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ACC BWM Artikel

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E N TWI C K LU N G
Assistenzsysteme
Aktive Geschwindigkeitsregelung
mit Stop&Go-Funktion
im BMW 5er und 6er
Wird im BMW 3er, 5er, 6er, 7er bereits eine aktive Geschwindigkeitsregelung angeboten, so ist in den aktuell erhältlichen Modellüberarbeitungen von 5er und 6er eine Weiterentwicklung, die aktive Geschwindigkeitsregelung
mit Stop&Go-Funktion, verfügbar (ACC-Stop&Go). Diese entlastet den Fahrer auch bei als besonders unangenehm
empfundenen Aufgaben, wie dem Fahren im Stau und in stockendem Verkehr mit häufigem Wiederanfahren.
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1 Einleitung
Fahrerassistenzsysteme gewinnen nicht
nur durch erhöhte Medienpräsenz, sondern vor allem durch ein erhöhtes Bewusstsein der Fahrer für den vorhandenen Nutzen (zum Beispiel deutlich mehr Komfort,
gesteigerte Sicherheit) zunehmend an Bedeutung. Die BMW Group antwortet auf
dieses Marktbedürfnis bei Komfortsystemen mit einer konsequenten Weiterentwicklung der aktiven Geschwindigkeitsregelung (ACC, Active Cruise Control) zur aktiven Geschwindigkeitsregelung mit
Stop&Go-Funktion (ACC-Stop&Go), die seit
März 2007 erhältlich ist und einen weiteren Meilenstein der BMW Group Fahrerassistenz-Strategie darstellt. Durch die
nun verfügbare, automatische Geschwindigkeits- und Abstandsregelung bis in den
Stillstand und das automatische Wiederanfahren sowie weiterer funktionaler Erweiterungen und Anpassungen wird der Nutzbereich für den Fahrer deutlich erweitert.
2 Kundennutzen und Funktionsbeschreibung
War der Einsatzbereich herkömmlicher Systeme, wie der Geschwindigkeitsregelung
mit Bremsfunktion (DCC, Dynamic Cruise
Control) oder der ACC, auf den Geschwindigkeitsbereich oberhalb von 30 km/h beschränkt, so bietet die aktive Geschwindigkeitsregelung mit Stop&Go-Funktion nun
erstmals eine durchgehende Unterstützung
bis in den Stillstand, Bild 1 rechts.
Als Ausgangspunkt der nun vorliegenden Weiterentwicklung diente das bekannte, auf einer Fernbereichssensorik basierende ACC [1], das neben der Geschwindigkeitsregelung auch eine Abstandsregelung bietet, sofern sich andere Fahrzeuge
in der Spur vor dem eigenen Fahrzeug befinden. Im letzteren Fall wird nicht die eingestellte Geschwindigkeit gehalten, sondern durch automatisches Verzögern und
Beschleunigen das Fahrzeugverhalten innerhalb komfortabler Grenzen der jeweiligen Verkehrssituation angepasst. Diese
ACC-Funktionalität wurde im neuen ACCStop&Go nicht nur in vielen Details optimiert, sondern auch um den bisher nicht
abgedeckten Bereich von 0 bis 30 km/h erweitert [2].
Gerade die auf den ersten Blick vielleicht
unscheinbar wirkende Erschließung des untersten Geschwindigkeitsbereichs stellt für
den Fahrer einen deutlichen Mehrwert dar.
Das Fahren im dichten, kriechenden Verkehr sowie in Stausituationen wird entspan-
nter und stressfreier. Die Verwendung zusätzlicher Nahbereichssensorik, die die Verkehrsteilnehmer vor dem eigenen Fahrzeug
in einem breiteren Winkelbereich erfasst
sowie Teile der Nachbarspuren abdeckt, ermöglicht es, die permanenten, für den Fahrer besonders mühseligen, Anhalte-/Anfahrvorgänge an das System zu delegieren. Der
Fahrer kann, sofern gewünscht oder erforderlich, jederzeit eingreifen und behält somit die Hoheit über die komplette Fahrzeugführung. In den typischen Stausituationen
mit kurzen, aber oft wiederkehrenden Anhalte-/Anfahrvorgängen entfaltet das automatische Wiederanfahren (innerhalb einer
beschränkten Zeitspanne nach Erreichen
des Stillstands) seine volle Wirkung und
sorgt dafür, dass der Fahrer selbst in solch
unangenehmen, aber immer öfter vorkommenden Fahrsituationen entspannter sein
Ziel erreicht.
