Mutter gelangt ( etwa bei der Amniozentese). Bei der Geburt ist die Wahrscheinlichkeit allerdings höher. Ist es zu einer solchen "Blutübertragung" gekommen, befindet sich im mütterlichen Blutkreislauf zunächst sowohl rhesus-negatives, als auch rhesus-positives Blut Das Immunsystem der Mutter reagiert jedoch sofort auf diese "Fremdkörper", indem es Antikörperchen ( Y ) bildet, die die roten rhesus-positiven Blutkörperchen zerstören. Bei der nächsten Schwangerschaft mit einem rhesuspositiven Baby könnten diese noch immer vorhandenen Antikörper der Mutter in den Blutkreislauf des Babys gelangen, dort die rhesuspositiven Blutkörperchen angreifen und mehr oder weniger zerstören. Durch diesen Verlust roter Blutkörperchen kommt es zu einer "Blutarmut" mit einer Verminderung des Sauerstoffgehaltes im Blut des Babys. http://www.rund-ums-baby.de/schwangerschaft/images/rhesus2.gif - 84 - 12 DAS HORMONSYSTEM Hormone werden von endokrinen Drüsen oder einzelnen Drüsenzellen gebildet. Endokrine Drüsen besitzen im Gegensatz zu exokrinen Drüsen keine Ausführungsgänge, sie geben ihre Substanzen an das Blut oder unmittelbar an die Zellen ihrer Umgebung ab. (Im Gegensatz dazu: exokrine Drüsen geben ihre Substanzen über Ausführungsgänge an Oberflächen ab.) 12.1 Hormone Hormone sind chemische Signalstoffe (Botenstoffe), die von endokrinen Organen gebildet werden und über das Blut oder durch Diffusion an ihre Zielzellen gelangen, an deren Oberfläche Rezeptoren die Botschaft erkennen und spezifische Reaktionen ausgelöst werden. Hormone sind Träger von Informationen und ermöglichen eine Kommunikation zwischen Zellen oder Organen. Sie wirken in kleinsten Konzentrationen und brauchen oft Minuten bis Stunden, um ihre Informationen zu vermitteln. Botenstoffe, die Informationen zwischen Nervenzellen weitergeben, brauchen jedoch nur Bruchteile von Sekunden. Die Übergänge zwischen den Transmittern der Nervenzellen (Neurotransmitter) und den Hormonen der endokrinen Organe sind fließend und man unterscheidet dementsprechend unterschiedliche Arten der hormonvermittelten Informationsübertragung: Hormone der endokrinen Drüsen (endokrine Sekretion): Ihre Hormone beeinflussen über lange Distanzen hinweg ihr Zielorgan, das sie über den Blutweg erreichen. Sie geben ihre Hormone ans Blut ab. Die zu erwartende Antwort kann Stunden bis Tage dauern. Hormone des autokrin- parakrinen Systems (auto,- und parakrine Sekretion): Ihre Hormone erreichen durch Diffusion ihren Zielort in unmittelbarer Nähe. Diese Drüsen steuern sich z.B. selbst oder etwa glatte Muskelzellen ganz in der Nähe. Die Antwort ist rasch zu erwarten. Neurohormone: Werden von sekretorisch tätigen Neuronen des Nervensystems freigesetzt. Sie entfalten entweder ihre Wirkung an Synapsen (Neurotransmitter) oder sie werden ans Blut abgegeben und zeigen dadurch eine Fernwirkung, wie das Noradrenalin des Nebennierenmarks. Hormone lassen sich auf Grund ihrer chemischen Struktur, ihres Bildungs - und Wirkortes und ihres Wirkungsmechanismus einteilen: Steroidhormone: Leiten sich vom Cholesterin ab und werden in der Nebennierenrinde, den Hoden, Ovarien und in der Plazenta synthetisiert. Es handelt sich um Mineralokortikoide und Glukokortikoide aus der Nebennierenrinde oder um Sexualhormone. Aminosäurederivate: Leiten sich von Aminosäuren ab, wie Adrenalin, Noradrenalin oder Dopamin, welche ihre Wirkungen im Nervensystem entfalten. Peptidhormone: - 85 - Sind aus Aminosäure -Ketten zusammengesetzt, wie das Insulin und das Glukagon, die den Blutzucker steuern. Proteine: Einige Geschlechtshormone (Gonadotropine), Wachstumshormon Fettsäurederivate: Leiten sich von ungesättigten Fettsäuren ab, wie die Prostglandine Hormone werden im Blut häufig an Transportproteine gebunden transportiert. Um ein Hormon am Zielort wirksam zu machen, sind Rezeptoren an den Zielzellen notwendig. Hormone und ihre Rezeptoren passen dafür wie Schlüssel und Schloss zusammen, wodurch Hormone sehr spezifisch wirken. Diese Rezeptoren können entweder an den Zellmembranen sitzen oder intrazellulär lokalisiert sein. Hormone werden in der Leber abgebaut und in der Folge über den Harn oder Stuhl ausgeschieden. 12.2 Hierarchie des Hormonsystems Das Hormonsystem ist hierarchisch strukturiert. Der Hypothalamus ist das übergeordnete Steuerorgan und beeinflusst über Releasing Hormone (Freisetzungshormone - stimulieren die Sekretion) und über Inhibiting Hormone (Hemmhormone - hemmen die Sekretion) den Hypophysenvorderlappen. Dieser steuert wiederum über so genannte Steuerhormone die nachgeschalteten Hormondrüsen. Durch positive und negative Rückkoppelung wird die Hormonausschüttung reguliert. 12.3 Hypothalamus Der Hypothalamus wird vom unteren Abschnitt Hauptaufgabe ist die Steuerung des vegetativen (Hormondrüsen) Systems. Sein hormonaler Anteil Hierarchie der Hormondrüsen (1.Befehlsinstanz). Er der Hypophyse (2.Befehlsinstanz), mit der er durch und entsendet zwei Arten von Hormonen: des Zwischenhirns gebildet. Seine (Eingeweide) und des endokrinen fungiert als oberster Regler in der steht in engem Zusammenhang mit den Hypophysenstiel verbunden ist, Steuerhormone an den Hypophysenvorderlappen (Adenohypophyse): Dies sind die Releasing und Inhibiting Hormone. Diese Steuerhormone werden vom Hypothalamus gebildet und gelangen zur Adenohypophyse, dem drüsigen Anteil der Hypophyse. Er fördert durch Releasing Hormone, "freisetzende Hormone" oder Liberine, die Sekretion der Hormone der Adenohypophyse und hemmt sie durch Inhibiting Hormone, "hemmende Hormone" oder Statine. Dadurch wird die Produktion der von der Adenohypophyse produzierten Hormone je nach Bedarf gesteuert. Hormone an den Hypophysenhinterlappen, die Neurohypophyse, die dort gespeichert werden und bei Bedarf an die Zielorgane abgegeben werden. Der Hypophysenhinterlappen besteht aus Nervengewebe und ist ein Speicherorgan. - 86 - MERKE!!! Hormone, die untergeordnete Hormondrüsen beeinflussen heißen Steuerhormone, Hormone, die eine direkte Wirkung auf Organe entfalten Effektorhormone!! 12.3.1 Steuerhormone des Hypothalamus - Releasing und Inhibiting Hormone Für die von der Adenohypophyse gebildeten glando - gonado - und somatotropen Hormone schüttet der Hypothalamus folgende Hormone aus: Releasinghormone (Freisetzende Hormone): Thyreotropin-Releasing-Hormon für das TSH (Thyreoidea-stimulierendes-Hormon): Wirkung auf Schilddrüse! Corticotropin-Releasing-Hormon für das ACTH (Adrenocorticotropes Hormon): Wirkung auf Nebennierenrinde! Gonadotropin-Releasing-Hormon für die glandotropen Sexualhormone FSH und LH: Wirkung auf Geschlechtsdrüsen Somatotropin-Releasing-Hormon für das Wachstumshormon Prolaktin-Releasing-Hormon für die Milchproduktion Inhibitinghormone (Hemmende Hormone): Somatostatin Prolaktin-Inhibiting-Hormon Releasing Hormone fördern die Freisetzung, Inhibiting Hormone bremsen die Freisetzung „untergeordneter Hormone“!!!! 12.3.2 Oxytocin und Vasopressin Die Hormone Oxytocin und Vasopressin (Adiuretin) gelangen auf neuronalem Weg (Nervenweg Neurosekretion) zur Neurohypophyse, also dem Hypophysenhinterlappen, werden dort gespeichert und bei Bedarf ans Blut abgegeben. Diese beiden Hormone sind keine Steuerhormone, sie entfalten gleich ihre Wirkung auf die ZiHypophyse - Hirnanhangsdrüse Die walzenförmige Hypophyse ist eine Drüse und liegt in der Sella turcica (Türkensattel) des Keilbeins; sie ist durch den Hypophysenstiel mit dem Hypothalamus verbunden. Der weitaus größere Anteil (etwa 75%) ist der aus Drüsenzellen aufgebaute Hypophysenvorderlappen oder Adenohypophyse. In ihr werden verschiedene Peptidhormone gebildet, die entweder auf untergeordnete Hormondrüsen als glandotrope Hormone, auf die Geschlechtsdrüsen als gonadotrope Hormone oder direkt auf Körpergewebe wirken (somatotrope Hormone). Daneben werden in den Kernen des Hypophysenhinterlappens oder Neurohypophyse die Hormone Oxytocin und Vasopressin aus dem Hypothalamus gespeichert und bei Bedarf an die Zielorgane ausgeschüttet. - 87 - 12.3.3 Hormone des Hypophysenvorderlappens Die Hormone des Hypophysenvorderlappens wirken als glandotrope Hormone auf einige Drüsen des Körpers, nämlich Schilddrüse und Teile der Nebennierenrinde, als gonadotrope Hormone auf die Gonaden (Eierstock und Hoden) und als somatotrope Hormone auf zahlreiche Gewebe und Organe im Körper. Ihre Freisetzung wird von den Hormonen des Hypothalamus gesteuert. Glandotrope Hormone wirken stimulierend auf Hormondrüsen. TSH - Thyreoidea stimulierendes Hormon stimuliert die Schilddrüse zur Ausschüttung der Hormone Thyroxin (T3) und Trijodthyronin (T4). ACTH - Adrenocorticotropes Hormon stimuliert die Glukokorticoidausschüttung (Cortisol) in der Nebennierenrinde. Gonadotrope Hormone wirken auf die Eierstöcke und Hoden. FSH - Follikel stimulierendes Hormon stimuliert die Follikelreifung in den Eierstöcken und die Spermienbildung im Hoden. LH - luteinisierendes Hormon stimuliert die Eireifung, den Eisprung und die Gelbkörperbildung im Ovar und die Testosteronbildung im Hoden. Somatotrope Hormone haben eine direkt stimulierende Wirkung auf verschiedene Körperzellen. GH - Growth Hormon oder Wachstumshormon stimuliert das Körperwachstum und den Fett -und Glykogenabbau. Bei einer Überproduktion kommt es zum Riesenwuchs. Prolaktin stimuliert die Milchproduktion in der Brustdrüse Melanozyten-stimulierendes-Hormon - MSH beeinflusst die Hautpigmentierung als Schutz vor UV-Strahlung. - 88 - 12.3.4 Hormone, die im Hypophysenhinterlappen gespeichert werden Oxytocin bewirkt eine Kontraktion der Gebärmuttermuskulatur (Myometrium) und löst damit die Geburtswehen aus. Es wird im Rahmen der klinischen Geburtshilfe als so genannter „Wehentropf“ eingesetzt. Darüber hinaus verursacht es die Milchejektion (Entleerung derMilchdrüse) durch Stimulation der sogenannten myoepithelialen Zellen der Milchdrüse. Vasopressin (Adiuretin, Antidiuretisches Hormon) fördert die Reabsorption von Wasser in der Niere und wirkt gefäßverengend. Beide Wirkungen erhöhen den Blutdruck. 12.4 Zirbeldrüse - Epiphyse Die Zirbeldrüse ist ein etwa 1cm großes Organ, das oberhalb des Mittelhirns liegt. Ihre Zellen reagieren auf Lichtreize, die sie über die Netzhaut (Retina) erhalten. Sie steuert zirkadiane Rhythmen (Tag - Nacht Rhythmus) und produziert bei Dunkelheit das Hormon Melatonin, welches den Schlaf fördert. 12.5 Schilddrüse - Glandula thyreoidea Die Schilddrüse ist eine rotbraune Drüse, die aus einem rechten und einem linken Lappen, den Lobus dexter et sinister, und einem verbindenden Querstück, den Isthmus, besteht. Der Isthmus liegt vor dem 2.-4. Trachealring, die beiden Lappen bedecken seitlich den Schildknorpel, den Ringknorpel und die oberen Luftröhrenringe. Die Schilddrüse sollte beim Gesunden kaum tastbar und nicht sichtbar sein. Die Drüse ist von einer inneren dünnen und einer äußeren derben Kapsel umhüllt. Die äußere Hülle ist mit dem Kehlkopf und der Luftröhre verbunden, so macht sie die Bewegungen des Kehlkopfes beim Schluckakt mit. Das drüsige Schilddrüsengewebe besteht aus Follikeln, das sind zystenförmige Gebilde, die von einem kubischen Epithel ausgekleidet und mit einer gelatinösen Substanz gefüllt sind. Zwischen den Follikeln findet man Bindegewebe mit Gefäßen und Nerven. Die Epithelzellen der Follikel produzieren die Schilddrüsenhormone Thyroxin T4 und Trijodthyronin T3, die in den Follikeln gespeichert werden. Zwischen den Follikeln findet man noch die C-Zellen (parafollikuläre Zellen), die ein weiteres Hormon, das Calcitonin, produzieren. 12.5.1 Schilddrüsenhormone In den Follikeln der Schilddrüse werden zwei jodhaltige Hormone gespeichert, das Thyroxin T4 und das Trijodthyronin T3, die von den Follikelzellen gebildet werden. Thyroxin wird in weit höherem Ausmaß gebildet, wird dann aber im Körper zum Großteil in das viel wirksamere T3 umgewandelt. Wirkung: - Steigerung des Grundumsatzes: Herztätigkeit, Körpertemperatur, Abbau von Fett und Mobilisierung von Glykogen werden gesteigert - Das Körperwachstum und die Entwicklung des Gehirns werden gefördert - 89 - - Die Aktivität des Nervensystems wird gesteigert Schilddrüsenhormone spielen eine große Rolle für die Entwicklung des Kindes, weshalb die Schilddrüsenhormone beim Neugeborenenscreening mittels Fersenblut bestimmt werden. Wird die Unterfunktion nicht schon im frühen Säuglingsalter behandelt, kommt es zu schwerwiegenden Entwicklungsstörungen, wie psychomotorischer Entwicklungsverzögerung, allgemeiner Wachstumsverzögerung, irreversiblen mentalen Defiziten, Ataxie (Bewegungsstörungen) ,Innenohrschwerhörigkeit und Bradykardie (verlangsamte Herzfrequenz). In den C-Zellen zwischen den Follikeln wird das Hormon Calcitonin gebildet. Es senkt den Kalziumspiegel im Blut indem es dessen Ausscheidung über die Niere steigert. 12.5.1.1 Regelkreis der Schilddrüsenhormone Die Ausschüttung der Hormone der Schilddrüse wird über einen hormonellen Regelkreis gesteuert. Der Hypothalamus schüttet das TRH (Thyreotropin - Releasinghormon) aus. TRH regt den Hypophysenvorderlappen zur Ausschüttung von TSH (Thyroidea stimulierendes Hormon) an. Das TSH der Hypophyse bewirkt in der Folge eine verstärkte Bildung der Schilddrüsenhormone T3 und T4 in der Schilddrüse. Die Schilddrüsenhormone gelangen über die Blutbahn an die Zielzellen im Körper und entfalten dort ihre Wirkung. Über die Blutbahn gelangen die Hormone jedoch auch in den Hypothalamus und in die Hypophyse. Dort nehmen spezielle Rezeptoren den T3 und T4 Blutspiegel wahr. Je nach Hormonkonzentration wird dann die Bildung von TRH und TSH und in der Folge der Schilddrüsenhormone gehemmt oder angeregt. Da ein hoher Blutwert an Schilddrüsenhormonen die Sekretion von TRH und TSH vermindert, spricht man von einer negativen Rückkoppelung. - 90 - 12.6 Nebenschilddrüse - Glandula parathyreoidea Die Nebenschilddrüsen sind gelbliche, linsengroße Körperchen, genannt Epithelkörperchen, von denen man jeweils ein oberes und ein unteres Paar an der Rückseite der Schilddrüse findet. Sie produzieren das Parathormon, welches im engen Zusammenhang mit dem Vitamin D und dem Calcitonin den Kalziumhaushalt des menschlichen Körpers reguliert. Wirkung des Parathormons: - mobilisiert Kalzium aus dem Knochen, indem es die Osteoklasten zum Knochenabbau stimuliert. - vermindert die Kalziumausscheidung und fördert die Phophatausscheidung durch die Niere. - fördert die Resorption von Kalzium im Darm. Dadurch kommt es zu einem Anstieg der Kalziumkonzentration im Blut! Ein hoher Kalziumspiegel im Blut hemmt, ein niederer Blut-Kalziumspiegel fördert die Ausschüttung von Parathormon aus der Nebenschilddrüse. 12.7 Nebenniere - Glandula suprarenalis Die Nebennieren sind lebensnotwendige Hormondrüsen, die aus zwei Organen unterschiedlicher Funktion aufgebaut sind - der Nebennierenrinde und dem Nebennierenmark. Die Nebennieren liegen unter der Nierenfettkapsel dem oberen Pol der Nieren auf, wobei die rechte NN eine dreieckige und die linke NN eine halbmondförmige Gestalt aufweisen. 12.7.1 Nebennierenrinde Diese besteht aus 3 untereinander angeordneten Zonen, die jeweils verschiedene Hormone produzieren und altersabhängigen Veränderungen unterworfen sind. - Zona glomerulosa: äußerste Schicht mit knäuelartig gewundenen Zellsträngen; in ihr werden die Mineralokortikoide gebildet, die den Salz - und Wasserhaushalt regulieren. - Zona fasciculata: breite Mittelschicht mit parallelen Strängen fetthaltiger Zellen; in ihr werden die Glukokortikoide gebildet. - Zona reticularis: innerste Schicht mit netzartigen Zellsträngen; in ihr werden eine geringe Menge Sexualhormone, hauptsächlich Androgene gebildet. 12.7.1.1 Hormone der Nebennierenrinde: Glukokortikoide: Das CRH - Corticotropin Releasing Hormon aus dem Hypothalamus regt die Ausschüttung von ACTH in der Hypophyse an, welches wiederum die Glukokortikoidausschüttung in der NNR steuert. Niedere Glukokortikoidspiegel im Blut fördern, hohe Spiegel hemmen die ACTH und CRH Ausschüttung. (Regelkreis) Die wichtigsten Glukokortikoide sind das Cortisol, Cortison und das Corticosteron. Wirkungen: - 91 - - erhöhen den Blutzuckerspiegel durch Erhöhung der Glukoneogenese (Neubildung von Glukose) in der Leber und Verminderung der Glukoseverwertung in den Zellen Erhöhung des Eiweiß - und Fettabbaus Abnahme der Lymphozyten und Hemmung der Phagozytose (immunsuppressiver, entzündungshemmender Effekt) Antiallergischer Effekt durch Hemmung überschießender Immunreaktionen. Osteoporotischer Effekt Wegen der antiallergischen und immunsuppressiven Wirkung werden die Glukokorticoide (Kortison) zur Therapie von chronischen Entzündungen, Allergien und Autoimmunerkrankungen verwendet. Vermehrte Sekretion von Glukokortikoiden oder chronische medikamentöse Zufuhr von Cortison führen zum MORBUS CUSHING mit Stammfettsucht, Vollmondgesicht, erhöhten BZ-Werten und RR-Werten, Muskelschwund und Osteoporose. Mineralokortikoide: Das wichtigste Mineralokortikoid ist das Aldosteron, dessen Ausschüttung durch das Hormon Renin aus der Niere gesteuert wird. Es fördert die Natrium - und Wasserrückresorption und die Kaliumausscheidung in der Niere. Androgene: Das wichtigste Hormon dieser Gruppe ist das Dehydroepiandrosteron, das sowohl beim Mann als auch bei der Frau gebildet wird. Es wirkt anabol und führt in der Pubertät zu einem Wachstumsschub. Es kann sowohl in Östrogen als auch in Testosteron umgewandelt werden. 12.7.2 Nebennierenmark Das NNM gehört eigentlich dem sympathischen Nervensystem an und ist keine Drüse im engeren Sinn. Die Zellen des Marks lassen sich in Adrenalin produzierende A-Zellen und Noradrenalin produzierende N-Zellen einteilen. Noradrenalin und Adrenalin gehören zu den Katecholaminen und sind Neurotransmitter des sympathischen Nervensystems, die besonders in Stresssituationen eine Rolle spielen. Unter ihrem Einfluss kommt es zu einer Erhöhung der Herztätigkeit, zu vermehrter Durchblutung der Skelettmuskulatur, Blockade von Denkvorgängen zu Gunsten vorprogrammierter Reflexe. PHÄOCHROMOCYTOM: Meist gutartiger Tumor des Nebennierenmarks mit Überproduktion der Katecholamine mit Bluthochdruck, Schwitzen, Kopfschmerzen, Herzklopfen. 12.8 Hormondrüsen ohne Steuerung durch die Hypophyse Neben den Hormondrüsen, die direkte Steuerbefehle von der Hypophyse erhalten, existieren auch Hormondrüsen, die nicht durch die Hypophyse gesteuert werden. - 92 - Dazu gehört die Bauchspeicheldrüse. Hier werden über eigene Regelkreise die Reaktion auf die Inhaltsstoffe der Nahrung und der Blutzuckerspiegel kontrolliert. Dies geschieht mit Hilfe der Hormone Insulin und Glukagon. Die Freisetzung von Insulin wird also über den Blutzuckerspiegel gesteuert. Auch die Zirbeldrüse (Epiphyse) wird nicht über den Hypothalamus und die Hypophyse gesteuert. Sie produziert das Hormon Melatonin. Es hat Einfluss auf die "innere Uhr" des Menschen, auf den Alterungsprozeß und den Schlaf - Wachrhythmus. Im Nebennierenmark werden die Hormone Adrenalin und Noradrenalin produziert. Die Produktion dieser Stoffe wird in Gefahren - und Stresssituationen direkt über autonome Nervenimpulse gesteuert. - 93 - 13 GESCHLECHTSORGANE Die äußeren und inneren Geschlechtsorgane entwickeln sich während der Embryonalzeit bei beiden Geschlechtern aus einer identen, indifferenten Anlage. Sie differenzieren sich im Laufe der Entwicklung, je nachdem, ob der Chromosomensatz des heranwachsenden Embryos weiblich (23 XX) oder männlich (23 XY) angelegt ist, in die unterschiedlichen geschlechtsspezifischen Organe. Es werden primäre und sekundäre Geschlechtsmerkmale unterschieden, wobei zu den primären die inneren und äußeren Geschlechtsorgane gehören, zu den sekundären zählt man jene, die sich während der Pubertät unter dem Einfluss der geschlechtsspezifischen Hormone entwickeln. Das sind die unterschiedliche Körperbehaarung von Mann und Frau, das Wachsen des Kehlkopfes (Adamsapfel) beim Mann, aber auch der kräftigere männliche Körperbau und die vermehrte Muskelmasse. Bei der Frau zählt man das Brustwachstum und die Regelblutung dazu. Bereits ab der 4. Embryonalwoche bilden sich paarige Genitalleisten aus, in die sich die noch undifferenzierten Urkeimzellen einnisten. Je nach dem chromosomalen Geschlecht entwickeln sich daraus die entsprechenden Geschlechtsdrüsen (Gonaden), also entweder die Eierstöcke oder die Hoden. In der 6. Woche bilden sich die beiden Genitalgänge, der Urnierengang oder Wolff-Gang, und der Müller-Gang aus. Ab der 7. Schwangerschaftswoche beginnt die Entwicklung der unterschiedlichen Geschlechtsorgane je nach genetisch determiniertem Geschlecht. Ganz wesentlich für die Entwicklung männlicher oder weiblicher Geschlechtsorgane ist ein Gen, welches sich am kurzen Arm des Y-Chromosoms befindet. Dieses SRY-Gen beinhaltet den Code für den Hoden-determinierenden Faktor. Dieser Faktor bewirkt nun die Differenzierung der ursprünglichen embryonalen Genitalanlage in Richtung männlich. So kann sowohl Testosteron in den sich differenzierenden Leydig - Zellen als auch das Anti-Müller-Hormon gebildet werden. Das Testosteron induziert die Ausbildung der männlichen Geschlechtsorgane, das Anti-Müller-Hormon bewirkt die Rückbildung der Müller’schen Gänge beim männlichen Embryo. Aus den erhalten gebliebenen Wolff-Gängen entstehen Nebenhoden, Samenleiter und Bläschendrüsen. Die Prostata entwickelt sich aus dem Urogenitalkanal, aus dem auch Harnblase und Harnröhre entstehen. Beim weiblichen Geschlecht fehlt aufgrund der genetischen Konstellation (XXChromosomen) die Bildung von Testosteron und Anti-Müller-Hormon. Der Müller-Gang bleibt also erhalten und entwickelt sich zu Gebärmutter, Eileiter und oberem Scheidenteil weiter. Der untere Teil der Vagina, die Harnblase und die Harnröhre entstammen wiederum dem Urogenitalkanal. Die äußeren Geschlechtsorgane entwickeln sich ab der 9. Embryonalwoche in eine männliche oder eine weibliche Richtung. Bis zu diesem Zeitpunkt besteht eine gemeinsame Anlage aus Genitalhöcker, Genitalwülsten und Genitalfalten. 