Markus Prandini Ralph Lehmann Helene Blumer Jacqueline Keller Industrielle After Sales Services in China Rahmenbedingungen, Geschäftsmodelle, Analysen, Empfehlungen Industrielle After Sales Services in China Markus Prandini · Ralph Lehmann Helene Blumer · Jacqueline Keller Industrielle After Sales Services in China Rahmenbedingungen, Geschäftsmodelle, Analysen, Empfehlungen Markus Prandini Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften ZHAW Zürich, Schweiz Helene Blumer Hochschule für Technik und Wirtschaft HTW Chur Chur, Schweiz Ralph Lehmann Hochschule für Technik und Wirtschaft HTW Chur Chur, Schweiz Jacqueline Keller Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften ZHAW Zürich, Schweiz ISBN 978-3-658-19041-5 ISBN 978-3-658-19042-2 (eBook) https://doi.org/10.1007/978-3-658-19042-2 Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. Springer Gabler © Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2018 Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung, die nicht ausdrücklich vom Urheberrechtsgesetz zugelassen ist, bedarf der vorherigen Zustimmung des Verlags. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Bearbeitungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Der Verlag, die Autoren und die Herausgeber gehen davon aus, dass die Angaben und Informationen in diesem Werk zum Zeitpunkt der Veröffentlichung vollständig und korrekt sind. Weder der Verlag noch die Autoren oder die Herausgeber übernehmen, ausdrücklich oder implizit, Gewähr für den Inhalt des Werkes, etwaige Fehler oder Äußerungen. Der Verlag bleibt im Hinblick auf geografische Zuordnungen und Gebietsbezeichnungen in veröffentlichten Karten und Institutionsadressen neutral. Lektorat: Barbara Roscher Gedruckt auf säurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier Springer Gabler ist Teil von Springer Nature Die eingetragene Gesellschaft ist Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH Die Anschrift der Gesellschaft ist: Abraham-Lincoln-Str. 46, 65189 Wiesbaden, Germany Inhaltsverzeichnis 1 China als Absatzmarkt für Schweizer Unternehmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.1 Aufstieg von China zur führenden Wirtschaftsmacht . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.2 Herausforderungen des chinesischen Marktes. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Literatur. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 1 3 5 2 After Sales Services im internationalen Geschäft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1 Bedeutung von After Sales Services im internationalen Wettbewerb. . . . . 2.2 Ansprüche an After Sales Services im chinesischen Markt. . . . . . . . . . . . . Literatur. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 7 9 10 3 After-Sales-Service-Geschäftsmodelle von Schweizer Unternehmen in China. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1 Untersuchung in der Schweizer Maschinenbaubranche . . . . . . . . . . . . . . . 3.2 After-Sales-Service-Geschäftsmodelle in China. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2.1 Die Vermessungstechnik AG. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2.2 Die Kompression AG. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2.3 Die Kneter AG. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2.4 Die Feinwerk AG. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2.5 Die Konserven AG. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2.6 Die Werkzeug AG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2.7 Die Temperier AG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2.8 Die Zentrifugen AG. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Literatur. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11 11 14 15 21 26 31 37 42 47 53 58 Integriertes After-Sales-Service-Geschäftsmodell in China. . . . . . . . . . . . . . 4.1 Gestaltungsfaktoren. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.1.1 Serviceangebot. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.1.2 Preisgestaltung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.1.3 Vermarktung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.1.4 Vertrieb. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61 61 61 63 63 63 4 V VI Inhaltsverzeichnis 4.2 Erfolgsfaktoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.2.1 Service as a Business. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.2.2 Service as a Support. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.3 Einflussfaktoren. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.3.1 Landesspezifische Einflussfaktoren. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.3.2 Kundenspezifische Einflussfaktoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.3.3 Vertriebspartnerspezifische Einflussfaktoren. . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.3.4 Unternehmensspezifische Einflussfaktoren. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.3.5 Produktspezifische Einflussfaktoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5 6 Beurteilung der After-Sales-Service-Geschäftsmodelle von Schweizer Unternehmen in China. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.1 Transformation vom produkt- zum dienstleistungsorientierten Industrieunternehmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.2 Servitization-Stufenmodell für Industriebetriebe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.3 Teufelskreis von After Sales Services für Schweizer Unternehmen in China. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Literatur. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Empfehlungen zur Ausgestaltung von After Sales Services in China . . . . . . 6.1 Erwartungen an After Sales Services im chinesischen Markt. . . . . . . . . . . 6.1.1 Bedeutung von After Sales Services in China. . . . . . . . . . . . . . . . . 6.1.2 Erwartungen an das Angebot von After Sales Services in China . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.1.3 Erwartungen an die Preisgestaltung von After Sales Services in China . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.1.4 Erwartungen an die Vermarktung von After Sales Services in China . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.1.5 Erwartungen an den Vertrieb von After Sales Services in China . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.2 Gestaltung von After Sales Services im chinesischen Markt. . . . . . . . . . . . 6.3 Empfohlenes After-Sales-Service-Geschäftsmodell für Schweizer Unternehmen in China. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64 64 64 66 67 68 71 72 74 77 77 78 80 81 83 84 84 84 85 86 86 87 88 7 Ausblick auf die wirtschaftliche Entwicklung von China. . . . . . . . . . . . . . . . 93 7.1 Masterplan „Made in China 2025“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 94 7.2 Innovation als Treiber für Servitization in China. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 98 7.3 Szenarien für die zukünftige Ausgestaltung von After Sales Services in China. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99 Literatur. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102 8 Schlussbetrachtung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103 Abbildungsverzeichnis Abb. 1.1 Wachstum von Chinas Bruttoinlandprodukt (1952–2013). . . . . . . . . . . . . Abb. 3.1 After Sales Services der Vermessungstechnik AG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abb. 3.2 Erfolgsfaktoren und -bedingungen von After Sales Services für die Temperier AG. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abb. 4.1 After-Sales-Service-Gesamtmodell. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abb. 5.1 Teufelskreis von After Sales Services in China. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abb. 6.1 Handlungsmodell zur Ausgestaltung des After-Sales-Service-Geschäfts in China. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abb. 7.1 Schlüsselindustrien der „Made in China 2025“ Strategie. . . . . . . . . . . . . . Abb. 7.2 Auswirkungen der „Made in China 2025“ Strategie auf Industrienationen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2 18 52 62 80 87 95 96 VII Tabellenverzeichnis Tab. 5.1 Tab. 5.2 Tab. 6.1 Transformation vom Produzenten zum Dienstleister: 3 Phasen in der Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77 Servitization-Stufenmodell für Industriebetriebe. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79 Empfohlenes After-Sales-Service-Geschäftsmodell für China . . . . . . . . . . 89 IX 1 China als Absatzmarkt für Schweizer Unternehmen 1.1Aufstieg von China zur führenden Wirtschaftsmacht Der Wiederaufstieg Chinas zur zweitgrössten Wirtschaftsnation nach den USA per 2012 gilt als einzigartiges Erfolgsmodell in der Geschichte. Während China im 19. Jahrhundert noch über 30 % zum globalen Bruttoinlandprodukt beitrug, fiel dieser Anteil bis 1950 auf unter fünf Prozent. Eine rückwärtsgewandte Ausrichtung der politischen, ökonomischen und sozialen Systeme ebenso wie kriegerische Auseinandersetzungen (Opiumkriege) sowie die Besetzung Chinas durch westliche Mächte gelten als Ursache für diesen Verlust an wirtschaftlicher Bedeutung. Erst mit der Öffnung Chinas ab 1978 konnte dieser negative Trend umgekehrt werden. Der durch Deng Xiaoping eingeleitete Reformprozess führte China auf die wirtschaftliche und politische Weltbühne zurück. Wie Abb. 1.1 zeigt, hat sich die Wirtschaftsleistung Chinas seit den 1980er-Jahren rasant entwickelt mit einem durchschnittlichen Wachstum von neun Prozent pro Jahr. Nominell ist China heute die weltweit führende Nation in der Herstellung industrieller Güter mit einem globalen Exportanteil von zwölf Prozent sowie einem Anteil von 18 % aller weltweit exportierten Industrieprodukte (Tian 2016). Der Wiederaufstieg Chinas zu einer führenden Wirtschaftsnation ist an viele Ursachen geknüpft. Durch eine graduelle Öffnung und Liberalisierung der Wirtschaft seit den 1980er-Jahren – verbunden mit dem Übergang von einer staatlich gelenkten zu einer partiell freien Marktwirtschaft – hat es China geschafft, die Wirtschaftsleistung markant anzukurbeln und als Resultat davon gegen 700 Mio. Chinesen aus der Armut zu befreien. Das chinesische Wirtschaftsmodell gründete in der Anfangsphase auf der Anziehung ausländischer Direktinvestitionen, um einen Know-how- und Technologie-Transfer einzuleiten und damit die chinesische Wirtschaft zu modernisieren. China nutzte hierbei seine hohe Anzahl an billigen Arbeitskräften als komparativen Kostenvorteil. Mit dem Geschäftsmodell „80% der Qualität zu 60% des Preises“ konnte © Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2018 M. Prandini et al., Industrielle After Sales Services in China, https://doi.org/10.1007/978-3-658-19042-2_1 1 2 1 China als Absatzmarkt für Schweizer Unternehmen Abb. 1.1 Wachstum von Chinas Bruttoinlandprodukt (1952–2013). (China Statistical Information Network 2017) China zur führenden Exportnation aufsteigen. Die exportorientierte Massenproduktion brachte die benötigen Devisen ins Land, um eine moderne Infrastruktur aufzubauen und strategisch wichtige Industrie- und Dienstleistungssektoren zu entwickeln (Kroeber 2016). Wie bei jeder Volkswirtschaft unterliegt auch das Wirtschaftswachstum Chinas dem „Catch-up-Effekt“, bei dem sich die wirtschaftlichen Wachstumsraten im Zeitablauf verringern. Während in den 1990er-Jahren das Bruttoinlandprodukt noch mit über zwölf Prozent pro Jahr gewachsen ist, hat sich dessen Wachstum heute auf den „neuen normalen Zustand (new normal)“ von unter sieben Prozent verlangsamt. Dies entspricht absolut gesehen einem immer noch viel grösseren Zuwachs als vor zwanzig Jahren. Allerdings wird heute 60 % mehr Investitionskapital benötigt als in der Periode von 1990 bis 2010, um eine Einheit des Bruttoinlandprodukts zu produzieren (McKinsey 2015). Dieser Umstand widerspiegelt das sogenannte Gesetz des abnehmenden Grenznutzens, dem Volkswirtschaften mit zunehmender Wirtschaftsentwicklung unterliegen. Und China ist von diesem Gesetz nicht ausgeschlossen. Als Folge davon wird es China immer weniger möglich sein, seine Wirtschaftsleistung über die Verlagerung billiger Arbeitskräfte von der Landwirtschaft in den Industrie- und Dienstleistungssektor sowie über massive Investitionen in den Immobilienmarkt und Infrastrukturbereich aufrechtzuerhalten. Vielmehr wird zukünftiges Wirtschaftswachstum über Innovationen erfolgen müssen, die zu Produktivitätssteigerungen in der Gesamtwirtschaft führen. Gemäss einer Studie von McKinsey (2015) kann Innovation bis ins Jahr 2025 zwei bis drei Prozentpunkte des Wirtschaftswachstums von China ausmachen und damit bis zu 50 % des totalen BIPWachstums bewirken. Dieser Tatsache ist sich die chinesische Führung unter Präsident 1.2 Herausforderungen des chinesischen Marktes 3 Xi Jinping und Premier Li Keqiang bewusst. Das Wirtschaftsmodell Chinas unterliegt deshalb seit Amtsantritt der beiden im Jahre 2013 einem Wandel. Das export- und investitionsgetriebene Wachstumsmodell wird – wie aus dem 13. Fünfjahresplan (2015–2020) abzuleiten ist – durch eine innovations- und konsumorientierte Wirtschaftspolitik abgelöst. Diese Ausrichtung soll ermöglichen, dass China seine Wirtschaft weiter modernisieren kann („moving up the value chain“) und nicht in der sogenannten „middle income trap“ hängen bleibt („becoming old before becoming rich“). Die gestiegene Bedeutung asiatischer Märkte mit China als „leading tiger“ spiegelt sich auch in der schweizerischen Wirtschaft wider. In einer ersten Welle der Globalisierung in den 1980er-Jahren haben Schweizer Unternehmen den Einstieg in den chinesischen Markt gewagt. Schindler war hierbei das erste westliche Industrieunternehmen, das ein Joint Venture mit einem chinesischen Staatsbetrieb einging. In einer zweiten Welle der Globalisierung ab den 1990er-Jahren folgten viele weitere, vor allem auch kleine und mittelgrosse Unternehmen dem „Ruf“ nach China, um sowohl von den niedrigen Produktionskosten wie auch von den zunehmenden Absatzmöglichkeiten zu profitieren. Gemäss der jährlich durchgeführten KMU-Exportstudie der Credit Suisse (2014) exportieren heute rund doppelt so viele Industrie-KMU wie noch vor zehn Jahren ihre Produkte in (süd-ost-) asiatische Märkte. Der Anteil Chinas und Südostasiens an den Gesamtexporten hat hierbei von drei Prozent im Jahr 2000 auf sieben Prozent im Jahr 2013 zugenommen. Die Studie geht zudem davon aus, dass sich die Schweizer Exporte in die grossen Schwellenländer (Brasilien, Russland, Indien, China) bis 2035 verdoppeln werden und Deutschland als wichtigster Handelspartner der Schweiz bis dannzumal durch China abgelöst wird. Mit dem 2014 unterzeichneten Freihandelsabkommen zwischen der Schweiz und China und dem stärker werdenden Schweizer Franken gegenüber dem Euro dürfte sich dieser Trend weiter fortsetzen. 1.2Herausforderungen des chinesischen Marktes Die Wirtschaftsentwicklung Chinas seit der Reformpolitik hat zu einer Umwälzung wirtschaftlicher Gegebenheiten geführt. Während in den 1980er-Jahren die sogenannte Triade aus USA, Europäischer Union und Japan 80 % des Welthandels unter sich ausmachte, tragen heute mehr und mehr Schwellenländer („emerging markets“) zum globalen Wirtschaftsgeschehen bei. China nimmt hierbei – wie oben beschrieben – eine tragende Rolle ein. Spätestens seit dem Beitritt Chinas zur World Trade Organization (WTO) im Jahre 2001 ist der chinesische Markt eine bedeutende Grösse für ausländische Firmen geworden. Derzeit gibt es gegen eine Million ausländischer Unternehmen aus über 170 Ländern mit Niederlassung in China, wobei der Hauptzufluss ausländischen Kapitals aus Asien (Hong Kong) stammt (80 %), gefolgt von Lateinamerika (7 %), Europa (6 %), Nordamerika (3 %) und dem Rest der Welt (4 %). Während in der Anfangsphase der Markteintritt typischerweise durch ein Joint Venture erfolgte, dominiert heute die Rechtsform der 4 1 China als Absatzmarkt für Schweizer Unternehmen selbstständigen Niederlassung („wholly foreign-owned enterprise/WFOE“). Diese Verschiebung widerspiegelt das sich ändernde Geschäftsumfeld für ausländische Firmen in China. Während Joint Ventures die von der chinesischen Regierung präferierte Markteintrittsstrategie zum Transfer von Technologie und Management-Know-how waren, haben sich Joint Ventures aufgrund häufig auftretender strategischer, kultureller und rechtlicher Differenzen je länger je weniger als Zusammenarbeitsform zwischen einer ausländischen und chinesischen Unternehmung bewährt. Vielmehr bevorzugen ausländische Firmen heute rechtlich selbstständige Einheiten für ihr China-Geschäft, um direkt vor Ort für den chinesischen Markt zu entwickeln und zu produzieren, insbesondere aber auch zum besseren Schutz von intellektuellen Eigentumsrechten (Tian 2016; Feldges 2017). Trotz einer Verlagerung der Rechtsform hin zu mehr Eigenkontrolle bleibt China für viele Firmen – und insbesondere für kleine und mittelgrosse Unternehmen (KMU) – ein anspruchsvoller Markt. Gemäss dem 2016 Swiss Business Survey in China (Musy et al. 2015) sind dies externe Herausforderungen wie das sich verlangsamende Wirtschaftswachstum, die steigenden Lohnkosten oder die zunehmend härter werdende Konkurrenz wie auch interne Problematiken wie das Finden und Halten qualifizierter Arbeitskräfte, die Realisation von genügend Marketingkapazitäten oder das Sicherstellen der Produktund Servicequalität. Trotz einer generell kritischeren Einschätzung des China-Geschäfts für die kommenden fünf Jahre geben die in diesem Survey befragten KMU aber sowohl erhöhte Umsatz- und Gewinnerwartungen wie auch eine Beibehaltung oder gar Erhöhung der Investitionsaktivitäten an. China zählt bei den meisten Unternehmen zu den Top 3 der Investitionsstandorte. Gemäss dem 2015 Swiss Business Survey (Musy et al. 2015) machen folgende Faktoren die ersten fünf Ränge einer erfolgreichen Geschäftsund Verkaufstätigkeit von Schweizer KMU in China aus: 1. 2. 3. 4. 5. Qualität der Produkte (65 %) Produktbegleitende Serviceleistungen (50 %) Entwicklung einer starken Marke (50 %) Preis-/Leistungsverhältnis (46 %) Vertriebsnetz (35 %) Dieses Resultat mag nicht weiter erstaunen, verstehen sich doch Schweizer Industriebetriebe als Anbieter hochwertiger Maschinen und Anlagen, die dank dem „Swiss Made“Label zu einem entsprechenden Preis-/Leistungsverhältnis angeboten werden können. Das Resultat der obigen Umfrage zeigt zudem auf, dass produktbegleitende Serviceleistungen in der Zwischenzeit zu einem wesentlichen Bestandteil einer erfolgreichen Geschäftstätigkeit in China vorgerückt sind. Wesentliche Gründe hierfür sind die zunehmende Konkurrenz im chinesischen Markt sowie die oben beschriebene Absicht der chinesischen Regierung, die eigene Wirtschaft zu modernisieren. Beide Faktoren stellen die Triebkraft für chinesische Kunden dar, nicht mehr nur hochwertige Industriegüter nachzufragen, sondern vermehrt auch produktbegleitende Serviceleistungen (After Sales Services) zu verlangen. Literatur 5 Das folgende Kapitel zeigt, welche Bedeutung After Sales Services für international tätige Unternehmen erhalten haben und vor welche Herausforderungen sie im chinesischen Markt gestellt werden. Literatur China Statistical Information Network. (2017). National data annual. http://data.stats.gov.cn/english/easyquery.htm?cn=C01. Zugegriffen: 6. Apr. 2017. Credit Suisse. (2014). Erfolgsfaktoren für Schweizer KMU. Perspektiven und Herausforderungen im Export. Zürich: Credit Suisse Economic Research. Feldges, D. (2017). Trendwende im Reich der Mitte. Chinas Firmen haben ein rasantes Tempo drauf. Neue Zürcher Zeitung. http://www.nzz.ch/wirtschaft/trendwende-im-reich-der-mitte-chinas-firmen-haben-ein-rasantes-tempo-drauf-ld.137673. Zugegriffen: 7. Apr. 2017. Kroeber, A. (2016). China’s economy. What everyone needs to know. Oxford: Oxford University Press. McKinsey. (2015). The China effect on global innovation. London: McKinsey Global Institute. Musy, N., Xiao, Z., DeOrsey, A., Ballaman, A., & Berger, O. (2015). 2015 Swiss Business in China. CEIBS, Swiss Center Shanghai & China Integrated. http://www.swisscenters.org/ wp-content/uploads/2016/01/Swiss-Business-Survey-Print-Edit-2015-v2.4-23-Jan-2016.compressed.pdf. Zugegriffen: 7. Apr. 2017. Tian, X. (2016). Managing international business in China. Cambridge: Cambridge Universtity Press. 2 After Sales Services im internationalen Geschäft 2.1Bedeutung von After Sales Services im internationalen Wettbewerb Die zunehmende Globalisierung der Wirtschaft hat es vielen Unternehmungen ermöglicht, ihre Geschäftstätigkeit über die eigenen Landesgrenzen hinaus zu erweitern. Durch den Export von Gütern und Dienstleistungen sowie der Etablierung eigener Produktionsund Vertriebsstandorte im Ausland profitieren Firmen von vielfältigen Vorteilen wie der Erhöhung des Marktvolumens, der Realisation von Skaleneffekten, der Möglichkeit zum globalen Sourcing, einer erhöhten Kundennähe und potenziell höheren Umsatz- und Gewinnzahlen. Gleichzeitig hat die Globalisierung aber den Wettbewerbsdruck in vielen Branchen erhöht. Die Margen auf den Produktverkäufen verringern sich. Innovationen werden kopiert. Die Differenzierungsmöglichkeiten verlagern sich zunehmend vom Produkt auf die damit verbundenen produktbegleitenden Dienstleistungen im After-Sales-Service-Geschäft. Es genügt deshalb heute häufig nicht mehr, ein Produkt (z. B. eine Maschine, Anlage oder Ausrüstung) zu verkaufen. Vielmehr erwarten die Kunden im Industriebereich das Angebot einer Gesamtlösung, die produktbegleitende After Sales Services umfasst. Solche Services können Kundenschulungen, Produkteinstallationen, Produktewartung, Ersatzteillogistik, Reparatur und Unterhalt sowie technischer Support sein (Jönke 2012). Studien zeigen, dass die Gewinnmargen bei After Sales Services heute zwischen 15 und 25 % liegen, während sie bei den eigentlichen Kernprodukten nur sieben bis elf Prozent betragen. Bei gewissen Industriebetrieben machen After Sales Services bereits 40 % des Gewinnes und 20 bis 30 % des Umsatzes aus. Produktbegleitende Dienstleistungen erweisen sich überdies als konjunkturunabhängiger als die eigentlichen Produktverkäufe (Ammann und Rodel 2014; Zahler 2014). After Sales Services haben im internationalen Geschäft von Unternehmen denn auch in den letzten Jahren laufend an Bedeutung © Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2018 M. Prandini et al., Industrielle After Sales Services in China, https://doi.org/10.1007/978-3-658-19042-2_2 7 8 2 After Sales Services im internationalen Geschäft gewonnen. Für Firmen ergeben sich durch das Angebot von After Sales Services eine Reihe von Vorteilen (Adler 2004; Cohen et al. 2006; Jönke 2012; Kutschner 2014; Oliva und Kallenberg 2003): • • • • • • • • Differenzierung im Wettbewerb Ausgleich von zyklischen Schwankungen im Geschäft mit den Produkten Generierung von risikoarmen und langfristigen Umsätzen Bindung von bestehenden Kunden Verbesserung des Verständnisses für die wertschöpfenden Prozesse der Kunden Impulse für die Entwicklung neuer Produkte Schaffung der Voraussetzungen für die Erschliessung neuer Geschäftsfelder Höhere Bewertung am Aktienmarkt Aus unternehmerischer Sicht entsteht die Motivation zum Anbieten produktbegleitender Serviceleistungen aus finanziellen Anreizen (z. B. höhere Umsätze, Gewinne und Margen), strategischen Anreizen (z. B. höhere Differenzierung von Produkten, schwierigere Imitierbarkeit als bei Produkten) und verkaufstechnischen Anreizen (z. B. Erhöhung der Kundenbindung und -abhängigkeit, Einblick in Kundenbedürfnisse, Ermöglichung der Weiterentwicklung von Produkten). Bei der Realisation dieser Anreize muss allerdings zwischen multinational operierenden Konzernen und kleinen und mittelgrossen Betrieben unterschieden werden: Während grosse, multinational tätige Industrieunternehmen wie ABB, Schindler, Siemens, Hilti oder Rieter After Sales Services bereits professionell und profitabel anbieten, fehlen bei kleinen und mittelgrossen Firmen häufig das Know-how und die Ressourcen, um produktbegleitende Dienstleistungen als gewinnbringendes Geschäft zu etablieren. Dies gilt umso mehr auf internationalen Märkten (Barkawi et al. 2006). Für kleine und mittlere Industriebetriebe stellt das Angebot von After Sales Services auf ausländischen Märkten nach wie vor eine grosse Herausforderung dar. Während After Sales Services häufig als attraktives und gewinnbringendes Geschäft gepriesen werden, ergeben sich bei näherem Hinschauen etliche Hürden, die den Erfolg von produktbegleitenden Dienstleistungen beeinträchtigen können. KMU sehen sich auf ausländischen Märkten vor allem mit folgenden Problematiken konfrontiert (Bullinger und van Husen 2006; Österle und Senger 2006; Morschett et al. 2008): • Lokale Konkurrenten im Ausland können After Sales Services vielfach günstiger und schneller anbieten. • Die Zahlungsbereitschaft der Kunden für After Sales Services ist begrenzt, vor allem im asiatischen Raum. • Die Leistungsmerkmale bei After Sales Services (z. B. Servicequalität, Pünktlichkeit, Schnelligkeit etc.) müssen laufend weiterentwickelt werden, um Wettbewerbsvorteile zu erzielen. • After Sales Services sind nur beschränkt transportierbar und bedingen deshalb eine kostspielige Präsenz vor Ort. 2.2 Ansprüche an After Sales Services im chinesischen Markt 9 • After Sales Services erhöhen die Komplexität der Absatzorganisation und erfordern zusätzliche Managementkapazitäten und -fähigkeiten, die häufig fehlen. • After Sales Services müssen systematisch entwickelt werden, um das Qualitätsniveau der Produkte zu erreichen (Service Engineering). Diese Herausforderungen werden bei KMU vielfach noch verschärft durch interne Faktoren wie einer zu geringen Einbettung des Servicegeschäfts in die Gesamtstrategie der Unternehmung, einer ungenügenden Anpassung der internen Organisationsprozesse zur Unterstützung des Servicegeschäfts, einer ungenügend ausgeprägten Service- und Kundenbeziehungsmentalität, fehlenden Kompetenzen bei Servicetechnikern im Bereich Verhandlung und Verkauf oder einer zu geringen installierten Maschinenbasis zur Generierung kostendeckender Erträge und Gewinne (Zahler 2014). 2.2Ansprüche an After Sales Services im chinesischen Markt Wie im ersten Kapitel aufgezeigt, nimmt die Bedeutung von After Sales Services auch im chinesischen Markt zu. Allerdings befindet sich das Bewusstsein um die Bedeutung von produktbegleitenden Dienstleistungen noch auf einem tiefen Niveau. Während After Sales Services in Europa und den Vereinigten Staaten ein etabliertes Geschäft darstellen, ist das Konzept der produktbegleitenden Dienstleistungen noch relativ neu für China. Dies hängt in erster Linie mit der vergleichsweise jungen Entwicklung der chinesischen Industrie zusammen, wo der Fokus bis anhin auf der Massenproduktion von Exportgütern lag, ohne die Notwendigkeit von After Sales Services allzu stark in den Vordergrund zu stellen. Mit dem technologischen Fortschritt der chinesischen Wirtschaft – wie dies im 13. Fünf-Jahresplan (2016–2020) oder der „Made in China 2025“-Strategie festgehalten ist – erfolgt eine Weiterentwicklung der Produktion auf höherwertige Bereiche der Wertschöpfungskette, womit die Bedeutung von After Sales Services zunehmen wird. Dies widerspiegelt sich in zunehmenden Masse auch in der wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit Servitization im asiatischen Raum (Wang et al. 2016). Während die Komplexität des After-Sales-Service-Geschäfts bei einer Expansion auf internationale Märkte ansteigt, akzentuieren sich die Herausforderungen im Servicegeschäft im chinesischen Markt für Schweizer Industriebetriebe zusätzlich. In einer Studie mit 143 Schweizer Maschinenbauunternehmen zeigte sich, dass die grössten Probleme in China in den folgenden acht Bereichen liegen, gegliedert nach der Häufigkeit der Nennung (Gebauer 2007, S. 60): 1. 2. 3. 4. Starker Wettbewerb Kulturelle Unterschiede Etablierung eines gewinnbringenden Servicegeschäfts Verfügbarkeit und Ausbildung von geeigneten Führungskräften und Mitarbeitenden für das Servicegeschäft 10 2 After Sales Services im internationalen Geschäft 5. Differierende Zielsetzungen zwischen dem schweizerischen und chinesischen Geschäftspartner 6. Schutz von Eigentumsrechten 7. Qualität der lokalen Serviceanbieter 8. Überschätzung des chinesischen Marktpotenzials Diese chinaspezifischen Herausforderungen decken sich zum Teil mit den allgemeinen Hürden im internationalen After-Sales-Service-Geschäft. Sicherlich speziell zu beachten sind neben den „harten“ Faktoren wie der Etablierung eines gewinnbringenden Dienstleistungsgeschäfts die „weichen“ Faktoren wie die kulturellen Eigenheiten Chinas sowie die Rekrutierung und Qualifizierung geeigneter Serviceleute. Literatur Adler, J. (2004). After-Sales und Service in der Investitionsgüterindustrie. In H. Kaerner, M. Kasper, & R. Mattmüller (Hrsg.), After-Sales. Der Service macht den Gewinn. Wie Sie Produkte erfolgreich mit Dienstleistungen verbinden (S. 163–182). Frankfurt: Frankfurter Allgemeine Buch. Ammann, P. A., & Rodel, E. (2014). Industrielles Dienstleistungsmanagement. In W. Pepels (Hrsg.), Handbuch Kundendienstmanagement: Grundlagen des After Sales Marketing (S. 119– 145). Düsseldorf: Symposion. Barkawi, K., Baader, A., & Montanus, S. (2006). Erfolgreich mit After Sales Services. Geschäftsstrategien für Servicemanagement und Ersatzteillogistik. Berlin: Springer. Bullinger, H. J., & Husen, C. van. (2006). Aktuelle Chancen und Trends im Service Geschäft. In K. Barkawi, A. Baader, & S. Montanus (Hrsg.), Erfolgreich mit After Sales Services. Geschäftsstrategien für Servicemanagement und Ersatzteillogistik (S. 17–36). Berlin: Springer. Cohen, M. A., Agrawal, N., & Agrawal, V. (2006). Winning in the aftermarket. Harvard Business Review, 5, 1–13. Gebauer, H. (2007). Extending the service business in China: Experience of Swiss companies. Singapore Management Review, 29(1), 59–71. Jönke, R. (2012). Managing after-sales services: Strategies and interfirm relationships. Dissertation No. 20318, ETH Zurich, Zürich. Kutschner, R. (2014). Mehrerlös mit neuen Preisformen. Wie Maschinen und Anlagen zu Dienstleistungen werden. Neue Zürcher Zeitung. http://www.nzz.ch/wirtschaft/mehrerloes-mit-neuenpreisformen-1.18242218. Zugegriffen: 7. Apr. 2017. Morschett, D., Schramm-Klein, H., & Swoboda, B. (2008). Entry modes for manufacturers’ international after-sales service. Management International Review, 48(5), 525–549. Oliva, R., & Kallenberg, R. (2003). Managing the transition from products to services. International Journal of Service Industry Management, 14(2), 160–172. Österle, H., & Senger, E. (2006). Innovative Geschäftskonzepte im After Sales Service. In K. Barkawi, A. Baader, & S. Montanus (Hrsg.), Erfolgreich mit After Sales Services. Geschäftsstrategien für Servicemanagement und Ersatzteillogistik (S. 37–54). Berlin: Springer. Wang, J., Kosaka, M., & Xing, K. (2016). Manufacturing servitization in the Asia-Pacific. Singapore: Springer. Zahler, A. (2014). After Sales Services im Produktionsunternehmen. Aktuelle Trends und Chancen für die Zukunft. Winterthur: Bachelor Thesis ZHAW School of Management and Law. 3 After-Sales-Service-Geschäftsmodelle von Schweizer Unternehmen in China 3.1Untersuchung in der Schweizer Maschinenbaubranche Die ersten beiden Kapitel haben gezeigt, dass China für Schweizer Unternehmen zu einem bedeutenden Markt geworden ist, der die Firmen aber auch mit grossen Herausforderungen konfrontiert. Eine Herausforderung besteht darin, ein profitables AfterSales-Service-Geschäft aufzubauen. After Sales Services haben im Vergleich zum Produktverkauf an Bedeutung gewonnen. Unternehmen entwickeln sich von reinen Produzenten zu Dienstleistungsanbietern. Doch diese Entwicklung fällt gerade im chinesischen Markt schwer. Entsprechend hat sich die vorliegende Studie zum Ziel gesetzt, besser zu verstehen, wie Schweizer Unternehmen After Sales Services im chinesischen Markt anbieten, ­welche Faktoren das Angebot der Services beeinflussen und unter welchen Umständen sich welche Angebote bewähren. Dieses Verständnis soll die Grundlage schaffen, um international tätigen Firmen eine Unterstützung bei der Ausgestaltung ihrer Services anzubieten. Die bestehende Forschung über internationale After Sales Services hat sich im Wesentlichen damit beschäftigt, unter welchen Umständen Unternehmen After Sales Services auf ausländischen Märkten anbieten, welche Faktoren die Ausgestaltung von After Sales Services auf ausländischen Märkten beeinflussen und wovon der Erfolg von After Sales Services auf ausländischen Märkten abhängt. Asugman et al. (1997) gingen von der These aus, dass exportierende U ­ nternehmen die Bedeutung von After Sales Services auf ausländischen Märkten häufig unterschätzen, und untersuchten anhand einer Stichprobe von 80 international ­ tätigen Haushaltsgüterherstellern, welche Faktoren das Angebot von After Sales S ­ervices auf ausländischen Märkten bestimmen. Ihre Studie zeigte, dass die Intensität des Wettbewerbs auf dem ausländischen Markt, die Qualität der Produkte und die © Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2018 M. Prandini et al., Industrielle After Sales Services in China, https://doi.org/10.1007/978-3-658-19042-2_3 11 12 3 After-Sales-Service-Geschäftsmodelle … ­ erhandlungsposition gegenüber den Vertriebspartnern die Bereitschaft zur Investition V in After Sales Services auf ausländischen Märkten beeinflussen. Wassermann (2010) untersuchte den zeitlichen Ablauf der Einführung von produktbegleitenden Dienstleistungen anhand von Fallstudien über zwei Maschinenbauunternehmen. Seine Analysen zeigten, dass die Motivation zur Einführung von After Sales Services im Aufbau von Marktwissen, im Unterstützungsbedarf von Kunden und in der Kundenbindung besteht. Die Restriktionen beim Aufbau von Serviceangeboten entstehen gemäss seiner Studie aus Ressourcenbeschränkungen, mangelnden Dienstleistungskompetenzen, geringer Servicenachfrage und einer zu geringen Basis an installierten Produkten. Wilson et al. (1999) untersuchten anhand einer Fallstudie über ein schwedisches Produktionsunternehmen, welche Faktoren die Ausgestaltung von internationalen After Sales Services beeinflussen. Ihre Fallstudie zeigte, dass das Vertriebssystem der Produkte, die Ansprüche der Kunden, kulturelle Rahmenbedingungen, rechtliche Regelungen, die Wettbewerbsstrategie des Unternehmens sowie bestehende Vertriebssysteme im Markt die Gestaltung der Dienstleistungen bestimmen. Anell und Wilson (2001) zeigten anhand von zwei Fallstudien, dass unternehmensinterne und -externe Serviceorganisationen unterschiedliche Vorteile und Nachteile aufweisen, die sich vor allem auf deren Kontrolle, Erfahrung, Flexibilität, die Kundennähe und die entstehenden Kosten beziehen. Morschett (2006) und Morschett et al. (2008) haben untersucht, welche Faktoren die Vertriebsstruktur von After Sales Services auf ausländischen Märkten beeinflussen. Befragt wurden 120 deutsche Maschinenbauunternehmen, deren Angebote sich vor allem auf den europäischen Markt ausrichteten. Im Ergebnis zeigte sich, dass die Services vor allem dann internalisiert werden, wenn sie einen bedeutenden Wettbewerbsvorteil darstellen, die Unternehmen über internationale Erfahrung und ausländische Produktionsniederlassungen verfügen, das Länderrisiko gering, die kulturelle Distanz klein und die Nachfrage stabil ist. Wenig Einfluss auf den Vertrieb der Services hatten der Preis der Produkte und die Unternehmensgrösse. Fischer (2013) untersuchte anhand einer Befragung von 224 mittelständischen Unternehmen aus der deutschen Anlagen- und Maschinenbaubranche, welche Faktoren den Erfolg von After Sales Services in Schwellenländern beeinflussen. Im Ergebnis zeigte sich, dass die Nähe zum Kunden und das Verständnis des Kunden, die Flexibilität des Serviceangebots, die Differenzierung gegenüber den Wettbewerbern und die finanziellen Ressourcen den Erfolg im Dienstleistungsgeschäft beeinflussen. Österle und Senger (2006) halten die Qualität und Zuverlässigkeit, die Kosten, die umfassende Betreuung des Kunden, die Abstimmung der Services auf Kundenprozesse und die Anpassungsfähigkeit der Dienstleistungen auf sich verändernde Bedürfnisse für zentrale Erfolgsvoraussetzungen im Servicegeschäft. Die Beiträge aus der bestehenden Literatur über internationale After Sales Services zeigen, dass die Beschäftigung mit dem Thema noch relativ jung ist, erst wenige wissenschaftliche Studien dazu gemacht wurden und diese sich auf unterschiedlichen Ebenen bewegen. Die erste Kategorie von Untersuchungen beschäftigt sich mit den Faktoren, die 3.1 Untersuchung in der Schweizer Maschinenbaubranche 13 das Angebot von After Sales Services auf ausländischen Märkten auslösen. Die zweite Kategorie von Studien untersucht deren Ausgestaltung. Die dritte Kategorie beschäftigt sich mit ihrem Erfolg. Insgesamt aber sind die Erkenntnisse unvollständig und wenig strukturiert. So beziehen sich die Einflussfaktoren auf die Gestaltung von After Sales Services vor allem auf die Struktur des Vertriebs. Es bestehen wenig Erkenntnisse bezüglich der Ausgestaltung des eigentlichen Serviceangebots, dessen Verrechnung und Vermarktung. Die verschiedenen Einfluss-, Gestaltungs- und Erfolgsfaktoren wurden bisher nicht in einem konsistenten Modell dargestellt, das ein ganzheitliches Verständnis der Ausgestaltung von After Sales Services auf ausländischen Märkten erlauben würde. Noch sehr wenig untersucht ist zudem das Geschäft mit After Sales Services im chinesischen Markt, der den Fokus der vorliegenden Studie darstellt. Wie bereits ausgeführt, stellen Schwellenländer wie China besondere Anforderungen an das Dienstleistungsgeschäft westlicher Unternehmen und erfolgreiche Servicemodelle aus westlichen Ländern lassen sich nicht einfach auf diese Märkte übertragen. Das Ziel der vorliegenden, von der Kommission für Technologie und Innovation (KTI)1 unterstützten Studie ist es, diese Erkenntnislücken zu schliessen, indem ein ganzheitliches Verständnis für die Gestaltung von After Sales Services im chinesischen Markt geschaffen wird. Die Untersuchung zeigt, wie ausgewählte Schweizer KMU aus der Maschinen-, Elektro- und Metall-Industrie (MEM-Industrie) After Sales Services im chinesischen Markt anbieten, welche Faktoren das Angebot der Services beeinflussen und unter welchen Umständen sich welche Serviceangebote bewähren. Die Zusammenhänge dieser Faktoren werden in einem Modell dargestellt und kritisch evaluiert. Als Ergebnis resultieren Empfehlungen, die Schweizer Unternehmen bei der Gestaltung von After Sales Services in China darin unterstützen, ihre Wettbewerbsfähigkeit zu stärken und ihr langfristiges Umsatz- und Gewinnpotenzial sicherzustellen. Untersucht wurden die After-Sales-Service-Modelle von acht Schweizer Maschinenbauunternehmen. Mit einer Ausnahme handelt es sich bei diesen Firmen um Kleinund Mittelunternehmen, die seit mehreren Jahren in China tätig sind. China ist für diese Unternehmen zu einem wichtigen Absatzmarkt für ihre Produkte geworden. Der Aufbau des After-Sales-Service-Geschäfts aber gestaltet sich schwierig. Die Herausforderungen bestehen im Finden von verlässlichen Servicepartnern, in der geringen Zahlungsbereitschaft chinesischer Kunden für Services sowie dem Ausweichen chinesischer Kunden auf Serviceleistungen lokaler Firmen, welche diese kopieren und zu günstigeren Konditionen anbieten. Für die an der Studie beteiligten Unternehmen haben After Sales Services eine grosse Bedeutung beim Aufbau des China-Geschäfts. Entsprechend interessiert waren sie an Erkenntnissen zur Verbesserung des Serviceangebots im chinesischen 1Die Kommission für Technologie und Innovation (KTI) unterstützt anwendungsorientierte Forschungs- und Entwicklungsprojekt von Unternehmen in Kooperation mit Schweizer Hochschulen. 