2.1 Allgemeine Dynamikausprägung
Da im unteren Geschwindigkeitsbereich
die Verzögerungs- und Beschleunigungsmanöver dynamischer ausfallen als bei höheren Geschwindigkeiten, wurde die maximale Systemverzögerung auf 4 m/s² angehoben (bisheriges ACC: 2.5 m/s²). Dies stellt
sicher, dass auch hohe Verzögerungen des
Vordermanns bis in den Stillstand ausgeregelt werden können. Sollte diese Maximalverzögerung, etwa aufgrund einer Notbremsung des Vorderfahrzeugs, einmal
nicht ausreichen, wird der Fahrer durch
eine optische und akustische Warnung zur
Übernahme der Fahrzeugführung aufgefordert.
Die Autoren
Thiemo Pasenau
ist Projektleiter ACCStop&Go bei der BMW
Group in München.
Dr. Thomas Sauer
ist Komponentenverantwortlicher für Nahbereichssensorik und Funktionsverantworlicher
Sensorfusion bei der
BMW Group in München.
Jörg Ebeling
ist Komponentenverantwortlicher für das Steuergerät Längsdynamikmanagement bei der
BMW Group in München.
Bild 1: Geschwindigkeitsregelung bei der BMW Group
Figure 1: BMW Group Cruise Control
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Assistenzsysteme
Bild 2: Lenkstockhebel für ACCStop&Go
Figure 2: Drop arm
for ACC-Stop&Go
2.3 Überholhilfe
Bei Geschwindigkeiten oberhalb von zirka
80 km/h wird der Fahrer bei Überholvorgängen durch eine dynamische Überholhilfe unterstützt. Basierend auf der Blinkerbetätigung des Fahrers wird eine zusätzliche Beschleunigung eingesteuert
und so das Überholmanöver und das Einfädeln in den schnelleren Verkehr auf der
Nachbarspur deutlich harmonischer und
flüssiger gestaltet. Diese Unterstützung
nutzt die Informationen der eingebauten
Verkehrssinnerkennung und wirkt somit
sowohl im Rechts- als auch im Linksverkehr.
2.4 Adaptive Dynamik durch
Navigationskopplung
Bild 3: Kombinationsinstrument und Anzeigen für ACC-Stop&Go
Figure 3: Instrument cluster and displays for ACC-Stop&Go
Neben der Überholhilfe bietet die Anbindung an das Navigationssystem eine zusätzliche Möglichkeit, die Beschleunigung
adaptiv auszulegen. Durch die Navigationskopplung steht die Information des
aktuellen Straßentyps (Stadt, Landstraße,
Autobahn) sowie des Straßenverlaufs zur
Verfügung, wodurch die Systemdynamik
an den jeweiligen Straßentyp und die aktuelle Kurvigkeit angepasst werden kann.
2.5 Modusumschaltung als
Expertenfunktion
2.2 Automatisches Anfahren
Ist das eigene Fahrzeug durch ein anhaltendes Vorderfahrzeug bis in den Stillstand abgebremst worden, erfolgt ein automatisches
Anfahren, sofern das Vorderfahrzeug innerhalb von zirka 3 s wieder beschleunigt. Nach
dieser Zeitspanne, die durch eine ISO-Norm
festgelegt ist, reicht eine Anfahrbestätigung
des Fahrers über den Bedienhebel oder ein
kurzes Antippen des Gaspedals, um die
Fahrt und die automatische Abstandsregelung wieder aufzunehmen. Das eigene Fahrzeug folgt daraufhin wieder automatisch
dem Vorderfahrzeug.
Sollte der Fahrer den Wunsch haben, auch
oberhalb der maximalen Wunschgeschwindigkeit von 180 km/h mit Unterstützung der Geschwindigkeitsregelung
zu fahren, ist jederzeit eine Umschaltung
in den DCC-Modus möglich. Dieser Modus
erschließt zusätzlich den Bereich bis 250
km/h, allerdings steht dem Fahrer hier
keine Abstandsregelung zur Verfügung,
Bild 1 links.