13.1. Anatomie der männlichen Geschlechtsorgane Die inneren Geschlechtsorgane des Mannes setzen sich aus dem Hoden (Testis), dem - 94 - Nebenhoden (Epididymis), dem Samenleiter (Ductus deferens), der Vorsteherdrüse (Prostata), der Bläschendrüse (Glandula vesiculosa) und der Cowper‘schen Drüse zusammen. Zu den äußeren männlichen Geschlechtsorganen zählen das männliche Glied (Penis) und der Hodensack (Skrotum). 13.1.1. Hoden – Testis Die paarigen, pflaumengroßen Hoden sind die Keimdrüsen des Mannes. Sie liegen im Hodensack, obwohl sie sich während der Embryonalzeit in der Bauchhöhle entwickeln. Die Wanderung der Hoden in den Hodensack (Descensus testis) sollte bei der Geburt des Knaben abgeschlossen sein, dies gilt als Reifezeichen. Der Grund, dass die Hoden aus der Bauchhöhle in den Hodensack (Skrotum) verlagert werden, ist die Intoleranz der Spermien für Wärme. Die Hoden hängen eingehüllt von mehreren bindegewebigen Hodenhüllen und Faszien am Samenleiter (Ductus deferens) innerhalb des Hodensackes. Seinem oberen Pol liegt der Nebenhoden (Epididymis) wie eine Kappe direkt auf. Der Hodensack besteht aus mehreren bindegewebigen Schichten, die äußere Hodenhaut liegt locker ihrer Unterlage auf. Der Hoden selbst ist von einer derben weißen Bindegewebsschicht, der Tunica albuginea, eingehüllt. Um diese herum befinden sich die beiden serösen Hüllen des Hodens, sie entsprechen dem Peritoneum viscerale und dem Peritoneum parietale, welche während des Descensus des Hodens aus der Bauchhöhle mit ausgestülpt wurden. In seinem Inneren wird der Hoden durch Bindegewebssepten in etwa 300 Läppchen unterteilt, in denen die stark gewundenen Hodenkanälchen liegen. An dem dem Nebenhoden zugewandten Rand befindet sich das bindegewebige Zentrum des Hodens (Mediastinum testis), in dem sich die Kanälchen des Hodennetzes (Rete testis) und Blutgefäße befinden. Das Rete testis besteht aus zahlreichen geraden Hodenkanälchen, die in die Kanälchen des Nebenhodens übergehen. Die Nebenhodenkanälchen sind eigentlich die Fortsetzung der Hodenkanälchen. In den Hodenkanälchen findet man drei unterschiedliche Zellarten. Einer zarten Basalmembran liegen im Inneren der Hodenkanälchen Sertoli-Stützzellen auf, welche den Kanälchen eine gewisse Festigkeit geben. Dazwischen befinden sich die LeydigZwischenzellen, die für die Synthese der männlichen Geschlechtshormone (Testosteron, Androgene) im Hoden verantwortlich sind. Als dritte Zellart findet man in den Hodenkanälchen die Samenzellen, aus denen im Verlauf der Spermatogenese (Spermienbildung) die Spermien heranreifen. Die Funktion des Hodens ist demnach die Bildung des Testosterons und die Reifung der Spermienzellen unter dem Einfluss des FSH (Follikelstimulierendes Hormon) und LH (Luteinisierendes Hormon) des Hypophysenvorderlappens. 13.1.2. Nebenhoden und Samenleiter Der Nebenhoden liegt dem oberen hinteren Pol des Hodens auf und lässt sich in einen kranialen Nebenhodenkopf, einen mittleren Nebenhodenkörper und einen kaudal gelegenen Nebenhodenschwanz unterteilen, wobei dieser am unteren Ende des Nebenhodens in den Samenleiter (Ductus deferens) übergeht. - 95 - Der Nebenhoden (Epididymis) besteht aus dem stark gewundenen Nebenhodengang, dessen Wand aus glatter Muskulatur mit einer inneren Auskleidung von Flimmerepithelzellen besteht. Im Nebenhoden werden die Spermienzellen gereift und gespeichert, durch Kontraktion der glatten Muskelzellen werden sie in den Samenleiter, im Wesentlichen auch ein Muskelschlauch, weitergeleitet. Die schlagenden Flimmerhärchen unterstützen den Transport der Spermien. Der Samenleiter (Ductus deferens) ist ein 30–40 cm langer Muskelschlauch, welcher aus dem Nebenhodenschwanz hervorgeht. Er mündet in die Harnröhre und befördert während der Ejakulation die Spermien in die Harnsamenröhre des Penis. Der Samenleiter zeigt einen interessanten Verlauf, da er während des Descensus testis die Wanderung des Hodens aus der Bauchhöhle mitgemacht hat. Er beginnt am kaudalen Ende des Nebenhodens, zieht hinter ihm nach oben, um gemeinsam mit Blutgefäßen und Nerven den sogenannten Samenstrang (Funiculus spermaticus) zu bilden. Danach zieht er unter dem Leistenband (Ligamentum inguinale) durch den Leistenkanal hindurch in die Bauchhöhle. In der Bauchhöhle verläuft der Ductus deferens bedeckt vom Peritoneum parietale entlang der Bauchwand in das kleine Becken, bis er unterhalb der Harnblase zur Prostata gelangt. Diese durchbricht er von seitlich hinten, um dann wie der Samenleiter der Gegenseite innerhalb der Prostata in die Harnröhre einzumünden. 13.1.3. Vorsteherdrüse (Prostata) und andere Drüsen Die Vorsteherdrüse ist eine unpaare Drüse, sie liegt zwischen der Harnblase und dem Beckenboden des Mannes und wird vom Verlauf der Harnröhre durchzogen. Sie hat die Form und Größe einer Kastanie, ihre Basis zeigt zur Harnblase, ihre Spitze gegen den Beckenboden. Die Prostata besteht aus zahlreichen Einzeldrüsen, die mit vielen kleinen Ausführungsgängen in die Harnröhre münden. Das leicht saure Prostatasekret macht etwa 30 % des Spermas aus, es enthält Enzyme, welche die Beweglichkeit der Spermien erhöhen und dem Sperma seinen typischen Geruch verleihen. Die längliche Bläschendrüse (Glandula vesiculosa) liegt paarig an der Hinterseite der Harnblase und mündet in den Samenleiter, bevor dieser in die Prostata eintritt. Das Sekret der Bläschendrüsen macht 70 % des Ejakulates aus, es ist basisch und enthält Nährstoffe für die Spermien. Innerhalb der Beckenbodenmuskulatur liegt noch ein weiteres kleines Drüsenpaar, die Cowper‘schen Drüsen, welche unterhalb der Prostata in die Harnröhre münden. Ihr schleimiges Sekret soll die Harnröhre reinigen und die Eichel gleitfähig machen. 13.1.4. Glied – Penis Der Penis gehört zu den äußeren Geschlechtsorganen, er dient der Kopulation und der Harnausscheidung. Er wird in seiner gesamten Länge von der Harnsamenröhre durchzogen. Der Penis besteht aus einer Wurzel (Radix penis), dem Körper (Corpus penis) und der an der Penisspitze sitzenden Eichel (Glans penis), welche von der Vorhaut (Präputium) bedeckt ist. Er besitzt insgesamt drei Schwellkörper, einen paarigen Penisschwellkörper (Corpus cavernosum penis) an der Penisoberseite und den unpaaren Harnröhrenschwellkörper (Corpus spongiosum penis) an der Unterseite des Penis, welcher die Urethra beherbergt und an dessen Ende die Eichel sitzt. Die Penisschwellkörper sind mit - 96 - den Schambeinästen und dem Diaphragma urogenitale des Beckenbodens fest verbunden. Jeder Schwellkörper ist von einer bindegewebigen Hülle umgeben, gemeinsam liegen sie innerhalb einer Faszie. Die äußere Penishaut sitzt mit ihrer fettarmen Subcutis dieser Faszie locker verschieblich auf. Die Schwellkörper bestehen aus venösen Blutleitern, in die Blut hineingepumpt werden kann, um eine Erektion des Gliedes zu erzielen. Der Harnröhrenschwellkörper bleibt bei der Erektion weicher, damit er kein Hindernis für den Samenerguss durch die Harnröhre darstellt. 13.2. weibliche Geschlechtsorgane Auch bei den weiblichen Geschlechtsorganen lassen sich innere und äußere unterscheiden. Zu den inneren zählt man die Eierstöcke (Ovarien) die Eileiter (Tuba uterina), die Gebärmutter (Uterus) und die Scheide (Vagina). Eierstöcke und Eileiter werden zusammen als Adnexe bezeichnet, was so viel wie „Anhängsel“ des Uterus bedeutet. Die äußeren weiblichen Geschlechtsorgane (Vulva) setzen sich aus dem Scheidenvorhof (Vestibulum vaginae), den großen und kleinen Schamlippen (Labia majores et minores), dem Schamberg (Mons pubis) und dem Kitzler (Clitoris) zusammen. 13.2.1. Eierstock (Ovarium) und Eileiter (Tuba uterina) Die Eierstöcke sind die paarig angelegten Keimdrüsen der Frau, sie liegen intraperitoneal im kleinen Becken. Eierstock und auch Eileiter sind durch Bänder mit der Gebärmutter (Uterus) und der seitlichen Beckenwand verbunden. Das breite Gebärmutterband (Ligamentum latum uteri) ist eine Peritonealduplikatur, welche flächig von der Gebärmutter zur seitlichen Beckenwand zieht. Sowohl das Ovar als auch der Eileiter sind durch weitere Bänder am Ligamentum latum beweglich fixiert. Der zur Gebärmutter gerichtete Pol des Ovars ist noch über das Eierstockeigenband (Ligamentum ovarii proprium) mit der Gebärmutter und der laterale Pol über das Aufhängeband des Eierstocks (Ligamentum suspensorium ovarii) mit der seitlichen Beckenwand verbunden. Das Ovar ist ein ovales Organ von etwa 3–4 cm Länge, es liegt intraperitoneal. Unter einer bindegewebigen Organkapsel befindet sich die Rindenzone des Ovars, in welcher die Eizellen in den Follikeln heranreifen. Pro Eierstock sind beim neugeborenen Mädchen bis zu 500 000 Primärfollikel, welche die Keimzellen beinhalten, angelegt. Diese reduzieren sich bis zum 20. Lebensjahr auf etwa 200.000, ab der Pubertät reifen bis zur Menopause etwa 400 dieser Follikel heran. Im Zentrum des Eierstocks liegt die Markzone, welche im Wesentlichen aus Bindegewebe und den versorgenden Gefäßen besteht. Der Eileiter (Tuba uterina) ist ein etwa 12–15 cm langer Muskelschlauch, welcher am Oberrand des Ligamentum latum uteri von der Gebärmutter zum Eierstock verläuft. Mit der Gebärmutter ist er fest verwachsen, sein ovariales Ende ist zum Fimbrientrichter (Infundibulum) erweitert, welcher sich beim Eisprung über das Ovar stülpt, um das Ei aufzufangen und in die Gebärmutter zu befördern. Unter Fimbrien versteht man fächerförmige Fransen am freien Ende des Eileiters, welche das aus dem Eierstock entlassene Ei in die trichterförmige Öffnung des Eileiters transportieren. Die Befruchtung - 97 - des Eies durch die Spermienzelle findet im Eileiter statt, wellenförmige Bewegungen (Peristaltik) der glatten Muskulatur und das Flimmerepithel des Eileiters bewegen das Ei in Richtung Gebärmutter. 13.2.2. Gebärmutter – Uterus Der Uterus ist bei Frauen, die noch nie geboren haben, ein etwa hühnereigroßes Hohlorgan, wobei seine Muskelschicht sehr dick ist und der innere Hohlraum sehr schmal. Der Uterus befindet sich in der Mitte des kleinen Beckens, er liegt nach vorne gebogen der Harnblase auf. Bei Füllung der Harnblase richtet sich die Gebärmutter entsprechend gegen das große Becken auf. Am Uterus lassen sich der Uterusgrund (Fundus uteri), der Uteruskörper (Corpus uteri) und der Uterushals (Cervix uteri) unterscheiden. Der Fundus ist der gewölbte Anteil oberhalb der Mündungsstelle der Eileiter, die Cervix uteri der schlanke Halsteil, der sich nach oben über den inneren Muttermund (Ostium uteri internum) und nach unten über den äußeren Muttermund (Ostium uteri externum) in die Scheide öffnet. Im Frontalschnitt fällt die dreieckige Form der Uterushöhle auf, die beiden oberen Ecken repräsentieren die Mündungsstellen der beiden Eileiter, die untere Spitze des Dreiecks wird durch die Öffnung zur Scheide gebildet. Der untere Teil der Cervix ragt zapfenförmig in die Scheide (Vagina) hinein, dieser Cervixteil wird Portio uteri (Scheidenteil der Gebärmutter) genannt. Seine Öffnung ist der äußere Muttermund (Ostium uteri externum). Im Querschnitt fällt auch die dicke Muskelschicht der Gebärmutter, das Myometrium, auf, welches außen vom Peritoneum (Perimetrium) der Bauchhöhle bedeckt ist. Die Gebärmutterhöhle ist von einer zweischichtigen Schleimhaut (Endome trium) ausgekleidet, welche aus einer Basalschicht und einer Funktionsschicht besteht, wobei die Funktionsschicht die zyklischen Veränderungen während der Menstruation mitmacht und regelmäßig abgestoßen wird. Die Gebärmutter weist einen dreischichtigen Aufbau auf: Außen überzieht eine Serosa (Perimetrium) das Organ, in der Mitte liegt eine kräftige Muskelschicht (Myometrium) und innen befindet sich die Schleimhaut (Endometrium). Das Endometrium gliedert sich wiederum in eine Basalzone (Basalis), welche der Muskelschicht eng verzahnt aufliegt, und eine Funktionsschicht (Functionalis), die während der Menstruation abgestoßen wird. Das breite Mutterband (Ligamentum latum uteri) fixiert den Uterus an der seitlichen Bauchwand, an seinem oberen Rand verläuft der Eileiter vom Uterus zum Ovar. Auch die Gefäße und Nerven der inneren weiblichen Geschlechtsorgane verlaufen in diesem Band. 13.2.3. Scheide (Vagina) Die Scheide ist ein 8–10 cm langer Muskelschlauch aus glatter Muskulatur von der Portio uteri bis zu ihrer Öffnung im Scheidenvorhof am Beckenboden, welche vor dem ersten Geschlechtsverkehr vom Jungfernhäutchen (Hymen) teilweise verschlossen ist. Die Scheidenschleimhaut besteht aus einem unverhornten mehrschichtigen Plattenepithel und zeigt zahlreiche querverlaufende Falten, die durch Geburten zunehmend verstreichen. Die Vaginalschleimhaut wird neben dem abgesonderten Zervixschleim auch von einem Transsudat aus der Epithelschicht benetzt. Die Vagina dient dem ungeborenen Kind als Geburtskanal. Die bindegewebige Brücke - 98 - zwischen Scheide und Rektum, der Damm (Perineum), wird während des Geburtsvorgangs manchmal eingeschnitten, um nicht einzureißen. 13.2.4. äußere weibliche Geschlechtsorgane – Vulva Als Vulva fasst man den Schamberg (Mons pubis), die großen und kleinen Schamlippen (Labia majora et minora), den Kitzler (Clitoris) und den Scheidenvorhof (Vestibulum vaginae) zusammen. Als Schamberg (Mons pubis) bezeichnet man die Erhebung vor und oberhalb der Symphyse, welche bei der geschlechtsreifen Frau von Schamhaaren bedeckt ist. Er setzt sich nach hinten unten in die großen Schamlippen (Labia majora) fort, die den Scheideneingang bedecken und deren Haut ebenfalls Schamhaare besitzt. Die Haut der Innenseite der Schamlippen ähnelt eher einer Schleimhaut. Verdeckt von den großen Schamlippen liegen die kleinen Schamlippen (Labia minora), die als zarte dünne Hautfalten den Scheidenvorhof (Vestibulum vaginae) einrahmen. Sie treffen sich an ihren ventralen Enden im Bereich des Kitzlers (Clitoris). Die Klitoris besteht aus den paarigen Klitorisschwellkörpern (Corpora cavernosa clitoris), analog den Penisschwellkörpern. Auch sie schwellen bei sexueller Erregung an, indem ihre Venen mit Blut gefüllt werden. In den Scheidenvorhof, jenen Bereich zwischen den kleinen Schamlippen, münden vorne die Harnröhre und dahinter die Scheide nach außen. Der Scheideneingang ist bei der Jungfrau in der Regel nicht vollständig vom Jungfernhäutchen verschlossen. Die Haut der großen Schamlippen ist mit zahlreichen Duftdrüsen bestückt, im Bereich der kleinen Schamlippen sitzen am Scheidenausgang die beiden Bartholini-Drüsen zum Befeuchten der Scheide. Ihnen entsprechen die Cowper‘schen Drüsen beim Mann. 13.2.5. Brustdrüse – Mamma Die Brustdrüse sitzt den darunterliegenden Muskelfaszien verschieblich auf und lässt sich in einen Drüsenkörper und einen Fettgewebskörper, in den das Drüsenparenchym eingebettet ist, unterteilen. Die weibliche Brust macht während der Pubertät eine Wachstums- und Reifungsphase durch und unterliegt danach den hormonellen Einflüssen der weiblichen Geschlechtshormone. In der Schwangerschaft nimmt sie an Volumen zu, um nach der Geburt ausreichend Muttermilch für das zu stillende Kind sezernieren zu können. Die Milchproduktion wird durch das Hormon Prolaktin angeregt und der Milchfluss vom Oxytocin gesteuert. Der Drüsenkörper der weiblichen Brust ist in etwa 20 durch Bindegewebssepten getrennte Lappen unterteilt, wobei jeder Lappen einen Ausführungsgang (Ductus lactiferus) besitzt, der an der Brustwarze (Mamille) mündet. Die Lappen sind wiederum aus kleineren Läppchen zusammengesetzt, in denen sich zahlreiche Milchsäckchen (Alveolen) befinden, deren kleinere Milchgänge in den jeweiligen größeren Ausführungsgang eines Lappens münden. Vollständig ausgebildet werden die Milchsäckchen erst während der Schwangerschaft. Sonst überwiegen weitgehend das Bindegewebe und das Fettgewebe. Die Alveolen und die Ausführungsgänge sind mit einem kubischen Epithel ausgekleidet und von glatten Muskelzellen, welche sich zum Auspressen der Milch kontrahieren können, umgeben. Das Hormon Oxytocin entfaltet seine Wirkung an dieser glatten Muskulatur und ermöglicht den Milchfluss. Um die Brustwarze herum befinden sich zahlreiche Duftdrüsen. - 99 - 13.2.6. Geschlechtshormone Man unterscheidet Steuerhormone aus dem Hypothalamus und aus dem Hypophysenvorderlappen, welche sowohl beim Mann als auch bei der Frau die Freisetzung der Effektorhormone aus Hoden und Ovar beeinflussen. Spezielle Steuerhormone des Hypothalamus, die Gonadotropin-Releasing-Hormone (GnRH), regen den Hypophysenvorderlappen zur Sekretion des follikelstimulierenden Hormons (FSH) und des luteinisierenden Hormons (LH) an. Diese bewirken die Freisetzung des Androgens Testosteron im Hoden und der Östrogene und Gestagene im Ovar. Die unterschiedlichen Geschlechtshormone, ihr Bildungsort und ihre Wirkung Die Geschlechtshormone sind Steroidhormone, ihr Grundbaustein ist das Cholesterin. Androgene werden bei beiden Geschlechtern in der Nebennierenrinde, beim Mann zusätzlich im Hoden und bei der Frau im Ovar gebildet. Das wichtigste Androgen ist das Testosteron, welches beim Mann in einer wesentlich höheren Konzentration vorkommt als bei der Frau. Bei beiden Geschlechtern bewirkt es während der Pubertät das Körperwachstum, die Entwicklung der Skelettmuskulatur und fördert die Mineralisierung der Knochen. Ein Zuviel an Androgenen kann bei der Frau zur Vermännlichung (Virilisierung) führen. Beim Mann wird das Testosteron unter dem Einfluss des luteinisierenden Hormons (LH) in den Leydig-Zwischenzellen des Hodens gebildet. Es bewirkt während der Pubertät das Wachstum und die Reifung der primären Geschlechtsmerkmale, also des Hodens, des Nebenhodens und des Penis, und die Ausbildung der sekundären männlichen Geschlechtsmerkmale wie Bartwuchs, tiefe Stimme, Muskelwachstum und verstärkte Körperbehaarung. Es hat einen steigernden Einfluss auf das sexuelle Verlangen (Libido) und bewirkt ein aggressiveres Verhalten. Im Hoden ist es an der Reifung der Spermienzellen beteiligt. Östrogene werden unter dem Einfluss des follikelstimulierenden Hormons in den Follikelzellen der Eierstöcke und auch im Fettgewebe gebildet. Während der Schwangerschaft findet in der Plazenta die Östrogenproduktion statt. Östrogene bewirken das Heranreifen der primären und sekundären weiblichen Geschlechtsmerkmale, wie das Wachsen der weiblichen Brust in der Pubertät. Die Östrogene werden im Ovar in der ersten Zyklushälfte gebildet und bewirken das Heranwachsen der Gebärmutterschleimhaut (Proliferation), um diese für ein befruchtetes Ei vorzubereiten. Jener Anteil an Östrogenen, der im Fettgewebe (Bauchfett) entsteht, kann beim Mann im fortgeschrittenen Alter durch den relativen Testosteronmangel zu einer Verweiblichung mit einer Brustvergrößerung (Gynäkomastie) führen. Östrogene fördern das Skelettwachstum und die Härtung des Knochens und am Ende der Pubertät den Verschluss der Epiphysenfugen, sie fördern die Blutgerinnung und auch die Entstehung von Thromben und greifen in den Fettstoffwechsel und den Eiweißstoffwechsel ein. Gestagene werden vom Gelbkörper (Corpus luteum) unter dem Einfluss des luteinisierenden Hormons in der zweiten Zyklushälfte im Ovar gebildet. Das wichtigste Gestagen ist das Progesteron, es bewirkt die Einlagerung von Glukose in die Gebärmutterschleimhaut (Sekretionsphase), um Energie für das befruchtete Ei bereitzustellen. Gestagene verändern den Schleim im Gebärmutterhals, um das Durchwandern der Spermien zu ermöglichen, und sie fördern die Ausbildung der Brustdrüse. - 100 - 13.2.7. Menstruationszyklus Unter dem Menstruationszyklus versteht man den immer wiederkehrenden Aufbau der Gebärmutterschleimhaut zur Vorbereitung einer Schwangerschaft und deren Abstoßung bei Ausbleiben einer Schwangerschaft. Ein Zyklus dauert etwa 28 Tage und wiederholt sich ständig bei der nicht schwangeren, gebärfähigen Frau zwischen Pubertät und Menopause. Der Menstruationszyklus lässt sich in vier Phasen unterteilen, er beginnt am ersten Tag der Regelblutung mit der Desquamationsphase (Menstruationsphase), auf die hintereinander die Proliferationsphase, Sekretionsphase und Ischämiephase folgen, bis wiederum die neue Regelblutung beginnt. Die Menstruation läuft unter dem Einfluss der Hypophysenvorderlappenhormone FSH und LH und in der Folge des Östrogens und Progesterons aus dem Ovar ab. Der weibliche Zyklus kann entsprechend der Sekretion dieser Hormone in eine Follikelphase, eine Ovulationsphase und eine Gelbkörperphase unterteilt werden. Die Follikelphase entspricht der ersten Zyklushälfte, die Ovulationsphase dem Eisprung in der Zyklusmitte und die Gelbkörperphase der zweiten Zyklushälfte. 