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Handbuch Dampfturbinen

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Stefan aus der Wiesche
Franz Joos Hrsg.
Handbuch
Dampfturbinen
Grundlagen, Konstruktion, Betrieb
Handbuch Dampfturbinen
Stefan aus der Wiesche Franz Joos
(Hrsg.)
Handbuch Dampfturbinen
Grundlagen, Konstruktion, Betrieb
Herausgeber
Stefan aus der Wiesche
Fachhochschule Münster
Steinfurt, Deutschland
ISBN 978-3-658-20629-1
https://doi.org/10.1007/978-3-658-20630-7
Franz Joos
Helmut-Schmidt-Universität, Universität der
Bundeswehr Hamburg
Hamburg, Deutschland
ISBN 978-3-658-20630-7 (eBook)
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
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Vorwort
Vor rund einhundert Jahren konnte man die Gesamtheit des damaligen Dampfturbinenbaus noch in einem monumentalen Werk zusammenfassen, wie es A. Stodola in seinem
Klassiker „Die Dampfturbinen“ (4. Auflage, Springer-Verlag, Berlin, 1910) gelungen ist.
Eine solche vollständige Darstellung in nur einem Buch ist heute nicht mehr möglich, da
in den letzten Jahrzehnten im Dampfturbinenbau eine enorme Erweiterung des Kenntnisstandes und der konstruktiven Ausführungen erfolgte. Bemerkenswert ist, dass speziell
seit den 1990er-Jahren eine fast sprunghafte Weiterentwicklung einsetzte, die man nach
einem Wort von W. Ulm (VGB PowerTech 83 (2003), 1) als eine weitgehend unbemerkte
technologische Revolution bezeichnen könnte. Die modernen Dampfturbinen von heute
werden – vereinfacht ausgedrückt – anders konstruiert und gefertigt als ihre erfolgreichen
Vorgängerinnen von einst. Diese technologische Revolution blieb einer breiten Öffentlichkeit – aber auch einem großen Kreis von Fachleuten – verborgen, weil sie nur sehr
begrenzt in der Literatur außerhalb von Fachkonferenzen und Fachzeitschriften behandelt
wurde. Die Mehrzahl der englisch- und deutschsprachigen Bücher über Dampfturbinen
wurden vor 1990 geschrieben. Auch die derzeit verbreitete Fachliteratur, wie beispielsweise die VGB-Fachkunde „Dampf- und Gasturbinen“ (VGB PowerTech, Essen), spiegeln
meist nur den Stand der späten 1980er-Jahre wider. Infolgedessen erschien es den Herausgebern und Autoren des vorliegenden Buches und dem Verlag geboten, ein aktuelles
Handbuch über Dampfturbinen zu verfassen, was einer größeren Leserschaft wieder eine
Orientierung über diesen nach wie vor wichtigen Bereich des Maschinenbaus ermöglicht.
Wie wichtig eine zeitgemäße Darstellung von Dampfturbinen ist, vermitteln die in
den USA erschienene kurze Zusammenfassung von H. Termuehlen („100 Years of Power
Plant Development: Focus on Steam and Gas Turbines as Prime Movers“, ASME Press,
2001) und die beiden ausführlichen Monographien „Steam Turbines for Modern FossilFuel Power Plants“ (Fairmont Press, 2007) und „Wet-Steam Turbines for Nuclear Power
Plants“ (PennWell, 2005) von A. S. Leyzerovich. In diesen Fachbüchern wird der enorme
Fortschritt der letzten Jahrzehnte im Dampfturbinenbau anschaulich dargestellt. Im Unterschied zu diesen Werken soll das hier vorliegende Handbuch aber nicht nur über moderne
Entwicklungen informieren, sondern auch die allgemeinen physikalischen und konstruktiven Grundlagen des Dampfturbinenbaus für einen weiten Kreis von interessierten Lesern
vermitteln. Dieser Grundidee folgend, befassen sich nach einer qualitativen Übersicht die
V
VI
Vorwort
ersten Kapitel mit den thermodynamischen, strömungstechnischen und rotordynamischen
Grundlagen. Auch die immer wichtiger werdende Thematik der Zweiphasenströmung in
Nassdampfdampfstufen wird in diesem Buch in Form eines eigenen Kapitels ausführlich
behandelt. Im gesamten Buch werden an verschiedenen Stellen moderne rechnergestützte
Auslegungs- und Entwicklungsverfahren aufgeführt, wobei die heute im Dampfturbinenbau unverzichtbaren numerischen Strömungssimulationen (Computational Fluid Dynamics (CFD)) darüber hinaus auch in einem separaten Kapitel vorgestellt werden. Ein
Großteil dieses Handbuches befasst sich mit den vielfältigen konstruktiven Aspekten des
Dampfturbinenbaus und der enormen Fülle an Ausführungsbeispielen. Inhaltlich folgen
die entsprechenden Kapitel dem Dampfpfad, d. h. beginnend mit den Einlassorganen werden entlang der Hauptströmung die einzelnen Komponenten der Dampfturbinen bis hin
zum Kondensator und Rückkühlwerk beschrieben. Die Ausführungsbeispiele und Anwendungen der Gesamtmaschinen erfolgen in separaten Kapiteln, die auch alle wichtigen
Kraftwerkseinsätze abdecken. Die überwältigende Mehrzahl der Dampfturbinen wird in
fossil befeuerten Kraftwerken oder in Kernkraftwerken eingesetzt, aber auch die geound solarthermischen Dampfkraftwerke werden in diesem Buch als Beispiele für umweltfreundliche Dampfkraftprozesse näher behandelt. Der Einsatz der Dampfturbine als
Schiffsantrieb wurde aber wegen der heute sehr geringen Bedeutung in diesem Handbuch
weitgehend ausgelassen. Der letzte Teil der Kapitel befassen sich mit den verschiedenen
Aspekten des Betriebs von Dampfturbinen, wie Regelung und Vermeidung von Störungen, oder Abnahme- und Betriebsversuche.
Bei der Abfassung der einzelnen Kapitel wurde darauf hingearbeitet, dass diese möglichst auch für sich alleine schon gut lesbare Einheiten darstellen. Die eventuell im Text
und im Bildmaterial auftretenden kleinen inhaltlichen Überschneidungen wurden im Sinne einer besseren Lesbarkeit bewusst in Kauf genommen. Größere inhaltliche Wiederholungen wurden aber vermieden, so dass in Einzelfällen Rückgriffe auf andere Kapitel für
Leser hilfreich sein mögen. Auch wurde in den einzelnen Kapiteln darauf geachtet, dass
als Formelsymbole möglichst die in den jeweiligen Fachgebieten übliche Nomenklatur
verwendet wurde. Dies führt zwar zu einer teilweisen Mehrfachbelegung der Symbole,
doch sollten dadurch keine größeren Schwierigkeiten auftreten, da die jeweilige Bedeutung immer aus dem Zusammenhang klar hervorgeht.
In das Buch ist das Wissen eingeflossen, das die Autoren während ihrer Hochschulund Industrietätigkeit über viele Jahre hinweg im Bereich der Dampfturbinen erworben
haben. Dieses Buch konnte aber auch nur geschrieben werden, weil die Autoren in Gesprächen mit vielen Experten aus Industrie und Hochschule wichtige Erfahrungen über
ihren persönlichen Arbeitsbereich hinaus sammeln durften. Diesen Experten und ihren
Firmen und Hochschulen, die das vorliegende Buch unterstützten, gilt der gemeinsame
Dank der Autoren. Besonders sei an dieser Stelle die Unterstützung durch den VGB und
seinen Experten erwähnt.
Dieses Handbuch konnte nur durch das Interesse und die Unterstützung des Verlages,
und ganz besonders durch Herrn Zipsner und Frau Zander (Springer-Vieweg-Verlag) erscheinen. Wir alle hoffen, dass dieses Handbuch eine gute Aufnahme findet.
Vorwort
VII
Bei der viel Sorgfalt erfordernden Bearbeitung der Manuskripte und Abbildungen dieses Buches wurden wir von unseren Mitarbeitenden großartig unterstützt. Ohne sie wäre
das hier vorliegende Buch in dieser Form nicht entstanden. Die Herausgeber möchten
an dieser Stelle den besonderen Einsatz von Martina Gerds hervorheben, die auch vor
den eher unangenehmen Aufgaben der Literaturverzeichniserstellung und der Kontrolle
der Nomenklatur nicht zurückschreckte. Weiterhin möchten wir die vielfältige administrative und zeichnerische Unterstützung (in alphabetischer Reihenfolge) durch Karsten
Hasselmann, Maximilian Passmann, Felix Reinker, Reiner Schönfeld, Stephan Uhkötter
und Robert Wagner nicht unerwähnt lassen.
Stefan aus der Wiesche
Franz Joos
Oktober 2017
Einheiten und wichtige Formelzeichen
Einheiten
In diesem Buch werden die Einheiten im SI-System mit den Grundeinheiten
Länge
Masse
Zeit
Temperatur
m (Meter)
kg (Kilogramm)
s (Sekunde)
K (Kelvin)
verwendet. Für die Angabe der (absoluten) Temperatur wird im SI-System das Kelvin
(K) verwendet. In Größengleichungen darf das ebenfalls gebräuchliche Grad Celsius (ı C)
stets durch Kelvin ersetzt werden.
Aus den Basiseinheiten können kohärent die Einheiten für alle übrigen verwendeten
mechanischen und wärmetechnischen Größen abgeleitet werden. Die Einheiten von häufig
verwendeten Größen lassen sich nach den nachfolgenden Beziehungen angegeben:
Kraft
Druck
Energie/Arbeit
Leistung
spezifische Enthalpie
1 N D 1 kg m=s2
1 Pa D 1 N=m2 und 1 bar D 105 Pa
2
1 J D 1 N m D 1 Ws D 1 kg m2 =s
1 W D 1 J=s D N m=s
2
1 J=kg D 1 m2 =s
Wärmemengen tragen dieselbe Einheit wie Energie und Arbeit (J). Bei Wärmeströmen (Watt) wird oft durch einen Index auf den thermischen Charakter hingewiesen
(z. B. MWth ). Die Umrechnung der älteren Wärmeeinheit „Kalorie“ (cal) erfolgt gemäß
1 cal D 4;1855 J bzw. 1 kcal D 4;1855 kJ
IX
X
Einheiten und wichtige Formelzeichen
In der angelsächsischen Literatur werden neben den SI-Einheiten auch nicht-metrische
Einheiten verwendet. Die Umrechnung der wichtigsten Einheiten kann gemäß der nachfolgenden Tab. 1 erfolgen.
Tab. 1 Umrechnung von Einheiten
Größe
Länge
Masse
Temperatur
Druck
Energie
Leistung
SI-Einheit
cm
kg
ı
C
kPa
kJ
kW
Umrechnung (British oder Imperial Units)
1 inch D 2,54 cm
1 lb D 0,4536 kg
.ı F 32/=1;8
1 psi D 6,895 kPa
1 Btu D 1,055 kJ
1 hp D 0,7457 kW
Wichtige Formelzeichen
Nachfolgend werden die in diesem Buch häufig gebrauchten Buchstabensymbole und ihre
Einheiten aufgeführt. Hierbei wurde angestrebt, die in der Praxis gebräuchlichen Konventionen zu beachten. Beispielsweise wird die spezifische Gaskonstante in der Literatur
meist mit dem Buchstaben R bezeichnet, der auch für die Angabe von Radien verwendet wird. Ebenso ist es im Turbomaschinenbau üblich, die Umfangsgeschwindigkeit mit u
zu bezeichnen, was in der Thermodynamik oft die spezifische innere Energie bezeichnet.
Daher werden die Buchstabensymbole in den einzelnen Kapiteln dieses Buches teilweise
mehrfach gebraucht. Aus dem jeweiligen Zusammenhang im Text wird die jeweilige Bedeutung allerdings hervorgehen und sollte daher zu keinen praktischen Schwierigkeiten
führen. Formelzeichen, die in der nachfolgende Liste nicht enthalten sind, gehen aus der
Erläuterung im Text hervor.
Lateinische Formelzeichen
a
a
a
a
A
A
A
at
aS
An
B
Schallgeschwindigkeit
Beschleunigung
dimensionslose Winkelbeschleunigung
Flankentiefe eines Risses
Fläche bzw. Strömungsquerschnitt
Übertragerfläche
Korrekturfaktor
spezifische Turbinenarbeit
Hebelarm der Krafteinleitung
Integrationskonstante
Dauer
m/s
m/s2
–
m
m2
m2
–
J/kg
m
–
s
Einheiten und wichtige Formelzeichen
b
b
b
b
B
bL
bij
Bn
c
c
c
C
C
C
C
cp
cT
cv
Cb
Cc
Cf
Cm
Ca
d
D
D
d
d
D
D
D
e
e
E
E
E
e
e
E
E
EP
eS
spezifische Anergie
axiale Sehnenlänge
Lagerbreite
Rippenbreite
Lagerbreite
Stellgliedparameter
Dämpfungseintrag
Integrationskonstante
Strömungsgeschwindigkeit
spezifische Wärmekapazität
Steifigkeit
Konstante
Konstante
Korrekturfunktion (HEI)
Steifigkeitsmatrix
spezifische isobare Wärmekapazität
Torsionssteifigkeit
spezifische isochore Wärmekapazität
Vorlastgröße
Cunningham-Faktor
Korrekturfunktionen (HEI)
Vorlastgröße
Kapillar-Zahl
Durchmesser (Wellenzapfen)
Durchmesser
Diffusionskoeffizient
Durchmesser
spezifischer Dampfverbrauch
Durchmesser
Dämpfungsmaß
verallgemeinerte Dämpfungsmatrix
Exzentrizität
Regelabweichung (normiert, im Zeitbereich)
Energie
Elastizitätsmodul
Regelabweichung (normiert)
spezifische Exergie
spezifische Energie
E-Modul
Energie
Exergiestrom
Imperfektion, Unwuchtgröße
XI
J/kg
m
m
m
m
–
–
–
m/s
J/(kg K)
N/m
–
m
–
N/m
J/(kg K)
N m/rad
J/(kg K)
m
–
–
m
–
m
m
m2 /s
m
kg/kWh
m
–
N s/m
m
–
J
Pa
–
J/kg
J/kg
Pa
J
W
m
XII
e0
e*
EZ
f*
f
f
F
F
fM
Fm
Fp
ft
FT
g
G
g
G
G
G
G
h
h
H
H
h
h
H
H
H
H
H
hF
Ho
Hu
h
i
I
j
j
J
j+
k
Einheiten und wichtige Formelzeichen
Exzentrizität (Thomas-Kraft)
Verlagerung
Eindickzahl
Reibwertkennzahl
Frequenz
Reibungsfaktor
Kraft
Korrekturfaktor
Korrekturfunktion (HEI)
bruchmechanischer Formfaktor
Beiwert
Korrekturfunktion (HEI)
Beiwert
Gütegrad
Übertragungsfunktion (normiert)
Erdbeschleunigung
Gewichtskraft
Gibbs’sche freie Energie
Schubmodul
Turbulenzfaktoren
Nachgiebigkeit (h D 1=c)
spezifische Enthalpie
dimensionslose Filmhöhe
Thermodiffusionskoeffizient
spezifische Enthalpie
Spaltabstand
Enthalpie
Schaufellänge (Höhe)
Höhe
spezifische Totalenthalpie
Nachgiebigkeitsmatrix
Flanschhöhe
oberer Heizwert
unterer Heizwert
spezifisches Enthalpiegefälle
Anstellwinkel (Inzidenz)
Tropfenbildungsrate
imaginäre Einheit
spezifische Dissipationsenergie
Keimbildungsrate
Depositionsrate
Dämpfungskonstante
m
m
–
–
Hz
–
N
–
–
–
–
–
–
–
–
m/s2
N
J
Pa
–
m/N
J/kg
–
m2 /s
J/kg
m
J
m
m
J/kg
m/N
m
J/kg
J/kg
J/kg
ı
–
–
J/kg
1/(m3 s)
–
N s/m
Einheiten und wichtige Formelzeichen
k
k
k
k
K
K
K
K
K
K
K
K
K
kB
KG
Kp
ksp
Kn
KT
L
l
l
l
L
L
L
Le
Li
Lu
m
m
m
m
M
M
M
m
P
Mm
MU
Ma
N
N
dimensionsloser Faktor
spezifische turbulente kinetische Energie
Wärmedurchgangskoeffizient
Umrechnungsfaktor
Konstante für Spaltverluste
Geschwindigkeitsbeiwert
Verjüngungsfaktor
Vergrößerungsfaktor
Konzentrationsfaktor
Festigkeitskennwert
Koeffizient (Einbaukennlinie)
Reglerkonstante (normiert)
bruchmechanischer Spannungsintensitätsfaktor
Boltzmann-Konstante
Kühlgrenzabstand
Druckverlustkoeffizient
Spalterregungssteifigkeit
Knudsen-Zahl
Kosten
Lagerabstand
Länge
Sehnenlänge
Schaufelhöhe
spezifische latente Wärme, Umwandlungsenthalpie
Schaufellänge
Länge
Lewis-Zahl
spezifische innere Arbeit
spezifische Umfangsarbeit
Rippenkenngröße
Masse
Vorlast (preload, Lager)
Exponent (Einbaukennlinie)
Moment
Massenstrom
Massenmatrix
Massenstrom
Molmasse
Umfangsmachzahl
Mach-Zahl
Anzahl
Exponent
XIII
–
J/kg
W/(m2 K)
–
–
–
–
–
–
Pa
–
–
Pa/m1=2
J/K
J/K
–
N/m
–
EURO
m
m
m
m
J/kg
m
m
–
J/kg
J/kg
1/m
kg
–
–
Nm
kg/s
kg
kg/s
kg/mol
–
–
–
–
XIV
N
n
n
n
n
np
nq
nS
nbtf
Ne
Nu
NTU
Oh
p
p
p
P
P
pK
Pr
psat
PV
q
q
q
q
q
Q
Q
qc
q
qP
QP
qP S
R
r
r
r
R
R
ra
rh
Einheiten und wichtige Formelzeichen
Lastspielzahl
Drehzahl
Anzahl
Polytropenexponent
Anzahl von Rohren
Polytropenexponent
spezifische Drehzahl
Anzahl der Starts
Modellparameter für die Tropfenbildungsrate
Newton-Zahl
Nusselt-Zahl
Zahl der Übertragungseinheiten (number of transfer units)
Ohnesorge-Zahl
spezifische Tragkraft
Druck
spezifische Lagerbelastung, Flächenpressung
Leistung
Polanzahl
Kondensatordruck
Prandtl-Zahl
Sättigungsdruck (Dampfdruckkurve)
Ventilatorleistung
Kondensationskoeffizient
spezifische Wärmemenge
verallgemeinerter Freiheitsgrad
Pressung
bruchmechanischer Exponent
Durchflussfunktion
Volumenstrom
Verdampfungskoeffizient
mittlere Pressung
Wärmestromdichte
Wärmestrom
Strahlungsdichte
Reaktionsgrad
Reaktionsgrad
Radius
(komplexe) Auslenkung
Radius
spezifische Gaskonstante
Außenradius
Nabenradius (hub)
–
1/s
–
–
–
–
1/s
–
–
–
–
–
–
N/cm2
Pa
N/mm2
W
–
Pa
–
Pa
W
–
J/kg
m
Pa
–
–
m3 /s
–
Pa
W/m2
W
W/m2
–
–
m
m
m
J/(kg K)
m
m
Einheiten und wichtige Formelzeichen
ri
rm
rt
Rf
Rh
RH
Rm
Rp
Re
Re
S
s
s
s
s
s
s
s
S
S
S
S
Sc
So
So*
Sr
St
T
T
t
t
t
t
T
T
u
U
u
u
U
U
Innenradius
Mittelradius
Spitzenradius (tip)
Foulingwiderstand
Rahmentoleranz
Wärmerückgewinnungsfaktor
universelle Gaskonstante
Festigkeitskennwert
Reynolds-Zahl
Reynolds-Zahl
Solarkonstante
spezifische Entropie
Teilung
spezifische Entropie
Teilung
Sehnenlänge
Wandstärke
Lagerspiel
Entropie
Übersättigungsverhältnis
Ablagerungsrate
Sicherheitsbeiwert
Schmidt-Zahl
Sommerfeld-Zahl
bezogene Sommerfeld-Zahl
Strouhal-Zahl
Stokes-Zahl
Reglerzeitkonstanten (normiert)
Betriebsdauer
Zeit
Teilung
Dicke
Temperatur
Temperatur
Drehmoment
Ausgangsgröße (normiert, im Zeitbereich)
Ausgangsgröße (normiert)
Umfangsgeschwindigkeit
Stellgliedparameter
Umfangsgeschwindigkeit
Unwucht
XV
m
m
m
m2 K/kW
–
–
J/(mol K)
Pa
–
–
W/m2
J/(kg K)
m
J/(kg K)
m
m
m
m
J/K
–
–
–
–
–
–
–
–
–
h
s
m
m
ı
C
K
Nm
–
–
m/s
–
m/s
kg m/s
XVI
U
un
v
v
v
V
V
Vx
VP
W
w
w
w
w
W
Wb
We
X
X
x
x
x
x
X
x
x*
Y
y
y
y
Y
YP
z
Z
Z
Z
Z
Z
ZM
Einheiten und wichtige Formelzeichen
Geschwindigkeit
Eigenfunktion der Biegeschwingung
spezifisches Volumen
Relativgeschwindigkeit
Verschwächungsfaktor
Volumen
Vergrößerungsfaktor
Messspiel
Volumenstrom
Führungsgröße (normiert)
Relativgeschwindigkeit
spezifische Arbeit
statische Durchbiegung des Rotors
spezifischer Wärmeverbrauch
Arbeit
Widerstandsmoment
Weber-Zahl
Dampfnässe
Prozessgröße (allgemein)
Dampfanteil
Koordinate
Wasserbeladung der Luft
Messwerte (allgemein)
Druckmittelbeiwert
Vektor der Freiheitsgrade
Strömungsgasgehalt
Regelgröße (normiert)
Koordinate
Dampfnässe
spezifische Strömungsarbeit
spezifische Stutzenarbeit
Totaldruckkoeffizient
Koordinate bzw. Höhe
Stufenanzahl
Kompressibilitätsfaktor
Spalt
Zweifel-Zahl
Kühlzonenbreite
Muldenanzahl
m/s
m
m3 /kg
m/s
–
m3
–
–
m3 /s
–
m/s
J/kg
m
–
J
m4
–
–
–
–
m
kg/kg
–
bar mm h/kg
m
–
–
m
–
J/kg
J/kg
–
m
–
–
m
–
K
–
Einheiten und wichtige Formelzeichen
XVII
Griechische Formelzeichen
˛
˛
˛
˛
˛
˛n
ˇ
ˇ
ˇ
ˇn
ˇT
ˇx
j
ı
ı
ı
ı
hv
"
"
"
"
"
"
DE
sp
A
C
E
Schaufelwinkel
Wärmeübergangskoeffizient
Verlustkoeffizient
Absorptionsgrad
Verhältnis der Enthalpiegefälle
Entwicklungskoeffizient
Schaufelwinkel
Massenanteil, Feuchtegehalt
thermischer Ausdehnungskoeffizient
Entwicklungskoeffizient
thermischer Ausdehnungskoeffizient
Stoffübergangskoeffizient
Rauheit
Winkel
Gewichtsanteil
Gewichtungsfaktor
Massenwachstumsrate
Spalt bzw. Spiel
Durchmesser-Zahl
Integrationskonstante (Winkel)
Ablenkung
Gefälle
Verdampfungsenthalpie
Teilbeaufschlagungsfaktor
Volumenverhältnis der flüssigen Phase
Exzentrizität
Dehnung
Effektivität
Emissionsgrad
Verlustkoeffizient
Reibungskoeffizient
exergetischer Wirkungsgrad des Dampferzeugerteils
Spaltverlustkoeffizient
dynamische Viskosität
Wirkungsgrad
Modifikationsfaktor
Verhältnis von Kreisfrequenzen
Ausnutzungsgrad des Abhitzekessels
Carnot-Faktor (gleich Carnot-Wirkungsgrad)
Eigenbedarf
ı
W/(m2 K)
–
–
–
–
ı
–
1/K
–
1/K
kg/(m2 s)
m
ı
–
–
–
m
–
rad
ı
J/kg
J/kg
–
–
m
–
–
–
–
–
–
–
Pa s
–
–
–
–
–
–
XVIII
K
sT
th
u
#
z
‚
‚a
‚p
B
S
'
'
'
Einheiten und wichtige Formelzeichen
Kessel-Wirkungsgrad
isentroper Turbinenwirkungsgrad
thermischer Wirkungsgrad
Umfangswirkungsgrad einer Stufe
Temperatur
Massenträgheitsmoment
nicht-isothermer Korrekturfaktor
Umfangswinkel
Zenitwinkel
Trägheitsmoment
axiales Trägheitsmoment
polares Trägheitsmoment
Isentropenexponent
Rotorschlankheitsgrad
Wärmeleitfähigkeit
Wellenlänge
Reibbeiwert
Massenstromanteil
Durchfluss-Zahl, Schluck-Zahl
dynamische Viskosität
dimensionsloses Verhältnis
kinematische Viskosität
normierte Drehzahl
Querkontraktionszahl
Staffelwinkel
Durchflussfunktion
Druckverhältnis
Dichte
Verformung
Reflexionsgrad
Spannung
Lauf-Zahl, Schnellläufigkeit
Oberflächenspannung
Zeitstandfestigkeit
Stefan-Boltzmann-Konstante
Schubspannung
Zeitskala, Relaxationszeit
Zeitkonstante
Transmissionsgrad
Durchfluss-Zahl
Winkel
relative Luftfeuchte
Winkel
–
–
–
–
ı
C
kg m2
–
rad
ı
kg m2
kg m2
kg m2
–
–
W/(m K)
m
–
–
–
Pa s
–
m2 /s
–
–
ı
–
–
kg/m3
m
–
Pa
–
kg/s2
Pa
W/(m2 K4 )
Pa
s
s
–
–
rad
–
rad
Einheiten und wichtige Formelzeichen
˚
!
!
!
!
˝
dimensionsloses Temperaturverhältnis
Durchflussziffer bzw. -Zahl
Durchsatzfunktion
Formfunktion (FEM)
relative Exzentrizität
Lastziffer
Modellparameter
Winkelgeschwindigkeit
Kenngröße für Heizkraftwerke
Eigenkreisfrequenz
Winkelgeschwindigkeit (Rotor)
XIX
–
–
–
–
–
–
–
rad/s
–
–
rad/s
Indizes
Indizes, wenn sie in der obigen Auflistung nicht schon aufgeführt sind, werden vorwiegend mit folgender Bedeutung gebraucht:
0
0
0
1
2
1
*
*
C
o1
a
ab
aus
B
cr
d, D
DT
E
E
eff
ein
f
FD
g
gg
Referenz, Umgebung
Leitradeintritt
Nennbetrieb
Laufradeintritt
Laufradaustritt
Unendlich, außen, Umgebung
Kritisch
Nennbetrieb
Dimensionslos
Totalzustand 1
außen
Abdampf
Austretend
Brennstoff
Kritisch
Dampf
Dampfturbine
Entnahme bzw. Anzapfstelle
Einspritzmenge
effektiv
eintretend
Film (Kondensation)
Frischdampf
Gewicht
Gegenlauf
XX
gl
Gr
ges
GT
h
HD
het
hom
hyd
ik
i
k
K
K
KM
KW
kr
L
L
LA
LB
LE
LE
m
max
min
n
R
R
red
ref
rev
RG
s
S
sat
Sp
t
T
th
th
tot
Einheiten und wichtige Formelzeichen
Gleichlauf
Grenze
gesamt
Gasturbine
horizontal
Hochdruck
heterogen
homogen
hydraulisch
Zustandsänderung von Zustand i nach k
innen
Kontaktlinie
Kondensator
Kühlung
Kühlmedium
Kühlwasser
kritisch
Lager
Luft
Laufrad
Lagerbock
Leitrad
leading edge (Vorderkante)
mittel
maximal
minimal
Mode n
Radraum
Rotor
reduziert
Referenz
reversibel
Rauchgas
isentrop
Schwerpunkt
Sättigung
Spalt
technisch
Turbine
theoretisch
thermisch
total
Einheiten und wichtige Formelzeichen
v
V
V
W
W
ZÜ
vertikal
Vorwärmung
Verlust
Welle
Wasser
Zwischenüberhitzung
Wichtige Abkürzungen und Akronyme
AM
CC
CFD
CSP
DKW
DWR
FEM
GuD
HD
HP
IP
ISCC
LP
MD
NCG
ND
NPP
ORC
RANS
SDV
SC
SPP
SWR
USC
Air Mass
Combined Cycle
Computational Fluid Dynamics (numerische Strömungsmechanik)
Concentrated Solar Power
Dampfkraftwerk
Druckwasserreaktor
Finite-Element-Methode
Gas- und Dampf
Hochdruck (vergleiche HP high pressure)
High Pressure
Intermediate Pressure
Integrated Solar Combined Cycle
Low Pressure
Mitteldruck (vergleiche IP intermediate pressure)
Non-Condensing Gas (nicht-kondensierbare Gas)
Niederdruck (vergleiche LP low pressure)
Nuclear Power Plant
Organic Rankine Cycle
Reynolds-Averaged Navier Stokes
spezifischer Dampfverbrauch
Super-Critical (überkritisch)
Steam Power Plant
Siedewasserreaktor
Ultra Supercritical (ultra-überkritisch)
XXI
Inhaltsverzeichnis
1
2
Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Stefan aus der Wiesche
1.1 Dampfturbinen und die Struktur technologischer Umwälzungen
1.2 Historische Entwicklung und Übersicht . . . . . . . . . . . . . . . .
1.3 Klassifizierung von Dampfturbinen . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1.4 Einige Angaben zur weltweiten Dampfturbinenindustrie . . . . .
Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Aufbau und Wirkungsweise von Dampfturbinen . . . . . . . . . .
Matthias Neef und Stefan aus der Wiesche
2.1 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
2.1.1 Vorläufer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
2.1.2 Kolbendampfmaschine . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
2.1.3 Dampfkraftprozess . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
2.1.4 Erste Betrachtung zur Dimensionierung . . . . . . . . .
2.2 Stufen und Beschaufelung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
2.2.1 Aufbau einer Stufe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
2.2.2 Axiale und radiale Bauweise . . . . . . . . . . . . . . . .
2.2.3 Einführung von Gleichdruck- und Überdruckbauweise
2.2.4 Gleichdruck- oder Aktionsstufen (Kammerbauweise) .
2.2.5 Überdruck- oder Reaktionsstufen (Trommelbauweise)
2.2.6 Mehrstufigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
2.2.7 Vergleich von Gleichdruck- und Überdruckturbinen . .
2.3 Aufbau von Dampfturbinen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
2.3.1 Gehäuse mit Dampfein- und -austritt . . . . . . . . . . .
2.3.2 Rotor und Beschaufelung . . . . . . . . . . . . . . . . . .
2.3.3 Lagerung und Kupplungsflansch (Wellenstränge) . . .
2.3.4 Wellendichtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
2.3.5 Gehäuseaufteilung und Mehrflutigkeit . . . . . . . . . .
2.4 Klassifizierung von Dampfturbinen . . . . . . . . . . . . . . . .
2.4.1 Heiß- und Sattdampfturbinen . . . . . . . . . . . . . . . .
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XXIV
Inhaltsverzeichnis
2.4.2 Kondensations- und Gegendruck- sowie Entnahmeturbinen
2.4.3 Verwendungszweck und Einsatzbereich . . . . . . . . . . . .
2.5 Radialturbinen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
2.5.1 Zentripetalturbinen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
2.5.2 Ljungström-Turbinen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
2.6 Vergleich der Dampfturbine mit anderen Strömungsmaschinen . .
2.6.1 Peripherie und Nebenkomponenten . . . . . . . . . . . . . . .
2.6.2 Thermodynamisches Gefälle und Leistungsdichte . . . . . .
2.6.3 Dampf- und Gasturbinen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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85
Thermodynamik der Dampfkraftprozesse . . . . . . . . . . . . . . . .
Stefan aus der Wiesche
3.1 Geschlossene Kreisprozesse für Wärmekraftanlagen . . . . . . . .
3.2 Einfacher Clausius-Rankine-Prozess . . . . . . . . . . . . . . . . . .
3.3 Thermodynamisches Verhalten in der Turbomaschine . . . . . . .
3.3.1 Bestimmung der Zustandsgrößen . . . . . . . . . . . . . . .
3.3.2 Idealer Dampf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
3.3.3 Berechnung der Schallgeschwindigkeit von Dampf . . . .
3.3.4 Wirkungsgrade und Wärmerückgewinn . . . . . . . . . . .
3.4 Exergetische Analyse des einfachen Clausius-Rankine-Prozesses
3.5 Maßnahmen zur Steigerung des thermischen Wirkungsgrades . .
3.5.1 Erhöhung des Frischdampfzustandes . . . . . . . . . . . . .
3.5.2 Zwischenüberhitzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
3.5.3 Regenerative Speisewasservorwärmung . . . . . . . . . . .
3.6 Großkraftwerke auf Basis von Kohle . . . . . . . . . . . . . . . . .
3.7 Dampfkrafttechnische Auslegung von Kernkraftwerken . . . . . .
3.8 Kombinierte Gas- und Dampfkraftprozesse . . . . . . . . . . . . .
3.9 Dampfkraftprozesse mit Kraft-Wärme-Kopplung . . . . . . . . . .
3.9.1 Kenngrößen für Kraft-Wärme-Kopplungen . . . . . . . . .
3.9.2 Mehrstufige Vorwärmsäulen . . . . . . . . . . . . . . . . . .
3.9.3 Kraft-Wärme-Kopplung bei Großkraftwerken . . . . . . .
Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Strömungstechnische Grundlagen der Turbinen . . . . . . .
Franz Joos
4.1 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
4.2 Kennzahlen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
4.2.1 Ähnlichkeitstheorie, dimensionslose Kennzahlen
4.2.2 Spezielle Kennzahlen der Strömungsmaschinen .
4.2.3 Mach-Zahl-Ähnlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . .
4.2.4 Gasdynamische Funktionen . . . . . . . . . . . . . .
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Inhaltsverzeichnis
XXV
4.3
Hauptgleichungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
4.3.1 Definition der Strömungsgeschwindigkeiten . . . . . . . . .
4.3.2 Kontinuitätsgleichung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
4.3.3 Energieerhaltung, die spezifische Umfangsarbeit Lu . . . .
4.3.4 Definition der Wirkungsgrade . . . . . . . . . . . . . . . . . .
4.3.5 Energieumsatz im Laufrad, der Drallerhaltungssatz . . . . .
4.4 Verluste . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
4.4.1 Übersicht über verbreitete Korrelationen zur Abschätzung
der Verluste . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
4.4.2 Profilverluste . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
4.4.3 Entropieerzeugung der Profilumströmung einer Kaskade . .
4.5 Durchsatzkurve der Turbine, Betriebskennlinie . . . . . . . . . . . .
4.5.1 Darstellung im Kennfeld . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
4.6 Theorie der Turbinenstufe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
4.6.1 Leitrad der Turbine . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
4.6.2 Laufrad der Turbine . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
4.6.3 Vollständige Turbinenstufe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
4.7 Turbinenwirkungsgrade . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
4.7.1 Umfangswirkungsgrad einer Turbine . . . . . . . . . . . . . .
4.7.2 Gesamter Wirkungsgrad der Turbine . . . . . . . . . . . . . .
4.8 Betriebs- und Regelverhalten der Turbine . . . . . . . . . . . . . . .
4.8.1 Turbinen mit variabler Drehzahl . . . . . . . . . . . . . . . . .
4.8.2 Turbinen mit konstanter Drehzahl . . . . . . . . . . . . . . . .
4.9 Dampfkegelgesetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
4.10 Betriebspunkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
5
Modellierung der Zweiphasenströmung . . . . . . . . . . . . . . . .
Franz Joos und Niklas Neupert
5.1 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
5.2 Nässeverluste . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
5.3 Eindimensionale Berechnung der kondensierenden Strömung
in Niederdruckturbinen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
5.3.1 Unterkühlung, spontane Kondensation . . . . . . . . . . .
5.3.2 Kondensationsmodellierung . . . . . . . . . . . . . . . . .
5.3.3 Homogenes Kondensationsmodell . . . . . . . . . . . . . .
5.3.4 Heterogene Modellbildung der Kondensation . . . . . . .
5.3.5 Nicht-Gleichgewichtsmodell heterogener Kondensation
5.4 Tropfen-Wand-Interaktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
5.4.1 Ablagerung feinen Nebels . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
5.4.2 Filmbildung bei Nebelströmung . . . . . . . . . . . . . . .
5.4.3 Aufprall einzelner Tropfen auf eine Wand . . . . . . . . .
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215
XXVI
Inhaltsverzeichnis
5.4.4 Modellierung des Tropfenaufschlages auf eine feste Wand .
5.4.5 Einwirkung der Tropfen auf die Schaufeloberfläche . . . . .
5.5 Beschreibung des Wandfilms bei Tropfenaufprall . . . . . . . . . . .
5.6 Zerstäubung an der Hinterkante . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
5.6.1 Primärzerfall, Hinterkantendesintegration . . . . . . . . . . .
5.6.2 Sekundärzerfall . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
5.7 Anwendungsbeispiele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Rechnergestützte Verfahren zur aero-thermodynamischen Auslegung
und Entwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Reinhard Willinger und Thomas Polklas
6.1 Thermodynamische Berechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
6.2 Strömungsberechnungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
6.2.1 Grundlagen der numerischen Strömungsberechnung . . . . . .
6.2.2 1D-Mittelschnittrechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
6.2.3 2D-Meridianschnittrechnungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
6.2.4 2D-Profilentwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
6.2.5 Radiale Auffädelung der 2D-Profile . . . . . . . . . . . . . . . . .
6.3 3D-RANS-Rechnungen (Reynolds-Averaged Navier Stokes) . . . . .
6.3.1 Detailfragen zum Thema Beschaufelung . . . . . . . . . . . . . .
6.3.2 Einströmgehäuse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
6.3.3 Strömung in und nach Anzapfungen . . . . . . . . . . . . . . . .
6.3.4 Strömung nach Dampfzu- und Dampfrückführungen . . . . . .
6.3.5 Strömung in Abdampfdiffusoren und Abdampfgehäusen . . . .
6.4 2D- oder 3D-URANS-Rechnungen (Unsteady RANS) . . . . . . . . .
6.4.1 Regelventildiffusoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
6.4.2 Rotierende Ablösungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
6.4.3 Teilbeaufschlagung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
6.4.4 Stator/Rotor-Wechselwirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
6.4.5 Hinterkantenablösung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
6.4.6 Turbulenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Rotordynamische Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Stefan aus der Wiesche
7.1 Übersicht und Problemstellung . . . . . . . . . . . . . . . . .
7.2 Grundlegende Zusammenhänge . . . . . . . . . . . . . . . .
7.2.1 Dämpfungsfreier Laval-Läufer in starren Lagern
ohne Kreiselwirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
7.2.2 Verallgemeinerung auf drehsymmetrische Rotoren
.
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Inhaltsverzeichnis
8
XXVII
7.2.3 Besonderheiten bei nicht-drehsymmetrischen Rotoren
(unrunde Wellen) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
7.2.4 Laval-Läufer mit äußerer und innerer Dämpfung . . . . . . . . . . .
7.2.5 Resonanzdurchfahrt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
7.2.6 Einfluss der Kreiselwirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
7.3 Berücksichtigung der Lagerung und des Fundaments . . . . . . . . . . . .
7.3.1 Läufer in elastischen Lagern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
7.3.2 Besonderheiten bei Gleitlagern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
7.3.3 „Oil whirl“ und „Oil whip“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
7.4 Rotordynamische Sonderprobleme für Dampfturbinen . . . . . . . . . . .
7.4.1 Spalterregung – Thomas-Kräfte (Dampfanfachung) . . . . . . . . .
7.4.2 Dichtungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
7.4.3 Angerissene Welle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
7.4.4 Explizite Berücksichtigung des Fundaments . . . . . . . . . . . . .
7.5 Modellbildung und Analyseverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
7.5.1 Klassische Verfahren zur Bestimmung der kritischen Drehzahlen
7.5.2 Methode der Finiten Elemente (FEM) . . . . . . . . . . . . . . . . .
7.5.3 Modellierung von Dampfturbinenrotoren . . . . . . . . . . . . . . .
7.6 Typische Fragestellungen für die Auslegung von Dampfturbinen . . . . .
7.6.1 Biegelinie und Ausrichtung des Wellenstrangs . . . . . . . . . . . .
7.6.2 Berechnung der Lateralschwingungen . . . . . . . . . . . . . . . . .
7.6.3 Laufstabilität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
7.6.4 Torsionsschwingungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
7.7 Abschließende Bemerkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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348
Ventile . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Franz Joos und Thomas Polklas
8.1 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
8.2 Strömungstechnische Grundlagen . . . . . . .
8.2.1 Ähnlichkeitsbetrachtung . . . . . . . . .
8.2.2 Die Ausflussfunktion . . . . . . . . . . .
8.2.3 Druckverlust . . . . . . . . . . . . . . . .
8.2.4 Kennlinie . . . . . . . . . . . . . . . . . .
8.2.5 Strömungsablösungen . . . . . . . . . .
8.3 Aufbau der Regel- und Schnellschlussventile
8.3.1 Anordnung der Drosseleinheit . . . . .
8.3.2 Aufbau des Schnellschlussventils . . .
8.3.3 Aufbau des Regelventils . . . . . . . . .
8.3.4 Absperrklappen . . . . . . . . . . . . . .
8.4 Betrieb von Regelventilen . . . . . . . . . . . .
8.4.1 Anfahr- und Abfahrverhalten . . . . . .
351
351
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XXVIII
Inhaltsverzeichnis
8.4.2 Vibrationen, Fluid-Strukturinteraktionen . . . . . . . . . . . . . . . . 380
8.4.3 Betrieb des Schnellschlussventils . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 388
Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 389
9
10
Beschaufelung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Stefan aus der Wiesche
9.1 Übersicht und Einordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
9.1.1 Klassifizierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
9.1.2 Gitterbezeichnungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
9.1.3 Aufbau von Stufen und Reaktionsgrad . . . . . . . . . . . . . . .
9.1.4 Quasi-Repetierstufen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
9.2 Strömungstechnische Auslegung der Beschaufelung . . . . . . . . . . .
9.2.1 Vorläufige Abschätzung der Hauptabmessungen
(preliminary design) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
9.2.2 Hauptauslegung mit 1D-Mittelschnittverfahren . . . . . . . . . .
9.2.3 Verlustmodelle und Verlustberechnungen . . . . . . . . . . . . .
9.2.4 Räumliche Betrachtung der Strömung . . . . . . . . . . . . . . .
9.2.5 Schaufelprofile im Dampfturbinenbau . . . . . . . . . . . . . . .
9.2.6 Teilungsverhältnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
9.3 Strukturmechanische Auslegung der Beschaufelung . . . . . . . . . . .
9.3.1 Schaufelbeanspruchungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
9.3.2 Zusammenhang mit der Austrittsfläche von Niederdruckstufen
9.3.3 Schaufelschwingungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
9.4 Befestigung der Beschaufelung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
9.5 Nassdampfstufen und Entwässerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
9.5.1 Erosionsproblematik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
9.5.2 Entwässerungsmaßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
9.6 Standardisierung der Dampfturbinenbeschaufelung . . . . . . . . . . .
Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Wellen und Gehäuse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Stefan aus der Wiesche
10.1 Übersicht und Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
10.2 Werkstoffe für Dampfturbinen . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
10.2.1 Klassische Werkstoffe und deren Verhalten . . . . . . .
10.2.2 Werkstoffe für über– und ultra-überkritische Prozesse
10.3 Wellen für Dampfturbinen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
10.3.1 Klassifizierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
10.3.2 Historische Entwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . .
10.3.3 Festigkeitsauslegung für zylindrische Rotoren . . . . .
10.3.4 Auswuchten und Schleuderprobe . . . . . . . . . . . . .
10.4 Axialschub und Schubausgleich . . . . . . . . . . . . . . . . . .
. . 395
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Inhaltsverzeichnis
10.5 Kupplungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
10.6 Wellendreheinrichtungen und Turbinengetriebe . . . . . . .
10.6.1 Wellendreheinrichtungen . . . . . . . . . . . . . . . .
10.6.2 Turbinengetriebe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
10.7 Gehäuse für Dampfturbinen . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
10.7.1 Klassifizierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
10.7.2 Einfache Berechnungsgleichungen für Gehäuse . .
10.7.3 Hochdruck-Teilturbinen . . . . . . . . . . . . . . . . .
10.7.4 Mitteldruck-Teilturbinen und kombinierte Gehäuse
10.7.5 Niederdruck-Teilturbinen . . . . . . . . . . . . . . . .
10.7.6 Gehäusekonzepte und Kombinationsmöglichkeiten
10.7.7 Turbinenentwässerungssystem . . . . . . . . . . . . .
Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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XXIX
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Dichtungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Stefan aus der Wiesche
11.1 Übersicht und Klassifizierung von Labyrinthdichtungen . . . . . . . . .