14 3 After-Sales-Service-Geschäftsmodelle … Markt. Die untersuchten Unternehmen werden im Folgenden bei der Darstellung der einzelnen Fallstudien jeweils kurz porträtiert. Das methodische Vorgehen im Projekt bestand aus zwei Phasen. In der ersten Phase wurden Fallstudien erarbeitet, welche die After-Sales-Service-Modelle der Unternehmen im chinesischen Markt beschreiben und erklären. Über jedes Unternehmen wurden öffentlich zugängliche Informationen von deren Homepage, aus Medienbeiträgen und dem Internet gesammelt, die einen Bezug zum Servicegeschäft in China haben. Zusätzlich wurden mit jedem Unternehmen drei teilstrukturierte Interviews mit den Verantwortlichen für das Servicegeschäft in China geführt. Das erste Interview enthielt Fragen zu den Produkten, Märkten und zur Grösse der Unternehmen, zur Tätigkeit der Unternehmen in China und zur Bedeutung von After Sales Services im chinesischen Markt. Das zweite Interview behandelte die Serviceleistungen, die im chinesischen Markt angeboten werden, sowie die Vermarktung, die Verrechnung und den Vertrieb der Serviceleistungen. Das dritte Interview widmete sich den Zielen, welche die Unternehmen mit After Sales Services in China anstreben, sowie den Faktoren, die die Gestaltung der Services beeinflussen, den Variablen, die deren Erfolg bestimmen und den Herausforderungen, die beim Angebot von After Sales Services in China für die Unternehmen entstehen. Die Fragen wurden von den Interviewenden offen gestellt. Es standen Checklisten für mögliche Antwortkategorien zur Verfügung, die zum Nachfragen benutzt wurden. Die Interviews dauerten jeweils zwei bis drei Stunden. Sie wurden aufgezeichnet und anschliessend in einer geglätteten Form transkribiert. Die schriftlichen ­Transkripte wurden anhand der Fragekategorien strukturiert und zusammengefasst und dann zu Fallstudien mit einheitlichem Aufbau ausgearbeitet. Die Unternehmen prüften und überarbeiteten die Fallstudien, stellten sie im Rahmen von halbtägigen Workshops den am Projekt beteiligten Firmen vor und ermöglichten so den Erfahrungsaustausch ­untereinander. In der zweiten Phase des Projekts wurde ein generisches Modell erarbeitet, das erklärt, wie die Unternehmen After Sales Services in China anbieten. Dazu wurden die Service-Modelle der Unternehmen untereinander verglichen. Es wurde analysiert, welche Ziele die Unternehmen mit den Services verfolgen, wie die Services ausgestaltet werden und welche Faktoren deren Ausgestaltung beeinflussen. Zusätzlich wurde untersucht, welche Zusammenhänge zwischen diesen Erfolgs-, Gestaltungs- und Einflussfaktoren bestehen. 3.2After-Sales-Service-Geschäftsmodelle in China In diesem Kapitel werden die Ergebnisse aus den Fallstudien der untersuchten acht Schweizer Maschinenbauunternehmen hinsichtlich folgender Schwerpunkte vorgestellt: • Ziele und Bedeutung von After Sales Services im chinesischen Markt 3.2 After-Sales-Service-Geschäftsmodelle in China 15 • Ausgestaltung der After Sales Services im chinesischen Markt (Serviceangebot, Preisgestaltung, Vertrieb, Vermarktung) • Einflussfaktoren auf die Gestaltung der After Sales Services im chinesischen Markt • Erfolgsfaktoren für die After Sales Services im chinesischen Markt Die Bezeichnungen der Unternehmen sind fiktiv, um deren Anonymität zu gewährleisten. Ein kurzes Unternehmensprofil leitet jeweils die Fallstudien ein und stellt die untersuchten Unternehmen kurz vor. 3.2.1Die Vermessungstechnik AG 3.2.1.1 Unternehmensprofil Die Vermessungstechnik AG ist im Bereich der Vermessungstechnik tätig. Sie entwickelt, montiert und vertreibt Messgeräte, die im Bahn- und Tunnelbau eingesetzt werden. Zur Kundschaft gehören Bauunternehmen, Infrastrukturbetreiber, Ingenieur- und Vermessungsbüros. Die Geräte sind modular aufgebaut und können an die spezifischen Bedürfnisse der Kunden angepasst werden. Ihre Handhabung ist erklärungsbedürftig, entsprechend wichtig sind die After Sales Services im Markt. Das Unternehmen beschäftigt rund 50 Mitarbeitende und ist seit 2005 in China tätig. Der chinesische Markt hat durch den Ausbau der High-Speed-Bahninfrastruktur stark an Bedeutung gewonnen und macht rund 30 % des Umsatzes des Unternehmens aus. Die Bearbeitung des Marktes erfolgt über drei Distributionspartner in Schanghai, Peking und Kunming, welche die Geräte vertreiben und die After Sales Services anbieten. 3.2.1.2 Ziele und Bedeutung von After Sales Services im chinesischen Markt After Sales Services haben für die Vermessungstechnik AG einen hohen Stellenwert. Ohne zuverlässige und überzeugende After Sales Services lassen sich ihre Produkte in China nicht verkaufen. Entsprechend verfolgt die Vermessungstechnik AG mit After Sales Services das Ziel, Kunden zu überzeugen, zu akquirieren und zu behalten. After Sales Services sind ein wichtiger Teil des Leistungsangebots, erwirtschaften aber nur einen Umsatzanteil von rund fünf Prozent und stellen somit keinen zentralen Ertrags­ faktor dar. Sie haben aber ein hohes Akquisitions-, Differenzierungs- und Informationspotenzial. Akquisitionspotenzial Die Messgeräte der Vermessungstechnik AG sind vergleichsweise komplex und lassen sich nicht ohne Weiteres bedienen. Kunden gehen in Anbetracht des notwendigen Know-hows und der hohen Investitionskosten nur dann eine Beziehung mit dem Unternehmen ein, wenn sie sich auf dessen Unterstützung nach dem Verkauf verlassen können. 16 3 After-Sales-Service-Geschäftsmodelle … Differenzierungspotenzial Die Vermessungstechnik AG zählt einige Unternehmen zu ihren Kunden, die von den After Sales Services der Konkurrenz enttäuscht wurden. Bei Fragen erhielten diese Unternehmen keine Rückmeldung vom Produzenten und bei Problemen keine Unterstützung. Diese Defizite trugen entscheidend zu einem Lieferantenwechsel bei. So bergen After Sales Services für die Vermessungstechnik AG ein bedeutendes Differenzierungspotenzial und bieten ein wichtiges Argument im Vergleich zu Konkurrenzsystemen. Informationspotenzial Eine weitere wesentliche Bedeutung kommen After Sales Services als Informationsquelle zu. Die Vermessungstechnik AG sammelt im Zuge der verschiedenen After-Sales-Tätigkeiten wie Kundenschulungen, Demos oder Supportanfragen neue Anforderungen der verschiedenen Länder und Regionen systematisch, um die Produkte stetig zu verbessern. Sowohl zur Hardware als auch zur Software treffen aus der ganzen Welt direkt von Endkunden und indirekt über die Vertriebspartner Nutzerfeedbacks, Anforderungen und Wünsche ein. Hardware-Komponenten, die in seltenen Fällen kaputtgehen, werden zudem zur Analyse in die Schweiz geschickt. All diese Informationen werden in der Schweiz kanalisiert, gesammelt und strukturiert und in Produktverbesserungen und Innovationsprojekten verarbeitet. 3.2.1.3 Ausgestaltung des After-Sales-Service-Angebots im chinesischen Markt Serviceangebot Wegen der hohen Komplexität der Systeme sind Kundenschulungen und -workshops fester Bestandteil des Angebots, deren Ziel es ist, dass die Kunden die Geräte danach fehlerfrei und selbstständig anwenden können. Die Vermessungstechnik AG bietet ihren Kunden nach einer gewissen Einarbeitungsphase (z. B. drei bis sechs Monate) weitere Workshops an, um die Produktkenntnisse zu vertiefen oder die Kunden in Projekten zu begleiten. Über Maintenance- und Supportverträge stellt die Vermessungstechnik AG eine zuverlässige Infrastruktur (Support-Mitarbeitende mit entsprechendem Know-how, Download-Bereich für Neuversionen und Updates, stets aktuelle Umgebung für Softwareentwicklung, Ersatzteile etc.) zur Verfügung, die die Instandhaltung der Hard- und Software gewährleistet. Diese Verträge werden für jede Systemkonfiguration definiert und über verschiedene Kanäle (Hotline, E-Mail, persönliche Besuche) erbracht. Die Produkte werden mobil und unter starken Witterungseinflüssen eingesetzt; die hohe Präzision der Systeme verlangt deshalb regelmässige Überprüfungen. Im Rahmen der Hardware-Wartung werden die Systeme kontrolliert und gereinigt sowie Verschleissteile ausgewechselt. Im Fall von Defekten werden Kunden Ersatzgeräte zur Verfügung gestellt, um die Zeitdauer der Reparatur zu überbrücken und kostenintensive Stillstandzeiten zu vermeiden. Die Distributionspartner bestellen bei der Vermessungstechnik AG regelmässig Ersatz- und Verschleissteilpakete auf Lager, um im Fall von Problemen bei den Endkunden schnell reagieren zu können. Viele dieser Teile sind so spezifisch, dass 3.2 After-Sales-Service-Geschäftsmodelle in China 17 sie kaum kopiert werden. Die Kunden bestellen die Teile deshalb ausschliesslich bei den Distributoren. Die Distributionspartner der Vermessungstechnik AG erhalten einen klar vordefinierten Leistungsumfang der verschiedenen Pakete sowie die dazugehörige Preisstruktur. Die Partner verkaufen diese Pakete eins zu eins an ihre Endkunden weiter, während eigene Zusammenstellungen nicht vorgesehen sind. Die Vermessungstechnik AG unterstützt ihre Distributionspartner bei technischen Problemen oder Fragen zu Hardware und Software per Telefon, E-Mail oder, wenn nötig, vor Ort. Diese Unterstützung basiert im Gegensatz zu den Endkunden auf einem partnerschaftlichen Verhältnis und nicht auf vordefinierten Supportverträgen. Jährlich organisiert die Vermessungstechnik AG zwei Distributionspartner-Trainings (in der Schweiz oder bei einem der Distributionspartner), im Rahmen derer die Partner über Neuerungen und Innovationen informiert werden. Neue Vertriebspartner werden in der Regel während ein bis zwei Wochen intensiv im schweizerischen Hauptsitz oder direkt vor Ort geschult. Preisgestaltung Im Gegensatz zu anderen Märkten sind die Leistungen im Bereich Maintenance und Support in China für die gesamte Lebensdauer der Systeme in den Verkaufspreis eingerechnet. Der initiale Systempreis ist aus diesem Grund in China deutlich höher als für den Rest der Welt. Diese All-inclusive-Angebote führen zu einer höheren Kundenzufriedenheit und zu Folgeverkäufen. Auch die Verrechnung der Hardware-Wartungen erfolgt in China nicht gemäss den sonst typischen Regeln (verschiedene Servicepakete mit vordefiniertem Leistungsumfang und Preisstruktur), sondern in Abwägung von Kosten, Kundenzufriedenheit und potenziellen Folgeverkäufen. Die Vermessungstechnik AG gewährt diesbezüglich den Distributionspartnern, die die Serviceleistungen ausführen und die Abrechnung vornehmen, freie Hand. Sie verrechnet den Distributionspartnern lediglich die Ersatz- und Verschleissteile, die auf Lager gekauft oder gezielt für Reparaturen gebraucht werden. Vermarktung Für die Promotion der After Sales Services und die Überzeugung der Kunden von der Servicequalität und -zuverlässigkeit zuständig ist der jeweilige Distributionspartner. Die Vermessungstechnik AG unterstützt ihre Partner, indem sie bei Verkaufsgesprächen teilweise mit anwesend ist. Den Kunden wird damit eine zweifache Unterstützung durch die enge Partnerschaft zwischen dem Distributor und dem Hersteller der Systeme signalisiert, die nach dem Systemverkauf von grossem Vorteil sein kann. Zudem sind Referenzen aufgrund des hohen Vernetzungsgrads zwischen den Kunden erfolgsentscheidend. Diese werden in der Promotion der Produkte auch gezielt eingesetzt. In Präsentationen, Verkaufsdokumenten und während Verkaufsgesprächen werden die produktbegleitenden Services, die nebst technischen Kriterien wie Genauigkeit, Zuverlässigkeit und einfache Bedienbarkeit eine sehr wichtige Rolle in der Vermarktung der Produkte spielen, den Kunden dargelegt. Die Vermessungstechnik AG organisiert in Zusammenarbeit mit 18 3 After-Sales-Service-Geschäftsmodelle … den Distributionspartnern regelmässig sogenannte User Conferences, wo bestehende und potenzielle Kunden die Vermessungstechnik AG und ihre Systeme kennenlernen und ihre Erfahrungen austauschen können. Durch diese User Conferences und die aktive Teilnahme an Messen gelingt es dem Unternehmen, trotz des indirekten Vertriebsnetzes den Kontakt zu den Endkunden zu pflegen. Vertrieb Die Vermessungstechnik AG verfügt für jede der drei Produktgruppen über einen passenden, im Markt anerkannten lokalen Distributionspartner. Diese vertreiben zwar auch Instrumente anderer Hersteller, haben aber innerhalb der Firma ein eigenes Team, das ausschliesslich für die Vermessungstechnik AG tätig und finanziell vom Verkauf derer Produkten abhängig ist. Die Distributoren betreiben „Authorized Service Centers“ und sind in der Lage, die meisten Serviceleistungen anzubieten. Nur im Fall von sehr komplexen Problemstellungen muss die Vermessungstechnik AG sie darin unterstützen. Schlüsselkunden hingegen werden drei- bis fünfmal pro Jahr direkt von Mitarbeitenden der Vermessungstechnik AG besucht, um die Beziehung zu pflegen und für die Produktentwicklung wichtige Feedbacks einzuholen. Der Leistungsumfang und das Vertriebssystem werden in Abb. 3.1 zusammengefasst. 3.2.1.4 Einflussfaktoren auf After Sales Services im chinesischen Markt Geringe Zahlungsbereitschaft für immaterielle After Sales Services Immaterielle Leistungen sind in China viel schwieriger zu verkaufen als materielle. Chinesische Kunden wären nicht bereit, nachträglich für Dienstleistungen zu bezahlen, sondern erwarten diese „umsonst“ zu erhalten; Es zählt, was physisch fassbar ist. Zudem verändern sie nur ungern ein funktionierendes System, das alle Funktionalitäten abdeckt, und sind viel weniger als europäische Kunden daran interessiert, neue Features (Upgrades und Updates) auszuprobieren. Werden Dienstleistungen wie Software-Upgrades hingegen mit der Hardware kombiniert angeboten, sind sie ein sehr wichtiges Verkaufsargument für Neu- oder Zusatzverkäufe in China. Geringe Budgetierung und Entscheidungsbefugnis der Ansprechpartner Chinesische Kunden budgetieren meist nur die einmalige Systembeschaffung und nicht Distributor → Endkunde Vermessungstechnik AG → Distributor • • • • Ersatz- und Verschleissteile Software-Upgrades Technische Unterstützung Schulungen und Trainings • • • • Schulungen Workshops Maintenance- und Supportverträge Hardwareunterhalt- und Serviceverträge • Ersatz- und Verschleissteile • Ersatzgeräte Abb. 3.1 After Sales Services der Vermessungstechnik AG Vermessungstechnik AG → Endkunde • Besuche • Nutzerfeedbacks 3.2 After-Sales-Service-Geschäftsmodelle in China 19 zusätzlich spätere, kostenpflichtige Services wie Software-Updates und -Upgrades. Sie erwarten, dass die Systeme funktionieren, ohne dass sie sich darum kümmern müssen. Wie diese Leistungen intern verrechnet werden, ist Sache des Lieferanten. Überdies verfügen die zuständigen Ansprechpartner im Kundenunternehmen auf operativer Ebene über keine Unterschriftsbefugnis und können so keine kostenpflichtigen Leistungen, ungeachtet der Höhe des Betrags, anfordern. Die unterschriftsbefugten Mitarbeitenden wiederum haben mit solchen operativen Entscheidungen wenig zu tun. Hoher Standardisierungsgrad Die zahlreichen technischen Standards im Bereich Infrastrukturbau ermöglichen es der Vermessungstechnik AG, standardisierte Systeme im ganzen Land zu verkaufen und so auch die After Sales Services zu standardisieren. Kunden können beispielsweise Ersatzgeräte zur Verfügung gestellt werden, was bei Produkten mit einem höheren Differenzierungsgrad nicht machbar wäre. Komplexe Software und Wahl der Vertriebspartner als Imitationsschutz Obschon die Vermessungstechnik AG ihren Vertriebspartnern sehr viel Know-how zur Verfügung stellt, wurden die Leistungen bislang nicht kopiert. Die Software nimmt im Gesamtsystem eine zentrale Stellung ein und ist in ihrem Zusammenspiel mit der Hardware zu komplex, dass sich der Aufwand lohnen würde, sich das nötige Wissen anzueignen, um die Produkte zu kopieren. Zudem ist die Selektion der Vertriebspartner entscheidend; sie basiert einerseits auf einer fundierten Analyse, guten Referenzen und auch auf einem gewissen Mass an Glück. Basieren die Partnerschaften auf Vertrauen und gegenseitigem Respekt, sind Imitationen kein Thema. Risikoreduktion, Fokussierung und Reaktionsgeschwindigkeit durch indirekte Vertriebsform Der indirekte Vertrieb reduziert das Risiko für die Vermessungstechnik AG, da keine Investitionen für den Aufbau von Niederlassungen getätigt werden müssen. Das Unternehmen profitiert zudem stark vom lokalen Know-how und dem Beziehungsnetz seiner Distributionspartner. Auch die grosse geografische Distanz zum chinesischen Markt sowie die strikten und komplizierten Import- und Export-Regelungen sprechen für diese Vertriebsform. Darüber hinaus können Wartungen und Reparaturen viel zeitnaher ausgeführt werden. Die Auslagerung der After Sales Services bietet der Vermessungstechnik AG zudem die Möglichkeit, sich ganz auf die Weiterentwicklung der Kerntechnologien zu fokussieren und viel administrativen Aufwand zu vermeiden. 3.2.1.5 Erfolgsfaktoren für After Sales Services im chinesischen Markt Enge Beziehung zu den Distributionspartnern Mit der Auslagerung sämtlicher After Sales Services an Vertriebspartner nehmen diese eine Schlüsselrolle im China-Geschäft ein. Die Vermessungstechnik AG vergleicht das Geschäft in China mit einer Ehe: Man muss den richtigen Partner finden und die Beziehung gut pflegen. Dies bedingt eine sorgfältige Auswahl, etwas Glück, gegenseitige Wertschätzung und Respekt sowie einen 20 3 After-Sales-Service-Geschäftsmodelle … regelmässigen, guten Kontakt. Die Vermessungstechnik AG erachtet es als erfolgsentscheidend, die Distributionspartner gut auszubilden, in technischen Fragen zu unterstützen und regelmässig in die Schweiz einzuladen, um ihnen die grosse Wertschätzung dieser Beziehung zu signalisieren. Wichtig ist es, dass die Vertriebspartner die gleiche Vorstellung von Qualität haben und von der Vermessungstechnik AG qualifiziert werden, um die Services auf dem erforderlichen Qualitätsniveau erbringen zu können. Die Vertriebspartner sind zudem über die Kundenfeedbacks stark in die Entwicklung der Produkte eingebunden und fungieren als Beta-Tester neuer Produkte. Kulturelle Brücken Gemäss der Vermessungstechnik AG scheitern Exportbemühungen hauptsächlich an interkulturellen und sprachlichen Barrieren zwischen dem Heim- und dem Zielland. Schweizer Unternehmen treffen mit ihren Mitarbeitenden auf chinesische Kunden und die ihnen unbekannte, chinesische Kultur. Das Geschäftsmodell der ­Vermessungstechnik AG baut auf zwei Pfeilern auf: dem chinesisch-schweizerischen Bindeglied im Mutterhaus in der Schweiz in Form von zwei chinesischen Mitarbeitenden und den chinesischen Mitarbeitenden beim Distributionspartner, die einen engen Kontakt zum Hauptsitz in der Schweiz pflegen und das Bindeglied zu den chinesischen Kunden ­darstellen. Hohe Reaktionsgeschwindigkeit Eine der grössten Herausforderungen im After-SalesService-Geschäft besteht für die Vermessungstechnik AG in der Reaktionsgeschwindigkeit. Aufgrund der zentralen Stellung der Systeme im Bauprozess des Kunden sind diese auf eine möglichst zeitnahe Reaktion, beispielsweise eine Reparatur der defekten Hardware oder eines Software-Bugs, angewiesen. Die erforderliche ­Reaktionsgeschwindigkeit über die in China grossen Distanzen zu erreichen, ist sehr anspruchsvoll. Das dezentrale Vertriebssystem über Distributoren erweist sich hier erneut als erfolgsentscheidend. Selektion der Distributionspartner Die Auswahl der Distributionspartner geschieht anhand von Kriterien wie Vernetzungsgrad, Kundenkontakte, aktuelles Portfolio und Fachwissen. An Messen und Veranstaltungen können wertvolle Kontakte geknüpft werden. Wie fundiert das Fachwissen und wie tief das Engagement des Distributors und der einzelnen Mitarbeitenden tatsächlich ist, zeigt sich spätestens während den Schulungen. Einige Konkurrenten basieren ihre Partnerschaften auf Verträgen, die jährlich erneuert werden müssen. Die Vermessungstechnik AG hingegen setzt auf langfristige Partnerschaften. Neuen Vertriebspartnern gelingt es kaum, bereits während des ersten Jahres Umsätze zu generieren. Als Erfolgskriterium sieht die Vermessungstechnik AG in der ersten Zeit deshalb das Engagement des Partners, das sich beispielsweise in einem auf Produkte der Vermessungstechnik AG spezialisierten Team oder der Investition in ein Demo-System äussert. Finanzielle Erfolge müssen erst nach 12 bis 18 Monaten vorgewiesen werden. 3.2 After-Sales-Service-Geschäftsmodelle in China 21 3.2.2Die Kompression AG 3.2.2.1 Unternehmensprofil Die Kompression AG ist ein Hersteller von Kolbenkompressoren, die in der Öl- und Gasproduktion, dem Gastransport, der Gaslagerung, in der Raffinerie und der petrochemischen Industrie eingesetzt werden. Das Unternehmen beschäftigt weltweit 1200 Mitarbeitende. Der Umsatzanteil in den asiatischen Märkten beträgt rund 25 %. In China ist das Unternehmen seit 1991 tätig. Es führt eine Niederlassung in Schanghai und ein Servicecenter in Xian. Die grosse Bedeutung des chinesischen Marktes basierte bisher auf dem enormen Energiebedarf der chinesischen Wirtschaft. Die Abschwächung des Wachstums, entstandene Überkapazitäten und erhöhte Anforderungen an den Umweltschutz haben jedoch zu einer Reduktion des Umsatzpotenzials in China geführt. 3.2.2.2 Ziele und Bedeutung von After Sales Services im chinesischen Markt Die Kompression AG bietet eine breite Palette von Kompressor-Lösungen an. Ihre Angebote sind in die zwei Bereiche Compressor Systems sowie Komponenten, Services und Support unterteilt. Das Geschäft mit Komponenten, Services und Support zählt das Unternehmen zu den After Sales Services. Folgende Potenziale sieht die Kompression AG für die After Sales Services in China: Differenzierungspotenzial Da chinesische Hersteller in der Zwischenzeit in der Lage sind, Kompressoren in nahezu gleicher Qualität zu liefern, dienen After Sales Services der Kompression AG zur Differenzierung, indem insbesondere die Prozessberatung bei Kunden einen Wettbewerbsvorteil darstellt. Positionierungspotenzial Gemäss Unternehmensvision und -mission verfolgt die Kompression AG das Ziel, zum Kolbenkompressoren-Hersteller erster Wahl zu werden. Durch das Angebot an komplexen Kompressorsystemen sowie Komponenten und Services sollen bei den Kunden die tiefsten Lebenszykluskosten ermöglicht werden. Kundenbindungspotenzial Die Kompression AG sieht in After Sales Services ein hohes Kundenbindungspotenzial, indem es seine Kunden durch den gesamten Lebenszyklus eines Kolbenkompressors hinweg unterstützt („Compressors for Lifetime“). Wachstumspotenzial Derzeit hat die Kompression AG in China 400 Maschinen im Einsatz, die ihr potenzielles Marktvolumen für After Sales Services darstellen. Die Firma deckt derzeit 90 % aller After Sales Services auf den eigenen Maschinen ab und weist damit einen hohen Servicegrad aus. Abgesehen von den eigenen Maschinen gibt es etwa 10.000 zusätzliche Kompressoren anderer Unternehmen in China, wovon die Kompression AG momentan zwei Prozent bedient. Das zukünftige Wachstum mit dem After-Sales-Service-Geschäft wird davon abhängen, wie gut das Unternehmen das Servicegeschäft bei den Kompressoren seiner Konkurrenten angehen kann. 22 3 After-Sales-Service-Geschäftsmodelle … 3.2.2.3 Ausgestaltung des After-Sales-Service-Angebots im chinesischen Markt Serviceangebot Das Serviceangebot der Kompression AG umfasst die drei Bereiche Kompressorkomponenten (Ventilservice, Ersatzteile und Komponenten), Services (Umbauten und Modernisierungen, Komponentenreparatur, Montage und Service, technischer Kundendienst) sowie Support (Trainings, Online-Zustandsüberwachung und Diagnose). Das Herzstück eines Kompressors sind die Ventile. Ein Ventil kann zwischen fünf- bis siebenmal gewartet werden und muss nach spätestens fünfzehn Jahren ersetzt werden. Da die Kompression AG in China pro Jahr gegen 1400 Ventile wartet, macht dies den wichtigsten After-Sales-Service-Bereich aus. Die Wartung erfolgt jeweils in den beiden Servicecentern in Schanghai oder Xian oder direkt beim Kunden. Ventilservices haben eine Bruttomarge von 15 % und dienen der Kompression AG als „entry point“ zum Verkauf weiterer Services. Neben dem Ventilservice ist es insbesondere die Lieferung von Ersatzteilen und Komponenten, mit denen in China ein Geschäft gemacht werden kann. Ersatzteile weisen eine Bruttomarge zwischen 50 bis 80 % auf und stellen für die Kompression AG somit ein profitables Geschäft dar. Die Ersatzteile und Komponenten werden derzeit noch mehrheitlich im Hauptsitz in der Schweiz hergestellt. Aufgrund von Kostenvorteilen sowie der Kundenerwartung nach schnelleren Lieferzeiten werden Ersatzteile aber vermehrt lokal produziert. Da ihre Produkte einen hohen Komplexitätsgrad aufweisen, schickt die Kompression AG für die Installation und Montage jeweils Servicetechniker direkt vor Ort. Für einen reibungslosen Betrieb offeriert die Kompression AG auch Schulungen und Trainings im eigens dafür eingerichteten Trainingscenter im Hauptsitz. Allerdings ist diese Dienstleistung von chinesischen Kunden bis anhin nicht genutzt worden. Technologisch ist die Kompression AG in der Lage, ihre Produkte fernzuüberwachen und fernzuwarten („Monitoring & Diagnostics“). Hierfür hat die Unternehmung vor einigen Jahren einen spezialisierten Anbieter akquiriert. Aufgrund von Restriktionen insbesondere bei den staatlichen Kunden kann diese Dienstleistung in China allerdings nicht zum Einsatz kommen. Preisgestaltung Bei der Preisgestaltung hat die Kompression AG unterschiedlichen Spielraum. Während Ventilservices, Ersatzteile und Komponenten und gewisse „field services“ (Wartung und Reparatur) den Kunden verrechnet werden können, sind diese nur in seltenen Fällen bereit, für technischen Support und Trainings zu bezahlen. Gemäss Aussage der Kompression AG können 80 % der „field services“ verrechnet werden. Für das After-Sales-Service-Geschäft bei eigenen Kompressoren wendet die Kompression AG einen Bottom-up-Ansatz (kostenorientierte Preisbildung) an, was bedeutet, dass die Produktionskosten plus Marge und Mehrkosten zum Endpreis 3.2 After-Sales-Service-Geschäftsmodelle in China 23 führen. Für Ersatzteile und Komponenten der Konkurrenz muss das Unternehmen aufgrund der s­tarken Konkurrenz in der Branche einen Top-down-Ansatz (wertorientierte Preisbildung) anwenden. Bei dieser Preisgestaltung wird der Endpreis durch die Wertewahrnehmung der Kunden sowie der Wettbewerbsintensität auf dem Markt bestimmt. Die wertebasierte Preisgestaltung führt in der Regel zu einem niedrigeren Preis als das kostenorientierte Preismodell. Der endgültige Preis für firmeneigene Teile hängt schlussendlich vom Marktsegment ab. Vermarktung Die Kompression AG setzt für die Vermarktung ihrer After Sales Services sehr stark auf den Aufbau zuverlässiger und langfristiger Kundenbeziehungen. In der Regel verkauft sie ihre Maschinen nicht direkt an den Endkunden, sondern über einen Generalunternehmer. Da die Kompressoren oft Teil einer grossen Produktionsanlage sind, ist das After-Sales-Team bemüht, so früh wie möglich mit dem Endkunden in Kontakt zu treten, um grössere Ausfälle der Anlage des Kunden zu vermeiden. Die Beziehungspflege mit Kunden erweist sich als wichtiger Erfolgsfaktor für das After-Sales-Service-Geschäft in China. Es kann durchaus vorkommen, dass die Aussendienstmitarbeitenden vor Ort aufgefordert werden, ihre Kundenbesuche in einem Notfall zu verlängern, obwohl es sich nicht um einen Kompressor der Kompression AG handelt. In einem Fall hat der Kunde gefälschte Ersatzteile benutzt und dann sofortige Unterstützung benötigt. Die Kompression AG hat den Kunden unterstützt und wurde dann damit belohnt, dass der Kunde nur noch Originalersatzteile beziehen und verstärkt mit dem Unternehmen arbeiten möchte. Vertrieb Seit 2003 führt die Kompression AG ihre eigene Tochtergesellschaft in Schanghai, wo Komponenten wie Ventile und auch ganze Kolbenkompressoren hergestellt werden. Ab 2015 wurde in Xian ein zusätzliches Servicecenter eingerichtet. Insgesamt beschäftigt die Kompression AG in den beiden Centern 70 Mitarbeitende, wovon 20 direkt im Servicebereich eingesetzt werden. Von den Servicecentern in Schanghai und Xian aus wird China mit allen Kundendienstleistungen bedient. Es ist eine bewusste Entscheidung der Kompression AG, über ihre Servicecenter möglichst viele Dienstleistungen zu erbringen, da die Lokalisierung des Ventilgeschäfts beispielsweise als Handelsfenster dient, um eine ständige Kommunikation mit den Kunden zu gewährleisten. Bei Bedarf würde die Zentrale in der Schweiz weitere Unterstützung leisten. Um eine effizientere Lieferung von After Sales Services gewährleisten zu können, hat das Unternehmen den chinesischen Markt in verschiedene Regionen (Nord- und Südchina) unterteilt. Die regionale Verantwortung führt wöchentliche Kundenbesuche durch. Die Kompression AG stellt sicher, dass sie für die Instandhaltung der Maschinen alle zwölf Monate zur Verfügung steht. Für grössere Kunden bringen Verkäufer einen Servicetechniker mit, um ein kompetentes technisches Meeting garantieren zu können. 