1. Phase – Follikelphase Unter dem Einfluss des follikelstimulierenden Hormons aus dem Hypophysenvorderlappen reifen einige Primärfollikel im Ovar zu Sekundärfollikeln heran. Im weiteren Verlauf setzt sich ein dominanter Follikel durch, welcher sich in der Folge zum Tertiärfollikel und schließlich zum sprungbereiten Graaf- Follikel weiterentwickelt. Die übrigen stimulierten Follikel gehen zugrunde. - 101 - Primärfollikel bestehen aus einer zirkulär um die zentrale Keimzelle angeordneten Reihe aus kubischen Follikelzellen. Diese Zellschichten nehmen während der Follikelreifung zum Sekundär- und Tertiärfollikel zu, bis mehrere Zellschichten um die Keimzelle angeordnet sind. Beim sprungreifen Graaf-Follikel wird innerhalb der Follikelzellschicht eine flüssigkeitsgefüllte Follikelhöhle um die Eizelle herum ausgebildet, um durch die Flüssigkeit den Druck auf die Follikelzellwand zu erhöhen. Die Follikelzellen produzieren Östrogene, welche wiederum auf die Gebärmutterschleimhaut wirken und ihre Drüsen zum Wachsen anregen. Östrogen bewirkt an der Uterusschleimhaut (Endometrium) die Proliferationsphase, die Functionalis nimmt an Höhe zu. 2. Phase – Ovulationsphase Um den 14. Zyklustag steigt die Ausschüttung des luteinisierenden Hormons aus dem Hypophysenvorderlappen sprunghaft an, wodurch im Ovar der Eisprung (Ovulation) hervorgerufen wird. Dabei platzt der Graaf-Follikel, welcher sich nun ganz dicht an der Oberfläche des Eierstocks befindet, und die Eizelle wird mit der Flüssigkeit in den Fimbrientrichter des Eileiters, welcher sich schon vorher über genau diese Stelle gelegt hat, geschleudert. Das Ei wandert nun entlang des Eileiters in Richtung Gebärmutter. MERKE!!! Im Eileiter treffen Eizelle und Spermienzelle aufeinander, die Befruchtung findet also im Eileiter statt. Eizellen sind nach dem Eisprung etwa 24 Stunden befruchtungsfähig, Spermienzellen können sogar 3–5 Tage im Körper der Frau überleben. 3. Phase – Gelbkörperphase Das nach dem Eisprung im Ovar verbleibende Follikelepithel des Graaf-Follikels baut sich zum Gelbkörper (Corpus luteum) um und beginnt seinerseits mit der Bildung des „Gelbkörperhormons“ Progesteron. Dieses bewirkt an der Uterusschleimhaut (Endometrium) eine bessere Durchblutung und die Einlagerung von Glykogen (Speicherform der Glukose) als Energiequelle für das befruchtete Ei, falls es dazu kommen sollte. Diese Phase des Menstruationszyklus heißt Sekretionsphase. Das Endometrium wird also für eine etwaige Schwangerschaft vorbereitet und Zucker für die Versorgung der befruchteten Eizelle (Zygote) bereitgestellt. Bleibt jedoch eine Befruchtung aus, bildet sich der Gelbkörper im Eierstock zurück und die Progesteronproduktion sinkt. Dadurch wird die Durchblutung der Schleimhaut des Uterus gedrosselt, die Gebärmutterschleimhaut stirbt ab (Ischämiephase) und wird ausgestoßen. Die Dequamationsphase oder Menstruationsphase eines neuen Zyklus beginnt. MERKE!! Als erster Tag des Menstruationszyklus wird der erste Tag der Regelblutung gezählt. Kommt es zu einer Befruchtung und in der Folge zu einer Schwangerschaft, dann bleibt der Gelbkörper und in der Folge die Gebärmutterschleimhaut bestehen, bis die Progesteronproduktion von der Plazenta übernommen wird. MERKE!!! Eine vollständig ausgetragene Schwangerschaft dauert 40 Wochen, wenn sie vom ersten Tag der letzten Regelblutung der Frau gerechnet wird, oder 38 Wochen, wenn sie vom letzten Eisprung und somit vom Zeitpunkt der Befruchtung berechnet wird. - 102 - Oogenese (Eireifung): Die Entwicklung der menschlichen Keimzellen (Gameten) zu befruchtungsfähigen Eizellen läuft in drei Phasen ab: Noch vor der Geburt, also während der Fetalzeit, entstehen durch Differenzierung der Urkeimzellen (Gonozyten) in den Eierstöcken die Ureizellen (Oogonien). Diese vermehren sich durch mitotische Teilung, sodass am Ende dieser Vermehrungsphase 1–2 Millionen solcher Zellen mit diploidem Chromosomensatz vorliegen. Bis zur Geburt hat sich die Anzahl der Oogonien auf etwa 700.000 bis 1 Million reduziert. In der daran anschließenden Wachstumsphase treten die Oogonien noch vor der Geburt des Mädchens in die erste Reifeteilung der Meiose ein und werden ab da Oozyten 1. Ordnung genannt. Sie verharren in diesem Stadium bis zur Geschlechtsreife (Pubertät) der Frau. Da zahlreiche Oogonien I bis zur Pubertät degenerieren, sind bis dahin nur mehr etwa 400.000 von ihnen vorhanden. Ab der Pubertät laufen weitere Schritte der Teilung und Ausreifung zur Eizelle ab, diese Phase heißt entsprechend Reifephase. In jedem Zyklus beenden einige Oozyten 1. Ordnung die 1. Reifeteilung der Meiose und werden fortan Oozyten 2. Ordnung genannt. Diese Oozyten II treten in die 2. Reifeteilung ein und meist vollendet nur eine davon diesen Schritt, indem sie von einer Spermienzelle befruchtet wird. Erst jetzt besitzt sie einen einfachen (haploiden) Chromosomensatz und wird Eizelle (Ovum) genannt. Wir erinnern uns, dass nach der 1. mitotischen Reifeteilung eine Oozyte 2. Ordnung und ein Polkörperchen und nach der 2. Reifeteilung eine Eizelle und drei Polkörperchen entstanden sind, da sich auch die Polkörperchen teilen. Die weibliche Keimzelle ist zunächst von einem Saum eines einschichtigen Follikelepithels umgeben, welches während der Wachstums- und Reifephase mehrschichtig wird und das Hormon Östrogen produziert. - 103 - 14 HARNORGANE Zu den Harnorganen zählen die Niere (Ren) und die ableitenden Harnwege. Dazu gehören der Harnleiter (Ureter), die Harnblase (Vesica urinaria) und die Harnröhre (Urethra). 14.1 Niere - Ren Die paarigen Nieren liegen jeweils retroperitoneal unterhalb des Zwerchfells und seitlich der Wirbelsäule und reichen vom 12.Brustwirbel bis zum 3. Lendenwirbel. Die rechte Niere liegt wegen der Größe der Leber etwas tiefer als die linke. Sie haben bohnenförmige Gestalt und eine braunrote Farbe. Die Nieren sind im Durchschnitt 10-12 cm lang, 4 cm dick und wiegen etwa 160g. Form, Größe und Lage sind allerdings großen individuellen Schwankungen unterworfen. Die Niere ist von einer straffen Bindegewebskapsel und einer dicken Fetthülle (Baufett) umgeben. Am medialen Nierenrand liegt der Nierenhilus oder die Nierenpforte. An ihm treten die Gefäße, Nerven und der Ureter in die Niere ein oder verlassen diese. Der Nierenhilus führt in eine größere Bucht, den Sinus renalis, in dem in Fettgewebe eingebettet das Nierenkelchsystem oder Nierenbecken liegt. 14.1.1 Feinstruktur der Niere Halbiert man die Niere, so kann man schon mit bloßem Auge nach Farbe und Struktur eine Rinden - und eine Marksubstanz unterscheiden. An der konkaven Nierenseite liegt der Nierenhilus oder die Nierenpforte, dort befinden sich das Nierenbecken, die Nierenarterie, Nierenvene, Nerven und Lymphgefäße. Das Nierenbecken - Pelvis renalis ist eine bindegewebige Struktur, die den Harn, der aus den Nierenpapillen träufelt, auffängt. Hier sammeln sich die ableitenden Harnwege zum Harnleiter. Die innere Schicht der Niere, das Nierenmark - Medulla renalis wird durch Ausläufer der Rinde, die so genannten Rindensäulen, in 8-16 kegelförmige Markpyramiden unterteilt. In ihnen laufen die geraden Anteile der Nierentubuli. An der Spitze der Markpyramiden münden die Nierenpapillen mit zahlreichen mikroskopisch kleinen Öffnungen in die Nierenkelche, welche den Harn zum Nierenbecken ableiten. Außen liegt die Nierenrinde - Cortex renalis; Ihre körnige Außenschicht besteht aus den Nierenkörperchen und den gewundenen Anteilen der Nierentubuli. MERKE!!! In der Nierenrinde befinden sich die Nierenkörperchen (Malpighi Körperchen) und die gewundenen Anteile der Nierentubuli, im Mark verlaufen die geraden Anteile (und die Henle – Schleifen) der Tubuli. Dadurch bekommt die rinde ein „gekörntes“ und das Mark ein „längsgestreiftes“ Aussehen. - 104 - Blutgefäße der Niere Die Nieren sind stark durchblutete Organe, pro Minute strömen etwa 0,75 – 1,2l Blut durch die Nieren. In 4-5 min. wird also die gesamte Blutmenge gefiltert. Das Blut durchströmt mit den Glomeruli und den Tubuluskapillaren zwei Kapillargebiete hintereinander. Nachdem das Blut von den harnpflichtigen Substanzen befreit wurde, verlässt es die Niere über die Vena renalis, die Nierenvene. Die Nierenarterie (eine rechte und eine linke) geht direkt von der Aorta ab und erreicht über den Nierenhilus die Niere. Sie teilt sich in immer kleinere Äste auf, bis sie zwei hintereinander geschaltete Kapillargebiete bildet. Aufteilung der Nierengefäße: Die Aorta gibt rechts und links je eine Nierenarterie, A. renalis, zu jeder Niere ab. Sie tritt im Nierenhilus in die Niere ein und gibt zuerst die Zwischenlappenarterien - Aa. interlobares ab. Diese laufen zwischen den Markpyramiden in Richtung Rinde und geben die Bogenarterien - Aa. arcuatae in Höhe der Pyramidenbasen ab, um die sie bogenförmig herumlaufen. Von den Bogenarterien gehen nun die Zwischenläppchenarterien - Aa. interlobulares in Richtung Nierenkapsel ab, von denen die kleinen Arteriolen (Vas afferens) zu jedem Nierenkörperchen (etwa 1 Million pro Niere) abzweigen. Sie bilden im weiteren Verlauf zwei hintereinander geschaltete Kapillarnetze (Wundernetz), das erste in den Glomeruli, das zweite umwickelt die Tubuli. Ein Vas afferens (zuleitende arterielle Kapillare) zieht zu jedem Nierenkörperchen und wird zu einem knäuelartigen Kapillargeflecht, dem Glomerulus. Es verlässt als Vas efferens (ableitende arterielle Kapillare) wieder das Nierenkörperchen. Im Glomerulus wird der unkonzentrierte Primärharn dem durchströmenden Blut abgepresst. Das Vas efferens leitet das Blut durch ein weiteres Kapillarnetz um den Tubulusapparat. Hier werden Wasser und Substanzen, die nicht ausgeschieden werden sollen, aus dem Harn wieder ins Blut rückresorbiert; dabei wird der Primärharn zum Sekundärharn konzentriert. Man bezeichnet solche Kapillarnetze in Folge als Wundernetze. Das venöse Blut sammelt sich in immer größer werdenden Venen, die die Arterien begleiten, und ergießt sich schließlich in die Nierenvenen; diese münden in die untere Hohlvene (V. cava inf.) Die Bauelemente der Niere - Nephron In beiden Nieren gemeinsam sind etwa 2,5 Millionen Nephrone vorhanden. Sie bestehen jeweils aus einem Nierenkörperchen - Malpighi Körperchen (Glomerulus + Bowman Kapsel) und dem zugehörigen Harnkanälchensystem mit proximalem, intermediärem und distalem Tubulus. Das Verbindungsstück leitet über zu den Sammelrohren. Letztere münden an den Papillen der Markpyramiden und geben den Harn ins die Nierenkelche ab. Jedes Nierenkörperchen besteht aus einem Kapillarknäuel - Glomerulus, und einer umhüllenden Kapsel - der Bowman Kapsel mit einem inneren und einem äußeren Blatt. Aus dem Blut wird nun das Glomerulusfiltrat - der Primärharn in den Raum zwischen den beiden Blättern der Bowman Kapsel gepresst. Das Glomerulusfiltrat besteht aus Wasser, Ionen und kleinen Molekülen in gleicher Konzentration wie das Blutplasma. Größere Teilchen wie Blutzellen und Eiweißmoleküle können nicht durch die Poren der Bowman Kapsel durchtreten. (Filtration) - 105 - Tubulusapparat - Harnkanälchen: Der Tubulusapparat besteht aus proximalem Tubulus, der Henle Schleife und distalem Tubulus; durch Rückresorption von Wasser und Elektrolyten und durch Sekretion von Stoffwechselprodukten wird hier der Sekundärharn gebildet. Vas efferens Vas afferens Filtration des Primärharns Gefäßknäuel proximaler Tubulus: Natrium Wasser Wasser Natrium m aktive Rückresorption von Elektrolyten, Glukose, Resteiweißen, Wasser 14.1.2 Funktion der Niere Die Nierenkörperchen sind Filterstationen. Die Glomeruluswand lässt nur Flüssigkeit und kleine Moleküle durch, wodurch etwa 1/10 der durch die Niere fließenden Flüssigkeitsmenge (ca. 1500l Blut/Tag) als Primärharn (ca.150 - 170l/Tag) dem Blut abgepresst wird. Dieser gelangt in den von der Bowman Kapsel umgebenen Kapselraum und so in die Nierentubuli. Das Tubulussystem wird von einem weiteren Kapillarnetz umsponnen, wodurch ein Austausch zwischen Blut - und Harnsystem möglich wird. So saugt das vorher eingedickte Blut in den Kapillaren rund 99% des Primärharns wieder in das Kapillarsystem zurück. Elektrolyte und kleinmolekulare Stoffe werden mit der Flüssigkeit teilweise rückresorbiert. Was übrig bleibt bezeichnet man als Sekundärharn (ca. 1,5 2l/Tag). Filtration des Primärharns Die Filtration des Primärharns findet in den Nierenkörperchen der Nierenrinde statt. Die Menge des Primärharns beträgt bei durchschnittlicher Flüssigkeitszufuhr ca. 150 - 180 Liter pro Tag. Für die Filtration ist in der Kapillare des Glomerulums ein Blutdruck von etwa 50 mmHg notwendig, um das Blutplasma durch das innere Blatt der Bowman-Kapsel zu pressen; die größeren Blutbestandteile (Blutzellen und große Eiweiße) verbleiben jedoch im Blutgefäß zurück (Filtration). Der Primärharn entspricht daher einem nahezu proteinfreien - 106 - Ultrafiltrat. Der Gegendruck aus dem Kapselraum der Bowman-Kapsel beträgt etwa - 15 mmHg ("Kapseldruck"), der kolloidosmotische Druck der großen Eiweißmoleküle im Blut beträgt etwa - 25 mmHg. Bei einem starken Blutdruckabfall sinkt auch der Filtrationsdruck, was zu einem akuten Nierenversagen führen kann. Der Kapseldruck und der kolloidosmotische Druck wirken dem Blutdruck entgegen. Somit ergibt sich in der Bowman-Kapsel ein effektiver Filtrationsdruck von etwa 10 mmHg. Bei einem Blutdruckabfall kommt es zur Ausschüttung von Renin aus den Zellen des juxtaglomerulären Apparates und einer Aktivierung des Renin-Angiotensin-AldosteronSystems und dadurch zu einem Anstieg des Filtrationsdrucks. Bildung des Sekundärharns Vor allem im proximalen Tubulusabschnitt kommt es nun zu einer aktiven Rückresorption von Elektrolyten, Glukose und Resteiweißen aus dem Tubulus ins Blut und einer passiven (durch den kolloidosmotischen Druck) Rückresorption von Wasser ins Blut. Ist jedoch zuviel von einem Stoff (z.B. Glukose beim Diabetes mellitus) im Primärharn vorhanden und wird so die Nierenschwelle überschritten, kann nicht mehr alles ins Blut rückresorbiert werden und wird somit mit dem Harn ausgeschieden (Glukosurie). Zusätzlich findet eine aktive Sekretion von Harnstoff, Harnsäure, Kreatinin, Aminosäuren und Elektrolyten aus dem Blut in das Tubulussystem statt. Durch diesen ersten Konzentrationsschritt wird das Volumen des Primärharns auf durchschnittlich 18 - 20 Liter pro Tag reduziert. In der Folge laufen in der Henle'schen Schleife und in den Sammelrohren weitere Konzentrationsschritte ab und der Sekundärharn wird gebildet. Wesentlich für diese Konzentrationsvorgänge ist die Tatsache, dass der absteigende Teil der Henle-Schleife für Wasser durchlässig ist, der aufsteigende Teil nicht. Im aufsteigenden Teil der Henle-Schleife werden Natrium-Ionen aktiv aus dem Harn in das benachbarte Interstitium - und so in das Kapillarsystem - transportiert. Daher steigt die Natriumkonzentration im Interstitium und entzieht dem Harn über den parallel verlaufenden wasserdurchlässigen absteigenden Teil der Henle Schleife Wasser, wodurch der Harn zunehmend konzentrierter wird. Dieses Prinzip der Harnkonzentrierung wird als Gegenstromprinzip bezeichnet. Autoregulation (Selbtsregulation) der Nierendurchblutung 1500l Blut werden täglich durch die Nieren gepumpt. Um die glomeruläre Filtration zu gewährleisten, muss der glomeruläre Blutdruck (hydrostatischer Druck) von 50 mm Hg aufrecht erhalten bleiben. Dies geschieht durch Autoregulation (Selbststeuerung) der Nierengefäße, die durch glatte Muskelzellen ihre Weite regulieren können. Zusätzlich ist das Renin- Angiotensin-System an dieser Autoregulation beteiligt. Bei zu hohem oder zu niedrigem Blurdruck funktioniert diese Autoregulation nicht mehr! Sinkt der systemische Blutdruck systolisch unter 80 mm Hg kommt es in der Folge zur Oligurie (stark eingeschränkte Harnmenge) oder sogar zur Anurie (keine Harnproduktion). Die Gefahr einer Minderdurchblutung der Niere besteht vor allem beim Schock. Steigt der systemische Blutdruck über 180 mm Hg kommt es zur Druckdiurese mit Ausscheidung großer Mengen unkonzentrierten Harns. - 107 - Pro Tag werden etwa 170l Primärharn gebildet, jedoch nur etwa 1,5 l Sekundärharn ausgeschieden. Im proximalen und distalen Tubulus kommt es zur Rückresorption lebenswichtiger Stoffe, die nicht über den Harn ausgeschieden werden sollen: Chlorid, Natrium, Kalium, Kalzium, Bicarbonat, Aminosäuren, Glukose Die Resorption von Wasser erfolgt hauptsächlich im distalen Tubulus und in den Sammelrohren und wird durch das Hormon Adiuretin und Aldosteron gesteuert. Wird jedoch ein Schwellenwert an Substanzen im Harn überschritten, so wird der überschüssige Anteil der Substanz, der nicht mehr rückresorbiert werden kann, mit dem Sekundärharn ausgeschieden. (Beispiel: Glukosurie beim Diabetes mellitus). Reguliert wird die Wasserrückresorption, neben dem Aldosteron aus der Nebennierenrinde, durch das Hormon Adiuretin oder antidiuretischem Hormon (ADH), das aus dem Hypophysenhinterlappen ins Blut abgegeben wird. ADH bewirkt, dass mehr Wasser aus den Sammelrohren in das Blut rückresorbiert wird. Fehlt dieses Hormon oder ist es nicht in ausreichender Menge vorhanden, so entsteht das Krankheitsbild des Diabetes insipidus, bei dem die Betroffenen täglich bis zu 20 Liter Flüssigkeit ausscheiden. Aktive Filtration oder tubuläre Sekretion beschleunigt die Ausscheidung verschiedener Substanzen. Mit Hilfe der tubulären Sekretion wird hauptsächlich die schnelle Ausscheidung von körperfremden Stoffen gewährleistet. Dazu gehören z. B. auch Medikamente wie Penizillin und andere toxische Substanzen. Auch körpereigene Abbauprodukte wie die Harnsäure, Harnstoff, Ammoniak werden so beschleunigt ausgeschieden. Urinbestandteile Physiologisch: 95-98% Wasser, Harnstoff (Eiweißstoffwechsel) Harnsäure Kreatinin (Muskelstoffwechsel) organische Säure (Zitronen- und Oxalsäure) Hormone wasserlösliche Vitamine organische und anorganische Salze, Farbstoffe (Urobilinogen, Urochrome) Pathologisch: Zucker = Glukosurie (Diabetes) Eiweiß = Proteinurie (Harnwegsinfekt) Bakterien = Bakteriurie (Urogenitalinfektion) Ketonkörper = Ketonurie (Diabetes) Blut = Hämaturie (Defekt/Infektion Urogenitalsystem) Leukozyten = Leukozyturie (Infektion Urogenitalsystem) - 108 - 14.1.3 Juxtaglomerulärer Apparat Die Zellen des juxtaglomerulären Apparates gehören zum endokrinen Anteil der Niere und dienen renalen und extrarenalen Regulationsvorgängen. Er besteht aus mehreren Anteilen, wie dem Polkissen, epitheloide Zellen im Vas afferens, die das Hormon Renin produzieren. Bei Blutdruckabfall wird Renin ausgeschüttet, dieses bewirkt die Umwandlung von Angiotensinogen in Angiotensin I und Angiotensin II und wirkt vasokonstriktorisch und somit steigernd auf den Blutdruck. Zusätzlich setzt es in der Folge Aldosteron frei, welches durch vermehrte Wasserrückresorption ebenfalls den Blutdruck erhöht. Weitere endokrine Zellen findet man in der Macula densa. Der Tubulus berührt das Vas afferens und efferens am oberen Pol des Nierenkörperchens. An dieser Stelle ist das Epithel des Tubulus erhöht, es bildet die Macula densa. Sie ist ein Sensor für die Natrium Konzentration im Tubulus. Natrium - Erhöhung hemmt die Reninfreisetzung. Mesangiumzellen sind modifizierte Muskelzellen, die zwischen Macula densa und Nierenkörperchen liegen. Sie regulieren die Nierendurchblutung. Aufgaben des juxtaglomerulären Apparates sind die Bildung des Hormons Renin, Phagozytose, Autoregulation der Nierendurchblutung, Blutdruckregulation und Steuerung der glomerulären Filtrationsrate. In der Niere wird zusätzlich das Hormon Erythropoetin gebildet, das die Erythrozytenproduktion im roten Knochenmark anregt. In der Niere erfolgt auch die Umwandlung von Vitamin D in das aktive Vitamin D - Hormon. 14.2 Ableitende Harnwege 14.2.1 Nierenbecken Das Nierenbecken ist ein bindegewebiges Säckchen, das im Nierensinus liegt und den Nierenhilus nach außen etwas überragt. Die Sammelrohre vereinigen sich zu den Papillengängen, die an den Nierenpapillen an den Spitzen der Markpyramiden münden. Der Harn träufelt aus den Nierenpapillen in die Nierenkelche, die den Harn ins Nierenbecken und in der Folge in den Harnleiter weiterleiten. 14.2.2 Harnleiter - Ureter Der Harnleiter verbindet das Nierenbecken mit der Harnblase. Es handelt sich um einen etwa 30-35 cm langen, muskulären Schlauch mit einem Durchmesser von ungefähr 7 mm. Er verläuft retroperitoneal nach unten ins Becken, wo er von hinten die Harnblase erreicht. 