11.1.1 Physikalisches Prinzip und Grundaufbau . . . . . . . . . . . . . .
11.1.2 Klassifizierung und Ausführungsbeispiele . . . . . . . . . . . . . .
11.1.3 Anordnung der Spitzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
11.1.4 Richtwerte für die Gestaltung der Labyrinthe . . . . . . . . . . . .
11.1.5 Systeme mit Sperrdampf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
11.2 Strömungstechnische Analyse von Labyrinthdichtungen . . . . . . . . .
11.2.1 Klassische gasdynamische Stromfadentheorie (Fanno-Kurve) . .
11.2.2 Klassische Näherungsverfahren (Stodola) . . . . . . . . . . . . . .
11.2.3 Theoretisch-empirische Bestimmung der Leckage . . . . . . . . .
11.2.4 Numerische Berechnungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . .
11.3 Rotordynamische Aspekte von Strömungen durch Dichtungen . . . . .
11.3.1 Rotordynamische Koeffizienten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
11.3.2 Ermittlung der rotordynamischen Koeffizienten . . . . . . . . . .
11.3.3 Übersicht der Berechnungsverfahren
(Bulk-Flow- und CFD-Ansätze) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
11.3.4 Grundzüge des Bulk-Flow-Verfahrens . . . . . . . . . . . . . . . .
11.3.5 Grundzüge von CFD-Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
11.3.6 Strömungsbedingte Instabilitäten bei Dampfturbinendichtungen
11.4 Modell des sanft anstreifenden Rotors (Spiralen) . . . . . . . . . . . . . .
11.4.1 Thermo-elastisches Modell nach Kellenberger . . . . . . . . . . .
11.4.2 Diskussion der Modellgleichungen . . . . . . . . . . . . . . . . . .
11.5 Bürstendichtungen für Dampfturbinen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
11.5.1 Aufbau von Bürstendichtungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
11.5.2 Verhalten von Bürstendichtungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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XXX
12
13
14
Inhaltsverzeichnis
11.5.3 Einsatz von Bürstendichtungen im Dampfturbinenbau
11.5.4 Untersuchung von Bürstendichtungen . . . . . . . . . .
11.6 Lamellendichtungen (leaf seals) . . . . . . . . . . . . . . . . . .
11.7 Abrasive Dichtungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Abströmung . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Thomas Polklas
12.1 Begriffe . . . . . . . . . . . . . . . . .
12.2 Bauarten . . . . . . . . . . . . . . . . .
12.3 Diffusor . . . . . . . . . . . . . . . . .
12.3.1 Einflussfaktoren . . . . . . . .
12.4 Dampfdom . . . . . . . . . . . . . . .
12.4.1 Axiale Abströmung . . . . . .
12.4.2 Radiale Abströmung . . . . .
12.5 Betriebsweisen – Volllast – Teillast
Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Industriedampfturbinen . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Thomas Polklas
13.1 Übersicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
13.2 Baukastensystematik . . . . . . . . . . . . . . . . . .
13.2.1 Baureihen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
13.2.2 Baukästen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
13.2.3 Beschaufelung . . . . . . . . . . . . . . . . . .
13.2.4 Gehäuse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
13.3 Schaltungsvarianten von Industrie-Dampfturbinen
13.4 Regelwerke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Dampfturbinen für fossil befeuerte Großkraftwerke . . . . . . . . . . . . .
Stefan aus der Wiesche
14.1 Kraftwerkstechnische Einordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
14.1.1 Entwicklung von Dampfkraftwerken mit Kohlefeuerung . . . . .
14.1.2 Aufbau eines kohlebefeuerten Großkraftwerks . . . . . . . . . . .
14.1.3 Derzeitig realisierter Stand der Technik . . . . . . . . . . . . . . .
14.2 Festlegung der Hauptabmessungen und Grundkonzeption . . . . . . . .
14.2.1 Thermodynamische Konzeption des Kraftwerks . . . . . . . . . .
14.2.2 Konzeption der Dampfturbine (Kondensationsdampfkraftwerk)
14.2.3 Grenzleistung von Dampfturbinen und Wellenanordnung . . . .
14.2.4 Besonderheiten bei Heizkraftwerken . . . . . . . . . . . . . . . . .
14.3 Konstruktionsmerkmale . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
14.3.1 Übersicht und Grundaufbau . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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621
Inhaltsverzeichnis
XXXI
14.3.2 Erzielbare Wirkungsgrade und Verlustanalyse . . . . . . . . . .
14.3.3 Verteilung des Reaktionsgrades und Wirkungsgradsteigerung .
14.3.4 Hochdruck-Teilturbinen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
14.3.5 Mitteldruck-Teilturbinen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
14.3.6 Niederdruck-Teilturbinen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
14.4 Aufstellung und Turbinenfundamente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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16
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643
Dampfturbinen für kombinierte Prozesse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Stefan aus der Wiesche
15.1 Kombinierte Kraftwerksprozesse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
15.1.1 Thermodynamische Betrachtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
15.1.2 Klassifizierung von kombinierten Kraftwerksprozessen . . . . . .
15.2 Kombinierte Gas- und Dampfkraftwerke mit Abhitzekessel . . . . . . . .
15.2.1 Anlagenkonzepte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
15.2.2 Wirkungsgrad und Gasturbinenprozess . . . . . . . . . . . . . . . . .
15.2.3 Gasturbinen für kombinierte Großkraftwerke . . . . . . . . . . . . .
15.2.4 Aufbau von kombinierten Kraftwerken und deren Wellenstränge .
15.3 Dampfturbinen für kombinierte Prozesse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
15.3.1 Vergleich der Dampfparameter und der Leistungsklassen . . . . .
15.3.2 Modularer Aufbau und Standardisierung . . . . . . . . . . . . . . . .
15.3.3 Bauformen und Gehäuse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
15.3.4 Fehlende Anzapfung und Speisewasservorwärmung . . . . . . . .
15.3.5 Limitierende Endnässe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
15.3.6 Schnelle Anfahrzeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
15.4 Dampfturbinen für Prozesse mit Wärmeauskopplung . . . . . . . . . . . .
15.4.1 Klassische Gasturbinenschaltungen mit Kraft-Wärme-Kopplung .
15.4.2 Moderne Kombikraftwerke mit Kraft-Wärme-Kopplung
(CC-CHP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
15.4.3 Konstruktive Herausforderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
15.5 Repowering . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
15.6 Kombiprozesse mit integrierter Kohlevergasung (IGCC) . . . . . . . . . .
Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Dampfturbinen für Kernkraftwerke . . . . . . . . . .
Stefan aus der Wiesche
16.1 Reaktortypen und Prozesse für Kernkraftwerke .
16.1.1 Klassifizierung von Kernkraftwerken . . .
16.1.2 Druckwasserreaktoren (DWR bzw. PWR)
16.1.3 Siedewasserreaktoren (SWR bzw. BWR)
16.1.4 CANDU-Reaktoren . . . . . . . . . . . . .
16.1.5 RBMK-Reaktoren . . . . . . . . . . . . . .
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XXXII
Inhaltsverzeichnis
16.1.6 Schnelle Brutreaktoren (SBR) . . . . . . . . . . . . . . . .
16.1.7 Gasgekühlte Reaktoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
16.1.8 Hochtemperaturreaktoren (HTR) . . . . . . . . . . . . . .
16.2 Sattdampfprozesse für Leichtwasser-Kernkraftwerke . . . . . .
16.2.1 Frischdampfzustände und Expansionsverläufe . . . . . .
16.2.2 Thermische Wirkungsgrade . . . . . . . . . . . . . . . . . .
16.2.3 Einfluss der Nässe und Wasserabscheidung . . . . . . . .
16.3 Kernkraftwerksturbinen: Allgemeiner Konstruktionsüberblick .
16.3.1 Drehzahl und Grundaufbau . . . . . . . . . . . . . . . . . .
16.3.2 Abmessungen und Gewichte . . . . . . . . . . . . . . . . .
16.3.3 Beschaufelung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
16.3.4 Wellen und Gehäuse der Teilturbinen . . . . . . . . . . . .
16.3.5 Besonderheiten bei Dichtungen . . . . . . . . . . . . . . .
16.4 Besonderheiten im Betrieb . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
16.4.1 Teillastverhalten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
16.4.2 Überdrehzahlverhalten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Nutzung regenerativer Energieträger durch Dampfturbinenprozesse
Stefan aus der Wiesche
17.1 Geothermische Primärenergie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
17.2 Dampfkraftprozesse für die Nutzung geothermischer Energie . . . .
17.2.1 Direkte Dampfentspannung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
17.2.2 Trockene Dampfentspannung . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
17.2.3 Entspannungsverdampfung (Flash) . . . . . . . . . . . . . . . .
17.2.4 Einsatz eines Dampfumformers (Binäranlagen) . . . . . . . .
17.2.5 Hot-Dry-Rock-Verfahren (HDR) . . . . . . . . . . . . . . . . .
17.2.6 Thermodynamische Bewertung und Wirkungsgrade . . . . . .
17.2.7 Wirtschaftliche Aspekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
17.3 Dampfturbinen für geothermische Kraftwerke . . . . . . . . . . . . . .
17.3.1 Konfigurationen und Anordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . .
17.3.2 Reaktionsgrad der Stufen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
17.3.3 Beschaufelung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
17.3.4 Dichtungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
17.3.5 Korrosion und Werkstoffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
17.3.6 Entwässerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
17.3.7 Weitere Konstruktionsmerkmale . . . . . . . . . . . . . . . . . .
17.4 Grundlagen der Solarthermie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
17.4.1 Wärmetechnische Grundlagen der Solarstrahlung . . . . . . .
17.4.2 Absorber mit Konzentrationsfaktor . . . . . . . . . . . . . . . .
17.5 Konzepte für solarthermische Dampfkraftwerke . . . . . . . . . . . .
17.5.1 Grundkonzepte und Übersicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Inhaltsverzeichnis
XXXIII
17.5.2 Farmkraftwerke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
17.5.3 Gesamtwirkungsgrade . . . . . . . . . . . . . . . . .
17.6 Dampfturbinen für solarthermische Kraftwerke . . . . . .
17.6.1 Besondere solarthermische Anforderungen . . . .
17.6.2 Entspannungsverläufe und Frischdampfparameter
17.6.3 Ausführungsbeispiele . . . . . . . . . . . . . . . . .
17.6.4 Minimierung der Anfahrzeiten . . . . . . . . . . . .
Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Dampfturbinenumleitstationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Bertram Gögelein
18.1 Anwendungsbereiche für Umleitstationen . . . . . . . . . . . . . .
18.2 Anforderungen und allgemeine technische Merkmale . . . . . . .
18.2.1 Sicherheitskonzepte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
18.2.2 Druckreduzierung und Schallentwicklung . . . . . . . . . .
18.2.3 Varianten der Druckreduzierung . . . . . . . . . . . . . . . .
18.3 Heißdampfkühlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
18.3.1 Integrierte Einspritzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
18.3.2 Nachgeschaltete Druckzerstäubung . . . . . . . . . . . . . .
18.3.3 Tropfenzerfall . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
18.4 Weitere technische Aspekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
18.4.1 Sitzdichtheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
18.4.2 Packungen im Hochtemperaturbereich . . . . . . . . . . . .
18.4.3 Reaktionszeiten (Antriebe) . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
18.5 Berechnungsgrundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
18.5.1 Ideales Gasdynamisches Modell . . . . . . . . . . . . . . . .
18.5.2 Vereinfachte Berechnung des Strömungsquerschnitts . . .
18.5.3 Bestimmung der Einspritzmenge . . . . . . . . . . . . . . .
18.5.4 Einsatz von numerischen Strömungssimulationen (CFD) .
18.6 Regelungstechnische Fragestellungen . . . . . . . . . . . . . . . . .
Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Gleitlager für Dampfturbinen . . . . . . . . . . .
Stefan Verstege und Stefan aus der Wiesche
19.1 Übersicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
19.2 Strömungsmechanische Grundlagen . . . . .
19.2.1 Viskosität von Schmierstoffen . . . .
19.2.2 Strömungsvorgänge im Schmierspalt
19.3 Gleitlagertypen und Bauformen . . . . . . .
19.3.1 Hydrodynamische Axialgleitlager . .
19.3.2 Hydrodynamische Radialgleitlager .
19.3.3 Verlagerungsbahnen . . . . . . . . . .
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XXXIV
Inhaltsverzeichnis
19.3.4 Turbulente Strömungszustände . . . . . . . . . . . . . . . . . .
19.3.5 Hydrostatische Gleitlager (Druckölentlastung) . . . . . . . .
19.4 Auslegungskriterien und Betriebsparameter . . . . . . . . . . . . . .
19.4.1 Statische Lagerkenngrößen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
19.4.2 Dynamische Lagerkenngrößen . . . . . . . . . . . . . . . . . .
19.5 Berechnungsverfahren für Gleitlager . . . . . . . . . . . . . . . . . .
19.5.1 Berechnungsprogramme für Lager mit hoher Energiedichte
19.5.2 Berechnungsbeispiel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
19.5.3 CFD-Ansätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
19.6 Lagerwerkstoffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
19.7 Lagerung von Dampfturbinen und konstruktiver Aufbau . . . . . .
19.7.1 Lagerkonzept von großen Turbosträngen . . . . . . . . . . .
19.7.2 Radiallager . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
19.7.3 Axiallager . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
19.7.4 Lageraufnahme und Lagerböcke . . . . . . . . . . . . . . . . .
19.7.5 Überwachung der Lagerschalentemperatur . . . . . . . . . .
19.7.6 Ölversorgung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Kondensatoren und Rückkühlwerke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Stefan aus der Wiesche
20.1 Übersicht und allgemeine Funktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
20.1.1 Klassifizierung von Kondensatoren und Rückkühlwerken . . .
20.1.2 Funktionen und Anforderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
20.2 Kondensator- und Niederdruckteilturbinenauslegung . . . . . . . . . .
20.3 Aufbau und Ausführung von Kondensatoren . . . . . . . . . . . . . . . .
20.3.1 Anordnung von Turbine und wassergekühlte
Oberflächenkondensatoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
20.3.2 Aufbau von wassergekühlten Oberflächenkondensatoren . . . .
20.3.3 Direkte luftgekühlte Kondensatoren . . . . . . . . . . . . . . . . .
20.3.4 Misch- oder Einspritzkondensatoren . . . . . . . . . . . . . . . .
20.4 Wärmetechnische Auslegung von Kondensatoren . . . . . . . . . . . . .
20.4.1 Klassische vereinfachte Vorgehensweise . . . . . . . . . . . . . .
20.4.2 Temperaturverläufe in einem realen Kondensator . . . . . . . .
20.4.3 Auslegung gemäß HEI . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
20.4.4 Firmeninterne Auslegungsverfahren und CFD-Ansätze . . . . .
20.4.5 Luftgekühlte Kondensatoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
20.4.6 Druckverlustbestimmung für wassergekühlte Kondensatoren .
20.5 Verdunstungskühlsysteme und Nasskühltürme . . . . . . . . . . . . . .
20.5.1 Aufbau von Kühltürmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
20.5.2 Konstruktion und Kühlturmmaterialien . . . . . . . . . . . . . . .
20.5.3 Grundlagen der Verdunstungskühlung . . . . . . . . . . . . . . .
20.5.4 Übergangskoeffizienten, Einbaukennlinien und Druckverluste
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Inhaltsverzeichnis
XXXV
20.5.5 Kennfelder von Kühltürmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 901
20.6 Auslegung des Wärmeabfuhrsystems . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 903
Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 906
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Regelung der Dampfturbine . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Stefan aus der Wiesche
21.1 Aufgaben der Regelung einer Dampfturbine . . . . . . . . . . . . . . . . . .
21.1.1 Allgemeine regelungstechnische Bezeichnungen
und Anforderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
21.1.2 Regelkreise für Dampfturbinen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
21.1.3 Ablöseschaltung der Dampfturbinenregelung . . . . . . . . . . . . .
21.2 Regeleinrichtungen für Dampfturbinen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
21.2.1 Drehzahlregelung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
21.2.2 Gegendruckregelung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
21.2.3 Regelung einer Dampfkraftanlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
21.3 Regelungsverfahren für Dampfturbinen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
21.3.1 Übersicht und Klassifizierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
21.3.2 Verhalten unter geänderten Betriebsbedingungen . . . . . . . . . .
21.4 Drosselregelung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
21.5 Düsengruppenregelung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
21.5.1 Grundaufbau . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
21.5.2 Bestimmung der Betriebspunkte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
21.5.3 Konstruktive Schwierigkeiten bei Düsengruppenregelungen . . . .
21.6 Teillastverbrauch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
21.6.1 Teillastverbrauch von Kondensationsdampfturbinen . . . . . . . . .
21.6.2 Teillastverbrauch von Entnahme-Dampfturbinen . . . . . . . . . . .
21.6.3 Turbinen mit verstellbaren Leitschaufeln . . . . . . . . . . . . . . .
21.7 Dynamik und Entwurf der Regelung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
21.7.1 Turbosatz ohne Zwischenüberhitzung im Inselbetrieb . . . . . . . .
21.7.2 Turbosatz ohne Zwischenüberhitzung am Netz . . . . . . . . . . . .
21.7.3 Turbosatz mit Zwischenüberhitzung am Netz . . . . . . . . . . . . .
21.7.4 Vereinfachungen für Dampfturbosätze . . . . . . . . . . . . . . . . .
21.7.5 Reglerentwürfe für Dampfturbinen im Frequenzbereich . . . . . .
21.7.6 Modellbasierte Verfahren und zukünftige Entwicklungen . . . . .
21.8 Kraftwerkstechnische Maßnahmen zur Verbesserung der Regeldynamik
Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Betrieb von Dampfturbinen . . . . .
Martin Heinen
22.1 Einsatz der Dampfturbinen . . .
22.1.1 Kraftwerksdampfturbinen
22.1.2 Industriedampfturbinen .
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XXXVI
23
Inhaltsverzeichnis
22.1.3 Dampfturbinen in GuD-Anlagen . . . . . . . . . . . . . . . .
22.2 Kraftwerksbetrieb und Bedienung . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
22.2.1 An- und Abfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
22.2.2 Leistungsbetrieb (für Kraftwerksturbinen) . . . . . . . . . .
22.2.3 Abfahren der Dampfturbine . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
22.3 Anfahren von Industriedampfturbinen . . . . . . . . . . . . . . . . .
22.4 Stillstandsmaßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
22.5 Hilfs- und Nebenanlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
22.5.1 Kondensationsanlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
22.5.2 Evakuierungsanlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
22.5.3 Öl- und Flüssigkeitsversorgung . . . . . . . . . . . . . . . .
22.5.4 Sperr-, Heiz- und Kühldampfsystem . . . . . . . . . . . . .
22.6 Brand- und Umweltgefährdung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
22.7 Betrieb von kombinierten Gas- und Dampfkraftwerken . . . . . .
22.7.1 Regelung des kombinierten Gas- und Dampfkraftwerks .
22.7.2 Anfahren von kombinierten Gas- und Dampfkraftwerken
22.7.3 Lastbetrieb/Teillastbetrieb . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
22.7.4 Sonstige Betriebsarten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
22.7.5 Abfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Instandhaltung (Revisionen und Vermeiden von Störungen)
Martin Heinen
23.1 Verfügbarkeit und Nichtverfügbarkeit . . . . . . . . . . . . .
23.2 Instandhaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
23.2.1 Wartung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
23.2.2 Inspektion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
23.2.3 Instandsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
23.2.4 Verbesserung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
23.3 Revision . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
23.3.1 Äquivalente Betriebsstundenzahl . . . . . . . . . . .
23.3.2 Revisionsarten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
23.3.3 Zukünftige Revisionsstrategie . . . . . . . . . . . . .
23.4 Prüfverfahren an Dampfturbosatzbauteilen für Revisionen
23.5 Schäden und Störungen bei Dampfturbinen . . . . . . . . .
23.5.1 Armaturen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
23.5.2 Turbinenbeschaufelung . . . . . . . . . . . . . . . . .
23.5.3 Turbinenlager . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
23.5.4 Laufunruhe bei Dampfturbinen . . . . . . . . . . . .
23.5.5 Rissbildung an Turbinengehäusen . . . . . . . . . . .
23.5.6 Schadenserfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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.1076
Inhaltsverzeichnis
24
Abnahme- und Betriebsversuche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Stefan aus der Wiesche
24.1 Übersicht und Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
24.1.1 Normen und Richtlinien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
24.1.2 Versuche und zeitlicher Ablauf . . . . . . . . . . . . . . . . .
24.2 Bewertungs- und Messgrößen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
24.2.1 Spezifischer Dampf- und Wärmeverbrauch . . . . . . . . .
24.2.2 Innerer Turbinenwirkungsgrad und Messungen . . . . . . .
24.2.3 Bestimmung von Leistung, Drehmoment und Drehzahl .
24.3 Messgeräte und Durchführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
24.3.1 Anforderungen an die Messgeräte . . . . . . . . . . . . . . .
24.3.2 Bedingungen für Prozessparameter . . . . . . . . . . . . . .
24.3.3 Einstellungen an der Dampfturbine für Abnahmeversuche
24.3.4 Durchführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
24.3.5 Problematik bei Sattdampfturbinen . . . . . . . . . . . . . .
24.4 Auswertung und Umrechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
24.4.1 Auswertung und Bestimmung des Messspiels . . . . . . .
24.4.2 Enthalpie und Enthalpiedifferenzen . . . . . . . . . . . . . .
24.4.3 Umrechnung und Vergleich mit zugesicherten Werten . .
24.4.4 Berücksichtigung der Alterung . . . . . . . . . . . . . . . . .
24.5 Betriebsversuche und Wirkungsgradveränderungen . . . . . . . .
24.5.1 Wirkungsgradveränderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . .
24.5.2 Rechnergestützte thermodynamische Diagnose . . . . . . .
Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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.1094
.1096
.1096
.1099
.1099
.1099
.1102
.1103
Sachverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .1105
Verzeichnis der Autoren
Dipl.-Ing. Bertram Gögelein BOMAFA GmbH, Bochum, Deutschland
Dr.-Ing. Martin Heinen RWE Power AG, Essen, Deutschland
Univ.-Prof. Dr.-Ing. Franz Joos Helmut-Schmidt-Universität, Universität der Bundeswehr Hamburg, Hamburg, Deutschland
Prof. Dr.-Ing. Matthias Neef Fachhochschule Düsseldorf, Düsseldorf, Deutschland
Dr.-Ing. Niklas Neupert Helmut-Schmidt-Universität, Universität der Bundeswehr
Hamburg, Hamburg, Deutschland
Dr.-Ing. Thomas Polklas MAN Energy Solutions, Oberhausen, Deutschland
Dr.-Ing. Stefan Verstege Gleitlagertechnik GmbH, Essen, Deutschland
Prof. Dr.-Ing. habil. Stefan aus der Wiesche Fachhochschule Münster, Steinfurt,
Deutschland
Ao. Univ. Prof. Dipl.-Ing. Dr. techn. Reinhard Willinger Technische Universität Wien,
Wien, Österreich
XXXIX
1
Einführung
Stefan aus der Wiesche
Die industrielle Revolution im 18. und frühen 19. Jahrhundert wäre ohne die Erfindung der
Dampfmaschine nicht denkbar gewesen. Heute ist die moderne Welt auf eine sichere und
flächendeckende elektrische Energieversorgung angewiesen. Die Elektrifizierung prägte
das 20. Jahrhundert, aber die Energiefrage zählt schon jetzt zu den zentralen Fragen des
21. Jahrhunderts, weil der Schutz von Umwelt und Klima zu einem weltweiten Anliegen geworden sind. Heute werden mehr als zwei Drittel des weltweiten Stroms mit Hilfe
von Dampfturbinen erzeugt. Zudem sind Dampfturbinen in der verfahrenstechnischen und
petrochemischen Industrie unverzichtbare Kraftmaschinen für den Antrieb von Pumpen
und Kompressoren. Trotz der Veränderungen auf dem Energiemarkt werden Dampfturbinen noch auf viele Jahrzehnte das Rückgrat der Industrie und Stromwirtschaft bleiben.
In Abb. 1.1 ist ein moderner Dampfturbosatz in einem Heizkraftwerk abgebildet. Die in
Abb. 1.1 gezeigte Anlage liefert eine elektrische Leistung von über 350 MW. Neben der
elektrischen Leistung kann ein Heizkraftwerk auch Prozess- und Heizwärme an Verbraucher abgegeben, so dass die Brennstoffausnutzung gegenüber einem reinen Kraftbetrieb
noch einmal deutlich erhöht wird.
Obgleich die Arbeitsweise der Dampfturbine dem Prinzip nach schon in der Antike
entdeckt worden ist, wurden erst gegen Ende des 19. Jahrhunderts die ersten brauchbaren
Dampfturbinen gebaut. Sie hat nach ihrer Erfindung sehr schnell die ältere Kolbendampfmaschine als Wärmekraftmaschine abgelöst. Die Dampfturbine ist nach der Art der Energieumsetzung eine Strömungsmaschine und kann enorme Massendurchsätze verarbeiten,
was auf sehr große Einheitenleistungen führt.
Die Entwicklung der Dampfturbine setzte die Verfügbarkeit von hochwertigen Werkstoffen und eine sehr präzise Fertigung voraus. Zudem müssen moderne Auslegungsverfahren angewandt werden. Diese Aspekte führten dazu, dass der Dampfturbinenbau
S. aus der Wiesche ()
Fachhochschule Münster
Steinfurt, Deutschland
E-Mail: wiesche@fh-muenster.de
© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2018
S. aus der Wiesche, F. Joos (Hrsg.), Handbuch Dampfturbinen,
https://doi.org/10.1007/978-3-658-20630-7_1
1
2
S. aus der Wiesche
Abb. 1.1 Dampfturbosatz
des Heizkraftwerks Altbach
(Pressebild Siemens AG)
allgemein als Hochtechnologiesektor angesehen wird. Unter dem Eindruck der Veränderungen in der Energiewirtschaft hat sich dieses Bild aber in der Öffentlichkeit seit
einigen Jahren teilweise verschoben. Oberflächlich betrachtet wirken Dampfturbinen heute auf viele Menschen eher als Relikte der „old economy“, die durch alternative Verfahren
langfristig abgelöst werden. Eine solche verkürzte Sicht verkennt aber die noch auf Jahrzehnte unverzichtbare Rolle, die diese Kraftmaschine spielen wird. Sie berücksichtigt
auch nicht, dass die Dampfturbine keinesfalls eine „statische“ Maschine ist. Sie hat in ihrer
Entwicklungsgeschichte einen enormen Aufstieg und einen unvergleichbaren Fortschritt
erlebt. Bemerkenswerterweise ist diese Entwicklung längst noch nicht abgeschlossen. In
der folgenden Einführung werden einige allgemeinere Informationen zur historischen
Entwicklung der Dampfturbine und zur Dampfturbinenindustrie gegeben. Diese zeigen
eindrucksvoll, dass die Dampfturbine längst noch nicht „ausentwickelt“ ist, sondern dass
sie trotz ihres hohen Entwicklungsstandes noch eine ausgezeichnete Zukunft vor sich hat.
1.1 Dampfturbinen und die Struktur technologischer Umwälzungen
Technologische Umwälzungen oder die Entwicklung von Innovationen und neuen
Konzepten kann man stark vereinfachend meist in drei Phasen einteilen. Dieses Beschreibungsmodell ist in Abb. 1.2 anhand des zeitlichen Verlaufes einer ausgewählten
technischen Kenngröße schematisch dargestellt. In Abb. 1.2 kann als Kenngröße eine
repräsentative bzw. wichtige technische Eigenschaft, wie die Leistung oder der Wirkungsgrad einer Maschine, verwendet werden. Nach ihrer Erfindung oder Entdeckung
(Punkt A in Abb. 1.2) gestaltet sich in der ersten Phase meist der Fortschritt einer Innovation langsam. Man spricht oft auch von „Kinderkrankheiten“, die erst in einem
mühsamen Entwicklungs- und Forschungsprozess überwunden werden müssen. Meist
ist in dieser Phase die neue Entwicklung technisch gesehen noch den bereits etablierten
1
Einführung
3
Abb. 1.2 Typischer Entwicklungsverlauf einer technischen
Innovation
Abb. 1.3 Schematischer
Entwicklungsverlauf der
Dampfturbine
Verfahren oder Konzepten unterlegen. Nach dieser schwierigen ersten Phase erreicht man
im Falle des Erfolges eine zweite Phase, die durch einen stetigen und rasanten Fortschritt
gekennzeichnet ist.
In der zweiten Phase werden die älteren Konkurrenzverfahren meist sehr schnell überwunden (Punkt B). Aufgrund des Fortschrittes und des scheinbar grenzenlosen Wachstums
stellt sich in der Gesellschaft oder der Branche dann auch oft ein über-optimistisches Bild
ein. Nach Durchlaufen der zweiten Phase tritt irgendwann eine deutliche Abschwächung
des Fortschrittes und der Entwicklungsgeschwindigkeit ein (Punkt C). Verbesserungen
und Erhöhungen der Kenngrößen können zwar noch erzielt werden, aber der Aufwand
hierfür wird immer größer. Es zeichnet sich eine Art „Ausentwicklung“ oder „Sättigung“
(Punkt D) in dieser Phase ab. Spätestens jetzt wendet sich die betroffene Branche neuen
Konzepten oder Alternativen verstärkt zu.
Die Entwicklung der Dampfturbine weicht von dem oben beschriebenen allgemeinen
Modell in doppelter Hinsicht ab. Man kann vielmehr den in Abb. 1.3 gezeigten Verlauf
annehmen. Nach ihrer Erfindung im Jahre 1883 bzw. 1884 durch den Schweden Gustav
Patrik de Laval (1845 bis 1913) bzw. den Briten Charles Algernon Parsons (1854 bis 1931)
setzte fast unmittelbar ein von den Zeitgenossen bestaunter rasanter Fortschritt ein. In
sehr kurzer Zeit wurde die damals bewährte und weitentwickelte Kolbendampfmaschine
4
S. aus der Wiesche
technisch überholt und verdrängt. Die Dampfturbine hat praktisch die in Abb. 1.2 dargestellte erste Phase übersprungen. Der anschließende fast 100 Jahre andauernde stetige
Fortschritt führte dazu, dass um 1990 fast 80 % des weltweiten Stroms durch Dampfturbinen erzeugt worden ist. In Übereinstimmung mit der allgemeinen Erfahrung stellte
sich um ca. 1990 ein sehr stabiler Entwicklungsstand für die Dampfturbine ein. Zu dieser
Zeit verbesserten sich die Wirkungsgrade der Dampfkraftwerke und der Turbinen nicht
mehr wesentlich [LEY2007]. Nach dem in Abb. 1.2 gezeigtem Schema hätte man also
nur noch mit kleinen Verbesserungen im Dampfturbinenbau rechnen dürfen. Umso erstaunlicher ist es, dass etwa in der Mitte der 1990er-Jahre ein zweiter Entwicklungs- und
Innovationsschub im Dampfturbinenbau einsetzte, der sonderbarerweise von der Mehrheit der Menschen schlichtweg bis heute übersehen worden ist. W. Ulm spricht deshalb
auch treffend von einer „weitgehend unbemerkten Revolution“, die im Dampfturbinenbau
einsetzte [ULM2003]. Statt einer wie in Abb. 1.2 dargestellten dritten Phase haben sich
die Dampfturbinen technologisch rasant weiterentwickelt, siehe Abb. 1.3. Es ist nicht zuletzt dieser Fortschritt, der es den Autoren dieses Buches notwendig erscheinen ließ, eine
entsprechende moderne Gesamtdarstellung von Dampfturbinen vorzulegen.
1.2 Historische Entwicklung und Übersicht
Die oben erwähnte allgemeine Entwicklungsgeschichte wird im Folgenden durch einige Beispiele illustriert. Die den Beispielen zugrundeliegenden physikalischen und technischen Einzelheiten werden in den späteren Kapiteln noch detailliert behandelt, aber
für eine erste Einführung sollte die nachfolgende Diskussion für sich schon verständlich sein. Eine sehr gute Darstellung über die historische Entwicklung der Dampfturbinen
kann auch dem Buch von Termuehlen [TER2001] entnommen werden. Umfassende Informationen zum modernen technologischen Stand von großen Dampfturbinen bieten die
Bücher [LEY2005] und [LEY2007] von Leyzerovich.
Die ersten brauchbaren Dampfturbinen wurden 1883 von de Laval und 1884 von Parsons fast zeitgleich gebaut. Die spätere Entwicklungsgeschichte des Dampfturbinenbaus
ist durch beide Erfinder bereits in ihren ersten Konstruktionen maßgeblich angelegt worden. De Laval wählte als Bauform die später als Gleichdruck- oder Aktionsstufe bekannt
gewordene Bauform, während Parsons die vielstufige Überdruck- bzw. Reaktionsbauweise einführte (siehe Kap. 2). In Abb. 1.4 ist die einstufige Laval-Turbine gezeigt und in
Abb. 1.5 ist Parsons erste mehrstufige Turbine dargestellt. De Laval konstruierte seine
Dampfturbine bewusst für eine sehr hohe Drehzahl. Er umging auf diese Weise das rotordynamische Problem von Schwingungen bzw. sog. kritischen Drehzahlen durch den
von ihm angenommenen Selbstzentrierungseffekt (siehe Kap. 7). Als Konsequenz wurde von ihm eine schlanke, elastische Welle eingesetzt. Die Beschaufelung seiner Turbine
war auf einer Radscheibe befestigt, deren Profil durch die Forderung nach einer günstigen Spannungsverteilung unter der Fliehkraftbelastung bestimmt war. Mit Hilfe von
konvergent-divergent zulaufenden Düsen erzeugte er eine Überschallströmung im Leitap-
1
Einführung
5
Abb. 1.4 Die Laval-Turbine
von 1883 (aufgeschnittenes
Exponat des deutschen Museums in München [WIK2016])
Abb. 1.5 Die Parsons-Turbine
von 1884 [WIK2016]
parat, so dass hohen Umdrehungszahlen im Bereich von 50.000 min1 für seine Turbinen
resultierten. Der Erfolg seiner Maschine führte dazu, dass man heute auch von einer LavalDüse für diese Bauform spricht. Tatsächlich hatte de Laval diese Düsenform von Körting
übernommen, der 1873 erstmals einen Dampfstrahlapparat mit einer Überschalldüse betrieben hatte.
6
S. aus der Wiesche
Die Leistung der ersten Laval-Turbine bewegte sich im Bereich von 22 kW. Die Umfangsgeschwindigkeit betrug 390 m/s. Später wurden auch verbesserte Ausführungen im
Bereich bis zu 370 kW gebaut. Für praktische Anwendungen war der Einsatz eines Getriebes zur Reduzierung der Drehzahlen erforderlich. Während das Druckgefälle des Frischdampfes in der Laval-Turbine in nur einer Stufe abgebaut wurde, wählte Parsons eine
vielstufige Expansion. Dies konnte durch Hintereinanderschalten von Leit- und Laufschaufeln, die auf einem trommelförmigen Rotor angebracht waren, realisiert werden.
Die Drehzahl der mit einem Durchmesser von nur 74 mm sehr kleinen Parsons-Turbine in
Abb. 1.5 war deutlich geringer (17.000 min1 ), aber es konnte eine Leistung von 7,5 kW
aus dieser kompakten Maschine gewonnen werden. Die hohe Leistungsdichte faszinierte unmittelbar die Zeitgenossen. Wegen des geringen thermischen Wirkungsgrades von
nur 1,6 % sprach man scherzhaft über Parsons „No. 1“ auch von einem „steam eater“.
Fünf Jahre später wies Parsons „No. 2“ bereits einen thermischen Wirkungsgrad von 6 %
und eine Leistung von 75 kW auf. Im Jahre 1891 wurden 100 kW bei einem thermischen
Wirkungsgrad von 8,3 % erzielt und 1903 lieferte Parsons eine Dampfturbine mit 5 MW
bei einem thermischen Wirkungsgrad von über 20 % aus. Nach einer spektakulären Demonstration der Leistung seiner Dampfturbinen bei einer Flottenparade 1897 wurde die
Dampfturbine zum bevorzugten Antrieb großer Schiffe. Dieser Anwendungsfall brachte
dem in Anfang befindlichen Dampfturbinenbau einen starken Schub. Die Dampfturbine
verdrängte als Schiffsantrieb sehr schnell die Kolbendampfmaschinen. Ein Beispiel für
einen solchen Schiffsantrieb zeigt Abb. 1.6.
Bei der in Abb. 1.6 gezeigten Dampfturbine handelt es sich um eine Maschine mit
einer Leistung von 2800 PS bei 600 min1 . Bei der Verwendung der Dampfturbine als
Schiffsantrieb liegt das Problem allgemein darin, dass die Schiffspropellerdrehzahlen relativ niedrig liegen, aber die Dampfturbine als thermische Turbomaschine in kompakter
Bauweise auf relativ hohe Drehzahlen führt (siehe Kap. 4). Infolgedessen müssen aufwendige Getriebe oder Wandler (z. B. Bauart Föttinger [STO1910]) eingesetzt werden. Bei der
in Abb. 1.6 gezeigten Schiffsdampfturbine wurde eine relativ niedrige Dampfturbinendrehzahl durch die Verwendung von großen Durchmessern der Laufscheiben, auf denen
kleine Schaufeln für die Energieumsetzung befestigt waren, ermöglicht. Konzeptionell
und wirtschaftlich ist es allerdings unbefriedigend, eine an sich kompakte Kraftmaschine
nur wegen der Reduzierung der Drehzahlen geometrisch aufskalieren zu müssen.
Der Dampf strömte bei der in Abb. 1.6 gezeigten Ausführung von rechts nach links.
Er passierte zunächst 5 Stufen, die als sog. Curtisräder (siehe Kap. 2) ausgeführt waren. Anschließend wurde der Dampf in 21 Stufen, die auf einem trommelförmigen Rotor
aufgebracht waren, auf einen niedrigen Kondensatordruck entspannt. Die Umfangsgeschwindigkeit betrug rund 72 m/s an den Schaufeln. In den ersten Jahren lag der Markt
für Dampfturbinen tatsächlich stark im Schiffsbau. So umfasste um 1910 das klassische
Buch von Stodola [STO1910] praktisch alle Aspekte des Dampfturbinenbaus. Damals
stellten die Schiffsdampfturbinen noch die Mehrheit der besprochenen Konstruktionen.
Diese Position haben Dampfturbinen allerdings im fortgeschrittenen 20. Jahrhundert an
die Großdieselmotoren verloren. So führte 1956 beispielsweise Kearton [KEA1956] in
1
Einführung
7
Abb. 1.6 Schnittzeichnung einer Schiffsdampfturbine um 1910 der AEG, Berlin [STO1910]
seinem ausführlichen Lehrbuch über Dampfturbinen die Schiffsantriebe nur noch an zweiter Stelle auf. Aus heutiger Sicht spielen Schiffsdampfturbinen für die gesamte Dampfturbinenindustrie nur noch eine unwesentliche Rolle und werden daher in dieser Darstellung
nicht mehr weiter vertieft.
Um 1910 wurde die Zukunft der Dampfturbine auch in der damals im Aufstreben befindlichen Elektrizitätswirtschaft gesehen. Hier wirkte sich die Erfindung des zweipoligen
Synchron-Turbogenerators 1901 durch Brown Boveri besonders positiv aus [BOH1985].
Die relativ hohen Drehzahlen der Dampfturbine im Bereich mehrerer 1000 min1 machen
im Schiffsbau immer den Einsatz von aufwendigen Getrieben und Wandlern notwendig,
aber sie sind ideal für den Antrieb von Turbogeneratoren. Da der Strombedarf ab 1900
in den Industrieländern ein rasantes Wachstum erfuhr, wurden die Einheitenleistungen
der Dampfturbosätze stetig erhöht. Dies ist anhand der in Tab. 1.1 aufgeführten Zahlen
demonstriert.
Von Parsons wurde 1913 eine zweigehäusige 25 MW-Turbine übergeben. Diese wies
64 Hochdruckstufen und im doppelflutigen Niederdruckteil 2 mal 24 Niederdruckstufen auf. Zu dieser Zeit lieferten sich die großen Turbinenhersteller einen Kampf um die
leistungsstärkste Dampfturbine. Da es gleichzeitig einen rasanten Fortschritt auch im Kesselbau gab, konnten die Anlagenbauer diesen Wettbewerb unterstützen. Aufgrund des
schnell wachsenden Strombedarfs in den Industrieländern entstanden immer leistungsstär-
8
S. aus der Wiesche
Tab. 1.1 Entwicklung der Leistung von Dampfturbosätzen (Angaben aus [BOH1985])
Jahr
Üblicher Leistungsbereich
1883/84
1896
1902
1926
1950
1957
1961
1967
Wenige kW
Wenige kW
200 bis 400 kW
10 bis 50 MW
50 bis 100 MW
150 bis 320 MW
150 bis 320 MW
300 bis 600 MW
Größte Einheitenleistung
Europa (50 Hz)
220 kW (de Laval)
1470 kW (Parsons)
3000 kW
85 MW
110 MW
250 MW
600 MW
Größte Einheitenleistung
USA (60 Hz)
160 MW (Hellgate)
150 MW
550 MW (Widows Creek)
950 MW (Bull Run)
1300 MW (Cumberland)
kere und effizientere Dampfkraftwerke. Einige dieser Rekord-Kraftwerke sind in Tab. 1.1
mit ihren Namen aufgeführt. Es handelt sich bei den in Tab. 1.1 aufgeführten Beispielen
ausschließlich um fossil befeuerte Kraftwerke. In den späten 1950er traten Kernkraftwerke hinzu. Dies führte insbesondere zwischen 1970 bis 1980 zu einem rasanten Anstieg der
entsprechenden Einheitenleistungen, was anhand des Verlaufes in Abb. 1.7 illustriert ist.
Bei fossil befeuerten Dampfkraftwerken schwächte sich der Anstieg der Einheitenleistungen nach einer sehr stürmischen Entwicklung ab 1930 etwas ab.
Nach 1975 beobachtete man keine signifikante Erhöhung der Einheitenleistung bei
fossil befeuerten Dampfturbosätzen. Diese Stabilisierung liegt an der wirtschaftlichen Optimierung des Kraftwerkes. Die Degression der spezifischen Anlagenkosten schwächt sich
bei rund 800 MW soweit ab, dass für einen Investor kein wesentlicher Vorteil aus einer
größeren Blockleistung resultiert. Prinzipiell werden zwar Dampfturbosätze bis 1800 MW
angeboten [LEY2007], aber der Markt für diese Großausführungen ist in vielen Ländern
heute als eher schwierig anzusehen. Die modernen Fortschritte im Dampfturbinenbau
liegen vor allem im Bereich der Wirkungsgrade und der Verbesserung des Teillastverhaltens. Weil in den 1960er-Jahren bereits schon ein hoher Entwicklungsstand erreicht war,
konnten die Einheitenleistungen der Kernkraftwerksturbinen sehr schnell innerhalb von
Abb. 1.7 Steigerung der
Einheitenleistungen von
Dampfturbosätzen (nach Angaben aus [TER2001])
1
Einführung
9
10 Jahren vervielfacht werden. Bei einem Kernkraftwerk ist der Effekt der Kostendegression entscheidender. Wirtschaftlich werden seit den 1980er-Jahren vergleichsweise große
Blockleistungen (um 1300 MW) betrieben. Die Tendenz zu höheren Blockleistungen bei
Kernkraftwerken setzte sich fort. So werden moderne Kernkraftwerke (z. B. das europäische EPR-System) mit Dampfturbosätzen über 1600 MW Leistung konzipiert (siehe
Kap. 16). Daneben gibt es aber heute auch eine Bewegung hin zu modularen Reaktorkonzepten mit deutlich kleineren Leistungen (im Bereich weniger 100 MW). Es wird sich
zeigen, inwieweit für diese Kernkraftwerke zukünftig ein Markt besteht.
Die Erhöhung der Einheitenleistung im Dampfturbinenbau führt aber nicht zwangsläufig zu längeren Wellensträngen. Tatsächlich wurden durch Konstruktionsfortschritte
und technologische Weiterentwicklungen die Abmessungen der Dampfturbinen bei gleicher Leistung deutlich reduziert. Dies ist anhand der in Abb. 1.8 gezeigten Konstruktionen
illustriert. Alle drei dort gezeigten Dampfturbosätze liegen zwischen 30 bis 60 MW Nennleistung. Der in Abb. 1.8a abgebildete mehrgehäusige Wellenstrang von 1920 weist einen
einflutigen Hochdruck- und einen einflutigen Mitteldruck- sowie einen dreiflutigen Niederdruckteil auf. Die erforderliche Länge konnte bei dem 1954 gebauten zweigehäusigen
Turbosatz (Abb. 1.8b) bereits deutlich reduziert werden. Ab ca. 1980 sind in dieser Leistungsklasse eingehäusige Ausführungen üblich (Abb. 1.8c). Heute können Dampfturbinen
bis zu einer Nennleistung von bis zu 250 MW mit nur einem Gehäuse ausgeführt werden.
Bei größeren Leistungen müssen mehrgehäusige Wellenstränge gewählt werden, was in
Abb. 1.9 gezeigt ist. Das in Abb. 1.9 gezeigte Modell einer 1300 MW-Sattdampfturbine
zeigt die charakteristischen Merkmale der heutigen Dampfturbosätze für den Einsatz in
einem Kernkraftwerk. Die Eintrittsturbine ist zweiflutig ausgeführt, ebenso wie die drei
Niederdruckteilturbinen. In einem heutigen Kernkraftwerk sind die Frischdampfparameter im Vergleich zu einem fossil befeuerten Dampfkraftwerk nur moderat (60 bar und
270 ı C im Vergleich zu über 240 bar und fast 600 ı C), so dass für die Erzielung der
Leistung sehr große Dampfdurchsätze erforderlich sind. Um die großen Durchsätze verarbeiten zu können, werden entsprechend dimensionierte Strömungsquerschnitte benötigt.
Dies führte zu der Entwicklung von sehr langen Schaufeln für die Endstufen der Dampfturbinen.