2.6 Erhöhte Verfügbarkeit
Bild 4: Head-up-Display-Anzeigen für ACC-Stop&Go (aktuelle Geschwindigkeit 40 km/h /
Wunschgeschwindigkeit 70 km/h)
Figure 4: Head-up display (EU version) with ACC-Stop&Go (current speed 40 km/h / set speed 70 km/h)
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Da im DCC-Modus keine Abstandsregelung
stattfindet, werden keine Daten der Radarsensorik benötigt. Somit ist die Expertenfunktion der Modusumschaltung auch
verfügbar, wenn die Radarsensorik ganz
oder teilweise ausfallen sollte (zum Beispiel aufgrund mechanischer Beschädigungen durch Parkrempler). Sollte nur die
Nahbereichssensorik ausfallen oder beschädigt werden, ist auch ein normaler
ACC-Betrieb, Bild 1 Mitte, im Geschwindigkeitsbereich von 30 bis 180 km/h auf Basis
der Daten des Fernbereichsradars möglich.
Die integrierte Linsenheizung des Fernbereichsradars beugt im Winter einem Festsetzen von Schneematsch vor, weshalb
auch ein Betrieb bei Schneefall oder
Schneebewurf durch Fremdfahrzeuge gewährleistet ist.
3 Anzeigen und Bedienung
Trotz des deutlich gestiegenen Funktionsumfangs konnte das bisherige ACC-Bedienkonzept – zweistufige Geschwindigkeitsverstellung (±1 km/h beziehungsweise ±10
km/h) und Abstandswippe zur Einstellung
der Abstandsstufen zwischen 1 s und 2,5 s
– auch im neuen ACC-Stop&Go beibehalten
werden, Bild 2. Die „Resume“-Taste dient
nun, neben der Wiederaktivierung des Systems, ebenfalls zur Anfahrbestätigung im
Stand. Die Expertenfunktion der Modusumschaltung wählt man über Langdruck
der Abstandswippe an.
Auffälligste Neuerung am Kombinationsinstrument ist die zweifarbige LED am
Rand des Geschwindigkeitsmessers, die die
aktuell gewählte Wunschgeschwindigkeit
bei aktivem System durch eine grüne Markierung anzeigt, Bild 3.
Bei deaktiviertem System oder nach Ablauf der Zeitspanne des automatischen
Anfahrens wechselt die Farbe der LED auf
orange als Zeichen dafür, dass keine Abstands- oder Geschwindigkeitsregelung
ohne weitere Bedienaktion des Fahrers
mehr stattfindet. Zusätzlich wird der Fahrer darüber informiert, welche Geschwindigkeit vom System nach einer erneuten
Aktivierung mit der Resume-Taste eingeregelt wird. Eine sinnvolle Ergänzung der
Anzeigen bietet das optionale Head-upDisplay, in das alle relevanten Informationen zu ACC-Stop&Go eingeblendet werden, Bild 4.
der Längsdynamik erfüllen. Im BMW 5er
werden hier die zentralen Aufgaben des
ACC-Stop&Go abgearbeitet. Das LDM-Steuergerät übernimmt die Auswertung der
Bedienaktionen des Fahrers, die Steuerung
und Überwachung des Gesamtsystems, die
Geschwindigkeits- und Abstandsregelung,
die Aufteilung der berechneten Beschleunigungsvorgabe auf die Aktuatoren An-
trieb und Bremse sowie die Ansteuerung
der Anzeigen. Die Ausgaben des LDM an
die Aktuatorik werden redundant überwacht. Dafür wurde eine Steuergerätearchitektur mit zwei Prozessoren, einem leistungsstarken Funktionsrechner (MPC 565
von Freescale) und einem Überwachungsrechner (Star12 von Freescale), gewählt,
Bild 6.
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4 Technik
4.1 Systemvernetzung im Bordnetz
Wie die aktive Geschwindigkeitsregelung
im aktuellen BMW 3er [3], ist auch das ACCStop&Go im neuen BMW 5er als verteilte
Funktion im Bordnetz realisiert, Bild 5. Die
beteiligten Kernsteuergeräte sind:
– die Sensoren Long-Range-Radar (LRR, 1)
und Short-Range-Radar (SRR 2, 3)
– ein weiterentwickeltes Längsdynamikmanagement-Steuergerät (LDM, 4)
– das Schaltzentrum Lenksäule (SZL, 5)
– das Kombinationsinstrument (Kombi, 6)
– die Bremsanlage (DSC premium, 7)
– der Antriebsstrang (DME, EGS, 8).
Die Sensoren sind über den Sensor-CAN
(S-CAN) an das LDM-Steuergerät angebunden. Die Kommunikation zu allen anderen beteiligten Steuergeräten ist über den
Power-Train-CAN (PT-CAN) realisiert.