14.2.3 Harnblase - Vesica urinaria Die Harnblase ist ein muskulöser Sack aus glatter Muskulatur, der für die Speicherung und Entleerung des Harns verantwortlich ist. Sie liegt subperitoneal im kleinen Becken und wird im leeren Zustand von den Baucheingeweiden zusammengedrückt. Bei zunehmender Füllung nimmt sie eine kugelige Form an. Funktionell wichtig ist das sogenannte Blasendreieck - Trigonum vesicae, das von den Uretermündungen und dem - 109 - Ursprung der Urethra - Harnröhre gebildet wird. Sie fasst etwa 350 – 800 ml Harn. Die Harnblase besitzt einen inneren, unwillkürlichen, von glatter Muskulatur gebildeten, und einen äußeren willkürlichen, von quergestreifter Beckenbodenmuskulatur gebildeten, Schließmuskel - Sphinkter vesicae. Die Schleimhaut der ableitenden Harnwege besitzt ein besonderes Epithel. Das urothel. Dieses mehrreihige Epithel ist gut dehnbar, wodurch die Füllung der Harnblase ermöglicht wird. 14.2.4 Harnröhre - Urethra Die Harnröhre ist der Ausführungsgang der Harnblase. Beim Mann ist die Harnröhre etwa 18–20 cm lang. Nach Einmündung der Samenleiter wird sie als Harnsamenleiter bezeichnet, durchzieht den Penis und mündet an dessen Spitze nach außen. Die Harnröhre der Frau ist nur 3–5 cm lang und mündet in den Scheidenvorhof. - 110 - 15 DAS VERDAUUNGSSYSTEM Der Verdauungstrakt gleicht einem durchgehenden Rohr, das vom Mund bis zum After reicht und dessen Abschnitte dementsprechend teilweise im Kopf, Hals, Brustraum, Bauchraum und Becken liegen. Die Verdauung wird durch Sekrete, die von zahlreichen Drüsen entlang dieses Rohres abgegeben werden, unterstützt. Der Speisebrei (Chymus) wird durch Bewegungen dieses Muskelschlauches ständig durchmischt und weitertransportiert (Peristaltik). 15.1 Mundhöhle - cavitas oris Die Mundhöhle bildet den Anfangsteil des Verdauungstraktes und wird in die eigentliche Mundhöhle – Cavitas oris propria und in den Vorhof der Mundhöhle – Vestibulum oris unterteilt. Innerhalb der Mundhöhle findet man die Zunge (Lingua), die Kopf - oder Mundspeicheldrüsen (Glandula salivaria) und die Zähne (Dens). Begrenzungen der Mundhöhle: vorne und seitlich die mit Zahnfleisch bedeckten Alveolarfortsätze des Ober,- und Unterkiefers und die Zähne oben harter und weicher Gaumen unten Mundbodenmuskulatur hinten steht sie durch den Isthmus faucium mit dem Rachen in Verbindung Begrenzungen des Mundhöhlenvorhofes: vorne die Lippen seitlich die Wangen hinten und medial die Alveolarfortsätze und Zähne 15.1.1 Zunge - Lingua Die Zunge wird in einen hinteren, fest mit seiner Umgebung verwachsenen, unbeweglichen Anteil, die Zungenwurzel (Radix linguae) und in einen vorderen, gut beweglichen Anteil, den Zungenkörper ( Corpus linguae) unterteilt. Die beiden Anteile gehen ohne scharfe Grenze ineinander über. Die Zunge ist durch das Zungenbändchen (Frenulum) am Mundboden fixiert. Aufbau der Zunge: Als Grundlage der Zunge dient ein kräftiger quergestreifter Muskel, der von einer sehr differenzierten Schleimhaut überzogen wird. Diese Schleimhaut sitzt dem Muskelkörper fest auf und zeigt an ihrer Oberfläche mehrschichtig unverhorntes Plattenepithel und zahlreiche Papillen: - Fadenförmige Papillen: in ihnen liegen zahlreiche Tastkörperchen und sie können Tastempfindungen mit etwa 1,5 facher Vergrößerung vermitteln. Sie besitzen keine Geschmacksknospen. - Pilzförmige Papillen: sie liegen besonders an der Zungenspitze und am Zungenrand und zeigen eine glatte kuppelförmige Oberfläche. Sie dienen dem Geschmacksempfinden und besitzen Thermorezeptoren (Temperaturempfinden). - 111 - - Blattförmige Papillen: sie liegen am hinteren seitlichen Rand der Zunge und enthalten Geschmacksknospen. Wallpapillen: liegen am Übergang des Zungenkörpers zur Zungenwurzel. Aufgaben der Zunge: die Zunge erfüllt mechanische -, Tast - und Transportfunktionen beim Kauen und Schlucken der Nahrung. Zusätzlich erfüllt sie wichtige Aufgaben beim Schmecken und Sprechen. Die Geschmacksknospen können süß, sauer, salzig, bitter und umami schmecken. 15.1.2 Kopfspeicheldrüsen Sie sind durch Aussprossungen aus dem Epithel der Mundhöhle entstanden und stehen über Ausführungsgänge mit ihrem Ursprungsort, der Mundhöhle, in Verbindung. Man unterscheidet drei große Kopfspeicheldrüsen, die Ohrspeicheldrüse, die Unterkieferdrüse und die Unterzungendrüse. Zusätzlich gibt es zahlreiche kleine Drüsen, die überall in der Mundschleimhaut zu finden sind. Funktionen der Speicheldrüsen: Enzymatische Aufspaltung der Stärke durch das Enzym Alpha- Amylase, Reinigung der Mundhöhle, Schutzfunktion, Lösungsmittel. Zusätzlich wird die Nahrung durch Schleimstoffe transportfähig gemacht. Pro Tag wird etwa 1Liter Speichel produziert. Der Speichel ist eine farblose Flüssigkeit, die aus Wasser, Mukoproteinen, Enzymen, Ionen und Immunglobulinen besteht. Mechanische, chemische, olfaktorische (Geruch) und psychische Reize stimulieren die Speichelsekretion. Ohrspeicheldrüse – Glandula parotis Sie ist die größte Kopfspeicheldrüse und liegt vor und unterhalb des Ohres. Sie ist eine rein seröse Drüse und mündet mit ihrem Ausführungsgang (Ductus parotideus) in den Mundhöhlenvorhof (Vestibulum oris) gegenüber dem 2. oberen Backenzahn. Unterkieferdrüse – Glandula submandibularis Sie liegt unterhalb der Mundbodenmuskulatur und mündet gemeinsam mit der Unterzungendrüse auf einer warzenförmigen Erhebung beidseits des Zungenbändchens. Unterzungendrüse – Glandula sublingualis Diese Drüse liegt auf der Mundbodenmuskulatur direkt unter der Schleimhaut des Mundbodens und mündet einerseits mit der Unterkieferdrüse, andererseits mit zahlreichen kleinen Ausführungsgängen beiderseits der Zunge. Klinik: Durch verminderten Speichelfluss (Elektrolytverschiebung, erhöhte Viskosität) kann es zur Ablagerung von Speichelsteinen kommen: Sialolithiasis 15.1.3 Der Zahn (Dens) Beim Menschen haben sich auf Grund der Ernährung unterschiedliche Zahngruppen ausgebildet. Es findet ein einziger Zahnwechsel statt, wobei die Schneide- und Eckzähne - 112 - und die vorderen Backenzähne Ersatzzähne sind und die hinteren Backenzähne so genannte Zuwachszähne sind. Aufbau des Gebisses: Das Gebiss wird, neben der Trennung in Ober- und Unterkieferbezahnung, in je eine spiegelsymmetrische rechte und linke Kieferhälfte eingeteilt. Daraus ergibt sich ein Gebissschema mit vier Quadranten. Zahnformel: Das Gebiss kann auf Grund seiner Symmetrie zur Zahnformel reduziert werden, wobei nur mehr die Zähne eines Quadranten bezeichnet werden. Das Milchgebiss besteht aus 20 Zähnen, also 5 Milchzähnen in jedem Quadranten und das vollständige Dauergebiss aus 32 Zähnen, also 8 in jedem Quadranten. Schneidezahn: Incisivus Eckzahn: Caninus Vorderer Backenzahn: Prämolar hinterer Backenzahn: Molar Durchbruch des Milchgebisses: Zwischen dem 6. LM und dem 3. LJ treten die Milchzähne durch. Durchbruch des Dauergebisses: Als erstes bricht der 1. Molare durch (6-Jahres-Molar), danach wechseln bis zum 12. LJ die Milchzähne. Abschließend brechen der 2. und 3. Molar durch. Aufbau des Zahnes: An jedem Zahn können eine Zahnkrone, ein Zahnhals, eine Zahnwurzel, eine Zahnhöhle und eine Zahnpulpa unterschieden werden. Außerdem besteht jeder Zahn aus den 3 Hartsubstanzen – Zahnschmelz, Zahnbein und Zahnzement. Die Zahnkrone ist jener Anteil, der aus dem Zahnfleisch herausragt. Er ist vom Zahnschmelz überzogen. Die Wurzel steckt in einer Vertiefung der Kieferknochen (Alveole) und ist von Zahnzement umgeben. Der Zahnhals ist das schmale Stück an dem Schmelz und Zement aneinanderstoßen. Im Inneren des Zahnes findet man die Pulpahöhle, die sich in den offenen Wurzelkanal, durch den Nerven und Gefäße durchtreten, fortsetzt. Sie ist von der Zahnpulpa – lockeres Bindegewebe mit Gefäßen und Nerven – ausgefüllt. Substanzen, aus denen der Zahn aufgebaut ist: - Schmelz, Enamelum: ist die härteste Substanz des Körpers und besteht aus Kalksalzen mit Spuren von Fluor. Durch Bakterien und Fruchtsäuren wird er angegriffen und es kommt zu Karies oder Erosionen. Zahnschmelz kann nicht neu gebildet werden! - Zahnbein, Dentin: ist eine knochenähnliche Substanz und bildet den Hauptanteil des Zahnes, wobei sie die Pulpahöhle und den Wurzelkanal umgibt. - Zahnzement, Cementum: ähnelt ebenfalls dem Knochen und umgibt das Wurzeldentin. Es gehört eigentlich zum Zahnhalteapparat. - 113 - Zahnhalteapparat: dazu gehören alle Strukturen, welcher der Verbindung des Zahnes mit dem Kieferknochen dienen: Zahnfleisch, Wurzelhaut, Zahnzement, Alveolarknochen. 15.2 Der Gaumen Wir unterscheiden einen harten Gaumen (Palatum durum) und einen weichen Gaumen (Palatum molle). Der harte Gaumen stellt eine Knochenplatte dar und setzt sich aus den Gaumenfortsätzen des Oberkiefers (Processus palatinus) und den Gaumenbeinen (Ossa palatina) zusammen, die durch Nähte kreuzförmig miteinander verbunden sind. Hinten schließt sich der weiche Gaumen, auch Gaumensegel genannt, an. Er besteht aus einem Bindegewebsgerüst, an dem 5 Muskeln ansetzen. Als Schlundenge (Isthmus faucium) wird der Übergang von der Mundhöhle in den Rachen bezeichnet. Sie wird seitlich von den Gaumenbögen und unten von der Zunge begrenzt. 15.3 Der Rachen - Pharynx Der Pharynx ist ein muskulärer beweglicher Muskelschlauch, der vor der Halswirbelsäule von der Schädelbasis bis zum 6. Halswirbel reicht, wo er in den Oesophagus übergeht. Er hat eine breite Verbindung zur vor ihm liegenden Nasenhöhle (Nasopharynx), zur Mundhöhle (Oropharynx) und zum Kehlkopfeingang (Laryngopharynx). Seine Länge beträgt etwa 12 – 15cm. Die Pharynxwand besteht aus inneren ringförmigen und äußeren längsverlaufenden, quergestreiften Muskeln, der die Schleimhaut locker aufsitzt. Der Schluckakt läuft in drei Phasen ab, wobei die erste, orale, Phase willkürlich beeinflusst wird, die anderen beiden Phasen, die pharyngeale und oesophageale, unwillkürlich, reflektorisch ablaufen. In der ersten Phase wird der zerkaute Bissen durch die Zunge in Richtung Rachen befördert (orale Phase). Dort angekommen wird der Schluckreflex ausgelöst, wobei das Gaumensegel die Nasenhöhle, der Zungengrund die Mundhöhle und der Kehldeckel die Luftröhre verschließen (pharyngeale Phase). So kann der Bissen durch den Kehlkopf in die Speiseröhre befördert werden, wo er dann durch wellenförmige Kontraktionen (Peristaltik) weiterbefördert wird (oesophageale Phase). 15.4 Die Speiseröhre - Ösophagus Die Speiseröhre ist ein 23-26 cm langer Muskelschlauch, der den Pharynx mit dem Magen verbindet. Sie beginnt am unteren Rand des Ringknorpels mit dem Ösophagusmund, verläuft vor der Wirbelsäule abwärts und geht vor dem 11. - 12. Brustwirbelkörper am Magenmund, der Kardia, in den Magen über. Man unterscheidet einen Hals- einen Brustund Bauchteil und drei Engen. Die 1.Enge liegt 15 cm von den Zahnreihen entfernt und ist die engste Stelle des Ösophagus. Sie entspricht dem Ösophagusmund. Dieser ist nur für Instrumente bis etwa 24mm Dicke durchgängig. Darauf folgt die 1. Weite. - 114 - An der 2.Enge legt sich der Aortenbogen und der linke Hauptbronchus an den Ösophagus (Aortenenge). Daran schließt die 2. Weite an. Die 3.Enge liegt etwa 3cm über der Kardia. Sie entsteht durch die hier besonders ausgeprägte Ringmuskulatur des Ösophagus. Sie heißt Zwerchfellenge, obwohl sie nicht durch das Zwerchfell gebildet wird. Die Ösophaguswand weist die für den gesamten Rumpfdarm gültige Schichtung in Tunica mucosa, muscularis und adventitia (serosa) auf. Die Speiseröhre ist von einem mehrschichtig unverhornten Plattenepithel überzogen, die Muskelschicht besteht wiederum aus einer inneren ringförmigen und einer äußeren längsverlaufenden Lage. Eine Adventitia verbindet das Organ locker mit seiner Umgebung. Funktion: An ihrem oberen und unteren Ende besitzt der Oesophagus zwei funktionelle Schließmuskel, einen oberen und einen unteren Oesophagussphinkter. Diese sind einerseits Voraussetzung für den regelrechten Nahrungstransport während des Schluckaktes, andererseits notwendig, damit kein Mageninhalt zurück in die Speiseröhre gelangt, denn der Magensaft ist für die Ösophagusschleimhaut zu aggressiv. Durch wellenförmiges Zusammenziehen der Ösophagusmuskulatur wird feste Nahrung in weniger als 10 sec., flüssige Nahrung in etwa 1 sec. in den Magen befördert. 15.5 Das Bauchfell - Peritoneum Das Bauchfell oder Peritoneum ist eine spiegelnd glatte Schleimhaut, die (wie die Pleura oder das Perikard) aus einer inneren Schicht, dem Peritoneum viscerale und einer äußeren Schicht, dem Peritoneum parietale, besteht. Das Peritoneum parietale überzieht die Innenseite der Bauchhöhle und schlägt dann als Peritoneum viscerale auf die, in der Bauchhöhle liegenden, Organe um. Die Umschlagstellen zwischen visceralem und parietalem Blatt bilden, beidseitig von Peritoneum viscerale überzogen, Peritonealduplikaturen (Bänder oder Stiele), die von der Bauchwand zu den Organen laufen. In ihnen liegen die versorgenden Gefäße, Nerven und Lymphbahnen. 15.5.1 Organe und Räume im Bauchraum Im Bauchraum findet man drei voneinander getrennte Räume: Bauchhöhle oder Peritonealhöhle: in ihr liegen die von Peritoneum viscerale vollständig umhüllten Organe. Ein Flüssigkeitsfilm ermöglicht das reibungsfreie Gleiten dieser Organe. Intraperitoneal liegen folgende Organe: Magen, Leber, Gallenblase, Jejunum, Ileum, Blinddarm mit Wurmfortsatz, Colon transversum, Milz, Eileiter und Ovarien Retroperitonealraum: er ist ein bindegewebiger Raum hinter der freien Bauchhöhle, seine Organe sind nur an ihrer Vorderfläche von Peritoneum überzogen. Retroperitoneal liegen: Duodenum, Pankreas, Colon ascendens und desvendens, Nieren Extraperitonealraum: seine Organe haben keine Beziehung zum Peritoneum dazu gehören: Colon sigmoideum, Rektum - 115 - 15.5.2 Omentum majus Das Omentum majus („großes Netz“) ist eine von Bauchfell (Peritoneum) überzogene fettund bindegewebsreiche Struktur, die von der großen Kurvatur des Magens und dem quer verlaufenden Teil des Dickdarms (Colon transversum) schürzenartig herabhängt und die Dünndarmschlingen normalerweise vollständig bedeckt. Es beinhaltet eine große Anzahl an Makrophagen und Lymphozyten, welche bei Entzündungen vor einer Peritonitis schützen sollen. Außerdem spielt es eine Rolle bei der Fettspeicherung im Bauchraum. 15.6 Der Magen - Ventriculus, Gaster Der Magen stellt die größte Ausweitung des Verdauungstraktes dar. Er schließt unterhalb des Zwerchfelles an den Ösophagus an und zeigt je nach Füllung und Geschlecht unterschiedliche Formen. So steht er bei Frauen etwas steiler und tiefer als bei Männern. Der Magen fasst durchschnittlich 1,5l, passt sich jedoch den Essgewohnheiten an. Er liegt zu 2/3 im linken Oberbauch und wird zum größten Teil vom linken Rippenbogen und der Leber verdeckt. Der Magen lässt sich in vier Abschnitte unterteilen und geht am Pförtner in den Zwölffingerdarm über. Abschnitte des Magens: - Cardia – Magenmund: schließt an den Oesophagus an - Fundus – Magengrund: links von der Cardia gelegener (luftgefüllter) Blindsack unter der Zwerchfellkuppel - Corpus – Körper: Haupptteil des Magens, verengt sich vom Fundus in Richtung Pylorus - Antrum – Vorraum des Pförtners: ist durch eine seichte Einschnürung vom Corpus abgesetzt - Pylorus - Pförtner : springt gegen das Mageninnere als derber Wulst vor und grenzt ihn als M. sphincter pylori (Schließmuskel) gegen das Duodenum ab. 15.6.1 Feinbau des Magens: Der Magen besitzt wie das übrige Darmrohr drei Schichten: Tunica mucosa Schleimhautschicht, Tunica muscularis - Muskelschicht, Tunica serosa - Peritoneum (oder Adventitia bei Organen, die nicht "frei" in der Bauchhöhle liegen). Zwischen diesen Schichten liegen bindegewebige Verschiebeschichten, eine Tela subserosa und eine Tela submucosa. Tunica mucosa Die Magenschleimhaut besteht aus einem einschichtigen hochprismatischen Epithel, dessen Zellen den Magenschleim bilden, der vor Selbstverdauung schützt. Die Schleimhaut bildet zahlreiche verstreichbare Schleimhautfalten, um die Dehnung bei der Magenfüllung zu ermöglichen. Auf der Schleimhautoberfläche sieht man mikroskopisch kleine Öffnungen, die Foveolae gastricae, der Magendrüsen. Diese findet man hauptsächlich im Fundus - und Corpusbereich. - 116 - Diese Drüsen der Magenschleimhaut werden von 4 Zellarten gebildet: - Hauptzellen: sie bilden Pepsinogen, das durch die Salzsäure in das eiweißspaltende Pepsin umgewandelt wird. Pepsin baut Eiweiße zu den Peptiden ab. - Belegzellen: sie bilden die Salzsäure und den für die Blutbildung notwendigen „intrinsic – factor“. Die Salzsäure aktiviert das Pepsinogen zum wirksamen Pepsin und wirkt zusätzlich bakterientötend. Der Intrinsic Faktor ist gemeinsam mit dem „Extrinsic Faktor“ (= Vit.B12) aus der Nahrung für die Blutbildung notwendig. Mangel: perniziöse Anämie - Nebenzellen: erzeugen Schleim und dienen der Regeneration des oberflächlichen Epithels und der Drüsenzellen. - Pylorusdrüsen – G-Zellen: bilden Gastrin, das die Magensaftsekretion fördert. Enteroendokrine Zellen erzeugen verschiedenen Wirkstoffe wie Histamin, Glukagon,… (erreichen ihren Wirkort über das Blut)) Tunica muscularis Diese Schicht besteht aus drei Muskelschichten, die unterschiedlichen Verlauf zeigen, um sich dem Füllungsgrad anzupassen und durch Peristaltik den Mageninhalt zu durchmischen und weiterzubefördern. Tunica serosa Der Magen ist vollständig von Peritoneum viscerale umhüllt. Funktion: Der Magen hat mechanische und chemische Aufgaben. Im Magen geht die in der Mundhöhle begonnene Verdauung weiter und der Speisebrei, Chymus, wird mittels peristaltischer Wellen Richtung Pylorus transportiert. Gemischte Kost ist beim Gesunden bis zu 4 Stunden im Magen nachweisbar und es werden täglich 1,5 bis 2,5l Magensaft für die Verdauung produziert. In Ruhe wird ein muköser Schleim produziert, der die Schleimhaut vor den aggressiven und sauren Substanzen des Magensaftes schützt. 15.7 Der Darm - Intestinum Der Darm wird in den Dünndarm (Intestinum tenue) und in den Dickdarm (Intestinum crassum) unterteilt. Die Darmwand hat im Großen und Ganzen einen einheitlichen Aufbau, der hier besprochen werden soll. Die Darmwand besteht aus 3 Hauptschichten (Tunica) und 2 Zwischenschichten (Tela) die sich von innen nach außen in folgender Reihenfolge aneinanderlegen: 1. Tunica mucosa 2. Tela submucosa 3. Tunica muscularis 4. Tela subserosa 5. Tunica serosa - 117 - 15.7.1 Aufbau der Darmwand Tunica mucosa – Mukosa: innerste Schleimhautschicht; sie weist ein einschichtiges, hochprismatisches Epithel mit Becherzellen auf. Die Schleimhaut weist in den unterschiedlichen Darmabschnitten folgende Unterschiede auf: Duodenum (Zölffingerdarm): - ringförmig verlaufende Falten = Kerckring - Falten - Zotten: fingerförmige, ca. 1mm hohe Ausstülpungen - Lieberkühnsche Krypten: drüsige Einstülpungen - Brunner Drüsen, die eigentlich schon in der Tela submucosa liegen - einzelne Lymphfollikel Jejunum (Leerdarm): - Kerckring-Falten - Zotten - Lieberkühn-Drüsen - Einzelne Lymphfollikel Ileum (Krummdarm): - Zotten - Lieberkühn-Drüsen - Ansammlungen von Lymphfollikel = Peyer- Plaques Colon (Grimmdarm): - Lieberkühn -Drüsen - einzelne Lymphfollikel - keine Zotten mehr Appendix vermiformis (Wurmfortsatz): wie Colon, aber ausgeprägte Peyer-Plaques (Lymphfollikel) Tela submucosa - Submukosa: lockere bindegewebige Verschiebeschicht mit einem ausgeprägten Netz von Blut - und Lymphgefäßen und Nerven. Sie liegt zwischen der Schleimhaut und der Muskelschicht. Tunica muscularis – Muscularis: besteht aus einer äußeren Längsmuskelschicht und einer inneren Ringmuskelschicht. Dazwischen liegt ein Nervengeflecht. Sie ermöglicht die Bewegungen des Darmrohres zur Durchmischung und Weiterbeförderung des Speisebreies (Peristaltik). Die Darmmuskulatur besteht aus glatter Muskulatur und arbeitet unwillkürlich. Tela subserosa – Subserosa: Bindegewebsschicht zwischen Muskulatur und Serosa. Tunica serosa – Serosa: Bauchfell, also Peritoneum viscerale. Dort wo es nicht vorhanden ist, ist der Darm durch eine so genannte Adventitia mit seiner Umgebung verbunden. 15.8 Der Dünndarm - Intestinum tenue Zum Dünndarm gehören der Zwölffingerdarm – das Duodenum der Leerdarm – das Jejunum der Krummdarm – das Ileum - 118 - Die Gesamtlänge des Dünndarms beträgt etwa 2,5-5m, wobei 2/5 auf das Jejunum und 3/5 auf das Ileum entfallen. Das etwa 30 cm lange Duodenum liegt retroperitoneal im Anschluss an den Pförtner und umschließt C - förmig den Kopf der Bauchspeicheldrüse. An der Flexura duodenojejunalis geht es in das Jejunum über. Das Jejunum und das Ileum liegen intraperitoneal, sie hängen beweglich am Gekröse (Mesenterium) in der Bauchhöhle. Jejunum und Ileum gehen ohne sichtbare Grenze ineinander über. 15.8.1 Dünndarmschleimhaut Durch 4 verschiedene Einrichtungen wird die resorbierende Oberfläche der Dünndarmschleimhaut auf etwa 100m² vergrößert: - Kerckring - Falten: bis zu 1cm hohe unverstreichbare Ringfalten, sind im Duodenum und Jejunum häufig und verschwinden im Ileum. - Darmzotten: finden sich im gesamten Dünndarm und geben ihm ein samtartiges Aussehen. Sie sind im Duodenum und Jejunum höher (0,2-1,2mm) und häufiger als im Ileum. - Lieberkühn-Krypten: Drüsenschläuche, die einerseits ein Sekret zur Kontrolle der Darmflora absondern, andererseits die Epithelien erneuern (zahlreiche Mitosen). Darmzellen werden innerhalb von 48 Stunden erneuert. - Mikrovilli: sie sind Zytoplasmaausstülpungen, Bürstensaum, zur Oberflächenvergrößerung. Diese Oberflächenvergrößerungen sind notwendig, damit genügend Nährstoffe durch die Darmschleimhaut aufgenommen werden können. Störungen der Schleimhaut führen zu Gewichtsverlust, Mangelerscheinungen mit Durchfall, Anämie und Muskelschwäche. Im Duodenum findet man noch die Brunner Drüsen, die einen schützenden Schleim bilden. 