24 3 After-Sales-Service-Geschäftsmodelle … 3.2.2.4 Einflussfaktoren auf After Sales Services im chinesischen Markt Allgemeine Entwicklung der chinesischen Wirtschaft Das chinesische Wirtschaftswachstum stellt eine wichtige Antriebskraft für die Nachfrage der Kompressoren dar. Das absolute Wachstum (Beitrag zum BIP in absoluten Zahlen) ist immer noch höher als in jeder anderen Volkswirtschaft der Welt. Somit wachsen die Chancen für die Kompression AG, in China weiter zu profitieren. Umweltpolitik für ein „schöneres China“ Die jetzige Umweltpolitik in China fördert einen Weg von der Rohproduktion zur grünen, kohlenstoffarmen Produktion. Derzeit werden die Maschinen der Kompression AG noch in vielen „schmutzigen“ Industrien eingesetzt, die durch die neue Politik in Zukunft an Bedeutung verlieren werden. Die Nachfrage nach umweltfreundlichem Erdgas als fossiler Brennstoff dürfte in China steigen. Die Technologien und Lösungen der Kompression AG im Bereich von Gastransport- und Lagerung (z. B. Komprimierung und Verflüssigung von Gas) können damit mittelfristig gesehen von der neuen Umweltpolitik profitieren. Staatliche Unternehmen im Kundenportfolio 70 % der Kunden der Kompression AG sind staatliche Unternehmen. Da die chinesische Regierung diese zur Umsetzung ihrer Politik nutzt, muss in den kommenden Jahren eine Verschiebung in Richtung Einsatz von sauberen Produktionstechnologien erfolgen. Dies wirkt sich direkt auf das After-SalesService-Potenzial aus. Im Allgemeinen muss der starke Fokus auf staatliche Unternehmen als Risikofaktor gesehen werden. Eine Kundendiversifizierung (einschliesslich private Unternehmen) wird in Betracht gezogen. Eigene Tochtergesellschaft in Schanghai Bei den Kompressoren der Kompression AG handelt es sich um komplexe, erklärungsbedürftige Anlagen. Es ist für das Unternehmen umso wichtiger, eine eigene Tochtergesellschaft in China zu haben, um lokale Kunden bei der Montage, der Installation und dem Betrieb zu unterstützen und somit professionelle und zeitnahe After Sales Services liefern zu können. Das Unternehmen hat auch erkannt, dass eine „one China“-Strategie nicht mehr funktioniert, sondern der chinesische Markt in verschiedene Regionen aufgeteilt werden muss. Kompressoren-Geschäft der Konkurrenz Ein weiterer Einflussfaktor auf das AfterSales-Service-Geschäft der Kompression AG ist die Anzahl installierter Kompressoren von Konkurrenzunternehmen in China. Diese Konkurrenzprodukte stellen ein attraktives Potenzial für den Vertrieb von After Sales Services der Kompressoren AG dar. Das Ziel der Unternehmung ist es, der bevorzugte Original Equipment Manufacturer (OEM) für After Sales Services in der Branche zu sein. Qualität chinesischer Anbieter Lokale chinesische Unternehmen sind heutzutage in der Lage, Kompressoren zum gleichen Qualitätsstandard wie Schweizer Hersteller zu 3.2 After-Sales-Service-Geschäftsmodelle in China 25 produzieren. Professionelle After Sales Services werden daher mehr und mehr als wichtiges Differenzierungsmerkmal gegenüber den chinesischen Unternehmen angesehen. 3.2.2.5 Erfolgsfaktoren für After Sales Services im chinesischen Markt Professionelles Kundenbeziehungsmanagement Gemäss Aussagen der Kompression AG ist ein professionelles Kundenbeziehungsmanagement der wichtigste Erfolgsfaktor für After Sales Services. Das lokale After-Sales-Service-Team wendet ein Key-AccountManagement an, das regelmässige Besuche bei Schlüsselkunden sicherstellt, um mit ihnen die Bedürfnisse und Anforderungen zu überprüfen. Vor allem für die chinesischen Kunden ist es wichtig, immer die Möglichkeit zu haben, sich mit lokalen Mitarbeitenden in Verbindung zu setzen. Normalerweise geschieht dies via WeChat, während die Hotline weniger genutzt wird. Umfassender Lösungsanbieter Durch die langjährige Erfahrung kann die Kompression AG nicht nur als OEM-Produzent und -Lieferant, sondern auch als umfassender Lösungsanbieter agieren. Laut der Kompression AG garantiert das Anbieten von umfassenden Lösungen sowie von persönlichen Kundenbesuchen eine langfristige Kundenbindung im After-Sales-Service-Geschäft. Das Unternehmen kann die Kunden durch den ganzen Lebenszyklus der Kompressoren kompetent begleiten. Kundenorientierte Servicekultur und Teamgeist Die Servicekultur in China ist gemäss der Kompression AG viel weiter fortgeschritten als jene in der Schweiz. Der Hauptsitz in der Schweiz kann somit viel vom Service-Know-how in China lernen. Zur Sicherstellung einer hohen Servicekultur sind gut ausgebildete Servicetechniker zentral. Regelmässige Schulungen, Karriereplanung sowie Incentives in Form von Belohnung und Anerkennung sind bei der Kompression AG ein wichtiger Erfolgsfaktor zur Gewinnung und Bindung von Servicepersonal. Lokalisierung des After-Sales-Service-Geschäfts Die Kompression AG ist sich bewusst, dass das OEM- und das Servicegeschäft als zwei getrennte Einheiten mit zwei unterschiedlichen Strategien behandelt werden müssen. Während das OEM-Geschäft auf eine mittelfristige Zeitspanne ausgerichtet ist, hat das Dienstleistungsgeschäft vor allem in China eher kurzfristige Laufzeiten. Beide Geschäftsbereiche brauchen eine unterschiedliche Kultur sowie auch Mitarbeitende mit unterschiedlichen Persönlichkeiten und Stärken. Diese Herausforderung löst die Kompression AG mit einer Lokalisierung, indem die Verantwortlichkeiten, Aufgaben und Kompetenzen für das After-Sales-Service-Geschäft dezentralisiert werden. Dezentrales Supply Chain Management Eine Lokalisierung zieht die Entscheidung mit sich, bis zu welchem Grad im Headquarter zentralisiert und in den Tochtergesellschaften dezentralisiert werden soll. Die Kompression AG überdenkt zurzeit den ­Aufbau 26 3 After-Sales-Service-Geschäftsmodelle … ihres Supply-Chain-Managements. Was die Tochtergesellschaften von der Zentrale in der Schweiz bestellen und was sie vor Ort selber produzieren können, wird derzeit neu definiert. Zum jetzigen Zeitpunkt sind die Niederlassungen in China in hohem Masse selbst organisiert. Da für die chinesischen Kunden eine schnelle Lieferung der After Sales Services entscheidend ist, produziert die Tochtergesellschaft in Schanghai immer mehr Ersatzteile vor Ort. Auch aus Kostenüberlegungen ist diese Aufstellung sinnvoll. Ein solcher Schritt hin zu einer Dezentralisierung macht für Unternehmungen in der Grösse der Kompression AG Sinn, könnte aber für kleinere Unternehmungen ­schwieriger sein. 3.2.3Die Kneter AG 3.2.3.1 Unternehmensprofil Die Kneter AG ist ein Hersteller von Kneteranlagen, die für die Granulierung von PVC und das Mischen von Kabelmassen, Masterbatches, Pulverlacken, Tonern sowie Anodenmassen eingesetzt werden. Die Maschinen stellen für die Kunden eine grosse Investition dar. Die Kneteranlagen sind modular aufgebaut und werden spezifischen Kundenbedürfnissen angepasst. Das Unternehmen beschäftigt 140 Mitarbeitende und ist seit 10 Jahren in China präsent. Der Umsatzanteil des chinesischen Marktes beträgt rund 10 %. Bearbeitet wird der Markt mit einer Tochtergesellschaft in Schanghai und einer Vertretung in Peking. 3.2.3.2 Ziele und Bedeutung von After Sales Services im chinesischen Markt Das Servicegeschäft spielt für die Kneter AG generell eine wichtige Rolle. Gemäss Aussage der Firma würde es sie ohne das Servicegeschäft nicht mehr geben. Im chinesischen Markt verfügt sie über mehr als 25 Jahre Erfahrung mit After Sales Services. Die Firma kämpft aber mit einer Problematik, wie sie derzeit bei vielen Schweizer Industriebetrieben zu beobachten ist: Auf den Hauptprodukten (Anlagen und Maschinen) nehmen die Margen aufgrund gestiegener Konkurrenz laufend ab und im Fall der Kneter AG zusätzlich aufgrund von Kopien, die im chinesischen Markt angeboten werden. Der Kostendruck auf den Hauptprodukten kann durch After Sales Services abgefedert werden, wo die Margen höher liegen. Umsatzpotenzial Während die Kneter AG auf dem europäischen und amerikanischen Markt mit After Sales Services Geld verdient, hat das Servicegeschäft in China eine sehr geringe Bedeutung. Gesamthaft erwirtschaftet die Kneter AG nur zwei bis drei Prozent des Gesamtumsatzes an After Sales Services im chinesischen Markt, wobei dieser Umsatz hauptsächlich mit Ersatzteilen erzielt wird. Der installierte Maschinenpark stellt hierbei für die Kneter AG das Potenzial für After Sales Services dar. Aktuell sind es in China vor allem die grösseren Kunden, die produktbegleitende D ­ ienstleistungen 3.2 After-Sales-Service-Geschäftsmodelle in China 27 in Anspruch nehmen, während kleinere Firmen keine Serviceleistungen beziehen. ­Insgesamt hat die Kneter AG in Asien 350 Maschinen und Anlagen installiert, wovon 200 Maschinen auf China fallen. Diese Maschinen stellen das After-Sales-Service-­ Potenzial dar. Erhöhung des Marktanteils Das erklärte Ziel des Engagements der Kneter AG in China ist es, den Marktanteil bei der Ersatzteillieferung für die eigenen Maschinen zu erhöhen. Dieser liegt derzeit nur bei ungefähr 25 % und soll auf 30 bis 40 % gesteigert werden. Für das Unternehmen stellt Asien einen Wachstumsmarkt dar. Insgesamt ist der Aufwand, der in China betrieben wird, im Vergleich z. B. zu Frankreich oder Deutschland allerdings merklich höher. Neben dem zusätzlichen internen Aufwand bestehen auch noch externe Einschränkungen, wenn es z. B. um die Lieferung der Ersatzteile nach China geht. 3.2.3.3 Ausgestaltung des After-Sales-Service-Angebots im chinesischen Markt Serviceangebot Die Kneter AG bietet im Bereich After Sales Services Ersatzteile („Original Spare Parts“), „Field Services“ (Unterstützung der Montage sowie Montagekontrolle), „Service Contracts“, „Modernization/Engineering“ (Revisionen), „Retrofit Kits“ (Erneuerung der Maschine) sowie Trainings und Schulungen an. In China umfassen die Serviceleistungen der Kneter AG im Wesentlichen den Verkauf von Ersatzteilen in den zwei Bereichen Kunststoffe sowie Aluminium. Es ist dies der einzige Bereich von After Sales Services, mit dem das Unternehmen Umsatz erzielt. Field Services, Modernisierungen und Erneuerungen sowie Trainings und Schulungen für Maschinen generieren in China kaum eine Nachfrage. Viele Kunden der Kneter AG äussern jeweils das Bedürfnis, die Wartung an den Maschinen selbst auszuführen, was das Potenzial an After Sales Services verringert. Auf Kundenwunsch bietet das Unternehmen allerdings Serviceverträge an, die sich mehrheitlich auf Instandhaltungsarbeiten über die Nutzungsdauer einer Maschine beziehen. Bei der Kneter AG werden die After Sales Services wie eine Firma innerhalb der Firma behandelt. Der Neuverkauf von Maschinen und After Sales Services werden als zwei unterschiedliche Geschäftsbereiche mit verschiedenartigen Anforderungen gesehen. Während der Neuverkauf einer Maschine, inklusive Installation vor Ort, einen längerfristigen Prozess darstellt, ist das After-Sales-Service-Geschäft auf kurzfristige Reaktionszeiten angewiesen. Die Trennung in Neumaschinengeschäft und After Sales Services beinhaltet aber auch Konfliktpotenzial, da der After-Sales-Service-Bereich wie ein Nebenprodukt betrachtet und dadurch das Umsatzpotenzial nicht vollständig ausgeschöpft wird. Preisgestaltung In China stellt der Preis für die Kneter AG aufgrund der hohen Preissensibilität chinesischer Kunden das wesentliche Verkaufsargument dar. Der Absatz von After Sales Services 28 3 After-Sales-Service-Geschäftsmodelle … steht in direkter Relation zur Einschätzung des Kunden, ob die zu beziehende Serviceleistung einen Mehrwert schafft. Oft herrscht bei chinesischen Kunden noch die Vorstellung vor, dass Dienstleistungen, und hier speziell auch After Sales Services, im Verkaufspreis für eine Maschine inbegriffen sind und somit kostenlos geliefert werden müssen. Diese Ansicht besteht z. B. für Unterhaltsarbeiten, die teilweise durch den Servicetechniker der Kneter AG ohne Verrechnung geliefert werden sollen. Wird der von der Kneter AG angewandte Kostensatz als zu hoch erachtet, versuchen Kunden, die Wartung selbst vorzunehmen mit der Folge, dass die häufig unprofessionell ausgeführten Arbeiten den Betrieb der Maschine beeinträchtigen. Die Kneter AG macht im chinesischen Markt die Erfahrung, dass ihre After Sales Services generell als zu teuer eingestuft werden. Chinesischen Kunden ist ein niedriger Anschaffungspreis von Ersatzteilen oft wichtiger als Folgekosten aufgrund eines Produktionsstopps. Die angebotenen Preise werden vor allem von grösseren und nicht-chinesischen Kunden bezahlt, während kleinere, chinesische Kunden häufig auf billige, kopierte Ersatzteile ausweichen oder Unterhaltsarbeiten selbst erledigen. Vertrieb Organisatorisch gibt es aufseiten der Kneter AG eine Area-Sales-Managerin, die für das Gebiet China und Asien verantwortlich ist. Der chinesische Markt wird von Schanghai aus über ein sogenanntes Liaison-Office bearbeitet. Personell ist das Geschäft in China mit sechs Personen vor Ort besetzt. Der Verkauf von Maschinen und von After Sales Services wird dabei getrennt. Für die After Sales Services setzt die Kneter AG einen eigenen, chinesischen Servicetechniker sowie eine administrative Unterstützung ein. Das Liaison-Office wird von der Schweiz aus geführt. Die Aufgaben des Liaison-Offices liegen in der Betreuung der Kunden der Kneter AG vor Ort, wobei im Bereich After Sales Services vorwiegend First-Level-Services angeboten werden (kleine Reparaturen vor Ort, Ersatzteile einbauen etc.). Aufgrund der rechtlichen Struktur dürfen keine eigenen Geschäfte durchgeführt (z. B. Verkauf von Ersatzteilen), sondern nur angebahnt werden. Das Liaison-Office in Schanghai arbeitet knapp kostendeckend. Wenn ein chinesischer Kunde einen Bedarf an After Sales Services (Ersatzteile) aufweist, nimmt der Servicetechniker diesen auf. Über die administrative Unterstützung im Liaison-Office Schanghai wird der Bedarf an den Hauptsitz in der Schweiz übermittelt, von wo aus das Angebot und anschliessend die Lieferung an den Kunden erfolgt. Zudem übernimmt der Servicetechniker Unterhalts- und Instandhaltungsarbeiten vor Ort (FirstLevel-Support). Wenn immer möglich versucht die Kneter AG diese Leistungen zu verrechnen. Bei komplexeren Anforderungen, die über First-Level-Support hinausgehen, schickt das Unternehmen jeweils einen Servicetechniker aus der Schweiz nach China. Aus Kostengründen – bzw. der geringen Zahlungsbereitschaft chinesischer Kunden – erfolgt ein solcher Einsatz allerdings selten. Vermarktung Die Kneter AG vermarktet After Sales Services in China nicht proaktiv. Beim Ausfall einer Maschine oder bei Bedarf an Ersatzteilen wenden sich die Kunden an das 3.2 After-Sales-Service-Geschäftsmodelle in China 29 ­ iaison-Office in Schanghai. Die Kneter AG reagiert damit auf Kundenwünsche; eine L aktive Push-Strategie zur Verkaufsförderung besteht jedoch nicht. Die Vermarktung innerhalb Chinas läuft vor allem über persönliche Beziehungen durch Besuche des Servicetechnikers bei bestehenden und potenziellen Kunden. Das Internet und der Versand von Werbematerial kommen weniger zum Einsatz. Hingegen werden die Kunden über Neuerungen und spezielle Angebote mit einem eigens eingerichteten WeChat-Kanal informiert. Als Verkaufsargument spielen After Sales Services in China nur eine geringe Rolle. Für die chinesischen Kunden der Kneter AG steht die Maschine mit einem Nutzungshorizont von drei bis fünf Jahren im Vordergrund. Das Angebot an After Sales Services (Ersatzteile) wird deshalb jeweils nachgelagert zum Verkauf einer Maschine platziert, um zwei separate Verkaufspakete anbieten zu können. 3.2.3.4 Einflussfaktoren auf After Sales Services im chinesischen Markt Wachstumsaussichten in den wichtigen Märkten und Industrien Für die Kneter AG sind dies im Bereich Kunststoff vor allem die Automobil- sowie die Bauindustrie. Wenn beispielsweise China die Stromversorgung und damit verbunden die Sicherheit im Strommarkt forciert, hat dies unmittelbar positive Auswirkungen auf die Absatzmöglichkeiten von Anlagen der Kneter AG, die in der chinesischen Kabelindustrie zur Beschichtung von Hoch- und Mittelspannungskabeln benötigt werden. Hohe Preissensitivität und geringe Zahlungsbereitschaft Chinesische Kunden sind sehr preissensitiv bei After Sales Services. Grundsätzlich verlangen chinesische Kunden, dass diese kostenlos mitgeliefert werden. Die Zahlungsbereitschaft ist sehr gering, da der unmittelbare Nutzen einer Serviceleistung nicht gesehen wird. Die Kneter AG verkauft deshalb praktisch keine Unterhalts- oder Instandhaltungsdienstleistungen im chinesischen Markt. Einzig Ersatzteile werden von den chinesischen Kunden nachgefragt. Do-it-yourself-Mentalität Chinesische Kunden funktionieren vielfach nach einer Do-ityourself-Mentalität. Wenn eine Maschine einen Defekt aufweist, behelfen sie sich häufig mit eigenen Lösungen. Dies beeinträchtigt wiederum das Potenzial für die Lieferung von Ersatzteilen oder anderen After Sales Services. Kleines Kundenbudget für After Sales Services Im Vergleich zu europäischen und amerikanischen Kunden haben chinesische Kunden häufig ein viel geringeres Budget für After Sales Services verfügbar. Dies schmälert die Möglichkeit der Kneter AG, solche Services in grösseren Mengen zu verkaufen. Kurzfristiger Planungshorizont Chinesische Kunden kaufen eine Kneteranlage mit einem Nutzungshorizont von drei bis vier Jahren. Danach gilt die Maschine als abgeschrieben. Das Konzept der Total Cost of Ownership, nach dem die Lebensdauer einer Maschine durch Wartung verlängert und damit die Gesamtkosten reduziert werden 30 3 After-Sales-Service-Geschäftsmodelle … k­ önnen, ist in China kaum bekannt. Die kurzfristige Sichtweise chinesischer Kunden vermindert somit das Potenzial für After Sales Services. Geringe Kostenorientierung chinesischer Kunden Chinesische Kunden haben ein geringes Kostenbewusstsein. Wenn eine Maschine stillsteht, führt dies zu Produktionsausfällen mit den entsprechenden Kostenfolgen. Solche Ausfallkosten werden von chinesischer Seite allerdings selten in Betracht gezogen. Gemäss Aussage der Kneter AG ist es chinesischen Kunden häufig egal, wenn eine Maschine fünfmal pro Tag abgestellt werden muss, um ein Teil auszuwechseln. Dies hängt auch mit den günstigen Personenstunden zusammen, die bei Produktionsstopps kaum ins Gewicht fallen. Aus Sicht von After Sales Services wäre es möglich, Maschinenausfälle durch präventiven Unterhalt zu vermeiden, wofür auf chinesischer Seite jedoch in vielen Fällen das Bewusstsein oder die Bereitschaft fehlt. 3.2.3.5 Erfolgsfaktoren für After Sales Services im chinesischen Markt Kostenorientierung Der wichtigste Erfolgsfaktor für After Sales Services bei der Kneter AG im chinesischen Markt ist der Preis. Eine kompetitive Preisgestaltung ist für das Unternehmen aufgrund hoher Kosten für Material, Versand, Transport, Zoll und Administration sowie einem erhöhten Beratungs- und Betreuungsaufwand für chinesische Kunden allerdings nahezu unmöglich. Die Folge davon ist der geringe Marktanteil an Ersatzteilen bei eigenen Maschinen von lediglich 25 %. Marktbearbeitung vor Ort After Sales Services werden zwar bereits beim Verkaufsprozess angeboten, allerdings nicht in den Vordergrund gestellt. Auch nach Inbetriebnahme der Maschinen werden After Sales Services nicht aktiv vermarktet. Der Servicetechniker vor Ort stattet den Kunden regelmässige, aber nicht systematisch organisierte Besuche ab. Die Kneter AG wendet kein CRM-System an, um die erfolgten Besuche systematisch zu erfassen und auszuwerten. Es ist für das Management der Kneter AG somit auch nicht im Detail nachvollziehbar, was der Servicetechniker vor Ort genau macht. Der Absatz von Ersatzteilen im chinesischen Markt erfolgt somit nach einem Zufallsprinzip, was sich dann in den geringen Absatzzahlen widerspiegelt. Motivation des lokalen Personals Der Servicetechniker und die Mitarbeitenden der Administration des Liason-Offices erhalten einen Grundlohn. Dieser kann durch verkaufsabhängige Bonuszahlungen erhöht werden. Allerdings ist das Bonuspotenzial gering. Gerade in China, wo der Lohn der wesentliche Motivationsfaktor für die eigene Arbeit ist, wären Anreizmodelle für das Personal wichtig. Organisation der After Sales Services Die Kneter AG unterhält in China einen eigenen Servicetechniker sowie eine administrative Unterstützung für After Sales Services. 3.2 After-Sales-Service-Geschäftsmodelle in China 31 Aufgrund der rechtlichen Organisation vor Ort (Liaison-Office) darf der Servicetechniker aktiv keine After Sales Services verkaufen, sondern kann lediglich Kundenwünsche aufnehmen und diese an die Schweiz weiterleiten. Die Liquidation des Liaison-Offices sowie der Aufbau einer eigenen Verkaufseinheit vor Ort lohnt sich derzeit aus Kostengründen allerdings nicht. Verfügbarkeit von Ressourcen Da die Produkte der Kneter AG in der Regel kundenspezifisch hergestellt wurden, ist viel Spezial-Know-how für die entsprechenden Maschinen notwendig. Der Aufbau dieses Know-hows, das derzeit nur in der Schweiz vorhanden ist, dauert bis zu fünf Jahre. Aus Kosten- und Effizienzgründen sowie aufgrund der relativ geringen Anzahl installierter Maschinen in China lohnt es sich für die Kneter AG nicht, vor Ort einen Servicetechniker mit diesem Spezial-Know-how zu unterhalten, der dann auch After Sales Services erbringen kann. 3.2.4Die Feinwerk AG 3.2.4.1 Unternehmensprofil Die Feinwerk AG ist spezialisiert auf die Entwicklung, Herstellung und den Vertrieb von Maschinen zur Bearbeitung von harten und spröden Materialien wie Glas, Keramik, Saphir und Hartmetall. Die produzierten Anlagen sind Spezialanfertigungen, die im Produktionsprozess der Kunden eigenständig eingesetzt werden und viel Schulung und Unterstützung seitens des Herstellers bedürfen. Die Kundschaft des Unternehmens ist breit diversifiziert über die Uhrenindustrie, die Medizinaltechnik, den Elektronikbereich, die chemische und optische Industrie sowie den Maschinen- und Kraftwerkbau. Das Unternehmen hat 30 Mitarbeitende. Es ist seit 2002 in China tätig und generiert fünf bis zehn Prozent seines Umsatzes in diesem Markt, der durch die Übertragung von Rüstungstechniken in zivile Anwendungen immer bedeutender wird. Beliefert wird der chinesische Markt über eine Partnerunternehmung aus Hong Kong. 3.2.4.2 Ziele und Bedeutung von After Sales Services im chinesischen Markt Für die Feinwerk AG ist es das Ziel von After Sales Services in China, die Marke zu stärken und eine hohe Kundenzufriedenheit zu garantieren. Gelingt es dem Unternehmen, bezüglich Service eine hohe Qualität und ein gutes Preis-Leistungs-Verhältnis zu liefern, sind Kunden eher bereit, weitere Maschinen zu kaufen. Die Maschinen der Feinwerk AG sind im Kundenprozess sehr zentral; Produktionsstillstände aufgrund eines Defekts und eine verzögerte Reaktionszeit würden folgenschwere Imageschäden verursachen. Differenzierungspotenzial Die Feinwerk AG entwickelt ihre Maschinen so, dass sie möglichst wenig Service benötigen und die Kunden dadurch möglichst autonom arbeiten können. Sind die Kunden zufrieden und können sie die Maschinen selbstständig 32 3 After-Sales-Service-Geschäftsmodelle … b­ edienen und unterhalten, ist die Wahrscheinlichkeit sehr hoch, dass sie weitere Maschinen kaufen. Die durch After Sales Services erreichte Kundenautonomie stellt ein wichtiges Differenzierungsmerkmal dar. Akquisitionspotenzial Die Feinwerk AG sieht in ihren Servicetechnikern die besten und wichtigsten Verkäufer. Der grösste Teil des Umsatzvolumens wird mit bestehenden Kunden erzielt. Gute Services stellen ein wichtiges Entscheidungskriterium dar und reduzieren überdies den Verkaufsaufwand. Ertragspotenzial Der Serviceanteil von immateriellen Leistungen wie Installation, Schulung, Wartung, Reparatur und Support ist ertragstechnisch nicht ausschlaggebend. Mit dem Ersatzteilgeschäft hingegen kann die Feinwerk AG ungefähr zehn Prozent des Maschinenpreises realisieren. Mit dem Werkzeuggeschäft, das das Unternehmen auszubauen und zu professionalisieren plant, beläuft sich diese Zahl auf ca. 100 %. Informationspotenzial Gute Servicetechniker achten während der Ausführung von After Sales Services stark auf Verbesserungspotenziale. Überdies stellen sie soziale Kontakte und Vertrauen zu den Mitarbeitenden der Kunden her. Aufgrund der geringen Grösse der Firma und ihrer familiären Unternehmenskultur fliessen diese Informationen sehr leicht zurück und helfen dabei, die Produkte zu verbessern und weiterzuentwickeln. 3.2.4.3 Ausgestaltung des After-Sales-Service-Angebots im chinesischen Markt Serviceangebot Das After-Sales-Service-Angebot der Feinwerk AG ist grundsätzlich standardisiert. Unterschiede im Angebot können auftreten, wenn Kunden z. B. aufgrund höherer Produktkomplexität eine intensivere Schulung benötigen. Des Weiteren verlangen Kunden in stark getakteten Branchen (z. B. Automobilindustrie), wo Maschinenausfälle grosse Auswirkungen haben, nach schnelleren Reaktionszeiten und Lagerhaltung vor Ort. Das After-Sales-Service-Angebot der Feinwerk AG lässt sich in drei Bereiche einteilen: 1. Installation und Kundenschulung: Je nach Maschinentyp kann die Dauer der Inbetriebnahme sehr unterschiedlich sein und von einem halben Tag bis zu zwei bis drei Wochen dauern. Kundenschulungen finden im Rahmen der Inbetriebnahme der Maschine statt. 2. Wartung, Reparatur und Support: Aufgrund der Firmengrösse sowie der Reisewege und -kosten kann die Feinwerk AG keine regelmässigen Wartungen anbieten, während derer die Maschine im Kundenunternehmen stillgelegt und gewartet würde. Während der Produktschulung erhalten die Kunden eine Wartungsschulung, die sie zu den wichtigsten Wartungsarbeiten befähigt. Im Fall von Reparaturen schickt die Feinwerk AG die nötigen Ersatzteile direkt zu den Kunden und bietet Unterstützung via 3.2 After-Sales-Service-Geschäftsmodelle in China 33 E-Mail und Telefon. Wenn nötig reist ein Servicetechniker hin, der die Reparatur und das Einsetzen der Ersatzteile vornimmt. 3. Werkzeuge, Verbrauchs- und Ersatzteile: Werkzeuge und Verbrauchsteile halten von ein paar Tagen bis hin zu ein paar Wochen und müssen somit regelmässig ersetzt werden. Einige Werkzeuge stellt die Feinwerk AG selbst her, zum grossen Teil aber werden sie ganz oder in Komponenten zugekauft. Die Werkzeuge werden dann vom Unternehmen in Klein- und Kleinstserien kunden- und maschinenspezifisch angepasst. Da einige Teile ausschliesslich von der Feinwerk AG hergestellt werden, sind die Kunden diesbezüglich stark abhängig. 4. Prozessberatung: In Einzelfällen bietet die Feinwerk AG Beratungsleistungen in Bezug auf der Maschine vor- und nachgelagerte Prozesse im Bereich Prozessdaten (Drehgeschwindigkeit, Vorschübe), Werkzeugwahl, Aufspannung und Teilehandhabung an. Preisgestaltung Die Feinwerk AG richtet die Preise der Werkzeuge und Verbrauchs- und Ersatzteile wettbewerbsfähig und mindestens kostendeckend aus. Einige Ersatzteile werden ausschliesslich durch die Feinwerk AG hergestellt. Hier lassen sich die höchsten Margen realisieren. Im Gegensatz zu den Verbrauchsteilen, über deren Preise die Kunden meist gut informiert sind, fehlen bei den Ersatzteilen oft Vergleichsmöglichkeiten. Dennoch hält die Firma die Preise für und Margen auf Ersatzteile im Vergleich zur Konkurrenz relativ tief, um zukünftige Kaufentscheide nicht negativ zu beeinflussen. Die geringsten Margen erzielt sie bei den Werkzeugen, weil hier der intensivste Wettbewerb besteht. Bei Wartungs-, Reparatur- und Supportleistungen, die in einem langwierigen Prozess intern beantragt werden müssen, sind die Kunden weitaus weniger zahlungsbereit als bei den materiellen Teilen. Telefonsupport bietet die Feinwerk AG umsonst an. Wenn ein Servicetechniker für eine Schulung oder eine Problemlösung zu Kunden reisen muss, wird dies kostendeckend in Rechnung gestellt. Das Funktionieren der Maschine steht aus Image- und Referenzgründen an erster Stelle. Obschon eine Kostendeckung angestrebt wird, kann es vorkommen, dass einige Services aus strategischen Gründen und zur Verkaufsunterstützung unter Kostendeckung angeboten werden. Insgesamt ist es schwierig, Services, die nach der Installation anfallen, zu verrechnen. Die Kunden erwarten, dass ein teures Schweizer Produkt über zehn Jahre ohne Wartung und Zwischenfälle funktioniert. Für Installation und Schulung hingegen, die im Maschinenpreis inbegriffen und separat ausgewiesen sind, besteht bei Kunden eine Zahlungsbereitschaft. Vermarktung Die Serviceleistungen der Feinwerk AG sind als Verkaufs- und insbesondere als Wiederkaufsargument von grosser Bedeutung. Der Wert einer Maschine hängt zum einen von ihrer eigentlichen Leistung und andererseits von ihrer Zuverlässigkeit und Langlebigkeit ab. Für Letzteres ist das Erbringen eines hochwertigen Serviceangebots zentral, das jedoch erst ab Betrieb evaluiert werden kann. Der Service kann dann als gut ­bezeichnet 34 3 After-Sales-Service-Geschäftsmodelle … werden, wenn eventuelle Probleme mit der Maschine nicht die Aufmerksamkeit der Geschäftsleitung erhalten, die über zukünftige Neukäufe entscheidet. Neukunden evaluieren die Servicequalität hauptsächlich über Referenzen. Klassische Werbe- und Medienkanäle kommen somit bei den After Sales Services nicht zum Tragen. Schöne Prospekte und grosse Versprechen wirken nur bedingt; einen Referenzkunden angeben zu können, den der Neukunde auch kontaktieren kann, ist die wertvollste und effektivste Werbung. Bestehende und potenzielle Kunden sind durch Verbände und Technologiekreise sowie Stellenwechsel der Angestellten gut untereinander vernetzt und so sehr gut darüber informiert, welche Maschinenanbieter einen guten Service liefern. Vertrieb Für die Erbringung der After Sales Services beschäftigt die Feinwerk AG einen Servicetechniker in Hong Kong, der in einer lokalen Firma angestellt ist und von der Feinwerk AG zu 50 % bezahlt wird. Er führt sämtliche After Sales Services aus, schult darüber hinaus die Händler und Agenten bezüglich Applikationen und unterstützt sie in der technischen Beratung und während Verkaufsgesprächen. Der Servicetechniker wurde von der Feinwerk AG in der Schweiz intensiv und umfassend bezüglich Montage, Applikation und Software der Maschinen geschult. Zudem kommt er für spezifische Schulungen zwischen zwei- und fünfmal pro Jahr für Aufenthalte von jeweils einem Monat in die Schweiz. Bei sehr anspruchsvollen Maschinen gehen sowohl der Servicetechniker aus Hong Kong als auch Schweizer Servicetechniker zu den Kunden, um die Installation und Schulung vorzunehmen. Das Unternehmen baut darüber hinaus derzeit ein Servicenetz in China auf. Das Ziel ist es, dass Freelancer durch den Servicetechniker in Hong Kong geschult werden und Vorführungen, Applikationsschulungen und Service durchführen können. 3.2.4.4 Einflussfaktoren auf After Sales Services im chinesischen Markt Konkurrenzsituation Da ein Grossteil der Kundschaft der Feinwerk AG staatliche Unternehmen sind, werden insbesondere grössere Anlagen über Ausschreibungen akquiriert, wobei jene Maschine den Zuschlag erhält, die erstens die spezifischen Kriterien erfüllt und zweitens am günstigsten ist. Würde das Unternehmen zwecks Kostendeckung After Sales Services wie Wartung, Reparatur und Support in den Produktpreis integrieren, würde der Maschinenpreis so stark erhöht, dass die Zuschlagschancen deutlich sinken. Zudem ist die Intensität dieser Leistungen aufgrund der sehr unterschiedlichen Handhabung und Pflege der Maschinen seitens der Kunden kaum vorhersehbar. Reaktive Serviceeinstellung und Fokus auf Selbsthilfe Präventive Leistungen wie Wartung werden in China kaum nachgefragt. Die Feinwerk AG führt dies auch auf Management- bzw. Führungspraktiken zurück. Während seit 30 Jahren in Europa intensiv ausgelagert wird, wird in China aufgrund des vergleichsweise geringen Produktivitätsdrucks traditionell alles intern geleistet. In China sind die Löhne so tief, dass chinesische Firmen vergleichsweise weniger produktiv sein müssen, um trotzdem 3.2 After-Sales-Service-Geschäftsmodelle in China 35 wettbewerbsfähig zu sein. Die tiefen Lohnkosten resultieren darüber hinaus in einem geringen Stellenwert von Arbeit und in einer geringen Zahlungsbereitschaft für (arbeitsintensive) Dienstleistungen. Auch in der Einstellung zur Maschinenpflege bestehen grosse Unterschiede: In China werden Maschinen so lange genutzt, bis sie nicht mehr funktionieren, um sie daraufhin so schnell wie möglich zu reparieren. Das Ziel ist es, so wenig finanzielle und zeitliche Ressourcen wie möglich in die Maschine zu investieren. Fremd- und Präventivwartungen werden somit kaum nachgefragt; im Vordergrund stehen die Selbsthilfe und eine reaktive Einstellung zu Maschinenpflege. Stellung der Maschine im Kundenprozess Auch die Rolle der Maschine im Produktionsprozess nimmt auf diese Einstellung Einfluss: Sind die Auswirkungen auf den Produktionsprozess bei einem Ausfall der Maschine gross, sind Kunden eher bereit, in Präventivwartung zu investieren. Die Maschinen der Feinwerk AG sind jedoch zumeist Stand-Alone-Lösungen; ein Ausfall ihrer Maschinen hat keine weitreichenden Folgen für den Rest des Kundenprozesses. Wichtigkeit von After Sales Services als Entscheidungskriterium In China spielt der Service, im Gegensatz zu Europa, im Verkaufsprozess noch eine untergeordnete Rolle. Wichtiger wird der Service in der Erfahrung mit dem Produkt und als Entscheidungsgrundlage für eventuelle Wiederkäufe. Zuverlässigkeit und Langlebigkeit, die nicht nur durch die Produkt-, sondern auch durch die Servicequalität sichergestellt werden können, werden nach dem Kauf der Maschine zentral. Verfügbarkeit von Servicepartnern Aufgrund seiner Nischenstellung gelang es der Feinwerk AG nicht, in China einen geeigneten Servicepartner zu finden; ihre Maschinen sind zu komplex, ihr Markt ist zu klein. Die Maschinenhändler sind starke Verkaufspartner, eignen sich jedoch nicht, gleichzeitig den Service zu übernehmen. Sie sehen den Wert eines qualitativen Services nicht und stellen deshalb relativ kostengünstige und ungenügend ausgebildete Servicetechniker ein. Aus diesem Grund sah sich das Unternehmen gezwungen, ein eigenes Servicecenter aufzubauen. 3.2.4.5 Erfolgsfaktoren für After Sales Services im chinesischen Markt Schnelligkeit und Verfügbarkeit Ein zentraler Erfolgsfaktor von After Sales Services ist Schnelligkeit und Verfügbarkeit, insbesondere im Fall von Defekten und Problemen. Die internen Bewilligungsverfahren für Ersatzteillieferungen können die Reaktionsgeschwindigkeit und den Service deutlich verlangsamen. Ersatzteile, die eine gewisse Preisschwelle überschreiten, müssen intern bewilligt werden. Dieser Prozess dauert bis zu drei Monaten. Ist die Bewilligung vorhanden, muss das entsprechende Ersatzteil so schnell wie möglich vor Ort sein. Gute Kommunikation mit den Kunden sowie schnelle Reaktionszeiten sind deshalb zentral. 