Neben den klassischen kohlebefeuerten Dampfkraftwerken und den Kernkraftwerken
trat später im 20. Jahrhundert die Klasse der gasbefeuerten kombinierten Gas- und Dampfkraftwerke hinzu (im Deutschen auch bekannt unter der von Siemens geschützten Bezeichnung GuD). Diese Art von thermischen Kraftwerken wurde ab ca. 1990 durch die
enormen Fortschritte im Bereich des Gasturbinenbaus besonders attraktiv. Sie stellen derzeit die am schnellsten wachsende Kraftwerksklasse weltweit dar. In vielen Ländern, wie
etwa in den USA, haben kombinierte Gas- und Dampfkraftwerke die klassischen Dampfkraftwerke fast vollständig im Neubaumarkt verdrängt.
Auch wenn bei einem kombinierten Gas- und Dampfkraftwerk rund zwei Drittel der
elektrischen Nennleistung durch die Gasturbine aufgebracht wird, so sind die insgesamt
dort installierten Dampfturbinenleistungen dennoch beachtlich. Dies ist anhand der in
Tab. 1.2 aufgeführten Zahlen aus dem Jahre 2007 demonstriert. Nach wie vor stellen
10
S. aus der Wiesche
Abb. 1.8 Längsschnitte im gleichen Maßstab von Dampfturbosätzen mit 30 bis 60 MW Leistung
von 1920 (a), 1954 (b) bis 1980 (c) [BOH1985]
Kohlekraftwerke das Rückgrat der weltweiten Energieversorgung dar (rund 30 % der weltweit installierten Kapazität), dicht gefolgt von Gasturbinen in kombinierten und einfachen
Kraftwerksprozessen (rund 20 % der weltweiten Kraftwerkskapazitäten). Alleine die installierte Leistung der in kombinierten Gas- und Dampfkraftwerken eingesetzten Dampfturbinen überstieg 2007 die installierte Leistung erneuerbarer Energieträger deutlich.
Betrachtet man den tatsächlich in Kraftwerken erzeugten Strom, so wird die Bedeutung der Dampfturbine für die elektrische Energieversorgung noch deutlicher. Derzeit
werden rund 40 % des weltweiten Stroms in Kohlekraftwerken erzeugt und zu über 10 %
in kombinierten Gas- und Dampfkraftwerken. Dampfturbosätze in Kernkraftwerken erzeugen rund 15 % des weltweiten Stroms. Hinzu kommen noch öl- oder gasbefeuerte
1
Einführung
11
Abb. 1.9 Modell einer Sattdampfturbine für den Einsatz in einem Kernkraftwerk mit 1300 MWLeistung und 1500 U/min1 (Bauart KWU für Kernkraftwerk Biblis)
sowie geothermisch und solarthermisch betriebene Dampfkraftwerke. Zusammen ergibt
sich ein Anteil von über 60 % zugunsten der Dampfturbinen. Neben den derzeit installierten Kraftwerkskapazitäten ist auch ein Blick auf das Alter der Anlagen für die zukünftige
Marktentwicklung relevant. Nach einer Studie der IEA aus dem Jahre 2010 [IEA2010]
liegt das Alter der Dampfkraftwerke (Kohle und Kernkraft) in den OECD-Ländern zwischen 20 und 40 Jahren. Dieses relativ hohe Durchschnittsalter zieht einen gewaltigen
Bedarf an Ersatzkapazitäten bis zum Jahre 2035 nach sich.
Der in Abb. 1.3 dargestellte Fortschritt im Dampfturbinenbau ab Mitte der 1990er-Jahre
berührte nicht die maximale Einheitenleistung, sondern bezieht sich im Wesentlichen
auf die Anhebung der Wirkungsgrade und der Verbesserung des Betriebsverhaltens. Aus
wirtschaftlichen Überlegungen heraus bestand nach 1990 kein deutlicher Kundenwunsch
mehr, die Blockleistungen von fossil befeuerten Dampfkraftwerken zu erhöhen. Stattdessen wurden die Wirkungsgrade sowohl der Dampfkraftwerke als auch der Turbinen
Gegenstand des Fortschrittes. Wie in den Grundlagen der Thermodynamik (siehe Kap. 3)
gezeigt, verbessert sich der thermische Wirkungsgrad einer Wärmekraftmaschine mit einem Anheben des Temperaturniveaus bei der Wärmezufuhr.
Dies bedeutet für Dampfkraftwerke, dass die Temperaturen, aber auch die Drücke
des Frischdampfes erhöht werden müssen, um den Kraftwerkswirkungsgrad thermodynamisch zu verbessern. Zusätzlich wirkt sich die Erhöhung des Turbinenwirkungsgrades
12
S. aus der Wiesche
Tab. 1.2 Weltweit installierte Kraftwerkskapazitäten 2007 (Angaben aus [KEH2009])
Kraftmaschine
Dampfturbinen
Dampfturbine
Gasturbine
Gasturbine
Hydraulische Turbine
Dieselmotor
Sonstige Erneuerbare
Kraftwerk bzw. Energiequelle
Dampfkraftwerk: Kohle
Dampfkraftwerk: Gas
Dampfkraftwerk: Öl
Dampfkraftwerk: Geothermie, Solar, andere
Kernkraftwerk
Kombiniertes Gas- und Dampfkraftwerk
Kombiniertes Gas- und Dampfkraftwerk
Einfacher Prozess ohne Dampf
Wasserkraftwerke
Öl
Wind, Photovoltaik, Meeresströmungen
Leistung [GW]
1400
300
330
70
395
220
610
310
920
150
105
ebenfalls direkt auf den resultierenden Kraftwerkswirkungsgrad aus. Dies erfordert eine
strömungstechnische Optimierung und eine Verringerung der Spalt- und Leckageverluste
der Turbine. Weitere Verbesserungen des Kraftwerkwirkungsgrades können durch eine
Senkung der Eigenverbräuche (Pumpen, Gebläse, Kohlemühlen) erzielt werden. Nach
anfänglichen Pionieranlagen, die mit höheren Dampfzuständen in den 1960er-Jahren arbeiteten [ENG1994], schwenkte die Mehrzahl der Kraftwerksbauer für viele Jahre auf
ein wirtschaftlich-thermodynamisches Optimum von rund 540 ı C und etwa 190 bar für
fossil befeuerte Großkraftwerke ein. Der Grund hierfür ist vor allem in dem Einsatz von
noch relativ preiswerten Werkstoffen in diesem Bereich für den Kessel und die Turbine
zu sehen [BOH1985]. Nicht zuletzt wegen der höheren Bedeutung von Umweltaspekten
und Verbrauchsfragen bildete sich in den fortgeschrittenen Industriegesellschaften aber
das Bedürfnis nach effizienteren Kraftwerken aus. Dementsprechend stellten sich auch
für die Industrie neue technologische Herausforderungen, die mit der Konstruktion und
der Optimierung von Turbinen für hohe Dampfzustände direkt zusammenhängen.
In diesem Zusammenhang ist vorab eine begriffliche Klärung sinnvoll. Bekanntlich
liegt der kritische Punkt bei Wasser bei 221 bar und 374 ı C. Man spricht daher auch von einem unterkritischen Prozess, wenn die Frischdampfdrücke unterhalb dieses Wertes liegen.
Bei höheren Dampfdrücken spricht man von einem überkritischen (supercritical) Prozess. Neben dieser eindeutigen, rein thermodynamischen Unterscheidung ist aber in der
Kraftwerkstechnik der Begriff „ultra-überkritisch (ultra-supercritical USC)“ zur Charakterisierung von Dampfprozessen, die mit Drücken über 300 bar (4350 psi) arbeiten, üblich.
Typischerweise weisen diese Prozesse dann auch Temperaturen im Bereich von 593 ı C
(1100 ı F) oder höher auf. Manchmal wird der Begriff USC aber auch für Turbinen und
Dampfkraftwerke verwendet, die mit Temperaturen über 593 ı C arbeiten. Viele dieser Anlagen weisen allerdings maximale Dampfdrücke von deutlich unter 300 bar auf. Im Sinne
der ursprünglichen Begriffsverwendung, die sich rein auf die eingesetzten Dampfdrücke
bezog, dürfte man diese Anlagen daher eigentlich nicht als ultra-überkritisch (USC) bezeichnen [LEY2007]. Dennoch wird dies in der Praxis häufig gemacht, da der Begriff
1
Einführung
13
Tab. 1.3 Zwischen 1992 und 2002 installierte überkritische und ultra-überkritische Dampfkraftwerkskapazitäten (Angaben aus [LUB2003])
Land
Japan
Korea
China
Russland
Deutschland
Dänemark
Australien
USA
Sonstige
Einheitenanzahl
25
24
18
4
13
4
4
–
11
Leistung [GW]
20,1
13,5
11,6
2,7
9,4
1,8
1,7
–
5,8
Turbinenhersteller
Hitachi, MHI, Toshiba, Siemens
GE
Siemens, LMZ, MHI, ABB
LMZ
Siemens, ABB
Siemens, ABB, Ansaldo
Toshiba, Ansaldo
–
Siemens, MHI, LMZ, Alstom
ultra-überkritisch im Grunde genommen eine willkürliche Festlegung ist und sich nur
an der eigentlich unbedeutenden Frage nach einem „runden Wert“ für den Druck orientiert. Da aber Dampfkraftanlagen mit hohen Temperaturen überkritisch ausgeführt werden
und technologisch anspruchsvoll sind, wird bisweilen die Verwendung des Begriffs ultraüberkritisch ausgedehnt.
Zwischen 1992 bis 2005 wurden erhebliche Kapazitäten von über- und ultra-überkritischen Dampfkraftwerken weltweit in Betrieb genommen. Entsprechende Zahlen sind in
Tab. 1.3 aufgeschlüsselt für einzelne Länder nach einer Übersicht [LUB2003] zusammengetragen. Der wirtschaftliche Aufstieg Chinas und Koreas spiegelt sich in diesen Daten
ebenso wider, wie die Verschiebung des US-Marktes hin zu Gaskraftwerken. Am Beispiel
der skandinavischen Kraftwerksentwicklung kann sehr gut der mit höheren Dampfparametern zusammenhängende technologische Fortschritt illustriert werden. In Tab. 1.4 sind
hierzu einige repräsentative Daten für zwei hocheffiziente moderne dänische Dampfkraftwerke zusammengestellt. Die Verbesserung des Wirkungsgrades der modernen skandinavischen Dampfkraftwerke ist zudem in Abb. 1.10 graphisch dargestellt. Als Ausgangslage
sind in Abb. 1.10 britische Dampfkraftwerke aufgeführt, die kurz vor Inbetriebnahme der
skandinavischen Kraftwerke fertiggestellt worden waren. Bis 1990 wurden praktisch nur
unterkritische Dampfkraftwerke nach Stand der damaligen Technik in Betrieb genommen. Die Steigerung des Kraftwerkswirkungsgrades blieb bis 1990 dementsprechend auch
überschaubar. Ab 1990 setzten die skandinavischen Betreiber auf moderne überkritische
Prozesse, die eine drastische Verbesserung der Wirkungsgrade und eine starke Reduzierung der Brennstoffverbräuche ermöglichten. Ursprünglich war auch die Errichtung
eines hocheffizienten 700 ı C-Kraftwerks mit fast 55 % Wirkungsgrad in Skandinavien
anvisiert (sog. Projekt „Thermie 700“), aber dieses ambitionierte Projekt wurde später
aufgrund der aktuellen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen verworfen [LEY2007]. Im
Dampfkraftwerk „Skærbæek 3“ wurde das eher seltene Konzept der doppelten Zwischenüberhitzung (ZÜ) angewendet (siehe auch Kap. 3). Baugleich mit diesem Kraftwerk ist
der zeitgleich in Betrieb genommene Block „Nordjyllandsværket 3“.
14
S. aus der Wiesche
Tab. 1.4 Daten von ausgewählten modernen dänische Dampfkraftwerken (Angaben aus
[LEY2007])
Daten
Nennleistung
Dampfdruck
Frischdampftemperatur
Zwischenüberhitzungstemperatur
Temperatur nach 2. Zwischenüberhitzung
Kraftwerkswirkungsgrad
Betriebsbeginn
Turbinenhersteller
Bemerkung
Einheit
MW
bar
ı
C
ı
C
ı
C
%
Jahr
–
–
Skærbæek 3
410
290
582
580
580
47
1997–8
Alstom
Doppelte ZÜ
Avedøre 2
535
300
580
600
–
48
2001
Ansaldo
USC-Kraftwerk
Abb. 1.10 Entwicklung der
Wirkungsgrade skandinavischer Dampfkraftwerke
(Angaben aus [WEL2000])
Das spätere USC-Kraftwerk „Avedøre 2“ verzichtete auf das aufwendige Anlagenschema der doppelten Zwischenüberhitzung. Dieses Kraftwerk kann neben der elektrischen Leistung noch bis zu 620 MW an thermischer Leistung auskoppeln (Kraft-WärmeKopplung). Es besticht durch seinen einmalig hohen Wirkungsgrad. Bei Verwendung von
Gas anstelle von Kohle im flexiblen Kesselsystem wurde ein Wert von 49,5 % berichtet [NOP2003], was bis heute (2018) den Weltrekord für reine Dampfkraftwerke darstellt.
Ein solches Niveau konnte nur durch den Einsatz moderner Turbinen mit einer strömungsoptimierten dreidimensionalen Beschaufelung erzielt werden.
Der Vergleich mit dem derzeitigen weltweiten Mittelwert von nur 33 bis 35 % für
Dampfkraftwerke macht den enormen Fortschritt deutlich, der in den letzten Jahren im
Dampfturbinenbau fast unbemerkt von der Öffentlichkeit erzielt worden ist. In Abb. 1.11
ist ein aktueller Dampfturbosatz für ein fossil befeuertes Großkraftwerk für bis 900 MW
Blockleistung dargestellt. Der Einsatz dieser Turbinen führt auf Kraftwerkswirkungsgrade
von deutlich über 45 %, was die Senkung des CO2 -Ausstoßes um fast ein Drittel gegenüber dem Weltdurchschnitt bedeutet.
1
Einführung
15
Abb. 1.11 Moderner Dampfturbosatz großer Leistung für höhere Dampfparameter (Siemens AG)
Der Einsatz von Dampfturbinen erstreckt sich nicht nur auf den Einsatz in fossil befeuerten Großkraftwerken oder in Kernkraftwerken. Auch für regenerative Energieträger
werden Dampfturbinen erfolgreich eingesetzt (siehe Kap. 17). In Abb. 1.12 ist der beschaufelte Läufer einer Dampfturbine für den Einsatz in einem solarthermischen Kraftwerk gezeigt. Bei dieser Kraftwerksklasse liefert die solare Strahlung die Wärmequelle.
Die Sonnenstrahlung wird dabei konzentriert und zur Erzeugung von Dampf verwendet.
Dieser Dampf kann dann in einer Dampfturbine entspannt werden. Es handelt sich daher bei solarthermischen Kraftwerken um eine erprobte und zuverlässige Technologie.
Speziell in den sonnenreichen Gegenden der Erde stellt sie eine attraktive, umweltfreundliche Alternative zu fossil befeuerten Kraftwerken dar. Es lassen sich darüber hinaus auch
hybride Kraftwerkskonzepte realisieren, bei der ein Teil der Wärme durch die Sonne aufgebracht wird. Der in Abb. 1.12 gezeigte Läufer wurde in eine Dampfturbine mit einer
Einheitenleistung von brutto 125 MW für das solarthermische Kraftwerk „Shams 1“ in
Abu Dabi im Jahre 2011 eingebaut. Die gesamte Dampfturbine wiegt rund 220 t. Ein
weiteres Anwendungsgebiet von Dampfturbinen für die Nutzung von regenerativen Energieträgern ist durch geothermische Kraftwerke gegeben. Bei dieser Klasse von Anlagen
werden die an bestimmten Stellen der Erde natürlich vorkommenden Dampf- oder Heißwasserressourcen energetisch ausgenutzt. Das erste geothermische Dampfkraftwerk mit
einem Turbinenprozess ging bereits 1912 mit einer Leistung von 250 kW in Larderello
(Italien) in Betrieb. Vier Jahre später wurden bereits drei weitere Einheiten mit jeweils
2,5 MW Leistung installiert.
Dampfturbinen für solar- und geothermische Kraftwerke weisen meist moderate Leistungen von 30 bis 100 MW auf. Sie sind daher gut vergleichbar mit Industriedampftur-
16
S. aus der Wiesche
Abb. 1.12 Läufer einer Dampfturbine für den Einsatz in einem solarthermischen Kraftwerk (MAN)
binen, die in kleineren Kraftwerken oder Industrieanlagen als Kraftmaschinen dienen. In
der petrochemischen und verfahrenstechnischen Industrie wird diese Klasse von Dampfturbinen stark eingesetzt.
Ein besonderer Vorteil entsteht, wenn neben der Antriebsleistung auch Prozessdampf
für die Industrieanlage benötigt wird. Es bietet sich dann der Einsatz von EntnahmeDampfturbinen an, bei denen Prozess- und Heizdampf definiert ausgekoppelt werden
kann. Ein entsprechendes Ausführungsbeispiel zeigt Abb. 1.13. Charakteristisch für
Entnahme-Dampfturbinen sind die Entnahmeventile. Diese Art von kombinierter Nutzung von Kraft und Wärme stellt meist das ressourcenschonendste Anlagenkonzept
dar.
Industriedampfturbinen können auch für den Direktantrieb von Arbeitsmaschinen eingesetzt werden. In diesem Fall können sie direkt als Kraftmaschine an die anzutreibende
Arbeitsmaschine (z. B. einen Kompressor oder eine Pumpe) angeflanscht werden. Bei
der in Abb. 1.13 dargestellten Industriedampfturbine liegt die Einheitenleistung im Bereich von bis 150 MW. Die maximale Leistung von Industriedampfturbinen bewegt sich
meist im Bereich bis zu 100 MW. Größere Ausführungen bis 200 MW sind eher selten im
Einsatz. Die untere Leistungsgrenze, bis zu der Dampfturbinen wirtschaftlich eingesetzt
werden können, liegt bei wenigen MW. In Sonderfällen können auch noch sehr kleine
Dampfturbinen mit einigen kW eingesetzt werden. Ein entsprechendes Ausführungsbeispiel für eine Dampfturbine kleiner Leistung (bis 12 MW) zeigt Abb. 1.14. Dampfturbinen
1
Einführung
17
Abb. 1.13 EntnahmeDampfturbine für den Einsatz
in Industrieanlagen (Siemens
AG)
Abb. 1.14 Dampfturbine
kleiner Leistung für den Antrieb einer Arbeitsmaschine
(Siemens AG)
mit Leistungen unter 1 MW stellen heute eher Ausnahmen dar. Im niedrigen Leistungsbereich können sich Dampfturbinen üblicherweise nicht gegenüber elektrischen Antrieben
oder Verbrennungskraftmaschinen durchsetzen.
1.3 Klassifizierung von Dampfturbinen
Dampfturbinen können nach ihrem Verwendungszweck und ihrer Größe klassifiziert
werden. Daneben sind als Klassifizierungsschema auch Bauformen möglich, doch diese
Aspekte werden in Kap. 2 detaillierter behandelt. In Abb. 1.15 ist eine entsprechende
Klassifizierung von Dampfturbinen nach Art ihres Einsatzes und ihrer Größe gezeigt.
Allgemein lassen sich Dampfturbinen – wie auch Gasturbinen – in stationäre und mobile
Einheiten unterteilen. Im Falle von Gasturbinen sind die beiden Marktanteile (stationäre Gasturbinen und Gasturbinen für Flugtriebwerke) relativ ausgeglichen (mit einem
18
S. aus der Wiesche
Abb. 1.15 Klassifizierung von Dampfturbinen nach ihrem Verwendungszweck und ihrer Größe
größeren Marktgewicht auf Seiten der Flugtriebwerke). Im Gegensatz hierzu ist bei
Dampfturbinen der Anteil der mobilen Anwendungen sehr viel geringer. Er besteht
praktisch nur aus wenigen Schiffsdampfturbinen. In der Anfangszeit der Dampfturbinenindustrie waren die Schiffsantriebe vom Umfang her noch mit den stationären
Anwendungen vergleichbar. Nach Einführung der Großdieselmotoren hat sich die Bedeutung von Dampfturbinen im Schiffsbau aber auf nur noch wenige Sonderanwendungen
reduziert. Die Schiffsdampfturbinen können in die Turbinen für fossil befeuerte Kessel
(konventioneller Schiffsantrieb) oder in Sattdampfturbinen für Nuklearantrieb unterteilt
werden. Nur wenige große Flugzeugträger und Atomunterseeboote weisen einen Nuklearantrieb auf. In der zivilen Schifffahrt hat sich dieser nicht durchsetzen können. Die
einzigen zivilen Schiffe mit Nuklearantrieb sind einige Eisbrecher. Auch kann bei modernen Flugzeugträgerprojekten wieder eine Hinwendung zu fossilen Antrieben (Gasturbinen
bzw. Großdieselmotoren) beobachtet werden. Die Dampfturbine als Schiffsantrieb ist erst
ab einer Wellenleistung von rund 50 MW wirtschaftlich interessant.
Die stationären Dampfturbinen stellen die überwältigende Anzahl von Ausführungen
dar. Allgemein üblich ist ihre Unterteilung in Dampfturbosätze großer Leistung und Industriedampfturbinen. Daneben gibt es noch Mini- bzw. Mikro-Dampfturbinen. Diese
können auch in mobilen Anwendungen (z. B. in Schiffen) eingesetzt werden. Diese Art
1
Einführung
19
Abb. 1.16 Typische Expansionsverläufe von fossil befeuerten Dampfkraftwerken (strichpunktiert),
kombinierten Gas- und Dampfkraftwerken (punktiert) und Kernkraftwerken (gestrichelt) im h,sDiagramm
von miniaturisierten Dampfturbinen können bei Vorliegen eines übergeordneten Dampfversorgungsnetzes als lokale oder dezentrale Antriebseinheiten verwendet werden. Bereits
um 1900 wurden diese sehr kleinen Dampfturbinen gebaut. Die kleinsten realisierten Ausführungen bewegten sich im Leistungsbereich von 0,5 bis ca. 5 kW [TER2001]. Durch
die fortschreitende Elektrifizierung wurden diese Kraftmaschinen aber zunehmend durch
elektrische Antriebe verdrängt.
Die großen Dampfturbosätze werden heute in Anwendungen für fossil befeuerte
Dampfkraftwerke, für kombinierte Gas- und Dampfkraftwerke und für Sattdampfprozesse in Leichtwasser-Reaktor-Kernkraftwerke unterteilt. Diese Unterteilung folgt bereits
schon aus den unterschiedlichen Frischdampfparametern, die diesen Dampfturbinenklassen zugrundeliegen. In Abb. 1.16 ist dies anhand der drei Expansionsverläufe im
h,s-Diagramm gezeigt. Bei einem fossil befeuerten Dampfkraftwerk (DKW) wird meist
ein Prozess mit einer einfachen Zwischenüberhitzung gewählt. die Frischdampfdrücke
liegen im Bereich um 200 bar und die Temperaturen bei über 540 ı C. Bis auf die letzten
Stufen der Niederdruckteilturbinen verlaufen die Entspannungen im überhitzten Dampf-
20
S. aus der Wiesche
bereich in Abb. 1.16. Bei einem kombinierten Gas- und Dampfkraftwerk (GuD) wird
die Wärme für den unterliegenden Dampfkraftprozess mit Hilfe eines Abhitzekessels aus
dem Abgas des oberliegenden Gasturbinenprozesses gewonnen. Da die Abgastemperaturen von modernen Gasturbinen im Bereich 500 bis 600 ı C liegen, können zwar ähnlich
hohe Frischdampftemperaturen wie bei fossil befeuerten reinen Dampfkraftwerken erreicht werden, aber die maximalen Dampfdrücke liegen deutlich niedriger. Typisch sind
Dampfdrücke zwischen 50 bis 100 bar. Bei Kernkraftwerken (KKW) findet man heute
fast nur noch Leichtwasser-Reaktoren (siehe Kap. 16). Aufgrund ihres Aufbaus (Druckoder Siedewasser-Reaktor) sind die maximal erreichbaren Frischdampfdrücke auf 50 bis
70 bar und die maximal erreichbaren Frischdampftemperaturen auf etwa 320 ı C begrenzt.
Diese niedrigen bzw. moderaten Dampfparameter führen bei gleichzeitig großen Dampfdurchsätzen zu einer eigenen Bauform. Da die Turbinenentspannung fast vollständig im
Nassdampfgebiet erfolgt, ist auch der Begriff Sattdampfturbine üblich. Konstruktiv unterscheiden sich daher diese drei Klassen signifikant voneinander. Auch sind zusätzliche
technische Maßnahmen zur Reduzierung der Nässe im Turbinenpfad bei Kernkraftwerken erforderlich. Abdampfzustände (Kondensatordruck und Endnässe) sind bei den in
Abb. 1.16 aufgeführten Kraftwerkstypen vergleichbar.
Mit dem Begriff Industriedampfturbine wird eine sehr große Klasse von Ausführungen
im Leistungsbereich bis etwa 200 MW bezeichnet. Der Begriff bezog sich ursprünglich
auf den Haupteinsatz dieser Dampfturbinen als Antriebe und Kraftmaschinen in großen
Industriekomplexen. Heute werden aber auch Anwendungen in kommunalen oder mittleren Kraftwerken in dieser Leistungsklasse als Industriedampfturbinen bezeichnet. Diese
Dampfturbinen können ebenfalls in kombinierten Gas- und Dampfkraftwerken eingesetzt
werden, so dass die Unterteilung in Kraftwerks- und Industriedampfturbinen nicht streng
ist. Zu den Industriedampfturbinen zählen auch Entnahmedampfturbinen für die Bereitstellung von Prozessdampf.
Eine gewisse Sonderrolle nehmen Dampfturbinen für geothermische und solarthermische Kraftwerke ein. Von ihrer Leistung und ihrem Grundaufbau muss man Dampfturbinen für solarthermische Anlagen eindeutig zu den Industriedampfturbinen zählen.
Ihre Einbindung in solarthermische Kraftwerke führen aber zu gewissen konstruktiven
Modifikationen, so dass man bisweilen diese Beispiele auch unter einer eigenen Klasse zusammenfasst. Dampfturbinen für geothermische Anlagen lassen sich ebenfalls als
modifizierte Industriedampfturbinen auffassen. Allerdings weisen geothermische Dampfkraftprozesse gegenüber den anderen Kraftwerken deutliche Unterschiede hinsichtlich der
Dampfqualität auf, so dass die Modifikationen bei geothermischen Anwendungen meist
erheblicher sind. Dies wird in einem späteren Kap. 17 noch detailliert dargelegt. Man kann
daher zu Recht von einer eigenen Klasse von geothermischen Dampfturbinen zu sprechen.
Meist handelt es sich dabei um Sattdampfturbinen, was eine Folge der üblicherweise niedrigen Frischdampfparameter der natürlichen geothermischen Ressourcen ist.
Abschließend sei noch darauf hingewiesen, dass Dampfturbinen oft anders, als ursprünglich für sie vorgesehen, eingesetzt werden. So wurden in den letzten Jahrzehnten
viele nicht mehr benötigten Schiffsdampfturbinen als Turbinen für kommunale oder städ-
1
Einführung
21
tische Kraftwerke stationär eingesetzt und damit wiederverwendet. Auch sind die Grenzen
zwischen Kraftwerks- und Industriedampfturbinen nicht immer eindeutig zu ziehen. Insofern dient Abb. 1.15 eher der besseren Orientierung und stellt kein absolut strenges
Klassifizierungsschema dar.
1.4 Einige Angaben zur weltweiten Dampfturbinenindustrie
Die Entwicklung der Dampfturbinenindustrie kann in einige charakteristische Abschnitte
unterteilt werden.
Unmittelbar nach ihrer Erfindung konstruierten in den industrialisierten Ländern viele Unternehmen Dampfturbinen. Nur noch wenige dieser frühen Anbieter sind bis heute
im Markt aktiv tätig, wie beispielsweise General Electric (GE, USA). Die meisten dieser Unternehmen sind entweder von erfolgreicheren Firmen übernommen worden, oder
sie sind vom Markt verschwunden. Einen vollständigen Überblick über den Stand um
1910 bietet das Buch von Stodola [STO1910]. Insgesamt sind dort rund 30 Unternehmen
aufgeführt, die stationäre Dampfturbinen verschiedenster Bauformen anboten. Dazu kamen noch Unternehmen aus dem Schiffsbau sowie Firmen, die zu dieser Zeit erst in das
Dampfturbinengeschäft einstiegen. Zu beachten ist, dass damals sämtliche Unternehmen
aus Europa oder den USA stammten. Erst Jahre später traten japanische Konzerne hinzu.
Da die ersten Dampfturbinen noch vergleichsweise kleine und oftmals einfach konstruierte Maschinen waren, konnten sich neben großen Konzernen auch deutlich kleinere Firmen
in den ersten Jahrzehnten im Dampfturbinenmarkt betätigen. Auch haben einige Pioniere
der Dampfturbinenentwicklung eigene Unternehmen gegründet, wie Parsons oder Rateau.
Durch die fortschreitende Professionalisierung des Marktes setze allerdings schon in
der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts ein deutlicher Konsolidierungsprozess ein. Diese
Tendenz ist bis heute für die Dampfturbinenindustrie bestimmend. So ist die Entwicklung
der Dampfturbinenindustrie vor allem durch einen immer weiterschreitenden Prozess des
Verschmelzens und des Übernehmens von Firmen gekennzeichnet. Heute gibt es weltweit
nur noch eine relativ kleine Anzahl von unabhängigen Unternehmen in der Dampfturbinenindustrie. Anhand der Firmenzusammenschlüsse und Fusionen der europäischen und
US-amerikanischen Firmen kann dieser Prozess verdeutlicht werden. In Abb. 1.17 ist
dieser Prozess für die Hersteller von Dampfturbinen großer Leistung schematisch dargestellt. Zu einem der frühen Unternehmen der Dampfturbinenindustrie zählt GE. Es
ist heute weltweit der nach Umsatz führende Konzern im Energiesektor. In Frankreich,
Großbritannien und Deutschland gab es zunächst eine starke Tendenz hin zu nationalen Zusammenschlüssen. So schlossen sich Rateau, CEM und SACM in Frankreich dem
Industriekonzern Alsthom an. In Großbritannien bildeten AEI und English Electric das
britische Unternehmen GEC. Der klassische englische Hersteller Parsons wurde später
von Siemens übernommen. Bereits vor 1910 stellte BBC in der Schweiz Dampfturbinen in
Lizenz von Parsons her. Dieses Unternehmen expandierte in den weiteren Jahren sehr erfolgreich. In Mannheim entstand zudem eine juristisch eigenständige deutsche BBC. BBC
22
S. aus der Wiesche
Abb. 1.17 Konsolidierungsprozess der europäischen und US-amerikanischen Hersteller von Dampfturbinen großer Leistung
schloss sich 1988 mit der schwedischen Firma ASEA, die auch die Turbinengeschäfte der
schwedischen Unternehmen STAL-Laval sowie Ljungström aufgenommen hatte, zu ABB
zusammen. Die Turbinen- und Kraftwerksgeschäfte wurden in der ABB Kraftwerkstechnik zusammengefasst. Diese Gruppe bildete in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts
den zwischenzeitlich größten Hersteller von Dampfturbosätzen.
Aufgrund der Verschärfung des internationalen Marktes mussten sich die nationalen
Hersteller zu größeren Konzernen und Verbünden zusammenschließen. In Deutschland
entstand u. a. durch die jeweiligen Geschäftsfelder von Siemens und AEG die Kraftwerkunion (KWU), zu der noch weitere Unternehmen gehörten. Später wurde der Begriff
KWU zu einem Synonym für Siemens. Alsthom und GEC schlossen sich zum Gemeinschaftsunternehmen GEC Alsthom zusammen, was den fünften Platz unter den weltweiten
Dampfturbinenherstellern einnahm. Da ABB die Kraftwerkssparte in den 1990er-Jahren
nicht mehr als langfristig attraktiv ansah, wurde eine Fusion von ABB Kraftwerkstechnik
und GEC Alsthom angestrebt. Aus dieser Fusion 1999 entstand der damals größte Hersteller von Dampfturbinen zunächst als Joint-Venture, danach als Unternehmen Alstom.
Auch MAN Energie (nicht zu verwechseln mit der MAN Energy Solutions Gruppe, die
im Wesentlichen aus GHH entstand) trat diesem Konzern bei. Siemens übernahm in dieser Zeit das US-Unternehmen Westinghouse, das viele Jahrzehnte lang der amerikanische
1
Einführung
23
Gegenspieler zu GE war. Zudem wurde das Traditionsunternehmen Parsons von Siemens
integriert, so dass um 2000 in der westlichen Welt fast alle Dampfturbinen großer Leistung
von GE, Siemens und Alstom sowie einem japanischen Trio (Mitsubishi Heavy Industry
MHI, Hitachi und Toshiba) angeboten worden sind. Hinzu traten noch kleinere Firmen
wie Skoda Energy oder Ansaldo, die geringere Marktanteile aufwiesen. Weltweit waren
ebenfalls noch ehemals sowjetische Industriekonzerne wie LMZ (in der deutschen Transkription als Leningrader Metallwerk LMS bekannt) aktiv. Durch den Eintritt von China
als ein führendes Industrieland und durch die Verschiebung des Dampfturbinenmarktes
hat sich seit 2000 die Situation unter den großen Herstellern nochmals dramatisch verändert (siehe insbesondere auch die nachfolgend noch aufgeführten Umsatzzahlen). Im
Jahre 2015/16 entstand durch die Übernahme der Energiesparte von Alstom durch GE der
derzeit größte Marktteilnehmer. Siemens wiederum baute seine Energiesparte durch die
Übernahme des US-Unternehmens Dresser-Rand sowie weiteren kleineren Firmen aus.
In Japan schlossen sich MHI und Hitachi in der Turbinen- und Kraftwerksparte eng
zusammen, so dass es auch dort zu einem Konsolidierungsprozess gekommen ist. Die
ehemals sowjetischen Unternehmen sind zu einem russischen Konzern (JSZ mit LMZ)
zusammengefasst. Skoda Energy ist Teil vom asiatischen Doosan-Konzern geworden. Es
kann erwartet werden, dass sich der Konzentrationsprozess von Firmen und die damit
zusammenhängenden Übernahmen in der Dampfturbinen- und Kraftwerksindustrie zukünftig weiter fortsetzen werden.
Neben den oben genannten großen Konzernen gibt es nur noch wenige kleinere unabhängige Hersteller, wie Elliot (aus den USA), Ansaldo Energia in Italien oder MAN
Energy Solutions in Deutschland. Ansaldo Energia stellt dabei insofern eine Ausnahme
dar, als dass dieses Unternehmen neben Industriedampfturbinen auch große Dampfturbosätze herstellt. Zudem verstärkte 2015/16 Ansaldo Energia durch die Übernahme der
Gasturbinensparte von Alstom sein Engagement im wichtigen Markt der kombinierten
Gas- und Dampfkraftwerke. Wie die nachfolgend aufgeführten Umsatz- und Wachstumszahlen zeigen, ist dieses Segment aktuell von großer Bedeutung.
Der mit Abstand größte Markt für Dampfturbinen liegt derzeit in China. Chinesische
Hersteller produzieren aktuell mehr Dampfturbinen, als alle anderen Hersteller zusammen. Teilweise handelt es sich um Lizenzbau, teilweise wurden mit westlichen Herstellern
Gemeinschaftunternehmungen gegründet. Aufgrund der Wachstumszahlen in Indien treten auch verstärkt indische Unternehmen und Beteiligungen hinzu. Nach Ansicht von
Frost & Sullivan [FRO2016] wird mittelfristig eine weitere „signifikante Konsolidierung“
innerhalb der globalen Industrie erwartet. Bemerkenswert ist in jedem Fall, dass es heute
nur noch relativ wenige unabhängige Hersteller von Dampfturbinen gibt, obgleich dieser
Markt insgesamt gesehen immer gewachsen ist und noch weiter expandieren wird. Ein
Grund für diesen Konsolidierungsprozess ist auch in dem hohen Aufwand für Entwicklung und Fertigung von Dampfturbinen zu sehen. Die damit verbundenen Belastungen und
wirtschaftlichen Vorausleistungen können nur noch innerhalb von größeren Konzernstrukturen getragen werden. Es ist insofern auch kein Zufall, dass die gleichen Konzerne (GE,
24
S. aus der Wiesche
Tab. 1.5 Umsatzzahlen und Marktdaten für die Turbinenindustrie (weltweit)
Marktsegment
Globaler Dampfturbinenmarkta
Globaler Dampfturbinenmarkta
Dampfturbinenmarkt APAC-Region (Asien-Pazifik)a
Dampfturbinenmarkt China und Indiena
Dampfturbinenherstellung Chinab
Dampfturbinenherstellung Chinab
Dampfturbinenherstellung Chinab
Globaler Turbinenmarkt (Gas, Dampf, Hydro, Wind,
sonstige)c
Globaler Gasturbinenmarkt (stationäre Gasturbinen)d
Globaler Gasturbinenmarkt (zivile Flugtriebwerke)d
Jahr Umsatz (in Mrd. USD)
2011 12,1
2014 14,8
2011
9,3 (entsprechend 77 %)
2011
7,3 (entsprechend 60 %)
2008
3,7
2011
5,7
2014
8,3
2013 135,7
2013
2013
15,0
27,5
a
Quelle: Lucintel (Dez. 2012) bzw. Markets and Markts
Quelle: Statista (2015)
c
Quelle: Transparency Market Research (2015)
d
Quelle: ASME
b
Siemens, Mitsubishi-Hitachi sowie zukünftig eventuell auch Ansaldo Energia) ebenfalls
den Markt für schwere Kraftwerksgasturbinen dominieren.
Einige aktuelle Umsatzzahlen sind in Tab. 1.5 für die Turbinenindustrie mit einem
Schwerpunkt auf die Dampfturbinenhersteller nach verschiedenen Quellen zusammengestellt. Geringfügige Unterschiede können sich bei Aufstellungen dieser Art aufgrund der
leicht unterschiedlichen Währungsreferenzen ergeben. Gemessen am Umsatz der gesamten Turbinenindustrie (Dampf, Gas, Hydro, Wind, sonstige) machen Dampfturbinen nur
rund ein Zehntel aus. Dieser Anteil ist etwas geringer als der Markt für stationäre Gasturbinen. Der größte Marktanteil entfällt auf Gasturbinen für Flugzeugantriebe. Daneben stellen Windräder ein ebenfalls stark wachsendes Segment weltweit dar. Die APAC-Region,
d. h. der Asien-Pazifik-Raum, stellt mit rund 77 % den wichtigsten Dampfturbinenmarkt
dar. Hierbei entfällt der mit Abstand größte Anteil auf China. 60 % aller Dampfturbinen
werden derzeit an Kunden in China und Indien verkauft. China ist aktuell nicht nur der
wichtigste, sondern auch der am schnellsten wachsende Dampfturbinenmarkt. Dies wird
durch die in Tab. 1.5 aufgeführten Umsatzzahlen für in China hergestellte Dampfturbinen
klar demonstriert. Wie Tab. 1.5 zu entnehmen ist, wächst insgesamt gesehen der globale
Dampfturbinenmarkt. Entsprechende Wachstumszahlen sind in Tab. 1.6 weiter aufgeführt.
Verglichen mit dem Gasturbinenmarkt wird allerdings von einem etwas geringerem
Wachstum für die nächsten Jahre ausgegangen. Zudem findet das Wachstum für Dampfturbinen nicht gleichmäßig statt, sondern es dominieren das Segment für kombinierte
Gas- und Dampfkraftwerke bzw. der lokale chinesisch-indische Markt. Im Bereich der
kombinierten Gas- und Dampfkraftwerke werden Wachstumszahlen von über 8 % vorhergesagt. Zu beachten ist auch, dass in den westlichen Ländern aktuell praktisch nur noch
1
Einführung
25
Tab. 1.6 Wachstumszahlen für die Dampfturbinenindustrie (globaler Kraftwerksmarkt)
Marktsegment
Globaler Turbinenmarkt (alle)b
Globaler Dampfturbinenmarkta
Globaler Dampfturbinenmarkta
Dampfturbinenmarkt APAC-Region (Asien-Pazifik)a
Turbinen für kombinierte Gas- und Dampfkraftwerkea
a
b
Zeitraum
2013 bis 2020
2011
2014 bis 2020
2011
2015
Wachstum CAGR [%]
4,9 (Vorhersage)
2,4
3,0 bis 4,4 (Vorhersage)
3,0
8,1
Quelle: Lucintel (Dez. 2012), technavio
Quelle: Transparency Market Research (2015)
Tab. 1.7 Vorhergesagte Marktanteile der Hersteller von Dampfturbinen für kombinierte Gas- und
Dampfkraftwerke im Zeitraum von 2016 bis 2029 (weltweit)
Hersteller
GE (zusammen mit Alstom)
Davon Alstom
Siemens
Japanische Hersteller (zusammen)
Davon Hitachi
Davon Fuji Electric
Davon Toshiba
Davon MHI
JSZ und LMZ (Russland)
Doosan Skoda (Korea, Tschechien)
Ansaldo Energia (Italien)
MAN (Deutschland)
Elliot (USA)
Marktanteil
[%]
31,0
7,7
15,2
27,1
8,7
6,6
6,0
5,8
10,5
7,9
2,4
1,3
0,7
Kumulierter Umsatz
(Mrd. USD)
43,7
23,6
42,0
Quelle: Forecast International (2015)
kombinierte Gas- und Dampfkraftwerke und kaum noch reine Dampfkraftwerke verkauft
werden.
In Tab. 1.7 sind die nach einer Studie erwarteten Anteile der Dampfturbinenhersteller
für den wichtigen Markt der kombinierten Gas und Dampfkraftwerke aufgeführt. Wie zu
erwarten, dominieren hierbei die großen Konzerne, die neben den Dampfturbinen auch
Kraftwerksgasturbinen bzw. Kraftwerkskomponenten anbieten. Der in Tab. 1.7 vorhergesagte Anteil von Ansaldo berücksichtigt nur sehr konservativ die Möglichkeiten, die sich
durch die Übernahme der Gasturbinensparte von Alstom ergeben haben.
Der Konsolidierungsprozess und die Übernahme von Firmen hat nicht nur eine hohe kaufmännische Bedeutung, sondern führt auch zu einer Verstärkung des Baukastenoder Plattformkonzeptes in der Konstruktion von Dampfturbinen. Durch die Übernahme
von früher unabhängigen Herstellern und deren Integration in Konzernstrukturen ergeben
26
S. aus der Wiesche
sich zwangsläufig Doppelungen im Produktportfolio. Eine Lösung für diese aus Kostengesichtspunkten nachteilige Situation ist durch eine verstärkte Standardisierung gegeben.
Primär dient die Standardisierung von Konstruktionsprozessen und Bauteilen der Kostenreduktion. Aufgrund des großen Wettbewerbs und der scharfen Marktanforderungen
unternehmen alle Hersteller von Dampfturbinen große Anstrengungen auf diesem Gebiet.
Literatur
[BOH1985] Bohn, T. (Hrsg.): Konzeption und Aufbau von Dampfkraftwerken. Handbuchreihe
Energie, Bd. 5. Technischer Verlag Resch, Köln (1985)
[ENG1994] Engelke, W., Termuehlen, H.: Turbines for High Steam Parameters. In: Moore, W.G.
(Hrsg.) Advances in Steam Turbine Technology for the Power Generation Industry PWR, Bd.
26, ASME, New York (1994)
[FRO2016] Frost & Sullivan: Global Gas und Steam Turbine Market, Forecast to 2025. San Antonio
(2016)
[IEA2010] IEA (International Energy Agency): World Energy Outlook 2010, Paris, (2010).
[KEA1956] Kearton, W.J.: Steam Turbine Theory and Practice, 7. Aufl. Pitman, London (1956)
[KEH2009] Kehlhofer, R., Hannemann, F., Stirnimann, F., Rukes, B.: Combined-Cycle Gas &
Steam Turbine Power Plants. PennWell Books, Tulsa (2009)
[LEY2005] Leyzerovich, A.S.: Wet Steam Turbines for Nuclear Power Plants. PennWell TBooks,
Tulsa (2005)
[LEY2007] Leyzerovich, A.S.: Steam Turbines for Modern Fossil Fuel Power Plants. Fairmont
Press, Lilburn (2007)
[LUB2003] Luby, P.: Supercritical Systems. Lat Power Syst. 23, 27–32 (2003)
[NOP2003] Noppenau, H.: Concept and First Operating Experience with Avedøre, 2. Vgb Powertech 83, 88–91 (2003)
[STO1910] Stodola, A.: Die Dampfturbinen, 4. Aufl. Springer, Berlin (1910)
[TER2001] Termuehlen, H.: 100 Years of Power Plant Development. ASME Press, New York
(2001)
[ULM2003] Ulm, W.: VGB PowerTech 83, Issue 1 (2003)
[WEL2000] Weldorf, G.: Vertical tubes improve supercritical systems. Lat Power Syst. 20, 31–41
(2000)
[WIK2016] www.wikipedia.de, Bildmaterial (2016)
2
Aufbau und Wirkungsweise von Dampfturbinen
Matthias Neef und Stefan aus der Wiesche
In diesem Kapitel werden der grundlegende Aufbau und die Wirkungsweise von Dampfturbinen in Form einer Übersichtsdarstellung vorgestellt. Im weiteren Verlauf dieses
Buchs werden die verschiedenen physikalischen und konstruktiven Einzelheiten noch ausführlich behandelt, so dass das hier vorliegende Kapitel als technische Einführung dient.