15.8.2 Dünndarmmuskulatur Sie besteht aus 2 Schichten glatter Muskulatur, wobei eine als innere Ring - und eine als äußere Längsmuskelschicht angeordnet sind. Der Dünndarm kann zur Durchmischung des Speisebreies Pendelbewegungen (abwechselnde Verkürzungen und Verlängerungen eines Darmabschnittes) und Segmentationsbewegungen (Einschnürungen des Darmes an wechselnden Abschnitten) durchführen. Peristaltische Bewegungen schließlich dienen dem Transport der Nahrung. Klinik: Ileus oder Darmverschluss: dieser kann entweder mechanische Ursachen durch Verlegung des Darmrohres (mechanischer Ileus) von innen oder von außen oder eine Darmlähmung (paralytischer Ileus) als Ursache haben. Funktion: Verdauung des Chymus und Resorption der bereits aufgespaltenen Nahrungsmoleküle und Verdauungssäfte. Es gelangen etwa 7l Verdauungssäfte (Speichel, Magensaft, Galle, Bauchspeicheldrüsensekret, Dünndarmsekret) pro Tag in den Verdauungstrakt. Die Dünndarmschleimhaut besitzt zahlreiche Zotten zur Oberflächenvergrößerung, die im Verlauf des Darmrohres zunehmend flacher werden, bis sie im Dickdarm gar nicht mehr - 119 - vorhanden sind. Jede Zotte enthält ein verzweigtes Netz von Blutgefäßen und in ihrem Zentrum ein Lymphgefäß (Chylusgefäß). Wasserlösliche Substanzen aus dem Speisebrei werden in das Blut aufgenommen und gelangen über die Pfortader in die Leber, wo sie weiter ab- und umgebaut oder entgiftet werden. Die Leber ist imstande ein überschüssiges Nahrungsangebot in Form von Glykogen (Speicherzucker) zu speichern, sie kann bei übermäßiger Nahrungszufuhr oder Schädigung der Leberzellen auch Fett einlagern (Fettleber). Die Fettsäuren aus der Nahrung werden hingegen in Form von Chylomikronen über das zentrale Chylusgefäß in den Darmzotten in die Darmlymphe aufgenommen und über den Brustmilchgang (Ductus thoracicus) im Bereich des linken Venenwinkels, das ist der Zusammenfluss der Drosselvene (Vena jugularis) mit der Unterschlüsselbeinvene (Vena subclavia), in das Blut befördert. Chylomikronen sind Lipoproteine, welche das Cholesterin und die Triglyceride aus der Nahrung „verpackt“ transportieren. 15.9 Der Dickdarm - Intestinum crassum Der Dickdarm beginnt mit dem Übergang des Ileum in den Blinddarm an der Bauhin'schen Klappe im rechten Unterbauch und endet mit dem Rektum am Anus. Er ist in 4 Abschnitte unterteilt, die ohne sichtbare Grenzen ineinander übergehen. Er ist zwischen 1,5 und 1,8m lang und bildet einen Rahmen um den Dünndarm. 15.9.1 Anteile des Dickdarms Blinddarm (Caecum) mit der Appendix vermiformis (Wurmfortsatz): Der Blinddarm liegt im rechten Unterbauch unterhalb der Einmündungsstelle des Dünndarmes in den Dickdarm und ist etwa 6-8 cm lang. Nach unten läuft er in den Wurmfortsatz, Appendix vermiformis, aus. Dieser besitzt zahlreiche Lymphfollikel und dient der Infektabwehr. Grimmdarm (Colon) besteht aus vier Anteilen: Colon ascendens - aufsteigender Grimmdarm: Er ist etwa 25cm lang und erstreckt sich vom Caecum bis unter den rechten Leberlappen. Er ist an seiner Rückseite mit der Bauchwand verwachsen und an seiner Vorderseite von Peritoneum parietale überzogen (liegt also retroperitoneal). Colon transversum - querverlaufender Grimmdarm: Dieser Abschnitt ist etwa 50cm lang und hängt an einer Bauchfellplatte, was seine Beweglichkeit erhöht. Er liegt also intraperitoneal und zieht von der rechten Colonflexur in den linken Oberbauch zur linken Colonflexur am vorderen Milzpol. Colon descendens - absteigender Grimmdarm: Er ist ca. 25cm lang und zieht, an seiner Vorderfläche von Peritoneum überzogen, nach unten bis zum linken Darmbeinkamm. Auch er liegt retroperitoneal. Colon sigmoideum - S-förmiger Grimmdarm: Dieser zieht s - förmig zur Mittellinie ins kleine Becken, er liegt retroperitoneal. Rektum – Mastdarm: Der Mastdarm liegt im kleinen Becken und ist nur mehr an seinen kranialen Abschnitten von Peritoneum überzogen. Er ist in seinem oberen Abschnitt zur Ampulla recti ausgeweitet und dient als Sammelbehälter für den Stuhl. - 120 - Canalis analis - Analkanal: dieser letzte Dickdarmabschnitt ist durch zwei Schließmuskel nach außen verschlossen: Der M. sphincter ani internus, innerer Schließmuskel, besteht aus glatter Muskulatur und wird aus der Ringmuskulatur des Darmes gebildet. Deshalb ist er nicht dem Willen unterworfen und unwillkürlich. Der M. sphincter ani externus, äußerer Schließmuskel, wird von der quergestreiften Beckenbodenmuskulatur gebildet und ist damit dem Willen unterworfen. 15.9.2 Merkmale des Dickdarms Tänien: sind drei etwa 1cm breite Verdickungen der äußeren Längsmuskelschicht, zwischen den Tänien fehlt die Längsmuskelschicht. Sie vereinigen sich am Ende des Blinddarms zum Wurmfortsatz. Plicae semilunares: Kontraktionsfalten, die halbmondförmig in das Darmlumen vorspringen, ihnen entsprechen außen Einschnürungen. Haustren: Aussackungen, die zwischen zwei Plicae semilunares entstehen. Sie verändern sich durch die Peristaltik. Stuhl, Kot: Der Stuhl besteht zu etwa 75% aus Wasser, der Rest setzt sich aus folgenden Bestandteilen zusammen: unverdauliche Nahrungsreste, zB. Zellulose, Bakterien, abgestoßene Darmepithelzellen, Gallenfarbstoff, Entgiftungsprodukte der Leber, Fäulnisstoffe (Geruch) 15.10 Die Leber - Hepar Die braunrote Leber ist mit 1500g die größte Drüse des menschlichen Körpers. Sie liegt unter der rechten Zwerchfellkuppel, ihr linker Rand reicht über die Mittellinie in den linken Oberbauch. Man unterscheidet einen größeren rechten Leberlappen von einem kleineren linken. Sie hat wegen ihrer Weichheit keine Eigenform und passt sich ihrer Umgebung an. Die Leber ist von einer derben Bindegewebskapsel umhüllt. Man unterscheidet eine Facies diaphragmatica, die sich der Zwerchfellkuppel anpasst und eine Facies visceralis, die den Baucheingeweiden zugewandt ist. An der Facies visceralis findet man die Leberpforte, Porta hepatis, an der die Leberarterie (A. hepatis) und die Pfortader (V. portae) in die Leber eintreten und die großen Gallengänge (Ductus hepaticus dexter et sinister) die Leber verlassen. 15.10.1 Prinzip der Leberdurchblutung Die Besonderheit der Leberdurchblutung besteht darin, dass 2 Gefäße der Leber Blut zuführen, nämlich die Leberarterie - A. hepatica, die der Leber sauerstoffreiches Blut, ausschließlich zur Ernährung des Organs, zuführt und die Pfortader - V. portae, die das nährstoffreiche Blut aus dem Magendarmkanal, dem Pankreas und der Milz in die Leber transportieret. Die aus dem Darm resorbierten Stoffe werden in der Leber verarbeitet, gespeichert und entgiftet. - 121 - Das Blut beider Kreisläufe wird von den Lebervenen gesammelt, die die Leber an der Zwerchfellseite (nicht durch die Leberpforte!) verlassen und in die V. cava inf. münden. 15.10.2 Feinbau der Leber Die Leber wird von einer bindegewebigen Kapsel, der Glisson-Kapsel, umhüllt. Von ihr ziehen Bindegewebssepten durch die Leberpforte mit den Gefäßen ins Innere der Leber und überziehen als hauchdünne Schicht die Grundelemente der Leber, die Leberläppchen, Lobuli hepatici. Diese haben einen Durchmesser von etwa 1mm und weisen eine Höhe von etwa 2mm auf. Die Leber ist aus etwa 1 Million prismenförmiger Leberläppchen aufgebaut, die im Querschnitt Bienenwaben ähneln. In ihrem Zentrum liegt je eine V. centralis, Zentralvene, in die das Blut aus der Leberarterie und der Pfortader fließt. Diese sammeln sich zu 2 - 3 Vv. hepaticae, den Lebervenen, die die Leber an der Zwerchfellseite verlassen und in die V. cava inf. münden. An den Ecken dreier Leberläppchen, dem periportalen Feld, liegt jeweils ein Ast der V. portae, der A. hepatica und ein Gallengang (Glisson Trias). Von den Rändern der Leberläppchen ziehen radiär angeordnete erweiterte Kapillaren, die Lebersinusoide, zu den Zentralvenen im Zentrum der Leberläppchen. In ihnen fließt "Mischblut" aus der Leberarterie und der Pfortader. In der Wand dieser Kapillaren findet man Phagozyten, die Kupfer Sternzellen, die Fremdkörper und Bakterien aus dem Blut phagozytieren. Die Lebersinusoide sind von, ebenfalls radiär angeordneten, Leberzellbalken begleitet, die nur durch einen feinen Spalt, den Disse-Raum, von den Sinusoiden getrennt sind. Zahlreiche Mikrovilli der Leberzellen reichen in diesen Raum hinein, der über Poren mit den Lebersinusoiden in Verbindung steht. In diesen DisseRäumen erfolgt der Stoffaustausch zwischen Leberzellen und Blut. In entgegengesetzter Richtung zu den Sinusoiden laufen die Gallenkapillaren, die die Galle aus den Leberzellen zu den im periportalen Feld verlaufenden Gallengängen bringen. Diese sammeln sich im weiteren Verlauf zu den rechten und lonken Lebergallengängen, die Ductus hepaticus dex. et sin., die die Leber über die Leberpforte verlassen. 15.10.3 Funktion der Leber Entgiftung und Ausscheidung: über das Blut kommen die Stoffwechselendprodukte in die Leber, sie werden dort abgebaut und über zwei Wege ausgeschieden: - über die Niere werden gut wasserlösliche Stoffe ausgeschieden, die von den Leberzellen in die Lebersinusoide abgegeben (BLUT) wurden. Sie werden mit dem Urin ausgeschieden. - über die Galle werden schlecht wasserlösliche, aber gut fettlösliche Stoffe ausgeschieden. Sie werden von den Leberzellen in die Gallenkapillaren abgegeben und gelangen so über die Galle in den Darm und werden über den Stuhl ausgeschieden. Speicher- und Stoffwechselfunktion: Nahrungsbestandteile können bei Überschuss von der Leber gespeichert werden und im Bedarfsfall wieder an das Blut abgegeben werden. - Kohlenhydratstoffwechsel: überschüssige Kohlenhydrate werden in der Leber als Glykogen gespeichert und bei Bedarf zu Glukose abgebaut und ans Blut abgegeben. - 122 - - Eiweißstoffwechsel: die Leber produziert Bluteiweiße (Albumine) und Gerinnungsfaktoren. Bei Lebererkrankungen kommt es zu einem Mangel an Albuminen (Aszites) und an Gerinnungsfaktoren (Blutungen). - Fettstoffwechsel: auch Fette können in der Leber gespeichert und im Bedarfsfall wieder abgegeben werden. 15.11 Gallenblase und Gallenwege In der Leber wird die für die Fettverdauung notwendige Galle produziert, die über die Gallengänge in den Zwölffingerdarm abtransportiert wird. 15.11.1 Gallenblase - Vesica fellea Die Gallenblase ist ein birnenförmiges Hohlorgan von etwa 8 - 12cm Länge. Sie liegt an der Eingeweideseite der Leber und ist mit der Leberkapsel verwachsen. Ihre Schleimhaut weist netzförmige Falten auf, deren oberste Schicht aus Zylinderepithel besteht, das einerseits ein schleimiges Sekret abgibt, andererseits Wasser aus der Gallenflüssigkeit resorbiert und diese eindickt. Die Gallenblase stellt ein Speicherorgan für die Galle dar, die bei Bedarf in den Dünndarm abgegeben wird. Eine scherengitterartig angeordnete Tunica muscularis ermöglicht die optimale Kontraktion der Gallenblase. Die Galle wird von der Leber (!!) gebildet (ca. 0,5l pro Tag) und in der Gallenblase gespeichert. Sie besteht hauptsächlich aus Wasser, Elektrolyten, Bilirubin, Gallensäuren und Cholesterin. Das Bilirubin ist ein Abbauprodukt des Hämanteils der roten Blutkörperchen. 15.11.2 Gallenwege Man unterscheidet innerhalb der Leber liegende intrahepatische und extrahepatische Gallengänge, die außerhalb der Leber liegen. intrahepatischen Gallengänge: Diese beginnen als kleinste Gallenkapillaren und fließen zu immer größeren Kanälchen zusammen, bis sie schließlich als Ductus hepaticus dexter et sinister (rechter und linker Lebergang) die Leber über die Leberpforte verlassen. extrahepatischen Gallengänge: Sie transportieren die Gallenflüssigkeit zunächst über den Ductus hepaticus communis (gemeinsamer Lebergang) und den Ductus cysticus (Gallenblasengang) in die Gallenblase und von dort über den Ductus choledochus (Gallengang) in das Duodenum. 15.12 Die Bauchspeicheldrüse - das Pankreas Das Pankreas ist eine graurötliche Drüse, die quer vom Duodenum zur Milz verläuft. Es liegt retroperitoneal, d.h. es ist nur an seiner Vorderseite von Peritoneum überzogen. Das Pankreas weist eine Länge von etwa 13-18cm auf und zeigt eine Läppchenstruktur. Es ist in drei Anteile gegliedert, den Kopf – Caput pancreatis, der in der C-förmigen Schlinge des Duodenums liegt, den Körper – Corpus pancreatis, der quer vor der Wirbelsäule liegt, und der Schwanz - Cauda pancreatis, der bis zur Milz reicht. - 123 - 15.12.1 Feinbau und Funktion Das Pankreas besteht aus 2 unterschiedlichen Anteilen, einer exokrinen Verdauungsdrüse und einer endokrinen Hormondrüse, deren Zellen als so genannte Langerhans'sche Inselzellen in das exokrine Pankreas inselförmig eingebettet sind. Der exokrine Pankreasanteil liefert täglich 1-2 Liter „Bauchspeichel“, der Enzyme für die Eiweiß,- Fett,- und Kohlenhydratverdauung enthält. Die Enzyme zur Eiweißspaltung (Proteasen) heißen Trypsinogen, Chymotrypsinogen und Elastase, die Enzyme zur Kohlenhydratspaltung sind die Pankreasamylasen und Ribonukleasen, das Enzym zur Fettspaltung aus dem Pankreas ist die Pankreaslipase. Insbesondere die Proteasen liegen innerhalb der Drüse zunächst in einer inaktiven Form vor, um eine Selbstverdauung des Drüsegewebes zu vermeiden. Sie werden erst im Duodenum aktiviert. Der endokrine Anteil oder Langerhans Inseln besteht aus unterschiedlichen Zellen verschiedener Funktionen: A-Zellen: produzieren das Hormon Glukagon, das den Blutzuckerspiegel durch einen erhöhten Glykogenabbau in der Leber anhebt. Glukagon ist ein Gegenspieler des Insulins. B-Zellen: 80% der Zellen; sie bilden das blutzuckersenkende Hormon Insulin, das die Aufnahme von Glukose in die Zellen ermöglicht und dadurch den Blutzuckerspiegel senkt. D-Zellen: sie bilden das Somatostatin, das die Ausschüttung von Insulin und Glukagon hemmt. 15.13 Verdauungsenzyme Verdauung von Eiweißen Folgende Enzyme sind an der Eiweißverdauung beteiligt: Pepsin und Salzsäure aus dem Magen Trypsinogen und Chymotrypsinogen aus dem Pankreas (werden erst im Dünndarm in ihre aktiven Formen Trypsin und Chymotrypsin umgewandelt). Aminopeptitasen aus dem Dünndarm Verdauung von Kohlenhydraten Alpha-Amylasen der Mundspeicheldrüsen Alpha-Amylasen, Maltasen, Isomaltasen, Laktasen, Sacharasen aus Pankreas und Dünndarm Verdauung von Fetten Zungengrundlipasen, Pankreaslipasen, Gallensäuren - 124 - 16 DAS NERVENSYSTEM Das Nervensystem setzt sich zusammen aus: - Gehirn - Rückenmark - Hirnnerven - Spinalnerven - Periphere Nerven - Ganglien - Rezeptoren Man kann das Nervensystem funktionell in einen somatischen und einen viszeralen Anteil oder topographisch in einen zentralen und einen peripheren Anteil einteilen. funktionelle Einteilung - Einteilung nach der Funktion somatisches (animales oder willkürliches) Nervensystem: es dient der Wahrnehmung und Aufnahme von Reizen und der motorischen Steuerung der Muskulatur. Es setzt sich vorzugsweise mit der Umwelt auseinander. viszerales (vegetatives oder autonomes) Nervensystem: es setzt sich mit dem Körper selbst, also mit seinen Organen, auseinander. Es unterliegt nicht der bewussten Kontrolle. topographische Einteilung - Einteilung nach der Lage im Körper zentrales Nervensystem: dazu gehören das Gehirn und das Rückenmark. peripheres Nervensystem: dazu gehören die 12 Hirnnervenpaare, die 31 Spinalnervenpaare mit ihren motorischen Efferenzen und ihren sensorischen Afferenzen und die außerhalb des Gehirns und Rückenmarks gelegenen Anteile des vegetativen Nervensystems (Sympathikus und Parasympathikus). die großen Sinnesorgane, die eine Sonderstellung einnehmen. 16.1 Bau des Nervengewebes: Das Nervengewebe besteht grundsätzlich aus zwei verschiedenen Zelltypen, den Nervenzellen oder Neuronen und den Stützzellen oder Gliazellen. 16.1.1 Bau der Nervenzelle (Neuron) Die Nervenzelle ist die funktionelle Grundeinheit des Nervensystems. Sie besteht aus einem Zellkörper und seinen Fortsätzen, den Dendriten und dem Neuriten oder Axon. Ihre Zellmembran ist in der Lage, elektrische Reize zu erzeugen. Sie kann mittels Botenstoffen und Rezeptoren Signale empfangen und weiterleiten. Dendriten sind kurze, baumartig verzweigte Zytoplasmaausstülpungen der Nervenzelle, die dem Erregungsempfang dienen. Es sind mehrere pro Nervenzelle vorhanden. Sie nehmen die Erregung von einer benachbarten Zelle auf und leiten sie zum Zellkörper weiter. - 125 - Der Neurit oder das Axon ist ein langer, kabelartiger Zellfortsatz, der am Axonhügel entspringt und die Erregung weiterleitet (zur nächsten Nervenzelle, Drüse, Muskel,…). Pro Nervenzelle geht ein Axon ab. 16.1.2 Afferenz und Efferenz Afferenzen sind zuleitende Strukturen des Nervensystems. Bezogen auf die Nervenzelle sind die Dendriten Afferenzen (afferent-zuleitend), bezogen auf das Nervensystem bezeichnet man als afferent, was Informationen aus der Peripherie zum ZNS hinleitet, also sensible Fasern, die Empfindungen zum ZNS leiten. Efferenzen sind wegleitende Strukturen. An der Nervenzelle ist der Neurit efferent, er leitet die Erregung der Nervenzelle weg. Andererseits bezeichnet man als efferent, was Erregungen vom zentralen Nervensystem in die Peripherie leitet, also motorische Fasern, welche die Muskulatur erregen. 16.1.3 Synapsen Neuronen (Nervenzellen) stehen untereinander an bestimmten Schaltstellen in Verbindung. Solche Schaltstellen nennt man Synapsen. An diesen synaptischen Schaltstellen werden Erregungen von präsynaptischen Fasern (Neuriten) auf postsynaptische Fasern (Dendriten und Nervenzellkörper) weitergeleitet. Synapsen findet man auch zwischen Neuronen und Sinneszellen (z.B.: Stäbchen und Zapfen des Auges) und in der Peripherie zwischen Nervenfasern und Erfolgsorgan (motorische Endplatte der Muskulatur, Drüsenzellen). Manche Nervenzellen besitzen nur einige wenige, manche weit über tausend Synapsen. Aufbau: Der präsynaptische Neurit endet mit einer Anschwellung, dem präsynaptischen Endknöpfchen an der Oberfläche des postsynaptischen Neurons. Dazwischen befindet sich ein feiner Spalt, der Synapsenspalt, der von Überträgersubstanzen überwunden werden muss. Nur im präsynaptischen Endknöpfchen findet man Synapsenbläschen, die diese Überträgerstoffe enthalten. Bei einer Erregung entleeren sich die Überträgerstoffe (zB. Acetylcholin, Noradrenalin) in den Synapsenspalt und geben die Erregung an das postsynaptische Neuron weiter. An den Synapsen wird die elektrische Erregungsleitung entlang der Nervenzelle in eine chemische, durch Überträgersubstanzen übermittelte, Erregung umgewandelt. Nachdem der Synapsenspalt durch diese Überträgersubstanzen überwunden wurde, läuft die Erregung wieder elektrisch entlang der nächsten Nervenzelle ab. 16.1.4 Gliazellen des zentralen Nervensystems Das Nervengewebe besitzt ein eigenes Stützgewebe, die Neuroglia oder kurz Glia. Sie erfüllt jene Funktionen, die in anderen Organen dem Bindegewebe zukommt. Sie ist das dreidimensionale Stützwerk der nervösen Organe und begleitet auch die peripheren Nerven. Überall sind die Neuronen von einer isolierenden Gliahülle umgeben, die auch Stoffwechselfunktionen hat. Die Gliazellen überwiegen gegenüber den Nervenzellen etwa um das 10-fache. Sie füllen alle Zwischenräume aus. Man unterscheidet verschiedene zentrale Gliazellen, wir besprechen zwei davon. Beide gehören der sogenannten Makroglia an. - 126 - Astrozyten: Die größten Gliazellen sind sternförmig und sie stehen durch zahlreiche Verästelungen miteinander in Verbindung; sie bilden ein dreidimensionales Netzwerk. Astrozyten umhüllen die Kapillaren des Nervengewebes vollständig und bilden die Blut Hirnschranke, die den Stoffaustausch (Medikamente, Giftstoffe) zwischen Blut und Zentralnervensystem kontrolliert. Oligodendrozyten sind kleine Zellen mit wenigen Ausläufern. Sie bilden in der weißen Substanz des ZNS eine Isolierschicht, die Myelinscheiden, analog den Schwannschen Zellen der peripheren Nerven. 16.1.5 Gliazellen des peripheren Nervensystems Die Schwannschen Zellen umhüllen die Axone der peripheren Nerven und isolieren sie vom umgebenden Bindegewebe. Sie können mit einer dicken Schicht Myelin umhüllt sein oder nur wenig Myelin beinhalten; dementsprechend unterscheidet man zwei Arten von Nervenfasern. Marklose Nervenfasern haben sich in das Zytoplasma der Schwann`schen Zellen eingesenkt und sind von ihm umhüllt. Jede der aneinander-gereihten Zellen enthält mehrere, meist 6-12, Achsenzylinder. Marklose Nervenfasern haben eine geringe Nervenleitgeschwindigkeit. Markhaltige Nervenfasern: Bei den markhaltigen Nervenfasern umhüllt jede Schwannsche Zelle nur einen Teil eines einzigen Achsenzylinders. Sie enthält Myelin, eine Fett Eiweißsubstanz. Die Schwannschen Zellen liegen der Reihe nach angeordnet um ein Axon; dort wo die Myelinscheide unterbrochen ist befindet sich eine Einkerbung, der Ranviersche Schnürring. Markhaltige Nervenfasern besitzen eine hohe Leitungsgeschwindigkeit. Die Erregungsleitung erfolgt „saltatorisch“, d.h. in Sprüngen von einem Schnürring zum nächsten. Bei der Multiplen Sklerose kommt es im Rahmen einer Autoimmunerkrankung zu einer Entmyelinisierung der Nervenfasern im ZNS und dadurch zu Lähmungen und Sensibilitätsstörungen. 