36 3 After-Sales-Service-Geschäftsmodelle … Kundenbindung Für die Feinwerk AG sind After Sales Services dann erfolgreich, wenn daraus Wiederkäufe generiert werden können. Meist verkauft das Unternehmen nicht nur eine, sondern mehrere Maschinen für verschiedene Prozessschritte und Applikationen an einen Kunden. Die Preisverhandlungen gestalten sich bei Wiederkäufen anders als bei Erstkäufen, da bereits eine Vertrauensbasis besteht und die gegenseitigen Erwartungen bezüglich Preis und Leistungen geklärt sind. Kosten Beim Aufbau von After Sales Services in China stellen die Kosten die grösste Herausforderung dar. Vor allem Personalkosten sind anfangs schwierig abzudecken. Die Feinwerk AG kann ihren Servicetechniker in Hong Kong momentan nicht zu 100 % auslasten und subventioniert dadurch den Service in China. Müssen Schweizer Ingenieure den Service vornehmen, sind die Kosten dafür so hoch, dass die wenigsten chinesischen Kunden bereit sind dafür aufzukommen. Ausbildung von Servicetechnikern Die Ausbildung von Servicetechnikern stellt eine weitere grosse Herausforderung dar. Gute Servicetechniker sind in China schwierig zu finden. Eine solide Ausbildung ist mit viel Reise-, Zeit- und Kostenaufwand seitens des chinesischen Servicetechnikers und der Feinwerk AG verbunden. Sprachliche und kulturelle Barrieren Die kulturellen Barrieren spielen beispielsweise in Indien eine grössere Rolle als in China. Die sprachliche Barriere hingegen ist deutlich spürbar: Techniker in China sprechen nur sehr selten Englisch. Compliance und Korruption Insgesamt ist in China, wie auch in Russland, Indien und Osteuropa, Korruption sehr weit verbreitet. Die Zusammenarbeit mit den Maschinenhändlern erleichtert diese Thematik für die Feinwerk AG stark; sie kann so viele potenziell heikle Situationen umgehen. Was zwischen den Maschinenhändlern und den Kunden läuft, entzieht sich ihrer Kenntnis. Exportkontrollen Die Schweiz verfügt über starke Exportkontrollen für die ausländische Rüstungsindustrie. Die Feinwerk AG muss den Export vieler ihrer Maschinen, gerade bei Dual-Use-Gütern im Hochpräzisions- und mehrachsigen Bereich, vom Bund bewilligen lassen. Deutschland ist diesbezüglich noch restriktiver, was der Feinwerk AG einen Wettbewerbsvorteil gegenüber der Hauptkonkurrenz in Deutschland verschafft. Die Schweiz ist diesbezüglich transparent und wenig bürokratisch organisiert; mithilfe formalisierter Prozesse und Standardformularen sind diese Bewilligungen relativ einfach zu erhalten. 3.2 After-Sales-Service-Geschäftsmodelle in China 37 3.2.5Die Konserven AG 3.2.5.1 Unternehmensprofil Die Konserven AG ist mit Konserven-, Wasch- und Zentrifugentechnik, Giesserei und Produktion in verschiedenen Geschäftsbereichen tätig und beschäftigt 430 Mitarbeitende. In der Zentrifugentechnik, in der die Konserven AG eine weltweit führende Stellung einnimmt und die 33 % ihres Umsatzes ausmacht, werden Feststoffe von Flüssigkeiten, beispielsweise Salz aus der vom Boden gepumpten Sole, getrennt. Zentrifugen werden für die chemische, feinchemische sowie pharmazeutische Industrie hergestellt. Auch in der Konserventechnik ist die Firma mit ihren Dosenverschliessern für die Getränke-, Lebensmittel- und Dosenfertigungsindustrie weltweit führend. Der Umsatzanteil der Konserventechnik beträgt knapp 50 %. Die Konserven AG ist bereits seit 30 Jahren in China tätig und ist derzeit im Aufbau einer eigenen Service-Gesellschaft – eine Kooperation mit einer deutschen Start-up Factory – für die Geschäftsbereiche Konserven- und Zentrifugentechnik. Seit fünf Jahren stellt China der Hauptmarkt für die Konserven AG dar. 3.2.5.2 Ziele und Bedeutung von After Sales Services im chinesischen Markt Die Konserven AG hat 400 Maschinen nach China verkauft, wovon jedoch lediglich 150 Maschinen noch in Betrieb sind. Dies verringert das Potenzial für After Sales Services. In China werden Ersatzteile am meisten nachgefragt. Diese werden jedoch auch oft bei lokalen Mitbewerbern bezogen, welche die Ersatzteile zu tieferen Preisen anbieten und sie infolge der geografischen Nähe schneller liefern können. Für Wartung, technischen Support und Unterhalt gibt es in China kaum Bedarf. Akquisitionspotenzial China war in den letzten fünf Jahren der Hauptmarkt der Konserven AG. Aufgrund des sich verlangsamenden Wirtschaftswachstums Chinas und damit einhergehender Überkapazitäten erwartet das Unternehmen mittelfristig einen Umsatzrückgang, da viele Maschinen stillgelegt und deshalb keine Ersatzteile und keinen Service benötigt werden. Mit dem Aufbau einer eigenen Serviceorganisation erhofft sich die Konserven AG jedoch dem entgegenwirken und den Umsatz pro Maschine im After-Sales-Service-Geschäft kurzfristig zwei- bis dreifach und mittelfristig vierfach zu steigern. Kundenbindungspotenzial Durch das gezielte Anbieten von Wartungsseminaren bei ausgewählten Kunden strebt die Konserven AG eine höhere Kundenbindung an, die den Absatz von After-Sales-Leistungen (z. B. Ersatzteile und Wartung) und damit den Gesamtumsatz steigern soll. Imagepotenzial Swissness spielt für Produkte der Konserven AG eine grosse Rolle. Wenn es manchmal bei den Verhandlungen nicht mehr weitergeht, sagt sie, dass die 38 3 After-Sales-Service-Geschäftsmodelle … chinesischen Kunden für die Abnahme der Maschine in die Schweiz kommen müssen. Die Reise in die Schweiz ist für viele Chinesen sehr interessant und steigert das Image der Firma. Mehr Maschinen im Absatzmarkt bedeuten ein höheres Absatzpotenzial für After Sales Services. Zudem ist die Zahlungsbereitschaft für schweizerisches Servicepersonal höher als für das chinesische Servicepersonal. Muss ein Servicetechniker aus der Schweiz eingeflogen werden, wird dieser anstandslos bezahlt, obwohl die Gesamtkosten (Reise, Anfahrt, Arbeit) ein Vielfaches höher sind. Dies ist dadurch begründbar, dass chinesische Kunden davon ausgehen, somit besser ausgebildete Arbeiter und einen besseren Servicestandard zu erhalten. 3.2.5.3 Ausgestaltung des After-Sales-Service-Angebots im chinesischen Markt Serviceangebot Die Konserven AG bietet im Bereich After Sales Services Ersatzteile („Original Spare Parts“), „Field Services“ (Unterstützung der Montage sowie Montagekontrolle), „Service Contracts“, „Modernization/Engineering“ (Revisionen), „Retrofit Kits“ (Erneuerung der Maschine) sowie Trainings und Schulungen an. Für das China-Geschäft sind es vorwiegend die Ersatzteile, welche die Konserven AG absetzen kann. Wartungen, Reparaturen und Schulungen zeigen nur eine sehr geringe Nachfrage vonseiten der chinesischen Kunden. Ersatzteile können bei der Konserven AG somit als Kerndienstleistung im Bereich After Sales Services gesehen werden, um Zusatzdienstleistungen wie Wartung, Unterhalt und technischen Support verkaufen zu können. Es werden schätzungsweise 70 % aller in China verkauften Maschinen von Kunden der Konserven AG selbst unterhalten. Häufig engagieren die Kunden für den Service lokale Firmen, welche die entsprechenden Leistungen zu viel günstigeren Konditionen anbieten als die Konserven AG. Als zusätzliches Angebot möchte die Firma Prozessoptimierungen bei Kunden ins After-Sales-Service-Angebot aufnehmen. Es zeigt sich oft, dass die Kunden die gekauften Maschinen nicht optimal in den Produktionsprozess einbinden oder bestimmte Einstellungen an den Maschinen falsch vornehmen. Bei den Zentrifugen bedeutet dies beispielsweise, dass Feststoffe nicht richtig von den Flüssigkeiten getrennt oder Kristalle immer kleiner werden. Prozessoptimierungen werden daher als Geschäftsmodell erachtet, da nur die Konserven AG das detaillierte Know-how über die eigenen Maschinen sowie deren optimalen Einsatz hat. Preisgestaltung Die Konserven AG wendet für die Preisgestaltung ihrer After Sales Services in China die gleichen Standards an wie für die übrigen Standorte. Bis vor Kurzem verrechnete die Konserven AG die After Sales Services direkt einem deutschen Handelspartner, der dann wiederum über einen Zwischenhändler zum Endkunden gelangte. Dieser Zwischenhändler verrechnete üblicherweise eine Marge von 10 bis 20 % auf den von der H ­ andelsfirma 3.2 After-Sales-Service-Geschäftsmodelle in China 39 offerierten Preis. Dafür übernahm er das Währungsrisiko, den Import, den lokalen Transport sowie die generelle Abwicklung der Geschäftstransaktion. Für die Konser­ ven AG hatte diese Konstellation den Vorteil, dass der Preis zu 100 % im Voraus bezahlt wurde. Nachteilig war allerdings, dass sie nicht wusste, was der Endkunde bezahlt. Die After Sales Services werden bei der Konserven AG als eigenständiges Geschäft geführt. Der Grund für eine Trennung von Maschinen-Neuverkauf und Serviceleistungen liegt einerseits an den besonderen Anforderungen bei After Sales Services in Bezug auf Schnelligkeit und Verfügbarkeit sowie andererseits in der Verhinderung einer zu grossen Rabattgewährleistung. Wenn Maschine und Ersatzteile gleichzeitig verkauft werden, erwarten die Kunden auf letzteren oft Rabatte von bis zu 30 %. Dies verunmöglicht es zu einem späteren Zeitpunkt, die regulären Preise auf den Ersatzteilen verrechnen zu können. Vermarktung Die Konserven AG versucht, After Sales Services in China proaktiv zu vermarkten, indem die Servicetechniker regelmässig bei den Kunden vorbeigehen und diese auf die Notwendigkeit von Wartung und Unterhalt aufmerksam machen. Gemäss chinesischer Eigenart spielen hier die persönlichen Beziehungen der Servicetechniker zu den Kunden eine wichtige Rolle. Je besser ein Servicetechniker die Kunden kennt, desto öfter erfolgen auch Besuche. Das Kundenbeziehungsmanagement erfolgt damit allerdings nicht systematisch, sondern auf der Basis des persönlichen Netzwerkes der Servicemitarbeitenden. Teilweise ergeben sich bei der Konserven AG auch Fälle, wo die Servicetechniker über ihre eigene Verantwortungsregion hinaus Kundenbeziehungen pflegen, was zu Überschneidungen und Ineffizienzen führt. Aufgrund der geringen Sensibilisierung chinesischer Kunden für After-Sales-Leistungen stösst die Firma bei der Vermarktung von z. B. Unterhalt und Wartung allerdings auf wenig Nachfrage. Sie hat deshalb sogenannte Maintenance-Meetings eingeführt, bei denen die Servicetechniker der Kunden eingeladen und in der Wartung und Unterhalt von Maschinen der Konserven AG geschult werden. Allerdings hat sich bei diesen Meetings gezeigt, dass häufig nicht die Servicetechniker selbst, sondern das Management der Kunden erscheint. Vertrieb Vor 2016 pflegte die Konserven AG eine Zusammenarbeit mit einer deutschen Handelsfirma, die seit über dreihundert Jahren in China tätig ist. Diese Firma ist in allen grossen chinesischen Städten mit einer Niederlassung vertreten und stellt ihren Kunden – wie auch der Konserven AG – ihre eigenen Servicetechniker zur Verfügung. Die Handelsfirma wiederum arbeitet mit weiteren Zwischenhändlern zusammen, die den Endkunden bedienen. Seit 2016 hat die Konserven AG eine neue Serviceorganisation in Kooperation mit einer deutschen Unternehmung (Start-up Factory), die sich auf Start-up-Firmen in China spezialisiert hat. Durch diesen Schritt möchte die Konserven AG näher am chinesischen Markt sein, um ihre Kunden beim Verkauf von Neumaschinen sowie bei den 40 3 After-Sales-Service-Geschäftsmodelle … n­ achgelagerten Serviceleistungen besser bedienen zu können. Wesentlich für das Unternehmen ist hierbei auch die Sicherung des eigenen Markennamens. Durch den Einbau von kopierten Ersatzteilen durch chinesische Kunden entsteht für die Konserven AG ein Qualitätssicherungsproblem. Sie hat sich entschieden, mit dieser Strategie in den nächsten zwei bis drei Jahren das eigene Servicegeschäft in China auszubauen und zu optimieren. Je nach Entwicklung und Verlauf des Geschäfts wird die Konserven AG die Organisation dann selbst übernehmen. Beim Übergang zur neuen Serviceorganisation erwiesen sich die hohen Lohnforderungen der potenziellen Mitarbeitenden als Herausforderung. Ausserdem ist ein zufriedenstellendes Englisch-Niveau bei vielen technischen Leuten in China nicht immer gegeben. Auch deren Loyalität ist schwierig einzuschätzen. 3.2.5.4 Einflussfaktoren auf After Sales Services im chinesischen Markt Erhöhte Wettbewerbsintensität im chinesischen Markt Die zunehmende Wettbewerbsintensität im chinesischen Markt zwingt lokale Unternehmen vermehrt, den Heimmarkt zu verlassen und zu internationalisieren. Um auf internationalen Märkten zu bestehen, müssen chinesische Firmen ihre Produkt- und Prozessqualität laufend ausbauen. Produktionsausfälle, wie sie derzeit noch hingenommen werden, werden in Zukunft von ausländischen Kunden nicht mehr toleriert. Dies erhöht den Druck auf chinesische Firmen, ihre Maschinen besser zu unterhalten (präventive Wartung), was den Absatz von After Sales Services fördern wird. Budgetierung Wenn eine Maschine nach Deutschland verkauft wird, können sechsmal mehr After Sales Services verkauft werden wie wenn die gleiche Maschine nach China verkauft wird. Grund dafür ist unter anderem, dass die deutschen Kunden einen jährlichen Unterhalt machen. Die chinesischen Kunden hingegen fahren ihre Maschinen bis zum Anschlag. After Sales Services sind üblichweise nicht budgetiert und die verantwortlichen Mitarbeitenden müssen diese ausserordentlich von ihren Vorgesetzten genehmigen lassen – eine für sie unliebsame Aufgabe. Geringe Zahlungsbereitschaft Die ältere Generation von Serviceleuten ist häufig noch der Ansicht, dass Serviceleistungen und Ersatzteile kostenlos sein müssen. Es kommt deshalb immer wieder vor, dass die Serviceleute – häufig auch auf Druck der Kunden – Reparatur- und Wartungsarbeiten gratis vornehmen. Wenn die Konserven AG den Service nicht kostenlos anbieten würde, wäre mit dem Verlust des Kunden zu rechnen. Fälschungen Früher waren in den Offerten die offiziellen technischen Bezeichnungen sowie der genaue Preis ersichtlich. Die Konserven AG hat bei seinen Offerten die Texte abgeändert, damit nicht mehr anhand dieser Daten die Ersatzteile lokal beschafft werden können. Oftmals weiss die Managementstufe gar nicht, dass gefälschte Teile eingebaut werden. Einkäufer holen sich laut der Konserven AG beispielsweise eine Offerte ein für 3.2 After-Sales-Service-Geschäftsmodelle in China 41 CHF 30′000, kaufen dann aber die Teile lokal für CHF 15′000 und stecken die restlichen CHF 15′000 in die eigene Tasche. Chinesisches Netzwerk China ist nach Aussagen der Konserven AG stark vernetzt und es wird noch immer sehr viel zentral gesteuert. Auch unter den Konkurrenten sind alle sehr gut über die Konserven AG informiert; sie wissen, wer wann welche Offerte zu welchen Konditionen erhalten hat. Ausserdem macht es auch sehr schnell die Runde, wenn eine Maschine nicht funktioniert. Die Firma muss äusserst aufmerksam sein, dass ihr Image nicht geschädigt wird. Konkurrenzierung des Personals Gemäss der Konserven AG ist die Konkurrenz zwischen den Angestellten in China sehr ausgeprägt. Eine weitere Herausforderung besteht in den Besuchsberichten, die durch die Servicetechniker ungenügend ausgefüllt werden. Im Sinne von „Wissen ist Macht“ erhält die Konserven AG fast keine Informationen bezüglich vorgenommener Leistungen und Kontaktpersonen. 3.2.5.5 Erfolgsfaktoren von After Sales Services im chinesischen Markt Zeitkritische Erbringung von After Sales Services Durch die grosse geografische Distanz zum chinesischen Markt ist eine zeitkritische Erbringung von After Sales Services für die Konserven AG nicht immer möglich, insbesondere wenn es sich um Secondund Third-Level-Supportleistungen handelt. Bestimmte Ersatzteile müssen oft erst produziert werden, was bis zu acht Wochen dauern kann und zudem mit hohen Kosten verbunden ist. Lokale Präsenz Ein wichtiger Faktor für den erfolgreichen Betrieb des After-Sales-Service-Geschäfts ist die Präsenz vor Ort. Die Konserven AG ist bereits seit über 30 Jahren in China präsent, was bei chinesischen Kunden Vertrauen schafft. Für chinesische Kunden sind Referenzprojekte einer ausländischen Unternehmung im Land selbst von grosser Bedeutung. Auch wenn die Konserven AG Dutzende von Referenzprojekten ausserhalb von China vorweisen kann, nützt dies als Verkaufsargument wenig. Die lokale Verankerung erweist sich damit als wesentlicher Anknüpfungspunkt zur chinesischen Kundschaft, sowohl für den Neuverkauf von Maschinen wie auch für das After-SalesService-Geschäft. Trennung Verkauf und Erbringung von After Sales Services Ein organisatorischer Aspekt besteht in der Trennung von Verkauf und Erbringung von Serviceleistungen. In den meisten Fällen erweisen sich Servicetechniker als schlechte Verkäufer und umgekehrt. Es stellt gemäss der Konserven AG einen Vorteil dar, wenn Verkauf und Erbringung von After Sales Services durch zwei verschiedene Personen ausgeführt werden. 42 3 After-Sales-Service-Geschäftsmodelle … Motivation des lokalen Personals Ebenfalls von Bedeutung ist die Incentivierung des Servicepersonals. Die Konserven AG zahlt derzeit seinem Servicepersonal vor Ort einen Grundlohn gekoppelt mit einem individuellen Bonus. Bei erfolgreicher Geschäftstätigkeit kann der Bonus bis zu vier Monatslöhne ausmachen. Ein individueller Bonus führt allerdings auch dazu, dass sich die Serviceleute ihre Kundenbasis gegenseitig streitig machen. Dies wirkt sich für die gesamte Unternehmung nachteilig aus. Verfügbarkeit von Ressourcen Das Anbieten von After Sales Services hängt im Wesentlichen auch von verfügbaren personellen Ressourcen ab. Derzeit beschäftigt die Konserven AG zwei Servicetechniker, deren Kapazität für das derzeitige Servicegeschäft in China ausreicht. Bei einer mittelfristig geplanten Umsatzsteigerung im S ­ ervicegeschäft von 40 % pro Maschine wird ein Ausbau der personellen Ressourcen notwendig sein. Hierbei muss die Konserven AG die angestrebte Servicementalität bei zu rekrutierenden Mitarbeitenden in den Vordergrund stellen. Bundling-Angebote für After Sales Services Wie andere Unternehmen stellt auch die Konserven AG eine hohe Preissensitivität chinesischer Kunden für Serviceleistungen fest. Während sich Ersatzteile noch am besten verkaufen lassen, nimmt die Zahlungsbereitschaft für Wartung, Reparatur sowie für Werkzeug- und Verschleissteile ab, da diese Leistungen leicht kopiert werden können. Das Geschäftsmodell für After Sales Services kann hierbei durch Bundling-Angebote erweitert werden, indem gewisse Serviceleistungen als Bestandteil des Grundangebotes offeriert werden (z. B. Gratis-Service bei einer bestimmten Bestellmenge von Ersatzteilen). 3.2.6Die Werkzeug AG 3.2.6.1 Unternehmensprofil Die Werkzeug AG entwickelt als weltweiter Marktführer kundenspezifische Werkzeugsysteme für die vorder- und rückseitige Bohrbearbeitung. Diese Entgratungstechnologie eignet sich für eine Vielzahl von Anwendungen und wird heute in unterschiedlichen Branchen wie der Automobil-, Flugzeug-, Raumfahrt- oder Maschinenindustrie eingesetzt. Die Werkzeuge kommen bei Kunden zum Einsatz, die hohe Stückzahlen produzieren, schwer zerspanbare Materialien einsetzen oder für Bohrungen schwierig zugängliche Werkstücke fertigen. Die Werkzeug AG beschäftigt rund 70 Mitarbeitende. Der asiatische Markt mit Südkorea, China und Japan trägt derzeit 15 % zum Umsatz bei. In China hat die Werkzeug AG eine Tochtergesellschaft mit drei Angestellten, die den Hauptvertreter, der die Produkte in China vertreibt, vor Ort mit technischem Know-how unterstützen. 3.2 After-Sales-Service-Geschäftsmodelle in China 43 3.2.6.2 Ziele und Bedeutung von After Sales Services im chinesischen Markt Trotz der Grösse und Dynamik des chinesischen Marktes hat das China-Geschäft derzeit für die Werkzeug AG noch eine geringe Bedeutung. China trägt derzeit fünf Prozent zum Gesamtumsatz bei. Ziel ist eine Erhöhung des Anteils auf 30 %. Der geringe Beitrag des chinesischen Marktes an den Gesamtumsatz ist durch die kleine Basis an Unternehmen zu erklären, die sich für das Geschäftsmodell der Werkzeug AG eignen. Dies hängt mit den geringeren Kosten chinesischer Unternehmen zusammen, wo sich das Entgraten vielfach noch manuell lohnt. Marktpotenzial Der Haupttreiber für eine Ausweitung der Geschäfte in Asien auf 30 % ist die Verlagerung der konsumierten Stückzahlen von Europa und den USA nach Asien. Wesentlich für das Funktionieren des Geschäftsmodells der Werkzeug AG sind Kunden, die hohe Stückzahlen produzieren, wie beispielsweise in der Automobilbranche. Eine wachsende Mittelschicht in China kann sich laufend mehr Konsumgüter – wie zum Beispiel Autos – leisten, was den Bedarf an produzierten Einheiten kontinuierlich erhöht und damit das Marktvolumen der Firma ausweitet. Diversifikationspotenzial Die Werkzeug AG strebt eine gleichmässige Verteilung des Umsatzes an. Das angestrebte Umsatzziel ist eine strategische Ausrichtung von je 30 % auf die USA, Europa und Asien. Kundenbindungspotenzial Seit zwei Jahren besteht eine enge Zusammenarbeit mit dem Hauptvertreter der Werkzeug AG. Ziel ist es, bestehende Kunden effizient zu pflegen und potenzielle Neukunden zu gewinnen. Die Aussendienstmitarbeitenden des Hauptvertreters werden durch die Werkzeug AG regelmässig geschult, um diese Zielsetzung zu erreichen. Die eigenen Angestellten vor Ort werden ebenfalls regelmässig in der Schweiz sowie in China selbst auf die Produkte und Prozessoptimierungen geschult, um jederzeit eine kompetente Beratung gewährleisten und die Kunden an das Unternehmen binden zu können. 3.2.6.3 Ausgestaltung des After-Sales-Service-Angebots im chinesischen Markt Serviceangebot Als Werkzeughersteller unterscheidet sich die Werkzeug AG von einem Produzenten langfristiger Investitionsgüter wie Maschinen oder Anlagen. Sie versteht sich als „Solution Provider“, der ein Gesamtpaket anbietet. Dieses umfasst neben den Kernprodukten „Bohrer“ und „Schneidegeräte“ erweiterte Pre- und After-Sales-Leistungen. Das Kernprodukt sind die Bohrer und Schneiden, die für eine spezifische Zielgruppe in einem klar definierten Nischenmarkt hergestellt werden. Der USP der Bohrer der Werkzeug AG liegt in ihrer Fähigkeit, nicht nur vorderseitig, sondern auch auf der Rückseite eines 44 3 After-Sales-Service-Geschäftsmodelle … Bohrloches zu entgraten. Dies gilt nicht nur für gerade, radiusförmige Bohrlöcher, sondern insbesondere auch für gewölbte Bohrteile und unebene Bohrungskanten. In diesem Bereich hat das Unternehmen weltweit keine Konkurrenz. Weiter ergibt sich der USP der Technologie der Werkzeug AG durch das über Jahrzehnte hinweg aufgebaute Know-how über spezifische Kundenanforderungen in deren Produktionsprozessen. Als Pre-Sales-Leistung ist die umfassende Produktionsprozess-Beratung beim Kunden zu verstehen. Durch die Einführung der Bohrer entsteht beim Kunden wie einem Autooder Flugzeughersteller ein Änderungsbedarf im Produktionsprozess. Zu einem Verkauf der Bohrer kommt es in der Regel dann, wenn sich beim Kunden durch den Einsatz der Technologie der Werkzeug AG eine klare Reduktion der Produktionskosten (z. B. Ein­ sparung von Maschinen) sowie eine deutliche Effizienzsteigerung (z. B. Zeitersparnis) in den Herstellverfahren ergibt. Haben die Kunden einmal auf die Produkte der Werkzeug AG umgestellt, bleiben sie dabei. Damit kann die Firma ihre Lock-in-Strategie umsetzen. Das eigentliche After-Sales-Geschäft umfasst die Beratung der Kunden bei der ­Inbetriebnahme der Technologie sowie die laufende Nachlieferung von Schneidegeräten. Sind die Bohrer nach der Installation im Einsatz, müssen die Kunden regelmässig die Schneidegeräte ersetzen. Das Nachliefern der Schneiden kann ebenfalls dem After-SalesGeschäft zugeordnet werden. Preisgestaltung Beim Verkauf der Werkzeuge wird ein Gesamtpaket angeboten: Die Kunden wissen, dass sie nicht nur die Bohrer und Schneiden erhalten, sondern auch eine umfassende Produktund Prozessberatung. Diese wird von der Werkzeug AG allerdings nicht verrechnet, sondern quersubventioniert durch die hohen Verkaufspreise für die Bohrer und Schneiden. Bei den After Sales Services muss das Pricing somit für die verschiedenen erbrachten Leistungen differenziert betrachtet werden. Während die durch den Anwendungstechniker vorgenommenen Services bei der Installation und der Prozessoptimierung nicht verrechnet werden (können), kann die Werkzeug AG für die Nachlieferung der Schneiden entsprechend hohe Preise verlangen. Mit dem damit erzielten Umsatz deckt das Unternehmen die Kosten für die Pre-Sales-Leistungen (Kosten-Nutzen-Analyse) sowie die After-Sales-Leistungen (Installation und Prozessoptimierung) ab. Auf den Schneidegeräten gewährt die Werkzeug AG Staffelpreise. Je grösser die bestellte Anzahl Schneiden, desto geringer der Preis pro Stück. Bei den eigentlichen Werkzeugen (Bohrer und Bohrstifte) ist die Staffelung dagegen gering. Als strategischer Grundsatz gilt, dass die Preisgestaltung der Produkte mit dem Kunden nicht diskutiert wird. Nur so kann es seine Position „auf der Spitze des Eisbergs“ erhalten. Es kommen deshalb für die Werkzeug AG auch nur diejenigen Kunden infrage, bei denen sich der hohe Preis für die Bohrer in einem klaren Mehrwert widerspiegelt. Vertrieb In China hat die Werkzeug AG eine Tochtergesellschaft in Wuxi in der Jiangsu-Provinz mit drei Angestellten, die sich an die schweizerische Kultur angepasst haben und somit 3.2 After-Sales-Service-Geschäftsmodelle in China 45 den kulturellen Spagat zwischen China und der Schweiz machen können. Die Hauptaufgabe der drei Mitarbeitenden in China ist es, die Vertreter vor Ort mit technischem Know-how zu unterstützen. Die aktuelle Vertriebsstruktur in China ist das Resultat mehrjähriger Erfahrungen im Auslandsgeschäft. In den asiatischen Märkten hat sich für die Werkzeug AG herausgestellt, dass eine Präsenz vor Ort mit eigenen Leuten unabdingbar ist, um die Komplexität der Technologie optimal an lokale Kunden verkaufen zu können. Derzeit erwirtschaftet das Unternehmen 50 % des Gesamtumsatzes in China über die eigene Tochtergesellschaft, während die anderen 50 % durch die Vertretung generiert werden. Die Werkzeug AG in China bedient hierbei die Schlüsselkunden (Maschinenhersteller), während die Vertretung bestehende chinesische Kunden pflegt und neue Kunden akquiriert. Der Verkauf durch die Vertriebsgesellschaft erfolgt dabei nach einem Kommissionsmodell, bei dem der Verkäufer für jedes verkaufte Produkt einen bestimmten Prozentsatz erhält. Die Werkzeug AG führt regelmässig Schulungen mit den ­Aussendienstmitarbeitenden des Vertreters durch, damit diese die komplexen Produkte und After Sales Services bei chinesischen Kunden optimal platzieren können. Vermarktung Für die Vermarktung seiner Technologie setzt die Werkzeug AG auf ein Key-AccountManagement. Die Vermarktung der After Sales Services muss bei der Werkzeug AG dabei als integrierter Bestandteil des angebotenen Gesamtpakets verstanden werden. Kunden werden systematisch nach deren Umsatzpotenzial ausgewählt. Das Unternehmen schult seine Verkäufer regelmässig hinsichtlich Kundenakquise. Das Ziel dieser Verkaufsschulung besteht darin, das Umsatzpotenzial bei Kunden schnell und effizient erkennen zu können. Neben der direkten Kundenbearbeitung ist die Werkzeug AG regelmässig auch auf Messen vertreten. Bezüglich Promotion speziell zu erwähnen ist auch die Website, die in allen Sprachen der wichtigsten Zielländer angeboten wird (deutsch, englisch, chinesisch, koreanisch und japanisch). Potenzielle Kunden können sich über die Website ein umfassendes Bild des Leistungsangebots der Werkzeug AG verschaffen. Die Website für den chinesischen Markt wird aufgrund der „Chinese Great Firewall“ direkt in China gehostet. Die Suchanfrage über Baidu wird durch das Team der Werkzeug AG in China laufend optimiert. Für die Vermarktung setzt das Unternehmen ausserdem stark auf Referenzprojekte und Erfolgsstorys. 3.2.6.4 Einflussfaktoren auf After Sales Services im chinesischen Markt Reifegrad des chinesischen Marktes für die Produkte der Werkzeug AG China befindet sich derzeit in einem Wandel von der Werkbank der Welt zum grössten Konsummarkt, den es je gegeben hat. Ebenso findet eine Verlagerung der Wertschöpfungsketten in hochwertige Produkte und Dienstleistungen statt. Der Reifegrad des chinesischen Marktes nimmt hiermit zu, und damit schliesst sich auch die Lücke zwischen dem hohen Qualitätsanspruch der Technologie der Werkzeug AG und dem derzeit noch geringen Nutzenpotenzial chinesischer Firmen. Es ist somit nur eine Frage der Zeit, dass chinesische Kunden auf diese Technologie setzen werden. 46 3 After-Sales-Service-Geschäftsmodelle … Expansion von Kunden nach China Wichtige Schlüsselkunden der Werkzeug AG haben eine Expansion nach China vorgenommen. Als Werkzeug-Zulieferant ist das Unternehmen diesen Kunden durch das Gründen der eigenen Tochtergesellschaft in Wuxi gefolgt und kann damit auch vor Ort eine direkte Kontaktpflege betreiben. Die Expansion der Kunden nach China stellt einen sogenannten Push-Faktor dar, der für die Geschäftstätigkeiten der Werkzeug AG in China wesentlich ist. Eigene Tochtergesellschaft vor Ort Das Verkaufs- und Vertriebspersonal ist mit den lokalen Verhältnissen gut vertraut und kann dadurch ein Netzwerk an chinesischen Kunden aufbauen und pflegen. Nach Aussagen der Werkzeug AG „muss man auf asiatischen Märkten zaubern können“, um die Kundenerwartungen zu erfüllen. Da die Produkte das oberste Preissegment abdecken, erwarten die chinesischen Kunden vielfach eine 24-Stunden-Verfügbarkeit. Zusammenarbeit mit einer Hauptvertretung Die Werkzeug AG arbeitet in China mit einer taiwanesischen Firma zusammen, die den ganzen chinesischen Markt als Vertretung abdecken kann. Damit kann das Unternehmen direkt Einfluss auf den Absatz seiner Leistungen nehmen. Während anfänglich noch 30 bis 40 Vertreter ihre Produkte in China vermarkteten, konzentriert sich die Werkzeug AG nun auf diesen einen Hauptvertreter (28 Büros und 110 Mitarbeitende in China). Eine effiziente Distribution muss insbesondere aufgrund der schieren Grösse Chinas als wichtiger Erfolgsfaktor für After Sales Services gesehen werden. China ist kein homogener Markt, sondern besteht aus vielen Teilmärkten. 3.2.6.5 Erfolgsfaktoren für After Sales Services im chinesischen Markt Klare Strategie Die Werkzeug AG verfolgt eine klare Geschäftsstrategie, die sich konsequent auf die definierte Nische „auf der Spitze des Eisbergs“ fokussiert. Ein wesentliches Kriterium für den Erfolg der Firma ist die klare Positionierung als „Solution Provider“, der die Entgratungsprobleme der Kunden umfassend zu lösen versteht. Wichtig auch das Commitment der Firma, auf Geschäfte zu verzichten, wenn diese nicht das erwartete Nutzenpotenzial einbringen. Einheitliche Unternehmenskultur Als Schweizer Firma, die 99 % ihres Umsatzes im Ausland erzielt, hat es die Werkzeug AG geschafft, eine über alle Märkte hinweg einheitliche Unternehmenskultur durchzusetzen. Die Unternehmenskultur zeigt sich im grossen Engagement der Geschäftsleitung und der Mitarbeitenden, die hohen Qualitätsansprüche sowie das Erfordernis zur ständigen Innovation tagtäglich zu leben und umzusetzen. Durch Schulungen sowie laufenden Kontakt zu den Mitarbeitenden in China werden die Unternehmenswerte auch vor Ort gelebt. Verlässliches Werteversprechen Das Werteversprechen („Value Proposition“) der Werkzeug AG ist für den Kunden klar ersichtlich und wird in der erwarteten Qualität 3.2 After-Sales-Service-Geschäftsmodelle in China 47 geliefert. Insbesondere in China erwarten die Kunden von einer Schweizer Unternehmung, die Hightech-Produkte verkauft, dass die dazugehörigen Services „24 Stunden am Tag“ verfügbar sind. Durch die lokale Präsenz kann die Werkzeug AG diese Leistungen erbringen. Ressourcengerechtes Involvement der Geschäftsleitung Ein wesentlicher Faktor für den Erfolg internationaler Geschäfte ist die zeitliche Verfügbarkeit der Geschäftsleitung. Dies gilt besonders für China, wo für die Beziehungspflege auf oberer Ebene entscheidend ist. Der Geschäftsführer der Werkzeug AG ist deshalb bei der Anbahnung wichtiger Geschäfte jeweils vor Ort in China. Ebenso stattet er der Tochtergesellschaft in Wuxi regelmässige Besuche ab, um deren Bedeutung mit seiner persönlichen Präsenz zu unterstreichen. Schulung und Führung der Mitarbeitenden vor Ort Die Produkte der Werkzeug AG sind komplex und erklärungsbedürftig. Die Einführung der Technologie erfordert bei den Kunden immer eine Umstellung oder Anpassung der Produktionsprozesse. Die dazu notwendige Beratung kann nur durch hoch qualifizierte, erfahrene Aussendienstmitarbeitende erbracht werden. Durch eine auf die chinesischen Verhältnisse angepasste Verkaufs- und Serviceschulung (in der Schweiz sowie in China) kann die Werkzeug AG ein hohes Qualifikationsniveau ihres China-Teams sicherstellen. Die Mitarbeitenden in China werden durch klare Zielvorgaben geführt. Durch Wochen- und Monatsberichte besteht auf beiden Seiten – Headquarter und Tochtergesellschaft – Klarheit über die zu erbringenden und erwarteten Leistungen. Hoher Grad an Flexibilität Als Hightech-Unternehmung, die zu 100 % in der Schweiz produziert und sich auf den obersten Bereich eines Nischenmarktes konzentriert, kann das Unternehmen nur überleben, wenn es flexibel und anpassungsfähig bleibt. Es zeichnet sich durch die Fähigkeit aus, kundenspezifische Problemlösungen schnell und innovativ zu entwickeln. 3.2.7Die Temperier AG 3.2.7.1 Unternehmensprofil Die Temperier AG entwickelt, montiert und vertreibt Temperiergeräte für die Kunststoffund Aluminiumdruckgussfertigung. Die Maschinen sind stark spezialisiert und werden in der Automobil, Flugzeug- und Nahrungsmittelindustrie eingesetzt. Ihr Anteil am Investitionsvolumen eines Fertigungsprozesses ist relativ gering, ihre Bedeutung aber dennoch gross, weil bei einem Ausfall der Temperaturregelung der gesamte Prozess stillsteht. Das Unternehmen beschäftigt rund 100 Mitarbeitende und ist seit 2006 in China tätig. Die Kundschaft besteht aus europäischen OEM, welche die Geräte des Unternehmens in ihre Maschinen einbauen und nach China exportieren, aus europäischen und amerikanischen 48 3 After-Sales-Service-Geschäftsmodelle … Endkunden, welche die Produkte für ihre Niederlassungen in China erwerben, sowie aus lokalen chinesischen Endkunden. Die Bearbeitung des chinesischen Marktes erfolgt über eine Niederlassung in Schanghai, die als Joint Venture mit einem japanischen Partner betrieben wird. China ist für das Unternehmen der drittgrösste Markt. Sein Umsatzanteil beträgt rund 15 % und wächst aufgrund der zunehmenden Qualitätsansprüche, die an die chinesischen Produzenten gestellt werden. 3.2.7.2 Ziele und Bedeutung von After Sales Services im chinesischen Markt Bei ihrem Servicegeschäft unterscheidet die Termperier AG im chinesischen Markt zwischen materiellen und immateriellen After Sales Services, die unterschiedliche Zielvorstellungen umfassen. Umsatzpotenzial Im Bereich der materiellen Services, den Ersatz- und Verschleissteilen, liegt die Zielsetzung bei der Termperier AG darin, Umsatz und Margen zu realisieren. Mit spezifischen Ersatzteilen erzielt die Firma 30 bis 40 % Ertrag. Kundenbindungspotenzial Immaterielle Dienstleistungen hingegen sind insbesondere in China sehr viel schwieriger zu verkaufen und zu verrechnen. Das zentrale Ziel immaterieller After Sales Services in China liegt demnach darin, eine reibungslose Produktion sicherzustellen, den Kunden so zufrieden zu stellen und dadurch Folgegeschäfte zu generieren und das Image zu stärken. Informationspotenzial Immaterielle After Sales Services leisten darüber hinaus einen wertvollen Beitrag zum Aufbau von Markt- und Kundenkenntnissen. Zwar bevorzugen es chinesische Kunden zuerst, Gesamtlösungen und -technologien über OEM einzukaufen. Danach versuchen sie aber schnell, diese Technologien zu kopieren, um lokal einkaufen zu können und so Kosten zu sparen. Über Servicefälle kommt die Termperier AG mit (End-) Kunden in Kontakt und erhält die Chance, diese als eigene Kunden zu gewinnen. Durch Services fliessen darüber hinaus wichtige Informationen zum Unternehmen zurück, welche die Neuproduktion und Entwicklung massgeblich unterstützen. Kopierschutzpotenzial Die Termperier AG setzt es sich zum Ziel, die Frequenz des technologischen Fortschritts und der Neuentwicklungen so hoch zu halten, dass es sich nicht lohnt, ihre Produkte zu kopieren. Überdies machen Produkte bezüglich Investitionskosten nur einen kleinen Teil der gesamten Produktionsanlage aus, weshalb sie für Kopierer nur wenig attraktiv sind. Zuverlässige After Sales Services als zentraler Bestandteil des Leistungsangebots, die den Kunden helfen, Störungen zu verhindern oder zeitnah zu beheben, erschweren der lokalen Konkurrenz, mit ihren Kopien Schritt zu halten. 