Eine Ausnahme bildet der Abschnitt über die Radialdampfturbine, die heute praktisch
nicht mehr gebaut wird. Dieses interessante, allerdings derzeit historisch abgeschlossene Konzept wird kompakt in diesem Kapitel vorgestellt und im weiteren Verlauf dieses
Buches nicht mehr weiter betrachtet.
Im Laufe der Zeit wurden viele verschiedene Dampfturbinentypen und Konzepte entwickelt. Manche dieser Dampfturbinentypen haben sich weltweit durchgesetzt, andere
blieben eher technische Exoten oder wurden sogar ganz aufgegeben. Für den Anfänger ist
es angesichts der vielfältigen Ausführungen und Konzepte oftmals schwierig, die Orientierung zu behalten. Das hier vorliegende Kapitel soll hierzu eine Hilfe sein. Besondere
Vorkenntnisse werden nicht vorausgesetzt, und es wird eine eher auf das Grundverständnis
abzielende beschreibende Argumentation gewählt. Auf die Darstellung tieferer mathematischer und physikalischer Zusammenhänge wird an dieser Stelle bewusst verzichtet und
auf die nachfolgenden Kapitel verwiesen.
M. Neef ()
Hochschule Düsseldorf
Düsseldorf, Deutschland
E-Mail: matthias.neef@hs-duesseldorf.de
S. aus der Wiesche
Fachhochschule Münster
Steinfurt, Deutschland
E-Mail: wiesche@fh-muenster.de
© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2018
S. aus der Wiesche, F. Joos (Hrsg.), Handbuch Dampfturbinen,
https://doi.org/10.1007/978-3-658-20630-7_2
27
28
M. Neef und S. aus der Wiesche
Abb. 2.1 Eingelegter Läufer
für eine Industriedampfturbine
(MAN)
2.1
Einleitung
Dampfturbinen gehören zu den thermischen Turbomaschinen. Das gemeinsame Kennzeichen von Turbomaschinen ist die Umwandlung von Energie in stetig durchströmten
Schaufelrädern [MÜL1978]. Zu den besonderen Merkmalen der Dampfturbinen zählen
daher ihre Läufer, d. h. die beschaufelten Wellen. In Abb. 2.1 wird dies anhand einer
mehrschaligen Industriedampfturbine gezeigt, deren oberes Gehäuseteil zusammen mit
den oberen Leitschaufelträgern entfernt wurde.
Der Energieumsatz erfolgt in einer Dampfturbine indirekt. Die im Arbeitsfluid gespeicherte thermische Energie wird zunächst in kinetische Energie umgewandelt und
diese in rotierenden Schaufeln auf eine Welle übertragen. Die grundlegende Wirkungsweise lässt sich in weiten Zügen auch am Beispiel der Wasserturbinen verstehen.
Diese zählen zu den sog. hydraulischen Turbomaschinen, bei denen die Dichteänderung bzw. die thermischen Eigenschaften des Arbeitsfluids einen vernachlässigbaren
Einfluss haben [DIX2010]. Bei den thermischen Turbomaschinen kommen noch die
thermodynamisch-strömungstechnischen Effekte hinzu, so dass die Beschreibung dieser Klasse von Strömungsmaschinen insgesamt anspruchsvoller ist. Da die thermische
Energie von hochgespanntem Dampf oder heißem Gas um ein Vielfaches größer ist, als
bei Wasser- oder Windströmungen, lassen sich thermische Turbomaschinen mit einer
beeindruckenden Leistungsdichte bauen. Das heißt, große Wellenleistungen können mit
vergleichsweise kleinen bzw. kompakt gebauten Einheiten realisiert werden.
2.1.1 Vorläufer
Die Ausnutzung von Wasser- und Windkraft wird seit dem Altertum praktiziert. Bemerkenswert mit Blick auf die Geschichte der Dampfturbine ist hierbei insbesondere die in
Abb. 2.2a abgebildete Dampfkugel, die Heron von Alexandria im 1. Jahrhundert n. Chr.
entwickelte. Zu deren Betrieb kommt erhitzter, unter Überdruck stehender Wasserdampf
2
Aufbau und Wirkungsweise von Dampfturbinen
a
29
b
D
D L
L
K
K
K: Kessel
D: Düse
L: Laufrad
D
L
D
L
K
K
Herons Dampfball /Aeolpile
Heron von Alexandria, ca. 1. Jhdt.
Vollständiger Druckabbau im Läufer:
Überdruckprinzip
Ausnutzung des Rückstoßes
Reaktionsprinzip
Brancas Rad (ca. 1629)
Giovanni Branca, 1571–1645
Vollständiger Druckabbau vor dem Läufer
(kein Druckabbau im Läufer)
Gleichdruckprinzip
Ausnutzung der Impulsänderung (Umlenkung):
Aktionsprinzip
Abb. 2.2 Herons Dampfball (a) und Brancas Rad (b)
zum Einsatz. Wasser wird dazu in einem Behälter (K) durch ein Feuer erhitzt und durch
die Aufhängung in das Innere der drehbar gelagerten Kugel (L) geleitet. Aus der Kugel kann der Dampf durch zwei Düsen (D) ausströmen, die den Dampf tangential zur
Kugeloberfläche ablassen. Durch den entstehenden Rückstoß wird die Kugel in eine Drehbewegung versetzt. Wie bei der heutigen Dampfturbine wird hier die thermische Energie
des Dampfs in den Austrittsdüsen in kinetische Energie umgewandelt, auch wenn diese
nicht für eine technische Anwendung nutzbar gemacht wird. Zur Anwendung kommt hier
das Reaktions- oder Überdruckprinzip, auf dessen Definition und Bedeutung noch näher
eingegangen wird (siehe Abschn. 2.2.3).
Eine Trennung in feste Düsen oder Leitapparate und rotierende Laufräder gab es bei
der Drehkugel noch nicht. Dieses Konzept wurde nach heutigem Wissen zuerst im Jahre
1629 im Buch „Le machine“ von Giovanni Branca vorgestellt. Abb. 2.2b zeigt eine Reproduktion des dampfbeaufschlagten Laufrads von Branca. Bei dieser Maschine wird Dampf
30
M. Neef und S. aus der Wiesche
in einem externen Kessel (K) erzeugt und in einer Düse (D) expandiert. Der so erzeugte
schnelle Dampfstrahl wird auf ein rotierendes Schaufelrad (L) gelenkt und versetzt dieses
in Drehung. Anders als seine antiken Vorgänger dachte Branca bereits in seinem Entwurf
daran, dass sein Dampfrad als Kraftmaschine nutzbare Arbeit für den Menschen erledigen sollte. Diese Idee ist durch das maschinell angetriebene Stößelwerk in Abb. 2.2b oben
illustriert. Obwohl Brancas Dampfrad nach heutigem Wissen in der dargestellten Form
nie realisiert worden ist, enthält es bereits alle wesentlichen Konstruktionsmerkmale der
modernen Dampfturbinen. Der Dampf wird in einem externen Kessel erzeugt und auf die
eigentliche Kraftmaschine, die Dampfturbine, geleitet. Dort findet die Umwandlung der
thermischen Energie des Dampfes zunächst durch Expansion in einer Düse statt. Diese
erzeugt eine hohe kinetische Energie, die gerichtet auf das Laufrad einwirkt. Die Düse
stellt also die Vorform der heutigen Leitapparate bzw. Leitschaufeln dar. Die Welle selbst
wird durch die Umlenkung des Dampfes in einem stetig durchströmten, beschaufelten
Laufrad angetrieben, das nach dem Gleichdruck- bzw. Aktionsprinzip arbeitet (siehe Abschn. 2.2.3). Zudem skizzierte Branca bereits den Einsatz eines Getriebes, siehe Abb. 2.3,
Abb. 2.3 Brancas Dampfrad
mit aufwendigem Getriebe zur
Unterstützung menschlicher
Arbeit
2
Aufbau und Wirkungsweise von Dampfturbinen
31
welches bei modernen Industriedampfturbinen oder Schiffsdampfturbinen zur Reduzierung der Drehzahl eingesetzt wird.
Das in Abb. 2.2b illustrierte Grundprinzip ist überraschend einfach; und man kann sich
daher fragen, warum die Realisierung der ersten funktionstüchtigen Dampfturbinen erst
sehr viel später, nämlich im Jahre 1883 bzw. 1884 (siehe Kap. 1) gelang.
2.1.2
Kolbendampfmaschine
Historisch gesehen wurde die Dampfkraft ab dem 18. Jahrhundert zunächst ausschließlich
in Form der Kolbendampfmaschinen technisch genutzt. Eine solche ist in Abb. 2.4 einschließlich des Kurbeltriebwerks und des Schwungrades gezeigt. Es handelt sich hierbei
um eine Ausführung von James Watt, der die zu seiner Zeit bereits im Betrieb befindliche Niederdruckdampfmaschine von Newcomen massiv verbesserte [MAT1901]. Diese
Verbesserungen waren so eindrucksvoll, dass James Watt fälschlicherweise oft als der Erfinder der Dampfmaschine bezeichnet wird. Bei der in Abb. 2.4 gezeigten Konstruktion
wird die Kolbenbewegung durch den in den Zylinder einströmenden Dampf ausgelöst.
Über ein Kurbeltriebwerk wird aus der oszillatorischen Bewegung eine rotatorische erzeugt.
Da die Kolbenmaschine periodisch arbeitet, dient ein Schwungrad zur Glättung der
Drehzahlschwankungen. Von James Watt stammt auch die Idee, einen doppeltwirkenden
Abb. 2.4 Frühe Kolbendampfmaschine von James
Watt (1736–1819)
32
M. Neef und S. aus der Wiesche
Zylinder zu verwenden. Ebenfalls fügte Watt einen Kondensator an den Abdampfstutzen,
so dass Abdampfdrücke unterhalb des Umgebungsdrucks möglich wurden. Dieser Ansatz ermöglichte die Ausführung von geschlossenen Dampfkraftanlagen, die wegen des
günstigeren Druckverhältnisses zwischen Frisch- und Abdampf einen höheren Wirkungsgrad als die offene Prozessführung gestatten. Das Prinzip wurde später für Dampfturbinen
übernommen und ist zum Standard geworden, weshalb im Folgenden der geschlossene
Dampfkraftprozess eingeführt werden soll.
2.1.3 Dampfkraftprozess
Beim Dampfkraftprozess handelt es sich um einen Kreisprozess, bei dem das Arbeitsfluid
zwar Umwandlungen (Vorwärmung, Verdampfung, Überhitzung, Entspannung, Kondensation, Drucksteigerungen) durchläuft, aber im stationären Betrieb immer wieder an seinen Ausgangszustand zurückkehrt. Man spricht auch von einem geschlossenen Prozess.
Der offene Dampfkraftprozess, bei dem der Abdampf in die Umgebung entlassen wird
und neues Speisewasser nachgeführt werden muss, wurde im größeren Maßstab nur bei
den durch Kolbenmaschinen angetriebenen Dampflokomotiven verwendet.
Ein geschlossener Dampfkraftprozess ist als vereinfachter Wärmeschaltplan in Abb. 2.5
gezeigt. Dieser ist in der Literatur auch als Clausius-Rankine-Prozess bekannt. Prinzipiell
kann als Kraftmaschine eine Turbine oder eine Kolbendampfmaschine eingesetzt werden.
Der Kreisprozess in Abb. 2.5 besteht neben der Kraftmaschine noch aus einem Kondensator, wo die Abwärme an die Umgebung übertragen wird, einer Förderpumpe, um den
Druck nach der Entspannung wieder auf den Frischdampfdruck zu erhöhen, und einem
Kessel (Dampferzeuger), wo die Wärme dem Prozess zugeführt wird. Die umfangreichen
thermodynamischen Beziehungen und Anlagenvarianten des Dampfkraftprozesses werden noch detailliert in Kap. 3 behandelt. Reale Ausführungen von Dampfkraftprozessen
weisen noch weitere, in Abb. 2.5 nicht dargestellte, Komponenten auf, die in späteren
Kapiteln noch erläutert werden.
Abb. 2.5 Wärmschaltplan
des einfachen Dampfkraftprozesses (Clausius-RankineProzess)
Wärmezufuhr
Turbine
Kessel
Nutz
arbeit
Kondensator
Wärmeabfuhr
Pumpe
Pumpenarbeit
2
Aufbau und Wirkungsweise von Dampfturbinen
33
Im Rahmen dieser Einführung soll zunächst aber wieder die oben bereits gestellte Frage
aufgegriffen werden, warum erst die maschinendynamisch viel anspruchsvollere Kolbendampfmaschine anstelle der einfachen Dampfturbine realisiert worden ist.
2.1.4
Erste Betrachtung zur Dimensionierung
Um zu verstehen, warum die Realisierung der ersten Dampfturbinen erst spät gegen Ende des 19. Jahrhunderts möglich wurde, ist es instruktiv, noch einmal das sehr einfache
Grundprinzip von Brancas Rad zu analysieren. Der Dampf strömt aus der Düse mit der
Geschwindigkeit c und trifft auf das Schaufelrad. Dieses bewegt sich mit einer Umfangsgeschwindigkeit u. In Abb. 2.6 sind für verschiedene Verhältnisse von u und c die
jeweiligen dynamischen Auswirkungen grafisch verdeutlicht. In Abb. 2.6a steht das Laufrad still. In diesem Fall wirkt zwar eine große Strömungskraft F auf die Schaufel, dennoch
wird in diesem Fall keine Leistung P vom Laufrad an die Welle übertragen. Die Leistung
ergibt sich erst aus dem Produkt von Kraft und Umfangsgeschwindigkeit (P D F u), letztere beträgt bei stehender Welle jedoch u D 0. Weist das Laufrad eine Geschwindigkeit
u > 0 auf, so reduziert sich zwar die Kraft F, aber es kann nun eine nutzbare Leistung
vom Dampf auf die Welle übertragen werden. In Abb. 2.6b und Abb. 2.6c sind die Fälle
für u D c=4 und u D c=2 dargestellt, bei denen eine entsprechende Leistung P abgegeben
wird. Wenn aber das Laufrad genau die Geschwindigkeit des Dampfstrahls hat (u D c),
so kann wiederum keine Leistung P abgegeben werden, weil dann offensichtlich die vom
Dampf auf das Laufrad übertragene Kraft F D 0 wird, Abb. 2.6d.
Die obige Argumentation gilt für das hier gezeigte Gleichdruckprinzip, bei dem im
Laufrad kein Druck abgebaut wird. Das ist bei dem in Abb. 2.2b bzw. Abb. 2.3 gezeigten
Dampfrad oder auch beim klassischen Wasserrad der Fall. Möchte man die Leistung P
maximieren, existiert ein optimales Geschwindigkeitsverhältnis u=c zwischen den beiden
Grenzfällen u D 0 und u D c. Dies ist schematisch in Abb. 2.7 gezeigt. Für die betrachtete Gleichdruckanordnung liegt das leistungsoptimale Geschwindigkeitsverhältnis bei
u=c D 1=2. Ziel der Auslegung der Dampfturbine ist es, genau dieses Geschwindigkeitsverhältnis für die jeweilige Bauart zu ermitteln und im Betrieb zumindest näherungsweise
zu erfüllen.
Im vorliegenden Fall des in Abb. 2.6 gezeigten Prinzips kann man durch eine Impulsbetrachtung beweisen [BLO2009], dass das optimale Geschwindigkeitsverhältnis genau
zwischen den beiden Grenzfällen, nämlich für u D c=2 (siehe Abb. 2.6c) angenommen
wird. Dann weist die Rückströmung praktisch eine verschwindende Geschwindigkeit auf,
so dass die kinetische Energie des Dampfstrahls maximal in Wellenarbeit umgewandelt
werden kann. Die vom Dampfrad abgegebene Leistung P als Funktion des Geschwindigkeitsverhältnisses u=c ist in Abb. 2.7 in Diagrammform dargestellt. Man erkennt das
Maximum der abgegebenen Leistung P bei einem Geschwindigkeitsverhältnis von u D
c=2.
34
Abb. 2.6 Zur Analyse des
Grundprinzips des dampfbeaufschlagten Laufrads (Prinzip
Dampfrad oder auch Wasserrad, kein Druckabbau im
bewegten Laufrad)
M. Neef und S. aus der Wiesche
a
b
c
d
Abb. 2.7 Leistung als
Funktion des Geschwindigkeitsverhältnisses für das in
Abb. 2.6 gezeigte Dampfrad
Abb. 2.8 Entspannung in
einer Düse vom Zustand 0 zum
Zustand 1
Aufgrund des oben dargestellten Zusammenhangs zwischen der Leistung P und den
Geschwindigkeiten u und c kann die enorme konstruktive Herausforderung, die die Realisierung einer Dampfturbine zunächst darstellte, abgeleitet werden. Hierzu ist es allerdings
erforderlich, die Größenordnungen der Geschwindigkeit c des ausströmenden Dampfs zu
kennen. Diese kann mit Hilfe einer einfachen Energiebilanz aus den Zuständen vor und
nach der Düse ermittelt werden. In Abb. 2.8 ist eine solche Betrachtung illustriert. Bei
Eintritt (0) in die Düse weise der Dampf die (geringe) Geschwindigkeit c0 auf, die durch
Entspannung vom Eintrittsdruck p0 auf den Enddruck p1 auf c1 erhöht wird. Man findet,
dass sich bei dieser Entspannung im Allgemeinen auch die Temperaturen von t0 auf t1
ändern.
2
Aufbau und Wirkungsweise von Dampfturbinen
35
Der thermische Energieinhalt des Dampfs kann durch die spezifische Enthalpie h ausgedrückt werden, was im nachfolgenden Kap. 3 noch ausführlich behandelt wird. Die
Energiebilanz für die in Abb. 2.8 gezeigte Konfiguration lautet unter Vernachlässigung
von Wärmeverlusten [MÜL1978, DIX2010] und unter Vernachlässigung der potentiellen
Energie
1
1
(2.1)
h0 C c02 D h1 C c12 :
2
2
Durch Umstellung von Gl. 2.2 kann man die Austrittsgeschwindigkeit zu
q
p
(2.2)
c1 D 2.h0 h1 / C c02 2.h0 h1 /
bestimmen. Im Falle von geringen Eintrittsgeschwindigkeiten c0 hängt die Austrittsgeschwindigkeit der Düse praktisch nur von der Differenz h0 h1 der spezifischen Enthalpie
ab. Diese Größe wird im Dampfturbinenbau oft auch als (Enthalpie-) oder Wärmegefälle
bezeichnet. Die Werte der spezifischen Enthalpie h hängen vom Druck p und der Temperatur t ab. Die genauen Zusammenhänge und die Möglichkeiten, diese Werte zu bestimmen,
werden noch in Kap. 3 ausführlich diskutiert. An dieser Stelle genügt es, die typische
Größenordnung der spezifischen Enthalpiedifferenzen h0 h1 zu kennen, die selbst für
Niederdrucksysteme (bis ca. 2 bar) im Bereich von 20 kJ/kg und mehr liegt. Das bedeutet,
dass die Austrittsgeschwindigkeit c1 Werte von 200 m/s und höher annimmt. Wählt man
das optimale Geschwindigkeitsverhältnis u D c=2, so folgen zwangsweise beachtliche
Umfangsgeschwindigkeiten von u D 100 m/s und mehr. Da diese Geschwindigkeit der
Schaufeln der Umfangsgeschwindigkeit
uDR! DR2 n
(2.3)
für ein Rad mit dem Radius R und der Drehzahl n entspricht, kann man direkt den typischen Drehzahlbereich n von Dampfturbinen ableiten. Nimmt man einen Radius R in der
Größenordnung von 0,1 m an, so ergeben sich Maschinendrehzahlen von über 9000 min1 .
Diese Werte waren erst gegen Ende des 19. Jahrhunderts konstruktiv beherrschbar. Mit der
damaligen Fertigungstechnik und Auswuchttechnik war man zur Zeit der Kolbendampfmaschine weit davon entfernt, solche hochtourigen Turbomaschinen realisieren zu können. Selbst eine extreme Vergrößerung der Laufraddurchmesser würde wegen der damit
zunehmenden konstruktiven Schwierigkeiten die Herausforderungen der hohen Drehzahlen und der hohen Strömungsgeschwindigkeiten in der Dampfturbine nur verschieben.
Tatsächlich werden bei höheren Drücken und Dampftemperaturen noch wesentlich größere Strömungs- und Umfangsgeschwindigkeiten erreicht. Man kann aufgrund einer solchen allgemeinen Überlegung direkt einsehen, warum die Dampfturbine (wie auch die
Gasturbine) eine relativ „junge“ Kraftmaschine darstellt, die erst lange nach den ersten Kolbenkraftmaschinen einschließlich der Otto- und Dieselmotoren zum Einsatz kommen konnte. Weitere Einzelheiten zu den Anfängen des Dampfturbinenbaus können dem
Buch [STO1910] von Stodola entnommen werden, das bis heute als Klassiker für die Anfänge und Grundlagen zum Dampfturbinenbau gilt.
36
M. Neef und S. aus der Wiesche
2.2 Stufen und Beschaufelung
In Form eines dampfbeaufschlagten, offenen Laufrads nach Art von Abb. 2.2b bzw.
Abb. 2.3 wurden Dampfturbinen nie gebaut. Wesentlich günstiger für die Energieumsetzung sind andere Bauweisen, die in diesem Unterkapitel kurz vorgestellt werden. Weitere
strömungstechnische Einzelheiten können Kap. 4 entnommen werden.
2.2.1
Aufbau einer Stufe
Für die Energieumsetzung im Laufrad sind wie in Abschn. 2.1 diskutiert, die Geschwindigkeitsverhältnisse der Strömung und des Laufrads (Umfangsgeschwindigkeit) relevant.
Bei einer Dampfturbine wird die auf das Laufrad gerichtete Strömung in einem Leitapparat (Düse) durch einen Entspannungsprozess erzeugt. Dies ist schematisch in Abb. 2.9
gezeigt. Der Leitapparat ist im Gegensatz zum rotierenden Laufrad feststehend. Man
spricht auch von Stator und Rotor (Läufer) bei einer Turbomaschine.
Für die Konstruktion der Dampfturbine ist das Zusammenwirken von Leit- und Laufrad
entscheidend. Bei einem Windrad beispielsweise entfällt der Leitapparat, da der zuströmende Wind bereits die erforderliche Eintrittsgeschwindigkeit für den Rotor hat. Thermische Turbomaschinen weisen eine feste Paarung von Leitapparat und Laufrad auf.
Abb. 2.9 Aufbau einer Turbinenstufe am Beispiel einer Laval-Turbine (a) und einer ÜberdruckTurbine gemäß Parsons (b)
2
Aufbau und Wirkungsweise von Dampfturbinen
37
Konstruktiv werden die Leitapparate als Schaufelgitter bzw. Düsenkränze am Gehäuse
der Turbine befestigt und die Laufschaufeln an Kränzen bzw. Rädern des Rotors. Ein
zusammenwirkendes Leit- und Laufradgitter bezeichnet man als Stufe (Englisch: stage).
Thermische Turbomaschinen sind oft aus vielen Stufen aufgebaut, aber es gibt für kleine
Leistungsklassen auch die einstufige Bauweise. Eine solche wurde 1883 von de Laval für
die erste Dampfturbine der Welt (siehe Kap. 1 und Abb. 2.9a) ausgeführt. Parsons wählte
1884 die mehrstufige Bauweise bereits für seine erste Turbine.
2.2.2
Axiale und radiale Bauweise
In einer Stufe können die feststehenden und die rotierenden Schaufelgitter in axialer oder
in radialer Richtung durchströmt werden. Die für Turbinen denkbaren axialen und radialen Bauformen sind in Abb. 2.10 vereinfacht dargestellt. Bei Dampfturbinen dominiert
eindeutig die axiale Bauweise (Abb. 2.10a), bei der die Leit- und Laufschaufeln überwiegend in axialer Richtung durchströmt werden. Streng genommen weist das Strömungsfeld
in jeder axialen Stufe auch einen gewissen Anteil nicht-axialer Geschwindigkeitskomponenten auf, doch kann dieser meist zugunsten der Hauptrichtung vernachlässigt werden.
Neben der axialen Bauweise gibt es auch die radiale Bauweise, bei der die Durchströmung hauptsächlich in radialer Richtung erfolgt. Im Dampfturbinenbau wurden in der
Abb. 2.10 Bauformen für Turbinen: a Axial-Turbine, b radiale Ljungström-Turbine und c radiale
Turbine (Zentripetal-Turbine). La Laufrad, Le Leitrad, ! Winkelgeschwindigkeit der Welle
38
M. Neef und S. aus der Wiesche
Vergangenheit in kleinerer Stückzahl auch radiale Turbinen gebaut (Abb. 2.10b und c),
die in diesem Kapitel weiter unten noch näher diskutiert werden. Neben der in Abb. 2.10b
gezeigten radialen Bauweise, die als Ljungström-Turbine bekannt ist, gibt es auch die in
Abb. 2.10c gezeigte Zentripetalform, bei der das Arbeitsfluid radial einströmt und dann
axial austritt. Diese Bauweise ist für kleine Gasturbinen, wie beispielsweise für Turbolader im Kraftfahrzeugeinsatz, verbreitet [DIX2010], doch wurde sie bei Dampfturbinen
nur sehr selten eingesetzt. Die größeren Durchsätze und damit auch Leistungen lassen sich
mit axialen Turbinen mit höheren Wirkungsgraden als in Zentripetalturbinen erzielen.
Da Dampfturbinen überwiegend in einem größeren Leistungsbereich arbeiten, ist das
nahezu vollständige Fehlen der einfachen Radialbauweise (Abb. 2.10c) im Dampfturbinenbau leicht erklärbar. Die Ljungström-Turbine wies trotz ihres wesentlich anspruchsvolleren Grundaufbaus gegenüber der axialen Bauweise manche Vorteile auf, so dass sie
tatsächlich vereinzelt gebaut wurde. Derzeit gibt es aber keinen Hersteller mehr, der eine
solche Turbine aktuell anbietet. Im weiteren Verlauf dieses Buchs wird daher hauptsächlich nur noch die Axialturbine betrachtet, und die Diskussion der Radialturbine beschränkt
sich auf das entsprechende Unterkapitel 2.5.
2.2.3 Einführung von Gleichdruck- und Überdruckbauweise
Sowohl bei Brancas Dampfrad (siehe Abb. 2.2b und Abb. 2.3) als auch bei der ersten
Dampfturbine von de Laval (siehe Kap. 1 bzw. Abb. 2.9a) wird der eintretende Dampf ausschließlich in der Düse bzw. im Leitgitter entspannt. Durch die Expansion wird am Austritt
aus dem Leitgitter die Geschwindigkeit massiv erhöht. Im Laufrad findet die Energieumsetzung auf die Welle statt. Wie in Abb. 2.11a gezeigt, findet in der Gleichdruckstufe kein
weiterer Druckabbau im Laufrad statt. Man bezeichnet dies als Gleichdruckbauweise, da
vor und nach dem Laufrad kein nennenswerter Druckunterschied auftritt. Dies kann durch
Beibehalten der Strömungsquerschnitte entlang des Laufradkanals erreicht werden.
Streng genommen ist bei realen Ausführungen ein kleiner Druckunterschied zur Überwindung von Strömungsverlusten vorhanden. Dieser ist aber gegenüber dem Druckunterschied im Leitapparat vernachlässigbar, so dass sich die nicht ganz korrekte Bezeichnung
„Gleichdruckstufe“ im technischen Sprachgebrauch erhalten hat. Korrekterweise müsste
man eher von einer sog. „Schwachreaktionsstufe“ sprechen, was im Anschluss an Kap. 4
noch verständlich wird.
Es gibt neben der Gleichdruckbauweise traditionell noch die Überdruckbauweise, die
in Abb. 2.11b gezeigt ist und weiter unten behandelt wird. Für diese hat sich auch die
Bezeichnung Reaktionsturbine bzw. Reaktionsstufe eingebürgert, obgleich man streng
genommen von Aktions-Reaktions-Turbinen sprechen müsste (siehe Kap. 4). In einer
Überdruckstufe findet die Expansion in Leit- und Laufschaufeln statt, d. h. ein Druckabbau liegt auch im Laufrad vor. Bei der auf Parsons 1884 zurückgehende klassische
Überdruckbauweise wird in Leit- und Laufschaufeln das gleiche Druckverhältnis verarbeitet, so dass ein symmetrischer Aufbau von Leit- und Laufschaufeln resultiert. Ein
2
Aufbau und Wirkungsweise von Dampfturbinen
39
Abb. 2.11 Entspannungsverlauf (Druck p bzw. Geschwindigkeit v) in einer Gleichdruckstufe (a)
und in einer Überdruckstufe (b)
solcher Entspannungsverlauf ist schematisch in Abb. 2.11b dargestellt. Neben der Bezeichnung Gleichdruck- und Überdruckbauweise ist auch das Begriffspaar Aktions- und
Reaktionsturbine gebräuchlich. Die Verwendung der Begriffe „Aktion (impulse)“ und
„Reaktion (reaction)“ sind streng genommen nicht ganz frei von Schwierigkeiten, was
bereits früh [STO1910] bemerkt worden ist. Dennoch haben sich diese Begriffe fest in
der Dampfturbinenindustrie und Literatur etabliert. Man kann ihre Verwendung anhand
der Impulsübertragung im Laufrad erklären (siehe Abb. 2.12). Bei einer Gleichdruckstufe
findet der Impulsübertrag von der Strömung maßgeblich durch einen Richtungswechsel,
also durch eine Stoß- oder Aktionswirkung statt. Bei der Überdruckstufe wird auch im
Laufrad Druck abgebaut, so dass eine Reaktionswirkung der beschleunigten (und umgelenkten) Strömung resultiert. Herons Dampfkugel (Abb. 2.2a) stellt so gesehen das Extrem
der vollständigen Expansion im Laufrad dar. Diese Möglichkeit kommt aber bei Dampfturbinen in der auch in Abb. 2.12b symbolisch dargestellten Reinform nicht zum Einsatz.
Historisch bestand fast hundert Jahre lang ein Streit und Wettbewerb um die „bessere“
Bauweise. Die Hersteller bevorzugten traditionell immer nur eine Bauweise für die Stufen
ihrer Dampfturbinen. Als Grund kann der sehr hohe Aufwand bei der Entwicklung eines
neuen Schaufelprofils angegeben werden. Gerade zu Zeiten, wo keine Rechnerunterstützung bei der strömungstechnischen und strukturdynamischen Auslegung sowie der Fertigung verfügbar waren, barg die Entwicklung von neuen Schaufeln für jeden Hersteller
immer ein enormes wirtschaftliches Risiko. Traditionell verbesserten daher die Hersteller
evolutionär ihre erprobten Konstruktionen. Im europäischen Markt wurden mehrheitlich
Überdruckstufen gewählt, während im US-amerikanischen Markt häufiger die Gleich-
40
M. Neef und S. aus der Wiesche
a
b
Gleichdruck- bzw. Aktionsprinzip
Überdruck- bzw. Reaktionsprinzip
Abb. 2.12 Gleichdruck- bzw. Überdruckprinzip (a) und Aktions- bzw. Reaktionsprinzip (b)
[VGB1983]
druckstufen bevorzugt wurden. Vereinzelt wurde auch von einem „Glaubenskrieg“ der
beiden Richtungen des Dampfturbinenbaus gesprochen. In den Kapiteln dieses Buches
wird dieser traditionelle Gegensatz noch oft thematisiert werden, da er einschneidende
Konsequenzen für die Auslegung, Konstruktion und Fertigung der Gesamtmaschinen nach
sich zieht. Zu Beginn und bis weit in die 1970er-Jahre wurden die Gleichdruck- und Überdruckstufen daher auch oftmals getrennt in Lehrbüchern [STO1910, RÖM1972, DIE1980]
behandelt. Rein physikalisch gesehen gibt es für diese strikte Trennung keinen Grund, was
beispielsweise von Traupel in seiner Darstellung [TRA1966] betont worden ist. Im Zuge
der noch in späteren Kapiteln zu besprechenden modernen Auslegungs-, Entwicklungsund Fertigungsverfahren wurde ab den 1990er-Jahren dieser traditionelle Gegensatz technisch überwunden. Dennoch ist es selbst heute noch für das Verständnis der installierten
und im Betrieb befindlichen Einheiten wichtig, beide Bauweisen unterscheiden zu können.
Trotz der modernen Angleichungstendenzen haben sich gewisse Konstruktionsmerkmale
und Eigenschaften dieser beiden Bauweisen bei den Herstellern bis auf den heutigen Tag
erhalten und sind für den sicheren und effizienten Betrieb der Maschinen von großer Bedeutung.
2.2.4
Gleichdruck- oder Aktionsstufen (Kammerbauweise)
Charakteristisch für die Gleichdruckstufe ist das Fehlen eines nennenswerten Druckunterschieds zwischen dem Ein- und Austritt des Laufrades. Die Energieumsetzung im Laufrad
2
Aufbau und Wirkungsweise von Dampfturbinen
41
findet praktisch nur durch die Umlenkung der Strömung bei gleichbleibender Relativgeschwindigkeit (jw1 j D jw2 j) statt, so dass die Laufschaufeln einer Gleichdruckstufe auch
große Umlenkwinkel aufweisen. Klassisch gleichen sie halbmondartigen Profilen. Der
Verlauf von Druck und Geschwindigkeit und der Zusammenhang mit den Schaufelprofilen sind in Abb. 2.13 für eine Gleichdruckstufe dargestellt.
Die Gleichdruckstufe ist die einfachste Art, den Druck des Arbeitsfluids in eine hohe
Strömungsgeschwindigkeit umzusetzen und in Kräfte auf Laufschaufeln zu überführen.
Der Dampf tritt mit einer (kleinen) Eintrittsgeschwindigkeit c0 in die Stufe ein und wird
in den Leitschaufeln auf die hohe Geschwindigkeit c1 beschleunigt. Wie weiter oben
bereits diskutiert, entspricht diese idealerweise rund dem doppelten Betrag der Umfangsgeschwindigkeit u der Laufschaufeln. Die Laufschaufeln lenken den Dampf um. Aus
Sicht der bewegten Laufschaufeln (Relativsystem) strömt der Dampf mit der Relativgeschwindigkeit w1 auf die Laufschaufeln zu und verlässt diese bei reiner Umlenkung mit
der – betragsmäßig identischen – Relativgeschwindigkeit w2 . Vom festen Bezugssystem
aus gesehen beträgt die Abströmgeschwindigkeit c2 . Absolut gesehen kommt es durch
die Umlenkung und damit Impulsänderung in den Laufschaufeln zu einem Unterschied
cu der Umfangskomponenten der Strömungsgeschwindigkeiten c. Diese Differenz in der
Umfangskomponente der Absolutgeschwindigkeit zwischen Laufrad-Ein- und -austritt ist
ein Maß für den Energieumsatz der Stufe (siehe Eulergleichung in Kap. 4).
Diese kinematischen Verhältnisse sind in Form von Geschwindigkeitsdreiecken in
Abb. 2.13 ebenfalls dargestellt. Da die Geschwindigkeiten Vektorgrößen sind, stehen
die Relativ- und Absolutgeschwindigkeiten w und c mit der Umfangsgeschwindigkeit u
in einem vektoriellen Zusammenhang, d. h. sie bilden vor und nach den Laufschaufeln
geschlossene Dreiecke. Aus historischen Gründen ist im Strömungsmaschinenbau die
Verwendung von Vektorsymbolen für die Geschwindigkeiten c, u und w nicht üblich.
Es wird stattdessen mit den Beträgen und den jeweiligen Komponenten gerechnet. Die
Verwendung von Geschwindigkeitsdreiecken wird noch in Kap. 4 näher ausgeführt. Diese
Beschreibungsform bildet seit Euler die Grundlage für die Beschreibung von Turbomaschinen [DIX2010].
Durch die Profile der Schaufeln kann man nun die Richtungen bzw. die Winkel der
Strömung festlegen. Da bei der Gleichdruckstufe im Laufrad eine große Umlenkung der
Relativgeschwindigkeit auf einen hohen Impulsübertrag und damit auf eine große Leistung führt, sind üblicherweise die Laufschaufeln sehr stark umlenkend.
Die Gleichdruckstufe wird immer in Kammerbauweise gebaut. Diese Kammerbauweise ist in Abb. 2.13 anhand eines Schnittbilds verdeutlicht. Die Laufschaufeln
sind auf rotierenden Scheiben befestigt. In diesem Zusammenhang findet sich daher
auch häufig der Begriff der Scheibenbauweise, obwohl dieser nicht den Turbinentyp
sondern die Konstruktion des Rotors charakterisiert. Die Welle einer Gleichdruckturbine, auf der die Scheiben aufgesetzt sind, ist aufgrund der Kammern immer relativ
schlank. Die Leitschaufeln sind am Gehäuse befestigt. Da sie den Dampf sehr stark
beschleunigen, sind die axialen Abmessungen der Leitschaufeln oft beachtlich gegenüber den Laufschaufeln. Diese erlaubt eine gute Strömungsführung für die starke
42
M. Neef und S. aus der Wiesche
Abb. 2.13 Wirkungsweise
einer Gleichdruckstufe mit
u=c1 1=2
Umlenkung einerseits, andererseits aber auch einen beigesteifen Aufbau des Leitkranzes
zum Abbau des Druckgefälles andererseits. Da ein großer Druckunterschied zwischen
dem Ein- und Austritt der Leitschaufeln anliegt, treten hierbei Leckageverluste auf.
Als Leckageverluste bezeichnet man den Dampf, der an der Beschaufelung vorbei
strömt und somit nicht zur Energieumsetzung beiträgt. Da der Spalt zwischen Gehäuse und Läufer nicht unendlich klein ausgeführt werden kann, muss zumindest der
Rotordurchmesser gering gehalten werden, um die Durchtrittsfläche für den Leckagemassenstrom möglichst klein zu halten. Daher wird die Dichtung zwischen Leitschaufeln
und Rotor auf sog. Zwischenböden durchgeführt, wodurch zwischen den Rotorscheiben mit den Laufschaufeln Kammern entstehen. Für den Läufer spricht man daher
auch von Scheiben- bzw. Kammerbauweise. Da kein (nennenswerter) Druckunterschied über die Laufschaufeln anliegt, sind die Leckage- oder Spaltverluste bei den
Laufschaufeln in einer Gleichdruckstufe deutlich geringer. Wegen des Aufbaus aus
Scheiben und Zwischenböden spricht man auch von Radkammern. Obgleich die Energieumsetzung (Gleichdruck- bzw. Aktionsbauweise) zunächst nur strömungstechnische
Zusammenhänge betrifft, führt sie – wie man in Abb. 2.13 sieht – zu einschneidenden
konstruktiven Verhältnissen für die gesamte Dampfturbine. Anhand der Leitschaufeln mit
Zwischenböden und der Radscheiben kann man daher leicht Gleichdruckstufen identifizieren.
2
Aufbau und Wirkungsweise von Dampfturbinen
43
2.2.5 Überdruck- oder Reaktionsstufen (Trommelbauweise)
Bei der Überdruckstufe wird traditionell in Leit- und Laufschaufeln das jeweils gleiche
Druckverhältnis verarbeitet, so dass ein symmetrischer Aufbau der Schaufeln resultiert.
Dies ist in Abb. 2.14 dargestellt. Wegen der gleichen Aufteilung des Druckgefälles sind
auch die Geschwindigkeitsdreiecke symmetrisch. Lediglich die Absolut- und Relativgeschwindigkeiten sind zwischen Ein- und Austritt vertauscht. Die Energieumsetzung
erfolgt im Laufrad durch Umlenkung und zusätzlichen Druckabbau. Die Expansion kann
durch Gestaltung der Strömungsquerschnitte der Laufschaufelkanäle nach Art einer Düse
erzwungen werden.
Liegen für Leit- und Laufschaufeln jeweils gleiche Schaufelgitter (Profile) vor, so beschleunigt sich im Leitrad die absolute Geschwindigkeit c und im Laufrad die relative
Geschwindigkeit w in gleicher Weise. Wegen der zweifachen Expansion könnte man vermuten, dass in einer Überdruckstufe wesentlich mehr Energie als in einer Gleichdruckstufe umgesetzt werden könnte. Dies ist aber gerade nicht der Fall. Die strömungstechnische
Analyse (Kap. 4) zeigt, dass die Überdruckstufe mit wesentlich kleineren Geschwindigkeiten c arbeitet, so dass sie tatsächlich nur rund die Hälfte der Energieumsetzung wie
eine vergleichbare Gleichdruckstufe aufweist. Das geringere Geschwindigkeitsniveau in
einer Überdruckstufe und die gegenüber einer Gleichdruckstufe geringere Umlenkung im
Laufrad wirken sich positiv hinsichtlich des Wirkungsgrads aus. Beispielsweise nehmen
Abb. 2.14 Wirkungsweise einer Überdruckstufe mit
u=c1 1
44
M. Neef und S. aus der Wiesche
die Strömungsverluste (Reibungsverluste) mit dem Quadrat der Geschwindigkeit zu, so
dass bei einer Überdruckstufe tendenziell geringere Verluste als in einer Gleichdruckstufe
zu erwarten sind. Da über die Leit- und Laufschaufeln praktisch gleich große Druckdifferenzen wirken, sind die Spaltverluste für beide vergleichbar.
Es bietet sich für die Überdruckstufe neben einer symmetrischen Schaufelprofilierung
auch eine weitgehende symmetrische Stufenbauweise an. Dies vereinfacht die Konstruktion, eine symmetrische Aufteilung des Druckgefälles ist jedoch aus strömungsmechanischer Sicht nicht zwingend erforderlich. Bei modernen Reaktionsturbinen mit variabler
Schaufelgestaltung wird daher auch von der hälftigen Aufteilung des Druckgefälles in
einer Stufe abgewichen, wenn dadurch der Gesamtwirkungsgrad der Turbine verbessert
werden kann. Aufgrund des großen Druckunterschiedes über das Laufrad ist eine Scheibenbauweise wegen des entsprechenden Schubs auf den Rotor nicht sinnvoll. Infolgedessen werden Überdruckstufen traditionell nur in Verbindung der in Abb. 2.14 gezeigten
Trommelbauweise ausgeführt. Bei dieser sitzen die Laufschaufeln auf dem trommelförmig ausgeführten Rotor. Die Radialspalte werden bei Leit- und Laufschaufeln durch berührungslose Labyrinthdichtungen versehen. In einfachen Konstruktionen verzichtet man
auch auf diese Möglichkeit, die Spaltverluste durch Schaufeldeckbänder zu reduzieren,
und setzt freie Schaufelenden ein.
Abschließend sei darauf hingewiesen, dass die reine Reaktionsturbine nicht gebaut
wird. Eine solche Maschine wäre – wie schon gesagt – beispielsweise Herons Ball
gewesen. Bei einer reinen Reaktionsturbine findet der Druckabbau ausschließlich im
Laufrad statt. Vergleicht man dies mit der traditionellen Überdruck- oder Reaktionsturbine, dann wird deutlich, dass man streng genommen die traditionelle Überdruckturbine
besser als Aktions-Reaktions-Turbine (impulse-reaction turbine) bezeichnen müsste.
Bemerkenswerterweise bemühte sich Parsons gegen Ende seines Lebens um die Realisierung einer reinen Reaktionsturbine, doch sind diesbezüglich keine Erfolge erzielt
worden [KEA1922].
2.2.6
Mehrstufigkeit
Die Dampfturbine von de Laval war als eine einstufige Gleichdruckturbine ausgeführt
worden. Diese Bauweise ist bis heute für sehr kleine Leistungen und mäßigen Ansprüchen
an den Wirkungsgrad gebräuchlich. Liegen höhere Frischdampfdrücke und -temperaturen
an, so ist die Entspannung in nur einer Stufe nicht mehr sinnvoll oder sogar unmöglich.
Naheliegend ist daher die wiederholte Anwendung der Stufe, d. h. die Ausführung als
mehrstufige Turbine. In diesem Fall findet die Entspannung entlang des Dampfpfads in
der Turbine in verschiedenen Druckstufen statt. Im Englischen spricht man daher auch
von pressure-compounded turbines [KEA1956]. Mehrstufige Gleichdruckturbinen wurden von A. Rateau (1863 bis 1930) und H. Zoelly (1862 bis 1937) im Anschluss an
de Laval gebaut. Parsons wählte für seine erste Überdruckturbine von Anfang an die Mehrstufigkeit.
2
Aufbau und Wirkungsweise von Dampfturbinen
45
Abb. 2.15 Teilbeaufschlagte
einstufige (a) und vollbeaufschlagte mehrstufige (b)
Turbine (hinsichtlich des
Druckabbaus). Le: Leitrad;
La: Laufrad
In Abb. 2.15 ist das Prinzip der Mehrstufigkeit hinsichtlich des Druckabbaus schematisch dargestellt. Die einstufige Bauform findet man praktisch nur bei Gleichdruckturbinen, die sich allerdings ebenfalls mehrstufig bauen lassen. Oft wird der Leitapparat
auch in Form eines Düsenkranzes mit Teilbeaufschlagung der Laufschaufeln ausgeführt.
In Abb. 2.15a ist eine einstufige Gleichdruckturbine mit Teilbeaufschlagung skizziert. Die
mehrstufige Turbine kann als Gleich- oder Überdruckturbine konzipiert sein, Abb. 2.15b.
Spätestens nach der ersten Stufe werden die übrigen Stufen vollbeaufschlagt sein, d. h.
alle Schaufelkanäle entlang des Umfangs des Laufrades werden durchströmt. Die Teilbeaufschlagung der ersten Stufe über einzelne Leitdüsen ist prinzipiell möglich, aber dann
nur als Gleichdruckstufe. Bei einer Überdruckstufe würde es an den nicht beaufschlagten
Kreissegmenten aufgrund des Druckunterschieds zu einer Ausgleichsströmung kommen.