16.1.6 Weiße Substanz Markhaltige Nervenfasern erscheinen aufgrund ihres Myelingehaltes weiß. Daher bezeichnet man markhaltige Nervenfasern im ZNS (= Bahnen) als weiße Substanz. Am Gehirn liegt sie innen, am Rückenmark außen. 16.1.7 Graue Substanz Ansammlungen von Nervenzellkörpern mit ihren Dendriten erscheinen grau. Im ZNS bezeichnet man solche Areale (Kerne oder Rindenfelder) als graue Substanz. Man findet sie am Gehirn außen und in den grauen Kernen (Basalganglien), beim Rückenmark innen (Schmetterling). - 127 - 16.1.8 Nervenfasern Als Nervenfaser bezeichnet man ein Axon (Neurit) mit den umhüllenden Myelinscheiden. Nervenfasern, die vom ZNS in die Peripherie ziehen, heißen efferente Nervenfasern. Da sie zur Muskulatur ziehen, handelt es sich um motorische Nervenfasern. Nervenfasern, die aus der Peripherie zum ZNS ziehen, heißen afferente Nervenfasern. Es sind sensible oder sensorische Nervenfasern,sie bringen die Reize von den Organen, der Körperperipherie oder den großen Sinnesorganen zum Rückrnmark und Gehirn. Als Nerv bezeichnet man Bündel von Nervenfasern, die in einer gemeinsamen Bindegewebshülle eingebettet sind. Man unterscheidet motorische, sensible oder gemischte Nerven. - 128 - 17 GEHIRN - CEREBRUM Das menschliche Gehirn ist die Steuerzentrale des gesamten Körpers. Hier laufen die Informationen aus dem Körper und der Umwelt zusammen und werden zu Reaktionen verarbeitet. Es ist eines der aktivsten Organe des Körpers. Die Evolution des Menschen ist durch eine auffällige Zunahme des Hirngewichts gekennzeichnet. Doch der Mensch hat weder absolut noch relativ das größte Gehirn. Das menschliche Gehirn wiegt etwa 1200-1500g. (Elefant 5000g, Blauwal 7000g). Die Gehirnmasse steht im engen Zusammenhang mit der zu innervierenden Muskelmasse. Zusätzlich ist die Oberfläche beim Menschen durch ausgeprägte Hirnwindungen sehr groß. Lage des Gehirns Das Gehirn und das Rückenmark sind vollständig von Knochen umgeben. Im Schädelknochen gibt es mehrere Foramina (Öffnungen), die den Durchtritt der großen Arterien und Venen und der Hirnnerven ermöglichen. Das größte ist das Foramen magnum (großes Hinterhauptsloch), durch das der Hirnstamm mit dem Rückenmark in Verbindung steht. Am Gehirn und auch am Rückenmark unterscheidet man graue Substanz, entsprechend den Nervenzellkörpern und Dendriten und weiße Substanz, die den myelinhaltigen Axonen entspricht. Das Gehirn liegt, umhüllt von seinen Hirnhäuten, der Schädelbasis auf und besteht aus zwei Hirnhälften, den Hemisphären. Diese stehen durch den sog. Balken miteinander in Verbindung. Bei Betrachtung des Gehirns fällt auf, dass nicht alle Teile von außen sichtbar sind, sondern zum Teil von der gewaltigen Masse des Großhirns überdeckt werden. Sichtbare Anteile des Gehirns: Großhirn Brücke, Pons verlängertes Mark, Medulla oblongata Kleinhirn, Cerebellum Nicht sichtbare Anteile des Gehirns: Zwischenhirn, Diencephalon Mittelhirn, Mesencephalon Kurze Übersicht über die einzelnen Hirnabschnitte: Großhirn (Telencephalon) Zwischenhirn (Diencephalon) Mittelhirn (Mesencephalon) Brücke (Pons) verlängertes Mark (Medulla oblongata) Kleinhirn (Cerebellum) Mittelhirn, Brücke und verlängerten Mark bilden gemeinsam den Hirnstamm. Graue Substanz findet man im Gehirn an der Hirnrinde und in der Tiefe als Kerne. Im Rückenmark betstehen die zentralen Anteile aus grauer Substanz (Schmetterling). Sie wird von den Nervenzellkörpern und der Dendriten gebildet. - 129 - Weiße Substanz befindet sich im Gehirn unterhalb der Hirnrinde und im Rückenmark als äußere Schicht. Sie wird von den durch Myelin eingescheideten Neuriten (Axonen) gebildet. 17.1 Großhirn - Telencephalon Das Großhirn, das den überwiegenden Anteil der Hirnmasse ausmacht, ist der Form des knöchernen Schädeldaches angepasst. Es liegt, umgeben von den Hirnhäuten, unter der knöchernen Schädelkalotte und stülpt sich über Mittel-, und Zwischenhirn. Es ist der Sitz des Bewusstseins. An der äußeren Oberfläche des Großhirns liegt die Großhirnrinde. Sie weist zahlreiche Windungen (Gyrus) und Furchen (Sulcus) auf, die der Oberflächenvergrößerung dienen. Die Großhirnrinde enthält 70% aller Nervenzellen (Neuronen) des Gehirns; diese werden als graue Substanz des ZNS bezeichnet. Nervenzellen mit ähnlichen Funktionen liegen in Verbänden beieinander (Rindenfelder). Nach ihrer Funktion werden motorische, sensorische und Assotiationsfelder unterschieden! 17.1.1 Furchen und Lappen des Großhirns Die längsverlaufende Furche Fissura longitudinalis teilt das Großhirn in zwei Hälften, die rechte und linke Hemisphäre. Die beiden Hälften sind in der Tiefe durch den Balken (Corpus callosum), ein querverlaufendes Fasersystem, miteinander verbunden. Durch die Längsfurche und weitere Furchen (Sulci) wird das Großhirn in vier Lappen unterteilt: Lobus frontalis - Stirnlappen Lobus parientalis - Scheitellappen Lobus temporalis - Schläfenlappen Lobus occipitalis - Hinterhauptslappen Furchen des Gehirns Fissura longitudinalis (Längsfurche): trennt die beiden Hemisphären Sulcus centralis (Zentralfurche): trennt den Stirnlappen vom Scheitellappen Sulcus lateralis (Lateralfurche): trennt den Stirnlappen vom Schläfenlappen Sulcus parietooccipitalis: trennt den Hinterhauptslappen vom Scheitel - und Schläfenlappen 17.1.2 Rindenfelder des Großhirns Rindenfelder sind Areale gleicher Funktion an der Großhirnrinde und bestehen aus grauer Substanz! Motorische Rindenfelder steuern die Skelettmuskulatur, die Impulse laufen von der Hirnrinde weg über efferente Bahnen zu den Muskeln. Sensorische Rindenfelder verarbeiten Sinneseindrücke, die Impulse werden von den Sinneszellen über afferente Bahnen zum Gehirn geleitet. - 130 - Die Assoziationsfelder verknüpfen motorische und sensorische Rindenfelder und machen logische Handlungsabläufe möglich. Sie liegen in mehreren Rindenfeldern aller Hirnlappen. Wir unterscheiden primäre und sekundäre Rindenfelder: 17.1.2.1 Primäre Rindenfelder Ein primäres Rindenfeld ist ein Großhirnbereich, der über eine Art Punkt zu Punkt Verbindung mit peripheren Körperteilen in Verbindung steht. Die Größe eines Rindenfeldes richtet sich nach der Vielzahl an Bewegungsmustern oder Sinnesrezeptoren und nicht nach der Größe des zu versorgenden Körperabschnittes. So ist z.B. das Rindenfeld für die Handmuskeln größer als das Rindenfeld für die Rumpfmuskulatur, da die Handmuskulatur viel feinere Bewegungen ausführen kann und dem entsprechend gut mit Nerven versorgt sein muss! (siehe HOMUNCULUS!) Die primär motorischen Rindenfelder liegen vor der Zentralfurche in der vorderen Zentralwindung (Gyrus praecentralis). Hier liegen alle Nervenzellen für die Steuerung bewusster Bewegungen. Die primär sensorischen Rindenfelder liegen hinter der Zentralfurche in der hinteren Zentralwindung (Gyrus postcentralis). Sie erhalten ihre Informationen von den peripheren Rezeptoren aus Haut, Muskeln, Sehnen. Sie sind die Rindenfelder für die bewussten Empfindungen. 17.1.2.2 Sekundäre Rindenfelder Sekundär motorische Rindenfelder sind den primären motorischen Rindenfeldern übergeordnet. Sie sind ein Koordinations- und Gedächtniszentrum und geben den primären Feldern Informationen, wie bereits erlernte Bewegungsabläufe am besten abgelaufen sind; Sie haben, so zu sagen, bereits erlernte Bewegungsabläufe gespeichert. In den sekundär sensorischen Rindenfeldern sind frühere Empfindungen gespeichert, wodurch neu eintreffende Sinneseindrücke verglichen und wiedererkannt werden. 17.1.2.3 Rindenfelder der großen Sinnesorgane Die Rindenfelder der großen Sinnesorgane liegen, den Geschmackssinn ausgenommen, nicht in der hinteren Zentralwindung. Auch hier gibt es primäre und sekundäre Rindenfelder. Das Sehzentrum liegt im Hinterhauptslappen. Im primären Sehzentrum endet die Sehbahn, hier "entsteht" das gesehene Bild, das von der Netzhaut weitergeleitet wird. Störung: Blindheit (Rindenblindheit) Im sekundären Sehzentrum werden Bilder wiedererkannt, es dient der Interpretation und Speicherung von Gesehenem; hier befindet sich auch das Lesezentrum. Störung: Visuelle Aphasien Das Hörzentrum liegt im Schläfenlappen. Das primäre Hörzentrum liegt im Lobus temporalis, hier endet die Hörbahn. Bei einer Störung kommt es zur Taubheit (Rindentaubheit). Das sekundäre Hörzentrum liegt auch im Lobus temporalis. Seine Funktion ist die Interpretation und Speicherung des Gehörten, hier werden Höreindrücke wiedererkannt. Störung: Auditorische Aphasie; Gesprochenes kann gehört, aber nicht verstanden werden. - 131 - Der Geruchssinn endet in entwicklungsgeschichtlich „alten“ Rindenanteilen im so genannten Inselbereich und ist mit dem limbischen System verknüpft. Sprachzentren: Das Wernicke Zentrum dient dem Sprachverständnis; es ist also das sensorische Sprachzentrum. Es liegt im Lobus temporalis (leicht ausgeprägte Seitendominanz links in der Bevölkerung). Hier wird die gehörte Sprache gespeichert. Störung: Wernicke Aphasie (Verlust des Sprachverständnisses), auditorische Aphasie kombiniert mit visueller Aphasie Das Broca Zentrum koordiniert beim Sprechen Kehlkopf, Lippen und Zungenmuskulatur. Als motorisches Zentrum ermöglicht es das Sprechen. 17.1.3 Bahnen Verschiedene Hirnabschnitte werden durch Nervenfaserbündel (weiße Substanz) miteinander verbunden: Die Kommissurenbahnen verbinden die rechte und die linke Gehirnhälfte miteinander. Die mächtigste Kommissurenbahn ist der Balken (Corpus callosum). Die Projektionsbahnen leiten Erregungen aus verschiedenen Körperregionen zum Großhirn und umgekehrt. Die größte motorische Projektionsbahn ist die Pyramidenbahn. Die Assoziationsbahnen leiten Impulse zwischen den verschiedenen Rindenfeldern und ermöglichen so die Verknüpfung verschiedener Wahrnehmungen. 17.2 Pyramidales motorisches System Den Ursprung nimmt das pyramidale System im Gyrus praecentralis. Von den Neuronen des primären motorischen Rindenfeldes ziehen die Nervenfasern über die Pyramidenbahn zu den motorischen Kernen der Hirnnerven und zum Rückenmark und weiter zur quergestreiften Muskulatur. Die Pyramidenbahn übermittelt die Steuerung der bewussten, willkürlichen Bewegung und die Feinmotorik! Im Bereich des Hirnstamms kreuzen die meisten der Pyramidenfasern die Seite. Das bedeutet, dass die Pyramidenbahn der rechten Hemisphäre die linke Körperhälfte versorgt und umgekehrt! Deshalb ist bei einem Schlaganfall in der rechten Hemisphäre die linke Körperhälfte betroffen und umgekehrt. 17.3 Extrapyramidal motorisches System Die Basalganglien sind graue Kerngebiete, die in der weißen Substanz des Groß - und Zwischenhirns liegen und als wichtige motorische Koordinationszentren dem Extra Pyramidal Motorischen System (EPMS) - also außerhalb des Pyramidensystems liegenden System - zugeordnet werden. Zusätzlich liegen auch einige Kerngebiete in der Hirnrinde. Die größte Kernanhäufung der Basalganglien ist der Streifenkörper (Corpus striatum). Dieser ist den übrigen Basalganglien als höheres Koordinationszentrum der unwillkürlichen Motorik übergeordnet. Weitere Anteile der Basalganglien sind der Schalenkern (Putamen), der blasse Kern (Globus pallidus), der Schweifkern (Nucleus caudatus) und der Mandelkern - 132 - (Corpus amygdaloideum). Sie werden anatomisch und funktionell unterschiedlichen Hirnabschnitten zugeordnet. (Globus pallidus dem Zwischenhirn, der Mandelkern dem limbischen System) Die Bahnen, die von diesen Kernen in die Peripherie ziehen heißen Extrapyramidale Bahnen. Diese laufen nahe der Pyramidenbahn vom Großhirn zum Rückenmark. Funktion: Es steuert vornehmlich die unbewußten Muskelbewegungen wie gröber erscheinende Bewegungsabläufe vor allem der Rumpf- (tonische Halte- und Stützmotorik) und der proximalen Extremitätenmuskulatur (sog. Massenbewegungen). Es stellt damit die Grundlage für die pyramidal gesteuerte Feinmotorik dar. Weiterhin beeinflusst das EPMS den Muskeltonus und sorgt durch die Verschaltung mit dem Kleinhirn, dem optischen und dem Gleichgewichts - Reflexzentrum für die Harmonie der Bewegungen und der Korrektur der Körperhaltung. Beide Systeme, also das pyramidale und das extrapyramidale, ergänzen einander, damit Bewegungsabläufe sinnvoll ablaufen können. Die häufigste Störung des extrapyramidalen Systems ist das Parkinson Syndrom, dem ein Mangel an Dopamin produzierenden Zellen zu Grunde liegt. 17.4 Limbisches System Das limbische System ist eine komplexe Gruppe von mehreren wie ein C konfigurierten Strukturen um Balken und Hirnstamm, die sowohl graue als auch weiße Substanz aller Hirnlappen enthalten. Es hat Verbindungen zu vielen tiefen Kerngebieten und zum Geruchsapparat. Entwicklungsgeschichtlich ist das limbische System eines der primitiven alten Teile des Gehirns. Besonders Gefühle und emotionale Reaktionen, wie Aggression, Wut, Furcht, sexuelle Wünsche, werden von diesem System unter Beteiligung von Großhirnrinde, des Thalamus u. Hypothalamus gesteuert. Es wird aus Strukturen des Großhirns, des Zwischenhirns und des Mittelhirns gebildet. Außerdem gehören dazu: Mandelkern (Corpus amygdaloideum), Hippocampus und Teile des Hypothalamus. 17.5 Zwischenhirn - Diencephalon Das Zwischenhirn liegt zwischen den beiden Großhirnhemisphären in der Mitte des Gehirns und gliedert sich in mehrere Abschnitte, den Thalamus, den Hypothalamus, die Hypophyse, den Epithalamus und die Epiphyse. Es dient als Schaltstelle zwischen Großhirn und Hirnstamm. 17.5.1 Der Thalamus Der Thalamus ist der größte Kern des Zwischenhirns. Er besteht hauptsächlich aus grauer Substanz und ist beim Menschen eine mächtig entwickelte Umschalt - und Kontrollstation. Impulse, die aus der Peripherie zum Gehirn geleitet werden und den Thalamus erreichen, werden zu bewussten Empfindungen und Wahrnehmungen verarbeitet. Sensible Impulse, wie Schmerz oder Berührung und sensorische Impulse, wie Sehen, Hören, Schmecken, werden von der Peripherie an den Thalamus geleitet und nach Verarbeitung an die - 133 - zuständigen Areale in der Großhirnrinde weitergeleitet. Der Thalamus fungiert dabei als Filter und entscheidet, welche Impulse an die Großhirnrinde weitergeleitet werden sollen. Einige Thalamuskerne sind nicht mit der Körperperipherie, sondern mit Assotiationsfeldern der Großhirnrinde verbunden, die für die Verarbeitung von Sinnesreizen zu bewussten Empfindungen von Bedeutung sind. Verbindungen zum limbischen System spielen für die emotionale Reaktion auf verschiedene Sinneseindrücke eine wesentliche Rolle. MERKE!!! Alle Sinneseindrücke, die aus der Umwelt oder dem Körper aufgenommen werden, ausgenommen dem Geruchssinn(!), werden zuerst über aufsteigende Bahnen zum Thalamus geleitet und werden dort verarbeitet. Erst dann gelangen diese gefilterten und verarbeiteten Empfindungen weiter zur Großhirnrinde und werden dort zu bewussten Empfindungen! 17.5.2 Hypothalamus und Hypophyse Der Hypothalamus liegt als kleinerer Teil des Zwischenhirns unterhalb des Thalamus. Er ist die übergeordnete Schaltstelle vieler vegetativer und hormoneller Regulationssysteme. Der Hypothalamus ist das wichtigste Steuerzentrum vieler Körperfunktionen. Dies geschieht teils über nervalem Weg, teils hormonell. Er reguliert folgende Körperfunktionen: Körpertemperatur, Blutdruck, Wasser,- und Elektrolythaushalt, Kreislauf, Nahrungsaufnahme, Gefühle wie Wut oder Aggression (er ist ja auch ein Teil des limbischen Systems!) Der Hypothalamus produziert als übergeordnetes Hormonzentrum einerseits Releasinghormone, die die Adenohypophyse über Blutgefäße erreichen und sie zur Ausschüttung der - tropen Hypophysenvorderlappenhormone anregen. Andererseits produziert der Hypothalamus zwei Hormone, das Adiuretin und das Oxytocin, die über nervale Verbindungen die Neurohypophyse (Hypophysenhinterlappen) erreichen. Dort werden sie gespeichert und bei Bedarf ins Blut abgegeben. Die Hypophyse ist eine kleine bohnenförmige Drüse, die mit einem trichterförmigen Stiel am Hypothalamus hängt und in einer kleinen Aushöhlung des Keilbeins liegt. Man unterscheidet einen Hypophysenvorderlappen oder Adenohypophyse vom Hypophysenhinterlappen oder Neurohypophyse. 17.6 Hirnstamm - Truncus cerebri Der Hirnstamm ist der unterste Hirnabschnitt und wird aus dem Mittelhirn (Mesencephalon), der Brücke (Pons) und dem verlängerten Mark (Medulla oblongata) gebildet. Der Hirnstamm liegt gemeinsam mit dem Kleinhirn in der hinteren Schädelgrube und geht im Bereich des Hinterhauptlochs (Foramen magnum) in das Rückenmark über. Er besteht sowohl aus grauer Substanz (Nervenzellansammlungen) als auch aus weißer Substanz (Leitungsbahnen). - 134 - 17.6.1 Mittelhirn - Mesencephalon Das Mittelhirn liegt zwischen dem Zwischenhirn und der Brücke und es lassen sich an ihm folgende Strukturenunterscheiden: - Die Vierhügelplatte: sie zeigt zwei obere und zwei untere Hügel, die durch eine kreuzförmige Furche voneinander getrennt sind. Sie dient als akustisches und optisches Reflexzentrum. - die Mittelhirnhaube: in ihr liegen die Kerngebiete der III. (N. oculomotorius) und IV. (N. trochlearis) Hirnnerven und einige Kerne, von denen der Nucleus ruber (roter Kern) und die Substantia nigra (schwarze Substanz) auf Reize von Augen und Ohren reagieren. Sie gehören dem extrapyramidal motorischen System (steuert unwillkürliche Bewegungen) an und steuern daher Bewegungen der Augen, des Kopfes und des Rumpfes auf optische und akustische Reize. - die Großhirnstiele oder Hirnschenkel: sie sind die Summe der aus einer Hemisphäre austretenden und in sie eintretenden Faserbündel. Sie enthalten auch die Pyramidenbahn. Sie dienen dem Austausch motorischer und sensibler Informationen zwischen dem Großhirn, dem Hirnstamm und dem Rückenmark. 17.6.2 Die Brücke - Pons Die Brücke gehört zusammen mit dem Kleinhirn zum Hinterhirn. In der Brücke laufen alle Bahnen, die aus den oberen Hirnabschnitten zum Rückenmark ziehen. Es handelt sich demnach um weiße Substanz. Querverlaufende Fasern verbinden außerdem das Großhirn mit dem Kleinhirn. Zwischen den Fasersträngen liegen auch einige Brückenkerne (graue Substanz), die als Schaltstellen zwischen Groß - und Kleinhirn dienen. Außerdem entspringen in diesem Bereich mehrere Hirnnerven. 17.6.3 Verlängertes Mark - Medulla oblongata Das verlängerte Mark schließt an die Brücke an und geht auf Höhe des 1. Halswirbels ohne scharfe Grenze in das Rückenmark über. Es ist zwiebelförmig aufgetrieben und lässt seitlich zwei Vorwölbungen, die sog. Pyramiden, erkennen. Diese entstehen durch Faserbündel, die Pyramidenbahnen, die hier zum Großteil auf die andere Seite kreuzen. (Pyramidenbahn: efferente motorische Nervenfasern: weiße Substanz). Lateral der Pyramiden liegen die Oliven, die als Koordinationszentrum für Muskelbewegungen anzusehen sind, besonders für die Feinmotorik. Deshalb ziehen die meisten Nervenfasern von der Olive zum Kleinhirn, weil dieses für die feinmotorische Koordination der Muskelbewegungen zuständig ist. Auch Informationen aus den Muskeln über deren momentanen Bewegungszustand oder deren Lage (propriozeptive Sensibilität) enden hier in der Olive, um dann an das Kleinhirn weitergeleitet zu werden. Im verlängerten Mark befinden sich allerdings auch Zentren, die lebenswichtige Funktionen steuern (graue Substanz). Es sind dies Kontrollzentren für Herz,-Kreislauf, Atmung, Schluck – Husten – Nies und Brechzentren. Die Informationen erhalten diese - 135 - Kontrollzentren teilweise über afferente, sensorische Bahnen oder die Sensoren befinden sich direkt in der Medulla oblongata. Weiters liegen die Kerne für den VIII., IX., X., XI., und XII. Hirnnerven im verlängerten Mark. Klinik: Druckanstieg im Gehirn (Verletzungen, Blutungen) können zu Einklemmungen der Medulla oblongata und zum sofortigen Tod führen. 