3.2 After-Sales-Service-Geschäftsmodelle in China 49 3.2.7.3 Ausgestaltung des After-Sales-Service-Angebots im chinesischen Markt Serviceangebot Bei Produkten der Termperier AG werden bei richtiger Handhabung (Entkalkung und Reinigung) grundsätzlich keine Verschleissteile benötigt. Da die chinesischen Produktionsbedingungen stark von europäischen abweichen, können dennoch Teile verschleissen. Die Kunden sind aufgrund der mangelnden Verfügbarkeit von Ersatzteilen auf dem lokalen Markt oder aufgrund der kundenspezifischen Beschaffung dieser Teile oft gezwungen, diese bei der Termperier AG zu beziehen. Der Vorteil von den Produkten der Termperier AG liegt auch in ihrer Einfachheit. Viele Kunden kaufen Temperiergeräte auf Reserve, um im Störungsfall das Gerät auswechseln zu können und so Zeit zu schaffen, das defekte Gerät zu reparieren und/oder entsprechende Ersatzteile zu bestellen. Bei der Installation der Gesamtanlage bei Endkunden sind der Lieferant der Kunststoff- oder Aluminiumdruckgussmaschine, der Lieferant der Form sowie die Termperier AG beteiligt. Die Termperier AG ist dabei für die Anbringung des Temperiergeräts an die Produktionsanlage zuständig. Die Kundenschulungen werden im Anschluss an die Installation durchgeführt und nehmen einen Arbeitstag in Anspruch. Liefert ein europäischer Spritzgussmaschinenhersteller zusammen mit seinen Produkten Temperiergeräte nach China, schickt er eigene Servicetechniker hin, welche die Installation und Inbetriebnahme vornehmen. Verfügt der OEM nicht über das nötige Know-how oder ist er zu ausgelastet, das Temperiergerät zu installieren, nimmt die Termperier AG anstelle des OEM die Inbetriebnahme vor. Im Fall von Fragen bezüglich Handhabung der Maschinen (z. B. Einstellung der Parameter) oder im Fall von Fehlfunktionen bietet das Unternehmen seinen Kunden Unterstützung vor Ort oder per Telefon an. Grundsätzlich sind die Produkte bei guter Führung, richtiger Handhabung und den vorgeschriebenen Produktionsbedingungen wenig serviceintensive Selbstläufer. Reparaturfälle kommen lediglich in 20 % der Maschinen einmal alle fünf Jahre vor. Im Schadensfall reist ein chinesischer Servicetechniker der Niederlassung in Schanghai zum Kunden hin und behebt das Problem. Kostenpflichtige präventive Dienstleistungen, die eine Langlebigkeit der Produkte garantieren sollen, finden im Gegensatz zu reaktiven „trouble shooting services“ in China keinen Markt. Dennoch besucht die Termperier AG gelegentlich Kundenunternehmen, um die Handhabung der Maschinen zu überprüfen, die Auftrittswahrscheinlichkeit eines Reparaturbedarfs zu reduzieren und den Weg für Folgegeschäfte zu ebnen. Das Unternehmen entwickelt derzeit in der Kundenmaschine integrierte Fernwartungsmodule, die per Internet mit der Niederlassung in Schanghai verbunden werden. Über diese Module könnte es aus der Ferne den Zustand und ein allfälliges Fehlverhalten des Geräts oder eine Fehlhandhabung seitens der Kunden zu erfassen und entsprechende Massnahmen zu treffen. So könnten Serviceeinsätze und -kosten erheblich reduziert werden. 50 3 After-Sales-Service-Geschäftsmodelle … Preisgestaltung Nachgelagerte Dienstleistungen wie Installation der Maschine, Instruktion betreffend Bedienung und Handhabung sowie Support werden bei europäischen und amerikanischen Endkunden separat verrechnet. Chinesische Kunden hingegen sehen After Sales Services als Bestandteil des Produkts und des Kaufpreises an. Durch die Integration dieser Dienstleistungen in den Produktpreis gelingt es der Termperier AG, diese kostendeckend anzubieten. Werden die Produkte über einen OEM verkauft und nimmt die Firma die Inbetriebnahme beim Endkunden selbst vor, kommt der OEM für diese ­Dienstleistung auf. Obschon in China eine grosse Herausforderung, versucht die Termperier AG, Reparaturen den Endkunden zu verrechnen. Da im Fall von Reparaturen meist Ersatzteile nötig sind, bietet es sich an, die Kosten für die Dienstleistung (Arbeitsstunden) in den Ersatzteilpreis einzurechnen. Aufgrund der tiefen Lohn- und Reisekosten erhöht sich der Preis für das Material nur marginal. In Form einer dreiprozentigen Kommission am Verkaufspreis leistet die Termperier AG einen Beitrag an Garantieleistungen, die die Niederlassung für Maschinen erbringt, die sie nicht selbst verkauft hat. Obwohl der OEM dafür zuständig wäre oder die Niederlassung für diese Leistung entschädigen müsste, führt die Niederlassung diese selbst und kostenlos durch, um Folgegeschäfte nicht zu gefährden. Vermarktung After Sales Services werden nicht aktiv vermarktet, sondern während Verkaufsgesprächen auf Nachfrage der Kunden aufgezeigt. Aufgrund ihres geringen Umsatz- und Gewinnanteils würden sich Marketinginvestitionen nicht lohnen. Sie nehmen in der Vermarktung nur dann eine wichtige Rolle ein, wenn die Entscheidungsträger ausserhalb von China angesiedelt sind. Dabei genügt es für die Termperier AG aufzuzeigen, dass sie über eine Niederlassung in Schanghai verfügt. Die reine Präsenz reicht aus; Servicequalität, Verfügbarkeit oder Reaktionsgeschwindigkeit sind zum Zeitpunkt des Verkaufs kaum ein Thema. Chinesische Entscheidungsträger hingegen sehen After Sales Services als Selbstverständlichkeit an; Services lassen sich deshalb nicht als Verkaufsargument einsetzen. Vertrieb Die Termperier AG verfügt einerseits über eine Minderheitsbeteiligung an einer Verkaufs- und Serviceorganisation in Schanghai – ein Joint Venture mit einer japanischen Firma – und andererseits über eine kleine Produktionsstätte in Jiaxing, wo Maschinenrevisionen vorgenommen werden. Alle After Sales Services für China werden von diesem Hub in Schanghai aus erbracht. Die Produktpreise der Termperier AG sind im Vergleich zum Investitionsvolumen der gesamten Produktionsanlage sehr niedrig. Da es sich somit nicht lohnt, den Service von der Schweiz aus zu erbringen, ist das Unternehmen auf eine dezentrale Servicestruktur angewiesen. Da die Produkte in ihrer Mechanik nicht hochkomplex sind, können viele Fragen auch per Telefon geklärt werden. Aus Kostengründen 3.2 After-Sales-Service-Geschäftsmodelle in China 51 und je nach geografischer Lage des Kundenunternehmens arbeitet die Niederlassung für die Erbringung der Services mit externen Firmen zusammen. 3.2.7.4 Einflussfaktoren auf After Sales Services im chinesischen Markt Nutzungsdauer von Produkten Die Produkte der Termperier AG müssen für europäische Kunden eine Lebensdauer von bis zu 15 Jahren erreichen, für chinesische Kunden nur gerade vier bis fünf. In dieser kurzen Zeit lohnt es sich für chinesische Kunden kaum, in Services zu investieren. Aufgrund der verkürzen Lebensdauer sehen die chinesischen Kunden auch einen geringen Nutzen in der Beschaffung von Ersatzteilen. Kosten der Ersatzteile Die Ersatzteile sind mitsamt allen Importtaxen in einigen Fällen so teuer, dass es sich im Vergleich zum Neupreis kaum lohnt, die Maschine zu reparieren. Aus diesem Grund schätzt die Termperier AG auch die Erfolgschancen für Fernwartung in China als gering ein. Investitionen in präventive Wartung sind kaum attraktiv, wenn die Produktionen nur auf vier bis fünf Jahre ausgelegt sind. Aus Datenschutzgründen sowie Sicherheits- und Haftungsfragen ist es zudem fraglich, dass diese Innovation von der chinesischen Regierung bewilligt wird. Organisation der Produktionsprozesse bei Kunden Je schlanker die Kunden organisiert sind, desto grösser ist das Bedürfnis nach und das Potenzial für After Sales Services. Für europäische Kunden ist die rückwärtige Auslagerung dieser Aufgaben an die Lieferanten kostengünstiger als eigene Servicetechniker zu unterhalten. Chinesische Firmen verfügen aufgrund der noch immer sehr tiefen Lohnkosten dagegen meist über eigenes Unterhaltspersonal. Stellenwert von Services bei chinesischen Kunden Aufgrund geringer Technologieund Prozesskenntnisse sind chinesische Kunden stark auf die Unterstützung seitens der Hersteller angewiesen. Sie bevorzugen es, anstelle einzelner Produkte Gesamtlösungen zu beziehen. Darin enthalten müssen erwartungsgemäss alle Dienstleistungen sein, die nötig sind, um das Funktionieren dieser Lösung sicherzustellen. After Sales Services gelten als Selbstverständlichkeit und sind bei Kaufgesprächen deshalb auch kaum relevant. Da gemäss diesem Verständnis Services im Produktpreis inbegriffen sind und vom Hersteller getragen werden müssen, ist der Produktpreis in China rund 20 % höher als in Europa. Die „all-Inclusive“-Erwartung für Services macht die Produkte der Termperier AG im chinesischen Markt so teuer, dass Kunden nicht gewillt sind, (nachträglich) für Services zu bezahlen. Zudem haben aufgrund der geringen Kosten Arbeitszeit und Arbeitsleistung in China einen viel kleineren Stellenwert. Chinesische Kunden sind viel eher gewillt, für Dienstleistungen in Form von Material (Ersatz- und Verschleissteile) als in Form von Arbeitsstunden (Installation, Inbetriebnahme, Schulung etc.) zu bezahlen. Da das Dienstleistungsgeschäft arbeitsintensiv ist, stellt dies eine grosse Herausforderung dar. 52 3 After-Sales-Service-Geschäftsmodelle … Kundenstruktur Die globale Preisentwicklung und Preistransparenz stellen für die Termperier AG eine grosse Herausforderung dar, denn viele ihrer Kunden sind global tätig und verlangen für all ihre Produktionsstätten in der Welt die gleichen Verkaufspreise. Die Termperier AG sieht sich so in einigen Fällen gezwungen, europäische Preise anzubieten und für Services in China selbst aufzukommen. Sie zieht es deshalb wenn immer möglich vor, ihre Maschinen lokal zu verkaufen. Während Preisverhandlungen muss dies entsprechend kommuniziert werden. 3.2.7.5 Erfolgsfaktoren für After Sales Services im chinesischen Markt Kundenzufriedenheit After Sales Services sind für die Termperier AG dann erfolgreich, wenn durch sie die Zufriedenheit und das Vertrauen der Kunden gesteigert werden kann und dadurch Folgegeschäfte ermöglicht werden (siehe Abb. 3.2). Der Erfolg hängt davon ab, inwieweit der Hersteller zu einer reibungslosen Produktion und einer hohen Verfügbarkeit der Maschinen beitragen kann. Je weniger Produktionsausfälle aufgrund des Temperiergeräts entstehen, je störungsfreier die Kunden produzieren können, desto höher ihre Zufriedenheit. Verfügbarkeit und Reaktionszeit von Services Dies zu erreichen bedingt einerseits gute und wenig störungsanfällige Maschinen mit einer hohen Verfügbarkeit sowie Reaktionszeiten, die dem Störungsfall entsprechend eingehalten werden können. Um die geforderte Reaktionszeit einhalten zu können, muss das Unternehmen genügend und gut ausgebildete Servicetechniker vor Ort sowie eine hohe Ersatzteilverfügbarkeit aufweisen. Diese Ersatzteilverfügbarkeit beruht in Anbetracht der grossen Produktediversität und der grossen Anzahl Ersatzteile auf jahrelanger Erfahrung, sodass im richtigen Moment am richtigen Ort die richtigen Ersatzteile vorhanden sind. Die regulatorischen Rahmenbedingungen stellen dabei eine Herausforderung dar. Der Produktimport und der Unterhalt eines Ersatzteillagers vor Ort werden aufgrund der Zollregelungen stark verlangsamt und verkompliziert. ERFOLGSFAKTOREN Kundenzufriedenheit und -vertrauen Folgegeschäfte bedingt Reibungslose Produktion, hohe Verfügbarkeit der Produktionsanlage ERFOLGSBEDINGUNGEN Qualitative und wenig störungsanfällige Maschinen Schnelle Reaktionszeit Genügend und gut ausgebildete Servicetechniker vor Ort (Servicenetz) Hohe Ersatzteilverfügbarkeit Abb. 3.2 Erfolgsfaktoren und -bedingungen von After Sales Services für die Temperier AG 3.2 After-Sales-Service-Geschäftsmodelle in China 53 Qualität der Servicetechniker Die Sicherstellung der Qualität der Mitarbeitenden sowie die Mitarbeiterbindung sind weitere Herausforderungen im China-Geschäft. Würde die Termperier AG die Servicetechniker in der Schweiz ausbilden und ihnen zusätzliche Weiterbildungen anbieten, bestünde die Gefahr, dass die Mitarbeitenden danach aufgrund ihres dadurch erhöhten Ausbildungsstands und Status zu einer anderen Firma wechseln. Dennoch müssen die Servicetechniker gut genug ausgebildet sein, um einen qualitativen Service liefern zu können. Gut ausgebildete Servicetechniker zu finden sowie sicherzustellen, dass das Wissen unter den Servicetechnikern geteilt wird, stellt eine weitere Herausforderung dar. So stellt sich die Frage, wie die Termperier AG seine Mitarbeitenden gut genug ausbilden kann, dass sie den Kunden zuverlässigen Service liefern und durch diese Ausbildungsmöglichkeiten motiviert sind, aber dennoch beim Unternehmen bleiben. 3.2.8Die Zentrifugen AG 3.2.8.1 Unternehmensprofil Die Zentrifugen AG entwickelt, montiert und vertreibt Zentrifugenanlagen, die zur Reinigung und Aufbereitung verschmutzter Industrieflüssigkeiten eingesetzt werden, die als Nebenprodukt in metallverarbeitenden Produktionsprozessen entstehen. Das Unternehmen beschäftigt derzeit 58 Mitarbeitende. Zu den Kunden zählen mehrheitlich OEM, die ihre Anlagen zusammen mit den Produkten der Zentrifugen AG als Gesamtlösung ihren Endkunden verkaufen. In China gründete das Unternehmen 2010 eine eigene Niederlassung mit sechs Mitarbeitenden, die sich um den Verkauf der Produkte und um die After Sales Services kümmern. Während 2013 aufgrund eines Grossprojekts der Umsatzanteil des chinesischen Markts bei 20 % lag, trägt China heute vier bis fünf Prozent zum Gesamtumsatz bei. 3.2.8.2 Ziele und Bedeutung von After Sales Services im chinesischen Markt After Sales Services machen weltweit aktuell ungefähr einen Fünftel des Gesamtumsatzes aus. Die Zentrifugen AG schätzt das Potenzial auf bis zu einem Drittel des Gesamtumsatzes ein. Das Potenzial für After Sales Services steigt mit jeder verkauften Maschine, die im Fall der Zentrifugen AG bis zu 30 Jahre in Betrieb sind. Gerade in China, wo die Fabriken oft viel grösser sind als in Europa, ist das Potenzial für After Sales Services sehr gross. Ertrags- und Kundenbindungspotenzial Für die Zentrifugen AG liegt ein Ziel von After Sales Services darin, die Investition der Kunden in ihrer Funktionalität zu erhalten und allfällige Störungen und Defekte zu beheben. Noch wichtiger ist aber, durch After Sales Services den Namen der Firma durch Qualität und Qualitätssicherung zu stärken, sodass die Kunden in einer nächsten Entscheidungsphase erneut die Zentrifugen AG 54 3 After-Sales-Service-Geschäftsmodelle … berücksichtigen und so Folgegeschäfte abgeschlossen und Erträge langfristig gesichert werden können. Servicetechniker sind die besten Verkäufer. Bei üblichen Verkaufsgesprächen zeigen die Kunden nur dasjenige Problem auf, das sie gelöst haben wollen. Die Servicetechniker aber kommen direkt mit den richtigen Leuten in Kontakt, können tiefer ins Kundenunternehmen schauen und sehen Probleme, die durch Maschinen der Zentrifugen AG gelöst werden können, ohne dass dies den Kunden so bewusst war. Entscheidend ist, dass Servicetechniker die Sprache der Kunden sprechen. Mit den Kunden sprechen können, sie verstehen, austauschen und aufklären hat einen entscheidenden Einfluss auf die Zufriedenheit der Kunden und somit auf ihre Bereitschaft, weitere Maschinen zu beziehen. Informationspotenzial Serviceleistungen tragen auch dazu bei, näher an den Kunden zu sein, sie besser zu verstehen und die Maschinen weiterzuentwickeln. Servicetechniker arbeiten an der Front und sind am nächsten mit den Kunden in Kontakt. Sie wissen genau, welche Teile am häufigsten defekt sind und wo üblicherweise die Probleme der Kunden liegen. Diese Informationen und Erfahrungen sind zentral für die Weiterentwicklung der Produkte und müssten noch viel stärker eingebunden werden. Die Servicetechniker erhalten lediglich technische Schulungen und werden bis anhin diesbezüglich noch nicht geschult und sensibilisiert. 3.2.8.3 Ausgestaltung des After-Sales-Service-Angebots im chinesischen Markt Serviceangebot Das After-Sales-Service-Angebot der Zentrifugen AG besteht klassisch aus Installation und Inbetriebnahme, Schulung und Support sowie Reparatur und Wartung. Die einfacheren Maschinen funktionieren nach einem Plug-and-play-Prinzip: Vor Ort müssen sie lediglich an die Versorgung der Maschine, an Stromleitungen und eventuell an die Pressluftversorgung angeschlossen werden. Somit können OEM und Endkunden die Installation gut selbst vornehmen, es sei denn, es müssen zusätzliche Komponenten wie Kühlgeräte angeschlossen werden. Die meisten Kunden der Zentrifugen AG sind OEM, die die Installation der Gesamtlösung – also sowohl ihrer eigenen Maschinen wie auch der Maschinen der Zentrifugen AG – beim Endkunden vornehmen. Die kleineren Anlagen sind einfach zu bedienen und zu warten, eine eigentliche Kundenschulung ist deshalb nicht erforderlich. Bei der Inbetriebnahme werden die Kunden kurz bezüglich der wichtigsten Schritte informiert. Zusätzlich erhalten sie ein Handbuch, das die wichtigsten Informationen enthält. Telefonunterstützung im Fall von Fragestellungen seitens der Kunden ist eine weitere wichtige Komponente des Serviceangebots. Die Anlagen der Zentrifugen AG beinhalten Ersatz- und Verschleissteile, die regelmässig ersetzt werden müssen. Das Unternehmen bietet auf Anfrage auch Ersatzteilkits an. OEM sind z. T. interessiert daran, ihre Endkunden für alle Eventualitäten auszurüsten. Diese Ersatzteilkits erlauben es den Kunden, schnellstmöglich auf Defekte zu reagieren. 3.2 After-Sales-Service-Geschäftsmodelle in China 55 Je nach Sicherheitsbedürfnis und je nach der Grösse der Schäden im Fall eines Stillstands der Anlagen sind Endkunden bereit, vorsorglich solche Ersatzteilkits zu beziehen. Die Pflicht zur regelmässigen Überprüfung und Revidierung von Zentrifugen würde ein sehr grosses Servicepotenzial bieten, doch nur die wenigsten Kunden führen diese Vorschriften so aus. Auch grosse Endkunden revidieren ihre Zentrifugen nur alle drei Jahre. Wartungsverträge anzubieten wäre für die Zentrifugen AG zwar sehr lukrativ, das Unternehmen verfügt jedoch derzeit über zu wenige Servicetechniker, um ein solches Angebot gezielt zu fördern. Bei einigen grossen Endkunden übernimmt die Zentrifugen AG die Rolle eines Generalunternehmers und entwirft, fokussiert auf die Reinigung von Industrieflüssigkeiten, neue Gesamtkonzepte, wobei die eigentliche Ingenieur-Leistung den Hauptteil darstellt und die eigenen Maschinen nur noch einen kleinen Teil ausmachen. Bezüglich Timing und Umfang lässt sich ein Unterschied zwischen den Kundensegmenten OEM und Endkunden feststellen. OEM verkaufen ihre Schleifmaschinen zusammen mit den Reinigungsanlagen der Zentrifugen AG an die Endkunden und nehmen selbst die Gesamtinstallation wie auch die ertragsträchtigen Reparatur- und Wartungsleistungen vor. So kommt das Unternehmen erst bei Ablauf der Garantiezeit, wenn der OEM die Wartung nicht (mehr) selbst vornehmen möchte oder bei einem komplexen Maschinendefekt, mit dem Endkunden in Kontakt. Liefert die Zentrifugen AG Maschinen direkt an Endkunden, sind sie auch im Bereich Service von Anfang an involviert. Preisgestaltung Der derzeitige Umsatz von After Sales Services wird seinem Potenzial aufgrund einer Ressourcenknappheit (Servicekapazität) nicht gerecht. After Sales Services sind aber grundsätzlich gewinnbringend. Die Zentrifugen AG führt eine Preisliste, die über Preise für Ersatzteile sowie Service-, Reise- und Übernachtungskosten informiert. Die Kunden erhalten bei einer Serviceanfrage eine genaue Aufführung der anfallenden Kosten. Die Preise sind so klar kommuniziert. Bei Endkunden werden Inbetriebnahmen aufgrund der geringen Zahlungsbereitschaft in den Produktpreis integriert. Das Unternehmen sieht oft Verbesserungspotenzial bei Kundenprozessen. Beratungsleistungen, ganz gleich wie umfangreich, werden nicht verrechnet, sondern dienen der Verkaufs- und Kundenbindungsförderung. Beim Verkauf über OEM und im Fall von Defekten muss die Zentrifugen AG oft über Zuständigkeiten diskutieren. Grundsätzlich wäre während der Garantiezeit der OEM als Verkäufer des Gesamtpakets zuständig. Viele Endkunden kontaktieren aber die Zentrifugen AG direkt, und diese sieht sich aus Gründen der Kundenbindung oft gezwungen die Reparatur umsonst vorzunehmen. Vermarktung Die Verkaufs- und Servicestelle in Schanghai ist für die Zentrifugen AG ein wichtiges Verkaufsargument: Servicetechniker vor Ort zu haben, welche die gleiche Sprache wie die Kunden sprechen, schätzen insbesondere die OEM sehr. Die Kunden erfahren von 56 3 After-Sales-Service-Geschäftsmodelle … der Servicestelle in Schanghai während des Verkaufsgesprächs. Auf den Prospekten, Firmenbroschüren, Visitenkarten und an den Messen sind jeweils alle drei Firmenadressen prominent aufgeführt. Ansonsten werden die Servicestelle und After Sales Services insgesamt nicht aktiv beworben. Wartungsverträge werden derzeit nur auf Nachfrage angeboten, weil die Zentrifugen AG nicht über die nötigen (Service-)Kapazitäten verfügt. Vertrieb 2010 gründete die Zentrifugen AG eine Verkaufs- und Servicestelle mit sechs Angestellten in Schanghai, die sich um den Verkauf und Service der Anlagen in China kümmert. Die Zentrifugen AG baut derzeit zusätzlich eine Produktion in China auf. Zudem wird in China immer mehr eingekauft, beispielsweise Versorgerpumpen, Kühlgeräte, Schaltschränke, Tanks sowie einige Ersatzteile. So könnten aufwendige und teure Zollformalitäten vermieden werden. Grundsätzlich werden alle Serviceleistungen für China von den chinesischen Servicetechnikern von Schanghai aus erbracht. Bei der Inbetriebnahme grosser und komplexer Anlagen reisen zusätzlich Schweizer Servicetechniker nach China, um sie zu unterstützen. Das Servicecenter in Schanghai umfasst 1000 m2, die von der Zentrifugen AG bis anhin nicht vollständig ausgenutzt werden. Im Moment erwirtschaftet die Niederlassung noch nicht den erhofften Umsatz. Die Zentrifugen AG würde eine Kooperation sehr begrüssen; Raum, Infrastruktur und Buchhaltung könnten sehr gut geteilt werden. Bei ähnlichen Technologien und Kompetenzen könnte es sich auch anbieten, Servicetechniker dual auszubilden und einzusetzen. 3.2.8.4 Einflussfaktoren auf After Sales Services im chinesischen Markt Budgetierung von Serviceleistungen bei Kunden Ein Bedürfnis für Wartungsverträge wäre gemäss der Zentrifugen AG trotz des grundsätzlich reaktiven Serviceverhaltens der chinesischen Kunden vorhanden. Grossfirmen mit ihren gewaltigen Produktionszielen müssten stark interessiert sein daran, ihre Investitionen zu schützen und ihre Maschinen instand zu halten, um die Produktion und Planbarkeit sicherzustellen. Bei grösseren Kunden sind regelmässige Wartungen auch budgetiert. Kleinere Kunden hingegen fragen diese Dienstleistung aus Kostengründen eher nicht nach. Solange die Maschine zuverlässig läuft, ist kein Bedürfnis für (proaktiven) Service vorhanden. Kundenstruktur Viele grosse und/oder staatliche Firmen haben eigene Serviceabtei­ lungen, die alle einfacheren Wartungen und Reparaturen selbst vornehmen. Bei grösseren und komplexeren Problemen müssen sie aber dennoch auf die Zentrifugen AG zurückgreifen. OEM sind einerseits daran interessiert, Maschinen mit einer hohen Weiterverkaufsmarge zu vertreiben, und andererseits daran, den Service zumindest am Anfang selbst vornehmen zu können. Bei jedem Ersatzteil, das der OEM bei der Zentrifugen AG bestellt, können bis zu 200 % Marge gerechnet werden, was eine wichtige zusätzliche Einnahmequelle darstellt. 3.2 After-Sales-Service-Geschäftsmodelle in China 57 Servicekapazität des Herstellers Das derzeitige Angebot wurde von der Zentrifugen AG nicht als gezieltes Service-Sortiment konzipiert. Es entstand problemgetrieben und reaktiv auf Anfrage von Kunden. Das Unternehmen ist aufgrund seiner Servicekapazität und des Ausbildungsstands der Servicetechniker noch nicht in der Lage, in China einen umfassenden Service zu bieten. Dies ist ein Teufelskreis: Aufgrund von Kapazitätsengpässen (zu wenig Servicetechniker) bietet die Zentrifugen AG Wartungsverträge nicht an, und weil sie diese nicht anbietet, wird eine kritische Menge nicht erreicht, somit wäre ein zusätzlicher Servicetechniker nicht ausgelastet und es würde sich so nicht lohnen, die Servicekapazitäten zu erhöhen. Die Weiterentwicklung des Servicegeschäfts würde den Aufbau eines eigenen Geschäftsfelds bedeuten, das entsprechend konzipiert, organisiert und vermarktet werden müsste. Um Service professionell zu betreiben, müsste intern eine eigene Organisation aufgebaut werden. Dies stellt gerade für KMU wie der Zentrifugen AG aus Kosten- und Kapazitätsgründen eine grosse Herausforderung dar. Qualitätssicherung von After Sales Services Eine andere Firma für den Service zu beauftragen und sich ganz auf die Entwicklung und Herstellung der Maschinen zu konzentrieren, kommt für die Zentrifugen AG nicht infrage. Erstens bergen After Sales Services ein grosses Umsatzpotenzial. Zweitens wäre es schwierig, eine Firma zu finden, die als Konglomerat sehr homogener Maschinenhersteller den Service gut ausführen könnte. Zahlungsbereitschaft der Kunden: Bezüglich Zahlungsbereitschaft der Kunden für After Sales Services zeigen sich deutliche Unterschiede zwischen europäischen und chinesischen Kunden. Europäischen Kunden ist bewusst, dass gute Services ihren Preis haben, und sie sind bereit, den entsprechenden Preis zu bezahlen. Chinesische Kunden sind weniger zahlungsbereit. Sie erwarten, dass qualitativ hochwertige europäische Maschinen ohne Zwischenfälle funktionieren. 3.2.8.5 Erfolgsfaktoren von After Sales Services im chinesischen Markt Qualität der Zusammenarbeit mit OEM Die Zentrifugen AG ist in Bezug auf Service sehr abhängig von den OEM. Die Verantwortung für die Funktionalität des Produkts trägt der OEM; die Zentrifugen AG ist lediglich bis zum Auslieferort (OEM) sowie für die Garantie zuständig. Die Realität sieht aber oft anders aus und die Zentrifugen AG muss bei Problemen auch in China selbst tätig werden. Bei Produktproblemen entsteht der Image-Schaden beim Endkunden, der in diesem Fall ja nicht der direkte Kunde des Unternehmens ist. Dennoch sind die Erfahrungen und die Meinung des Endkunden sehr relevant, denn er trägt diese zurück an den OEM. Als Ansprechpartner und in einigen Fällen letzter Strohhalm trägt die Zentrifugen AG eine grosse Verantwortung, die oftmals über ihren eigentlichen Zuständigkeitsbereich hinausgeht. Die Verrechnung stellt in diesen Fällen eine grosse Herausforderung dar. OEM stehen dem Aufbau eines Servicegeschäfts im Weg, weil sie aus Umsatzgründen After Sales Services soweit möglich selbst vornehmen und die Zentrifugen AG indirekt zur Erbringung von kostenlosen Services zwingen. 58 3 After-Sales-Service-Geschäftsmodelle … Direkter Kundenkontakt Durch den Verkauf der Produkte über OEM gestaltet es sich für die Zentrifugen AG zudem schwierig, den Kontakt zu Kunden herzustellen, um Folgegeschäfte im Bereich Services zu sichern. Noch viel schwieriger ist es, im Kundenunternehmen, wenn es denn bekannt ist, an die richtigen Leute zu gelangen. Kontakte entstehen fast ausschliesslich durch Beziehungen und informelle Kontakte; Kundenbeziehungen basieren auf Vertrauen und erfordern sehr viel Arbeit. Aus diesem Grund arbeitet die Zentrifugen AG vermehrt mit Agenten, die stellvertretend ihr Beziehungsnetz zu aktivieren und Kontakte herzustellen versuchen. Qualität der Servicetechniker Die Ausbildung der chinesischen Servicetechniker stellt eine weitere grosse Herausforderung dar. Um den gleichen Ausbildungsstand wie ihre Schweizer Kollegen zu erreichen, müssten sie jedes Jahr für ein paar Wochen in die Schweiz reisen können, um auch bezüglich neusten Entwicklungen auf dem aktuellen Stand zu sein. Derzeit werden sie erst für die neuen und grossen Anlagen ausgebildet, wenn Schweizer Servicetechniker anreisen, um bei einem Kunden die Installation vorzunehmen. Die bestqualifizierten Mitarbeitenden, welche die Maschinen in- und auswendig kennen, sind die, welche die Maschinen entwickeln und montieren. Die grosse Herausforderung ist es, dieses Wissen und Verständnis für die Maschinen nach China zu transferieren. Systematischer Aufbau des Servicegeschäfts in China Eine weitere grosse Herausforderung ist der oben genannte Aufbau der Servicekapazität. Beim Aufbau der Niederlassung waren die finanziellen und personellen Kapazitäten nicht vorhanden, um die Servicetechniker entsprechend auszubilden, was zu Qualitätseinbussen führte. Bei grösseren Firmen erfolgt die Auslandmarkterschliessung viel systematischer und geplanter. Die Zentrifugen AG nimmt einen Schritt und den nächsten erst, wenn mit After Sales Services genügend Geld verdient wird. Sie sieht sich passiv vom Markt getrieben, während Grossunternehmen und grössere KMU aktiv den Markt angehen und bearbeiten können. Literatur Anell, B. I., & Wilson, T. L. (2001). Channel structures of international after-sales service networks. Journal of Marketing Channels, 9(1), 93–124. Asugman, G., Johnson, J. L., & McCullough, J. (1997). The role of after-sales service in international marketing. Journal of International Marketing, 5(4), 11–28. Fischer, C. (2013). Industrielles Dienstleistungsmanagement für wachstumsstarke Auslandsmärkte: Eine empirische Erfolgsfaktorenstudie am Beispiel kleiner und mittlerer Unternehmen des deutschen Anlagen- und Maschinenbaus. München: Hampp. Morschett, D. (2006). Firm-specific influences on the internalization of after-sales service activities in foreign markets. Journal of Services Marketing, 20(5), 309–323. Morschett, D., Schramm-Klein, H., & Swoboda, B. (2008). Entry modes for manufacturers‘ international after-sales service. Management International Review, 48(5), 525–549. Literatur 59 Österle, H., & Senger, E. (2006). Innovative Geschäftskonzepte im After Sales Service. In K. Barkawi, A. Baader, & S. Montanus (Hrsg.), Erfolgreich mit After Sales Services. Geschäftsstrategien für Servicemanagement und Ersatzteillogistik (S. 37–54). Berlin: Springer. Wassermann, R. (2010). Internationalisierung mit produktbegleitenden Dienstleistungen und hybriden Produkten. Eine pfadorientierte Analyse am Beispiel deutscher Maschinenbauunternehmungen. Wiesbaden: Springer Gabler. Wilson, T. L., Boström, U., & Lundin, R. (1999). Communications and expectations in after-sales service provision: Experiences of an international Swedish firm. Industrial Marketing Management, 28, 381–394. 4 Integriertes After-Sales-ServiceGeschäftsmodell in China Die aus den Fallstudien resultierenden unternehmensspezifischen After-Sales-ServiceModelle wurden in der vorliegenden Studie in einem Gesamtmodell vereinigt, das in Abb. 4.1 ersichtlich ist. Dieses generische After-Sales-Service-Modell fasst die wichtigsten, allen Projektpartnern gemeinsamen Einfluss-, Gestaltungs- und Erfolgsfaktoren zusammen. Es zeigt auf, wie die untersuchten Firmen ihre After Sales Services für den chinesischen Markt konzipieren (Gestaltungsfaktoren), welche Rahmenbedingungen in China die Gestaltung und Ziele der After Sales Services beeinflussen (Einflussfaktoren) und welche Erfolgsgrössen mit diesem Angebot angestrebt werden (Erfolgsfaktoren). 4.1Gestaltungsfaktoren Der mittlere Faktorenblock des Modells bildet die Ausgestaltung der After Sales Services der untersuchten Firmen in China ab. Strukturiert nach den klassischen vier Instrumenten des Marketing-Mix wird hier festgehalten, welche Services in China angeboten werden (Serviceangebot) und wie diese verrechnet (Preisgestaltung), vertrieben (Vertrieb) und vermarktet werden (Vermarktung). 4.1.1Serviceangebot Bezüglich den angebotenen Serviceleistungen konnte festgestellt werden, dass sich die Services in die zwei Kategorien materielle und immaterielle Services einteilen lassen, die insbesondere betreffend ihrer Verrechnung und der Ziele, die mit ihnen verfolgt werden, unterschiedliche Charakteristika aufweisen. Unter die Kategorie der materiellen After Sales Services fallen einerseits physisch greifbare Teile, die dem Kunden ausgeliefert werden, wenn Bauteile defekt (Ersatzteile), abgenutzt (Verschleissteile) oder © Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2018 M. Prandini et al., Industrielle After Sales Services in China, https://doi.org/10.1007/978-3-658-19042-2_4 61 LAND KUNDEN PARTNER UNTERNEHMEN Abb. 4.1 After-Sales-Service-Gesamtmodell Verhältnis Produkt – Ersatzteile Stellung im Kundenprozess Verschleiss / Nutzungsdauer Preis Komplexität Strategische Verankerung After Sales Services Servicekapazität (qualitativ & quantitativ) Markt- und Kulturkenntnisse Zielmarkt Grösse Kompetenz / Know-how Verfügbarkeit Internationale / lokale Kunden Verhandlungsposition Wertschätzung immaterieller Leistungen Grösse Staatliche / private Kunden OEM / Endkunde Verbundenheit Produktionsprozess Integrationsgrad / Know-how Distanz zum Zielmarkt Komplexität Import/Export-Bestimmungen Lohnniveau EINFLUSSFAKTOREN Gewinn Vertriebspartner Servicestelle & Vertriebspartner Servicestelle Verkaufsgespräch Produkt VERKAUF Direktvertrieb aus CH | pers. Besuche | E-Mail | Telefon | Homepage buy VERTRIEB make‘n’buy make Im Produktpreis integriert Nicht verrechnet / kostendeckend immateriell Eigenständig verrechnet PRICING materiell Installation | Schulung | Reparatur | Wartung | Support immateriell Ersatzteile | Verschleissteile | Verbrauchsteile | Ersatzgeräte SERVICES materiell GESTALTUNGSFAKTOREN Produktwiederverkäufe Produktneuverkäufe Produktentwicklung Service as a support Gewinn / Marge Umsatz Service as a business ERFOLGSFAKTOREN 4 PRODUKT 62 Integriertes After-Sales-Service-Geschäftsmodell in China 4.1 Gestaltungsfaktoren 63 gänzlich aufgebraucht sind (Verbrauchsteile). Einige Unternehmen stellen ihren Kunden darüber hinaus Ersatzgeräte zur Verfügung, die sie im Fall eines Maschinendefekts einsetzen können, um den Produktionsunterbruch zu minimieren. Die zweite Angebotskategorie besteht aus physisch nicht greifbaren Dienstleistungen wie Installation der Maschinen, Schulung der Kunden, Reparaturen im Fall von Defekten, (präventive) Wartung und Support. 4.1.2Preisgestaltung Hinsichtlich der Verrechnung der Services zeigte sich, dass die materiellen Leistungen meist separat verrechnet werden und dass sie in den meisten Fällen auch das Erzielen von Margen ermöglichen. Gerade Ersatz-, Verschleiss- und Verbrauchsteile weisen ein Ertragspotenzial auf. Die klassischen Dienstleistungen wie Installation und Schulung hingegen werden in den Produktpreis integriert. Die Kunden in China sind oft nicht bereit, separat und nachträglich für diese Leistungen zu bezahlen. Sie werden so auch kostendeckend angeboten oder – im Fall von Reparaturen, Wartung und Support – oft auch gar nicht verrechnet. 