Aus diesem Grund können nur Gleichdruckstufen mit Teilbeaufschlagung ausgeführt werden, nicht aber Überdruckstufen. In Abb. 2.15b sind alle Stufen mit Vollbeaufschlagung
dargestellt. Besonders früher wurde eine gesonderte erste Stufe mit Teilbeaufschlagung
oft für Turbinen als sog. Regelstufe eingesetzt. Näheres hierzu kann auch dem Kap. 21
über die Regelung von Dampfturbinen entnommen werden. Das Laufrad einer Gleichdruckstufe ist auch als A-Rad (wegen A von Aktionsstufe) bekannt.
Neben der Druckabstufung ist auch eine Abstufung hinsichtlich der Geschwindigkeit
gebräuchlich (velocity-compounded). Ein solches Konzept ist in Abb. 2.16 anhand einer
sog. Curtis-Stufe gezeigt. Diese Konstruktion geht auf C. Curtis (1860–1953) zurück, der
die Turbine von de Laval durch Aufspaltung der Laufradbeschaufelung und Einführung
eines Zwischenleitrades erweiterte.
Bei einer Curtis-Stufe findet der Druckabbau praktisch nur in der Düse statt. Über
den gesamten Laufschaufelkranz liegen annähernd gleiche Druckverhältnisse vor, so dass
die Curtis-Stufe auch zu den Gleichdruckturbinen gehört. Im Gegensatz zur einfachen
Gleichdruckstufe nach de Laval wird aber in der Curtis-Stufe nach der ersten Umlenkung
in der ersten Laufschaufelreihe durch Einfügen eines Leitkranzes eine zweite Umlenkung vorgenommen. Der Energieumsatz in der Stufe wird damit über eine Geschwindigkeitsabstufung aufgeteilt. Prinzipiell lässt sich das Prinzip der Curtis-Stufe noch fortsetzen, so dass auf einer Radscheibe nicht zwei, sondern noch mehr Laufschaufelrei-
46
M. Neef und S. aus der Wiesche
Abb. 2.16 Aufbau und Entspannungsverlauf für eine
Curtis-Stufe [VGB1983]
hen angebracht werden. In der Praxis bietet aber eine solche Bauweise gegenüber der
einfachen Curtis-Stufe kaum Vorteile. Curtis-Stufen werden für kleine Dampfturbinen
oder auch als Regelstufe von größeren mehrstufigen Turbinen verwendet (C-Räder). In
ihnen können relativ große Druckgefälle verarbeitet werden, doch sind die Stufenwirkungsgrade wegen der vielfachen Umlenkung nicht besonders hoch. Bei einer kombinierten Druck-Geschwindigkeits-Stufung (pressure-velocity-compounded) schließen sich
mehrere Curtis-Stufen hintereinander. Ein entsprechendes Ausführungsbeispiel stellt die
in Abb. 1.6 gezeigte frühe Schiffsdampfturbine dar. Prinzipiell kann eine solche Turbine
2
Aufbau und Wirkungsweise von Dampfturbinen
47
ein recht großes Gefälle in wenigen Stufen abbauen und umsetzten, aber die resultierenden
Wirkungsgrade sind wegen der nur mäßigen Stufenwirkungsgrade der einzelnen CurtisStufen deutlich schlechter als bei einer konventionellen mehrstufigen Turbine. Zudem ist
der Bauaufwand für die einzelnen Curtis-Stufen beträchtlich. Aus diesem Grunde hat sich
mehrstufige Curtis-Bauweise daher nicht weiter durchgesetzt und wurde aufgegeben.
2.2.7 Vergleich von Gleichdruck- und Überdruckturbinen
Grundsätzlich können Dampfturbinen sowohl in Kammer- als auch in Trommelbauweise
konstruiert werden. Lange Zeit bevorzugten Hersteller immer nur einen Typ, so dass am
Markt die beiden Bauweisen in einem scharfen Konkurrenzkampf standen. In Abb. 2.17
sind typische Dampfturbinen in Kammerbauweise (mit Gleichdruckstufen) dargestellt.
Der Frischdampf tritt über ein Ventil in die Düse der ersten Stufe von links nach rechts
in Abb. 2.17a ein. Die erste Stufe ist als Regelstufe mit einem zweikränzigen Curtis-Rad
ausgeführt. Die nachfolgenden Stufen sind alle als Gleichdruckstufen mit Zwischenböden
konstruiert. In Abb. 2.17a sind die Stufen in zwei Gruppen mit jeweils unterschiedlichen
Durchmessern für die Laufschaufelkränze eingeteilt. Bemerkenswert ist auch die stetige
Zunahme des Strömungsquerschnittes entlang des Dampfpfades. Dies ist erforderlich, da
mit der Entspannung des Dampfes auch eine große Zunahme des spezifischen Volumens v
einhergeht. Um die Abströmgeschwindigkeiten der einzelnen Stufen nicht erhöhen zu
müssen, werden daher die Querschnitte entlang der Expansion vergrößert. In Abb. 2.17b
ist eine moderne Ausführung für bis zu 40 MW mit axialer Abströmung in den Kondensator gezeigt. Bei diesem Beispiel sind alle Stufen als Gleichdruckstufen ausgeführt und
auf dem Einsatz einer Curtis-Stufe wurde verzichtet.
In Abb. 2.18 ist zum Vergleich eine entsprechende Dampfturbine in Überdruckbauweise dargestellt. Der Läufer besteht in diesem Fall aus einer Trommel, auf der die Laufschaufeln montiert sind. Die erste Stufe in Abb. 2.18 ist wieder als Regelstufe in Gleichdruckbauweise ausgeführt. Über die Düsengruppen kann die Turbine geregelt werden.
Aus Sicherheitsgründen ist ein Sicherheits-(Schnellschluss)-Ventil zu Beginn des Dampfpfads eingebaut. Im Falle eines plötzlichen Lastabwurfs würde die Turbine ohne Schnellschluss in Bruchteilen einer Sekunde auf eine versagenskritische Überdrehzahl beschleunigt werden, weil die bremsende Wirkung an der Kupplung fehlen würde. Auch bei dem in
Abb. 2.18 gezeigtem Beispiel nimmt der Strömungsquerschnitt des Dampfpfads ebenfalls
mit der Expansion zu.
Die einzelne Gleichdruckstufe ist wegen der Zwischenböden und Laufräder konstruktiv
aufwendiger als die einfache Überdruckstufe. Da aber rund das doppelte Gefälle in einer Gleichdruckstufe verarbeitet werden kann, benötigen Gleichdruckturbine nur etwa die
Hälfte der Stufen einer vergleichbaren Überdruckturbine. Wegen der höheren konstruktiven Aufwände sind Gleichdruckturbinen im Bereich höherer Einheitenleistungen dennoch
ebenso lang wie vergleichbare Überdruckturbinen. Die Gleichdruckstufe weist gegenüber
der Überdruckstufe höhere Strömungsverluste in der Beschaufelung auf. Durch aufwendi-
48
M. Neef und S. aus der Wiesche
Abb. 2.17 Beispiele für Gleichdruckturbinen in Kammerbauweise. a Ältere Ausführung (Bauart
AEG, aus [TRA1966]). b Moderne Ausführung für bis zu 40 MW (Bauart GE)
2
Aufbau und Wirkungsweise von Dampfturbinen
49
Abb. 2.18 Beispiel für eine
Überdruckturbine in Trommelbauweise: Einströmung
a und Längsschnitt b (Bauart Siemens). Erklärungen:
a hydraulischer Stellantrieb des Sicherheitsventils,
b Sicherheitsventil, c Regelventile, d Regelventilantriebe,
e Kanäle zu den FrischdampfDüsengruppen, f Laufrad der
Regelstufe, g Überlastventil,
h Druckausgleichskolben,
i Traglager des Läufers,
k Axialdrucklager, l Leitschaufelträger
ge Dichtungen können aber die Spaltverluste reduziert werden. Für kleine Schaufellängen,
bei denen die Radialspalte relativ gesehen groß sind, weist die Gleichdruckstufe daher
gegenüber der Überdruckstufe einen Vorteil hinsichtlich der Spaltverluste auf. Für preiswerte, kleinere Dampfturbinen bietet sich somit die Verwendung von Gleichdruckstufen
an. Im Falle von größeren Dampfturbinen fallen meist die Strömungswirkungsgrade stärker ins Gewicht, so dass ein tendenzieller Vorteil für Überdruckstufen resultiert. In diesem
Fall nehmen wegen der größeren Abmessungen die Spaltverluste relativ gesehen ab. Prinzipiell können aber auch Dampfturbosätze sehr großer Leistung als Gleichdruckturbinen
ausgeführt werden, doch erhöht sich dann der konstruktive Aufwand für die Stufen, um
ähnlich hohe Wirkungsgrade wie bei der Überdruckstufe zu erzielen. Weltweit hat sich
daher für große Kraftwerksdampfturbinen die Trommelbauweise stärker verbreitet (siehe
50
M. Neef und S. aus der Wiesche
Tab. 2.1 Gegenüberstellung der klassischen Bauarten für Dampfturbinen (nach [VGB1983])
Gleichdruckturbine
Aktionsturbine
(engl. Impulse turbine)
Überdruckturbine
Reaktionsturbine
(engl. Reaction turbine)
Leitrad (Düsen)
Gesamtes Energiegefälle der Stufe wird in kinetiNur ein Teil des Energiegefälles der Stufe
sche Energie umgesetzt
wird in kinetische Energie umgesetzt (der
Rest im Laufrad)
Teilbeaufschlagung möglich
Volle Beaufschlagung erforderlich
Dampfkanalquerschnitt nimmt vom Eintritt zum
Dampfkanalquerschnitt nimmt vom EinAustritt ab
tritt zum Austritt leicht ab
Laufrad
Kein Druckabbau von Laufradeintritt zu -austritt
Druckabbau von Laufradeintritt zu -austritt
Dadurch theoretisch kein Axialschub auf Läufer
Dadurch Axialschub auf Läufer, Ausgleich
(in der Praxis wg. Druckverlusten dennoch zu benotwendig
achten)
Dampf wird umgelenkt und ein Teil des
Dampf wird lediglich umgelenkt
Stufengefälles wird in kinetische Energie
umgesetzt
Dampfkanal mit etwa gleichbleibendem Querschnitt Dampfkanal mit verengtem Querschnitt
von Eintritt zu Austritt
(Düsenwirkung auch im Laufrad)
Bauweise
Läufer in Kammerbauweise
Läufer in Trommelbauweise
Zwischenböden
keine Zwischenböden
Geringer Dampfverlust im Radialspalt der SchauGrößere Dampfverluste im Radialspalt der
feln, Dampfverlust an den Zwischenböden
Schaufeln, jedoch keine Zwischenböden
Ausgleichkolben für den Schubausgleich
Verarbeitung eines größeren Wärmegefälles je Stufe Jede Stufe kann nur ein kleines Wärmemöglich, dadurch aber schlechterer Stufenwirkungs- gefälle verarbeiten
grad
Daher große Stufenanzahl
Daher geringere Stufenanzahl (jedoch kein Unterschied zur Baulänge und Turbinenwirkungsgrad
gegenüber Überdruckturbinen)
Kap. 14 und 16). Interessanterweise gleichen sich aber diese beiden Bauweisen aufgrund
von optimierten Auslegungs- und modernen Fertigungsverfahren seit einigen Jahren immer mehr an. Bei modernen Dampfturbinen kann man daher zunehmend weniger von
Gleichdruck- oder Überdruckbauweisen sprechen.
Eine zusammenfassende Gegenüberstellung der Unterschiede zwischen klassischer
Gleichdruck- und Überdruckturbine sowie der daraus resultierenden Konstruktionsmerkmale zeigt Tab. 2.1 in Anlehnung an [VGB1983].
2
Aufbau und Wirkungsweise von Dampfturbinen
2.3
51
Aufbau von Dampfturbinen
Der prinzipielle Aufbau einer Dampfturbine kann anhand des in Abb. 2.19 gezeigten Ausführungsbeispiels einer Industriedampfturbine erläutert werden. In Abb. 2.19 ist das obere
Gehäuseteil während der Montage entfernt worden, so dass man einen guten Einblick in
die Maschine gewinnt.
Der Rotor mit seiner Beschaufelung wird durch zwei Lager gestützt. Bei der in
Abb. 2.19 gezeigten Turbine wird der Dampf bis auf einen sehr niedrigen Druck im
Kondensator entspannt. Für sehr niedrige Drücke nimmt das spezifische Volumen v
des Abdampfs sehr große Werte an, so dass ein großer Strömungsquerschnitt für die
Verarbeitung des Volumenstroms am Austritt erforderlich ist. Man erkennt die starke
Zunahme des Volumenstroms mit fortschreitender Expansion in Abb. 2.19 an den langen Schaufeln der Endstufe sowie an dem sich anschließenden großen Abströmraum.
Im Vergleich zu den Endstufen sind die Schaufeln der ersten Stufen relativ klein, da
dort wegen des hohen eintretenden Dampfdrucks der Volumenstrom nur moderate Werte
annimmt.
In Abb. 2.19 ist zu erkennen, dass der Rotor einen großen Schubausgleichskolben hat
(siehe Kap. 11). Dieser ist bei einer Überdruckbeschaufelung erforderlich, damit die Lagerbelastung in axialer Richtung nicht zu hoch wird. Wenn ein Druckunterschied zwischen
dem Laufschaufelein- und -austritt vorliegt, tritt ein entsprechender Schub für den Läufer
auf. Bei einer Überdruckturbine muss zum Schubausgleich ein Ausgleichskolben vorgesehen werden. Der Schub bei einer Gleichdruckturbine ist deutlich kleiner, da keine
nennenswerte Druckdifferenz zwischen den Laufrädern herrscht. Für die reine Gleich-
Abb. 2.19 Blick auf eine Industriedampfturbine in Überdruckbauweise für Kondensationsbetrieb
mit geöffnetem oberen Gehäuseteil und abgenommenen oberen Leitschaufelträgern (Werkbild
MAN)
52
M. Neef und S. aus der Wiesche
druckturbine würde der Schub verschwinden. Bei einer Gleichdruckstufe werden aber bei
den Laufscheiben meist Ausgleichsbohrungen vorgesehen, da dynamisch wegen der in
den Kammern rotierenden Scheiben Druckunterscheide aufgrund der Strömung resultieren.
Jede Dampfturbine besteht grundsätzlich aus den folgenden Bauteilen bzw. Komponenten:
Gehäuse (manchmal mehrschalig)
Dampfeintritt (geregelt durch Ventile)
Dampfaustritt (Abdampfstutzen)
Rotor (Läufer, Welle)
Beschaufelung
Lagerung
Dichtungen
Kupplungsflansch.
Diese Bauteile und Komponenten werden nachfolgend kurz erläutert werden. Einzelheiten
hierzu folgen in den einzelnen Fachkapiteln.
2.3.1 Gehäuse mit Dampfein- und -austritt
Das Gehäuse stellt den feststehenden Teil der Dampfturbine dar. Es ist in der Regel aus
Stahl gefertigt. Im Inneren wirken hohe Druck- und Temperaturbelastungen, für die das
Gehäuse ausgelegt sein muss. Das Gehäuse bei einer Dampfturbine weist üblicherweise recht große Wandstärken auf. Eine Ausnahme hiervon bilden nur die NiederdruckTurbinen, bei denen auch vergleichsweise leichte Gehäuse zum Einsatz kommen. Die in
Abb. 2.19 gezeigte horizontale Trennung (Teilfuge) ist bei Dampfturbinen sehr weit verbreitet. Sie gestattet eine leichte Montage und Demontage der Maschine. Nachteilig ist
aber, dass wegen der großen mechanischen Belastungen die Teilfuge sehr massiv ausgeführt sein muss und gleichzeitig zum Erreichen hoher Dichtigkeit sehr genau gearbeitet
sein muss.
Eine Materialanhäufung kann speziell während des Anfahrens der Maschine zu beträchtlichen Wärmespannungen führen. Neben der horizontalen Trennung ist auch das
sog. Topfgehäuse bekannt, das noch in nachfolgenden Kap. 10 und 14 speziell für Hochdruckteilturbinen großer Leistung besprochen wird.
Die Gehäuse sind in der Regel nach außen gut thermisch isoliert, um Wärmeverluste in die Umgebung zu minimieren und damit Turbinenwirkungsgrade zu maximieren.
Man kann daher die Expansionsverläufe in einer Turbine entlang des Dampfpfads zur Berechnung des Idealverhaltens näherungsweise als adiabatisch, d. h. ohne Wärmeverlust,
ansehen. Diese Annahme vereinfacht die thermodynamisch-strömungstechnische Analyse ganz erheblich.
2
Aufbau und Wirkungsweise von Dampfturbinen
53
Abb. 2.20 Gehäuse einer
Industriedampfturbine im Leistungsbereich von 100 MW
(Werkbild MAN)
Die Dampfein- und -austritte sind fest mit dem Gehäuse verbunden. Sie stellen Hauptanschlussflansche der Turbine dar und müssen einen ausreichenden Strömungsquerschnitt
zur Aufnahme des Dampfvolumenstroms aufweisen. Neben dem Frischdampf- und Abdampfstutzen können noch weitere Stutzen für die Entnahme von Dampf oder für die Anzapfung im Verlauf des Dampfpfades vorhanden sein. In Abb. 2.20 ist das Oberteil eines
Gehäuses einer Industriedampfturbine im Leistungsbereich um 100 MW während der Fertigung gezeigt. Man erkennt in Abb. 2.20 rechts im Bild die beiden Dampfeintritte. Zusammen mit dem Unterteil strömt der Dampf bei einer solchen Ausführung durch insgesamt
vier Einströmöffnungen weitestgehend symmetrisch in die Turbine ein. Der Dampfaustritt
erfolgt bei der in Abb. 2.20 gezeigten Konstruktion horizontal. Diese Bauweise wird bei
ebenerdig positionierten Kondensatoren zur Niederschlagung des Abdampfs gewählt. Die
klassische unterflurige Anordnung des Kondensators führt auf einen Abdampfstutzen auf
der Gehäuseunterseite, was in Abb. 2.19 der Fall ist.
2.3.2 Rotor und Beschaufelung
Der unbeschaufelte Rotor wird bei einer Dampfturbine Welle genannt. Die beschaufelte
Welle wird als Läufer bezeichnet. Der Rotor trägt bei einer Dampfturbine die Laufschaufeln. Die Leitschaufeln sind am Gehäuse befestigt bzw. sie werden über Leitschaufelträger
mit dem Gehäuse fest verbunden. Rotoren von Dampfturbinen bestehen in der Regel aus
Stahl. Oft werden sie als Großschmiedeteile gefertigt. In Abb. 2.21 ist ein vollständig beschaufelter Rotor einer Industriedampfturbine gezeigt. Die Befestigung der Laufschaufeln
während der Fertigung erfolgt manuell, was in Abb. 2.22 illustriert ist. Das Einlegen eines
Rotors in das Gehäuse zeigt Abb. 2.23.
54
M. Neef und S. aus der Wiesche
Abb. 2.21 Beschaufelter Rotor
einer Industriedampfturbine in
Überdruckbauweise (Werkbild
MAN)
Abb. 2.22 Beschaufelung
eines Dampfturbinenrotors
während der Fertigung (Werkbild MAN)
2.3.3 Lagerung und Kupplungsflansch (Wellenstränge)
Die Lagerung des Rotors erfolgt bei Dampfturbinen praktisch ausschließlich über Gleitlager (siehe Kap. 19). Man unterscheidet zwischen Radial- und Axiallager. Die Radiallager
tragen den Rotor, während das Axiallager den Schub aufnimmt und den Rotor in axialer Richtung definiert. Für einen Rotor ist ein Axiallager erforderlich, das meist zusammen mit einem Radiallager als kombiniertes Axial-Radial-Lager ausgeführt wird. Werden
mehrere Rotoren zusammengekuppelt, so spricht man auch von einem Wellenstrang. Bei
einer im Betrieb befindlichen Dampfturbine liegt immer ein Wellenstrang vor, da neben
dem Dampfturbinenrotor mindestens noch eine Arbeitsmaschine bzw. ein Generator angekuppelt werden muss. Bei größeren Dampfturbinen unterteilt man den Dampfpfad in
mehrere Gehäuse bzw. Teilrotoren, so dass rotordynamisch anspruchsvolle Dampfturbosätze resultieren. Die Kupplungsflansche dienen der Verbindung der Dampfturbine mit
2
Aufbau und Wirkungsweise von Dampfturbinen
55
Abb. 2.23 Einlegen eines Rotors in das untere
Turbinengehäuse mit Leitschaufelträgern (Werkbild
MAN)
weiteren Rotoren. Sie müssen ausreichend dimensioniert sein, um die großen Momente
und Lastwechsel ertragen zu können. Die Kupplungsflansche sind immer mitrotierende
Bestandteile der Welle.
Für den Betrieb der Dampfturbinen kommt dem Verhalten der Lager und ihre rotordynamischen Eigenschaften große Bedeutung zu. Auch wenn bei einer Turbomaschine
wesentlich einfachere maschinendynamische Verhältnisse als bei einer Kolbenmaschine vorliegen, ist die Rotordynamik von erheblicher Bedeutung für die Konstruktion und
Auslegung einer Dampfturbine. Neben der thermodynamisch-strömungstechnischen Auslegung muss daher auch immer eine rotordynamische Untersuchung durchgeführt werden.
2.3.4 Wellendichtung
Bei einer Dampfturbine müssen an mehreren Stellen Dichtungen zum Einsatz kommen.
Da im Inneren auf der Hochdruckseite des Dampfpfads ein recht großer Druck bezüglich
der Umgebung besteht, muss man eine Abdichtung zur Reduzierung des entsprechenden
Dampf-Leckagestroms nach außen an der betreffenden Wellenseite vorgesehen sein. Auf
56
M. Neef und S. aus der Wiesche
der Niederdruckseite herrscht bei einer Kondensationsturbine ein Unterdruck bezüglich
der Umgebung, so dass an dieser Stelle eine Abdichtung zur Vermeidung eines Lufteinbruchs erfolgen muss. Ein solcher Lufteinbruch würde in kurzer Zeit zur Korrosion der
dampfbeaufschlagten Bauteile und damit zur Zerstörung der Dampfturbine führen. Neben
diesen beiden primären Wellenabdichtungen werden entlang des Dampfpfads meist noch
sekundäre Abdichtungen wegen der unvermeidlichen Radialspalte zwischen den rotierenden und feststehenden Teilen ausgeführt. Dichtelemente können sowohl Bestandteil des
Stators als auch des Rotors sein.
In der Anfangszeit der Dampfturbinen wurden Stopfbuchsen zur primären Abdichtung
verwendet. Dieses Konzept erwies sich als nicht praktikabel und es kommen heute in der
Regel berührungslose Labyrinthdichtungen zum Einsatz. Die Bezeichnung Stopfbuchse
hat sich aber bis heute in der Sprachweise erhalten. In Abb. 2.24 ist eine solche Abdichtung basierend auf einer Labyrinthdichtung schematisch gezeigt.
Das Grundprinzip einer solchen berührungslosen Dichtung beruht auf der wiederholten
Drosselung und Dissipation des Spaltstromes durch die Drosselstellen, die meist als scharfe Dichtungsbänder eingestemmt sind. Da auch eine solche Dichtung ein kleines Spiel ı
aufweist, kann eine absolut vollständige Abdichtung bei einer hochtourigen Dampfturbine
nicht erreicht werden. Die Dichtwirkung von Labyrinthdichtungen wird durch das Konzept des Sperrdampfs unterstützt. Auf diese Weise kann auch ein unerwünschter Lufteinbruch auf der Niederdruckseite der Welle vermieden werden. Das Prinzip des Sperrdampfs
wird in Kap. 11 erläutert.
Neben dieser klassischen Konstruktion von Labyrinthdichtungen werden heute auch
weitere innovative Dichtungskonzepte für Dampfturbinen eingesetzt und erprobt. Diese
Thematik wird im entsprechenden Fachkap. 11 ausführlich behandelt. Das in Abb. 2.26
gezeigte berührungslose Labyrinth bleibt aber trotz aller modernen Entwicklungen immer
noch Kernelement der Dichtungen im Dampfturbinenbau.
Abb. 2.24 Schema einer Labyrinthdichtung für eine Welle
mit dem Durchmesser d und
Spaltweite (ı)
Dichtung
2
Aufbau und Wirkungsweise von Dampfturbinen
57
Abb. 2.25 Kondensations-Dampfturbine mit schematischer Einteilung in Hochdruck-, Mitteldruckund Niederdruck-Teilturbinen
2.3.5 Gehäuseaufteilung und Mehrflutigkeit
Mit der Erhöhung der Frischdampfparameter wird auch das in einer Dampfturbine zu
verarbeitende thermodynamische Gesamtgefälle h immer weiter gesteigert, so dass mit
dem strömungstechnisch begrenzten Stufengefälle hSt schließlich sehr hohe Stufenanzahlen resultieren. Mit der Zeit konnten diese Stufen nicht mehr alle in einem Gehäuse
untergebracht werden, da ansonsten die Läufer wegen ihrer Länge rotordynamisch nicht
mehr beherrschbar gewesen wären. Aus diesem Grunde mussten im Dampfturbinenbau
schon relativ früh mehrgehäusige Wellenstränge eingeführt werden, mit denen die Aufteilungen der Gesamtmaschine in Teilturbinen vorgenommen werden konnte (Abb. 2.25).
Bei Gasturbinen ist die mehrgehäusige Bauweise heute nicht mehr üblich. Lediglich in
der Anfangszeit des Gasturbinenbaus wurden vergleichbare Konstruktionen vereinzelt
ausgeführt. Im Dampfturbinenbau lässt sich die mehrgehäusige Bauweise ab einer bestimmten Wellenleistung, die sich historisch immer weiter nach oben verschoben hat,
nicht vermeiden. In Abb. 2.26 ist der Aufbau von ein- und mehrgehäusigen Dampfturbinen schematisch dargestellt.
Durch die enorme Zunahme des spezifischen Volumens v während der Expansion des
Dampfes müssen in einer Dampfturbine großer Leistung in den Endstufen sehr große Volumenströme verarbeitet werden. Um die erforderlichen Austrittsflächen bereitzustellen,
werden die ND-Teile von Großausführungen daher doppel- bzw. mehrflutig ausgeführt.
Dies bedeutet, dass sich der Strömungspfad nach der Einströmung auf zwei oder mehr
Strömungspfade innerhalb eines Gehäuses aufteilt. Bei der doppelflutige Anordnung können zwei Strömungspfade symmetrisch bzw. spiegelverkehrt angeordnet werden, so dass
sich evtl. entstehende Axialschübe in der Beschaufelung gegenseitig aufheben und auf
einen Schubausgleich verzichtet werden kann. Bei fossil-befeuerten Großkraftwerken,
die mit hohen Frischdampfparametern arbeiten, überwiegt die Aufteilung in Hochdruck-,
58
M. Neef und S. aus der Wiesche
Abb. 2.26 Aufbau von ein- und mehrgehäusigen Dampfturbinen (aus [VGB1983])
Mitteldruck- und Niederdruck-Teilturbinen. Eine solche Aufteilung ist schematisch in
Abb. 2.25 bzw. 2.26 gezeigt. Der Hochdruck-Teil (HD) ist wie der Mitteldruck-Teil (MD)
einflutig in Abb. 2.25 ausgeführt, d. h. der Dampf strömt durch jeweils einen Abströmquerschnitt (eine Flut). Für den Niederdruck-Teil ist in Abb. 2.25 aber eine doppelflutige
Bauweise gewählt, da wegen der niedrigen Abdampfdrücke die Volumenströme so groß
geworden sind, dass eine einflutige Bauweise hier nicht mehr umsetzbar wäre. Je nach
Ausführung und Größe müssen bei manchen Turbinen auch die Mitteldruck-Teilturbinen
bereits doppelflutig ausgeführt werden. Auch ist die Aufteilung der Niederdruck-Teile in
mehrere Gehäuse für Dampfturbosätze großer Leistung üblich.
Die Einwellenanordnung, bei der alle Rotoren einen gemeinsamen Wellenstrang bilden, ist die mit Abstand meist gebaute Form bei Dampfturbinen. Nur bei sehr großen
Leistungen bietet sich neben dieser Grundform eine Mehrwellenanordnung an, bei der
der Turbinenprozess auf mehrere Wellenstränge aufgeteilt wird und für jede Welle ein
eigener Generator benötigt wird. Eine solche Anordnung ist in Abb. 2.27 gezeigt. Man
spricht auch von einer Cross-compound-Anordnung, da der Dampfpfad von der einen
2
Aufbau und Wirkungsweise von Dampfturbinen
59
Abb. 2.27 Cross-compound-Anordnung für einen Dampfturbosatz großer Leistung: Längsschnitte (a) und Gesamtansicht (b) einschließlich der Generatoren und der Erregermaschinen (Bauart
MHI)
Welle mit Hilfe von Überströmleitungen auf die Teilturbinen der anderen Welle geleitet wird. Bei der in Abb. 2.27 gezeigten Turbogruppe wird eine elektrische Leistung von
insgesamt 1000 MW durch die beiden Generatoren erzeugt. Die Gehäuse folgen der Aufteilung HD (high pressure HP), MD (intermediate pressure IP) und ND (low pressure
LP). Wegen des großen Dampfdurchsatzes und des damit zusammenhängenden Volumenstroms sind sämtliche Teilturbinen doppelflutig mit zentralen Einströmpartien ausgeführt.
Die Niederdruck-Teilturbine ist vierflutig und besteht aus zwei symmetrischen Gehäusen.
Die Aufteilung in separate Gehäuse für die HD-, MD und ND-Teile ist nicht zwingend.
Die Kombination von Stufengruppen in ein gemeinsames Gehäuse ist je nach Größe und
Ausführung verbreitet. Eine solche kombinierte HD-MD-Teilturbine für einen Dampfturbosatz von 600 MW ist in Abb. 2.28 anhand eines Längsschnittes dargestellt.
60
M. Neef und S. aus der Wiesche
Abb. 2.28 Kombinierte HD-MD-Teilturbine für einen Dampfturbosatz von 600 MW Leistung
(Bauart ABB)
Der Frischdampf strömt in diesem Fall zentral ein und wird im HD-Teil entspannt.
Nach der Expansion im HD-Teil wird der Dampf in den Zwischenüberhitzer geführt und
im anschließenden MD-Teil auf den Eintrittsdruck der in Abb. 2.28 nicht dargestellten
ND-Turbinen entspannt. Aufgrund der Zwischenüberhitzung und mit Blick auf den Schub
dieser Überdruckturbine ist aber die in Abb. 2.28 gewählte komplexerer Dampfführung
vorteilhafter.
Liegen nur moderate Frischdampfparameter vor, so genügt meist eine Aufteilung in
einen Eintritts- und einen Niederdruck-Teil. Eine solche Aufteilung ist beispielsweise für
Kernkraftwerksturbinen üblich. Trotz der sehr großen Leistungen dieser Dampfturbosätze
weisen die Turbinen in Kernkraftwerken nur eine Eintrittsturbine (Hochdruck) und einen
mehrflutigen Niederdruck-Teil auf. Diese Bauweise hat sich bei Kernkraftwerksturbinen
weltweit bei allen Herstellern durchgesetzt und wird detailliert in Kap. 16 besprochen. Ein
Ausführungsbeispiel einer Kernkraftwerksturbine mit einer doppelflutigen Eintrittsturbine
(HD) und einem sechsflutigen Niederdruckteil (ND) ist in Abb. 1.9 gezeigt.
2
Aufbau und Wirkungsweise von Dampfturbinen
61
2.4 Klassifizierung von Dampfturbinen
Die Klassifikation von Dampfturbinen kann nach vielfältigen und verschiedenen Gesichtspunkten und Merkmalen erfolgen. Eine gute Übersicht bietet hierzu die Norm DIN 4304,
nach der das in Abb. 2.29 gezeigte Klassifikationsschema erstellt worden ist und die auch
in der VGB-Fachkunde [VGB1983] verwendet wird.
Hinsichtlich der Durchflussrichtung können Turbomaschinen allgemein in axiale, radiale oder gemischte radial-axiale Bauweisen unterteilt werden. Bei großen Dampfturbinen werden heute nur noch axiale Maschinen gebaut. Die Radialturbinen stellen einen
derzeit abgeschlossenen Nebenzweig des Dampfturbinenbaus dar und werden nachfolgend noch separat diskutiert.
Traditionell werden Dampfturbinen bezüglich des verwendeten Arbeitsverfahrens
in Gleichdruck- und Überdruck-Turbinen (bzw. Aktions- und Reaktionsturbinen) unterschieden. Es gibt auch Maschinen, bei denen einzelne Stufengruppen entweder als
Gleichdruck- oder als Überdruckstufen ausgeführt sind. Die Gleichdruckstufe ist durch
eine Kammerbauweise charakterisiert während die Überdruckstufe traditionell in Verbindung mit der Trommelbauweise ausgeführt wird. Bei der Überdruckstufe werden für
Leit- und Laufschaufeln symmetrische Profile verwendet. Diese traditionelle Aufteilung
verliert heute allerdings an Wert, da Stufen mit sog. variabler Reaktion ausgeführt werden.
Bei diesen Stufen kann man nicht mehr von einer reinen Gleich- oder Überdruckbauweise
sprechen, sondern entlang der Schaufelhöhe liegen unterschiedliche Strömungsverhältnisse vor. Diese wurde bereits seit vielen Jahrzehnten bei den sehr langen Endstufen der
Niederdruckturbinen praktiziert. Bei diesen Stufen konnten die radialen Strömungsbei-
Abb. 2.29 Klassifikationsschema für Dampfturbinen nach DIN 4304
62
M. Neef und S. aus der Wiesche
träge wegen der großen Abmessungen und der damit zusammenhängenden Unterschiede
zwischen Schaufelfuß und Schaufelspitze nicht vernachlässigt werden.
2.4.1
Heiß- und Sattdampfturbinen
Die Klassifizierung nach dem Dampfzustand führt auf eine Einteilung in Heißdampf- und
Sattdampfturbinen. Bei einer Sattdampfturbine liegt der Frischdampfzustand praktisch auf
der Sattdampflinie, d. h. es liegt gesättigter Dampf mit einem Dampfanteil um x D 1 vor.
Durch die Entspannung in der Turbine auf einen niedrigeren Druck p nimmt der Nässeanteil y D 1 x im Dampfpfad immer weiter zu. Die Expansion verläuft bei einer
Sattdampfturbine überwiegend im Nassdampfbereich, es muss daher mit Tropfenbildung
und ungünstig auf die Schaufeln auftreffendem flüssigen Wasser in der Turbine gerechnet
werden. Dies wirkt sich nachteilig auf Wirkungsgrad und Lebensdauer der Turbine aus.
Dazu kommt, dass thermodynamisch bei Sattdampfturbinen zwangsläufig nur moderate
bis niedrige Gefälle verarbeitet werden können, da die Frischdampftemperaturen innerhalb oder in der Nähe des Nassdampfgebietes liegen und für Wasser damit auf deutlich
unter 374 ı C begrenzt sind. Dies wirkt sich negativ auf den thermischen Wirkungsgrad
des gesamten Dampfkraftprozesses aus, für den nach Carnot (siehe Kap. 3) immer hohe
Temperaturen bei Wärmezufuhr anzustreben sind.
Bei einem Heißdampfprozess wird der im Kessel erzeugte Dampf überhitzt, so dass
der Frischdampfzustand durch Heißdampf charakterisiert wird. Thermodynamisch können durch die Überhitzung wesentlich größere Gefälle und thermische Wirkungsgrade
erreicht werden. Zudem verläuft die Expansion in einer Heißdampfturbine weitgehend
nur im überhitzten Dampfgebiet, was vorteilhaft hinsichtlich der Turbinenwirkungsgrade
und der Lebensdauer ist. Auch ist die Auslegung von Stufen, die durch ein gasförmiges
Arbeitsfluid durchströmt werden, wesentlich einfacher, als die Behandlung von Mehrphasenprozessen, die detailliert in Kap. 5 behandelt werden. Lediglich die Expansion in den
Endstufen können auch bei einer Heißdampfturbine in das Nassdampfgebiet auf einen
Dampfanteil unter 100 % führen.
Diese beiden Prozesse können sehr anschaulich in einem h,s-Diagramm nach Art von
Abb. 2.30 veranschaulicht werden. Die Expansion in der Turbine verläuft jeweils von
Zustand 1 nach 2.
Der Verlauf H entspricht einem Heißdampfprozess, der mit relativ hohen Frischdampfparametern beginnt. Verlauf S stellt einen einfachen Sattdampfprozess dar. Man erkennt
unmittelbar, dass das Gefälle h D h1 h2 bei einem Heißdampfprozess wesentlich größer als bei einem Sattdampfprozess ist. Die Thermodynamik der Dampfkraftprozesse wird
in Kap. 3 weiter diskutiert. An dieser Stelle sei angemerkt, dass fast alle Kernkraftwerksturbinen als Sattdampfturbinen ausgeführt sind. Wegen der moderaten Maximaltemperaturen der Dampfkraftprozesse der Kernkraftwerke von rund 320 ı C lässt sich dies nicht
vermeiden. Bei fossil befeuerten Dampfkraftwerken werden immer Heißdampfprozesse
angestrebt.
2
Aufbau und Wirkungsweise von Dampfturbinen
63
Abb. 2.30 Veranschaulichung
der Expansion in einer Heißdampfturbine H und einer
Sattdampfturbine S im h,sDiagramm
2.4.2
Kondensations- und Gegendruck- sowie Entnahmeturbinen
Neben der Unterscheidung nach dem thermodynamischen Zustand des Frischdampfs ist
eine Klassifizierung nach der Herkunft bzw. Erzeugung des Dampfs ebenfalls möglich,
je nach dem ob diese z. B. mit Frischdampf, Prozess-Abdampf oder Speicherdampf betrieben wird. Diese Klassifizierung ist eher von der Prozessbetrachtung und vom Standpunkt der Betriebsführung her relevant. Sie betrifft nur indirekt die thermodynamischströmungstechnische Auslegung der Dampfturbine.
Im Gegensatz dazu führt die Dampfabführung auf einschneidende konstruktive Merkmale für Dampfturbinen. Im Kondensationsbetrieb wird der Abdampf in einem Kondensator bei sehr niedrigem Kondensatordruck pK (Vakuum) niedergeschlagen. Diese
Betriebsweise gestattet eine maximale Ausnutzung des zur Verfügung stehenden thermodynamischen Gefälles durch die Dampfturbine. Für den Kondensationsbetrieb ist eine
niedrige Kühlmitteltemperatur tK erforderlich. Dies liegt an der Kopplung von Temperatur
und Druck über die Dampfdruckkurve des Arbeitsfluids. Liegt eine hohe Kühlmitteltemperatur vor (z. B. 40 ı C), so können nur moderate Vakua im Kondensator erzeugt werden
(in diesem Fall unter Berücksichtigung von Verlusten etwa 100 mbar). Andererseits kann
der Abwärmestrom energetisch nicht mehr weiter genutzt werden, wenn das Temperaturniveau tK nur gering über der Umgebungstemperatur liegt.
Soll noch ein zusätzlicher Verbraucher mit Wärme versorgt werden (Heiz- oder Prozesswärme), so liegt es nahe, die Entspannung nur bis auf die gewünschte Heiztemperatur
und damit auf ein höheres Druckniveau pG durchzuführen. Man spricht in diesem Fall
auch von einem Gegendruckbetrieb. Aus dem Heizkondensator kann dann die Abwärme
bei einem wesentlich höheren Temperaturniveau tG für einen Verbraucher ausgekoppelt
werden. Bei einer solchen Schaltung erzeugt der Dampfkraftprozess nicht nur Leistung
(elektrischen Strom), sondern auch noch Nutzwärme. Dieses Prinzip ist auch als KraftWärme-Kopplung (KWK) bekannt. Diese beiden Prinzipien sind anhand der vereinfachten Wärmeschaltpläne in Abb. 2.31 illustriert. Bei einem Gegendruckbetrieb übernimmt
der Wärmeverbraucher die Rolle des Rückkühlwerks für den Kondensator. Ohne einen
64
M. Neef und S. aus der Wiesche
a
b
Qnutz
Qab
tK ≈ tUmg
tG > tUmg
Abb. 2.31 Wärmeschaltbild einer Kondensationsturbine (a) und einer Gegendruckturbine (b)
Abb. 2.32 Wärmeschaltplan einer Gegendruckturbine mit direkter Abdampfnutzung (nach
[MÜL1978])
entsprechenden Wärmeverbrauch kann der Gegendruckbetrieb nicht aufrechterhalten werden.
Bei Industrieanlagen, die Prozessdampf benötigen, wird im Gegensatz zu Abb. 2.31b
eine etwas andere Schaltung für den Gegendruckbetrieb gewählt, die in Abb. 2.32 anhand
eines Wärmeschaltplans dargestellt ist. Die Entspannung des Dampfs findet von Zustand 1
nach 4 in der Gegendruckturbine statt. Der im Zustand 4 vorliegende Abdampf wird auf
Dampfverbraucher geleitet und das anfallende Kondensat 5 über die Kondensatpumpe in
den Speisewasserbehälter gefördert. Ein kleiner Dampfstrom wird direkt auf den Speisewasserbehälter zur Vorwärmung und zur Entgasung geleitet.
Wegen der Entspannung auf einen relativ hohen Gegendruck bleibt das spezifische
Volumen v des Abdampfs im Vergleich zum Kondensationsbetrieb relativ niedrig. Infolgedessen können die Austrittsquerschnitte bei einer Gegendruckturbine klein bleiben,
so dass nur eine moderate Zunahme der Schaufellängen und Durchmesser entlang des
2
Aufbau und Wirkungsweise von Dampfturbinen
65
Dampfpfades erfolgt. Dies stellt das markante konstruktive Merkmal von Gegendruckturbinen dar. Es führt auf kompakte, kleine und daher auch preiswerte Einheiten.
Tatsächlich ist nicht so sehr die Leistung, sondern der Abdampfzustand für die Kosten
einer Dampfturbine relevant [TER2001]. Bei niedrigen Abdampfdrücken müssen große –
und damit auch teure – Konstruktionen gewählt werden. Dies ist anhand der beiden in
Abb. 2.33 gezeigten Industriedampfturbinen vergleichbarer Leistung illustriert. Der deutlich höhere Bauaufwand der Kondensationsturbine aufgrund der massiven Zunahme der
Schaufellängen gegenüber der sehr kompakten Gegendruckturbine kann aus Abb. 2.33 gut
abgelesen werden.
Das Prinzip der Gegendruckturbine kann durch das Nachschalten eines Kondensationsteils konzeptionell in einen Entnahmebetrieb überführt werden. Ein entsprechender
Wärmschaltplan mit einer solchen Entnahme-Kondensationsturbine ist in Abb. 2.34 dargestellt. Die erste Stufengruppe entspannt den Frischdampf (1) auf einen Gegendruck (2),
bei dem ein Teil des Dampfs der Expansion entnommen und einem Verbraucher zugeführt
wird. Der restliche Dampf wird im Kondensationsteil vom Zustand 2 auf einen niedrigen Kondensatordruck (4) entspannt. Man spricht bei einer Dampfturbine immer dann
von einer Entnahme, wenn ein Teil des Dampfs aus dem eigentlichen Expansionsprozess entzogen und einem Wärmeverbraucher zugeführt wird, wobei eine Regelung des
Entnahmedrucks vorliegt. Das Entnahmeventil ist in Abb. 2.34 allerdings nicht explizit
symbolisiert.
Die Entnahme ist von der Anzapfung zu unterscheiden. Bei der Anzapfung wird zwar
auch ein Teilmassenstrom aus dem Expansionspfad entnommen, aber zur regenerativen
Speisewasservorwärmung (siehe Kap. 3) im Dampfkraftprozess energetisch genutzt. Dieses Verfahren dient zur Wirkungsgradsteigerung von Dampfkraftprozessen. Es wird immer dann angewendet, wenn der Wirkungsgrad des Dampfkraftprozesses im Vordergrund
steht. Da bei solchen Ausführungen in der Regel eine relativ stabile Situation hinsichtlich
der Dampfdrücke vorliegt, kann bei einer Anzapfung auf ein Entnahmeventil zur Druckregelung verzichtet werden. In Abb. 2.34 ist neben der Entnahme auch eine Anzapfung
(aus dem ND-Teil) gezeigt.
a
b
Abb. 2.33 Vergleich einer Kondensationsturbine (a) und einer Gegendruckturbine (b) vergleichbarer Leistung (Werkbild MAN)
66
M. Neef und S. aus der Wiesche
Abb. 2.34 Wärmschaltplan einer Entnahme-Kondensationsturbine (nach [MÜL1978])
Abb. 2.35 Entnahme-Kondensationsturbine (Bauart Siemens). Nur die ersten und letzten Schaufeln
sind für die beiden Überdruck-Stufengruppen abgebildet
Bei Entnahme-Turbinen stellen die Entnahmeventile charakteristische Konstruktionsmerkmale dar. Eine solche Turbine ist in Abb. 2.35 im Schnitt gezeigt. Zwischen
der Hochdruck-Stufengruppe und dem Kondensationsteil sind das Entnahmeventil und
die zugehörigen Entnahmekanäle gut zu erkennen. Neben der Bauart der EntnahmeKondensationsturbinen kann man anstelle des Kondensationsteils auch eine Stufengruppe,
die auf einen höheren Gegendruck entspannt, nachschalten. Man spricht dann von einer
Entnahme-Gegendruckturbine. In diesem Fall nehmen auch in der letzten Stufengruppe
die Schaufellängen nur moderat zu. Bei einer Entnahme-Kondensationsturbine, wie sie in
Abb. 2.35 dargestellt ist, kann man hingegen in der letzten Stufengruppe die charakteristische massive Zunahme der Schaufellänge erkennen.