Das LDM-Steuergerät der Continental
Automotive AG bietet eine Plattform für
Funktionen, die Aufgaben in der Regelung
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Assistenzsysteme
Bild 5: Systemvernetzung im Bordnetz für ACC-Stop&Go
Figure 5: System integration within the vehicle electrical system for ACC-Stop&Go
Das LDM als zentrales Steuergerät entkoppelt die Sensorebene von der Aktuatorebene.
Die Vorverarbeitung der Radarrohdaten zur
Berechnung der detektierten Objekte erfordert auf den Sensoren hohe Rechenleistung
und findet in einem 100 ms- (LRR) beziehungsweise 40 ms-Raster (SRRs) statt. Aufgrund von Komfortaspekten muss die Aktuatorik in einem schnelleren Raster angesteuert werden. Für das LDM-Steuergerät ist es
deshalb sinnvoll, zwei Rechenraster im Taskschema zu verwenden. Die sensorrelevanten
Signale werden in einer 100 ms-Task ausgewertet, die Daten für die Aktuatoren werden
in einer 20 ms-Task bereitgestellt.
Der Vernetzungsgrad des Systems ACCStop&Go ist sehr hoch. Das LDM-Steuergerät kommuniziert mit mehr als zwölf Partnersteuergeräten, neben den oben genannten Kernkomponenten beispielsweise
auch mit dem Navigationsmodul, dem Anhängermodul und der Airbagsteuerung,
Bild 5 (PT-CAN, 9). Deswegen wurde ein detailliertes Konzept zur Fehlererkennung
im Gesamtsystemverbund implementiert,
das einen eventuell auftretenden Fehler
einem speziellen Steuergerät im Funktionsverbund zuordnet. So kann im Kundendienst eine genaue Fehleranalyse und -behebung gewährleistet werden.
4.2 Sensorik
Bild 6: LDM-Steuergerät mit Gehäuse und Platine
Figure 6: LDM control unit with casing and circuit board
Bild 7: Erfassungsbereiche des LRRs und der beiden SRRs
Figure 7: Data acquisition range of the LRR and the two SRRs
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Aufgrund des im ACC-Stop&Go bis in den
Stillstand erweiterten Funktionsbereichs
ist die sensorische Abdeckung des Nahbereichs direkt vor dem eigenen Fahrzeug
von entscheidender Bedeutung. Der Erfassungsbereich des bisher eingesetzten LRRs
beginnt erst im Abstand von 2 m und erfasst die eigene Spur in einem Abstand von
zirka 13,5 m vollständig. Ebenso ist die vertikale Strahlöffnung für den Nahbereich
unzureichend. Diese Lücken schließen die
beiden Nahbereichsradare (SRR) mit jeweils
einem horizontalen Öffnungswinkel von
±40° beziehungsweise einem vertikalen
Öffnungswinkel von ±8° und einer Reichweite von etwa 20 m, Bild 7, [4].
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Assistenzsysteme
Bild 8: SRR bestehend aus Abdeckung (Radom), Antenne mit HF-Schaltung auf der Rückseite,
HF-Abschirmung, DSP-Platine und Gehäuse
Figure 8: SRR consisting of cover (radome), antenna with RF control on the back, RF shield,
DSP board and casing
Bild 9: Verbauposition LRR (1) und SRRs (2, 3); Darstellung ohne Frontschürze
Figure 9: Mounting position of LRR (1) and SRRs (2, 3); shown without front apron
Bild 10: Blockdiagramm der Sensordatenfusion
Figure 10: Block diagram of data fusion
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Als Fernbereichsradar wird das bisher
bei der BMW Group im ACC-System eingesetzte vierstrahlige 77 GHz-Radar der Robert Bosch GmbH verwendet. Weder die
Hardware noch die Detektionsalgorithmen
wurden geändert. Lediglich die Schnittstelle nach außen wurde modifiziert: Das Radar liefert die detektierten Ziele in Form
einer Objektliste zyklisch auf den S-CAN.
Die zwei SRRs der Firma Tyco Electronics Corp., Bild 8, stellen die neuen Komponenten im ACC-Stop&Go-Systemverbund
dar. Sie arbeiten mit einer Frequenz von 24
GHz und werden verdeckt hinter der Frontschürze verbaut, Bild 9. Die Abstandsmessung erfolgt über die Laufzeitmessung der
gesendeten Pulse, die Winkel bestimmt jeder SRR – ähnlich wie beim LRR – über einen Vergleich der Empfangsamplituden
verschiedener Antennenkeulen.