4.1.3Vermarktung Beim Marketinginstrument der Promotion kam aus den Fallstudien deutlich hervor, dass After Sales Services von den untersuchten Unternehmen in China nur sehr passiv vermarktet werden. After Sales Services sind ein wichtiges Verkaufsargument. Die Kunden kaufen die Produkte nicht, wenn die Unternehmen nicht aufzeigen können, dass sie bei Problemen vor Ort schnell reagieren und eine zuverlässige Unterstützung bieten können. Dementsprechend werden After Sales Services vor allem während des Verkaufsgesprächs der Maschine aufgezeigt und angepriesen. Eine gezielte, vom Produkt unabhängige Vermarktung und Bewerbung mit eigenem Promotionsbudget findet nicht statt. 4.1.4Vertrieb Beim Vertrieb der Services in China zeigten sich drei Strategien, die im Modell als „make“, „buy“ und „make’n’buy“ aufgeführt sind: Die Unternehmen verfügen entweder ausschliesslich über eine eigene Servicestelle in China („make“), vertreiben ihre After Sales Services ausschliesslich über Vertriebspartner („buy“) oder setzen auf eine duale Strategie, haben also sowohl eine eigene Servicestelle wie auch Partner, welche die Services für sie an die Kunden erbringen („make’n’buy“). Die After Sales Services werden über persönliche Besuche (insbesondere bei den Leistungen Installation, Schulung, Reparaturen und Wartungen) oder per E-Mail, 64 4 Integriertes After-Sales-Service-Geschäftsmodell in China Mobile-Phone oder WeChat (insbesondere bei Support) erbracht. Der Vertrieb ist somit grundsätzlich dezentral organisiert, d. h. die Services werden mehrheitlich vor Ort in China erbracht. Dennoch kann es vorkommen, dass z. B. Ersatzteile von der Schweiz aus verschickt werden oder Angestellte aus der Schweiz zum Einsatz kommen und die Servicetechniker vor Ort unterstützen. Dies kann beispielsweise bei komplizierten Reparaturen oder bei sehr wichtigen Kunden der Fall sein. 4.2Erfolgsfaktoren Der Faktorenblock auf der rechten Seite des Modells stellt dar, welche Ziele mit After Sales Services in China verfolgt werden und welche Ergebnisse daraus resultieren. Die Fallstudien deckten auch hier deutliche Unterschiede zwischen materiellen und immateriellen Services auf. 4.2.1Service as a Business Materielle After Sales Services können chinesischen Kunden verrechnet werden, dies im Gegensatz zu den immateriellen Dienstleistungen. Materielle Leistungen können von den Unternehmen als gewinnbringendes Geschäft angeboten werden („service as a business“). Insbesondere der Verkauf von Ersatz-, Verschleiss- und Verbrauchsteile sorgt für wiederkehrende Geschäfte im After-Sales-Service-Bereich und so für wichtige zusätzliche Einnahmen. Sie dienen oftmals auch dazu, die Kosten für Leistungen wie Installation und Support abzudecken. Das Ziel dieser After Sales Service Kategorie ist es demnach, Umsatz, Gewinn und Margen zu realisieren. 4.2.2Service as a Support Die Fallstudien zeigten ebenso klar auf, dass es in China für kleine und mittelgrosse Unternehmen derzeit noch kaum möglich ist, mit immateriellen Services wie Wartung, Unterhalt, Reparaturen oder Schulungen Umsätze und Gewinne zu erzielen. Das Ziel der untersuchten Unternehmen ist es deshalb, mit immateriellen Dienstleistungen den Neuund Wiederverkauf von Maschinen zu unterstützen. After Sales Services dienen in diesem Falle als „service as a support“. Produktneuverkäufe Nebst technischen Kriterien wie z. B. Genauigkeit, Geschwindigkeit, Zuverlässigkeit und einfache Bedienbarkeit nehmen After Sales Services bei Verkaufsgesprächen für Neumaschinen eine wichtige Rolle ein. Viele Unternehmen verkaufen ihre Produkte nicht an lokale chinesische Endkunden, sondern an international tätige OEM und/oder Endkunden mit Hauptsitz in Europa oder Amerika und 4.2 Erfolgsfaktoren 65 Niederlassungen in China. Die Kaufentscheidungen für die chinesischen Niederlassungen werden vom Hauptsitz gefällt. Das Vorhandensein eines Servicenetzes in China ist bei den Verkaufsgesprächen zentral. Die Maschinenhersteller müssen den Endkunden oder OEM aufzeigen, dass sie Services in China zeitnah vornehmen und Ersatzteile schnell liefern können. Eines der befragten Unternehmen formulierte dies folgendermassen: Da chinesische Kunden Gesamtlösungen erwarten, werden OEM als Generalunternehmer angesehen, eine Rolle, die ihnen nicht zwingend sehr behagt, weil sie so für eine sehr diverse Maschinengruppe zuständig sind. Die Auswahl und Integration der verschiedenen Peripheriegeräte in die Gesamtanlage stellt für den OEM einen Zusatzaufwand dar. Er ist deshalb sehr daran interessiert, mit Lieferanten zusammenzuarbeiten, die in China präsent sind und ihn in der Installation und im Service des jeweiligen Peripheriegeräts unterstützen können. So fällt die Kaufentscheidung eher zu jenem Lieferanten, der in China über ein Service- und Ersatzteilnetz verfügt. Häufig bevorzugen es chinesische Endkunden, Gesamtlösungen und -technologien über OEM zu beziehen. Durch After Sales Services kommen sie erstmals mit den einzelnen Maschinenlieferanten in Kontakt. Durch schnelle und zuverlässige Services können diese den Endkunden aufzeigen, dass sie in der Sicherstellung der Funktionalität der Maschine und der Produktionsprozesse die entsprechenden Kompetenzen haben, und sie so überzeugen, künftig den Schritt über die OEM auszulassen und direkt beim Hersteller einzukaufen. Produktwiederverkäufe Während den Interviews wurde betont, dass Leistungen wie Installation, Schulung, Reparatur, Wartung und Support insbesondere dazu dienen, die bestehenden Kunden zufrieden zu stellen und so Wiederverkäufe sicherzustellen. So geht es darum, die Kunden in Problemsituationen zu unterstützen und hiermit einen störungsfreien Betrieb der installierten Maschinen zu garantieren. Nur wenn sich die Maschinen „under real Chinese conditions“ beweisen und die Maschinenlieferanten in Problemsituationen zuverlässig und schnell reagieren, werden die Kunden erneut Maschinen kaufen. Die analysierten Unternehmen betonten zudem, dass sie mit After Sales Services beabsichtigen, die Autonomie ihrer Kunden herzustellen und zu sichern. Können die Kunden die Maschinen selbstständig bedienen, unterhalten und sich in Problemsituationen selbst helfen, steigert dies die Kundenzufriedenheit und ebnet den Weg für Folgegeschäfte. Ein Interviewpartner fasste dies folgendermassen zusammen: Das Ziel ist es, dass sich die Kunden selbst helfen und nicht, dass wir sie vor Ort unterstützen müssen. Wenn die Kunden dies wünschen, bieten wir zwar diesen Service an. Aber insgesamt ist es nicht unser Ziel, mit dem Servicegeschäft viel Umsatz zu generieren. Die Autonomie unserer Kunden und die dadurch verstärkte Kundenbindung stehen an erster Stelle: Sind die Kunden zufrieden und können sie die Maschinen selbstständig bedienen und unterhalten, ist die Wahrscheinlichkeit sehr hoch, dass sie weitere Maschinen von uns kaufen. 66 4 Integriertes After-Sales-Service-Geschäftsmodell in China Leistungen wie Reparaturen und Wartungen vereinfachen überdies den Kontakt zu den Kunden. Servicetechniker sind regelmässig vor Ort und erhalten einen gezielteren Einblick ins Kundenunternehmen. Die chinesischen Kunden sehen den Maschinenlieferanten in der Pflicht, ihre Investition zu schützen und allfällige Störungen und Defekte zu beheben. Ein grundsätzliches Ziel von After Sales Services ist es, das Image eines Unternehmens nicht nur durch die Qualität seiner Produkte, sondern auch durch seine Fähigkeit zur Qualitätserhaltung, die durch Services erreicht werden kann, zu stärken, sodass die Kunden in einer nächsten Entscheidungsphase erneut dasselbe Unternehmen berücksichtigen. We see reliable technical support as a competitive advantage to prove our engineering and problem-solving competence in order to enhance customer satisfaction. The offering of on-site local technical support turns out to be an important driver for followup business. Produktentwicklung Eine weitere wesentliche Bedeutung kommen After Sales Services als Informationsquelle zu. In den Fallstudien wurde wiederholt betont, welch wichtige Rolle After Sales Services in der Produktentwicklung einnehmen. Die Servicetechniker sind die Augen und Ohren der Unternehmen; sie stehen mit den Kunden in engem Kontakt, sehen die Maschinen in Aktion und erkennen so wichtiges Verbesserungspotenzial. Dies ist von entscheidender Bedeutung, da die Produktionsbedingungen in China stark von jenen in der Schweiz, wo die Maschinen entwickelt wurden, abweichen und entsprechend angepasst werden müssen, um die Funktionalität der Maschinen und somit die Zufriedenheit der Kunden sicherzustellen. Gerade in China lassen sich die benötigten Produktionsbedingungen nur schwer durchsetzen. Umso wichtiger ist es für uns, die Informationen bezüglich Nutzungsart in die Neuentwicklungen einfliessen zu lassen und die Produkte so robuster zu gestalten. Wir erachten es als zentral zu verstehen, wie die Maschinen eingesetzt werden, um sie in Zusammenarbeit mit den Lieferanten so weiterzuentwickeln, dass sie weniger störungsanfällig unter diesen Produktionsbedingungen funktionieren. Unser Ziel ist es nicht, unsere Kunden zu einem idealen Maschineneinsatz umzuerziehen, sondern unsere Maschinen so zu gestalten, dass sie unter den tatsächlichen Gegebenheiten funktionieren. 4.3Einflussfaktoren Das Ziel der Fallstudien war es, das After-Sales-Service-Angebot der teilnehmenden Unternehmen zu verstehen. Es galt somit nicht nur, ihr Angebot zu erfassen, sondern auch herauszuarbeiten, welche Faktoren dieses Angebot beeinflussen, wieso die Unternehmen gerade diese Leistungen anbieten, sie so verrechnen, vertreiben und verkaufen, und welche Faktoren einen Einfluss darauf haben, wie sie mit ihrem Angebot die 4.3 Einflussfaktoren 67 genannten Ziele erreichen. In den Interviews wurden die Überlegungen hinter dem Serviceangebot identifiziert. Die Antworten führten zu den wesentlichen Einflussfaktoren, welche die unternehmensexternen und internen Rahmenbedingungen von After Sales Services erklären. Im Folgenden werden die Einflussfaktoren im Detail erläutert. 4.3.1Landesspezifische Einflussfaktoren Wie im Gesamtmodell zu After Sales Services Modell visualisiert, beeinflussen die landesspezifischen Einflussfaktoren die Preisgestaltung und den Vertrieb von After Sales Services in China. Die bestehenden Unterschiede im Lohnniveau zwischen schweizerischen und chinesischen Mitarbeitenden, die grosse Distanz zwischen der Schweiz und China sowie die komplizierten chinesischen Import- und Exportbestimmungen verlangen nach einer Präsenz vor Ort. Einflussfaktor „Lohnniveau“ auf die Preisgestaltung und den Vertrieb Bei schwierigen und aufwendigen Installationen oder Reparaturen schicken viele Unternehmen Servicetechniker aus der Schweiz nach China, um die Angestellten vor Ort zu unterstützen. Aus Kostengründen erfolgen solche Einsätze aber nur selten. Die chinesischen Kunden sind in den meisten Fällen nicht bereit, für diese hohen Kosten aufzukommen. Die Unternehmen sehen sich so gezwungen, Leistungen wie Installation, Schulung, Support und z. T. auch Ersatzteile in den Produktpreis einzurechnen oder sogar umsonst anzubieten. Der Stundenansatz eines Schweizer Servicetechnikers beträgt zwischen CHF 150 und CHF 170, während derjenige eines chinesischen Servicetechnikers im Vergleich dazu etwa CHF 50 ausmacht. Diese grossen Lohnunterschiede sprechen wiederum für eine Präsenz in China. Einflussfaktor „Distanz zum Zielmarkt“ auf den Vertrieb Die grosse Distanz zwischen der Schweiz und China sowie innerhalb von China selbst erschweren den Unternehmen den Kontakt zu ihren Kunden. Persönliche Beziehungen sind in China die Basis jeder Geschäftstätigkeit. Je öfter die Lieferanten ihre Kunden besuchen, je besser sie diese kennen und je stärker ihre persönliche Beziehung, desto grösser die Wahrscheinlichkeit für Folgegeschäfte. Ohne zwischenmenschlichen Beziehungen und Netzwerke (Guanxi) kommt in China kaum ein Geschäft zustande. Eine Präsenz vor Ort, sei es in Form einer eigenen Niederlassung oder in Form von Partnerschaften, ist deshalb für den Geschäftserfolg in China unerlässlich. Die Mitarbeitenden in China helfen auch, die Brücke zwischen China und der Schweiz in sprachlicher und kultureller Hinsicht zu schlagen. Wir setzen auf lokale Leute, um nahe bei unseren Kunden zu sein. Ohne Präsenz vor Ort würde das Geschäft für den Neumaschinenverkauf sowie After Sales Services nicht funktionieren. 68 4 Integriertes After-Sales-Service-Geschäftsmodell in China Einflussfaktor „Komplexität Import/Export-Bestimmungen“ auf den Vertrieb Die nach wie vor komplizierten Regelungen bezüglich Import und Export von Waren verunmöglichen es Unternehmen, nur mit halbem Fuss in China tätig zu sein. Die Etablierung eines sogenannten Repräsentations-Office ist relativ schnell vollzogen und deshalb oftmals die erste Einstiegsform in China. Repräsentations-Offices verfügen aber über keine Rechtspersönlichkeit, sondern sind eher Verbindungsstellen zum Mutterhaus. Als solches verfügen sie über keine Import-Export-Lizenz und dürfen keine Profite erwirtschaften. Einige Projektpartner entschieden sich aus diesem Grund, eine eigene Tochtergesellschaft zu gründen. Die ersten drei Schritte waren insgesamt von eher wenig geschäftlichem Erfolg geprägt. Der wesentliche Grund hierfür lag in der fehlenden Importlizenz, was die Abläufe und das Einführen unserer Produkte stark verkomplizierte und die Kosten in die Höhe trieb. Dies führte bei uns zur Gründung einer Tochtergesellschaft, die über eine eigene Import- und Geschäftslizenz verfügt. Einige Unternehmen wiederum haben sich aus diesem Grund für Vertriebspartner entschieden, an die sie diesen Aufwand auslagern können. Ein weiterer Grund für die Wahl der indirekten Vertriebsform […] sind die strikten und komplizierten Regelungen bezüglich Import und Export von Waren. Die ganze Logistik ist selbst in Europa eine Herausforderung, in China aber noch deutlich komplexer. Mit diesen dezentralen Service Centers haben wir die Komplexität und den Aufwand ausgelagert. 4.3.2Kundenspezifische Einflussfaktoren Bei der Faktorengruppe der Kunden konnten fünf Variablen identifiziert werden, die beeinflussen, wie gross der Bedarf der Kunden an After Sales Services ist und welche Services nachgefragt werden. Weitere vier Faktoren beeinflussen die Zahlungsbereitschaft der Kunden für After Sales Services und die Verrechnungsart. Einflussfaktor „Integrationsgrad/Know-how“ auf das Serviceangebot Der Grad der vertikalen Integration zeigt an, wie stark die Kunden auf ihre Kernleistungen fokussiert sind und wie viele Prozesse sie an externe Anbieter auslagern. Viele chinesische Firmen stehen aufgrund der noch immer relativ tiefen Lohnkosten unter einem geringen Produktivitätsdruck. Sie outsourcen nur wenig und verfügen oftmals über eine eigene Serviceabteilung. Die zunehmende Wettbewerbsintensität im chinesischen Markt zwingt lokale Unternehmen aber vermehrt, den Heimmarkt zu verlassen und zu internationalisieren. Um auf internationalen Märkten zu bestehen, müssen chinesische Firmen ihre Produkt- und Prozessqualität laufend ausbauen. Produktionsausfälle, wie sie derzeit noch hingenommen werden, tolerieren ausländische Kunden immer weniger. Dies erhöht den Druck auf chinesische Firmen, ihre Maschinen besser zu unterhalten, was wiederum das Potenzial für Services erhöht. 4.3 Einflussfaktoren 69 Je stärker der Grad des Outsourcings, je mehr Produktionsschritte die Kunden an externe Anbieter auslagern, desto stärker sind sie auf das Know-how und die Unterstützung ihrer Lieferanten angewiesen. Verfügt ein Unternehmen hingegen vornehmlich über stark vertikal integrierte Kunden und/oder Kunden mit grossem technischen Know-how, verringert dies das Potenzial für After Sales Services, denn die Kunden sind eher in der Lage, Installationen, Reparaturen oder Wartungen selbst vorzunehmen. Vor 30 Jahren ging in Europa das grosse Outsourcing los; alles, was nicht zum Kernprozess gehörte, wurde ausgelagert und von extern bezogen. Reinigung, Informatik und eben auch Maschinenservice wurde von aussen zugekauft. In China wird das so noch kaum praktiziert. Traditionell wird alles intern geleistet. […] Die Unterschiede lassen sich vielmehr mit der unterschiedlichen Intensität des Produktivitätszwangs erklären. In China sind die Löhne so tief, dass chinesische Firmen nicht besonders produktiv sein müssen, um trotzdem wettbewerbsfähig zu sein. Damit mitteleuropäische Firmen überhaupt noch industriell fertigen können, müssen ständig grosse Anstrengungen zur Erhöhung der Produktivität unternommen werden. Aufgrund dieses fehlenden Produkt- und Prozess-Know-hows kaufen chinesische Kunden keine Maschine, sondern eine Leistung. Darin enthalten sind erwartungsgemäss alle Dienstleistungen, die nötig sind, um das Funktionieren dieser Maschine sicherzustellen. Einflussfaktor „Verbundenheit Produktionsprozess“ auf das Serviceangebot Auch der Grad der Verbundenheit des Produktionsprozesses des Kunden beeinflusst die Nachfrage nach After Sales Services. So sind Kunden, die über stark getaktete Prozesse verfügen und bei denen Maschinenausfälle grosse finanzielle Folgen nach sich ziehen, auf schnellere Reaktionszeiten und insgesamt stärker auf ihre Lieferanten angewiesen. Einflussfaktoren „Erstausrüster (OEM)/Endkunden“ auf das Serviceangebot Verfügt das Unternehmen vor allem über OEM-Kunden, schmälert dies das Potenzial für Services, denn diese führen die lukrativen After Sales Services selbst aus, sofern sie über das nötige technische Know-how und die Kapazitäten verfügen. In vielen Fällen können die OEM die Installation und Schulung problemlos selbst vornehmen, die Kunden aber bei komplexeren Problemen und Reparaturfällen nicht unterstützen. So werden die Maschinenhersteller oftmals auch während der Garantiezeit, während der ein OEM für Reparaturen aufkommen müsste, durch die Endkunden kontaktiert. Da die chinesischen Endkunden die Maschinenhersteller in der Verantwortung sehen, die Störung zu beheben, führen viele Hersteller den Service selbst und kostenlos durch, um ihr Image beim OEM wie auch beim Endkunden nicht zu gefährden und Folgegeschäfte zu sichern. Viele Unternehmen verfolgen das Ziel, möglichst früh mit den Endkunden in Kontakt zu kommen, was ihnen nur durch After Sales Services gelingt. Bei Endkunden werden Serviceleistungen direkt nach dem Verkauf der Anlage erbracht, bei OEM hingegen erst, wenn die Garantiezeit abgelaufen ist, der OEM die Services nicht mehr selbst erbringen möchte oder das Problem zu komplex ist, als dass es der OEM selbst lösen könnte. 70 4 Integriertes After-Sales-Service-Geschäftsmodell in China Einflussfaktor „staatliche/private Kunden“ auf die Preisgestaltung Aufgrund der im Vergleich zu Europa oft wesentlich grösseren Fabriken ist das Potenzial für Maschinenverkäufe und somit auch für After Sales Services in China sehr gross. Staatliche und grosse Kunden aber sind meist stärker integriert als private und kleine und verfügen über hauseigene Serviceabteilungen, die z. B. Reparaturen selbst vornehmen können, was den Servicebedarf des Kunden verkleinert. The case is diametrically different in the case of state-owned compared to (small) private companies. The first are often fully integrated whereas the latter are, as Western European companies, outsourcing as much as they can. If private companies, however, are large enough, they will, like state-owned companies, prefer integration. They will have their own maintenance service department. Andererseits verfügen staatliche Kunden üblicherweise über ein grösseres Servicebudget. Sie sind zudem weniger von Profiten getrieben als davon, die vom Staat vorgegebenen Wachstumsziele zu erfüllen. Dies steigert ihren Servicebedarf. As almost 70 % of our customers are state-owned enterprises, their decision to make an investment is very often not profit-oriented, but rather driven by complying with the growth targets of the government. Einflussfaktor „Grösse“ auf die Preisgestaltung Bezüglich der Grösse der Kundenunternehmen zeigte sich zudem, dass grössere Unternehmen eher bereit sind, für Services zu bezahlen. Kleinere, chinesische Kunden verfügen oft über kein Servicebudget und weichen aus Kostengründen eher auf die lokale Konkurrenz (z. B. auf billigere, kopierte Ersatz- und Verschleissteile) aus. Grosskunden budgetieren eher regelmässig wiederkehrende Wartungen. Einflussfaktor „Wertschätzung immaterieller Leistungen“ auf die Preisgestaltung Insgesamt zeigte sich, dass chinesische Kunden After Sales Services und immaterielle Dienstleistungen insgesamt weniger wertschätzen als z. B. europäische oder amerikanische. Sie sind oft kaum bereit, für After Sales Services zu bezahlen, sondern erwarten, dass sie im Kaufpreis inbegriffen sind und der Maschinenhersteller für spätere Leistungen aufkommen muss. Immaterielle After Sales Services können deshalb kaum, im Gegensatz zu greifbaren, materiellen Teilen, separat und mit Marge verrechnet werden. Produktbegleitende Serviceleistungen werden derzeit in China noch sehr gering geschätzt. Die Kunden sind kaum bereit, für Serviceleistungen (v. a. Wartung, Reparaturen und Unterhalt) zu bezahlen. Vielmehr gehen sie davon aus, dass After Sales Services im Kaufpreis für eine Maschine inbegriffen sind. Häufig sehen wir uns dann in der Situation, diese Leistungen gratis zu erbringen. Einflussfaktor „Verhandlungsposition“ auf die Preisgestaltung Die Verhandlungsposition der Kunden hat einen grossen Einfluss auf deren Zahlungsbereitschaft. Je nachdem besteht z. B. bei den Ersatz- und Verschleissteilen lokale Konkurrenz oder aber die Kunden sind vollständig abhängig vom Maschinenhersteller. In vielen Fällen werden Ersatzteile 4.3 Einflussfaktoren 71 ausschliesslich vom Maschinenhersteller produziert und die Kunden haben keine andere Wahl, als diese bei ihm zu beziehen. Es wäre undenkbar, dass die Kundenmaschinen stillstehen, weil die nötigen Verbrauchsmaterialien nicht verfügbar sind. Die Kunden sind hier stark auf uns angewiesen. Die Verbrauchsmaterialien sind ein zentraler Bestandteil der Maschinen und des After-Sales-Service-Angebots, weil die Kunden an uns gebunden sind und wir diese für die gesamte Lebensdauer der Maschine bereitstellen müssen. Aufgrund des teilweise hohen Wettbewerbs im chinesischen Markt und der geringen Zahlungsbereitschaft für Services sehen sich viele Firmen gezwungen, ihre Preise für After Sales Services auf Basis des wahrgenommenen Käufernutzens (value-based pricing) festzusetzen. Bei dieser wertorientierten Preisbildung werden üblicherweise tiefere Verkaufspreise erzielt als bei einer kostenorientierten Kalkulation. With the spare parts and components for our machines, we need to apply top down pricing (value-based pricing) due to the high competition in the industry. With value based pricing, the final price is determined by the customers’ perceptions of value as well as the intensity of competition in a market. Value-based pricing usually leads to a lower price than cost-based pricing. Einflussfaktor „internationale/lokale Kunden“ auf die Preisgestaltung Internationale Kunden beziehen Maschinen meistens ab Werk und erwarten eine separate Verrechnung für Dienstleistungen wie Installation, Schulung und Support. Sie verfügen zudem aufgrund ihrer Grösse über ein grösseres Servicebudget. Lokale chinesische Kunden erweisen sich als weniger zahlungsbereit; sie erwarten, dass qualitativ hochwertige und teure europäische Maschinen ohne Zwischenfälle funktionieren. Ist dies nicht der Fall, liegt die Problemlösung und somit die Kostenträgerschaft für After Sales Services beim Maschinenhersteller – und zwar über die gesamte Lebensdauer der Maschine. Wir machen im chinesischen Markt die Erfahrung, dass After-Sales-Leistungen als generell zu teuer eingestuft werden. Die angebotenen Preise werden v. a. von grösseren und nicht-chinesischen Kunden bezahlt, während kleinere, chinesische Kunden häufig auf billige, kopierte Ersatzteile ausweichen, oder Unterhaltsarbeiten selber erledigen. Das Konzept von „Total Cost of Ownership“, wo man zwar fünfmal mehr für die Maschine bezahlt, diese jedoch viel länger brauchen kann und die Gesamtkosten so im Endeffekt geringer sind, ist bei den chinesischen Firmen noch kein Argument. Bei den Multinationals funktioniert diese Argumentation noch eher. 4.3.3Vertriebspartnerspezifische Einflussfaktoren Die Faktorengruppe der Vertriebspartner beeinflusst die Vertriebsart von After Sales Services. Einflussfaktor „Verfügbarkeit“ auf den Vertrieb Für einige Unternehmen stellt es aufgrund ihrer Nischenstellung eine Herausforderung dar, in China geeignete Servicepartner zu 72 4 Integriertes After-Sales-Service-Geschäftsmodell in China finden. Ihre Maschinen sind zu komplex, ihr Markt zu klein, als dass sie für Vertriebspartner attraktiv wären. Reine Verkaufspartner sind zwar einfach zu finden, doch diese eigenen sich oft nicht als Servicepartner. Die Verfügbarkeit von Servicepartnern ist ein entscheidendes Argument dafür, ob eine eigene Servicestelle eingerichtet werden muss. Für viele Maschinenhändler sind unsere Maschinen by-products. Sie vertreiben eine, zwei grosse Marken, die sie en masse verkaufen können, und daneben einige kleinere Marken, die sie in ihrer Komplexität aber nicht verstehen. So sind die Maschinenhändler sehr starke Verkaufspartner, eignen sich jedoch nicht, um gleichzeitig den Service zu übernehmen. Aus diesem Grund sahen wir uns gezwungen, ein eigenes Servicecenter aufzubauen. Einflussfaktor „Kompetenz/Know-how“ auf den Vertrieb Neben der reinen Verfügbarkeit spielt auch die Kompetenz und das Know-how der Vertriebspartner eine wichtige Rolle in der Entscheidung der Vertriebsform. Die chinesischen Partner verfügen über grosses Know-how bezüglich Land, Kultur und Markt und über ein grosses Kontakt- und Beziehungsnetz. Dies spricht bei einigen Firmen dafür, ihre Servicestelle in Kooperation mit einer lokalen Firma zu betreiben oder sich ganz auf Vertriebspartner zu stützen. Einige Unternehmen übertragen beispielsweise die administrativen Tätigkeiten wie die Verwaltung der Büroräumlichkeiten, Lohnabrechnungen oder Qualitätskontrollen an Kooperationspartner, um sich vollumfänglich auf die Ausbildung und den Einsatz der eigenen Servicetechniker konzentrieren zu können. Andere investieren viel in die Schulung ihrer Vertriebspartner, die als „Authorized Service Centers“ sämtliche After Sales Services für ihre Produkte erbringen. 4.3.4Unternehmensspezifische Einflussfaktoren Die Faktoren, die das Unternehmen an sich betreffen, beeinflussen die Vertriebsart sowie die Art und Intensität der Vermarktung der Services. Einflussfaktor „Grösse“ auf den Vertrieb Der grosse finanzielle und zeitliche Aufwand, der für die Etablierung einer eigenen Servicegesellschaft in China anfällt, erschwert es KMU erheblich, ihre Kunden mit eigenen Servicetechnikern zu bedienen. Einige Unternehmen beschränken ihre Präsenz in China aus diesem Grund auf ein Repräsentation oder Liaison Office, das als erste Ansprechstelle für chinesische Kunden fungiert und Kontakte pflegt. Die Liquidation des Liaison Offices sowie der Aufbau einer eigenen Verkaufseinheit vor Ort lohnt sich derzeit aus Kostengründen für uns allerdings nicht. Einflussfaktor „Markt-/Kulturkenntnisse Zielmarkt“ auf den Vertrieb Fehlen fundierte Kenntnisse des chinesischen Marktes und der chinesischen Kultur, spricht dies ebenfalls dafür, mit Vertriebspartnern zu arbeiten. 4.3 Einflussfaktoren 73 Einige Unternehmen verlassen sich aus diesem Grund ganz auf die Vertretung durch lokale Vertriebspartner, die für sie die Produktverkäufe und die Serviceleistungen übernehmen. Sie bekräftigen, dass ohne die Marktkenntnisse, die Kundennähe und die Unterstützung ihrer Partner eine erfolgreiche Bearbeitung des chinesischen Marktes für sie als KMU unmöglich wäre. Einflussfaktor „Servicekapazität (qualitativ & quantitativ)“ auf den Vertrieb und den Verkauf Die Schulung und Unterstützung der Servicetechniker in China und die vergleichsweise grosse Mitarbeitendenfluktuation stellen eine grosse Herausforderung beim Betrieb einer eigenen Servicegesellschaft dar. Es existiert keine formalisierte duale Berufsausbildung, weshalb die Ausbildung der chinesischen Servicetechniker sehr zeitintensiv ist. Viele Unternehmen holen ihre chinesischen Servicetechniker regelmässig in die Schweiz, um sie vor Ort zu schulen. Ein regelmässiger Kontakt – per Telefon und über Besuche in China und in der Schweiz – erweist sich als erfolgskritisch und der Loyalität der Mitarbeitenden sehr förderlich. Die (quantitative) Servicekapazität beeinflusst darüber hinaus auch, mit wie vielen Vertriebspartnern das Unternehmen zusammenarbeitet, denn auch diese müssen gut betreut und regelmässig geschult werden. Viele Unternehmen vermarkten ihre Services nur sehr passiv und zögerlich, weil sie derzeit nicht über die notwendige Kapazität verfügen, sie durchzuführen. Dienstleistungen anzubieten und ihnen nicht hinreichend und zufriedenstellend nachzukommen würde negative Auswirkungen aufs Image des Lieferanten nach sich ziehen. Diese Dienstleistungen werden derzeit nur auf Nachfrage angeboten und nicht aktiv beworben, weil wir derzeit nicht über die nötigen (Service-)Kapazitäten verfügen, sie zu erfüllen. Wartungsverträge anzubieten und ihnen dann nicht nachkommen zu können, würde bei den Kunden einen schlechten Eindruck hinterlassen. Geschäfte in China basieren sehr stark auf persönlichen Beziehungen (Guan Xi/关 系). Persönliche Besuche bei den Kundenunternehmen sind für die Pflege dieser Beziehungen und für den Geschäftserfolg unabdingbar. The main success factor for after sales services in China is a professional customer relationship management […]. The local after sales team applies a key account management which ensures regular visits at key clients in order to check up with their needs and requirements. It is important for a Chinese client to always have the possibility to get in personal contact with our local staff. Client visits combined with a high quality of products and services are seen as key success factors in sales for the Chinese market. Einflussfaktor „strategische Verankerung After Sales Services“ auf das Serviceangebot den Vertrieb und den Verkauf Ob und wie stark Dienstleistungen in der Strategie verankert sind und ob sich das Unternehmen als reiner Produzent oder als Dienstleister versteht, beeinflusst, welche Leistungen angeboten, wie sie vertrieben und wie intensiv sie vermarktet werden. 74 4 Integriertes After-Sales-Service-Geschäftsmodell in China So verstehen sich einige Projektpartner grundsätzlich als Solution Provider mit einem Serviceangebot, das den gesamten Lebenszyklus des Produkts abdeckt und die Kunden so über die ganze Lebensdauer des Produkts hin unterstützt. Der Wandel des Selbstverständnisses eines Maschinenproduzenten hin zu demjenigen eines Dienstleisters und der damit verbundene Aufbau einer Servicekultur stellen sich als grosse Herausforderung heraus. Einigen, eher grösseren Firmen gelingt dies durch die Etablierung einer selbstständigen Serviceorganisation. Deren Mitarbeitende konzentrieren sich ausschliesslich auf das Servicegeschäft, das durch diese Organisationsstruktur in der Konzipierung, im Vertrieb und im Verkauf professionalisiert werden kann. The realization of our mission requires the building-up of a separate culture […]. For a company which has its history in technology and engineering, this move turns out to be the most challenging one. We have initiated a change management project to implement a service culture throughout the entire organization, thus launching a shift from a technology-driven to a service-driven company. Das Commitment der Unternehmung zu einem professionellen Dienstleistungsgeschäft zeigt sich auch in der Bereitschaft, eine eigene Serviceorganisation in China aufzubauen. Sie widerspiegelt sich ebenso darin, wie oft Mitglieder der Geschäftsleitung die Niederlassung oder die Partner sowie die Kunden in China besuchen und wie viel sie in den Aufbau von Markt- und Kulturkenntnissen und in die Ausbildung ihrer chinesischen Servicetechniker oder ihrer Partner investieren. 