2
Aufbau und Wirkungsweise von Dampfturbinen
67
Die Wahl und Auslegung der Gegendruck- oder Entnahmeturbinen erfolgt individuell
für den jeweiligen Standort und die dort gegebenen Anforderungen. Ziel ist immer eine
Optimierung der Gesamtenergiekosten. Diese setzen sich aus den Kosten für die Erzeugung von Leistung („Kraft“) und Prozessdampf („Wärme“) zusammen. Die Installation
einer Gegendruckturbine kann sich auch bei relativ kleinen Dampfmengen für den Betreiber lohnen. In diesem Fall sind die eingesetzten Dampfturbinen sehr kompakt und können
bei einer anderen Drehzahl als mit Netzfrequenz betrieben werden. Es wird dann über ein
Getriebe der Generator angekuppelt. Prinzipiell lassen sich Entnahme- oder Gegendruckturbinen auch in großen Leistungsklassen bis hin zu Heizkraftwerken mit über 500 MW
Nennleistung ausführen. Diese Schaltungen und die Besonderheiten bei der Entnahme
werden in Kap. 13 noch behandelt.
Vorschaltturbinen gemäß Einteilung nach DIN 4304 (siehe Abb. 2.29) sind Gegendruckturbinen, die auf ein vorhandenes Gegendruckdampfnetz arbeiten, von dem nachgeschaltete Turbinen (sog. Nachschaltturbinen) betrieben werden. Die Nachschaltturbinen
sind meist als Kondensationsturbinen ausgeführt. Die Vorschaltturbinen arbeiten mit relativ hohen Frischdampfparametern. Vorschaltturbinen können auch in größeren Industriedampfnetzen sowie in Kraftwerken eingesetzt werden. Nach einer Vorschaltturbine
kann sich eine Zwischenüberhitzung des Dampfs zur Steigerung der Wirtschaftlichkeit
anschließen.
2.4.3 Verwendungszweck und Einsatzbereich
Dampfturbinen können als Kraftmaschinen in unterschiedlichen Anwendungen verwendet
werden, doch haben sich zwei große Einsatzgebiete herausgebildet, nämlich der Bereich
der Kraftwerksturbinen und der Industrieturbinen. Die Grenze zwischen diesen beiden
Klassen verläuft nicht immer eindeutig, doch lassen sich die folgenden Merkmale generell
unterscheiden.
Kraftwerksturbinen dienen der Erzeugung von elektrischem Strom und werden in der
Regel von größeren Elektrizitätsversorgungsunternehmen (EVU) betrieben. Da hohe Wirkungsgrade und eine maximale Ausnutzung des thermodynamischen Gefälles angestrebt
werden, kommen hier Kondensationsturbinen zum Einsatz, die mit möglichst niedrigen Abdampfdrücken arbeiten. Wirtschaftlich lassen sich im Kraftwerkseinsatz größere
Leistungseinheiten betreiben. Der Leistungsbereich bewegt sich zwischen rund 100 MW
bis über 1000 MW. Es kommen meist mehrgehäusige Ausführungen zum Einsatz (siehe
Abb. 2.26). Oft wird die Aufteilung in HD-, MD- und ND-Teilturbinen gewählt. Meist
werden thermodynamische Maßnahmen zur Verbesserung des Wirkungsgrades, wie die
regenerative Speisewasservorwärmung oder Zwischenüberhitzung des Dampfes, eingesetzt. Die Drehzahl der Kraftwerksturbinen liegt in der Regel durch direkte Kopplung von
Dampfturbosatz und Generator über die Netzfrequenz fest (50 bzw. 60 Hz oder 16 2/3 Hz
im Sonderfall Bahnstrom). Eine Ausnahme bildet der Bahnstrom, der mit einer Netzfrequenz von 16 2/3 Hz arbeitet und z. T. in eigenen Kraftwerken erzeugt wird [STE1988].
68
M. Neef und S. aus der Wiesche
Der Begriff Industrieturbine rührt vom Einsatz von Dampfturbinen für die Bereitstellung von Strom und ggf. Wärme und/oder Prozessdampf in größeren Industriekomplexen.
Er ist insofern irreführend, als dass Industriedampfturbinen auch von Versorgungsunternehmen außerhalb von Industrieanlagen genutzt werden. Er bezeichnet Dampfturbinen in
einer elektrischen Leistungsklasse bis rund 100 MW, aber gelegentlich werden auch Einheiten bis 200 MW gebaut. Bei Industrieturbinen findet man eine sehr große Vielzahl von
individuellen Ausführungen, die vom reinen Kondensationsbetrieb über den Gegendruckbetrieb bis hin zu Entnahme-Turbinen führen. Oft steht die Bereitstellung von Prozessund Heizwärme für den Industriebetrieb im Vordergrund, so dass meist deutlich geringere Frischdampfparameter bzw. thermodynamische Gefälle als in Kraftwerksturbinen
verarbeitet werden. Auch wird in der Regel auf das aufwendige Konzept der Zwischenüberhitzung bei Industrieturbinen wegen des hohen baulichen Aufwands verzichtet. Die
Drehzahlen von kleinen Industrieturbinen liegen meist höher als die Netzfrequenz, so
dass zur Kopplung mit einem Generator Getriebe zum Einsatz kommen. Die Industrieturbine wird in vielen Fällen jedoch auch als Direktantrieb für andere Aggregate wie
z. B. Kompressoren verwendet. Die eingehäusige Bauweise und ein einflutiger Dampfpfad werden bei Industrieturbinen fast immer gewählt. Die Regelung der Industrieturbinen
kann über die Drehzahl oder Leistung, aber auch über den Entnahmedruck bzw. über die
Dampfmengen erfolgen. Der Betrieb im Inselnetz oder parallel zu einem Verbundnetz ist
möglich. Industriedampfturbinen können auch direkt als Antriebsmaschinen für größere
Arbeitsmaschinen, wie Pumpen oder Kompressoren, eingesetzt werden. Es entfällt dann
die Ankupplung an einen Generator.
Neben den Kraftwerks- und Industrieturbinen werden Dampfturbinen auch noch als
Antrieb für Schiffe eingesetzt. Historisch stellte dies in den Anfangstagen des Dampfturbinenbaus nach dem spektakulären Erfolg von Parsons Versuchsschiff „Turbinia“ zunächst
den wichtigsten Markt dar, doch wurden Dampfturbinen rasch von Dieselmotoren als bevorzugter Schiffsantrieb abgelöst. Heute werden nur noch sehr vereinzelt größere Schiffe
von Dampfturbinen angetrieben. Erst ab einer sehr großen Wellenleistung von 50 MW
und mehr kann sich bei einem Schiff die Investition in eine Kesselanlage lohnen. Zudem
kommt, dass der hohe Wirkungsgrad von über 50 % eines modernen Großdieselmotors
durch keinen Dampfkraftprozess erreicht wird. Die Mehrzahl der in der Vergangenheit gebauten Schiffsdampfturbinen wird an Land in Industrieanlagen oder kleineren kommunalen Kraftwerken eingesetzt. Weitere Informationen über Schiffsdampfturbinen können der
Literatur [DIE1980, KEA1956] entnommen werden. Eine Besonderheit bei Schiffsdampfturbinen liegt darin, dass neben der Hauptturbine noch eine separate Rückwärtsturbine
vorgesehen werden muss. Im Gegensatz zu einer Kolbenmaschine liegt die Drehrichtung
bei einer Turbine aufgrund der Beschaufelung fest. Da früher im Schiffsbau ausschließlich
nur starre Propeller verwendet worden sind, mussten daher leistungsschwächere Rückwärtsturbinen für das Manövrieren des Schiffs eingebaut werden.
Versuchsweise wurden nach einem Vorschlag aus dem Jahre 1907 Dampfturbinen in
den 1920er bis 1930er-Jahren auch im Lokomotivbau erprobt, doch konnten sie sich hier
gegenüber den Kolbendampfmaschinen nicht durchsetzen. Bei der Verwendung als Lo-
2
Aufbau und Wirkungsweise von Dampfturbinen
69
Abb. 2.36 Versuchslok mit Dampfturbine (Krupp-Zoelly-Turbinenlokomotive T18-1001 mit Kondensationstender, um 1930)
komotivantrieb erwiesen sich die hohen Drehzahlen der Dampfturbinen als nachteilig.
Zudem konnte weder technisch noch wirtschaftlich Vorteile gegenüber den etablierten
Dampflokomotiven herausgearbeitet werden. Da die Dampflokomotiven zu dieser Zeit
ohnehin schon von anderen Antrieben (E-Lok, Diesel-Lok) abgelöst wurden, blieb diese
Entwicklungsphase auch folgenlos für die Eisenbahntechnik. In Abb. 2.36 ist eine deutsche Versuchslok (um 1930) mit Dampfturbinenantrieb abgebildet. Die Lokomotive besaß
eine sechsstufige Vorwärts- und eine dreistufige Rückwärtsturbine. Aufgrund der hohen
Anforderungen an das Arbeitsfluid wurde ein Kondensationstender eingesetzt, d. h. im
Gegensatz zur klassischen Dampflok lag bei der in Abb. 2.26 gezeigten Turbinenlokomotive ein geschlossener Prozess vor. Die Turbinen sind quer zum Kessel angeordnet. Das
Konzept der Treibräder mit Schubstangen wurde durch ein Getriebe den Erfordernissen
der Turbine angepasst.
2.5 Radialturbinen
Die überwältigende Mehrzahl aller Dampfturbinen ist als axiale Strömungsmaschine ausgeführt. Die axiale Bauweise ist prädestiniert für die Mehrstufigkeit, die bei einer zentrifugalen Turbine nur mit sehr hohen Umlenkverlusten zwischen den Radialstufen erzielt
werden könnte. Aus diesem Grund werden mehrstufige Radialturbinen auch im Gasturbinenbau praktisch nicht eingesetzt. Lediglich in einstufiger Bauweise, d. h. bei kleinen
Leistungseinheiten und Durchsätzen, bieten Radialturbinen Vorteile. Dies wird bei Gasturbinen beispielsweise bei Abgasturboladern ausgenutzt.
Bei Dampfturbinen wurden nur in wenigen Ausnahmen Zentripetalturbinen ausgeführt.
Der Hauptgrund besteht in den vergleichsweise hohen Durchsätzen, die selbst bei den
kleinen Leistungseinheiten (10 bis 1000 kW) eine axiale Bauweise gestatten. Eine etwas
größere Bedeutung hat die sog. Ljungström-Turbine erlangt, die 1912 einen radikalen
70
M. Neef und S. aus der Wiesche
Wechsel im Turbinenbau markierte. Tatsächlich wurden mehrere größere Einheiten als
Ljungström-Turbinen in der Vergangenheit erfolgreich gebaut und betrieben. Zudem weist
die Ljungström-Turbine einige bemerkenswerte konstruktive Merkmale auf, die nachfolgend diskutiert werden. Allerdings zeigt sich, dass die Vorteile der Ljungström-Turbine
gegenüber den konventionellen Axialturbinen nicht ausschlaggebend sind, so dass heute
kein einziger Hersteller mehr eine solche Dampfturbine baut.
2.5.1
Zentripetalturbinen
Bei der einfachen radialen Turbine strömt das Arbeitsfluid radial ein und tritt axial aus dem
Laufrad aus. Diese Bauform und die zugrundeliegenden strömungstechnischen Zusammenhänge werden ausführlich in Lehrbüchern, z. B. [DIX2010], beschrieben. In Abb. 2.37
ist schematisch eine Zentripetalturbine gezeigt. Der Turbineneintrittszustand ist durch
den Index 0 in Abb. 2.37 bezeichnet. In einem Leitapparat wird die Zuströmung für das
beschaufelte Laufrad (Index 1) erzeugt. Der Austrittszustand ist durch den Index 2 gekennzeichnet.
Gemäß der Eulerschen Hauptgleichung [DIX2010] (siehe auch Kap. 4) ergibt sich
durch die unterschiedlichen Umfangsgeschwindigkeiten an Laufrad-Ein- und -Austritt ein
positiver Beitrag zum Betrag der spezifischen Turbinenarbeit, wenn die Turbine radial von
außen nach innen durchströmt wird (u1 > u2 ). Dies stellt daher die natürliche Strömungsrichtung einer solchen Stufe dar. In dieser Form wird sie im Abgasturbolader vielfach
eingesetzt. Streng genommen wird eine Zentripetal-Turbine nicht rein radial, sondern eher
diagonal durchströmt, so dass man besser von einer Radial-Axial-Turbine sprechen sollte.
Bei Dampfturbinen nimmt das spezifische Volumen v massiv zu, so dass der erforderliche
Austrittsquerschnitt (Ebene 2 in Abb. 2.37) vergleichsweise groß sein muss. Wegen der
geometrischen Beschränkungen der Innenkreisfläche ergeben sich hier für Dampf direkt
massive Einschränkungen. Es können nur vergleichsweise moderate Druckgefälle in einer solchen einfachen Zentripetalturbine verarbeitet werden. Diese Problematik tritt bei
einer Axialstufe in dieser ausgeprägten Form nicht auf. Infolgedessen wurde die einfache
Zentripetaldampfturbine daher nur sehr selten gebaut. Ein entsprechendes Ausführungs-
Abb. 2.37 Schematische
Darstellung einer Zentripetalturbine
2
Aufbau und Wirkungsweise von Dampfturbinen
71
Abb. 2.38 Schnitt durch eine Zentripetalturbine mit Curtis-Stufe (Bauart KKK)
beispiel für eine Zentripetalturbine zeigt Abb. 2.38. Es handelt sich hierbei um ein Laufrad
mit einer Curtis-Stufe. Die Beschaufelung besteht aus einem Düsenkranz (Leitapparat)
und den radial von außen nach innen durchströmten beiden Laufschaufelkränzen. Die
Umlenkschaufeln befinden sich zwischen diesen beiden Kränzen und sind am Gehäuse
befestigt.
Die Dampfturbine in Abb. 2.38 ist als Gegendruckturbine konzipiert, um das Problem
der Volumenstromzunahme zu umgehen. Es kann ein vergleichsweises großes Gefälle
in der eingesetzten Curtis-Stufe verarbeitet werden. Im Kondensationsbetrieb wäre eine solche Radialbauweise nicht ausführbar. Die Turbine kann im Leistungsbereich von
250 kW bis sogar 7000 kW arbeiten. Der Rotor der in Abb. 2.38 dargestellten Turbine ist
in Abb. 2.39 gezeigt. Die Drehzahlen liegen wegen der kompakten Bauweise recht hoch
(bis über 30.000 min1 ), was aber wegen der kleinen Radien auf nur moderate Umfangsgeschwindigkeiten im Bereich unter 200 m/s führt. Die kurze Lagerdistanz des Rotors
unterstützt das rotordynamische Verhalten. Trotz der strukturmechanischen Vorteile hat
sich diese Bauweise wegen der höheren Kosten aber nicht weiter durchsetzen können.
72
M. Neef und S. aus der Wiesche
Abb. 2.39 Rotor einer Zentripetalturbine mit Curtis-Stufe
(Bauart KKK)
2.5.2
Ljungström-Turbinen
Eine völlig eigene Klasse von Turbine stellt die erstmalig 1912 von den Brüdern Birger und Frederik Ljungström vorgestellte radiale Bauweise dar, die heute als LjunströmTurbine bekannt ist. Sie ist tatsächlich – im Gegensatz zu den konventionellen Zentriptalturbinen – eine Radialturbine.
Der grundlegende Aufbau der Ljungström-Turbine ist in Abb. 2.40 gezeigt. In der
einläufigen Bauweise sind die Leitschaufeln an einer festen Gehäusewand und die Laufschaufeln an einer rotierenden Laufscheibe befestigt. Der Dampf strömt in diesem Fall
radial von innen nach außen, wodurch der Strömungsquerschnitt zunimmt, wie es auch
die Zunahme des Volumenstroms mit fortschreitender Expansion verlangt. Der aus der
Eulerschen Hauptgleichung herrührende energetische Nachteil, gegen die Zentripetalkraft zu strömen (siehe Kap. 4), ist wegen der kleinen radialen Unterschiede zwischen
Laufschaufelein- und -austritt nicht gravierend. Trotz der rein radialen Durchströmung
kann die Beschaufelung wie bei einer Axialstufe ausgelegt werden.
Abb. 2.40 Aufbau einer a einläufigen Radialturbine und b einer gegenläufigen Ljungström-Turbine
2
Aufbau und Wirkungsweise von Dampfturbinen
73
Abb. 2.41 Schnitt durch eine gegenläufige Ljungström-Turbine mit 5000 kW Leistung (Bauart
Rush) aus [KEA1956]
Eine weitere Steigerung gegenüber den konventionellen axialen Turbinen ergibt sich,
wenn man auch die „Leit“-Schaufeln auf einer gegenläufig rotierenden Scheibe befestigt,
so dass die in Abb. 2.40b gezeigte gegenläufige Ljungström-Turbine resultiert. In diesem
Fall gibt es keine festen Leitschaufeln mehr, sondern bei gleichen Abmessungen tritt eine
Verdoppelung der relativen Umfangsgeschwindigkeiten auf. Legt man die Beschaufelung
nach Art einer Überdruckstufe aus, so lässt sich in einer solchen Turbinenstufe ein vierfach
höheres Gefälle als in einer vergleichbaren Axialstufe verarbeiten. Selbst gegenüber einer
axialen Gleichdruckstufe weist die gegenläufige Ljungström-Turbinenstufe noch den doppelten Energieumsatz auf. Die gegenläufige Ljungström-Turbine zeichnet sich daher durch
eine sehr geringe Stufenanzahl und eine kompakte Bauweise aus. Ihre thermodynamische
und strömungstechnische Theorie wird ausführlich von Kearton [KEA1956] beschrieben.
Ein frühes Ausführungsbeispiel einer solchen Turbine mit einer Leistung von 5000 kW ist
in Abb. 2.41 gezeigt.
In Abb. 2.41 strömt der Dampf durch eine Zufuhrleitung von innen nach außen. Zunächst wird eine Hochdruck-Stufengruppe passiert. Anschließend findet die weitere Expansion in einer äußeren Niederdruck-Stufengruppe statt. Trotz der geometrischen Flächenzunahme muss hier eine Vergrößerung der Abströmquerschnitte durch Anbringen von
Schaufeln in Zwischentragringen vorgenommen werden. Da die in Abb. 2.41 gezeigte Ma-
74
M. Neef und S. aus der Wiesche
Abb. 2.42 Schnitt durch eine gegenläufige Ljungström-Turbine mit doppelflutiger axialer Endstufe
für 2,5 MW bei 3000 min1 (Ausführung MAN)
schine relativ klein ist, konnte trotz der Fliehkraftbelastungen die radiale Durchströmung
für alle Stufen beibehalten werden.
Für größere Leistungen bzw. Abmessungen stößt die Ljungström-Turbine in ihrer Reinform allerdings an konstruktive Grenzen. In diesen Fällen wurden gemischte Ausführungen mit radialen Hochdruckstufen und axialen Endstufen realisiert. Ein entsprechendes
Beispiel zeigt Abb. 2.42. Offensichtlich verliert sich bei einer solchen gemischten Bauweise der ursprüngliche konzeptionelle Vorteil der Ljungström-Turbine. Es wurden tatsächlich Großturbinen bis 250 MW in dieser Art mit axialen Niederdruckstufen ausgeführt,
die aber nur noch den Hochdruckteil als radiale Stufen ausgebildet hatten. Die größte in
dieser Form je gebaute Turbine zeigt Abb. 2.43. Es handelt sich hierbei um eine Kraftwerksturbine, die vor allem zur Spitzenlastabdeckung eingesetzt wurde. Da der radiale
Hochdruckteil als gegenläufige Ljungström-Turbine sehr kompakt gebaut werden kann,
ergeben sich nur geringe Materialanhäufungen und daher auch recht kurze Anfahrzeiten.
Bei einer entsprechenden axialen HD-Turbine müssen große Wandstärken vorgesehen
werden. Dadurch ergeben sich Einschränkungen beim schnellen Hochfahren der Turbine, da ansonsten in den dickwandigen Bauteilen die Wärmespannungen versagenskritisch
werden. Diesen Nachteil kann die Ljungström-Turbine minimieren.
Wie das Beispiel in Abb. 2.43 zeigt, kann man bei einer solchen Großausführungen nur noch schwer von einer „Radialturbine“ sprechen. Da im Spitzenlasteinsatz die
2
Aufbau und Wirkungsweise von Dampfturbinen
75
Abb. 2.43 Schnitt durch eine gegenläufige Ljungström-Turbine mit doppelflutiger axialer Niederdruckbeschaufelung für den Spitzenlasteinsatz und einer Nennleistung von 250 MW (Bauart
Stal-Laval)
Betriebszeiten recht kurz sind, kommt den Investitionskosten eine hohe wirtschaftliche
Bedeutung zu. Diesbezüglich wiesen Gasturbinen gegenüber den aufwendigen Dampfkraftprozessen immer einen deutlichen Kostenvorteil auf, so dass die Nischenanwendung
von Ljungström-Dampfturbinen als Spitzenlastmaschinen in der Kraftwerkstechnik nicht
mehr weiter verfolgt worden ist.
Radialturbinen wurden um 1950 auch als Vorschaltturbinen für die Verarbeitung von
Dampf bei hohen Frischdampfparametern eingesetzt. Zu dieser Zeit stellten die Druckund Temperaturbeanspruchungen ernste Probleme für die Konstruktion und Fertigung
von größeren Gehäusen dar. Man entschied sich daher in Einzelfällen für die kompakte Radialbauweise. Neben der einfachen Ljungström-Turbine mit ihrer einen Hauptströmungsrichtung wurden auch kompliziertere Strömungsführungen von außen nach innen
und dann wieder nach außen usw. gewählt. In Abb. 2.44 ist eine Vorschaltturbine aus dem
Jahre 1951 für hohe Dampftemperaturen gezeigt. Es handelt sich hierbei um eine Vorschaltturbine einer größeren Industrieanlage, bei der ein für die damalige Zeit sehr hoher
Frischdampfzustand von 146 bar und 600 ı C verarbeitet wurde. Die Strömungsführung
folgt hierbei einer W-Form. Die einzelnen Stufengruppen sind nach Art der LjungströmTurbine ausgeführt. Das Gehäuse der in Abb. 2.44 gezeigten Vorschaltturbine ist als Topfgehäuse konstruiert. Das Topfgehäuse hat gegenüber der axialen Trennung den Vorteil,
dass die Flansche geringer beansprucht werden und dass deshalb auf eine übergroße Mas-
76
M. Neef und S. aus der Wiesche
Abb. 2.44 Schnitt durch
die Radial-Turbine „Leverkusen 2“ von 1951 in einem
Topfgehäuse für hohe Frischdampfzustände mit 146 bar und
600 ı C (Bauart Siemens AG)
senanhäufung an der Teilfuge verzichtet werden kann. Später wurden Topfgehäuse auch
für größere axiale Hochdruck-Turbinen ausführbar, so dass die Notwendigkeit, eine radiale Bauweise zu wählen, entfiel. Eine weitere Diskussion der Gehäusebauformen findet
sich in Kap. 10.
Wegen der damaligen fertigungstechnischen Beschränkungen konnten für hohe Frischdampfparameter nur mit großer Mühe konventionelle Axialturbinen gebaut werden. Durch
die weiteren Fortschritte im Dampfturbinenbau wurde die Wahl von Radialturbinen für
den Hochdruckteil unnötig. Ein Beispiel für einen älteren Dampfturbosatz aus den 1930erJahren mit einer Hochdruckturbine, die noch in Radialbauweise ausgeführt wurde, zeigt
Abb. 2.45. Bei dieser Ausführung handelt es sich um einen Dampfturbosatz von 50 MW
Nennleistung und 3000 min1 . Die Mitteldruck- und Niederdruckteile sind in einer klassischen axialen Trommelbauweise ausgeführt. Aus heutiger Sicht wäre alleine schon eine
mehrgehäusige Bauweise bei einer Leistung von 50 MW ungewöhnlich.
Aufgrund der erhöhten Bauaufwände ergeben sich mehrere gravierende Nachteile für
gegenläufige Turbinen. Zum einen werden zwei Generatoren für die Mehrwellenturbinen
benötigt. Dies ist auch zur Synchronisation der beiden gegenläufigen Wellen erforderlich. Liegt kein Verbundnetz mit einer zwingenden Frequenz vor, so bereiten die beiden
unabhängigen Wellen betriebliche Schwierigkeiten. Verzichtet man auf die gegenläufige
Ausführung und wählt man eine einläufige Variante, dann reduziert sich der Bauaufwand
für die Stufen nur unwesentlich, aber die Kompaktheit des Konzeptes geht verloren. Insgesamt lassen sich radiale Stufen bzw. Beschaufelungen nur bis zu einer gewissen Grenze
aufgrund der Fliehkraftbelastungen und der Biegebeanspruchungen realisieren. Für lange Schaufeln wären die Biegeverformungen zu hoch. Konstruktiv können die Schaufeln
dann nur noch unter Verwendung von zusätzlich stützenden Bindeelementen verwendet
2
Aufbau und Wirkungsweise von Dampfturbinen
77
Abb. 2.45 Schnitt durch einen älteren Dampfturbosatz von 50 MW mit einer Hochdruckturbine in
Radialbauweise mit Topfgehäuse (Bauart Siemens AG)
werden. Dies schränkt die maximal zulässige Größe der Laufscheiben ein. Zudem kann
keine Gleichdruckbeschaufelung verwendet werden, so dass Ljungström-Turbinen immer
nach Art der klassischen Überdruckbauweise mit symmetrischen Schaufeln ausgeführt
worden sind. Bei großen Leistungen müssen axiale Endstufen verwendet werden, was die
Vorteile der Radialbauweise aufhebt. Es ist daher eher fraglich, ob es in Zukunft noch zu
einer Wiederbelebung der Ljungström-Turbinen kommt. In ihrer Hochphase (um 1950)
wurden Radialturbinen von mehreren Firmen, darunter Stal-Laval, MAN, Rush und Siemens, hergestellt.
2.6 Vergleich der Dampfturbine mit anderen Strömungsmaschinen
Grundsätzlich stehen Dampfturbinen immer in einem Wettbewerb mit anderen Kraftmaschinen. Am Markt setzt sich die der Anwendung besser angepasste Art immer durch, so
dass es instruktiv ist, die Dampfturbine mit anderen Strömungsmaschinen zu vergleichen.
Dieser Vergleich ist immer nur eine Momentaufnahme. In der Vergangenheit haben sich
die Gewichte zwischen den Kraftmaschinen immer wieder verschoben. Veränderungen
sind auch für die Zukunft zu erwarten, doch lassen sich auf Basis der zugrundeliegenden
physikalischen Mechanismen einige allgemein gültige Aussagen treffen.
2.6.1 Peripherie und Nebenkomponenten
Dampfturbinen sind immer nur Teil eines übergeordneten Dampfkraftprozesses. Dieser
benötigt, wie Abb. 2.5 zeigt, immer den Einsatz von relativ aufwendigen Komponenten,
78
M. Neef und S. aus der Wiesche
wie Dampferzeuger (Kessel) oder Rückkühlwerke. Zudem muss ein hoher Aufwand in
der Bereitstellung des Speisewassers betrieben werden.
Im Gegensatz hierzu beinhalten Gasturbinen praktisch den gesamten Kreisprozess und
können daher mit einem Minimum an Investitionskosten und Bauaufwand betrieben werden [SAR2015]. Allerdings sind Gasturbinen auf relativ hochwertige Brennstoffe angewiesen, so dass die Kosten für Gasturbinenkraftwerke maßgeblich von den Brennstoffpreisen bestimmt werden.
Wasserkraftwerke, also hydraulische Turbinen, kommen ebenso ohne Nebenkomponenten aus, können aber im größeren Maßstab nur unter Inkaufnahme von gravierenden
Umwelteingriffen (Stausee) betrieben werden. Die Nutzung von Wasserkraftwerken ist
zudem auf geographisch vorgegebene Standorte beschränkt.
2.6.2
Thermodynamisches Gefälle und Leistungsdichte
Hinsichtlich der Leistungsdichte unterscheiden sich die Strömungsmaschinen sehr stark,
was direkt mit dem jeweils nutzbaren thermodynamischen Gefälle zusammenhängt. Die
allgemeine Energiebilanz für einen Fließprozess lautet ohne Zu- oder Abfuhr von Wärme
1
1
h1 C c12 C g z1 D h2 C c22 C g z2 :
2
2
(2.4)
Bei thermischen Turbomaschinen dominiert der thermische Energiebeitrag, der über die
spezifische Enthalpie h ausgedrückt wird. Wegen der höheren Strömungsgeschwindigkeiten c müssen bei einer genauen Betrachtung die kinetischen Energiebeiträge berücksichtigt werden. Bei thermischen Turbomaschinen können die potentiellen Energiebeiträge gz
vernachlässigt werden. Sie sind für Wasserkraftwerke wichtig. Bei Windkraftanlagen sind
nur die kinetischen Energien relevant. Nimmt man typische Werte für die thermischen,
kinetischen und potentiellen Energiebeiträge an, so ergeben sich die in Tab. 2.2 aufgeführten Anhaltswerte für die nutzbaren Gefälle der verschiedenen Strömungsmaschinen.
Offensichtlich liegen die thermodynamischen Gefälle bei thermischen Turbomaschinen
um mehrere Größenordnungen über denen der hydraulischen Strömungsmaschinen. Moderne Dampfkraftanlagen, die mit extrem hohen Frischdampfparametern und niedrigen
Kondensatordrücken arbeiten, gestatten sogar noch höhere Werte. Auf Seiten der Gasturbinen sind die Gefälle durch die maximalen Turbineneintrittstemperaturen begrenzt. Diese
liegen heute in der Größenordnung um 1500 ı C mit nur noch geringen Steigerungsmöglichkeiten.
Die Leistung einer Strömungsmaschine kann vereinfacht unter Berücksichtigung des
thermodynamischen Gefälles, des Wirkungsgrads und des Massendurchsatzes mit Hilfe
von
P D m
P h
(2.5)
2
Aufbau und Wirkungsweise von Dampfturbinen
79
Tab. 2.2 Nutzbare thermodynamische Gefälle für Strömungskraftmaschinen
Strömungsmaschine
Dampfturbine
Gasturbine
Wasserkraftwerk
Windkraftanlage
Gefälle h [kJ/kg]
1000 bis 1500
500 bis 900
0,1 bis 20
0,2
Bemerkung
Wärmegefälle bei hohen Frischdampfzuständen
Wärmegefälle bei modernen Gasturbinen
Entspricht Höhenunterschied, Höchstwert
mit Pelton-Turbine unter Ausnutzung von
rund 2000 m Höhenunterschied
Entspricht typischen Windströmungen
Tab. 2.3 Typische Leistungen von einzelnen Strömungskraftmaschinen auf einer Welle
Strömungsmaschine
Dampfturbine
Gasturbine
Wasserkraftwerk
Windkraftanlage
Leistung [MW]
Bis knapp 2000
Bis etwa 500
Bis 800
1 bis etwa 10
Bemerkung
Turbosätze für Großkraftwerke
Gasturbinen in Schwerbauweise
Großausführung
Großausführung
ermittelt werden. Der Massenstrom hängt mit der Fläche A und der Dichte des Arbeitsfluids und der Strömungsgeschwindigkeit c
m
P D Ac
(2.6)
zusammen. Um große Leistungen zu erzielen, gibt es daher die Möglichkeit, hohe thermodynamische Gefälle und/oder große Durchsätze zu verarbeiten.
Typische Werte für Leistungen von Strömungsmaschinen sind in Tab. 2.3 aufgeführt.
Die größten Leistungen lassen sich mit Dampfturbosätzen für Großkraftwerke erzielen.
Im Bereich von Kernkraftwerken sind Leistungen um 1300 MW typisch. Bei fossil befeuerten Dampfkraftwerken ergibt sich aus wirtschaftlichen Gründen eine Grenze von rund
800 bis 1000 MW. Die modernen Gasturbinen in Schwerbauweise können Nutzleistungen bis knapp 500 MW im einfachen Betrieb abgeben. Durch Kombination mit einem
Dampfkraftprozess lassen sich insgesamt mehr als 600 MW erzielen. Bei den hydraulischen Turbinen der Wasserkraftwerke ergeben sich die hohen Leistungen aufgrund der
großen Massendurchsätze wegen der hohen Dichte des Wassers. Im Falle von Windkraftanlagen können Leistungen bis einige MW durch Anlagen mit sehr langen Rotorblättern
erzeugt werden. Hier ist noch mit einem weiteren, moderaten Fortschritt zu rechnen.
Als zukünftige praktikable Grenze kann derzeit rund 10 MW für Windkraftanlagen abgeschätzt werden.
2.6.3 Dampf- und Gasturbinen
Anhand der in den obigen Tabellen aufgeführten Werte kann eine gewisse Nähe von Gasund Dampfturbinen abgeleitet werden. Beide gehören zur Klasse der thermischen Turbo-
80
a
M. Neef und S. aus der Wiesche
b
Abb. 2.46 Zweigehäusige, einwellige Gasturbinenanlage in Schwerbauweise aus dem Jahre 1965
mit 65 MW Nutzleistung. a Verdichter, b Turbine (Bauart Siemens AG)
maschinen und fallen durch ihre große Leistungsdichte auf. Die wechselseitige Beziehung
zwischen diesen beiden Strömungsmaschinen ist historisch gesehen ebenfalls von Interesse und sagt viel über die in rund hundert Jahren erzielten technologischen Fortschritte
und Veränderungen am Markt aus.
Ähnlich wie die Dampfturbine lässt sich die Idee einer Gasturbine zwar auch weit zurückverfolgen, aber die ersten erfolgreichen Gasturbinen moderner Bauweise wurden erst
1939, also deutlich später als die Dampfturbinen, realisiert [LEC2010]. Bereits im ersten
Jahr teilte sich die weitere Entwicklung der Gasturbine in zwei unterschiedliche Zweige
auf, nämlich die der Flugantriebe und die der stationären Anlagen in Schwerbauweise. Die
ersten Gasturbinen in Schwerbauweise wurden direkt von den damals bereits ausgereiften
Dampfturbinenkonstruktionen abgeleitet. Dieser Konstruktionsansatz wurde bis weit in
die 1970er-Jahre noch bei vielen Herstellern angewandt. Ein Beispiel für eine solche, direkt von Dampfturbinen abgeleitete Gasturbine mit zwei Gehäusen und aus heutiger Sicht
sehr vielen Turbinenstufen zeigt Abb. 2.46.
Bei den viel leichteren, dezentralen Flugantrieben musste von Anfang an ein von
Dampfturbinen unabhängiger Konstruktionsansatz gewählt werden. Die Gasturbinen in
Schwerbauweise wurden von den europäischen Herstellern bevorzugt mit außerhalb
der Wellenachse liegenden separaten Brennkammern, sog. Silo-Brennkammern versehen. Da bei den früheren Gasturbinen in Schwerbauweise auf Kühlungstechnologien
nicht zurückgegriffen werden konnte, lagen die maximal zulässigen Gasturbineneintrittstemperaturen im Bereich von 650 bis 850 ı C. Die thermischen Wirkungsgrade der
zugehörigen Gasturbinenprozesse lagen mit 15 bis 25 % deutlich unter denen der damaligen Dampfkraftwerke. Es verwundert daher nicht, dass man noch Mitte der 1970er-Jahre
in weitverbreiteten Lehrbüchern Aussagen, wie „die Gasturbine allein zu betrachten
ist wenig sinnvoll“ [DIE1974], finden konnte. Der Einsatzbereich der Gasturbinen im
Kraftwerksbereich beschränkte sich auf Anlagen zur Spitzenlastabdeckung oder als
Kraftmaschine für Sonderanwendungen bzw. in kleinen Inselnetzen.
2
Aufbau und Wirkungsweise von Dampfturbinen
81
Abb. 2.47 Moderne Gasturbine in Schwerbauweise mit
rund 450 MW Nutzleistung im
einfachen Prozess (Werkbild
Siemens AG)
Diese Situation änderte sich massiv in den 1990er-Jahren, wo große Fortschritte im
Bereich der Gasturbinen erzielt wurden. In diese Zeit fällt zwar auch eine „unbemerkte“ Revolution des Dampfturbinenbaus, aber der Entwicklungssprung bei Gasturbinen fiel
noch deutlicher aus. Dies lag vor allem an der Einführung von effizienten Kühltechnologien und modernen Auslegungsverfahren für Verdichter- und Turbinenbeschaufelungen, die
aus dem Gebiet der Flugantriebe übernommen worden sind. In gewisser Weise ist es daher berechtigt zu sagen, dass der Fortschritt in den zivilen Gasturbinen maßgeblich über
die Militärhaushalte subventioniert worden ist [DOL2001]. Die Hersteller ohne eigene
Geschäftsaktivitäten im Bereich der Militärflugtriebwerke mussten in dieser Zeit Kooperationen und Partnerschaften mit einschlägigen Firmen schließen.
In dieser Zeit kam es zu einem in der Öffentlichkeit in der Form nicht wahrgenommenen Wissens- und Technologietransfer. Gleichzeit veränderte sich der Energiemarkt durch
Deregulierungen, verschärfte Umweltanforderungen und ein neues Investitionsverhalten,
was den Bau von Dampfkraftwerken wirtschaftlich unter Druck setzte. Da die Gasturbinenindustrie leistungsstarke und effiziente Anlagen anbieten konnte, kam es in dieser Zeit
zu einer bis heute anhalten Verschiebung des Marktes. In Abb. 2.47 ist eine moderne Gasturbine in Schwerbaueise abgebildet, die fast 450 MW Nutzleistung im einfachen Prozess
bei einem thermischen Wirkungsgrad von über 40 % abgeben kann.
In Tab. 2.4 sind die beiden Turbomaschinen bzw. die zugrundeliegenden Großkraftwerksprozesse miteinander verglichen. Beide Anlagentypen werden für Betriebszeiten
im Bereich von über 150.000 Betriebsstunden ausgelegt. Man kann in Tab. 2.4 die Vorund Nachteile der beiden Kraftmaschinen ablesen. Aus thermodynamischer Sicht (siehe
Kap. 3) liegt ein großer Vorteil des Dampfkraftprozesses in den niedrigen Kondensatortemperaturen. Bei der Gasturbine im einfachen Prozess fallen hingegen hohe Abgasverluste an. Umgekehrt ist die relativ hohe Temperatur bei der Wärmezufuhr in der Gasturbi-
82
M. Neef und S. aus der Wiesche
Tab. 2.4 Vergleich von modernen Dampf- und Gasturbinen für den Kraftwerksbetrieb bzw. der
zugehörigen Kraftwerksprozessen
Max. Druck des Arbeitsfluids
Max. Temperatur des Arbeitsfluids
Enddruck
Endtemperaturniveau
Anzahl Turbinenstufen
Gehäuseanzahl
Leistung
Thermischer Wirkungsgrad
Brennstoffkosten (qualitativ)
Spez. Investitionskosten (qualitativ)
Einheit
bar
ı
C
bar
ı
C
–
–
MW
%
–
–
Dampfturbine
200 bis ca. 300
530 bis 630
(bis) 0,03
20
20 bis 40
2 bis 6 (HD, MD, ND)
500 bis 1000
40 bis 48 (DKW-Prozess)
Niedrig
Hoch
Gasturbine
20 (Sondertyp bis 40)
1000 bis 1500
1,0
500 bis 650
4 bis 5
1
200 bis 550
40 (einfacher Prozess)
Hoch
Gering
Abb. 2.48 Entwicklung von maximalen Kraftwerkswirkungsgraden mit Entwicklungssprüngen
durch Einführung von Prozessverbesserungen (nach Angaben von Siemens AG)
ne thermodynamisch ein Vorteil, wohingegen bei einem Dampfkraftprozess nur deutlich
niedrigere Frischdampftemperaturen realisiert werden können. In ihrer Verbindung als
kombiniertes Gas- und Dampfkraftwerk ergibt sich eine Prozessführung mit den höchsten
Wirkungsgraden (über 60 %). In dieser Kombination ergänzen sich die Vor- und Nachteile
der beiden Einzelprozesse (siehe Kap. 15). Die meisten Gasturbinen großer Leistung werden daher in kombinierten Prozessen betrieben. Der Dampfturbinenmarkt hat sich stark
zugunsten der kombinierten Kraftwerksprozesse verschoben, was schon in Kap. 1 anhand
von Wirtschaftsdaten diskutiert worden ist.
Literatur
83
Abb. 2.48 zeigt einen Überblick über die Entwicklung von maximalen Kraftwerkswirkungsgraden für Großkraftwerke, bei denen Dampfturbinen zum Einsatz kommen, für
die vergangenen Jahrzehnte. Durch die Einführung der regenerativen Speisewasservorwärmung (Kap. 3) konnten um 1920 die Wirkungsgrade der Dampfkraftwerke signifikant erhöht werden. Ähnliche Verbesserungen wurden durch die Einführung von höheren Frischdampfparametern sowie durch die Zwischenüberhitzung des Dampfes erzielt.
Seit den 1960er-Jahren traten Kernkraftwerke als besondere Form von Dampfkraftwerken
(Kap. 16) hinzu. Seit den 1990er-Jahren setzten sich kombinierte Gas- und Dampfkraftwerke am Markt immer mehr durch. Trotz der Zunahme der Bedeutung von Gasturbinen
bleibt die Dampfturbine noch auf absehbare Zeit eine unverzichtbare Kraftmaschine für
die Stromversorgung und als Antrieb für viele Industriezweige. Technologisch entwickelt
sich die Dampfturbine ebenfalls weiter, wobei speziell die Anpassungen an veränderte
Marktanforderungen, wie erhöhter Teillastbetrieb oder rasche Anfahrzeiten heute im Vordergrund stehen.
Literatur
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3
Thermodynamik der Dampfkraftprozesse
Stefan aus der Wiesche
Dampfturbinen sind immer Teil von übergeordneten Wärmekraftanlagen, bei denen Wasser als Arbeitsfluid in einem geschlossenen Kreisprozess eingesetzt wird. Generell kann
die Auslegung von Dampfturbinen nicht ohne eine detaillierte Betrachtung des thermodynamischen Gesamtprozesses erfolgen. In diesem Kapitel werden die erforderlichen thermodynamischen Grundlagen der Dampfkraftprozesse behandelt. Hierfür wird zunächst
der einfache Clausius-Rankine-Prozess als elementarer Vergleichsprozess für Dampfkraftanlagen vorgestellt. Bereits an diesem einfachen Kreisprozess lassen sich wesentliche
Zusammenhänge, die auch für komplexere Anlagen gelten, erklären. Da bei der Analyse
der Kreisprozesse und für die Auslegung der Turbinen eine genaue Kenntnis des thermodynamischen Verhaltens von Wasser bzw. Wasserdampf unerlässlich ist, werden in diesem
Kapitel ebenfalls entsprechenden Grundlagen kurz diskutiert. Hierbei zeigt sich, dass das
Konzept des idealen Dampfes noch immer für das Verständnis der strömungstechnischen
Verhältnisse bei Turbinen hilfreich ist. Im Anschluss an diese allgemeinen Grundlagen
werden geeignete thermodynamische Maßnahmen zur Erhöhung des thermischen Wirkungsgrads von Dampfkraftprozessen vorgestellt. Vor allem die exergetische Analyse ist
geeignet, ein korrektes Bild von den Verbesserungspotentialen der Kreisprozesse zu gewinnen. Vor diesem Hintergrund können dann repräsentative Beispiele von ausgewählten
Dampfkraftprozessen diskutiert werden.
3.1 Geschlossene Kreisprozesse für Wärmekraftanlagen
Bei einem geschlossenen Kreisprozess durchläuft ein Arbeitsfluid eine Folge von thermodynamischen Zustandsänderungen, bei denen es in seinen Anfangszustand immer wieder
zurückkehrt. Bei den einzelnen Zustandsänderungen von den Zuständen i nach k treten in
S. aus der Wiesche ()
Fachhochschule Münster
Steinfurt, Deutschland
E-Mail: wiesche@fh-muenster.de
© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2018
S. aus der Wiesche, F. Joos (Hrsg.), Handbuch Dampfturbinen,
https://doi.org/10.1007/978-3-658-20630-7_3
85
86
S. aus der Wiesche
der Regel Wärmeströme auf. Im Falle eines Überschusses der Wärmeströme resultiert aus
dem Kreisprozess eine abgegebene Nutzleistung P , die man aufgrund des 1. Hauptsatzes der Thermodynamik aus der Bilanzgleichung
X
X
ˇ
ˇ
(3.1)
QP ik D QP zu ˇQP ab ˇ
P D
Pik D
erhält [BAE1996]. In diesem Fall bildet der Kreisprozess die thermodynamische Grundlage der entsprechenden Wärmekraftmaschine. Der Begriff Wärmekraftanlage umfasst die
noch zum Betrieb der Wärmekraftmaschine notwendigen Komponenten und Einrichtungen. Häufig wird dieser Begriff auf stationäre Einrichtungen bezogen, bei großtechnischen
Ausführungen spricht man auch von thermischen Kraftwerken [THO1985].