17.7 Formatio reticularis Unter dem Begriff Formatio reticularis wird ein ausgeprägtes Netzwerk von Nervenzellen zusammengefasst, das sich von der Medulla oblongata bis zum Zwischenhirn erstreckt. Sie bilden eine netzartige Struktur mit aufsteigenden sensorischen und absteigenden motorischen Fasern. Sie spielt eine große Rolle bei der Steuerung der Bewusstseinslage, besonders im Rahmen der Schlaf - Wachperiodik. Der Schlaf ist ein notwendiger Ruhezustand, in dem sich Puls, Atemfrequenz, Blutdruck und Bewusstseinslage reduzieren. Zur Aufrechterhaltung des Schlafes wird die Schlaftiefe in zeitlichen Abständen variiert, es wechseln Tiefschlafphasen mit weniger tiefen Schlafphasen ab. Gegen Ende des Schlafes wechseln diese Phasen in immer kürzeren Abständen und der Schlafende erwacht. Mittels EEG lassen sich diese verschiedenen Schlafphasen ableiten und aufzeichnen. REM- Schlaf - Rapid-Eye-Movement: der Muskeltonus ist herabgesetzt, Puls und Atmung aber erhöht. In diesen Phasen träumt der Mensch. Etwa 20% des Schlafes sind REM- Phasen. Non- REM- Phasen: Blutdruck und Temperatur sinken ab, der Schlafende befindet sich im Tiefschlaf und ist schwer erweckbar. Die REM- Phasen sind am Beginn des Schlafes selten und nehmen gegen Ende des Schlafes deutlich zu. 17.8 Kleinhirn - Cerebellum das Kleinhirn ist nach dem Großhirn der zweitgrößte Anteil des Gehirns und liegt in der hinteren Schädelgrube dem Hirnstamm auf. Es hat außen eine gegliederte, etwa 1mm dicke Rinde aus grauer Substanz, in Inneren Mark aus weißer Substanz, in dem sich noch graue Kerne befinden. Das Kleinhirn ist mit dem Rückenmark, dem Mittelhirn, dem Großhirn und dem Gleichgewichtsorgan verbunden. Dadurch erklärt sich seine Funktion: Aufrechterhaltung des Gleichgewichts und des Muskeltonus, Koordination der Muskelbewegungen; es steuert außerdem die Stellung des Körpers im Raum und die Feinmotorik. Das Kleinhirn (Cerebellum) koordiniert Bewegungen und sorgt dafür, dass diese flüssig ablaufen, und ist für Gleichgewicht, Bewegungen und deren Koordination verantwortlich. Störungen in diesem Areal des Gehirns können dazu führen, dass der Betroffene unter Bewegungsstörungen leidet oder das Gleichgewicht verliert. - 136 - 18 DAS RÜCKENMARK - MEDULLA SPINALIS: Das Rückenmark reicht vom großen Hinterhauptsloch, dem Foramen magnum, bis zur Lendenwirbelsäule. Es liegt im Wirbelkanal, umgeben von den Hirnhäuten, und reicht etwa bis zum 2. Lendenwirbelkörper, wo es in feine Nervenfasern, die Cauda equina, die einem Pferdeschwanz ähnelt, ausläuft. Diese Nervenfasern laufen vom RM zu ihren Austrittsstellen aus der Wirbelsäule. Die Länge des Rückenmarks beträgt etwa 50cm, sein Durchmesser bis zu 2cm. Zu beiden Seiten des Rückenmarks treten Nervenfasern aus und ein, man bezeichnet sie als Nervenwurzeln. Diese vereinigen sich zu 31 bis 32 Nervenpaaren, den Spinalnerven. Diese Spinalnerven werden, entsprechend den Wirbelsäulenanteilen, aus denen sie austreten, benannt. Sie verlassen durch die Zwischenwirbellöcher, die von jeweils zwei benachbarten Wirbelkörpern gebildet werden, die Wirbelsäule. Man unterscheidet folgende Abschnitte des Rückenmarks: 8 Halssegmente (C1 – C8) für die Innervation der Atemmuskulatur und der oberen Extremität 12 Brustsegmente (Th1 – Th12), die die Rumpfwand versorgen 5 Lendensegmente (L1 – L5) und 5 Kreuzbeinsegmente (S1 – S5) zur Versorgung der unteren Extremität, des After sund der äußeren Geschlechtsorgane 1 – 2 Steißbeinsegmente für die Haut über dem Steißbein Unterhalb von L2 ist kein Rückenmark mehr vorhanden, die Nervenfasern ziehen in einem Bündel, pferdeschwanzähnlich, zu ihren Zwischenwirbellöchern. 18.1 Graue und weiße Substanz Im Rückenmarkquerschnitt zeigt sich innen die graue Substanz, deren Form an einen Schmetterling erinnert. Sie besteht aus den Nervenzellkörpern und ihren Dendriten. An ihr bezeichnet man im Querschnitt die Kerngebiete als Hörner, denen im Längsverlauf der Wirbelsäule Säulen entsprechen. Außen laufen die Bahnen des Rückenmarks als weiße Substanz nach oben und unten. 18.1.1 graue Substanz - Hörner (Cornua) des Rückenmarks An der grauen Substanz des Rückenmarks unterscheidet man mehrere Hörner, die unterschiedliche Kerngebiete enthalten. Hinterhorn, Cornu posterius: die Neurone des Hinterhorns erhalten ihre Informationen über sensible afferente Axone, die über die dorsale Wurzel der Spinalnerven in das Rückenmark eintreten. Die Nervenzellkörper dieser Axone liegen in den Spinalganglien. Das Hinterhorn besteht demnach aus sensiblen Neuronen, die ihre Informationen an das Gehirn, letztlich an den sensiblen Gyrus postcentralis (hintere Zentralwindung) weiterleiten. Vorderhorn, Cornu anterius: hier sind die motorischen Neurone in Kerngruppen angeordnet, ihre Axone ziehen über die Vorderwurzel in die Spinalnerven und zur quergestreiften Muskulatur. Sie erhalten ihre Impulse aus den motorischen Arealen (Gyrus praecentralis, Basalganglien) des Gehirns. Entsprechend der Muskelmasse nimmt auch das - 137 - Vorderhorn im Hals - (Versorgung der Muskeln der oberen Extremität) und im Lumbal - und Sakralbereich (untere Extremität) die größte Ausdehnung an. Seitenhorn, Cornu laterale: in ihm liegen die afferenten (sensiblen) und efferenten (motorischen) vegetativen Neurone, deren afferente Axone über die hintere Wurzel eintreten und deren efferente Axone über die vordere Wurzel austreten um sich teilweise an den Grenzstrang anzuschließen. In ihm liegen sowohl sensible als auch motorische Nervenzellkörper des Sympathikus und des Parasympathikus zur Versorgung der Eingeweide. 18.1.2 Weiße Substanz - Stränge Die weiße Substanz liegt im RM außen und wird von auf und absteigenden Bahnen gebildet. Die Stränge enthalten auf - und absteigende Nervenbahnen und werden nach ihrer Lage als Vorder - Seiten - und Hinterstrang bezeichnet. Vorder - und Seitenstrang werden auch zum Vorderseitenstrang zusammengefasst. Die wichtigsten absteigenden Bahnen sind die Pyramidenbahn, die vom primär motorischen Bereich der Großhirnrinde zu den Kernen des Vorderhorns reicht und die motorischen Bahnen des extrapyramidalen motorischen Systems. Die aufsteigenden Bahnen des Hinterstrangs übermitteln sensible Informationen von Haut, Sehnen, Muskeln und Gelenken zum Gehirn, der Vorderseitenstrang übermittelt Informationen über groben Druck, Schmerz und Temperatur. 18.2 Reflexe Reflexe sind immer gleich ablaufende Reaktionen auf Reize, die blitzschnell ohne willentliche Beeinflussung, ablaufen. So ein Reflex läuft über einen Reflexbogen ab. Reflexbogen bedeutet, dass ein Rezeptor einen Reiz aufnimmt, diesen über sensible afferente Fasern ins ZNS weiterleitet, wo eine Reflexantwort erzeugt wird, welche wiederum über motorische Nervenfasern zum ausführenden Organ geleitet wird. Man unterscheidet Eigenreflexe und Fremdreflexe. 18.2.1 Eigenreflexe - monosynaptische Reflexe Die Reizaufnahme und die Reizantwort liegen im selben Organ und zwar in einem Muskel. Der sensible Reiz wird über afferente Fasern über die Hinterwurzel zum Hinterhorn des RM geleitet und dort direkt (monosynaptisch) auf die motorischen Vorderhornzellen umgeschaltet. Dieser Reiz verlässt über die Vorderwurzel das RM und erregt den gereizten Muskel. Es kommt im Muskel zu einer Reizantwort (Kontraktion). Eigenreflexe sind Muskelsehnenreflexe, die sehne wird sensibel gereizt, der dazugehörige Muskel antwortet mit einer Kontraktion! Bsp.: Patellarsehnenreflex, Achillessehnenreflex - 138 - 18.2.2 Fremdreflexe - polysynaptische Reflexe Die Reizaufnahme und die Reizantwort liegen nicht im selben Organ. Der Reflexbogen läuft über mehrere Synapsen ab. So wird der sensible Reiz in der Körperperipherie (Haut) ausgelöst, die motorische Antwort gibt wiederum die Muskulatur. Bsp.: Schutzreflexe (zB. Hand auf heiße Herdplatte à durch Kontraktion der Armmuskeln wird die Hand weggezogen), Fluchtreflexe Einige physiologische Reflexe beim Neugeborenen: Saugreflex, Schreitreflex, Schwimmreflex, Babinskireflex 18.2.3 Vegetative Reflexe Innere Organe werden vom vegetativen Nervensystem gesteuert, Reflexe, die die inneren Organe betreffen, werden daher vegetative Reflexe genannt. Beispiele für vegetative Reflexe sind der Mastdarmreflex zu Stuhlentleerung und der Blasenreflex zur Harnentleerung. Auch das Anspannen der Bauchmuskulatur bei einer Blinddarmentzündung oder die entkrampfende Wirkung von Wärmepackungen an der Haut auf innere Organe haben ihre Grundlage in vegetativen Reflexen. - 139 - 19 PERIPHERES NERVENSYSTEM: Als peripheres Nervensystem bezeichnet man jenen Anteil des Nervensystems, der außerhalb des Gehirns und des Rückenmarks liegt. Dazu gehören die 12 Hirnnervenpaare und die 31 Spinalnervenpaare. 19.1 Hirnnerven Die Hirnnerven entspringen, im Gegensatz zu den Nerven, die aus dem Rückenmark abgehen, direkt aus dem Gehirn und verlassen den Schädel durch vorgeformte Austrittslöcher. Sie versorgen den Kopf und den Hals, aber auch einen Großteil der inneren Organe und sie verbinden die großen Sinnesorgane mit dem Gehirn. Hirnnerven sind in der Regel paarig angelegt und gehören dem peripheren Nervensystem an. Wir unterscheiden 12 Hirnnervenpaare, die mit römischen Ziffern von bezeichnet werden: I. Nervus olfactorius: Riechnerv II. N. opticus: Sehnerv III. N. oculomotorius: Augenmuskelnerv; steuert Augen - und Lidbewegungen IV. N. trochlearis: Augenmuskelnerv V. N. trigeminus – Drillingsnerv; er besteht aus 3 Anteilen - N. ophthalmicus - Augenhöhlennerv, der sensibel die Augenhöhle und die Stirn versorgt - N. maxillaris – Oberkiefernerv zur sensiblen Versorgung von Teilen der Gesichtshaut, der Nasenschleimhaut, der Oberlippe und der Zähne des Oberkiefers - N. mandibularis – Unterkiefernerv: versorgt sensibel die Unterlippe und Zahnfleisch und Zähne des Unterkiefers. Motorisch versorgt er die Kau -und Mundbodenmuskulatur. Klinik: Trigeminusneuralgie: schmerzhafte Reizung in seinem Versorgungsgebiet VI. N. abducens: Augenmuskelnerv VII. N. facialis: Gesichtsnerv: er besitzt motorische, sensorische und parasympathische Fasern. Motorisch versorgt er die mimische Muskulatur, sensorisch leitet er die Geschmacksempfindungen der vorderen 2/3 der Zunge zum Gehirn und seine parasympathischen Fasern versorgen die Tränendrüse, die Unterkiefer - und die Unterzungendrüse. Klinik: Facialisparese: häufige Lähmung des Gesichtsnervs mit unvollständigem Lidschluss, fehlender Mimik und herabhängendem Mundwinkel der betroffenen Seite. Ist Stirnrunzeln noch möglich, hat die Fazialisschwäche wahrscheinlich eine zentrale und keine periphere Ursache. (zentral: Schlaganfall; peripher: Idiopathisch) VIII. N. vestibulocochlearis: Hör - Gleichgewichtsnerv IX. N. glossopharyngeus: Zungen - Rachennerv (Schlucken) X. N. vagus: Eingeweidenerv; Er ist der Hauptnerv des Parasympathikus und versorgt einen Teil der Halsorgane, die Brustorgane und die meisten Bauchorgane mit sensiblen und motorischen vegetativen Fasern. XI. N. accessorius: Halsnerv (Kopfdrehung, Schulterhebung), versorgt motorisch den M. trapezius und den M. sternocleidomastoideus. XII. N. hypoglossus: Zungennerv - 140 - 19.2 Spinalnerven Die Spinalnerven entspringen aus dem Rückenmark und treten paarig – rechts und links durch die Zwischenwirbellöcher aus dem Spinalkanal aus. Sie setzen sich jeweils aus einer vorderen und einer hinteren Wurzel zusammen, die sich zum Spinalnerv vereinigen. Die hintere Wurzel besteht aus den afferenten sensiblen Nervenfasern, die Signale wie Schmerz, Berührung, Druck, Temperatur, aus der Peripherie zum Rückenmark leiten. Ihre Zellkörper liegen in den Spinalganglien, in denen die Nerven aus der Peripherie kommend noch einmal auf das nächste Neuron umschalten. Die Spinalganglien liegen außerhalb des Rückenmarks, aber innerhalb des Wirbelkanals. Die vordere Wurzel besteht aus efferenten motorischen Nervenfasern, die ihre Kerne (Umschaltstellen) in der grauen Rückenmark- Substanz (Vorderhornzellen) haben. Ihre Axone enden an Muskeln. Diese beiden Wurzeln vereinigen sich knapp vor dem Austritt durch die Zwischenwirbellöcher zum Spinalnerv. Folgende Spinalnerven verlassen die Wirbelsäule durch die Zwischenwirbellöcher: 8 Halsnerven - Nn. cervicales: das 1. Paar tritt zwischen Schädel und Atlas aus, das 8. Paar zwischen dem 7. Hals - und 1. Brustwirbelkörper. Sie versorgen die obere Extremität und die Atemmuskulatur. 12 Brustnerven - Nn. thoracici: der 1. tritt zwischen 1. und 2. Brustwirbelkörper aus. Sie versorgen die Brustwand. 5 Lendennerven - Nn. lumbales und 5 Kreuzbeinnerven - Nn.sacrales: Sie versorgen gemeinsam die untere Extremität, die äußeren Geschlechtsorgane und den After. 1(2) Steißbeinnerven - N. coccygeus: sie versorgen den Hautbereich über dem Steißbein. Nach seinem Austritt aus dem Spinalkanal teilt sich jeder Spinalnerv in mehrere Anteile: Gleich nach ihrem Austritt trennen sich die vegetativen Nervenfasern (Sympathikus oder Parasympathikus), welche zu den Eingeweiden ziehen. Die hinteren Anteile (Ramus posterior) versorgen die Haut und die tiefe Muskulatur im Hals - und Rückenbereich. Die vorderen Anteile (Ramus anterior) aus dem 2.-11. Brustsegment laufen als Nn.intercostales - Zwischenrippennerven - zwischen jeweils 2 Rippen zur Rumpfvorderseite und versorgen die Haut und die Muskulatur des Brustkorbes und des Bauches. Die vorderen Anteile aus den übrigen Rückenmarksabschnitten bilden Nervengeflechte, so genannte Plexus, aus denen die peripheren Nerven für Arme, Zwerchfell, Beine und Becken hervorgehen. 19.2.1 Plexus - Nervengeflechte Wie besprochen, bilden die vorderen Anteile (Rami anteriores) der Spinalnerven, mit Ausnahme jener aus dem 2. - 11. Brustsegment, die ja die Interkostalnerven bilden, Nervengeflechte oder Plexus. Der Plexus cervicalis – Halsgeflecht geht aus den vorderen Ästen der 1.-4. Zervikalnerven (Halsnerven) hervor; er versorgt sensibel und motorisch die Bereiche von Hals und Schulter. Aus ihm entspringt auch der N.phrenicus (Zwerchfellnerv) für das Zwerchfell. - 141 - Der Plexus brachialis – Armgeflecht wird aus den ventralen Ästen von C5 – Th1 gebildet. Er versorgt Nacken und Schulter und bildet auch die drei großen Armnerven, den N.radialis, N. ulnaris und den N. medianus, die motorisch die Armmuskulatur und sensibel die Haut der oberen Extremität versorgen. Der Plexus lumbosacralis – Lenden – Kreuzgeflecht entsteht aus den ventralen Ästen von L1 – S5. Seine Nerven versorgen die untere Bauchwand, die äußeren Geschlechtsorgane, den Damm, das Gesäß und die untere Extremität. Aus ihm gehen zwei große Nerven, der N. femoralis zur Vorderseite des Beines und der N. ischiadicus zur Rückseite der unteren Extremität ab. - 142 - 20 VEGETATIVES NERVENSYSTEM Das vegetative Nervensystem, auch autonomes Nervensystem, ist nicht dem Bewusstsein unterworfen und steuert lebenswichtige Organfunktionen wie Herzschlag, Atmung, Verdauung und Stoffwechsel. Es besteht aus dem Sympathikus und dem Parasympathikus, des Großteils eine antagonistische, also entgegengesetzte Wirkung auf die Organe haben. 20.1 Sympathikus Der Sympathikus entspringt aus dem Seitenhorn des Brust – und Lendenmarks, seine motorischen Fasern verlassen über die Vorderwurzel, die sensiblen Fasern über die Hinterwurzel des Spinalnervs das Rückenmark. Übergeordnete Anteile des Sympathikus liegen zum Teil in der Großhirnrinde, im Hypothalamus und im Hirnstamm. Sie senden ihre Impulse zu den sympathischen Ursprungskernen im Rückenmark. Im RM liegen die sympathischen Neurone im Seitenhorn des Brust,-und Lendenmarkes. Ihre Axone verlassen über die Vorderwurzel das RM und die meisten Fasern ziehen zu Nervenzellansammlungen beiderseits der WS, den Paravertebralganglien, die miteinander verbunden sind und den sympathischen Grenzstrang bilden. Dieser läuft ähnlich einer Strickleiter beiderseits der Wirbelsäule, in ihm sind perlschnurartig angeordnete Ganglien über Nervenfasern miteinander verknüpft. Dort schaltet der Großteil der sympathischen Nerven auf das 2. Neuron um ( Neurotransmitter: Acetylcholin) und die Axone (Neuriten) ziehen zu den inneren Organen. ( Neurotransmitter: Noradrenalin). Die Axone im Bauch - und Beckenbereich ziehen ohne Umschaltung im Grenzstrang weiter zu den so genannten prävertebralen Ganglien, die in der Nähe großer Gefäße große Nervengeflechte bilden (Plexus coeliacus, Plexus mesentericus superior und inferior). Erst dort schalten ihre Axone um und ziehen zu den Organen. Das Nebenniernmark ist ebenfalls ein Anteil des peripheren Sympathikus, es setzt bei Sympathikusreiz (Stress!!!) Adrenalin und Noradrenalin frei und gibt sie an das Blut ab. Funktion: Er steigert Herztätigkeit, Blutdruck, Durchblutung der Skelettmuskulatur, die Glykolyse und den Stoffwechsel Er hemmt Darmtätigkeit und Blasenfunktion Außerdem bewirkt er eine Erweiterung der Bronchien, die Ejakulation beim Mann und den Orgasmus bei der Frau und führt zu einer Erweiterung der Pupillen. 20.2 Parasympathikus Im Zentralnervensystem liegen die Neurone des Parasympathikus im Hirnstamm und im Rückenmark im Seitenhorn des Sakralmarkes (Kreuzmark). Ihre Axone verlassen das ZNS mit einigen Hirnnerven und mit Spinalnerven. Im Gegensatz zum Sympathikus schalten sie erst in parasympathischen Ganglien um, die entweder nahe an oder bereits im Erfolgsorgan liegen. (zum Beispiel in der Wand von Hohlorganen wie Magen, Darm, Harnblase). - 143 - Die Hirnnerven III, VII und, IX führen parasympathische Fasern in die Peripherie und versorgen die glatte Muskulatur und die Drüsen im Kopfbereich und im Bereich des Halses. Der N. Vagus (X. Hirnnerv) versorgt die Organe im Brustbereich und die Baucheingeweide bis zur linken Kolonflexur (Übergang des Colon transversum in das Colon descendens). Parasympathische Fasern aus dem Sakralmark ziehen mit den Spinalnerven in die Peripherie und versorgen das Colon descendens, das Rektum und die Beckenorgane. Funktion: senkt Antrieb und Aufmerksamkeit, führt zu einer Verengung der Pupillen, erhöht die Speichelproduktion, führt zu einer Kontriktion (Engstellung) der Bronchien und zu einem Absinken der Frequenz und Schlagkraft des Herzens, senkt den Blutdruck. Er erhöht allerdings die Verdauungstätigkeit und die Darmperistaltik. Sympathikus und Parasympathikus wirken antagonistisch. In der Regel bewirkt der Sympathikus eine Leistungssteigerung des Organismus, er regt die Herztätigkeit und den Blutkreislauf an, während er die Darmtätigkeit hemmt. Er überwiegt, wenn der Mensch aktiv ist. Der Parasympathikus hingegen dämpft den Herzschlag und fördert die Verdauung. Er überwiegt in Ruhe. Der Sympathikus versetzt den Körper in den Zustand hoher Leistungsbereitschaft, er bereitet auf Angriff, Flucht, Verteidigung und außergewöhnliche Anstrengungen vor. Der Parasympathikus sorgt für Ruhe, Erholung und Schonung des Organismus. Organ Wirkung des Sympathikus Wirkung des Parasympathikus • Auge Erweiterung der Pupillen Verengung der Pupillen und stärkere Linsenkrümmung • Speicheldrüsen Verminderung der Speichelsekretion (wenig und zäher Speichel) Vermehrung der Speichelsekretion (viel und dünnflüssiger Speichel) • Herz Beschleunigung der Herzfrequenz Verlangsamung der Herzfrequenz • Lunge Erweiterung der Bronchien und Verminderung von Bronchialschleim Verengung der Bronchien und Vermehrung von Bronchialschleim • Magen-DarmTrakt Verminderte Darmbewegung und verminderte Sekretion von Magen- und Darmsaft Vermehrte Darmbewegung und vermehrte Sekretion von Magen- und Darmsaft - 144 - • Bauchspeicheldrüse Verminderte Sekretion von Verdauungssäften Vermehrte Sekretion von Verdauungssäften • Männliche Sexualorgane Ejakulation Erektion • Haut Verengung der Blutgefäße, Schweißsekretion, Aufstellen der Haare 20.3 Meningen - Hirnhäute Gehirn und Rückenmark füllen die knöchernen Höhlen des Schädels und der Wirbelsäule nicht vollständig aus, sondern sind von Häuten und einer Flüssigkeit, dem Liquor cerebrospinalis umgeben, die das empfindliche Nervengewebe vor Erschütterungen schützen. An den Hirnhäuten unterscheidet man 3 Blätter, eine äußere harte Hirnhaut, die Dura mater von einer inneren weichen Hirnhaut, der Leptomeninx, die wiederum in das äußere Blatt, die Arachnoidea, und in das innere Blatt, die Pia mater, unterteilt wird. Zwischen diesen Blättern befindet sich ein mit Flüssigkeit, Liquor cerebrospinalis, gefüllter Raum, der Subarachnoidalraum. 20.3.1 Dura mater Die außen liegende Dura mater ist fest mit dem Periost des Schädelknochens verwachsen und auch zur darunterliegenden Arachnoidea besteht eine bindegewebige Verbindung. Die Dura besteht eigentlich aus 2 Blättern, die teilweise fest miteinander verbunden sind, teilweise aber Hohlräume dazwischen bilden. Sie ist eine derbe sehnige Haut , die mit ihren Gebilden (Duplikaturen) den Schädelinnenraum unterteilt und dem Gehirn Halt verleiht. In diesen Gebilden laufen große, venöse Blutleiter. Am Foramen magnum setzt sich die Dura auf das Rückenmark fort, wo sie sich in 2 Blätter aufteilt. Ein äußeres, welches das Periost des Wirbelkanals bildet und ein inneres, welches wie ein Sack das RM und den äußeren Liquorraum umhüllt. Dazwischen liegt der mit Fettgewebe und großen Venen gefüllte Epiduralraum. Duplikaturen der Dura mater: Falx cerebri, Gehirnsichel: mediansagittal gelegene Duraplatte, die zwischen die zwei Hemisphärenbis zum Balken reicht. Sie geht über in das horizontal verlaufende Tentorium cerebelli, Kleinhirnzelt, das den Hinterhauptslappen des Großhirns vom Kleinhirn trennt, und in die Falx cerebelli, Kleinhirnsichel, die unvollständig die Kleinhirnhemisphären voneinander trennt, über. - 145 - 20.3.2 Arachnoidea Die äußere Schicht der Leptomeninx liegt der Dura innen auf und überbrückt, im Gegensatz zur Pia mater, alle Unebenheiten des Gehirns. Sie ist sehr fein und heißt wegen ihres Aussehens Spinnwebenhaut. Sie bildet liquorgefüllte Ausstülpungen, die Arachnoidalzotten, die durch die Dura hindurch in die venösen Blutleiter (Sinus) der Dura ragen und den Liquor in das Venensystem abtransportieren. 20.3.3 Pia mater Die innerste Schichte der Hirnhäute liegt der Oberfläche des Gehirns direkt an und folgt ihr in alle Einkerbungen und Vertiefungen. Zwischen Arachnoidea und Pia mater liegt der liquorgefüllte Subarachnoidalraum. 