4.3.5Produktspezifische Einflussfaktoren Der Servicebedarf und die Zahlungsbereitschaft der Kunden und somit das Potenzial für After Sales Services wird nicht nur durch die Art der Kunden, sondern auch durch verschiedene Produktmerkmale bestimmt. Einflussfaktor „Komplexität“ auf das Serviceangebot, die Preisgestaltung und den Vertrieb Der Bedarf nach Unterstützung durch den Maschinenhersteller und die Zahlungsbereitschaft sind grösser, wenn das Produkt sehr erklärungsbedürftig und komplex ist. Insbesondere Leistungen wie Schulungen und Support kommen in diesem Fall eine grosse Bedeutung zu. Für die Maschinenverkäufe ist eine Unterstützung nach dem Verkauf des Produkts angesichts der Produktkomplexität und des notwendigen Know-hows unerlässlich. Sind die Produkte weniger komplex, greifen chinesische Kunden eher auf lokale Serviceanbieter zurück oder versuchen, das Problem selbst zu lösen. Unsere Systeme sind vergleichsweise komplex und nicht ohne Weiteres zu bedienen. Kunden gehen in Anbetracht des notwendigen Know-hows […] nur dann eine Beziehung mit uns als Lieferanten ein, wenn sie sich auf unsere Unterstützung nach dem Verkauf verlassen können. After Sales Services sind bei allen Projektpartnern sehr dezentral organisiert – über eine eigene Niederlassung oder über Servicepartner. Bei grossen und anspruchsvollen 4.3 Einflussfaktoren 75 Anlagen oder im Fall von komplexen Reparaturen kommt es dennoch vor, dass Schweizer Servicetechniker nach China reisen, um die Angestellten bei der Installation oder der Reparatur zu unterstützen. Bei weniger komplexen Maschinen können viele Fragen auch per Telefon geklärt werden. Bei der Inbetriebnahme grosser und komplexer Anlagen reisen zusätzlich Schweizer Servicetechniker nach China. Die zwei Servicetechniker aus Shanghai können dies noch nicht alleine stemmen und sind deshalb auf Unterstützung angewiesen. Einflussfaktor „Preis“ auf das Serviceangebot, die Preisgestaltung und den Vertrieb Gleichermassen beeinflussen die im Vergleich zur lokalen Konkurrenz hohen Produktpreise die Erwartungen der Kunden bezüglich After Sales Services. Chinesische Kunden wissen, dass sie mit europäischen Maschinen einen zuverlässigen und langfristigen Betrieb erwerben. Bei günstigen chinesischen Maschinen sind sie kaum überrascht, wenn sie nicht lange funktionieren, und tragen ihnen auch weniger Sorge. Angesichts der für chinesische Verhältnisse hohen Produktpreise sind die Kunden nicht gewillt, (nachträglich) für Services zu bezahlen. Sind die Produktpreise im Vergleich zum Investitionsvolumen der gesamten Produktionsanlage sehr niedrig, lohnt es sich nicht, den Service von der Schweiz aus zu erbringen. Die Unternehmen sind in diesem Fall noch stärker auf eine dezentrale Servicestruktur angewiesen. Einflussfaktor „Verschleiss/Nutzungsdauer“ auf das Serviceangebot und die Preisgestaltung Wie schnell die Produkte verschleissen, wie serviceintensiv sie sind und wie lange sie eingesetzt werden, bestimmt ebenfalls den Servicebedarf und die Zahlungsbereitschaft der Kunden. Einige Unternehmen sehen sich mit der Tatsache konfrontiert, dass ihre Produkte störungsfrei über Jahrzehnte eingesetzt werden und nur wenig Bedarf für Services anfällt. Die Herstellung der Ersatzteile wird mit zunehmendem Alter der Maschine immer kostenintensiver. Störungen entstehen hauptsächlich dann, wenn die vorgeschriebenen Produktionsbedingungen nicht eingehalten oder die Maschinen unsachgemäss eingesetzt werden (z. B. Öl- und Wasserqualität). Solche Fehlhandhabungen seitens der Kunden steigern wiederum den Bedarf nach Leistungen wie Reparaturen und Support. Viele Produktionsanlagen in China werden mit einem Nutzungshorizont von drei bis fünf Jahren erbaut und danach wieder abgerissen. Die Maschinen gelten bereits nach dieser kurzen Zeit als abgeschrieben und Serviceleistungen sind nicht budgetiert. Das Konzept der Total Cost of Ownership, nach dem die Lebensdauer einer Maschine durch Wartung verlängert und damit die Gesamtkosten reduziert werden können, ist in China wenig verbreitet. Diese Sichtweise chinesischer Kunden vermindert das Potenzial für Services und erschwert den Verkauf von präventiven Leistungen wie Wartung beachtlich. Einflussfaktor „Stellung im Kundenprozess“ auf das Serviceangebot und die Preisgestaltung Nimmt das Produkt im Produktionsprozess des Kunden eine wichtige Stellung 76 4 Integriertes After-Sales-Service-Geschäftsmodell in China ein und sind die Ausfallkosten im Fall eines Stillstands der Maschine sehr hoch, ist der Servicebedarf und die Zahlungsbereitschaft der Kunden grundsätzlich höher als bei Standalone-Lösungen, deren Ausfall keine weitreichenden Folgen für den nachfolgenden Prozess hat. Dennoch betonen die meisten untersuchten Unternehmen, dass chinesische Kunden solche Ausfallkosten nur selten in Betracht ziehen. Aufgrund der noch immer tiefen Lohnkosten und dem geringen Produktivitätsdruck fallen häufige Produktionsstopps kaum ins Gewicht. So fehlt auch die Bereitschaft, solche Maschinenausfälle durch präventiven Unterhalt zu vermeiden. Einige Unternehmen haben wenig komplexe, relativ günstige, einfach austauschbare und dennoch im Produktionsprozess des Kunden sehr zentrale Maschinen im Einsatz. Um schnelle Reaktionszeiten zu garantieren, bieten sie ihren Kunden Ersatzgeräte an. Im Störungsfall können sie so das Gerät schnell auswechseln und Zeit schaffen, das defekte zu reparieren und/oder entsprechende Ersatzteile zu liefern. Dieses Ersatzgeräte-Verfahren bedingt ein dichtes Servicenetz. Einflussfaktor „Verhältnis Produkt-Ersatzteile“ auf das Serviceangebot und die Preisgestaltung Das Geschäftsmodell eines der am Projekt beteiligten Unternehmens beruht auf dem Razor-and-Blade-Prinzip. Dieses bezeichnet eine Geschäftsstrategie, bei der ein Basisprodukt günstig abgegeben wird, während das zur Nutzung des Basisprodukts notwendige Komplementärprodukt zu hohen Margen verkauft wird und damit den Hauptumsatz einer Unternehmung erwirtschaftet. Das klassische Beispiel für dieses Geschäftsmodell ist die Unternehmung Gillette, die mit den auswechselbaren Rasierklingen hohe Gewinne erzielt. Das dazugehörige Rasiergerät wird dabei sehr günstig oder gratis abgeben, während die Rasierklingen zu hohen Preisen verkauft werden und Gillette damit hohe Umsätze garantiert. Dieses Modell wurde später beispielsweise durch Hewlett Packard mit dem System günstiger Tintenstrahldruckern und teuren Tintenpatronen ebenfalls angewandt. Aus den Fallstudien zeigte sich, dass der Servicebedarf und die Zahlungsbereitschaft – und somit das Servicepotenzial – bei diesem Geschäftsmodell, das auf vergleichsweise günstigen Produktpreisen und einem regelmässigen, margenträchtigen Ersatzteilgeschäft beruht, gross ist. 5 Beurteilung der After-Sales-ServiceGeschäftsmodelle von Schweizer Unternehmen in China Die Analyse der After Sales Services von Schweizer Maschinenbau-Unternehmen und deren integrierte Darstellung als Modell haben gezeigt, dass es für kleine und mittelgrosse Firmen derzeit kaum möglich ist, Services im chinesischen Markt als eigenständiges und gewinnbringendes Geschäft zu betreiben. Produktbegleitende Dienstleistungen unterstützen vor allem den Neu- und Wiederverkauf von Maschinen und Anlagen. Diese Erkenntnis steht im Gegensatz zur Beobachtung, dass gegenwärtig viele Unternehmen im Industriesektor einen Wandel vom Produktionsunternehmen zum produzierenden Dienstleister vollziehen. 5.1Transformation vom produkt- zum dienstleistungsorientierten Industrieunternehmen In der betriebswirtschaftlichen Literatur lassen sich bezüglich dieser Transformation drei Phasen identifizieren, die in Tab. 5.1 dargestellt werden. Die Auseinandersetzung mit dem Transformationsprozess zum produzierenden Dienstleister widerspiegelt die zunehmende Bedeutung der Thematik für die Praxis. Während in Phase 1 Dienstleistungen als Ergänzung zu den hergestellten Produkten galten, haben Tab. 5.1 Transformation vom Produzenten zum Dienstleister: 3 Phasen in der Literatur. (Gebauer und Saul 2014) Phase 1 1987–1999 Dienstleistungen in produzierenden Unternehmen als Bestandteil des Investitionsgütermarketings Phase 2 2000–2009 Transformation vom Produzenten zum produzierenden Dienstleister als zunehmend wachsendes Forschungsthema Phase 3 seit 2010 Reifephase des Forschungsthemas © Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2018 M. Prandini et al., Industrielle After Sales Services in China, https://doi.org/10.1007/978-3-658-19042-2_5 77 78 5 Beurteilung der After-Sales-Service-Geschäftsmodelle … sich produktbegleitende Dienstleistungen ab Phase 2 zu einem immer eigenständigeren Geschäft entwickelt. Bei grossen, international tätigen Unternehmen wie ABB, General Electrics, IBM oder Siemens kann das Dienstleistungsgeschäft gegen 50 % des Umsatzes ausmachen (Gebauer und Saul 2014). Während Services von Unternehmen einst als notwendiges Übel beim Verkauf von Produkten angesehen wurden, hat sich diese Auffassung in der Zwischenzeit massgeblich verändert. Services stellen heutzutage häufig einen integralen Bestandteil und ein zentrales Differenzierungsmerkmal von angebotenen Leistungen dar. Das Dienstleistungsgeschäft hat bei Industriebetrieben eine Verstärkung der Kundenorientierung hervorgebracht, indem Services nicht mehr nur die Funktionalität des Produktes unterstützen sollen, sondern das Kundenbeziehungs-Management massgeblich verbessern (Baines et al. 2009). Der Transformationsprozess vom Produzenten zum Dienstleister ist allerdings als anspruchsvolle Managementaufgabe zu sehen, die eine Anpassung der unternehmerischen Strategie, Struktur und Kultur ebenso wie den Aufbau von betrieblichen Kompetenzen, Messgrössen und Anreizsystemen umfasst, die das Servicegeschäft unterstützen. Das Verständnis als Dienstleister bedingt einen Mentalitätswandel von einem technisch orientierten zu einem kundenbezogenen Geschäftsmodell. Oliva und Kallenberg (2003) betrachten die Transformation eines Industrieunternehmens vom Produzenten zum Dienstleister als Kontinuum, während dessen die Bedeutung von Services laufend zunimmt. Mehrere empirische Untersuchungen haben diese Auffassung bestätigt (Baumbach und Stampfl 2002; Oliva und Kallenberg 2003; Hildenbrand et al. 2006; Gebauer 2007; Gebauer et al. 2008; Seiter 2013; Ammann und Rodel 2014). Sie zeigen, dass sich der Servitization-Prozess durch die folgenden Merkmale auszeichnet: • Die Ziele der After Sales Services verschieben sich vom Produkteverkauf zur Behebung und Vermeidung von Störungen zur Übernahme der Leistungserstellung bis hin zur Optimierung der Leistungserstellung bei den Kunden. • Die Serviceangebote übernehmen Teile der Wertschöpfungskette von Kunden, damit sich diese auf ihre Kernkompetenzen fokussieren können. • Die Preisgestaltung für Services wird eigenständiger und orientiert sich vermehrt an der erbrachten Leistung. • Der Vertrieb von Services wird gebündelt und gewinnverantwortlich. • Die Vermarktung wird aktiver gestaltet. • Der Umsatzanteil von Services erhöht sich und kann bis zu 100 % ausmachen. • Der Transformationsprozess bedingt eine grundsätzliche Anpassung des Geschäftsmodelles einer Industrieunternehmung. 5.2Servitization-Stufenmodell für Industriebetriebe Aus dem oben dargestellten Transformationsprozess lässt sich ein Servitization-Stufenmodell ableiten, bei welchem sich ein Industriebetrieb über fünf Stufen vom reinen Produzenten zum Innovationspartner entwickelt (Tab. 5.2): 5.2 Servitization-Stufenmodell für Industriebetriebe 79 Tab. 5.2 Servitization-Stufenmodell für Industriebetriebe Produktanbieter Ziele Konzentration auf die Entwicklung und Herstellung von Produkten Problemlöser Problem-vermeider Behebung von Störungs- Vermeidung von Stöfällen bei Produkten rungsfällen bei Produkten Prozessbetreiber Innovationspartner Entlastung der Kunden von Produktionsprozessen Verbesserung von Produktionsprozessen von Kunden Angebote Transport Montage und Inbetriebnahme Schulung Ersatz-, Verbrauchs-, Verschleissteile Reparaturen Transport Montage und Inbetriebnahme Schulung Ersatz-, Verbrauchs-, Verschleissteile Reparaturen Präventive Wartung Transport Montage und Inbetriebnahme Schulung Ersatz-, Verbrauchs-, Verschleissteile Reparaturen Präventive Wartung Prozessbetrieb Prozessberatung Produktentwicklung Kauf- und Finanzierungsberatung Transport Montage und Inbetriebnahme Schulung Ersatz-, Verbrauchs-, Verschleissteile Reparaturen Präventive Wartung Prozessbetrieb Verrechnung Serviceleistungen im Produktpreis enthalten Fallweise Verrechnung von Serviceleistungen Fixe Preise für ServicePakete Verrechnung der Quantität von verfügbaren Leistungen Verrechnung der Qualität von verfügbaren Leistungen Vertrieb Leistungserbringung durch Servicemitarbeitende in unterschiedlichen Produktbereichen Führung Services als Cost Center Leistungserbringung Leistungserbringung durch eigenständige durch ServiceabteiServicegesellschaft lung mit persönlichen Ansprechpersonen Profit-Verantwortung der Serviceabteilung Leistungserbringung durch Unternehmung, die sich als Dienstleister versteht Serviceangebot unterstützt den Produktverkauf Reaktive Vermarktung des Serviceangebots Verkauf von ServiceModulen als kombinierbare Servicepakete Verkauf der Dienstleistung steht im Vordergrund Keine Vermarktung des Produkts Transport Montage und Inbetriebnahme Schulung Leistungserbringung durch externe Serviceanbieter Vermarktung Verkauf des Produkts steht im Vordergrund Keine Vermarktung des Serviceangebots Verkauf des Serviceangebots steht im Vordergrund Produkt ist Bestandteil des Leistungsangebots 1. Produktanbieter: Industrielle Unternehmungen auf dieser Stufe verstehen sich als reine Hersteller von Maschinen und Anlagen, ohne produktbegleitenden Dienstleistungen eine Rolle einzuräumen. 2. Problemlöser: Industrielle Unternehmungen auf dieser Stufe sehen ihre Rolle vornehmlich darin, bei Störungsfällen von Maschinen und Anlagen mittels Reparaturen oder Ersatzteillieferungen einzugreifen. 3. Problemvermeider: Industrielle Unternehmungen auf dieser Stufe versuchen durch (präventive) Wartung potenzielle Störungen und Ausfälle von Maschinen und Anlagen zu vermeiden. 4. Prozessbetreiber: Industrielle Unternehmungen auf dieser Stufe übernehmen Teilbereiche der Wertschöpfungskette ihrer Kunden, damit sich diese auf ihre Kernkompetenzen konzentrieren können. 5. Innovationspartner: Industrielle Unternehmungen auf diese Stufe entwickeln mit ihren Kunden Prozesse der Wertkette weiter und übernehmen deren Ausführung. Die After-Sales-Service-Geschäftsmodelle für den chinesischen Markt der an der vorliegenden Untersuchung beteiligten Unternehmen können vorwiegend der Stufe 2 des Servitization-Stufenmodells zugeordnet werden. Die Industriebetriebe agieren als Problemlöser für ihre chinesischen Kunden, indem sie mittels Montage, Inbetriebnahme, Kundenschulungen, Ersatzteillogistik und Reparaturen einen reibungslosen Maschinenbetrieb bei ihren Kunden sicherstellen. Serviceangebote werden auf dieser Stufe mehrheitlich 80 5 Beurteilung der After-Sales-Service-Geschäftsmodelle … über den Produkteverkauf quer subventioniert. Die Vermarktung erfolgt reaktiv. Der Vertrieb wird über eine eigene Servicestelle oder in Kooperation mit einem Servicepartner abgewickelt. After Sales Services werden in China als Cost-Center geführt und weisen einen maximalen Umsatzanteil von 15 % auf. 5.3Teufelskreis von After Sales Services für Schweizer Unternehmen in China Dieser Befund wirft die Frage auf, warum sich schweizerische Industrie-KMU im chinesischen Markt nicht weiter rechts auf dem Dienstleistungskontinuum befinden. Das Angebot an After Sales Services ist traditionell und konservativ ausgestaltet und wirft für die untersuchten Unternehmungen kaum eine Rendite ab. Weshalb agieren die KMU im chinesischen Markt nicht als Problemvermeider oder Prozessbetreiber, um mit After Sales Services höhere Umsätze und Gewinne zu erzielen? Eine Erklärung könnte der in Abb. 5.1 dargestellte Teufelskreis bieten. Die Konzeption des After-Sales-Service-Gesamtmodells in Kap. 4 hat verdeutlicht, dass das Geschäft mit produktbegleitenden Dienstleistungen in China einer Vielzahl an externen und internen Einflussfaktoren unterliegt. Die Rahmenbedingungen des chinesischen Marktes bestimmen, wie die Unternehmen ihre After-Sales-Service-Angebote ausgestalten und welche Ergebnisse sich daraus ergeben. Aus dem Zusammenwirken dieser Faktoren könnte eine Art Teufelskreis entstehen, der die Weiterentwicklung der Services behindert. Die Unternehmungen beurteilen das Geschäftspotenzial in China wegen der Grösse und Dynamik des Landes als durchaus positiv, schätzen den chinesischen Markt RAHMENBEDINGUNGEN von After Sales Services in China GESTALTUNG von After Sales Services in China ERGEBNISSE von After Sales Services in China • Grosser Beratungsaufwand • Hohe Transferkosten Schweiz – China • Tiefes Qualitätsbewusstsein • Geringe Serviceansprüche • Kleines oder fehlendes Servicebudget • Kurzfristige Perspektive • Mangelhafte Ausbildung • Hohe Preissensibilität • Günstige lokale Konkurrenz • Geringe Wertschätzung von Arbeit • Do-it-yourself-Mentalität • Fehlende strategische Verankerung • Geringe Servicekapazität • Passive Marktbearbeitung • Unselbstständige Vertretungen • Geringe Anreize für Vertretungen • Lange Reaktionszeiten • Ungenügende Qualifikation der Servicetechniker • Hohe Preise • Geringe Ausschöpfung des Marktpotenzials • Wenig Umsatz Abb. 5.1 Teufelskreis von After Sales Services in China Literatur 81 aber aufgrund der bisher gemachten Erfahrungen mit After Sales Services als kritisch ein. Die hohe Preissensibilität, die kurzfristige Perspektive, das tiefe Qualitätsbewusstsein und die geringen Servicebudgets der Kunden sowie die günstige lokale Konkurrenz und die hohen Transferkosten führen bei den befragten Unternehmen zu einer kritischen bis negativen Einschätzung der Rahmenbedingungen in China für das After-Sales-Service-Geschäft. Diese zurückhaltende Einschätzung wiederum bewirkt eine reaktive Ausgestaltung des After-Sales-Service-Angebots mit einer vielfach fehlenden strategischen Verankerung, passiver Marktbearbeitung, geringen Anreizen für die Servicevertretungen und ungenügender Ressourcenallokation. Als Folge davon bleiben die erwarteten Umsätze und Gewinne aus, was die kritische Einschätzung der Rahmenbedingungen wiederum bestätigt. Diese Art von Teufelskreis stellt eine Hypothese dar, die aus der Beobachtung des Verhaltens der untersuchten Unternehmen entstand. Das folgende Kapitel prüft die Hypothese und entwickelt Empfehlungen zur Ausgestaltung von After Sales Services in China. Literatur Ammann, P. A., & Rodel, E. (2014). Industrielles Dienstleistungsmanagement. In W. Pepels (Hrsg.), Handbuch Kundendienstmanagement: Grundlagen des After Sales Marketing (S. 119– 145). Düsseldorf: Symposion. Baines, T. S., Lightfoot, H. W., Benedettini, O., & Key, J. M. (2009). The servitization of manufacturing. A review of literature and reflection on future challenges. Journal of Manufacturing Technology Management, 20(5), 547–567. Baumbach, M., & Stampfl, A. T. (2002). After Sales Management. Marketing – Logistik – Organisation. München: Hanser. Gebauer, H. (2007). Extending the service business in China: Experience of Swiss companies. Singapore Management Review, 29(1), 59–71. Gebauer, H., & Saul, C. (2014). Eine bibliometrische Analyse des Forschungsstandes und der zukünftigen Forschungsfragen für die Transformation vom Produzenten zum Dienstleister. Die Unternehmung, 68(4), 229–249. Gebauer, H., Pütz, F., & Seite, F. (2008). Ausbau des Servicegeschäfts in China. Industrie Management, 24, 19–22. Hildenbrand, K., Gebauer, H., & Fleisch, E. (2006). Strategische Ausrichtung des Servicegeschäfts in produzierenden Unternehmen. In K. Barkawi, A. Baader, & S. Montanus (Hrsg.), Erfolgreich mit After Sales Services. Geschäftsstrategien für Servicemanagement und Ersatzteillogistik (S. 73–94). Berlin: Springer. Oliva, R., & Kallenberg, R. (2003). Managing the transition from products to services. International Journal of Service Industry Management, 14(2), 160–172. Seiter, M. (2013). Industrielle Dienstleistungen: Wie produzierende Unternehmen ihr Dienstleistungsgeschäft aufbauen und steuern. Wiesbaden: Springer Gabler. 6 Empfehlungen zur Ausgestaltung von After Sales Services in China Das durch die Interviews mit den beteiligten Firmen erarbeitete After-Sales-Service-Gesamtmodell wurde nach einer Phase der Diskussion und Evaluation direkt vor Ort in China verifiziert. Dieser Schritt erfolgte mit der Begründung, dass ein umfassendes Verständnis des After-Sales-Service-Geschäft in China nur möglich ist, wenn die Thematik „from the inside“ analysiert wird, d. h. After Sales Services durch chinesische Stakeholder eingeschätzt und beurteilt werden. Hierzu wurden in China 15 teilstrukturierte Interviews mit Service-Niederlassungen, Service-Partnern und Kunden der beteiligten Unternehmen, unabhängigen Serviceorganisationen, chinesischen Unternehmensberatungen und Hochschulexperten geführt. In den Interviews wurden Fragen zur Bedeutung von After Sales Services in China, zu den Erwartungen chinesischer Kunden an das Serviceangebot, die Vermarktung von Services und deren Vertrieb sowie zur Zahlungsbereitschaft für After Sales Services gestellt. Es wurde abgeklärt, ob sich chinesische Kunden bezüglich dieser Faktoren in Segmente mit unterschiedlichen Ansprüchen einteilen lassen, worin die grössten Herausforderungen im Servicegeschäft in China liegen und welche Faktoren den Erfolg von After Sales Services in diesem Markt ausmachen. Ebenso interessierte die Frage, ob es in China Beispiele von Unternehmen gibt, welche ihr After-Sales-Service-Geschäft als Business betreiben können („service as business“). Die Interviews wurden protokolliert und anschliessend nach den Fragekategorien strukturiert. Die entstehenden Daten wurden einer qualitativen Inhaltsanalyse unterzogen und die resultierenden Erwartungen an die After Sales Services von Schweizer Maschinenbau Unternehmen in China dem AfterSales-Service-Gesamtmodell gegenübergestellt. Die Abweichungen wurden analysiert und Empfehlungen zur Anpassung der Services auf die Rahmenbedingungen des chinesischen Marktes entwickelt. © Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2018 M. Prandini et al., Industrielle After Sales Services in China, https://doi.org/10.1007/978-3-658-19042-2_6 83 84 6 Empfehlungen zur Ausgestaltung von After Sales Services in China 6.1Erwartungen an After Sales Services im chinesischen Markt Im Folgenden werden die aus den Interviews in China gewonnen Erkenntnisse konsolidiert und in Handlungsempfehlungen für kleine und mittlere Industriefirmen überführt, die in China After Sales Services anbieten. 6.1.1Bedeutung von After Sales Services in China Die befragten Interviewteilnehmer konnten wesentliche Punkte des Gesamtmodells bezüglich der Bedeutung von After Sales Services im chinesischen Markt bestätigen. Während in Europa und den USA After Sales Services als ein „Must“ gesehen werden, erachten viele chinesische Kunden diese als „Nice to Have“. After Sales Services sind ein zwingendes Argument zum Neuverkauf von Produkten („no services – no sales“), zur Bindung von Kunden für die Generierung von Wiederverkäufen sowie zur Informationsgewinnung von Kundenbedürfnissen als Grundlage für die Lokalisierung des Produkte- und Serviceangebots. Trotz der Betonung einer zunehmenden Bedeutung von After Sales Services stellen diese derzeit noch kaum ein eigenständiges Geschäftspotenzial dar. Für westliche Firmen ist das After-SalesService-Geschäft deshalb ein Spagat zwischen Geschwindigkeit, Kosten und Qualität. 6.1.2Erwartungen an das Angebot von After Sales Services in China Die befragten Interviewpartner äusserten eine Vielzahl von Erwartungen an das Angebot von After Sales Services. Erwartete Serviceangebote von chinesischen Kunden sind primär Installation, Schulung, Support, Reparatur sowie Ersatz- und Verschleissteile. Durch After Sales Services sollen vor allem Probleme auf dem ersten und zweiten SupportLevel abgedeckt werden. Präventive Services (Wartung) stellen derzeit für chinesischen Kunden noch kaum ein Bedürfnis dar. Service-Pakete werden von chinesischen Kunden deshalb häufig als unnötige Zusatzkosten aufgefasst. Die erwartete Service-Qualität soll sich in pragmatischen Lösungen, einer hohen Verfügbarkeit sowie einer Verselbstständigung des Kunden manifestieren. Die Befragungen zeigten, dass das Angebot an After Sales Services im chinesischen Markt von den Kundensegmenten, der Servicekapazität, der Verbundenheit der Maschine im Produktionsprozess, der Selbstständigkeit des Kunden sowie von gesetzlichen Regulierungen abhängt. Grosse und ältere Unternehmen fragen in der Regel weniger After Sales Services nach, weil diese über die Zeit hinweg eigene Servicekapazitäten aufgebaut haben und die vorhandenen Ressourcen nun auslasten müssen. Je stärker eine Maschine in den Produktionsprozess eingebunden ist, desto wichtiger werden Services erachtet, da bei einem Ausfall der Maschine die Produktion stillstehen würde mit entsprechend hohen Kostenfolgen. 6.1 Erwartungen an After Sales Services im chinesischen Markt 85 Aus diesen Rückmeldungen lassen sich die folgenden Empfehlungen ableiten: • Hersteller sollen sich darauf konzentrieren, Maschinen in Betrieb zu nehmen und deren Funktionsfähigkeit sicherzustellen. • Kunden sollen zur Bedienung, dem Unterhalt und der Lösung einfacher Probleme befähigt/geschult werden. • Services des ersten und zweiten Levels sollen standardisiert und lokal erbracht werden, während Services des dritten Levels kundenspezifisch ausgestaltet sein können. • After Sales Services können derzeit nur bei grossen Volumen („installed machine base“) und komplexen Produkten als eigenständiges Geschäft geführt werden. 6.1.3Erwartungen an die Preisgestaltung von After Sales Services in China Für die Preisgestaltung von After Sales Services in China nannten die interviewten Stakeholder ebenfalls eine ganze Reihe von Erwartungen. In erster Linie erwarten chinesische Kunden immer einen „better deal“ zu einem kompetitiven Preis. Da viele chinesische Firmen Services gratis anbieten, besteht auch gegenüber ausländischen Firmen die gleiche Erwartungshaltung. Für immaterielle Services wie Schulung, Reparatur oder Wartung besteht bei chinesischen Kunden eine geringe Zahlungsbereitschaft. Allerdings akzeptieren chinesische Kunden höhere Produktpreise, wenn die angebotenen Services inbegriffen sind. Chinesische Kunden haben in der Regel eine schlechte Zahlungsmoral. In gewissen Fällen wurde eine Zahlungsfrist von bis zu zwei Jahren genannt. Vorauszahlungen für After Sales Services sind nach wie vor selten. Die Bezahlung erfolgt in der Regel in RMB nach Erbringung der Leistung. Ausländische Hersteller müssen davon ausgehen, dass chinesische Kunden auf lokale Konkurrenz ausweichen, wenn sie den Preis für After Sales Services als zu hoch erachten. Die Preisgestaltung für After Sales Services hängt wie beim Angebot von den Kundensegmenten sowie vom Servicebudget, den Zahlungsfristen und der Zahlungsbereitschaft ab. Bei staatlichen Kunden sind das Servicebudget sowie die Zahlungsbereitschaft in der Regel höher als bei privaten Kunden, dagegen dauert die Zahlung bei staatlichen Kunden länger als bei privaten Kunden. Aus diesen Rückmeldungen lassen sich die folgenden Empfehlungen ableiten: • Installation, Schulung und Support sollen in den Produktpreis integriert werden. • Reparaturen sollen in den Ersatzteilpreis einkalkuliert werden. • Die Kalkulation für Services in China erfolgt „cost-based“ und nur in seltenen Fällen „value-based“. 86 6 Empfehlungen zur Ausgestaltung von After Sales Services in China 6.1.4Erwartungen an die Vermarktung von After Sales Services in China In Bezug auf die Vermarktung von After Sales Services in China betonten alle befragten Adressaten, dass die lokale Präsenz mit einer Niederlassung oder einem Servicepartner das wesentliche Verkaufsargument für After Sales Services ist. Der persönliche Kontakt der Verkäufer und Servicetechniker zum Kunden muss integraler Bestandteil der erbrachten Dienstleistungen sein. Während klassische Werbung über Werbebroschüren oder Anzeigen als wenig effektiv eingeschätzt wird, sind Referenzen wie bestehende Projekte, verkaufte Maschinen oder erbrachte Dienstleistungen eine entscheidende Grundlage für die Kundenakzeptanz. Die Kommunikation und Koordination mit Kunden soll weniger über E-Mail erfolgen, sondern über WeChat oder QQ. Aus diesen Rückmeldungen lassen sich die folgenden Empfehlungen ableiten: • In China müssen After Sales Services als wichtiges verkaufsunterstützendes Argument genutzt werden. • Eine proaktive Vermarktung des Serviceangebots sowie ein eigenständiger Verkauf von Service-Paketen lohnen sich mehrheitlich (noch) nicht. • Der persönliche Kontakt von Service-Verantwortlichen zu den Kunden ist das wichtigste Instrumentarium zur Vermarktung von After Sales Services. 6.1.5Erwartungen an den Vertrieb von After Sales Services in China Für den Vertrieb von After Sales Services in China wurde eine schnelle Reaktionszeit (24/7 inklusive Feiertage) als eine durchgängige Erwartung chinesischer Kunden an After Sales Services genannt. Um diese Erwartung als ausländischer Hersteller erfüllen zu können, ist eine lokale Präsenz mit Servicetechnikern und verfügbaren Ersatzteilen unabdingbar. Serviceleistungen müssen zudem durch lokale Servicetechniker erbracht werden („Chinese for Chinese interactions“). Aus diesen Rückmeldungen lassen sich die folgenden Empfehlungen ableiten: • Die Erwartung einer schnellen Reaktionszeit für die Lieferung von Services verlangt eine lokale Präsenz. • Der Vertrieb von After Sales Services setzt kulturelles Verständnis voraus, weshalb lokale Servicetechniker zum Einsatz kommen müssen. • Wenig komplexe Ersatzteile sollen in China zu lokalen Konditionen hergestellt und weitestgehend standardisiert werden. Der Vertrieb erfolgt von China aus. • Komplexe Ersatzteile können nach wie vom Hersteller erbracht und auf Kundenbedürfnisse angepasst werden. Der Vertrieb kann von der Schweiz aus erfolgen. 6.2 Gestaltung von After Sales Services im chinesischen Markt 87 6.2Gestaltung von After Sales Services im chinesischen Markt Die Interviews mit lokalen Stakeholdern ermöglichten eine Validierung des integrierten After-Sales-Service-Gesamtmodells (vgl. Kap. 4). Die geäusserten Erwartungen an das Angebot, die Preisgestaltung, die Vermarktung und den Vertrieb von After Sales Services in China sowie die daraus im vorhergehenden Kapitel abgeleiteten Empfehlungen lassen sich nun noch weiter konsolidieren. Abb. 6.1 stellt ein praxisorientiertes Handlungsmodell dar, das von kleinen und mittelgrossen Industriebetrieben zur Ausgestaltung des After-Sales-Service-Geschäfts in China herangezogen werden kann. Dieses Handlungsmodell wird im Folgenden näher beschrieben. Die verschiedenen im After-Sales-Service-Gesamtmodell eruierten Einflussvariablen lassen sich für den chinesischen Markt im Wesentlichen auf folgende vier Faktoren reduzieren: Cost, Convenience, Speed und Scale. Diese stellen die Rahmenbedingungen für das Geschäft mit After Sales Services in China dar. Cost Das After-Sales-Service-Geschäft in China ist stark kostengetrieben. Das kompetitive Umfeld bewirkt einen hohen Preis- und Kostendruck für Services. Im aktuellen Marktumfeld Chinas erwarten die Kunden, dass produktbegleitende Dienstleistungen kostenlos angeboten werden. Dies gilt insbesondere für nicht greifbare und wenig anspruchsvolle Services. Convenience Kunden in China erwarten eine hohe Aufmerksamkeit sowie eine pragmatische, lösungsorientierte und einfache Lieferung von After Sales Services. Der Kundennutzen durch After Sales Services entsteht mit einem lokalisierten Kundenziehungsmanagement, das sich durch eine hohe Agilität und Verfügbarkeit der Servicetechniker auszeichnet sowie Einflussfaktoren Cost (Kosten) Convenience (Kundennutzen) Speed (Geschwindigkeit) Scale (Skalierbarkeit) Servitization China (After Sales Services) ServiceManagement Gestaltungs -faktoren Technologie Service as Support Erfolgsfaktoren Umsatz KundenbeziehungsManagement Service as Business Gewinn Deckungsbeitrag Abb. 6.1 Handlungsmodell zur Ausgestaltung des After-Sales-Service-Geschäfts in China 88 6 Empfehlungen zur Ausgestaltung von After Sales Services in China ein vertieftes Verständnis chinesischer Geschäftspraktiken umfasst, damit Kunden langfristig an die Unternehmung gebunden werden können. Im derzeitigen Marktumfeld Chinas dienen After Sales Services mehrheitlich der Unterstützung von Produktneu- und wiederverkäufen. Speed Die auf eine Zeitperspektive von drei bis fünf Jahren orientierte Nutzung von Maschinen und Anlagen bewirkt in China derzeit eine nach wie vor geringe Bereitschaft zur (präventiven) Wartung. Die installierten Maschinen und Anlagen werden oft so lange genutzt, bis eine Störung oder ein Defekt auftritt. Ist dies der Fall, erwarten Kunden eine Behebung innerhalb von 24 bis 48 h. Eine 24/7-Reaktionszeit durch eine lokale Präsenz wird für die Produktehersteller damit zu einer zwingenden Voraussetzung zur Sicherstellung von After Sales Services bei ihren Kunden. Scale Die installierte Maschinen- und Anlagebasis („installed machine base“) ist der wesentliche Treiber für das After-Sales-Service-Geschäft. Je mehr Maschinen in Betrieb sind, desto höher ist das Potenzial einer Unternehmung zur Skalierung von After Sales Services. Die Möglichkeit zur Skalierung von After Sales Services stellt die Entscheidungsgrundlage dar, ob eine Unternehmung in China ein eigenes Servicecenter etablieren soll oder die Leistungen durch einen lokalen Servicepartner ausführen lässt. Die Grösse des chinesischen Marktes bietet die Voraussetzung zur Skalierung, setzt dieser aber gleichzeitig auch Grenzen aufgrund der geografischen und kulturellen Distanz. 