Durch Bezug der Nutzleistung (P ) auf den Massenstrom m
P des Arbeitsfluids wird
die spezifische technische Nutzarbeit
X
X
P D
wtik D
qik
(3.2)
wt D P =m
des Kreisprozesses eingeführt. Es gilt hierbei für die Teiländerungen (siehe beispielsweise [BAE1996])
1 2
(3.3)
ck ci2 C g .zk zi /
wtik D yik C jik C
2
mit der spezifischen Strömungsarbeit
Zk
yik D
v dp
(3.4)
i
und der spezifischen Dissipationsenergie jik für die Zustandsänderung von i nach k. Bemerkenswerterweise enthält der Ausdruck Gl. 3.3 keine kalorischen Größen, wie spezifische Wärmemengen qik oder Enthalpiedifferenzen hk hi . Bei thermischen Kraftanlagen
wird der Beitrag der potentiellen Energie in Gl. 3.3 in der Regel vernachlässigt. Bei
höheren Strömungsgeschwindigkeiten c müssen die kinetischen Energiebeiträge bei den
Teilprozessen berücksichtigt werden. Über den gesamten Kreisprozess bilanziert, heben
sie sich diese auf, so dass man für die spezifische technische Arbeit des Kreisprozesses
die Bilanzgleichung
I
X
X
yik C
jik D v dp C j
(3.5)
wt D
erhält. Aufgrund der Beziehung
I
T ds D
X
qik C
X
jik
(3.6)
kann man alternativ zu Gl. 3.5 für die spezifische technische Arbeit des Kreisprozesses
I
auch
(3.7)
wt D T ds C j
3
Thermodynamik der Dampfkraftprozesse
87
Abb. 3.1 Rechtsläufiger Kreisprozess im p,v-Diagramm (a) und im T,s-Diagramm (b)
schreiben. Trägt man den Kreisprozess graphisch in einem p,v- bzw. T,s-Diagramm als geschlossenen Kurvenzug dar, was in Abb. 3.1 dargestellt ist, dann bedeuten Gl. 3.5 und 3.7,
dass die Beträge der eingeschlossenen Flächen (d. h. die Rundintegrale) stets größer sind
als die gewonnene Nutzarbeit.
Nur für den reversiblen Kreisprozess mit j D 0 stellt die eingeschlossene Fläche direkt
die Nutzarbeit dar. Aufgrund der Vorzeichenkonvention handelt es sich bei Wärmekraftmaschinen um rechtsläufige Kreisprozesse. Bezeichnen bei einem Kreisprozess qzu und
qab die zu- und abgeführten spezifischen Wärmemengen, so ergibt sich nach dem 1. Hauptsatz der Thermodynamik der thermische Wirkungsgrad
th D 1 jqab j
:
jqzu j
(3.8)
Aus dem 2. Hauptsatz kann mathematisch aufgrund des Mittelwertsatzes stets eine Beziehung
Z
qD
T ds D Tm s
(3.9)
mit einer bestimmten Mitteltemperatur Tm der Wärmemengenänderung erhalten werden.
Wendet man dies an, so folgt aus Gl. 3.8 unmittelbar
th D 1 Tm;ab jsab j
:
Tm;zu jszu j
(3.10)
Gl. 3.10 zeigt, dass für den thermischen Wirkungsgrad eines Kreisprozesses das Verhältnis
Tm;ab =Tm;zu der mittleren Temperaturen, bei denen die Wärme ab- bzw. zugeführt wird,
maßgeblich ist. Der Vorteil von möglichst hohen oberen mittleren Temperaturen Tm;zu
sowie eines niedrigen Niveaus Tm;ab für eine Wärmekraftmaschine ist somit eine direkte
Folge des 2. Hauptsatzes.
88
S. aus der Wiesche
Unter den Kreisprozessen spielt der sog. Carnot-Prozess eine besondere Rolle, da er
als thermodynamisches Ideal den höchsten thermischen Wirkungsgrad
th D
wtrev
T0
D1
D C .T0 =T /;
qzu
T
(3.11)
der nur vom Verhältnis der oberen Prozesstemperatur T und der unteren Prozesstemperatur T0 abhängt, aufweist. Eine theoretische Realisierung des Carnot-Prozesses besteht aus
zwei isothermen und zwei isentropen Zustandsänderungen, die auf eine Rechteckfläche im
T,s-Diagramm führen. Eine direkte praktische Bedeutung besitzt der Carnot-Prozess nicht,
aber er zeigt an, dass bei der Auslegung von thermischen Kraftanlagen eine möglichst
hohe Temperatur T der Wärmezufuhr sowie eine möglichst niedrige Temperatur der Wärmeabfuhr (T0 ) thermodynamisch günstig sind. Weiterhin drückt er formal die nach dem
2. Hauptsatz der Thermodynamik resultierende grundsätzliche Beschränkung des thermischen Wirkungsgrades aller Wärmekraftanlagen aus. Für reale Kreisprozesse ergeben sich
aufgrund der unvermeidbaren Irreversibilitäten allerdings wesentlich geringere thermische
Wirkungsgrade. Auch ist zu beachten, dass die prozessbedingte Wärmezufuhr und Abfuhr
nicht vollständig isotherm – wie beim Carnot-Prozess angenommen – erfolgen kann.
3.2 Einfacher Clausius-Rankine-Prozess
Mit Gasen können die für den Carnot-Prozess erforderlichen isothermen Zustandsänderungen praktisch nicht realisiert werden, aber unter Einbeziehung von Verdampfungs- und
Kondensationsprozessen lassen sich diese für geeignete Arbeitsfluid zumindest teilweise
annähern. Genau dies ist die Grundidee des sog. einfachen Clausius-Rankine-Prozesses,
bei dem unter Berücksichtigung des Zweiphasengebietes die Wärmeabfuhr in einem
Kondensator nahezu isotherm erfolgen kann. Der zugehörige Wärmeschaltplan dieses
Kreisprozesses ist in Abb. 3.2 dargestellt. Das Arbeitsfluid wird durch die Kondensatund Kesselspeisepumpe nach Austritt aus dem Kondensator auf das gewünschte obere Druckniveau gefördert. Im einfachen Idealprozess tritt es mit diesem Druck in den
Dampferzeuger ein und wird dort isobar erwärmt, verdampft und überhitzt. Der überhitzte Dampf wird zur Turbine geleitet und dort adiabat entspannt, wodurch die Nutzarbeit
Abb. 3.2 Wärmeschaltplan
des einfachen ClausiusRankine-Prozesses
3
Thermodynamik der Dampfkraftprozesse
89
Abb. 3.3 Verlauf des einfachen Clausius-Rankine-Prozesses im T,s-Diagramm. a Unterkritischer
Dampfkraftprozess b Sattdampfprozess c Überkritischer Dampfkraftprozess
bzw. die Turbinenleistung resultiert. Anschließend wird der Abdampf im Kondensator niedergeschlagen und der Kreisprozess ist geschlossen. Neben den Komponenten
für den einfachen Clausius-Rankine-Prozess sind in Abb. 3.2 auch relevante Zustandspunkte eingetragen, die in Abb. 3.3 in der schematischen Darstellung des Prozesses im
T,s-Diagramm angegeben sind. Liegt das obere Druckniveau p2 unter dem kritischen
Druck pcr des Arbeitsfluids, so spricht man von unterkritischen Prozessen, bei denen eine
ausgeprägte Verdampfung mit isothermer Wärmezufuhr stattfindet. Wird der gesättigte
Dampf nach Austritt aus dem Verdampfer überhitzt, so ergibt sich ein Heißdampfprozess.
Verzichtet man auf die Überhitzung, so resultiert ein Sattdampfprozess. Liegt das obere
Druckniveau über dem kritischen Druck, so spricht man von überkritischen Prozessen,
bei denen ein stetiger Übergang von der flüssigen in die dampfförmige Phase auftritt.
Für reversible Zustandsänderungen in Turbinen und Pumpen würden die mit dem Index s gekennzeichneten isentropen Zustandspunkte angenommen. In der Realität führen
die Reibungsverluste in den Strömungsmaschinen zu Entropieerhöhungen. Für Wasser
würden bei einer maßstäblichen Darstellung die Punkte 0 und 1 bzw. 1 s zeichnerisch
praktisch zusammenfallen.
Der Clausius-Rankine-Prozess kann prinzipiell mit vielen Stoffen als Arbeitsfluid realisiert werden. Für großtechnische Anwendungen hat sich allerdings in der Praxis nur
Wasser durchsetzen können. Der Grund für diese Bevorzugung von Wasser als Arbeitsfluid ist in den besonderen thermodynamischen Eigenschaften sowie in der Tatsache, dass
Wasser ein preiswerter und absolut ungefährlicher Stoff ist, begründet. Für Anlagen kleinerer Leistung werden auch organische Fluide eingesetzt, was auf sog. ORC-Anlagen
(ORC: Organic Rankine Cycle) führt. Bei der Wahl von organischen Arbeitsfluiden werden in der Regel relativ niedrige Temperaturniveaus ausgenutzt, was beispielsweise für
Abwärmenutzung oder solarthermische Anwendungen interessant ist [PAT1983]. In der
Vergangenheit wurden nach einem frühen Vorschlag zwischen 1917 bis 1948 insgesamt
auch sieben Anlagen mit Quecksilber als Arbeitsfluid gebaut, deren letzte noch bis 1968
betrieben wurde [WAR1966]. Die Wahl dieses Arbeitsfluids für hohe Temperaturen bei
niedrigen Dampfdrücken erwies sich allerdings als technisch und wirtschaftlich nicht
90
S. aus der Wiesche
beherrschbar [STR2009]. Ebenso wenig konnte sich bislang ein kombinierter DampfkraftProzess mit Kalium als Arbeitsfluid etablieren [LOJ1989]. Im Weiteren werden daher in
diesem Buch nur noch Prozesse und Turbinen mit Wasser als Arbeitsfluid betrachtet. Im
Englischen unterscheidet man diesbezüglich auch sprachlich streng zwischen „steam turbines“ (mit Wasserdampf als Arbeitsfluid) und den übrigen Dampfkraftturbinen („vapor“
bzw. „vapour turbines“). Diese sprachliche Unterscheidung ist insofern glücklich, weil
sich das strömungstechnisch-thermodynamische Verhalten von ORC-Turbinen aufgrund
des besonderen Stoffverhaltens der organischen Arbeitsfluide signifikant von konventionellen Dampfturbinen unterscheidet [MAC2017].
Bei der vereinfachten thermodynamischen Analyse des Clausius-Rankine-Prozesses
werden üblicherweise die kinetischen Energiebeiträge bei den Zustandsänderungen vernachlässigt und man kann die relevanten Zustandsänderungen mit Hilfe der spezifischen
Enthalpie h formulieren. So findet man mit den Bezeichnungen aus Abb. 3.3 für die zugeführte spezifische Wärmemenge
(3.12)
qzu D h2 h1
und für die spezifische Turbinenarbeit
jwT j D h2 h3 ;
(3.13)
was vereinfachend auf den thermischen Wirkungsgrad
th D
h2 h3
jwT j
D
qzu
h2 h1
(3.14)
für den einfachen Clausius-Rankine-Prozess führt. Bei Vergleich mit den Darstellungen
der meisten Lehrbücher der Thermodynamik (z. B. [BAE1996]) fällt auf, dass in Gl. 3.14
der Anteil der Speisewasserpumpe wP D h1 h0 bei der Ermittlung des thermischen
Wirkungsgrades vernachlässigt wurde. Dies kann mit dem bei Dampfkraftprozessen auftretenden enormen Unterschied zwischen Turbinen- und Pumpenarbeit begründet werden.
Weiterhin wird in der Kraftwerkstechnik üblicherweise der Aufwand für die Speisewasserpumpe mit den übrigen Aufwänden für die erforderlichen Anlagenkomponenten (z. B.
Förderbänder, Kohlemühlen, Gebläse) integral zum Eigenbedarf zusammengezählt und
durch einen entsprechenden Eigenbedarfsfaktor E bei der Ermittlung des Kraftwerkswirkungsgrades berücksichtigt [STR2009, TER2001].
Bei einer idealen verlustfreien Turbine würde die Expansion isentrop verlaufen, was
in Abb. 3.4 anhand des gestrichelten Verlaufs vom Frischdampfzustand 2 auf den isentropen Entspannungspunkt 3 s im h,s-Diagramm schematisch dargestellt ist. Die tatsächliche
Entspannung in der Turbine verläuft von 2 nach 3. Das Verhältnis
sT D
h2 h3
h23
D
h2 h3s
h23s
(3.15)
3
Thermodynamik der Dampfkraftprozesse
91
Abb. 3.4 Zustandsänderungen beim einfachen
Clausius-Rankine-Prozess
im h,s-Diagramm
zwischen dem tatsächlichen und dem isentropen Enthalpiegefälle wird auch als isentroper
Turbinenwirkungsgrad bezeichnet. Dieser lag bei den frühen Dampfturbinen im Bereich
von rund 60 % und erreicht bei modernen Kraftwerksdampfturbinen heute Werte von über
90 % (siehe Kap. 14).
Mit Blick auf den Carnot-Prozess weist der Clausius-Rankine-Prozess den Vorteil einer
isothermen Wärmeabfuhr bei der Kondensation auf. Bei der Wärmeabfuhr im Kondensator wird real aufgrund der endlichen Wärmeübertragung eine geringe Temperaturdifferenz
T D T0 Tu zwischen der Kondensattemperatur T0 und der äußeren Umgebungstemperatur Tu auftreten. Im Gegensatz zum Carnot-Prozess findet allerdings beim ClausiusRankine-Prozess die Wärmezufuhr nicht vollständig isotherm statt, sondern es muss eine
geeignete thermodynamische Mitteltemperatur
Tm D
h2 h1
jq12 j
D
s2 s1
s2 s1
(3.16)
für die Wärmezufuhr eingeführt werden. Diese thermodynamische Mitteltemperatur kann
bei der Berechnung des zugehörigen Carnot-Faktors C D C .Tu =Tm ) verwendet werden.
Der so berechnete Wirkungsgrad entspricht dem thermischen Wirkungsgrad des idealen, reversiblen Clausius-Rankine-Prozesses. In Abb. 3.5 ist die Lage der thermodynamischen Mitteltemperatur Tm und der Prozesstemperaturen T1 und T2 schematisch im
T; s-Diagramm eingetragen. Man erkennt, dass aufgrund des Verlaufs der Isobaren und
des Zweiphasengebietes die thermodynamische Mitteltemperatur Tm deutlich unter der
maximalen Temperatur T2 des Frischdampfes für den in Abb. 3.5 abgebildeten Heißdampfprozess liegt. Dies stellt tatsächlich die Schwäche des einfachen Clausius-RankineProzesses aus thermodynamischer Sicht dar.
Aufgrund der üblicherweise nur moderaten Werte für die thermodynamische Mitteltemperatur der Wärmezufuhr bleibt der so erzielbare maximale thermische Wirkungsgrad
des einfachen Clausius-Rankine-Prozesses selbst bei Anheben der Maximaltemperatur
bzw. der Frischdampfparameter moderat und kann praktisch nur Werte von kaum über
92
S. aus der Wiesche
2
T2
K.P.
Temperatur T [K]
Abb. 3.5 Thermodynamische Mitteltemperatur der
Wärmezufuhr beim einfachen
Clausius-Rankine-Prozess
Tm
T1
T0
Tu
1
3
0
s1
s2
Spezifische Entropie s [J/(kg K)]
30 % erreichen. Andererseits besteht die große Stärke des Dampfkraftprozesses aus thermodynamischer Sicht darin, dass recht tiefe Temperaturen der Wärmeabfuhr realisierbar
sind. Bis auf die relativ geringe Temperaturdifferenz D T0 Tu der Wärmeübertragung
im Kondensator kann diese sehr nahe an die äußere Umgebungstemperatur bzw. auf die
Kühlmitteltemperatur Tu gebracht werden.
3.3 Thermodynamisches Verhalten in der Turbomaschine
Für die thermodynamische Analyse und Auslegung wird eine genaue Kenntnis des thermodynamischen Verhaltens des Arbeitsfluids in den Komponenten des Kreisprozesses
benötigt. Anstelle von Gl. 3.3 wird für die Diskussion von Strömungsmaschinen meist
die allgemeine Form
wt C q D h2 h1 C
1 2
c2 c12 C g .z2 z1 /
2
(3.17)
der Energiebilanz als Ausgangspunkt gewählt. Bei thermischen Turbomaschinen wird der
potentielle Energieanteil vernachlässigt und eine adiabate Zustandsänderung, d. h. q D 0,
angenommen. Man erhält dann die technische Arbeit direkt als Differenz
1 2
1 2
(3.18)
wt D h2 C c2 h1 C c1
2
2
der Totalenthalpien der Zustände 1 und 2. Gl. 3.18 kann auch auf den Leit- und Laufschaufelkranz separat angewendet werden. Im Falle der Zustandsänderung im Leitapparat
reduziert sich wegen wt D 0 die Energiebilanz Gl. 3.18 auf die Konstanz der Totalenthalpien.
Der Entspannungsverlauf in einer Turbine ist schematisch im h,s-Diagramm in
Abb. 3.6 gezeigt. Prinzipiell müssen die kinetischen Energiebeiträge bei der Analyse
3
Thermodynamik der Dampfkraftprozesse
93
Abb. 3.6 Schematischer Verlauf der Entspannung in einer
Turbine im h,s-Diagramm
der Zustandsänderung wie in Abb. 3.6 dargestellt, berücksichtigt werden, aber bei überschlägigen thermodynamischen Abschätzungen verzichtet man gelegentlich darauf. In
jedem Fall ist eine genaue Kenntnis der thermodynamischen Zustandsgrößen wie Enthalpie h, Druck p oder Temperatur T sowie des spezifischen Volumens v für die Auslegung
der Turbomaschine notwendig.
3.3.1 Bestimmung der Zustandsgrößen
Für die Bestimmung der thermodynamischen Zustandsgrößen wird für die hier betrachteten Dampfkraftprozesse und Dampfturbinen auf die bekannten Dampftafeln verwiesen [WAG2008]. In diesen findet man beispielsweise im Gebiet des überhitzten Dampfes
die Werte der spezifischen Enthalpie h der spezifischen Entropie s und des spezifischen
Volumens v als Funktion von Druck p und Temperatur T vertafelt. Für das Zweiphasengebiet sind die entsprechenden Sättigungszustände relevant. Da es bei den verschiedenen
Fassungen der Dampftafeln zu kleinen Abweichungen hinsichtlich der angegebenen Werte der Zustandsgrößen kommen kann, werden in der Kraftwerkstechnik immer vertraglich
die zu verwendenden Dampftafelformulierungen vereinbart. Für die Veranschaulichung
der Dampfkraftprozesse bieten sich entsprechende Diagramme, von den die T,s- und h,sDiagramme die wichtigsten sind, an. In Abb. 3.7 ist ein für Dampfturbinenprozesse relevanter Auszug aus dem h,s-Diagramm für Wasserdampf wiedergegeben.
Die Darstellung der Dampfkraftprozesse im p,v-Diagramm (Indikatordiagramm) ist
wegen des erheblichen Unterschiedes der spezifischen Volumina der flüssigen und der
dampfförmigen Phase sowie wegen der starken Volumenzunahme während der Expansion
maßstäblich nicht möglich. Diese Form der Darstellung findet man daher nur bei Skizzen, die prinzipielle Beziehungen illustrieren sollen. Für grundsätzliche Betrachtungen
und Gesamtprozessdarstellungen hat sich stattdessen das übersichtlichere T; s-Diagramm
bewährt. Mit einer akzeptablen zeichnerischen Genauigkeit lassen sich die Dampfturbinenprozesse maßstäblich in einem entsprechenden Ausschnitt des h; s-Diagrammes (siehe
94
S. aus der Wiesche
Abb. 3.7 h,s-Diagramm für Wasserdampf mit Angabe von Isobaren und Isothermen sowie Kurven gleichen Dampfgehaltes x (Auszug aus den VDI-Dampftafeln von E. Schmidt, Springer-Verlag
1969)
auch Abb. 3.7) darstellen. Heute sind neben diesen klassischen Hilfsmitteln auch leistungsstarke numerische Berechnungsprogramme für die Auswertung der Zustandsgleichungen allgemein verfügbar. Um die heutigen Genauigkeitsansprüche zu erfüllen, werden in der Praxis die Zustandsgrößen sowie die thermophysikalischen Stoffwerte und
Transportkoeffizienten, wie Viskosität und Wärmeleitfähigkeit, rechnergestützt ermittelt.
3
Thermodynamik der Dampfkraftprozesse
95
3.3.2 Idealer Dampf
Mit Blick auf die modernen rechnergestützten Verfahren hat das früher im Dampfturbinenbau weit verbreitete Konzept des idealen Dampfes zwar an praktischer Bedeutung
verloren, dennoch ist es geeignet, wesentliche strömungstechnische Zusammenhänge besonders bei der Stufenauslegung zu verdeutlichen [TRA1966]. Formal lässt sich mit Hilfe
des Kompressibilitätsfaktors Z, der wiederum eine Funktion der Zustandsgrößen ist, für
jeden Dampf eine thermische Zustandsgleichung
pv D ZRT
(3.19)
formulieren. Man kann den Kompressibilitätsfaktor Z auch als Maß für die Abweichung
vom Idealgasverhalten, für das streng Z D 1 gelten müsste, auffassen.
Ein Stoff wird dann als idealer Dampf bezeichnet, wenn neben der Erfüllung von
Gl. 3.19 für eine isentrope Zustandsänderung die bekannte Gleichung
pv D konstant
(3.20)
mit einem geeigneten Isentropenexponenten gilt und wenn der Kompressibilitätsfaktor
Z nur eine Funktion der Entropie s ist, d. h. wenn gilt
Z D Z.s/:
(3.21)
Die Erfüllung der Bedingungen Gl. 3.19 und 3.20 ist noch für eine relativ große Klasse
von Fluiden gegeben, aber Beziehung Gl. 3.21 wird wenn überhaupt nur von überhitztem
Wasserdampf und Ammoniak näherungsweise erfüllt. Nassdampf oder organische Stoffe
zeigen deutliche Abweichungen vom Idealdampfverhalten. Die Abhängigkeit des Kompressibilitätsfaktors Z als Funktion der Temperatur ist für einige Isobaren und Isentropen
in Abb. 3.8 für Wasser dargestellt. Die Bedingung Gl. 3.21 wird nach Abb. 3.8 näherungsweise für niedrige Drücke erfüllt.
Man erkennt in Abb. 3.8, dass überhitzter Wasserdampf zwar sehr stark vom Idealgasverhalten abweicht, aber immer noch näherungsweise als idealer Dampf aufgrund des
horizontalen Verlaufs von Z.s/ angesehen werden kann. Als wichtige Folge von Gl. 3.20
kann daher auch für einen idealen Dampf ein Isentropenexponent definiert werden,
der für einen hinreichend kleinen Zustandsbereich näherungsweise als konstant angenommen werden kann. Gilt zudem die Beziehung Gl. 3.21, so können mathematisch auch für
einen idealen Dampf wesentliche Formelzusammenhänge, die aus der Thermodynamik
und Strömungsmechanik für ideale Gase bekannt sind, übertragen werden [TRA1966].
So erhält man unter diesen Bedingungen beispielsweise auch für einen idealen Dampf die
von der isentropen Expansion vom Zustand p1 und v1 auf p2 eines idealen Gases bekannte
Beziehung
.1/= !
p2
p1 v1 1 (3.22)
h12s D
1
p1
96
S. aus der Wiesche
Abb. 3.8 Kompressibilitätsfaktor Z für Wasserdampf [TRA1966]
für die spezifische Enthalpiedifferenz h12s . Analog können weitere gasdynamischen
Beziehungen auch für einen idealen Dampf umgeschrieben werden, was beispielsweise
von Traupel [TRA1952, TRA1966] ausführlich beschrieben ist. Lediglich bei Vorliegen von dominanten Wärmeleitungseffekten ergeben sich formale Unterschiede bei den
strömungsdynamischen Grundgleichungen für ideale Dämpfe und Gase [TRA1952]. Im
Dampfturbinenbau spielen aber Wärmeleitungseffekte bei der strömungstechnischen Auslegung einer Turbine eine eher untergeordnete Rolle.
Der Wert der Einführung des idealen Dampfes liegt aus heutiger Sicht vor allem darin, dass die strömungstechnischen und gasdynamischen Zusammenhänge für Gasturbinen und Verdichter zumindest konzeptionell auch auf Heißdampfteile von Dampfturbinen
übertragen werden können. Weiterhin können gasdynamische Untersuchungen, die unter der Voraussetzung eines idealen Gases durchgeführt werden, leicht auf den idealen
Dampf übertragen werden. So können beispielsweise mit einem Schaufelgitterwindkanal, der mit Luft unter atmosphärischen Bedingungen arbeitet, ebenfalls relevante Versuchsergebnisse für die Auslegung der Beschaufelung von Dampfturbinen gewonnen werden [DIX2010]. Um allerdings die heutigen hohen Genauigkeitsansprüche bei Prozessrechnungen für Dampfturbinen zu erfüllen, sollten dagegen präzisere numerische Berechnungen der thermodynamischen Zustandsgrößen auf Basis der Dampftafeln bzw. der
zugrundeliegenden Zustandsgleichungen durchgeführt werden.
3.3.3 Berechnung der Schallgeschwindigkeit von Dampf
Strömungstechnisch spielt allgemein die Mach-Zahl Ma D c=cS mit der Schallgeschwindigkeit cS eine ausgezeichnete Rolle (siehe Kap. 4). Für die Auslegung von Dampfturbi-
3
Thermodynamik der Dampfkraftprozesse
97
nenstufen ist daher auch eine Berechnung der Schallgeschwindigkeit von Dampf wichtig.
Die Schallgeschwindigkeit kann thermodynamisch als Ausbreitungsgeschwindigkeit kleiner Druckstörungen gemäß
s ˇ
@p ˇˇ
(3.23)
cS D
@ ˇ
s
aufgefasst werden. Für einphasige Zustände (z. B. überhitzter Dampf) kann die Schallgeschwindigkeit mit Hilfe der Zustandsgleichungen bzw. der Dampftafeln eindeutig berechnet werden. Zur Umgehung der nach Gl. 3.23 erforderlichen Ausführung der partiellen
Ableitung bei konstanter Entropie s wird für überhitzten Dampf oft auf die Beziehung
cS D
p
pv bzw. cS D
p
RT
(3.24)
zurückgegriffen. Gl. 3.24 ist streng nur für ein ideales Gas erfüllt, aber kann näherungsweise auch für einen idealen Dampf (siehe Abschn. 3.3.2) verwendet werden.
Für Nassdampf ist die Bestimmung der Schallgeschwindigkeit konzeptionell problematisch, da im Falle von zweiphasigen Zuständen keine thermodynamisch eindeutige
Definition der Schallgeschwindigkeit als Zustandsgröße möglich ist. Dies liegt daran, dass
für die Ausbreitungsgeschwindigkeit von Druckstörungen nicht mehr nur die thermophysikalischen Eigenschaften der beiden Phasen (flüssig und dampfförmig), sondern auch
deren Verteilungen relevant sind. Bei gleichen Dampfanteilen x verhalten sich Dämpfe
mit wenigen großen Tropfen anders als Dämpfe mit vielen kleinen Tröpfchen.
Bei Nassdampfströmungen in Dampfturbinen liegt meist ein homogenes Zweiphasenmedium mit sehr feinen Tropfen, deren Durchmesser wenige Prozent eines Mikrometers
betragen, vor. Für diesen Grenzfall kann eine thermodynamische Schallgeschwindigkeit
cS bzw. ein Isentropenexponent gemäß einer von Sytschew hergeleiteten Beziehung
s
dp
cS D v
dT
pT
cV0 .1 x/ C cV00 x
bzw. D v 0 .1 C x/ C v 00 x
ˇ0
ˇ00
@v ˇ
@v ˇ
p.1 x/ @p
ˇ C x @p
ˇ
s
(3.25)
s
angegeben werden [DEJ1973]. In Gl. 3.25 wird die flüssige Phase wie gewohnt mit einem
und die dampfförmige Phase mit zwei Strichen gekennzeichnet. Nach dem thermodynamischen Modell Gl. 3.25 sind die isochoren spezifischen Wärmekapazitäten cV der
beiden Phasen für die Schallgeschwindigkeit cS relevant. Die thermodynamische Schallgeschwindigkeit Gl. 3.25 berücksichtigt allerdings nicht die Abweichungen von der adiabaten Zustandsänderung infolge der Reibungswärme zwischen den beiden Phasen. Betrachtet man das homogene Zweiphasengebiet als ein elastisches Medium, so kann für die
Schallgeschwindigkeit der Ausdruck
s
cS D
dp
c0
dx 1 C 1x
x c 00
(3.26)
98
S. aus der Wiesche
mit den Geschwindigkeiten c 0 und c 00 der beiden Phasen abgeleitet werden [DEJ1973].
Wenn die Tropfendurchmesser so groß sind, dass sie der Schwingungen der Dampfphase
nicht mehr folgen können, reduziert sich Gl. 3.26 wegen c 0 =c 00 D 0 auf die Schallgeschwindigkeit der Dampfphase. Für sehr kleine Tropfen liegen ausgeglichene Geschwindigkeitsverhältnisse vor, so dass sich die Vorhersagen der Schallgeschwindigkeit nach
beiden Modelle Gl. 3.25 und 3.26 tendenziell angleichen. Das rein thermodynamische
Modell Gl. 3.25 führt allerdings zu systematisch niedrigeren Schallgeschwindigkeiten
über den gesamten Dampfanteil x für eine konstante Temperatur T. Nimmt man für den
Nassdampf eine polytrope Zustandsänderung
p
dp
D nP
d
(3.27)
mit dem Polytropenexponenten nP an, so führt Gl. 3.26 auf die Näherungsbeziehung
p
nP pv
cS D q
:
0
x C .1 x/ cc00
(3.28)
Für einen gesättigten Dampf (x D 1) führt Gl. 3.28 auf eine analoge Beziehung wie für
ein ideales Gas (siehe Gl. 3.24). Für eine weitergehende Diskussion der konzeptionell
anspruchsvollen Beschreibung von Nassdampfströmungen sei auf das Buch [DEJ1973]
verwiesen.
3.3.4 Wirkungsgrade und Wärmerückgewinn
In der Literatur existiert eine Vielzahl von Definitionen für den Wirkungsgrad einer
Dampfturbine. Der isentrope Turbinenwirkungsgrad sT für die Entspannung von 1 nach
2 (siehe auch Abb. 3.6) ist nach Gl. 3.15 ausschließlich über die Werte der spezifischen
Enthalpie h1 , h2 und h2s definiert. Diese Definition berücksichtigt nicht die kinetischen
Energiebeiträge und ist daher nur für einfache Prozessrechnungen und Abschätzungen für
thermische Turbomaschinen geeignet. Es gibt für die in Abb. 3.6 schematisch dargestellte
Entspannung prinzipiell zwei Möglichkeiten, den inneren Wirkungsgrad einer Turbine
zu definieren. Falls die kinetische Austrittsenergie nach der Turbine (Zustand 2) sinnvoll
genutzt wird (etwa durch nachfolgende Turbinenstufen), so kann der innere Wirkungsgrad
auf Basis der beiden Totalzustände gemäß
h1 C 12 c12 h2 C 12 c22
tt D
2
h1 C 12 c12 h2s C 12 c2s
(3.29)
definiert werden, was im Englischen auch als total-to-total efficiency bekannt ist
[DIX2010]. Meist wird bei dieser Definition zusätzlich noch die Gleichheit von c2
3
Thermodynamik der Dampfkraftprozesse
99
und c2s vereinfachend unterstellt. Kann die austretende kinetische Energie nicht mehr
genutzt werden, wie etwa bei der Endstufe einer Kondensationsdampfturbine, so ist für
die Beschreibung des Verlustes die Definition
ts D
h1 C 12 c12 h2 C 12 c22
h1 C 12 c12 h2s
;
(3.30)
die auch als total-to-static efficiency bekannt ist, sinnvoller. Offensichtlich gilt ts tt .
Neben den bislang eingeführten isentropen Wirkungsgraden sT , tt und ts ist für die
strömungstechnische Beschreibung von Turbinen noch der sog. polytrope Wirkungsgrad
p gebräuchlich. Formal kann dieser unter der Annahme einer polytropen Entspannung,
die durch einen Polytropenexponenten np beschrieben wird [WET2014], aus dem isentropen Wirkungsgrad abgeleitet werden. Es gilt dann unter Annahme des idealen Gasgesetzes
und Gl. 3.15 zunächst auch
sT D
h2 h3
1 .p2 =p1 /.np 1/=np
D
:
h2 h3s
1 .p2 =p1 /.1/=
(3.31)
Betrachtet man nun ein infinitesimal kleines Druckverhältnis p2 =p1 , so ergibt die Regel
von de l’Hospital
np 1 :
(3.32)
p D plim sT D
2 !1
np 1
p
1
Dieser durch Gl. 3.32 eingeführte polytrope Ausdruck p kann als der Wirkungsgrad einer sehr kleinen Stufe einer mehrstufigen Turbine angesehen werden. Er beschreibt daher
die strömungstechnische Qualität einer Turbine. Nimmt man für eine mehrstufige Turbine
einen konstanten Wert für den polytropen Wirkungsgrad p für jede Stufe an, so folgt aus
Gl. 3.32, dass der isentrope Turbinenwirkungsgrad sT größer als der polytrope ist. Diese
wichtige Beziehung, die hier zunächst nur für das ideale Gas hergeleitet worden ist, bleibt
auch bei Übertragung auf Dampfturbinen erhalten. Formal liegt dies an der Divergenz der
Isobaren im h,s-Diagramm und auf den dadurch resultierenden Wärmerückgewinn. Dieser Zusammenhang kann anhand von Abb. 3.9 graphisch veranschaulicht werden. Es wird
dort schematisch der Entspannungsverlauf in einer mehrstufigen Turbine von 1 nach 2
dargestellt. Neben den Eintritts- und Austrittszuständen ist in Abb. 3.9 auch der Verlauf
der Entspannung in den einzelnen Turbinenstufen skizziert. Für jede dieser Stufe kann die
Entspannung durch einen polytropen Wirkungsgrad p als isentropen Turbinenstufenwirkungsgrad angenähert werden.
Aufgrund der Divergenz der Isobaren findet man für den sog. Wärmerückgewinnungsfaktor
.h1 hxs / C .hx hys / C : : :
(3.33)
RH D
h1 h2s
stets einen Wert RH > 1, da die Summe der isentropen Stufengefälle größer als das isentrope Turbinengefälle im h,s-Diagramm ist. Für Dampfturbinen findet man typischerweise
100
S. aus der Wiesche
Abb. 3.9 Entspannungsverlauf in einer mehrstufigen
Turbine im h; s-Diagramm
Werte von 1,03 bis 1,08 für den Wärmerückgewinnungsfaktor RH . Physikalisch kommt
durch RH > 1 zum Ausdruck, dass die Erhitzung des Arbeitsfluids aufgrund der Dissipation in einer Stufe als Wärmezufuhr in einer nachfolgenden Stufe wiedergewonnen
werden kann. Unter Beachtung von Gl. 3.33 und der Annahme von p als isentropen Turbinenstufenwirkungsgrad folgt die allgemeine Beziehung
sT D RH p ;
(3.34)
die unmittelbar zeigt, dass bei einer Turbine aufgrund der Wärmerückgewinnung der isentrope Turbinenwirkungsgrad stets höher als der polytrope Wirkungsgrad ist.
Nach den obigen Ausführungen zum Wärmerückgewinnungsfaktor wird weiterhin
deutlich, dass dissipative Verluste am Anfang der Turbinenexpansion weniger schädlich als am Ende sind. Die Dissipationsenergie vergrößert die Arbeitsfähigkeit des
Arbeitsfluids für nachfolgende Stufen, so dass man einen Teil des Verlustes wieder
zurückgewinnt. Aus diesem Grunde wirken sich niedrigere Stufenwirkungsgrade bei
Hochdruckteilen von vielstufigen Dampfturbinen wesentlich geringer aus, als Verluste in
den Endstufen.
An dieser Stelle sei noch auf eine weitverbreitete Fehlinterpretation hingewiesen. Häufig wird in der Literatur der Stufenwirkungsgrad mit dem Polytropenwirkungsgrad identifiziert und gefolgert, dass aufgrund des Wärmerückgewinns eine hohe Stufenanzahl
grundsätzlich thermodynamisch günstiger ist als eine kleine. Dies ist allerdings durch die
obigen Ausführungen nicht streng begründbar, da die Verluste nicht stufenweise auftreten,
sondern stetig. Tatsächlich muss die Wahl der Bilanzräume innerhalb der Expansion nicht
mit der konstruktiv vorliegenden Aufteilung in Stufen zusammenfallen, was beispielsweise von Traupel [TRA1966] berücksichtigt wird. Die manchmal in der Literatur eingeführten Korrekturfaktoren des Wärmerückgewinns, die die Stufenanzahl berücksichtigen
sollen, sind daher missverständlich. Der Vorteil der kleinen Stufengefälle hängt tatsächlich mit günstigeren strömungstechnischen Verlustverhältnissen zusammen und nicht mit
dem thermodynamischen Wärmerückgewinn.
3
Thermodynamik der Dampfkraftprozesse
101
3.4 Exergetische Analyse des einfachen Clausius-Rankine-Prozesses
Der thermische Wirkungsgrad th eines Kreisprozesses ist zwar von seiner Definition her
ein geeignetes Maß für die Umwandlung eines eingesetzten Wärmestroms in Nutzleistung, aber er führt oft auch auf ein unzureichendes Bild der Verbesserungspotentiale einer
Wärmekraftanlage. Hierfür bietet sich stattdessen die exergetische Analyse an, die auf
dem Begriff der „Exergie“ (oder technische Arbeitsfähigkeit) basiert. Im Dampfturbinenbau wurde die Bedeutung dieser Größe bereits sehr früh von Stodola erkannt [STO1910].
Während die energetische Definition des thermischen Wirkungsgrads th nur den
1. Hauptsatz der Thermodynamik berücksichtigt, drückt sich im Begriff der spezifischen
Exergie e aus, dass selbst in idealen Wärmekraftanlagen aufgrund des 2. Hauptsatzes Beschränkungen für die Umwandlung von Energieformen vorliegen. So kann die
Zustandsgröße Energie sinnvoll in einen zumindest prinzipiell uneingeschränkt umwandelbaren Anteil, die Exergie, und einen nicht mehr weiter umwandelbaren Anteil, die
Anergie, aufgeteilt werden. Für die Exergie besteht im Gegensatz zur Energie kein Erhaltungssatz, vielmehr werten irreversible Vorgänge die Energie thermodynamisch ab,
so dass in verlustbehafteten Prozessen aus Exergie Anergie wird. In dieser Asymmetrie drückt sich der Inhalt des 2. Hauptsatzes der Thermodynamik aus. Zu beachten ist
allerdings, dass die Größen Exergie und Anergie von einem zu wählenden Bezugszustand, der üblicherweise gleich dem Umgebungszustand gesetzt wird, abhängen. Dies
liegt daran, dass nur aufgrund von thermodynamischen Ungleichgewichten (mechanisch,
thermisch, chemisch) Zustandsänderungen ablaufen können. Umgekehrt kann man die
Exergie eines thermodynamischen Systems auch als die theoretisch minimale Energie,
die zur Erzeugung dieses Systems aus der Umgebung in der Umgebung erforderlich ist,
interpretieren [BOH1982].
Die aus einem Wärmstrom QP mit der Temperatur T maximal erzielbare reversible Leistung (Prev ) ist durch den Carnot-Faktor
Tu P
Q D C .Tu =T /QP
Prev D 1 (3.35)
T
in Abhängigkeit der anliegenden Umgebungstemperatur Tu gegeben. Dies bedeutet, dass
Wärmeströme bei hohen Temperaturniveaus bezüglich der Umgebungstemperatur thermodynamisch wertvoller sind, als Wärmeströme mit nur mäßigem Temperaturabstand zur
Umgebung, da erstere zumindest prinzipiell noch in einer idealen Wärmekraftanlage in
Nutzleistung umwandelbar wären. Im Allgemeinen treten bei Zustandsänderungen von
1 nach 2 die Wärmeströme nicht bei einer fest definierten Temperatur T auf, so dass in
solchen Fällen die zugehörige thermodynamische Mitteltemperatur Tm in Gl. 3.35 zu verwenden ist. Da die Nutzleistung (Prev ) prinzipiell beliebig umwandelbar ist, definiert
Gl. 3.35 auch den zu einem Wärmestrom zugehörigen Exergiestrom. Die spezifische Exergie e eines Stoffstromes mit der mittleren Geschwindigkeit c kann unter Berücksichtigung
des Umgebungszustandes (Index u) aus den Zustandsgrößen gemäß
1
e D h hu Tu .s su / C c 2
2
(3.36)
102
S. aus der Wiesche
bestimmt werden. Häufig wird der kinetische Energiebeitrag bei der Ermittlung der Exergie vernachlässigt, was bei höheren Strömungsgeschwindigkeiten allerdings fehlerhaft
ist. Die Bestimmung des Exergieinhaltes eines Brennstoffs ist formal anspruchsvoll, da
auch noch der chemische Ungleichgewichtszustand des unverbrannten Brennstoffes zu
seiner Umgebung mit berücksichtigt werden muss. In der Praxis wird die spezifische
Exergie eB des Brennstoffs meist mit dem unteren Heizwert Hu identifiziert, was streng
genommen nicht korrekt ist. Tatsächlich liegt das Verhältnis eB =Hu für typische Brennstoffe im Bereich um 1,05 und bezogen auf den oberen Heizwert Ho zwischen 1,00 bis
1,02 [BAE1996].
Der große Unterschied zwischen der energetischen und der exergetischen Analyse der
Wirkungsgrade kann bereits am Beispiel einer einfachen Dampfkraftanlage, die mit einem
brennstoffversorgten Dampferzeuger arbeitet, verständlich gemacht werden.
Bezogen auf den eingesetzten Brennstoffmassenstrom und dem unteren Heizwert Hu
kann der resultierende Gesamtwirkungsgrad der Anlage durch
D
jP j
m
P B Hu
(3.37)
ausgedrückt werden. Er wird für reale Anlagen typischerweise Werte zwischen 0,25
und 0,45 annehmen. Häufig wird anstelle des Wirkungsgrades auch der Kehrwert von
Gl. 3.37 als Wärmeverbrauch (in kJ/kWh) angegeben. Hierbei entspricht D 0;40 dem
Wärmeverbrauch von 9000 kJ/kWh. Bei der Verbrennung und im Dampferzeuger wird
allerdings nicht der gesamte chemische Energieinhalt des Brennstoffs auf das Arbeitsfluid
des Kreisprozesses übertragen, sondern nur der dort erzeugte Wärmestrom, so dass man
den Gesamtwirkungsgrad auch in einen thermischen Wirkungsgrad th des Kreisprozesses
und einen energetischen Kesselwirkungsgrad K gemäß
D
QP zu jP j
D K th
m
P B Hu QP zu
(3.38)
aufteilen kann. Bei heutigen Anlagen liegt der Kesselwirkungsgrad bei Werten bis über
K D 0;92, was auf die geringen energetischen Verluste im Dampferzeuger hinweist.
Andererseits ist der Kesselwirkungsgrad wegen der unvermeidlichen parasitären Wärmeverluste und der Kamintemperaturen um 100–150 ı C stets kleiner als 1. Man kann den
thermischen Wirkungsgrad
th D
jP j
jwT j
jhj
jhs j jhj
D
D
D
D sth sT
P
q
q
qzu jhs j
Qzu
zu
zu
(3.39)
des Dampfkraftprozesses als Produkt des thermischen Wirkungsgrad sth des Kreisprozesses mit einer isentrop arbeitenden idealen Turbine und dem isentropen Turbinenwirkungsgrad sT darstellen, so dass sich energetisch die einfache Wirkungsgradkette
D K sth sT
(3.40)
3
Thermodynamik der Dampfkraftprozesse
103
ergibt. In diesem Bild würden die Verluste bei der Wärmeübertragung und der Verbrennung im Kessel aufgrund des hohen Wertes von K als recht klein erscheinen. Weiterhin
würde die strömungstechnische Qualität der Dampfturbine durch hohe Werte von sT ausgedrückt werden. Aus energetischer Sicht würden die Verluste durch die nur moderaten
Werte des thermischen Wirkungsgrades sth des idealen, reversibel Kreisprozesses verursacht. Dem entspricht, dass bei moderaten Werten des thermischen Wirkungsgrades sth
sehr große Abwärmeströme durch die Kühlanlagen als „Verlust“ abgeführt werden müssen.
Aus exergetischer Sicht ergibt sich hingegen ein völlig anderes Bild. Zunächst einmal
wird bereits schon durch die irreversible Verbrennung, die auf die mittlere Rauchgastemperatur TmRG im Wärmeerzeuger führt, die Brennstoffexergie abgewertet. Der exergetische Wirkungsgrad WE des Wärmeerzeugers lautet daher
WE D
EP RG
EP RG QP zu Hu
Hu
D
D C .Tu =TmRG /K
P
m
P B eb
P B H u eB
eB
Qzu m
(3.41)
Auch wenn die mittlere Temperatur des Rauchgases TmRG im Wärmeerzeuger bezüglich
der Umgebungstemperatur Tu recht hoch ist, führt der Carnot-Faktor in Gl. 3.41 dennoch zu Werten von WE unter 1. Das Arbeitsfluid nimmt die Wärme im Dampferzeuger
bei einer kleineren mittleren Temperatur Tm auf, so dass man für den exergetischen Wirkungsgrad
EP zu
c .Tu =Tm /
D
DE D
(3.42)
c .Tu =TmRG /
EP RG
des Dampferzeugerteils ebenfalls einen Wert unter 1 erhält. Die Wärmekraftmaschine hat
den exergetischen Wirkungsgrad
WKM D
th
jP j
jP j QP zu
D
D
;
P
P
P
C .Tu =Tm /
Ezu
Qzu Ezu
(3.43)
so dass sich der exergetische Gesamtwirkungsgrad der Anlage als Produkt
D
jP j
D WE DE WKM
m
P B eB
(3.44)
ergibt. In der exergetischen Analyse erscheinen die Verluste bei der Energieumwandlung an ganz anderer Stelle als in der energetischen Betrachtung. Durch die irreversible
Verbrennung, die auf die mittlere Rauchgastemperatur TmRG führt, findet bereits eine deutliche exergetische Abwertung des Brennstoffs im Wärmeerzeuger statt. Durch die deutlich
geringere mittlere Temperatur Tm des Arbeitsfluids des Kreisprozesses gegenüber der
mittleren Rauchgastemperatur TmRG wird im Dampferzeuger nochmals der Wärmstrom
exergetisch massiv abgewertet, so dass sich mit den Irreversibilitäten im thermodynamischen Kreisprozess der exergetische Gesamtwirkungsgrad ergibt. Allerdings erscheint in
104
S. aus der Wiesche
diesem exergetischen Bild der energetisch große Abwärmestrom nicht mehr als dominanter Verlust, da aufgrund der geringen Abwärmetemperatur T0 der Exergiestrom der
Abwärme gering ist.