Um komplexe Verkehrsszenarien im
Nahbereich eindeutig auflösen zu können,
müssen sehr kurze Sendepulse verwendet
werden, was eine Bandbreite des Sendesignals von 4 GHz notwendig macht. Für die
weltweite funktechnische Zulassung derart
breitbandiger Sensoren sorgt das Hersteller
übergreifende SARA-Konsortium [5].
4.3 Sensordatenfusion
Die Sensordatenfusion, Bild 10, fasst die Objektinformationen der drei Sensoren in
Form von gefilterten „Tracks“ zusammen
und leitet daraus Signale wie zum Beispiel
die Beschleunigung der einzelnen Tracks
ab, die im Falle einer Abstandsregelung eine entscheidende Eingangsgröße für den
Regelalgorithmus darstellt [6].
Der erste Schritt der Fusion besteht darin, die einzelnen Objekte in ein gemeinsames Bezugssystem zu transformieren.
Außerdem werden hier die Winkelinformationen der SRR-Daten um die ebenfalls
von der Fusion geschätzten Dejustagewinkel dieser Sensoren korrigiert.
Der komplexeste Schritt besteht in der
Zuordnung der Einzelobjekte zu bereits bestehenden beziehungsweise neuen Tracks.
Dies geschieht unter Berücksichtigung der
jeweiligen Sensoreigenheiten. Sondersituationen aufgrund von Fehlmessungen wie
das Aufspalten eines Tracks in mehrere einzelne Tracks („Track-Split“) werden hier abgefangen. Die gewichtete Summation der
Detektionsgrößen wie Winkel und Querposition erfolgt ebenfalls unter Berücksichtigung der Messgenauigkeiten der jeweiligen
Sensoren. Danach werden diese Größen gefiltert, auf den nächsten Zeitschritt prädiziert und Daten wie die Längsbeschleunigung der Tracks abgeleitet. Dazu wird ein
so genanntes α-β-Filter verwendet.
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Assistenzsysteme
4.4 Objektbewertung
den. Dadurch wird eine Ausgabe kritischer
Werte in Richtung Aktuatorik verhindert.
Besonderes Augenmerk wurde auf den
neuen Betriebszustand „Stillstand“ gelegt.
Eine Sicherheitsfunktion überwacht die
Übergabe des Stillstandsmanagements vom
LDM-Steuergerät an das Bremsen-Steuergerät. Nach Ablauf der Zeitspanne, in der automatisch angefahren werden kann, wird
die Verantwortung, das Fahrzeug im Stillstand zu halten, an die Bremse übergeben.
Findet diese Übergabe nicht statt, wird
nach einer weiteren Wartezeit das System
deaktiviert, da ein Halten des Fahrzeugs
über einen längeren Zeitraum über die
elektronische Schnittstelle von LDM zu
Bremsensteuergerät nicht sichergestellt
werden kann.
Während der Entwicklungsphase ist das
Sicherheitskonzept sowohl durch Simulationen als auch durch Beherrschbarkeitstests
im Fahrzeug abgesichert worden. Im Fokus
stand dabei jeweils die Frage, ob durch die
bestehenden Sicherheitsüberwachungen
ein auch im Fehlerfall jederzeit beherrschbares Fahrzeugverhalten für den Kunden
sichergestellt ist. Die Simulationsergebnisse lieferten, unter Zugrundelegung von
bekannten, systemimmanenten Verzögerungszeiten (beispielsweise bis zur Ausgabe
von Warnungen und zum Aufbau des
Bremsdrucks) sowie der angenommenen
Reaktionszeiten der Fahrer, die theoretische Basis für eine Auslegung der Sicherheitsüberwachungen. Diese theoretischen
Untersuchungen wurden durch praktische
Fahrversuche mit unabhängigen Probanden, die mit künstlich erzeugtem Fehlverhalten des Fahrzeugs konfrontiert wurden,
bestätigt. Zudem wurde das normale Systemverhalten des ACC-Stop&Go im realen
Straßenverkehr durch ein unabhängiges,
externes Institut sowie durch einen unternehmensinternen Großversuch bewertet
und fortlaufend optimiert.
Von der folgenden Objektbewertung erhalten die berechneten Tracks ein Relevanzmaß, das als Wahrscheinlichkeit verstanden werden kann, ob es sich bei dem jeweiligen Track um ein für die Abstandsregelung relevantes Objekt handelt. Je nach Situation und Bewegungszustand aller
Tracks wird mit dieser Information das
letztendliche Regelobjekt ausgewählt.