6.3Empfohlenes After-Sales-Service-Geschäftsmodell für Schweizer Unternehmen in China Die aktuellen Rahmenbedingungen des chinesischen Marktes haben einen Einfluss darauf, wie ein schweizerisches KMU sein Service- und Kundenbeziehungsmanagement in China ausgestalten soll. Das Service Management umfasst das eigentliche Serviceangebot sowie die Preisgestaltung, die Vermarktung und den Vertrieb der Services. Das Kundenbeziehungsmanagement betont die speziell für den chinesischen Markt hohe Bedeutung persönlicher Kontakte der Service-Verantwortlichen zu den Kunden, um diese langfristig an die Unternehmung zu binden. Wie in Kap. 5 aufgezeigt, positionieren sich derzeit die meisten untersuchten Unternehmungen als Problemlöser auf Stufe 2 des Servitization-Stufenmodells. After Sales Services werden vorwiegend als „services as support“ angeboten. Für eine Positionierung von After Sales Services als eigenständiges Geschäftsmodell („services as business“) bieten die aktuellen Rahmenbedingungen in China derzeit noch wenig Potenzial für Schweizer Industrie-KMU, um mit After Sales Services zufriedenstellende Umsätze, Gewinne oder Deckungsbeiträge zu erzielen. Während sich mit (spezialisierten) tangiblen Ersatzteilen Deckungsbeiträge erzielen lassen, ist das Geschäft mit physisch nicht greifbaren Services wie Wartung, Reparatur oder Schulung im besten Falle kostendeckend. Aufgrund dieser Befunde empfehlen wir kleinen und mittleren Industriebetrieben das in Tab. 6.1 dargestellte After-Sales-Service-Geschäftsmodell für China: Beschaffung einfacher Ersatzteile Produktion komplexer Ersatzteile Reparaturangebot für anspruchsvolle Probleme Kundenschulung für Bedienung, Unterhalt und einfache Reparaturen Produktinstallation Serviceangebot (Product) Orientierung an lokalen Preisen für einfache Ersatzteile Organisation von Kundenveranstaltungen durch Hersteller Begleitung des Vertriebspartners bei wichtigen Kundenbesuchen Auftritt des Vertriebspartners im Namen des Herstellers Reaktive Vermarktung von nachgefragten Serviceleistungen Eigenes Servicecenter erst ab einer kritischen Grösse installierter Maschinen Schulung, Qualifizierung und Unterstützung des Vertriebspartners durch Hersteller Anspruchsvolle, kritische Ersatzteile durch Hersteller Lokale Beschaffung einfacher Ersatzteile Anspruchsvolle, kritische Reparaturen durch Hersteller Hinweis auf lokale Präsenz während Verkauf und in Verkaufsdokumentationen Kalkulation von Reparaturen in den Ersatzteilpreis Orientierung an internationalen Preisen für komplexe Ersatzteile Installation, Schulung und einfache Reparaturen durch lokalen Vertriebspartner Vermarktung von Services für Neu- und Wiederverkäufe von Maschinen Vertrieb (Place) Kalkulation von Installation, Schulung und Garantieleistungen in den Produktepreis Empfohlenes After-Sales-Service-Geschäftsmodell für Schweizer Unternehmen in China Preisgestaltung Vermarktung (Price) (Promotion) Tab. 6.1 Empfohlenes After-Sales-Service-Geschäftsmodell für China 6.3 Empfohlenes After-Sales-Service-Geschäftsmodell für Schweizer … 89 90 6 Empfehlungen zur Ausgestaltung von After Sales Services in China Serviceangebot Produktbegleitende Dienstleistungen dienen bei den aktuellen Rahmenbedingungen in China vorwiegend zur Unterstützung von Neu- und Wiederverkäufen von Produkten. Das von kleinen und mittleren Industrieunternehmen erwartete Serviceangebot umfasst die Unterstützung des Kunden bei der Installation und Inbetriebnahme von Maschinen und Anlagen sowie die Schulung des Kunden zur Bedienung, zum Unterhalt und zu einfachen Reparaturen. Komplexere Reparaturen werden direkt durch den Hersteller erledigt. Das Anbieten präventiver Wartungsverträge wird schweizerischen KMU derzeit nicht empfohlen. Aufgrund des Kostendrucks und der Erwartung nach schnellen Reaktionszeiten sollen einfache Ersatzteile direkt vor Ort zu lokalen Bedingungen hergestellt oder beschafft werden. Dadurch kann eine Unternehmung dem Kopieren von Ersatzteilen durch lokale Hersteller vorbeugen. Für komplexe Ersatzteile und eigentumsrechtlich relevante Bestandteile einer Maschine oder Anlage wird die Herstellung weiterhin in der Schweiz empfohlen. Preisgestaltung Für den chinesischen Markt müssen schweizerische Industriebetriebe Pricing-Modelle anwenden, mit denen die geringe Zahlungsbereitschaft chinesischer Kunden für After Sales Services umgangen werden kann. Dies kann durch BundlingAngebote sichergestellt werden. Immaterielle Services wie Installation, Schulung und Garantieleistungen müssen in den Produktpreis einkalkuliert werden. Reparaturen können über das Einkalkulieren in Ersatzteilpreise abgegolten werden. Das Pricing für einfache Ersatzteile muss sich an lokalen Vorgaben orientieren. Komplexe Ersatzteile können auch in China zu internationalen Preisen verkauft werden. Vermarkung Aufgrund der geringen Nutzeneinschätzung von Services durch chinesische Kunden wird schweizerischen Industriebetrieben derzeit keine eigenständige und aktive Vermarktung von Services empfohlen. Services sollen in erster Linie als Vermarktungsinstrument eingesetzt werden, um Neu- und Wiederverkäufe von Maschinen und Anlagen zu generieren. Die Vermarktung von Installation, Schulung und einfachen Reparaturen kann an einen lokalen Servicepartner delegiert werden, der vom Maschinen- oder Anlagehersteller entsprechend geschult und qualifiziert wurde. Vertrieb Für die in China erwartete schnelle Reaktionszeit von After Sales Services ist eine lokale Präsenz unbedingt notwendig. Im aktuellen Marktumfeld Chinas wird Industrie-KMU eine lokale Präsenz mit einem eigenen Servicecenter allerdings erst dann empfohlen, wenn sie eine kritische Grösse an installierten Maschinen („installed machine base“) erreicht hat. Den an dieser Studie beteiligten Industrie-KMU wird aus Effizienzund Kostengründen sowie aufgrund der grossen geografischen und kulturellen Distanz zu China empfohlen, die Erbringung von Services des ersten und zweiten Support-Levels wie Installation, Schulung und einfache Reparaturen durch einen lokalen Servicepartner erbringen zu lassen und damit keine eigene Serviceinfrastruktur vor Ort zu unterhalten. Anforderungen an einen solchen Partner sind ein bestätigter Leistungsnachweis für das Erbringen von After Sales Services, technisches Know-how, ein „swiss-oriented“ 6.3 Empfohlenes After-Sales-Service-Geschäftsmodell für Schweizer … 91 Qualitätsverständnis sowie der Besitz einer Import-/Exportlizenz. Für komplexe und verrechenbare Servicegeschäfte (dritter Support-Level) fliegt der Hersteller eigene Servicetechniker ein und leistet Unterstützung vor Ort. Während der Befragung in China wurden zum Beispiel zwei von Schweizern geführte Serviceunternehmen identifiziert, die für schweizerische Industrieunternehmen vor Ort Services des ersten und zweiten Support-Levels anbieten. Sie treten im Namen des Herstellers auf, garantieren eine Reaktionszeit von maximal 48 h, setzen für die Erbringung der Services Schweizer Ingenieure mit langjähriger China-Erfahrung sowie eigens geschulte lokale Servicetechniker ein und führen vom Hersteller autorisierte Ersatzteillager. Kosten für den Hersteller entstehen bei diesem Modell erst bei Inanspruchnahme entsprechender Leistungen. Ein Kostenvergleich hat aufgezeigt, dass bei einem solchen „After-Sales-Service-Buy-Modell“ bis zu 60 % eingespart werden kann. Die beiden Unternehmen dienen somit als „One-Stop-Shop“, der eine lokale Präsenz ermöglicht, ohne dass ein Industriebetrieb eine eigene, kostspielige Serviceinfrastruktur vor Ort aufbauen muss. Die Etablierung eines eigenen Servicecenters vor Ort wird einer Unternehmung nur dann empfohlen, wenn sie über genügend internationale Business-Erfahrung verfügt und die installierte Maschinenbasis gross genug ist, um das After-Sales-Service-Geschäft gewinnbringend zu betreiben. In der vorliegenden Studie treffen diese Bedingungen zum Beispiel auf die Kompressor AG zu, die aufgrund ihrer Grösse, der vorhandenen Kundenbasis sowie der Komplexität des Produkts (Kompressoren) ein eigenes Servicecenter in Shanghai und Xian führt, um eine möglichst optimale Abdeckung des chinesischen Marktes mit den angebotenen After Sales Services zu gewährleisten. In bestimmten Konstellationen kommt für Unternehmen eine Kombination aus eigener lokaler Servicecenter-Niederlassung sowie Kooperation mit einem lokalen Serviceanbieter infrage. Dies ist dann der Fall, wenn die Hauptkunden (z. B. internationale Grosskunden) vom Hersteller eine lokale Service-Präsenz erwarten und die zu erbringenden Serviceleistungen kundenspezifisch und anspruchsvoll sind. Bei einer solchen Mischvariante wird oft der Weg gewählt, dass (internationale) A-Kunden von der eigenen Service-Niederlassung bedient werden, während der Servicepartner die After Sales Services für (chinesische) B- und C-Kunden erbringt. 7 Ausblick auf die wirtschaftliche Entwicklung von China Die vorliegende Studie hat aufgezeigt, dass kleine und mittlere Industriebetriebe ihre After-Sales-Service-Modelle in China aufgrund hemmender Rahmenbedingungen konservativ und risikominimierend gestalten. Die Positionierung als Problemlöser auf Stufe 2 des Servitization-Kontinuums widerspiegelt das derzeit noch geringe Potenzial, in China mit After Sales Services ein eigenes Geschäftsfeld aufzubauen. Die in der vorliegenden Studie durchgeführten Befragungen in China zeigten allerdings auch, dass aufgrund der aktuellen wirtschaftlichen Entwicklungen mit einer Zunahme der Relevanz von Services bei Industriebetrieben zu rechnen ist. Der wirtschaftliche Transformationsprozess in China von einem export- und investitionsgetriebenen hin zu einem konsum- und innovationsorientierten Wachstumsmodell geht einher mit einem Lohn- und Kostenanstieg, einer weiteren Intensivierung des Wettbewerbs, einer Steigerung des Qualitätsbewusstseins, einer sich abzeichnenden Automatisierung sowie einem zunehmenden Druck zu einer ökologisch nachhaltigen Produktion. Diese Faktoren erfordern Produktivitäts- und Effizienzsteigerungen in der chinesischen Wirtschaft, was die Bedeutung von Services erhöhen wird. Es ist davon auszugehen, dass sich der Fokus im Servicebereich von der Stufe der Problemlösung zu den Stufen der Problemvermeidung und des Prozessbetriebes verschieben wird. Die Wichtigkeit präventiver Wartung sowie die Übernahme von nicht zur Kernkompetenz gehörenden Produktionsprozessen bei Kunden durch die Hersteller werden zunehmen. Die aktuellen Bestrebungen zur Innovationsförderung der chinesischen Wirtschaft werden zudem das Potenzial für westliche Unternehmen schaffen, sich im Bereich von After Sales Services als Innovationspartner von chinesischen Firmen zu positionieren. In der aktuellen Situation müssen kleine und mittelgrosse Industrieunternehmungen somit in der Lage sein, ihre After-Sales-Service-Angebote auf die bestehenden Rahmenbedingungen des chinesischen Marktes auszurichten, gleichzeitig aber auch die Kapazitäten © Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2018 M. Prandini et al., Industrielle After Sales Services in China, https://doi.org/10.1007/978-3-658-19042-2_7 93 94 7 Ausblick auf die wirtschaftliche Entwicklung von China und Ressourcen bereithalten, ihr After-Sales-Service-Geschäftsmodell den sich abzeichnenden Trends in China anzupassen. Der wesentliche Treiber für die industrielle Weiterentwicklung Chinas ist der Masterplan „Made in China 2025“, der das Land zu einer „High-Tech Superpower“ machen soll (Wübbeke et al. 2016; European Chamber 2017). Es ist davon auszugehen, dass die von der chinesischen Regierung vorgesehenen Massnahmen zur Realisierung dieses Masterplans westliche Industrieunternehmen massgeblich beeinflussen werden. Die – aus westlicher Sicht – damit verbundene Hauptfrage lautet, wie es europäischen (und amerikanischen) Firmen gelingt, den Technologie- und Innovationsvorsprung zu halten, der bis anhin den komparativen Wettbewerbsvorteil gegenüber chinesischen Firmen darstellte. Einflussreiche westliche Institutionen wie das Mercator Institute for China Studies (MERICS) in Berlin oder die European Union Chamber of Commerce in China haben denn auch schon mit je einer umfassenden Studie auf die „Made in China 2025“ Initiative reagiert. Der Ton beider Studien ist sehr kritisch; es werden viele Vorbehalte gegenüber der staatlich vorangetriebenen Wirtschaftspolitik Chinas geäussert. Um die Weiterentwicklung und zukünftige Positionierung von After Sales Services in China durch schweizerische (europäische) Industrieunternehmen beurteilen zu können, werden die wesentlichen Stossrichtung der „Made in China 2025“ Initiative nachfolgend kurz aufgezeigt (für eine umfassende Darstellung siehe MERICS 2016 und European Chamber 2017). Daraus werden anschliessend verschiedene Szenarien abgeleitet. 7.1Masterplan „Made in China 2025“ Mit der „Made in China 2025“-Initiative verfolgt die chinesische Regierung das Ziel, zur führenden Industrienation aufzusteigen. Grundlage dazu bildet der „Eins, Zwei, Drei, Vier, Fünf, Zehn“ Plan. „Eins“ steht für das Ziel, China zur Nr. 1 Industrienation zu entwickeln. „Zwei“ bedeutet die Integration von Industrie- und Informationstechnologien, um dieses Ziel zu erreichen. „Drei“ steht für den dreistufigen Prozess, bis das Ziel erreicht ist: In der ersten Stufe bis 2025 soll China zu den führenden Industrienationen aufschliessen. In Stufe zwei bis 2035 kann sich China in ausgewählten Industrien als Marktführer positionieren und in Stufe drei bis 2049 – dem 100-jährigen Jubiläum zur Gründung der Volksrepublik China – ist China die führende Industrienation weltweit. „Vier“ steht für die vier Prinzipien zur Erreichung des Ziels: Marktorientierung unter staatlicher Führung, langfristige Planung, Innovationssprünge in ausgewählten Bereichen sowie autonome Entwicklungen im Rahmen von Win-win-Kooperationen. „Fünf“ nimmt Bezug auf die fünf Leitlinien des Masterplans: Innovationsgetrieben, qualitätsorientiert, nachhaltig, prozess- und strukturoptimiert, talentfördernd. Und „Zehn“ schliesslich definiert die zehn Schlüsselindustrien, auf die China sich fokussieren will (Abb. 7.1; MERICS 2016; European Chamber 2017). Die von chinesischer Seite gewählte Terminologie zur Beschreibung der „Made in China 2025“-Initiative ist – wie in China üblich – blumig und harmonisch ausgelegt. Der Masterplan stösst dagegen vor allem aus westlicher Sicht auf zum Teil harsche Kritik. 7.1 Masterplan „Made in China 2025“ 95 Abb. 7.1 Schlüsselindustrien der „Made in China 2025“ Strategie. (Courtesy of © People’s Daily Online 2015. All Rights Reserved) Insbesondere die stark staatlich gelenkte Politik wird als ungeeignet und unfair eingeschätzt, was die European Union Chamber of Commerce in China dazu veranlasste, ihre Analyse des Masterplans mit dem Untertitel „Putting Industrial Policy Ahead of Market Forces“ zu versehen (European Chamber 2017). Es wird befürchtet, dass „Made in China 2025“ einhergeht mit protektionistischen Massnahmen, die ausländische Firmen vermehrt vom chinesischen Markt ausschliessen, und dies insbesondere in den zehn festgelegten 96 7 Ausblick auf die wirtschaftliche Entwicklung von China Schlüsselindustrien. Die im Masterplan definierten Indikatoren mögen diese Befürchtung nähren. Bis 2020 soll der Marktanteil heimischer Server in der Telekom- und Finanzindustrie 75 % betragen und bis 2025 auf 90 % erhöht werden. Der Anteil in China produzierter Roboter soll bis 2020 50 % ausmachen und bis 2025 auf 70 % gesteigert werden. 40 % aller Chips für Mobiltelefone sowie 80 % der Anlagen für erneuerbare Energien sollen bis 2025 aus China stammen. Im Schiffsbau strebt China bis 2025 einen weltweiten Marktanteil von 50 % an, und im Eisenbahnbau sollen bis 2025 40 % der Umsätze auf ausländischen Märkten generiert werden (MERICS 2016). Für die Erreichung der ambitionierten Zielsetzung stellt der chinesische Staat auf nationaler, provinzialer und kommunaler Ebene grosszügige Geldbeträge in Form von Subventionen und Funds bereit. Der nationale „Advanced Manufacturing Fund“ zum Beispiel ist mit CNY 20 Mrd. (EUR 2.7 Mrd.) alimentiert. Der „National Integrated Circuit Fund“ schaffte es gar auf CNY 139 Mrd. (EUR 19 Mrd.). Dazu kommen noch eine Vielzahl von Finanzierungsquellen von den Provinzen und Städten Chinas. MERICS (2016) geht davon aus, dass die „Made in China“-Initiative vor allem für Industrienationen grosse Auswirkungen haben wird, die selbst über weit entwickelte High-Tech-Sektoren verfügen, deren Wertschöpfung stark vom Industriebereich abhängt oder wirtschaftlich stark mit China vernetzt sind. Gemäss Abb. 7.2 gehören zu den am stärksten betroffenen Ländern Südkorea, Deutschland, Irland, Japan oder Ungarn. Die Schweiz fand keinen Eingang in diese Statistik, dürfte aber ähnlich wie Deutschland im „High Exposure“-Bereich anzusiedeln sein. 35 high exposure South Korea 30 Czech Republic Germany Japan Hungary Slovenia Lithuania Slovakia Ireland Poland Sweden Austria Finland Estonia Croatia Italy Belgium Denmark Spain Portugal Netherlands United States Latvia United Kingdom France Greece Bulgaria 25 20 Malta 15 10 5 0 Luxembourg Romania Cyprus low exposure 0 Source: MERICS 5 10 15 20 25 30 35 40 45 50 55 60 Importance of high-tech industries Share of manufacturing value-added contributed by high-tech industries (per cent) 65 70 © MERICS Dependence on manufacturing Share of manufacturing value-added of GDP (per cent) Under Pressure: Industrialised countries will feel the heat of Made in China 2025 Vulnerability of select industrial countries to Made in China 2025 Abb. 7.2 Auswirkungen der „Made in China 2025“ Strategie auf Industrienationen. (Courtesy of © MERICS 2016. All Rights Reserved) 7.1 Masterplan „Made in China 2025“ 97 So beeindruckend die Zielsetzungen der „Made in China 2025“-Initiative erscheinen mögen, es gibt zumindest auch Einschränkungen, die zu deren Realisierung angeführt werden. Dazu zählen der Fokus auf einige ausgewählte Industrien bzw. Industriebetriebe, die als „Frontrunners“ dienen werden. Eine breite Abstützung der Initiative für weite Bereiche der chinesischen Industrie gilt als fraglich. Der Top-down-Ansatz wird als ungeeignet erachtet, um die notwendigen Innovationen hervorzubringen. Es fehlt derzeit noch an qualifiziertem Personal, das High-Tech-Maschinen und Anlagen kompetent bedienen und warten kann. Hierfür müsste ein Berufsbildungssystem wie es die Schweiz und Deutschland kennt etabliert werden. Die angestrebte Automatisierung wird die Produktivität und Effizienz erhöhen, führt aber auch zu Entlassungen. Dies wiederum stellt für die chinesische Regierung einen Trade-off zwischen der Sicherung von Arbeitsplätzen und dem Erhalt politischer Macht dar, dessen Folgen nicht genau absehbar sind (European Chamber 2017). Die „Made in China 2025“-Initiative sollte von westlichen Unternehmungen in Bezug auf zwei Aspekte beurteilt werden: Innovation und Lokalisierung. Es kommt beim Masterplan klar zum Ausdruck, dass China mit der Förderung von „Smart Manufacturing“ die höherwertigen Bereiche der Wertschöpfungskette abdecken und damit aktiv lokalisierte Innovationsförderung betreiben will („moving up the value chain“). Während es bis anhin eine Art Arbeitsteilung zwischen westlichen Industrienationen und China gab – europäische und amerikanische Firmen fokussieren auf High-Tech und chinesische Unternehmen auf Low-Tech – ändert sich dies mit der „Made in China 2025“-Strategie. Stellt man sich einen Markt als Dreieck vor, deckten westliche Industriefirmen mit ihren spezialisierten Maschinen und Anlagen bis anhin die Spitze des Dreiecks ab, während chinesische Unternehmungen den mittleren (und teilweise noch unteren) Bereich des Dreiecks mit Massenproduktion bedienten. Viele westliche KMU – so auch die an der vorliegenden Studie beteiligten Unternehmen – agieren hierbei als „Hidden Champions“ in Nischenmärkten. Wie die vorliegende Untersuchung gezeigt hat, holen chinesische Firmen den Technologie-, Qualitäts- und Innovationsrückstand nun aber laufend auf. So haben mehrere der beteiligten KMU zum Ausdruck gebracht, dass chinesische Konkurrenten heute in der Lage sind, „80–90 % der Qualität zu 60 % des Preises“ anzubieten. Mit der „Made in China 2025“-Strategie wird sich diese Aufholjagd verstärken, und der komparative Vorteil westlicher Industrieprodukte schwindet weiter. Gleichzeitig rückt damit aber – wie weiter oben bereits festgehalten – die Bedeutung von Services in den Vordergrund. Mit dem Upgrading der chinesischen Wirtschaft werden nicht nur Unterhalt und Wartung von Maschinen und Anlagen, sondern insbesondere auch die digital unterstützte Vernetzung von Produktionsprozessen zunehmen. Damit in China tätige schweizerische (europäische) KMU die damit verbundenen Geschäftsopportunitäten wahrnehmen können, müssen sie die Charakteristika chinesischer Innovation verstehen, um darauf adäquat zu reagieren, sowie in der Lage sein, ihre Servicemodelle den lokalen Erfordernissen Chinas anzupassen. 98 7 Ausblick auf die wirtschaftliche Entwicklung von China 7.2Innovation als Treiber für Servitization in China Die Innovationskraft Chinas als Grundlage zur Realisierung der „Made in China 2025“-Strategie wird unterschiedlich beurteilt. Während die Innovationskapazität Chinas aus westlicher Sicht häufig noch angezweifelt wird – wie z. B. von Gupta und Wang (2013) mit ihrem Artikel „China Can’t Be a Global Innovation Leader Unless It Does These Three Things“ oder Abrami et al. (2014) in ihrem Artikel „Why China Can’t Innovate“ – sehen China-nahe Autoren ein grosses Potenzial chinesischer Innovationen – wie z. B. Tse (2015) mit „China’s Disruptors“ oder Yip und McKern (2016) mit „China’s Next Strategic Advantage. From Imitation to Innovation“. Für die vorliegende Studie und damit für schweizerische (europäische) Firmen von Bedeutung ist die Frage, wie sie im Rennen um globale Innovationsvorteile mithalten können, und hier insbesondere durch Servitization als Differenzierungs- und Wettbewerbsmerkmal. Die Schweiz steht nach wie vor an der Spitze des WEF Global Competitiveness Index (Schwab 2016), nicht zuletzt auch wegen der Innovationskraft der an der vorliegenden Studie beteiligten Unternehmen. Wie kann diese Position in Zukunft gehalten werden? Dazu ist vorerst ein Verständnis über die Charakteristika chinesischer Innovation nötig. McKinsey (2015) hat speziell für den chinesischen Markt ein Rahmenmodell entwickelt, das die folgenden vier China-spezifischen Archetypen von Innovation umfasst: • • • • Kunden-getriebene Innovation Effizienz-getriebene Innovation Technologie-getriebene Innovation Wissenschafts-getriebene Innovation Während China bei kunden- und effizienzgetriebenen Innovationen stark ist, weist das Land bei technologie- und wissenschaftsgetriebenen Innovationen noch einen Rückstand auf. Erstere zwei Archetypen von Innovation können von den spezifischen Rahmenbedingungen in China profitieren: der Grösse des Marktes als Grundlage für eine schnelle Kommerzialisierung von neuen Produkten und Dienstleistungen sowie des hoch entwickelten Business-Ecosystems aus Lieferanten und Produzenten. Die Grösse des chinesischen Marktes erlaubt es, neue Produkte, Dienstleistungen und Geschäftsmodelle sofort bei einer Vielzahl von Kunden zu testen (Beta-Testing) und aufgrund der in China üblichen Kundenfeedbacks laufend weiterzuentwickeln. Die hoch entwickelten Business-Ecosysteme des Yangtse-River-Deltas um Shanghai sowie des Pearl-River-Deltas um Shenzhen und Guangzhou ermöglichen es heute Unternehmungen dank effizienten Produktionsprozessen und -systemen, die Entwicklungszeit für das Design und Prototyping von üblicherweise 10 bis 15 Wochen auf zwei bis drei Wochen zu verkürzen und die Kosten von USD 100,000 bis 200,000 auf USD 30,000 bis 50,000 zu senken (McKinsey 2015). Letztere beiden Archetypen von Innovation hinken derzeit noch hinterher. Bei technologiegetriebenen Innovationen sind es lediglich ausgewählte Industrien wie Kommunikation (z. B. Huawei, Xiaomi), Windturbinen 7.3 Szenarien für die zukünftige Ausgestaltung … 99 (z. B. Goldwind, Envision Energy) oder High-Speed-Eisenbahn (z. B. CRRC Corporation), in denen China bereits international konkurrieren kann. Der wissenschaftsgetriebene Archetyp hat bis anhin noch keine bahnbrechende Innovation hervorgebracht (McKinsey 2015). Für die zukünftige Entwicklung von After Sales Services in China ist davon auszugehen, dass die kunden-, effizienz- und technologiegetriebene Innovation die Spreu vom Weizen trennen wird. Es werden sich diejenigen Unternehmen durchsetzen, die in der Lage sind, mit Produkt- und Prozessinnovationen sowie auf den chinesischen Markt zugeschnittenen Business-Modell-Innovationen einen hohen Kundennutzen zu schaffen. Für die Ausgestaltung von After Sales Services bedeutet dies, dass Unternehmungen nicht nur ihr Angebot mit weiteren Services ergänzen, sondern ihre Servicemodelle grundsätzlich überdenken müssen, um von der aktuellen Stufe 2 (Problemlösung) auf die nächsthöheren Stufen (Problemprävention, Prozessoptimierung, Innovationspartner) zu gelangen (Fischer und Simon 2016; Wang et al. 2016). 7.3Szenarien für die zukünftige Ausgestaltung von After Sales Services in China Ausgehend von den aktuellen Rahmenbedingungen des chinesischen Marktes sowie den oben skizzierten Entwicklungen sind für kleine und mittlere Industrieunternehmen diverse Zukunftsszenarien für die Gestaltung ihrer Servitization-Modelle in China denkbar: Stufe zwei der Problemlösung halten Bei diesem Szenario wird vom Status quo des After-Sales-Service-Geschäfts ausgegangen. Die Zahlungsbereitschaft chinesischer Kunden für Services bleibt bei diesem Szenario gering. Die Kunden ziehen es vor, einfache Ersatzteile lokal zu tieferen Preisen zu beschaffen sowie Wartung und Reparaturen selber auszuführen oder an lokale Serviceanbieter zu delegieren. After Sales Services stellen weiterhin kein eigenständiges Geschäftspotenzial dar, sondern dienen der Problemlösung bei Kunden und der Unterstützung für Produktneu- und Produktwiederverkäufe. Für schweizerische Industriebetriebe besteht bei diesem Szenario wenig Handlungsbedarf, ihr aktuelles After-Sales-Service-Geschäftsmodell anzupassen. Es wird aber angenommen, dass sich dieses Szenario nur noch kurzfristig halten lässt und kleine und mittlere Industriebetriebe somit Ressourcen und Kapazitäten für die Erweiterung ihres AfterSales-Service-Geschäfts in China bereithalten müssen. Stufe drei der Problemprävention erklimmen Bei diesem Szenario wird davon ausgegangen, dass der Druck zur Produktivitäts- und Effizienzsteigerung das Verständnis und die Bereitschaft bei chinesischen Kunden erhöht, ihre Maschinen und Anlagen regelmässig zu unterhalten und zu warten. Ebenso wird die Zahlungsbereitschaft der Kunden für Services zunehmen. Dadurch entwickeln sich für schweizerische Industrie-KMU After Sales Services vermehrt zu einem eigenständigen Geschäftsfeld. Voraussetzung für die 100 7 Ausblick auf die wirtschaftliche Entwicklung von China Realisierung des Geschäftspotenzials von After Sales Services ist eine Weiterentwicklung vom Problemlöser zum Problemvermeider, indem das aktuelle Serviceangebot (Installation, Unterhalt, Reparatur, Schulung) durch präventive Wartung ergänzt werden muss. Bei einer ausreichend grossen installierten Maschinenbasis lohnt sich die Etablierung einer eigenen Service-Niederlassung vor Ort, die durch ein lokales Management und lokale Servicetechniker als Profit-Center geführt wird. Servicebedürfnisse werden nach Kundensegmenten (z. B. staatlich/privat, gross/klein) gegliedert und durch modulare Servicepakete befriedigt. Die angebotenen Services werden aktiv bei den Kunden vermarktet. Für das Szenario Problemprävention wird ein Zeithorizont von 2018 bis 2022 angenommen. Aufgrund der obigen Ausführungen zur Weiterentwicklung der chinesischen Wirtschaft wird mit einer hohen Eintretenswahrscheinlichkeit dieses Szenarios gerechnet. Stufen vier und fünf der Prozessoptimierung und Innovationspartnerschaft anpeilen Für dieses Szenario wird davon ausgegangen, dass die Massnahmen der „Made in China 2025“-Strategie greifen werden. Chinesische Firmen schliessen die Innovationslücken zu westlichen Firmen und erhöhen dadurch die Konkurrenz im chinesischen, aber auch in ausländischen Märkten. Zur Durchsetzung der geplanten Massnahmen muss in den Schlüsselbranchen des „Made in China 2025“-Programms im chinesischen Markt mit einer Benachteiligung ausländischer Firmen zugunsten inländischer Unternehmen gerechnet werden. Technologisch wird die Vernetzung in der Industrie („Internet of Things“, „Internet of Services“) vorangetrieben. Der komparative Vorteil von Produkt- und Prozessinnovationen büsst für westliche Firmen zunehmend an Bedeutung ein. Service-orientierte, digital unterstützte Servitization-Geschäftsmodelle werden dagegen zum entscheidenden Differenzierungs- und Wettbewerbsfaktor. Der Zeithorizont für dieses Szenario ist bis 2025 anzusetzen. Die Eintretenswahrscheinlichkeit ist wie bei Szenario zwei als hoch einzustufen. Die mögliche Transformation Richtung Prozessoptimierer und Innovationspartner soll am Beispiel der Vermessungstechnik AG aufgezeigt werden. Wie in Abschn. 3.2.1 beschrieben, entwickelt, montiert und vertreibt diese Unternehmung Messgeräte für den Bahn- und Tunnelbau. Aufgrund des Ausbaus der High-Speed-Bahninfrastruktur hat der chinesische Markt für die Vermessungstechnik AG in den letzten Jahren stark an Bedeutung gewonnen und macht heute rund 30 % des Umsatzes aus. Die von der Unternehmung hergestellten Messgeräte werden unter anderem für die hochpräzise Vermessung des Abstandes zwischen den High-Speed-Bahnschienen eingesetzt. Dank ihres technologischen Vorsprungs – insbesondere bei der eingesetzten und auf den chinesischen Markt adaptierten Vermessungs-Software – hat es die Vermessungstechnik AG in China geschafft, die Marktführerschaft in ihrem Bereich zu erlangen. Ihre Messgeräte werden durch einen lokalen Distributor verkauft und unterhalten. Die Produkte werden mobil und unter starken Witterungseinflüssen eingesetzt; die hohe Präzision der Systeme verlangt deshalb regelmässige Überprüfungen. Wie beschrieben gehören zu den After Sales Services Schulungen, Wartungen, Reparaturen, Ersatzteile und Ersatzgeräte sowie Hardware- und Software-Updates. Das 7.3 Szenarien für die zukünftige Ausgestaltung … 101 aktuelle Business-Modell der Vermessungstechnik AG ist auf Stufe 3 anzusiedeln (Problemprävention), indem über die entsprechenden After Sales Services die Funktionalität der Messgeräte sichergestellt wird. Unternehmung A ist demzufolge bereits eine Stufe höher als die Mehrheit der in der vorliegenden Studie anzusiedelnden Unternehmen. Für die Vermessungstechnik AG stellt sich nun aber die Frage, ob das bestehende Business-Modell auch für die Zukunft noch den entsprechenden Kundennutzen schafft. Aktuell wird die Vermessung der Bahnschienen noch mobil mit den vom Unternehmen hergestellten Geräten vorgenommen. Dies geschieht sowohl vor Inbetriebnahme einer neuen Strecke sowie durch periodische Nachvermessungen. Der Wettbewerbsvorteil der Vermessungstechnik AG liegt derzeit noch in ihrer Innovationskraft beim Produkt mit der verwendeten Technologie (Software). Die sich durch „Made In China 2025“ abzeichnende Entwicklung geht dahin, dass On-Track-Measurement durch On-Train-Measurement abgelöst wird. Die Vermessung der Bahnschienen erfolgt dabei direkt durch den Hochgeschwindigkeitszug, der mit entsprechenden Sensoren ausgerüstet ist. Aufgrund der Integration von Industrie und Informationstechnologien mit der damit einhergehenden „Vernetzung der Dinge“ können durch das On-Train-Measurement Daten in Echtzeit und unter realen Bedingungen erfasst, gesammelt und ausgewertet werden. Ergibt sich irgendwo auf der Strecke ein Problem, kann sofort interveniert werden. Die erfassten Daten lassen sich in unterschiedlichster Weise auswerten, um die Bahnsicherheit zu erhöhen. Big Data verwandelt sich hiermit in Smart Data. Aus Kundensicht (chinesische Staatsbahn) erzeugt On-TrainMeasurement einen hohen Nutzen sowohl hinsichtlich Cost, Convenience, Speed and Scale (siehe Abschn. 6.2). Szenario drei verdeutlicht, wie sich ein Unternehmen auf die anstehenden Entwicklungen in China einstellen muss und Servitization als ein Zusammenspiel von Produkt, Services und Technologie nutzen kann. Es geht nicht mehr (nur) darum, ein hoch entwickeltes Produkt oder eine fortgeschrittene Technologie zu vermarkten, sondern mit einem überzeugenden, auf den chinesischen Markt zugeschnittenen Servitization-Business-Modell einen hohen Kundennutzen zu schaffen. Für die Vermessungstechnik AG bedingt dies den in Kap. 5 beschriebenen Transformationsprozess, indem sich die Unternehmung nicht mehr als Hersteller von Messgeräten versteht, sondern als Dienstleister für umfassende Bahnsicherheit. Das Angebot ist nicht mehr Hard- und Software mit den dazugehörenden After Sales Services, sondern eine Gesamtlösung zur Gewährleistung einer 24/7/365 Sicherheit. Eine solche Gesamtlösung umfasst On-Train-Measurement, Preventive Maintenance, Real-Time Monitoring und Diagnostics sowie Data-Mining und Data-Analytics. Bei diesem Servitization-Business-Modell wird die Dienstleistung zum bestimmenden Geschäftstreiber, während Produkt und Technologie ein „Add On“ darstellen. „Service as a support“ wird zu „Service as a business“. 102 7 Ausblick auf die wirtschaftliche Entwicklung von China Literatur Abrami, R. M., Kirby, W. C., & McFarlain, F. W. (2014). Why China can’t innovate. Harvard Business Review. https://hbr.org/2014/03/why-china-cant-innovate. Zugegriffen: 7. Apr. 2017. European Chamber. (2017). China manufacturing 2025: Putting industrial policy ahead of market forces. http://www.europeanchamber.com.cn/en/china-manufacturing-2025. Zugegriffen: 7. Apr. 2017. Fischer, B., & Simon, D. (2016). How Chinese companies disrupt through business model innovation. Harvard Business Review. https://hbr.org/2016/07/how-chinese-companies-disruptthrough-business-model-innovation. Zugegriffen: 7. Apr. 2017. Gupta, A., & Wang, H. (2013). China can’t be a global innovation leader unless it does these three things. Harvard Business Review. https://hbr.org/2013/11/china-cant-be-a-global-innovationleader-unless-it-does-these-three-things. Zugegriffen: 7. Apr. 2017. McKinsey. (2015). The China effect on global innovation. London: McKinsey Global Institute. MERICS. (2016). Made in China 2025 – The making of a high-tech superpower and consequences for industrial countries. https://www.merics.org/en/merics-analysis/papers-on-china/made-inchina-2025/. Zugegriffen: 6. Juni 2017. People’s Daily Online. (2015). ‘Made in China 2025’ to focus on ten key sectors. http://en.people. cn/n/2015/0522/c98649-8895998.html. Zugegriffen: 6. Juni 2017. Schwab, K. (2016). 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Die Firmen stellen hochwertige Maschinen und Anlagen her, die dank der „Swiss Made“-Qualität erfolgreich auf internationalen Märkten verkauft werden. Der Workshop hatte zum Ziel, die drängendsten Problematiken der Firmen im chinesischen Markt zu bestimmen. Bei der Diskussion mit den Firmeninhabern zeigte sich schnell, dass bei den Themen Marketing und Distribution der Schuh am meisten drückt. Das Erbringen von After Sales Services wurde dabei durchgehend als eine der grössten Herausforderungen genannt. Die Dringlichkeit und Relevanz der Problemstellung stellte eine geeignete Voraussetzung dar, eine Kooperation zwischen den Unternehmen und den zwei beteiligten Hochschulen im Rahmen eines KTI-Projekts einzugehen. Die Zusammenarbeit über die ganze Projektphase war sehr konstruktiv und professionell. Das Projekt ermöglichte unter den Anwendungspartnern einen intensiven und produktiven Wissens- und Erfahrungsaustausch. Der Einblick in die verschiedenen After-Sales-Service-Modelle führte bei den beteiligten Firmen zu Lerneffekten als Grundlage zur Optimierung des eigenen After-Sales-Service-Geschäfts in China. Die Analyse jeder Firma anhand einer Fallstudie erlaubte eine umfassende Auseinandersetzung mit der Problematik. Obwohl jede Unternehmung einen Einzelfall darstellt, war es möglich, die wesentlichen Herausforderungen des After-Sales-Service-Geschäfts von Industrie-KMU im chinesischen Markt zu eruieren. Es mag als Resultat ernüchternd erscheinen, dass sich derzeit mit After Sales Services im chinesischen Markt – dies im Gegensatz zu Europa und den USA – noch kaum Gewinne erzielen lassen. Die Ursachen hierzu sind vielfältig und komplex, wie dies im Gesamtmodell dieser Studie zum Ausdruck gebracht wurde. Dieses Resultat soll aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass produktbegleitende Dienstleistungen auch im chinesischen Markt an Bedeutung © Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2018 M. Prandini et al., Industrielle After Sales Services in China, https://doi.org/10.1007/978-3-658-19042-2_8 103 104 8 Schlussbetrachtung gewinnen werden. Der Transformationsprozess Chinas von einem export- und investitionsgetriebenen zu einem innovations- und konsumorientierten Wachstumsmodell wird die Relevanz von Services im Industriebereich erhöhen. Schweizerische Industrie-KMU tun deshalb gut daran, ihre aktuelle Positionierung des After-SalesService-Geschäfts als Problemlöser dem sich rasch wandelnden chinesischen Markt anzupassen. Die ambitionierten Ziele des „Made in China 2025“-Masterplans geben die Richtung vor. Auch wenn anzunehmen ist, dass nicht all die Ziele erreicht werden, so ist doch absehbar, dass China weitere grosse Sprünge nach vorne machen wird. Die Technologisierung der Wirtschaft und Industrie wird Unternehmen neue Möglichkeiten eröffnen, Servitization als profitables Geschäftsmodell zu etablieren. Ausländische Unternehmen müssen aber davon ausgehen, dass ihr Technologie- und Wettbewerbsvorsprung durch chinesische Firmen herausgefordert wird. Innovation ist und bleibt damit die bestimmende Grösse, diesen Vorsprung halten zu können. Produkt- und Prozessinnovationen alleine werden nicht mehr ausreichen, um sich erfolgreich im chinesischen Markt zu positionieren. Vielmehr müssen Firmen in der Kategorie von Geschäftsmodellinnovationen denken, bei denen Produkt, Services und Technologie zu einer Gesamtlösung kombiniert werden, die optimal auf den chinesischen Markt und den chinesischen Kunden zugeschnitten sind.