20.4 Der Liquor cerebrospinalis Der Liquor ist eine farblose, klare Flüssigkeit, der die inneren und äußeren Räume des Gehirns ausfüllt. Er wird von einem Kapillargeflecht der Pia mater innerhalb der Hirnventrikel gebildet und über die Arachnoidalzotten wieder in das Blut der venösen Sinus abgegeben. Seine Hauptaufgabe ist der Schutz des Gehirns. Lumbalpunktion: bei vielen Erkrankungen ist eine Untersuchung des Liquors von diagnostischer Bedeutung (Meningitis, Blutungen). Liquor wird gewonnen, indem zwischen den Dornfortsätzen des 3. und 4.Lendenwirbels punktiert wird. Da das Rückenmark bereits auf Höhe des 2. Lendenwirbelkörpers endet, bleibt es dabei unverletzt. 20.5 Liquorräume Im ZNS gibt es zwei miteinander in Verbindung stehende Liquorräume, den Subarachnoidalraum oder äußeren Liquorraum zwischen Arachnoidea und Pia mater und das Ventrikelsystem im Inneren des Gehirns. Diese liquorgefüllten Hohlräume stehen durch Kanäle miteinander in Verbindung. Im Gehirn unterscheiden wir 2 Seitenventrikel in den Großhirnhemisphären, den 3. Ventrikel im Zentrum des Zwischenhirns und den 4. Ventrikel im Rhombencephalon (hinterster Gehirnabschnitt) zwischen Brücke und Kleinhirn; dieser setzt sich in den Zentralkanal des Rückenmarks fort. Klinik: Beim Hydrocephalus liegt eine Störung zwischen Liquorbildung und Liquorresorption vor; es kommt zu Liquoransammlungen in den Liquorräumen und in der Folge zu einem erhöhten Hirndruck. Solange der Schädel noch wächst kommt es auch zu einer Schädelvergrößerung. - 146 - 20.6 Gefäßversorgung des Gehirns 20.6.1 Arterien Das Gehirn wird aus zwei Gefäßgebieten versorgt, die zur Sicherstellung der Hirndurchblutung zu einem Ring, den Circulus arteriosus cerebri (Willisii), verbunden sind. Insgesamt erhält das Gehirn sein arterielles Blut aus 4 Gefäßen, nämlich aus Ästen der beiden Aa. carotides internae (innere Halsschlagadern) und von dorsal aus den Ästen der beiden Aa. vertebrales (Wirbelschlagadern). 20.6.2 Venen Hirnvenen sind klappenlos und dünnwandig und verlaufen meist unabhängig von den Arterien. Sie lassen sich in oberflächliche und tiefe Venen einteilen. Die tiefen Venen sammeln das Blut aus den Markbereichen des Gehirns, die oberflächlichen von der Hirnoberfläche; sie münden in die venösen Sinus (Blutleiter) zwischen den zwei Blättern der Dura mater. Von dort fließt das Blut über die paarige V. jugularis interna in die re. und li. V. brachiocephalica in die V. cava superior. Klinik: Schlaganfall: Unter einem Schlaganfall versteht man eine Störung der Hirndurchblutung, entweder durch den Verschluss einer Arterie (Thrombose) oder durch eine Blutung in ein bestimmtes Hirnareal. Es kann je nach betroffenem Gebiet, zu motorischen und sensiblen Ausfällen, zu Sprach- und Sehstörungen und zu Bewusstseinseinschränkungen kommen. - 147 - 21 SENSIBILITÄT UND SINNESORGANE Sensibilität ist die Fähigkeit, Veränderungen der Umwelt oder des Körperinneren durch spezielle Sinneszellen oder Sinnesorgane wahrzunehmen. Die Sinnesrezeptoren für diese Wahrnehmungen leiten nach einem Reiz die Impulse über sensible Nervenbahnen zum Gehirn. Verschiedene Reize benötigen unterschiedliche Rezeptoren: Mechanorezeptoren: reagieren auf mechanische Reize, wie Druck oder Zug. Thermorezeptoren: Wärme und Kältereize Photorezeptoren: Licht Chemorezeptoren: chemische Stoffe, wie Geschmacks - oder Geruchsstoffe Nozirezeptoren: Schmerzreize durch Gewebsschäden 21.1 Hautsinn Die sensible Innervation des Rumpfes ist in Dermatome (Hautareale), die den einzelnen Spinalnerven zugeordnet sind, gegliedert. Die Dermatome von Arm, Bein und Genitalanalregion folgen komplizierten Anordnungen der Spinalnerven. Auf Grund enger Beziehungen zwischen vegetativem und sensiblem System können Schmerzempfindungen innerer Organe auf bestimmte Hautareale projiziert werden, man spricht von Head`schen Zonen. Die Haut ist das größte Sinnesorgan des Menschen. Die Empfindungen werden von einer Vielzahl unterschiedlicher Nervenendigungen ausgelöst: freie Nervenendigungen nehmen Schmerzreize und Temperaturreize wahr. Merkel-Tastkörperchen sind langsam adaptierende Mechanorezeptoren Unter Meissner-Tastkörperchen versteht man ovale, von einer Kapsel umgebene Endkörperchen; sie vermitteln Druck - und Berührungsempfindungen. Vater-Pacini-Körperchen sind schnell adaptierende Mechanorezeptoren, sie nehmen Vibrationen wahr. Ruffini-Körperchen sind ebenfalls schnell adaptierende Mechanorezeptoren, die auch in Gelenkskapseln zu finden sind. Krause-Endkolben sind wiederum langsam adaptierende Mechanorezeptoren, die neben der Haut auch in Gelenken und Organkapseln vorkommen. 21.2 Geruchssinn Als Riechorgan verfügt die Nase über zahlreiche entsprechende Sinneszellen, die als Chemorezeptoren im oberen Bereich der Nasenscheidewand und der oberen Nasenmuschel liegen. Die Riechschleimhaut hebt sich gelblich gefärbt gegen die übrige Nasenschleimhaut ab. Die Riechschleimhaut ist aus Basal - und Stützzellen aufgebaut, aus denen die Riechzellen hervorragen. Jede dieser über zehn Millionen Riechzellen mündet in einen Riechknopf, der von etwa fünf winzigen Riechhärchen besetzt ist. Diese sind in der Lage gelöste Duftmoleküle aufzufangen. Wenn das geschieht, wird die Sinneszelle veranlasst, einen - 148 - Nervenimpuls zu erzeugen. Die Riechnervenfasern, die sich zum Riechnerven, dem N. olfactorius (1.Hirnnerv) vereinigen, leiten den entstandenen Impuls durch die Siebbeinplatte in den Schädel zum Riechkolben. Der Riechkolben liegt unterhalb des Stirnlappens des Großhirns, er hat etwa die Größe eines Streichholzkopfes. Das Siebbein, das die zentrale Schädelbasis mitbildet, beinhaltet winzige Öffnungen für die Fasern der Riechzellen. Im Riechkolben werden die Impulse auf das 2. Neuron der Riechbahn, den Tractus olfactorius, umgeschaltet und dieser zieht zur Großhirnrinde. 21.3 Geschmackssinn Mit den Sinneszellen der Zunge nehmen wir die Geschmacksrichtungen süß, salzig, sauer, bitter und umami wahr. Dazu dienen vier Arten von Papillen mit insgesamt 9000 Geschmacksknospen, die sich auf dem Zungenrücken befinden. Die Fadenpapillen (Papillae filiformes) sind über den ganzen Zungenrücken verteilt. Ihre Spitzen übertragen mechanische Einflüsse auf zahlreiche Nervenenden und bilden so die Grundlage für den feinen Tastsinn der Zunge. Die Blätterpapillen gruppieren sich in zwei Reihen an jeder Zungenseite. Die Pilzpapillen liegen am Zungenrand und auf der Zungenspitze. Sieben bis zwölf warzenförmige Wallpapillen liegen im hinteren Teil der Zunge. Die Geschmacksknospen der Papillen enthalten jeweils 30-80 Rezeptorzellen. Diese nehmen über die Geschmacksporen die im Speichel gelösten Geschmacksstoffe auf. Die Rezeptorzellen wandeln "Geschmack" in elektrische Impulse um und leiten diese weiter an die sensorischen Nervenfasern. Über den VII. Hirnnerven (N. Facialis: vordere 2/3 der Zunge) und den IX. Hirnnerv (N. Glossopharyngeus: hinteres 1/3) gelangen die Impulse zum Gehirn. Die Geschmacksknospen nehmen folgende Geschmäcker auf: süß, sauer, salzig, bitter und umami. Die Geschmacksknospen für „bitter" sind 10.000mal empfindlicher als jene für „süß"; auf diese Weise können die meist bitteren giftigen Substanzen besonders schnell wahrgenommen werden. 21.4 Hör - und Gleichgewichtssinn 21.4.1 Ohr- Auris Äußeres Ohr - Auris externa Das äußere Ohr besteht aus der Ohrmuschel (Auricula) und dem äußeren Gehörgang mit einem knorpeligen und einen knöchernen Anteil. Mit Hilfe des äußeren Ohres "fangen" wir die akustischen Signale unserer Umgebung auf. Diese werden dann über den Gehörgang in den inneren, im Schädel verborgen liegenden, Teil des Ohres weitergeleitet. Bei der von außen sichtbarer Ohrmuschel handelt es sich um einen trichterförmigen, von Haut überzogenen, elastischen Knorpel. Die Form und die Größe sind individuell sehr unterschiedlich. Das Ohrläppchen besteht hingegen aus Fettgewebe, wodurch es sehr flexibel ist. Der äußere Gehörgang reicht bis zum Trommelfell, das den Übergang vom - 149 - äußeren Ohr zum Mittelohr bildet. Im Gehörgang sind außerdem noch die Ohrenschmalzdrüsen oder Zerumendrüsen zu finden. Mittelohr - Auris media Im Mittelohr (Auris media) befindet sich die so genannte Paukenhöhle. Die Paukenhöhle wird nach außen zum Gehörgang vom Trommelfell begrenzt und ist mit Luft gefüllt. In ihr befinden sich die drei Gehörknöchelchen, der Hammer, der Amboss und der Steigbügel. Diese drei winzigen Knochen fungieren als Überträger und als Verstärker der eintreffenden akustischen Wahrnehmungen. Der Hammerstiel ist an der Innenseite des Trommelfells angewachsen. Durch den Schall gerät das elastische Trommelfell in Schwingungen. Der Hammer schwingt dabei immer mit und überträgt die Schallschwingungen an den Amboss und in der Folge auf den Steigbügel. Dieser leitet die übertragene Schwingung schließlich zum Innenohr weiter. Der Steigbügel schließt das Mittelohr gegenüber dem Innenohr ab, indem seine Fußplatte in eine Öffnung des Felsenbeins beweglich eingepasst ist. Die Öffnung, in die der Steigbügel eingepasst ist, wird ovales Fenster genannt. Da die Schallwellen vom größeren Trommelfell zum kleinen ovalen Fenster übergeleitet werden, werden diese verstärkt und können so die Flüssigkeit im Innenohr in Schwingung versetzen. Das Felsenbein ist ein Teil des Schläfenbeines. Die Eustachische Röhre (Ohrtrompete) verbindet die nach außen abgeschlossener Paukenhöhle mit dem Rachen, damit Druckunterschiede ausgeglichen werden können. Durch Schlucken oder Pressen von Luft bei zugehaltener Nase kann etwa beim Tauchen der Druck im Mittelohr dem höheren äußeren Druck angeglichen werden. Ein solcher Druckausgleich ist ebenso erforderlich, wenn der Außendruck geringer als der Druck im Mittelohr ist. Dies ist zum Beispiel beim Fliegen der Fall. Hier hilft ebenfalls das "Luftpressen" bei zugehaltener Nase oder bewusstes Schlucken, um den Druckausgleich über die Ohrtrompete im Mittelohr wiederherzustellen und somit das unangenehme Druckgefühl in den Ohren los zu werden. Innenohr - Auris interna Der dritte Teil des Ohres, das Innenohr (Auris interna), befindet sich eingebettet im knöchernen Bereich des Felsenbeins. Das Innenohr enthält die Bogengänge. Utriculus und Sacculus für das Gleichgewichtsorgan und die Schnecke (Cochlea) als eigentliches Hörorgan. Die Cochlea verdankt ihren Namen der Tatsache, dass sie aus drei übereinander liegenden gebogenen Kanälen besteht, die ihr das Aussehen einer Schnecke verleihen. Im Gegensatz zum äußeren Ohr und dem Mittelohr, die beide luftgefüllt sind, sind die Bogengänge, Utriculus, Sacculus und die Schnecke mit Flüssigkeit gefüllt, die sich nicht zusammendrücken lässt. Die knöcherne Schnecke und Bogengänge sind mit Perilymphe gefüllt, sie umgeben eine innere häutige Schnecke und häutig angelegte Bogengänge, die mit Endolymphe gefüllt sind. Die häutigen Organe liegen also in einer im Knochen vorgeformten Höhle. Die häutige Schnecke ist das mit Endolymphe gefüllte Hörorgan (Corti Organ) und beinhaltet die Basilarmembran mit den Sinneszellen (Haarzellen), welche das Hören ermöglichen. Die Härchen ragen in eine gallertige Deckmembran, die die Bewegungen der Endolymphe mitmacht und diese auf die Härchen überträgt. Die Basis der Haarzellen bilden die Fasern des VIII. Hirnnerven (N. vestibulocochlearis). - 150 - 21.4.1.1 Hörfunktion Schallwellen sind wellenförmige Luftschwingungen und werden von der Ohrmuschel aufgenommen. Durch den äußeren Gehörgang gelangen sie zum Trommelfell und versetzen dieses in Schwingungen. Die Schwingungen übertragen sich auf die Gehörknöchelchenkette und erreichen so das ovale Fenster, die Öffnung zum Innenohr. Die Schwingungen am ovalen Fenster übertragen sich auf die Perilymphe der Vorhoftreppe (Scala vestibuli) und wandern bis zur Schneckenspitze und um diese herum in die Paukentrappe (Scala tympani) und gelangen so bis zum runden Fenster, wo sie verebben. Zwischen diesen Treppen liegt das ebenfalls flüssigkeitsgefüllte (Endolymphe) Cortiorgan mit der Basalmembran und den Sinneszellen. Die Wellen versetzen auch die Endolymphe im Cortiorgan in Schwingungen. Dadurch werden zwischen den Haarzellen der Basilarmembran und der gallertigen Deckmembran Scherbewegungen erzeugt. Die Härchen der Sinneszellen verbiegen sich und es entsteht ein Nervenreiz. Diese Reize werden über die basal liegenden Nervenfasern zum Nervus vestibulocochlearis (Hörnerv) weitergeleitet. Über ihn ziehen sie zum Hörzentrum im Schläfenlappen des Großhirns. Das menschliche Ohr kann Schall mit einer Frequenz von 16 bis etwa 20.000 Hertz erfassen. Die obere Hörgrenze sinkt mit zunehmendem Alter bis auf Werte um 5.000 Hertz ab (Altersschwerhörigkeit). Am empfindlichsten reagiert unser Ohr auf Frequenzen von 2.000 bis 5.000 Hertz. 21.4.2 Gleichgewichtsorgan Das Gleichgewichtsorgan (Labyrinth, Vestibularorgan) befindet sich beim Menschen ebenfalls im Innenohr und besteht aus fünf Anteilen, den drei Bogengängen und zwei Ausweitungen Sacculus und Utriculus. 21.4.2.1 Bogengänge Die drei mit Endolymphe gefüllten Bogengänge bilden das Drehsinnorgan und stehen nahezu senkrecht zueinander und erfassen so die Drehbewegungen im Raum. Sie bestehen jeweils aus dem eigentlichen Bogen und aus einer Erweiterung, der Ampulle. In der Ampulle liegen die Haarzellen der Bogengänge, die Sinneszellen des Gleichgewichtsorgans. Ihre Spitzen ragen in einen Gallertkegel, die Cupula. Bei einer Drehung des Kopfes strömt die Endolymphe auf Grund ihrer Trägheit entgegen der Drehrichtung durch die Bogengänge. Dadurch werden die Cupula und die in ihr liegenden Sinneshaarzellen gebogen und erregt. Das so erzeugte elektrische Signal gelangt über den Bogengangnerv zum Gehirn. 21.4.2.2 Sacculus und Utriculus: Sacculus und Utriculus erfassen die linearen Beschleunigungen des Körpers im Raum. Sie stehen ebenfalls senkrecht zueinander, sodass der Sacculus auf vertikale und der Utriculus auf horizontale Beschleunigungen anspricht. In ihnen findet man als Sinnesorgan keine Cupula, sondern die Macula. Diese Sinnesorgane bestehen wiederum aus Haarzellen, die in - 151 - eine gallertige Masse hineinragen. Die Macula wird zusätzlich durch kleine Kalkstückchen, die Statokonien, beschwert. Im Sacculus stehen die Sinneshärchen in horizontaler Richtung im Utriculus stehen sie vertikal. Bei vertikalen Bewegungen werden so die Sinneszellen im Sacculus, bei Horizontalbewegungen jene im Utriculus gereizt. Von den Sinneszellen gelangt die Sinnesinformation über den VIII. Hirnnerv (Nervus vestibulocochlearis) zu entsprechenden Nervenkernen im Hirnstamm (Vestibulariskerne). Diese erhalten zusätzliche Informationen vom Kleinhirn und vom Rückenmark. Die Verschaltung des Gleichgewichtsorgans mit den Augenmuskeln (Vestibulookulärer Reflex) ermöglicht die visuelle Wahrnehmung eines stabilen Bildes während gleichzeitiger Kopfbewegungen. Für die bewusste Orientierung im Raum sind neben dem Gleichgewichtssystem (vestibuläres System) auch das visuelle System und das propriozeptive System (Tiefensensibilität) verantwortlich. Neuere Untersuchungen zeigen, dass das Gleichgewichtsorgan im Innenohr nicht nur für die Orientierung im Raum zuständig ist; eine weitere wichtige Rolle spielt es bei der präzisen Steuerung der Körperbewegungen. Insbesondere bei Bewegungen im Dunklen oder bei sehr komplexen Bewegungsabfolgen, wie sie z. B. Turner oder Artisten ausführen, scheint diese Funktion eine wichtige Rolle zu spielen. 21.5 Sehsinn Das gesamte Auge, auch Augapfel genannt, ist eine kugelförmige Struktur mit einem Durchmesser von etwa 2,5 Zentimetern und einer deutlichen Ausbuchtung an der Vorderseite. Die Wand des Auges besteht aus drei Gewebeschichten: Ganz außen liegt die schützende weiße Lederhaut (Sklera), die etwa fünf Sechstel der Oberfläche des Augapfels bedeckt. Auf der Vorderseite geht sie in die stärker gewölbte, durchsichtige Hornhaut (Cornea) über. Die mittlere Schicht ist die Aderhaut (Choroidea), die von vielen Blutgefäßen durchzogen wird und die hinteren drei Fünftel des Augapfels umschließt. Sie setzt sich in den Ziliarkörper und in die Regenbogenhaut (Iris) fort, die sich auf der Vorderseite des Auges befindet. Die Iris ist der von vorne sichtbare, gefärbte Teil des Auges und schließt als kreisrunde Scheibe ein Loch, die Pupille, ein. Die innerste Schicht schließlich ist die lichtempfindliche Netzhaut (Retina). 21.5.1 Schichten des Auges Die äußerste Haut des Auges wird in zwei Abschnitte unterteilt: Die weiße Lederhaut (Sclera) liegt im hinteren Augapfelbereich. An ihr setzen die äußeren Augenmuskeln an, die das Auge in der Augenhöhle bewegen. Die durchsichtige Hornhaut (Cornea) befindet sich im vorderen Abschnitt, durch den das Licht ins Auge eintritt. Sie wird ständig mit Tränenflüssigkeit befeuchtet. Die Hornhaut ist eine widerstandsfähige, durchsichtige Membran, durch die das Licht ins Innere des Auges gelangt. Die hinter der Hornhaut gelegene vordere Augenkammer ist mit - 152 - Kammerwasser gefüllt, einer durchsichtigen wässrigen Flüssigkeit. Den hinteren Abschluss der vorderen Augenkammer bildet die transparente Augenlinse, ein abgeflacht - kugeliges Gebilde aus zahlreichen, in Schichten angeordneten, durchsichtigen Fasern. Die Linse ist über Bänder mit einem Ringmuskel, dem Ziliarmuskel, verbunden, der sich um die ganze Linse herumzieht und zusammen mit dem umgebenden Gewebe den Ziliarkörper bildet. Der Ziliarmuskel kann die Linse flacher oder kugelförmiger machen und so ihre Brennweite verändern. Hinter der Iris befindet sich die hintere Augenkammer. Die Augenhöhle ist mit dem kugeligen Glaskörper gefüllt, der aus einer durchsichtigen, geleeartigen Substanz, die von einer dünnen Membran umgeben ist, gebildet wird. Der Druck des Glaskörpers sorgt dafür, dass sich die Netzhaut nicht ablöst. Mittlere Augenhaut Sie besteht aus drei Abschnitten: Die Aderhaut (Choriodea) ist reich an Blutgefäßen und versorgt die anliegenden Schichten mit Nährstoffen und Sauerstoff, sie ist häufig pigmentiert. Nach vorne geht die Aderhaut in den Ziliarkörper (auch Strahlenkörper, Corpus ciliare) über, der der Aufhängung der Augenlinse und ihrer Akkommodation dient. Der vorderste Abschnitt der mittleren Augenhaut ist die Regenbogenhaut (Iris). Sie bildet in ihrer Mitte die Pupille und reguliert den Lichteinfall (Adaptation). Ihre Pigmentierung verursacht die individuelle Augenfarbe. Die farbige Regenbogenhaut (Iris), die zwischen Hornhaut und Linse liegt, hat in der Mitte eine runde Öffnung, die Pupille; ihre Größe wird von zwei Muskeln der Iris gesteuert. Der M. dilatator pupillae (Pupillenweitsteller) zeigt einen radiären Verlauf, der M. sphincter pupillae (Pupillenweitsteller) einen zirkulären Verlauf. Die Netzhaut oder Retina ist die kompliziert gebaute innerste Schicht, die im Wesentlichen aus Nervenzellen besteht. An ihrer Oberfläche liegen lichtempfindliche Sinneszellen, die zu einer dahinter liegenden pigmentierten Gewebeschicht gerichtet sind. Die Nervenfasern dieser Sinneszellen sammeln sich zum Sehnerv. Die Sinneszellen sehen aus wie Stäbchen bzw. Zapfen. Die Zapfen ermöglichen das Farbensehen, während die Stäbchen lediglich Hell-Dunkel-Unterschiede erkennen lassen. Genau gegenüber der Pupille liegt an der Netzhaut der gelbe Fleck (Macula lutea), in dessen Mitte sich die Fovea centralis, der Bereich des schärfsten Sehens, befindet. Im Zentrum der Fovea centralis befinden sich ausschließlich Zapfen, in den anderen Bereichen der Netzhaut liegen Zapfen- und Stäbchenzellen, wobei die Zahl der Zapfenzellen zum Rand des lichtempfindlichen Bereichs hin abnimmt, die Stäbchen nehmen hingegen zu. Ganz außen finden sich nur noch Stäbchenzellen. Daraus ergibt sich die Tatsache, dass die zentralen Netzhautabschnitte das Farbensehen am Tag ermöglichen, bei Dämmerung jedoch die peripher liegenden Areale erregt werden, die nur mehr Grautöne wahrnehmen können. Die Nervenfasern aus der Netzhaut vereinigen sich im Sehnerv, der die Impulse zum Gehirn weiterleitet. Der Sehnerv verlässt etwas unterhalb und medial der Fovea centralis die Netzhaut in einem kleinen runden Bereich ohne lichtempfindliche Zellen, der als blinder Fleck bekannt ist. Der Durchblutung der Netzhaut dienen jeweils eine zentrale Arterie und eine Vene, die im Sehnerv verlaufen. - 153 - 21.5.2 Schutzstrukturen des Auges Dem Schutz der Augen dienen mehrere anatomische Strukturen, die selbst nicht zum Augapfel gehören. Dazu gehören die Augenlider, zwei bindegewebige Hautfalten oben und unten am Auge, die durch Muskeln geschlossen werden können und eine Schutzschicht gegen zu starkes Licht und mechanische Verletzungen bilden. Die Wimpern, Reihen kurzer Haare an beiden Augenlidern, halten Staubteilchen und Insekten bei teilweise geschlossenen Augenlidern fern. An der Innenseite der Augenlider befindet sich die zarte Bindehaut, die sich weiter über die sichtbaren Anteile der Lederhaut legt. An den äußeren Augenwinkeln liegt jeweils eine Tränendrüse, die den vorderen Teil des Augapfels mit ihrem Sekret feucht hält. Die Tränenflüssigkeit wird bei jedem Lidschlag über den Augapfel verteilt und spült kleine Staubteilchen und andere Fremdkörper weg, bevor sie am medialen Augenwinkel in den Tränennasengang abrinnt. Auch die Augenbrauen dienen dem Schutz der Augen, sie verhindern, dass Schweiß von der Stirn in die Augen rinnt. - 154 -