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Interview
Bauen wir künftig Häuser aus Pilz?
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Dirk Hebel, Professor für Entwerfen und Nachhaltiges BauenBild: KIT/Amadeus Bramsiepe
Die Baubranche muss nachhaltiger werden, fordert Architekt Dirk Hebel. Am Karlsruher
Institut für Technologie (KIT) entwickelt er deshalb neue Baustoffe – etwa aus Pilz.
Herr Hebel, Sie forschen an neuen Grundstoffen für das Bauwesen. Sind unsere
heutigen Baumaterialien nicht gut genug?
Von ihrer Funktion her sind sie sogar sehr gut und perfekt für ihren einmaligen Einsatz
entwickelt. Beton etwa lässt sich mittlerweile in nahezu jede Form bringen, ist sehr belastbar
und auch noch relativ günstig. Aber seine Klimabilanz ist schlecht und wir können nach
Gebrauch die ursprünglich eingesetzten Primärmaterialien Sand, Kies und Zement noch nicht
wieder zurückgewinnen. Viele Kompositwerkstoffe sind bislang nicht dafür entwickelt, in
eine zweite, dritte oder vierte Anwendung über zu gehen. Nehmen Sie etwa einen Baustoff
wie Holz: Pur verarbeitet bietet er viele Vorteile – er dient als CO2-Speicher, ist flexibel
einsetzbar und bei entsprechendem Schutz sehr langlebig. Deckenbalken aus
Gründerzeitbauten zum Beispiel könnten Sie ohne Qualitätsverlust für einem Neubau nutzen.
In modernen Gebäuden ist Holz aber häufig in Form von Leimbindern oder
Holzwerkstoffplatten verbaut – damit beginnt die sogenannte Kaskadennutzung, an deren
Ende die Verbrennung steht. Dabei wird das gespeicherte CO2 schlagartig wieder freigesetzt.
Zudem fällt eine toxische Asche an, die deponiert werden muss, statt zum Beispiel auf Äckern
als Nährstoff zu dienen. Und das, weil unsere Produkte häufig eine Vermischung darstellen
von biologischen und synthetischen Materialien, was zu einer Sortenunreinheit führt.
Wie kann es besser laufen?
Indem wir sortenrein bauen: Verschiedene Materialien werden nicht mehr unlösbar
miteinander verbunden, sondern in Gebäude intelligent eingelagert. Wir müssen bei der
Planung schon das einfache Rückbauen mit einplanen. Und zudem müssen wir neue,
sortenreine und konsistente Materialklassen erforschen. Hier bieten sich große Chancen für
die Wirtschaft: Wir müssen neue, lösbare Fügetechniken erproben, neuartige Bindemittel und
Schutzschichten erfinden, die eventuell sogar selbst heilend sind, ähnlich unserer Haut. Auch
am KIT laufen dazu zahlreiche Projekte.
Gleichzeitig forschen Sie aber auch an ganz neuen Baumaterialien, etwa aus Pilz. Wie
lassen sich damit Häuser bauen?
Ganze Häuser haben wir noch nicht damit gebaut, aber das wird kommen – davon bin ich
überzeugt. Denn mit Pilzmyzelium, also dem Wurzelwerk von Pilzen, lassen sich Bausteine,
Platten und Dämmmatten herstellen, die sich ähnlich einsetzen lassen, wie herkömmliche
Produkte. Dazu nutzen wir das Wurzelgeflecht von Pilzen: Die lassen wir auf einem
organischen Material wachsen, etwa Getreideschalen oder Holzspänen. Der Vorteil ist, dass
sich die Wurzelfäden von Pilzen miteinander verbinden, wenn sie aufeinander treffen, und so
eine feste Struktur bilden. Dieses Geflecht lassen wir zum Beispiel in Behältern wachsen, die
wie Ziegel geformt sind. Nach etwa einer Woche ist dieser Quader ausgefüllt. Wir erhitzen
ihn dann kurz, um den Organismus abzutöten – und zurück bleibt eine organische Struktur,
die sich auch als Baumaterial nutzen lässt. Je nach Pilzart, dem beigemischten „Futter“ oder
der Wachstumsdauer ist das Material druckresistent, biegesteif oder porös, dann lässt es sich
als Dämmung nutzen. Pilzmyzelium kann also unterschiedlich eingesetzt werden und ist ein
CO2 Speicher. Und da die Produkte von Anfang an konsistent gezüchtet wurden, können sie,
wenn man sie partout nicht mehr braucht, einfach auf den Kompost werfen – und werden so
zu Nährstoffen für andere Pflanzen.
12.12.2022 Interview: Jenny Niederstadt
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