4.5 Antriebs- und Bremsenansteuerung
Auf Basis dieses Regelobjekts wird die Antriebs- und Bremsenansteuerung vorgenommen. Die Schnittstellen zu Antrieb und
Bremse basieren auf Informationen über die
Soll- beziehungsweise Ist-Summen-Radmomente. Entgegen früherer Konzepte, die auf
Beschleunigungen beziehungsweise Kurbelwellenmomenten basierten, ist die einheitliche Regelgröße Radmoment besser geeignet, um die Vortriebskraft, die direkt auf die
Straße wirken soll, einzustellen. Das vom
Motor im jeweiligen Arbeitspunkt wirkende
Schleppmoment wird dabei sowohl zur Aktivierung der Schubabschaltung als auch
bei der Berechnung des resultierenden
Bremsmoments berücksichtigt. Die neue
Generation des Bremsregelsystems (unter
anderem mit Mehrkolbenpumpe und
Drucksensoren) ermöglicht dabei besonders
genaue, stufenlose und komfortable Regelungen. Betätigt der Fahrer während aktiver
ACC-Stop&Go Verzögerungen das Bremspedal, reduzieren optimierte Algorithmen unangemessene Pedalrückmeldungen soweit,
dass für den Fahrer so gut wie keine Beeinträchtigung des gewohnten Bremspedalgefühles vorhanden ist.
5 Sicherheitskonzept
Das Sicherheitskonzept besteht aus Funktionen, die systematische Fehler und Hardwareausfälle anhand ihrer Auswirkung
auf das Fahrzeugverhalten erkennen und
das Eintreten einer kritischen Fehlerfolge
unterbinden. Die Hardware des LDM-Steuergeräts ist als Zwei-Prozessor-Steuergerät
ausgelegt, was diversitäres Rechnen derselben Sicherheitsfunktionen auf beiden Prozessoren erlaubt. Flash, RAM und EEPROM
werden zyklisch auf fehlerhafte Zellen und
Speicherinhalte geprüft. Es werden insbesondere die Pfade zur Aktuatorik (Sollmomentenausgabe), die Fahrzeugbeschleunigung, der Betriebszustand und das Stillstandsmanagement überwacht. Fehlerhafte Ausgaben der Regelfunktionen können erkannt und vor dem Versenden zu
den Partnersteuergeräten abgefangen wer908
ATZ 10I2007 Jahrgang 109
Literaturhinweise
[1] Prestl, W., Sauer, T., Steinle, J., Tschernoster, O.: The
BMW Active Cruise Control ACC. SAE 2000-01-0344,
SAE World Congress, Detroit, Michigan, 2000
[2] Mayser, C., Steinle, J.: Keeping the driver in the loop
while using assistance systems. SAE 2007-01-1318,
SAE World Congress, Detroit, Michigan, 2007
[3] Steinle, J., Toelge, T., Thissen, S., Pfeiffer, A., Brandstäter, M.: Kultivierte Dynamik – Geschwindigkeitsregelung im neuen BMW 3er. ATZ/MTZ extra, Vieweg
Verlag, Wiesbaden, 2005, S. 122-131
[4] Richter, R.: Radar - Mehr Sicherheit im LKW. ATZ
(108), Heft 9, Vieweg Verlag, Wiesbaden, 2006,
S. 686-693
[5] Meinel, H. H., Wenger, J., Rollmann, G., Dominik, H.,
Riemann, A., Kunert, M.: 24 GHz UWB Technology for
Automotive Radar Applications, Int. Workshop on
UWB Technologies, Yokosuka, Japan, Dezember 2005
[6] Venhovens, E. P., Naab, K., Adiprasito, B.: Stop and Go
Cruise Control. FISITA World Automotive Congress,
Seoul, 2000
6 Ausblick
Die beschriebene Systemarchitektur auf
Basis von Nah- und Fernbereichssensorik
stellt die Grundlage für weitere Entwicklungen auf dem Gebiet der aktiven Sicherheit dar. Zudem ermöglicht die Integration
von Kameras und Bildverarbeitung eine
umfassendere Beurteilung von Verkehrssituationen für viele Fahrerassistenzsysteme.
Darüber hinaus wird künftig die zunehmende Integration von Systemen auf einem
zentralen Steuergerät die Systemvernetzung erhöhen und weitere funktionale
Synergien ermöglichen.
Download des Beitrags online unter I Download this article online at
www.all4engineers.de
For an English version of this article,
see ATZ Worldwide.
W O R L D W I D E
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vom Geräteanschluß entkoppelt, hat die
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