Exergetisch gesehen sind also Wärme- und Dampferzeuger die problematischen Elemente des Dampfkraftprozesses, wo hingegen die Abwärmeströme bei der „kalten Seite“
des Prozesses energetisch lediglich einen Ballast darstellen, der durch die vorangegangenen irreversiblen Umwandlungen verursacht worden ist. Die geringen Exergieverluste
bei der Wärmeabfuhr im Kondensator können eher als Vorteil des Dampfkraftprozesses gegenüber anderen Vergleichsprozessen, wie etwa dem einfachen Gasturbinenprozess angesehen werden. Umgekehrt bieten moderne Gasturbinenprozesse mit ihren hohen
oberen Prozesstemperaturen und der inneren Verbrennung auf der „heißen Seite“ exergetische Vorteile gegenüber dem Dampfkraftprozess, da für diese die thermodynamische
Mitteltemperatur der Wärmezufuhr deutlich höher liegen kann. Die Kombination eines
Gasturbinen- und eines nachgelagerten Dampfkraftprozesses verbindet die exergetischen
Vorteile der beiden einfachen Prozesse und kompensiert deren inhärente exergetischen
Nachteile (siehe Kap. 15).
3.5 Maßnahmen zur Steigerung des thermischen Wirkungsgrades
Aus thermodynamischer Sicht bestehen Maßnahmen zur Steigerung des thermischen Wirkungsgrades th des Dampfkraftprozesses darin, die thermodynamische Mitteltemperatur Tm der Wärmezufuhr zu erhöhen und die mittlere Temperatur der Wärmeabfuhr zu
minimieren. Letztere hängt von der Umgebungstemperatur Tu bzw. der Temperatur des
verfügbaren Kühlmediums ab, was thermodynamisch die untere Grenze des Prozesses definiert. Tatsächlich müssen allerdings im Kondensator und in der Rückkühlanlage noch
weitere Verluste und endliche Temperaturdifferenzen bei der Wärmeübertragung berücksichtigt werden, so dass die tatsächlich erzielbare untere Prozesstemperaturen bzw. die
damit zusammenhängenden Kondensatordrücke pK höhere Werte annehmen. Zudem ist
zu beachten, dass für die Dampfturbinen der Aufwand und daher auch der Preis stark vom
Abdampfzustand abhängen, worauf noch in einem späteren Kapitel ausführlich eingegangen wird. Bevor die Optimierung des „kalten Endes“ des Dampfkraftprozesses behandelt
wird, werden in diesem Kapitel die aufgrund der vorangegangenen exergetischen Analyse
folgenden Maßnahmen zur Erhöhung der thermodynamischen Mitteltemperatur Tm der
Wärmezufuhr diskutiert.
3.5.1 Erhöhung des Frischdampfzustandes
Die thermodynamisch naheliegende Erhöhung des Frischdampfzustandes wurde historisch schon recht früh im Dampfturbinenbau und in der Kraftwerkstechnik verfolgt. Die
frühen Dampfkraftanlagen arbeiteten nach dem einfachen Clausius-Rankine-Prozess, wo-
3
Thermodynamik der Dampfkraftprozesse
105
Abb. 3.10 Auswirkung des
Frischdampfdruckes auf
den Abdampfzustand beim
einfachen Clausius-RankineProzess
bei zunächst nur recht geringe Frischdampfdrücke pFD und Frischdampftemperaturen tFD
möglich waren.
Diese lagen zu Beginn um 1910 bei rund pFD D 10 bar und tFD D 230 ı C, was
auf thermische Wirkungsgrade des zugehörigen reversiblen Clausius-Rankine-Prozesses
von etwa sth D 34 % führt. Zusammen mit den damaligen geringen isentropen Turbinenwirkungsgraden von rund sT D 60 % ergab dies thermische Wirkungsgrade gemäß
Gl. 3.33 von nur th D 20 %. Unter Berücksichtigung der damaligen Kesselwirkungsgrade und des Eigenbedarfs der Anlagen resultierten Netto-Kraftwerkswirkungsgrade von
lediglich D 15 % [TER2001, STO1910]. Durch werkstofftechnische und konstruktive
Fortschritte konnten die Frischdampfzustände angehoben werden, was auf höhere Gesamtwirkungsgrade führte. Bis etwa 1925 wurde der einfache Clausius-Rankine-Prozess
bei stetig gesteigerten Frischdampfzuständen als Anlagenkonzept beibehalten. Thermodynamisch ist dieses einfache Anlagenkonzept allerdings stark limitiert, was man leicht anhand von schematischen Prozessverläufen in einem T,s-Diagramm nach Art von Abb. 3.10
nachvollziehen kann. Nicht zuletzt aus werkstofftechnischer Sicht gibt es für die Maximaltemperatur T2 eine obere Grenze, die in Abb. 3.10 schematisch für die drei dargestellten
Prozessverläufe als Gerade im T,s-Diagramm eingetragen ist. Der Kondensatordruck bzw.
die untere Prozesstemperatur T0 ist ebenfalls als Grenze eingetragen. Bei der maßstäblichen Darstellung fallen in Abb. 3.10 die Punkte 0 und 1 zusammen.
In Abb. 3.10 wird ebenfalls der Einfluss des Frischdampfdruckes auf den Prozessverlauf und insbesondere auf den Dampfanteil x3 des Abdampfzustandes verdeutlicht. Für
hohe Maximaltemperaturen T2 bietet sich bezüglich des thermischen Wirkungsgrades des
Kreisprozesses die Wahl von hohen, ggf. überkritischen Drücken pFD an, allerdings nimmt
mit wachsenden Frischdampfdrücken auch die Endnässe (1 x3 ) nach der Expansion in
der Dampfturbine immer weiter zu. Dieser Sachverhalt begrenzt das Steigerungspotential
des einfachen Clausius-Rankine-Prozess in der Praxis. Bei zu hohen Werten der Endnässe (1 x3 ) tritt in der Turbine durch die Kondensation des Abdampfes nämlich das
Problem des Tropfenschlags auf, was neben einer Abnahme des Turbinenwirkungsgra-
106
S. aus der Wiesche
des vor allem zu einer Erosion der Beschaufelung führt. Als typischer Richtwert für den
Dampfanteil x3 , der nicht unterschritten werden sollte, kann x3 D 0;90 angenommen
werden; bei modernen Kraftwerksprozessen werden Werte bis herunter zu x3 D 0;84
als Untergrenze genannt [KEH2009]. Für Kondensationsdampfturbinen, die mit niedrigen
Abdampfdrücken nach dem einfachen Clausius-Rankine-Prozess arbeiten, ergeben sich
daher als wirtschaftlich sinnvolle Frischdampfdrücke Werte von maximal rund pFD D
50 bar.
Historisch wurde bereits 1951 eine extreme Frischdampftemperatur von tFD D 600 ı C
(bei einem Druck von rund pFD D 146 bar) für eine Dampfturbine gewählt. Diese und die
nachfolgenden Dampfturbinen, die mit Frischdampfdrücken bis zu pFD D 275 bar arbeiteten, wurden allerdings als Vorschaltturbinen in verfahrenstechnischen Anlagen eingesetzt,
so dass sie nicht der oben erläuterten Einschränkung unterlagen [ENG1994]. Allerdings
kam diese Entwicklung bis 1960 zunächst zum Stillstand, da ab Temperaturen von rund
550 ı C der Einsatz von austenitischen Stählen zu wirtschaftlich nicht mehr vertretbaren
Anlagenkosten führte.
3.5.2
Zwischenüberhitzung
Eine Möglichkeit, das Problem der Endnässe zu umgehen und gleichzeitig auch den thermischen Wirkungsgrad des Dampfkraftprozesses zu erhöhen, bietet die Maßnahme der
Zwischenüberhitzung des Dampfes nach der Expansion im Hochdruck-Teil (HD) des
Dampfturbosatzes. Das grundsätzliche Anlagenschema ist in Abb. 3.11 dargestellt. Der
entsprechende Prozessverlauf mit den relevanten Zustandsänderungen ist in Abb. 3.12
schematisch gezeigt. Die thermodynamische Mitteltemperatur Tm des einfachen Prozesses
nach Gl. 3.16 wird bei der Prozessführung mit Zwischenüberhitzung durch den Ausdruck
Tm D
h2 h1 C h4 h3
s2 s1 C s4 s3
(3.45)
ersetzt, der zu einer Erhöhung bezüglich des einfachen Prozesses führt, wenn die thermodynamische Mitteltemperatur der Zwischenüberhitzung (ZÜ)
TmZÜ D
h4 h3
s4 s3
(3.46)
möglichst hoch ist.
Bei der Prozessführung mit Zwischenüberhitzung verschiebt sich in jedem Fall der Abdampfzustand zu geringeren Endnässen (1 x5 ) was aus konstruktiver Sicht vorteilhaft ist
und insgesamt die Wahl höherer Frischdampfparameter bezüglich des einfachen ClausiusRankine-Prozesses gestattet. Bei optimaler Auslegung des Zwischendruckes pZÜ , bei dem
im Zwischenüberhitzer Wärme zugeführt wird, kann sich der thermische Wirkungsgrad
um einige Prozentpunkte erhöhen. Allerdings ist zu beachten, dass aus anlagentechnischer
3
Thermodynamik der Dampfkraftprozesse
107
Abb. 3.11 Schaltbild einer
Dampfkraftanlage mit Zwischenüberhitzung
Abb. 3.12 Zustandsänderungen beim Prozess mit
Zwischenüberhitzung
Sicht das Konzept der Zwischenüberhitzung recht aufwendig ist, da nach dem HD-Teil der
teilentspannte Dampf in den Kessel zurückgeführt werden muss. Aus diesem Grund wird
das Konzept der Zwischenüberhitzung erst ab einer bestimmten Nennleistung des Dampfkraftwerks wirtschaftlich sinnvoll, die im Bereich 80 bis 100 MW liegt.
Die Wahl des optimalen Wertes TmZÜ der Zwischenüberhitzung und des Zwischenüberhitzungsdrucks pZÜ ist zunächst einmal nicht-trivial und kann aus aufwendigen Optimierungsrechnungen erfolgen. Gebräuchlich ist für eine erste Abschätzung eine Näherungsbeziehung, die aus der exergetischen Beziehung
Tm D
TK
1 th
(3.47)
zwischen der Mitteltemperatur Tm , der Kondensatortemperatur TK und dem thermischen
Wirkungsgrad th folgt. Der thermische Wirkungsgrad th des Gesamtprozesses ist zwar
unbekannt, und die Beziehung Gl. 3.47 könnte nur iterativ ausgewertet werden, aber in der
Praxis kann hierfür auch der Wert des Grundprozesses aufgrund des „flachen“ Optimums
verwendet werden. Es folgt dann unmittelbar die häufig erwähnte Näherungsbeziehung
108
S. aus der Wiesche
Abb. 3.13 Historische Entwicklung der technisch realisierbaren Frischdampfparameter bei großen
Dampfkraftwerken (nach Angaben aus [TER2001])
T3 D Tm . Weitere Angaben zur Auslegung der Zwischenüberhitzung kann der Literatur [BOH1985] entnommen werden.
Die Einführung der Zwischenüberhitzung um 1925 in der Kraftwerkstechnik ermöglichte eine deutliche Steigerung der Frischdampfparameter, was in Abb. 3.13 anhand der
historischen Entwicklungskurven für die technisch realisierbaren Frischdampfparameter
von fossil befeuerten Dampfkraftwerken veranschaulicht ist.
Mit Einführung der Zwischenüberhitzung konnten die Beschränkungen des einfachen
Clausius-Rankine-Prozesses für Kondensationsdampfturbinen überwunden werden, was
sich in Abb. 3.13 als erste abrupte Steigerung bei den Frischdampfdrücken zeigt. Die nachfolgende Entwicklung verlief aufgrund der kesselbaulichen Einschränkungen zunächst
langsamer und die Frischdampfdrücke konnten signifikant erst nach 1950 durch die Einführung des Zwangdurchlauf-Kessels auf überkritische Werte gesteigert werden.
Historisch wurde 1960 mit dem Kraftwerk Eddystone (Station #1) ein lange Zeit gültiger Höhepunkt dieser Entwicklung hin zu extremen überkritischen Dampfzuständen erreicht. Dieses Kraftwerk arbeitete als Auslegungsdaten mit einem Frischdampfdruck von
345 bar (5000 psig) und einer Frischdampftemperatur von 649 ı C (1200 ı F) [SIL2003].
Aufgrund der extremen Dampfparameter wurde anstelle der einfachen Zwischenüberhitzung eine doppelte Zwischenüberhitzung eingesetzt, um den Abdampfzustand auf
technisch beherrschbare Endnässen zu begrenzen. Das vereinfachte Wärmeschaltbild
von Eddystone #1 ist in Abb. 3.14 gezeigt. Auffallend ist neben der doppelten Zwischenüberhitzung auch die Druckstufung des Turbosatzes. Die eingesetzte HöchstdruckEintrittsdampfturbine (super pressure turbine SP) des Kraftwerks Eddystone mit ihrem
doppelten kugelförmigen Gehäuse ist in Abb. 3.15 gezeigt. Es folgte dieser in einer
Tandem-Aufstellung die HHD- (very high pressure), die HD- (high pressure), sowie die
mehrflutigen MD- (intermediate pressure) und ND-Turbinen (low pressure). Die Drehzahl der Hochdruckturbinen betrug 3600 min1 , was der 60 HZ-Netzfrequenz in den
3
Thermodynamik der Dampfkraftprozesse
109
Abb. 3.14 Vereinfachtes Wärmeschaltbild des Kraftwerks Eddystone #1 mit doppelter Zwischenüberhitzung und extremen Dampfparametern (aus [GUB1959])
USA entspricht. Eddystone #1 war ursprünglich für eine Nennleistung von 325 MW und
einen Wärmeverbrauch von 8230 Btu/kWh ausgelegt, was einem Netto-Wirkungsgrad
von D 41;5 % entspricht. Real wurde als Bestwert D 40 % bei einer Leistung von
331 MW erzielt. Zur damaligen Zeit lagen die größeren unterkritischen Dampfkraftwerke
auch nur in diesem Leistungsbereich, so dass Eddystone #1 als das wohl ambitionierteste
Kraftwerksprojekt seiner Zeit angesehen werden kann. Später wurden die Dampfparameter reduziert, als sich einerseits werkstofftechnische Grenzen im Betrieb zeigten und
andererseits deutlich geringere Brennstoffkosten, als bei der Konzeption erwartet, die ursprüngliche Kalkulation entwertete. In einer größeren Revision wurde 1995 der SP-Rotor
ausgetauscht. Eddystone #1 ging erst 2011 vom Netz.
Der Einsatz von extremen Dampfparametern und mehrfachen Überhitzungen wurde
zu Beginn der 1960er-Jahre rasch aufgegeben, da die hohen Investitionskosten solcher
Anlagen bei relativ niedrigen Brennstoffkosten nicht mehr vertretbar waren. Erst in den
1990er-Jahren wurden wieder vor allem aus Gründen der Emissionsreduzierung verstärkt
Anstrengungen unternommen, überkritische Dampfparameter zur Wirkungsgradsteigerung zu wählen (siehe Kap. 14).
110
S. aus der Wiesche
Abb. 3.15 HöchstdruckEintrittsdampfturbine des
Kraftwerks Eddystone #1 für
ultra-überkritische Dampfparameter (345 bar/649 ı C).
Aufgrund der extremen Belastungen wurde das äußere
Turbinengehäuse kugelförmig
konstruiert
3.5.3 Regenerative Speisewasservorwärmung
Aus thermodynamischer Sicht kann die Erhöhung der mittleren Temperatur der Wärmezufuhr für den Dampfkraftprozess auch realisiert werden, indem man die Temperatur TV des
in den Kessel eintretenden Speisewassers durch Vorwärmung erhöht. Ein entsprechendes
Anlagenschema für einen Dampfkraftprozess mit einer regenerativen Speisewasservorwärmung ist in Abb. 3.16 gezeigt. Der zugehörige Prozessverlauf ist im T,s-Diagramm
in Abb. 3.17 dargestellt. Der Frischdampfmassenstrom betrage m.
P An der Stelle E wird
der Teildampfstrom m
P beim Anzapfdruck pE der Turbine entnommen und zur Vorwärmung des eintretenden Speisewassermassenstroms .1 /m
P verwendet. Der Anzapfdampf
nimmt an der weiteren Expansion in der Turbine nicht mehr teil. Der Nachteil der dadurch
verminderten Nutzarbeit des Kreisprozesses muss sorgfältig gegen den exergetischen Vorteil der regenerativen Speisewasservorwärmung abgewogen werden.
Die sich so anstelle des einfachen Clausius-Rankine-Prozesses ergebende thermodynamische Mitteltemperatur
h2 hV
(3.48)
TmV D
s2 sV
3
Thermodynamik der Dampfkraftprozesse
111
Abb. 3.16 Schaltbild einer
Dampfkraftanlage mit einem
Speisewasservorwärmer
des Prozesses mit regenerativer Speisewasservorwärmung liegt über der des einfachen
Prozesses (siehe Gl. 3.16). Dadurch ergibt sich exergetisch ein Vorteil, der sich in einem
höheren thermischen Wirkungsgrad des Kreisprozesses mit regenerativer Vorwärmung
ausdrückt.
Weil nur noch ein Teilmassenstrom in der Turbine nach der Anzapfung an der Stelle E expandiert, sinkt die spezifische Nutzarbeit, aber der thermische Wirkungsgrad des
Prozesses erhöht sich. Man spricht daher auch von einer Carnotisierung des Prozesses.
Der Einsatz der regenerativen Speisewasservorwärmung ist anlagentechnisch relativ
einfach und wurde daher seit seiner Einführung in den 1920er-Jahren zum Stand der
Technik. Historisch wurde er bereits 1890 von Sauvage und Cotteril empfohlen und als
thermodynamisch vorteilhaft 1897 von Ancona nachgewiesen [STO1910]. Der exergetische Vorteil der Aufwärmung des kalten Speisewassers durch einen Teil des Dampfes
kann in Abb. 3.17 anhand der eingezeichneten spezifischen Anergiedifferenz bV b1 , die
Abb. 3.17 Zustandsänderungen beim Prozess mit
regenerativer Speisewasservorwärmung
112
S. aus der Wiesche
als Fläche im T; s-Diagramm unter der Umgebungstemperatur Tu erscheint, und der oberhalb als Fläche dargestellten Exergiedifferenz eV e1 veranschaulicht werden. Durch die
regenerative Vorwärmung von 1 nach V spart man den exergetisch hohen Brennstoffeinsatz ein, der aufgrund der geringen Speisewasserwassertemperatur zu einem großen Teil
nur eine Anergieerhöhung bedeuten würde. Auf diese Weise kann sich der exergetische
Wirkungsgrad
WE DE
H u e2 eV
Hu
D K
D K
eB h2 hV
eB
Tu
1
TmV
(3.49)
des Dampferzeugers verbessern. Da allerdings in der Vorwärmeinheit Wärme bei einer
endlichen Temperaturdifferenz übertragen wird, resultiert durch diese Irreversibilität im
Kreisprozess allerdings wieder eine Verschlechterung des exergetischen Wirkungsgrades. Es gibt also für den Prozess mit einer Vorwärmeinheit eine optimale Wahl der Vorwärmtemperatur TV . Wärmt man das Speisewasser stärker auf, dann würde sich zwar der
exergetische Wirkungsgrad Gl. 3.42 des Dampferzeugers weiter erhöhen, aber durch die
stärkere Zunahme der Verluste bei der Wärmeübertragung würde der Gesamtwirkungsgrad der Anlage wieder sinken. Diese Verschlechterung kann durch den Einsatz mehrerer
Vorwärmstufen reduziert werden, da dann deutlich geringere Temperaturdifferenzen und
somit auch niedrigere exergetische Verluste vorliegen. In einem solchen Fall werden an
verschiedenen Stellen Dampfströme für eine druckgestufte Kette von Vorwärmeinheiten
aus der Turbine angezapft.
Für eine repräsentative Dampfkraftanlage mit einfacher Zwischenüberhitzung und einer Leistungsgröße von ca. 300 MW ist die relative Verbesserung th =th des thermischen Wirkungsgrades als Funktion der gewählten Speisewasserendtemperatur TV und in
Abhängigkeit von der Anzahl n der Vorwärmstufen graphisch in Abb. 3.18 dargestellt.
Qualitativ kann der in Abb. 3.18 dargestellte Verlauf auch auf andere Anlagen übertragen
werden. Die relative Verbesserung des thermischen Wirkungsgrades nimmt zwar mit der
Anzahl n der Vorwärmstufen zu, jedoch wird dieser Zuwachs immer schwächer und strebt
schließlich einem Grenzwert zu. Für eine gegebene endliche Anzahl n ergibt sich auch bei
der mehrstufigen Vorwärmung eine optimale Vorwärmtemperatur, die man aber bei relativ
hohen Anzahlen n > 8 in Abb. 3.18 noch nicht erreicht hat. Die optimale Abstufung der
einzelnen Anzapfdrücke ist relativ aufwendig und geschieht mit Hilfe von rechnergestützten Simulationsprogrammen [EPP2012]. Für eine überschlägige Auslegung kann auf die
Näherungsbeziehung
TE2
TEn
TFD
D
D ::: D
TE1
TE3
TK
(3.50)
für Vorwärmer mit konstantem Massenstrom bzw. auf
TFD TE1 D TE1 TE2 D : : : D TEn TK
(3.51)
3
Thermodynamik der Dampfkraftprozesse
113
Abb. 3.18 Verbesserung der
thermischen Wirkungsgrades durch die mehrstufige
regenerative Speisewasservorwärmung (nach [STR2009])
Abb. 3.19 Temperaturverlauf
in einem Oberflächenvorwärmer nach Art von Abb. 3.16
T
.
T5 (pe )
.
.
TE
TV
.
.
TF
T1
0
h1
hv
h
bei gestuften Massenströmen zurückgegriffen werden. Als Grenzfall für eine sehr hohe
Anzahl n von Vorwärmeinheiten ergibt sich die als n D 1 in Abb. 3.18 dargestellte
stetige ideale Anzapfung ohne Temperaturdifferenzen bei der Wärmeübertragung. Man
erkennt, dass bereits n D 8 diesem thermodynamischen Ideal sehr nahe kommt, so dass
aufgrund des Bauaufwandes und der Anlagenführung in der Praxis die Zahl n D 10 für
Grundlastkraftwerke nicht überschritten wird. Für Mittel- oder Spitzenlastkraftwerke werden wegen des Investitionsaufwandes üblicherweise weniger Vorwärmstufen eingebaut.
Es gibt verschiedene Bauformen für die Vorwärmeinheiten [TRA1966]. Bei dem in
Abb. 3.16 gewählten Oberflächenvorwärmer gibt der entnommene Dampfstrom seinen
Energieinhalt im Wärmetauscher ab, was prinzipiell auf die in Abb. 3.19 gezeigten Temperaturverläufe führt. Das eintretende Speisewasser wärmt sich dabei näherungsweise isobar
von T1 auf TV auf.
Der Anzapfdampfmassenstrom kühlt sich nach der Kondensation auf den nahe bei T1
liegenden Wert TF ab. Durch eine Drosselung von pE auf p0 wird dieser dann vor dem
Wärmetauscher dem Kondensatmassenstrom wieder zugemischt. Aus der Energiebilanz
P E hF /
m.h
P V h1 / D m.h
(3.52)
114
S. aus der Wiesche
Abb. 3.20 Dampfkraftprozess mit Mischvorwärmer: a Wärmeschaltbild, b Prozessverlauf im T,sDiagramm (Ausschnitt)
des adiabat angenommen Vorwärmers kann nach Vorgabe des Anzapfdruckes und des
Speisewasserzustandes der erforderliche Massenstromanteil bestimmt werden. Der anlagentechnische Vorteil dieser Bauform liegt darin, dass keine weitere Vorwärmpumpe
benötigt wird. Prinzipiell kann der Oberflächenvorwärmer auch mit einer zusätzlichen
Vorwärmpumpe für den Anzapfmassenstrom versehen werden, was aufgrund der geringen
Anzapfmassenströme nur einen begrenzten Mehraufwand erfordert, aber thermodynamisch etwas günstigere Temperaturdifferenzen ermöglicht.
Bei einer anderen Bauform, dem Mischvorwärmer wird der angezapfte Dampf direkt
mit dem Speisewasser vermischt, was thermodynamisch am günstigsten ist. Ein einfacher
Dampfkraftprozess mit einem Mischvorwärmer ist in Abb. 3.20 gezeigt. Der Anzapfdampf aus der Turbine wird direkt mit dem von der Kondensatpumpe KP gefördertem
Kondensatmassenstrom isobar vermischt und auf nahezu siedendes Wasser erwärmt. In
der anschließenden Kesselspeisepumpe KSP wird das vorgewärmte Wasser dem Dampferzeuger zugeführt. In der Praxis wird als Eintrittszustand der Kesselspeisepumpe kein
exakt gesättigter Zustand gewählt, da es dort ansonsten zu schweren Kavitationsschäden
(Dampfblasenbildung) kommen könnte. Dies kann durch ein auch aus anlagentechnischer Sicht günstiges Platzieren des Speisewasserbehälters in einer größeren Höhe erreicht
werden (Ausnutzung des geodätischen Drucks). Für überschlägige thermodynamische
Auslegungen wird dieser Unterschied aber oft vernachlässigt. Für jeden Mischvorwärmer
muss allerdings im Prozess eine Pumpe, die auf den vollen Massenstrom ausgelegt ist,
verwendet werden. Würde man daher eine Kette aus Mischvorwärmern aufbauen, dann
würden zusätzlich zur Kondensat- und Speisewasserpumpe weitere Pumpen für den vollen Kondensatmassenstrom nach jedem Mischvorwärmer erforderlich sein. Neben den
hohen Investitionskosten ist vor allem der Nachteil schwerwiegend, dass es im Falle des
Versagens auch nur einer dieser Pumpen zum Stillstand der gesamten Dampfkraftanlage
kommen würde. Im Sinn der Verfügbarkeit werden Kondensat- und Speisewasserpumpen
redundant ausgelegt, was allerdings bei Ausdehnung auf weitere Pumpen zu einer deutlichen Erhöhung der Kosten ohne eine wesentliche Erhöhung der Verfügbarkeit führen
würde.
3
Thermodynamik der Dampfkraftprozesse
115
Aus diesem Grunde wird in der Praxis neben einer Kette von Oberflächenvorwärmern
stets nur ein Mischvorwärmer in einer Dampfkraftanlage verwendet, der konstruktiv meist
zudem auch als Speisewasserbehälter und Entgaser ausgeführt ist. Auch Anlagen, die als
einfacher Prozess ausgelegt werden, enthalten üblicherweise einen Mischvorwärmer als
Entgaser und Speisewasserbehälter.
Bei der einstufigen Speisewasservorwärmung lässt sich unter der vereinfachenden Annahme, dass die spezifische dem Anzapfdampf zu entziehende Wärmemenge gleich der
entsprechenden Kondensatorwärmemenge sei, auch ein geschlossener Ausdruck für die
Abhängigkeit des thermischen Wirkungsgrades als Funktion des Anzapfanteils herleiten. Man findet nach einigen Umformungen
1 0
V 0
D
0
0
.0 /
1 .2 0 /
(3.53)
wobei 0 der thermische Wirkungsgrad ohne Vorwärmung ( D 0) und V den Kreisprozess mit Vorwärmung darstellt. Der optimale Anzapfanteil ergibt sich unter diesen Annahmen nach Gl. 3.53 zu
jopt D
0
2 0
(3.54)
Werden höhere Anzapfanteile als nach Gl. 3.54 gewählt, so nimmt die Erhöhung des
Wirkungsgrades durch die Anzapfung wieder ab. Nach Gl. 3.53 kann es bei wesentlich
höheren Anzapfmengen sogar zu einer Verschlechterung des thermischen Wirkungsgrades durch die Anzapfung kommen.
In der Regel werden bei großen Dampfkraftwerken mehrere Vorwärmstufen eingesetzt, deren einzelne Anzapfanteile im Bereich jeweils 3–6 % des Frischdampfmassenstroms betragen. Zusammen strömt daher nur rund 60 % des Frischdampfmassenstroms
durch die letzte Stufe eines großen Kondensationskraftwerks mit regenerativer Speisewasservorwärmung. Dies entlastet konstruktiv die Endstufenauslegung für die NiederdruckDampfturbinen, da die Zunahme des Volumenstroms aufgrund des stark angewachsenen
spezifischen Volumens v des Abdampfes durch eine Verringerung des Massenstroms teilweise kompensiert werden kann. Der Gesamtwirkungsgrad eines Kraftwerks ist stets Gegenstand der Optimierung. Für die regenerative Vorwärmung bedeutet dies, dass bei einer
hohen Anzahl n von Vorwärmeinheiten der thermische Wirkungsgrad des Kreisprozesses th bei Realisierung einer relativ hohen Kesseleintrittstemperatur TV optimal wird.
Das führt allerdings für einen fossil befeuerten Kessel dazu, dass sich das Rauchgas nicht
mehr als bis zu dieser relativ hohen Temperatur abkühlen kann. Für den Wärmeerzeuger
würde dies entsprechend hohe Kaminverluste nach sich ziehen, die den Gesamtwirkungsgrad des Kraftwerkes wieder reduzieren würden. In diesem Fall wird das Rauchgas daher
energetisch zur Vorwärmung der eintretenden Verbrennungsluft verwendet, damit für das
Gesamtsystem tatsächlich eine optimale Auslegung resultiert.
116
S. aus der Wiesche
Die Vorwärmung der eintretenden Luft vor der Verbrennung durch das Rauchgas kann
bei einem kombinierten Gas- und Dampfkraftprozess nicht durchgeführt werden, da die
Wärmezufuhr in der Brennkammer der Gasturbine erfolgt und hier eine weitere Vorwärmung der Luft sehr nachteilig für den Gasturbinenprozess ist [SAR2015]. Aus diesem
Grund resultiert für einen unbefeuerten Abhitzekessel eines kombinierten Kraftwerksprozesses durch eine forcierte regenerative Speisewasservorwärmung kein Vorteil. Diese Art
von Dampfkraftprozessen arbeitet daher nur mit einer minimalen Vorwärmung, die meist
für Entgasungszwecke im Bereich von rund 60 ı C durchgeführt wird [KEH2009]. Auf
die entsprechende Prozessführung bei kombinierten Gas- und Dampfkraftprozessen wird
nachfolgenden noch näher eingegangen.
3.6 Großkraftwerke auf Basis von Kohle
Das grundsätzliche Anlagenschema eines klassischen Kohlekraftwerks ist in Abb. 3.21
anhand eines vereinfachten Wärmeschaltplans für eine typische konservative Ausführung
dargestellt. Als wirkungsgradsteigernde Maßnahmen kann die einfache Zwischenüberhitzung sowie die Wahl von 7 Oberflächenvorwärmeinheiten aus Abb. 3.21 abgelesen
werden. Der Speisewasserbehälter mit Entgaserfunktion ist als Mischvorwärmer zwischen
den Niederdruck- und den Hochdruckvorwärmeinheiten geschaltet. In Abb. 3.21 sind ausgewählten Prozessparameter und insbesondere die Frischdampfzustände eingetragen. Der
thermische Wirkungsgrad des Dampfkraftprozesses beträgt bei dem in Abb. 3.21 gezeigten Beispiel D 41 %.
Kraftwerke nach Art des in Abb. 3.21 gezeigten Beispiels sind seit den 1950er-Jahren
verfügbar und repräsentativ für die Mehrzahl der weltweit eingesetzten Kohlekraftwerke. Längere Zeit blieben bei Großkraftwerken aus Wirtschaftlichkeitsgründen die Frischdampfparameter im Bereich von tFD D 530 ı C und pFD D 200 bar begrenzt, was auf
Netto-Wirkungsgrade um D 36–38 % führt [STE1988]. Durch eine Vielzahl von Fortschritten konnten die Wirkungsgrade der modernen Kohlekraftwerke signifikant im Laufe
der Jahrzehnte erhöht werden.
In Abb. 3.22 sind die Verbesserungen des Nettowirkungsgrades aufgrund von einzelnen
technischen Maßnahmen in ihrer Größenordnung graphisch veranschaulicht. Die Senkung
des Luftüberschusses bei der Verbrennung führt zu einer Erhöhung der mittleren Rauchgastemperatur, die sich exergetisch positiv auswirkt. Ebenso wirkt sich eine Senkung der
Kamintemperatur von 130 auf 120 ı C günstig aus. Ein sehr großes Potential weist die
Erhöhung der Frischdampfzustände auf. Durch den Einsatz von teureren Werkstoffen werden heute für ausgewählte Anlagen wieder fortgeschrittenere Temperaturen im Bereich
von 600 ı C und überkritische Drücke gewählt [LEY2007].
Diese Anlagen weisen teilweise anstelle der einfachen, die doppelte Zwischenüberhitzung auf, was auch bezüglich der Endnässe vorteilhaft ist. Hauptgrund für diese Entwicklung zu effizienteren Kraftwerken ist die CO2 -Problematik, die einen nicht unerheblichen
politischen Druck auf die Betreiber von Kohlekraftwerken ausübt. Die Absenkung des
3
Thermodynamik der Dampfkraftprozesse
117
Abb. 3.21 Wärmeschaltplan für ein klassisches Kohlekraftwerk (aus Schulungsunterlagen des
VGB)
Kondensatordruckes am „kalten Ende“ des Dampfkraftprozesses von pK D 0;065 bar auf
Werte bis zu pK D 0;03 bar, was einer Sättigungstemperatur von tK D 24 ı C entspricht,
wirkt sich sehr stark auf den Wirkungsgrad aus. Diese Maßnahme formuliert allerdings
hohe Ansprüche an den Kondensator und an die Rückkühlanlage.
Zudem erhöht sich bei diesen niedrigen Dampfdrücken der in den Endstufen der
Dampfturbine zu verarbeitenden Volumenstrom massiv, was auf technische Herausforderungen für den Dampfturbinenbau führt. Andererseits zeigt sich bei der Analyse des
118
S. aus der Wiesche
Abb. 3.22 Auswirkung der Maßnahme zur Erhöhung des Netto-Wirkungsgrades eines Kohlekraftwerks (nach Angaben aus [TER2001])
„kalten Endes“ von bestehenden Dampfkraftwerken, dass häufig hier noch interessante
Optimierungsreserven liegen können [STE1988]. In Tab. 3.1 sind die technischen Daten eines modernen Braunkohlekraftwerkes (Braunkohle mit optimierte Anlagentechnik
BoA) zusammengefasst, die den Stand der Technik aus dem Jahre 2000 repräsentiert. Die
heute verfügbaren und erprobten Maßnahmen zur Erhöhung der Netto-Wirkungsgrade
von Kohlekraftwerken gestatten Werte von über D 45 % bezogen auf den unteren Heizwert. Prinzipiell würden zukünftige Kraftwerke, die mit 700 ı C-Temperaturen arbeiten,
sogar Wirkungsgrade in der Größenordnung von 50 % aufweisen können [LEY2007].
Ob allerdings solche Kraftwerke aufgrund ihrer hohen Investitionskosten wirtschaftlich
rentabel betrieben werden könnten, ist derzeit eher fraglich. Anderseits würde eine solche
fortschrittliche Kohleverstromung ein bislang ungenutztes hohes Potential zur Reduzierung des CO2 -Ausstoßes ausnutzen.
Eine Orientierung, welches Verhältnis zwischen Aufwand und Wirkungsgrad für ein
kohlebefeuertes Kraftwerk derzeit marktfähig ist, kann das im Jahre 2013 fertiggestellte
US-Kraftwerk „John W. Turk, Jr.“ geben. Dieses 600-MW-Kraftwerk arbeitet mit einem
Dampfzustand vor dem HD-Turbineneintritt von 3500 psig und 1110 ı F (241 bar und
599 ı C) und einer einfachen Zwischenüberhitzung mit 736 psig und 1125 ı F (51 bar und
607 ı C), was im Sommer bei einem Kondensatordruck von pK D 3;15 inch Hg (107 mbar)
einen Netto-Kraftwerkswirkungsgrad von D 39–40 % ermöglicht [PEL2013]. Der zunächst einmal relativ hoch erscheinende Kondensatordruck ergibt sich aus der eingesetzten
Rückkühlanlage und den Standortbedingungen.
3
Thermodynamik der Dampfkraftprozesse
119
Tab. 3.1 Technische Daten eines modernen Braunkohlekraftwerkes
Prozessparameter
Anlagenschema
Dampfparameter
Dampferzeuger
Feuerungsleistung Dampferzeuger
Wärmeleistung Dampferzeuger
Nutzleistung Turbosatz
Elektrische Klemmenleistung
Abgegebene elektrische Leistung
Elektrischer Eigenbedarf
Turbospeisepumpenleistung
Netto-Wirkungsgrad
Daten
Einfache Zwischenüberhitzung
Turbosatz: HD–MD–ND (6-flutig)
4 ND-Vorwärmer, 2 HD-Vorwärmer (tV D 270 ıC)
pFD D 260 bar und tFD D 550 ıC
pZÜ D 46;5 bar und tFD D 580 ıC
Kondensatordruck pK D 0;0342 bar (x D 0;884)
Kesseleintrittsdruck 311,2 bar
Braunkohle mit Hu D 9700 kJ/kg
Luftzahl D 1;15
Kesselwirkungsgrad K D 92;6 %
Dampfmassenstrom 3334 t/h
1732 MW
1600 MW
894,3 MW
880,0 MW
835,4 MW
44,6 MW
26,6 MW
42,8 % (entspricht Wärmebedarf 8416,4 kJ/kWh)
3.7 Dampfkrafttechnische Auslegung von Kernkraftwerken
Die Auslegung der Dampfkraftprozesse bei Kernkraftwerken unterscheidet sich deutlich
von denen der fossil befeuerten Anlagen. Grund hierfür sind die bei den heute dominierenden Leichtwasserreaktoren auftretenden Frischdampfzustände, die im Bereich von 50
bis 70 bar und Temperaturen um 320 ı C liegen [STR2009, SMI1976]. Man spricht daher
auch von Sattdampfprozessen, da die entsprechenden Expansionsverläufe in den Turbinen größtenteils nahe der Sättigungslinie im Nassdampfgebiet verlaufen. Dies führt neben
dem Problem der Nässe in den Turbinenstufen unmittelbar zu nur mäßigen thermodynamischen Mitteltemperaturen, was die Begrenzung der thermischen Wirkungsgrade von
Leichtwasser-Kernkraftwerken auf Werte zwischen D 33–36 % erklärt.
Anhand des in Abb. 3.23 gezeigten Vergleichs der Prozessverläufe im T,s-Diagramm
können leicht die wesentlichen dampfkrafttechnischen Unterschiede zwischen einem typischen unterkritischen fossilen Dampfkraftprozess und einem Kernkraftwerksprozess verdeutlicht werden. Bei einem fossil befeuerten Dampfkraftprozess liegen die Frischdampfzustände wesentlich höher als bei einem Leichtwasserreaktor-Kernkraftwerk. Das Konzept der einfachen Zwischenüberhitzung führt bei einem fossil befeuerten Kraftwerk aufgrund der höheren thermodynamischen Mitteltemperatur TmZÜ der Zwischenüberhitzung
gegenüber der Mitteltemperatur TmHD des Hochdruck-Teilprozesses zu einer Erhöhung
des thermischen Wirkungsgrades.
120
S. aus der Wiesche
Abb. 3.23 Vergleich der Prozessführungen: a fossil befeuert und b Leichtwasserreaktor-Kraftwerk
Bei dem in Abb. 3.23 gezeigten Prozessverlauf für einen Sattdampfprozess eines Kernkraftwerkes führt die Zwischenüberhitzung sogar zu einer leichten Verschlechterung des
thermischen Wirkungsgrades, da diese die Mitteltemperatur der Wärmeaufnahme leicht
absenkt. Sie wird aufgrund ihres sekundären Vorteils, nämlich der Vermeidung von unvertretbar hohen Werten der Dampfnässe, angewendet [BOH1985]. Die Prozessführung
bei einem Leichtwasserreaktor-Kernkraftwerk erfordert während des Expansionsverlaufes
Maßnahmen zur Wasserabscheidung, um Werte von 10 % Nässe nicht zu überschreiten.
Hierfür wird neben einer mechanischen Entwässerung auch die Zwischenüberhitzung
verwendet. Um das zweimalige Führen von Dampf durch Reaktorsicherheitsbehälter zu
vermeiden, findet die Zwischenüberhitzung des teilexpandierten Dampfes bei Kernkraftwerken mit einem Teil des Frischdampfes in einem Wärmeübertrager statt. Der damit
verbundene Exergieverlust muss sorgfältig mit den anlagentechnischen Vorteilen abgewogen werden.
Der nur mäßige thermische Wirkungsgrad und vor allem die hohen spezifischen Anlagenkosten führen dazu, dass die Wirtschaftlichkeit eines Kernkraftwerkes nur bei verhältnismäßig großen Nennleistungen im Bereich von 1300 MW gegeben ist. Ein vereinfachter
Wärmeschaltplan eines Kernkraftwerks mit Druckwasserreaktor ist in Abb. 3.24 gezeigt.
Der Reaktor hat eine thermische Leistung von über 3700 MWth , und wird durch den
Primärkreislauf gekühlt. In einem Dampferzeuger wird der Wärmestrom auf den Sekundärkreislauf, der mit Frischdampf von rund 54 bar arbeitet, übertragen. Zwischen den HDund ND-Teilturbinen findet eine Zwischenüberhitzung und eine Wasserabscheidung statt.
Auch beim Kernkraftwerksprozess kann der thermische Wirkungsgrad durch Anwendung
der mehrstufigen regenerativen Vorwärmung erhöht werden.
3
Thermodynamik der Dampfkraftprozesse
121
Abb. 3.24 Vereinfachter Wärmeschaltplan eines 1300 MW-Kernkraftwerks mit Druckwasserreaktor (Angaben entsprechen dem Kernkraftwerk Biblis B)
3.8
Kombinierte Gas- und Dampfkraftprozesse
Die Kombination eines Gasturbinenprozesses (topping cycle) mit einem nachgelagerten
Dampfkraftprozess (bottoming cycle), der seine Wärme durch einen Abhitzekessel erhält,
ist aus thermodynamischer Sicht geeignet, die exergetischen Nachteile der beiden Einzelprozesse mit ihren Vorteilen zu kompensieren. Der vereinfachte Wärmeschaltplan einer
solchen Anlage ist in Abb. 3.25 schematisch dargestellt. Die hohe Exergie des Abgases
der Gasturbine, dessen Temperatur bei typischen Ausführungen im Bereich von 500 bis
650 ı C liegt, kann für die Erzeugung von attraktiven Frischdampfzuständen im Abhitzekessel effizient genutzt werden. Umgekehrt besteht die Abwärme des nachgelagerten
Dampfkraftprozesses aufgrund der geringen Kondensatordrücke praktisch nur aus Anergie, so dass zusammen mit dem hohen Temperaturniveau bei der Wärmeaufnahme in der
Gasturbine der Gesamtwirkungsgrad der kombinierten Gas- und Dampfkraftanlage sehr
attraktiv werden kann. Der hohe thermische Wirkungsgrad des kombinierten Prozesses
kann leicht anhand der nachfolgenden Analyse begründet werden. Der thermische Wir-
122
S. aus der Wiesche
Abb. 3.25 Vereinfachter Wärmeschaltplan einer
kombinierten Gas- und Dampfkraftanlage
kungsgrad des kombinierten Prozesses ergibt sich aus den beiden Nutzleistung für die
Gasturbine und den Dampfkraftprozess sowie dem eingesetzten Brennstoffstrom gemäß
GTCDT D
jPGT j C jPDT j
:
m
P B;GT Hu;GT C m
P B;DT Hu;DT
(3.55)
In Gl. 3.55 wurde explizit die Möglichkeit einer Zusatzfeuerung für den Dampfkraftprozess berücksichtigt. Den Anteil der Zusatzfeuerung kann durch den Faktor
bD
m
P B;DT Hu;DT
m
P B;GT Hu;GT
(3.56)
erfasst werden, der das Verhältnis der zugeführten Wärmeleistung aufgrund der Zusatzfeuerung und der Gasturbine darstellt. Der Fall b D 0 entspricht einem Abhitzekessel
ohne Zusatzfeuerung. Die thermischen Wirkungsgrade der beiden Einzelprozesse sind jeweils durch
GT D
jPGT j
m
P B;GT Hu;GT
(3.57)
DT D
jPDT j
QP zu;DT
(3.58)
3
Thermodynamik der Dampfkraftprozesse
123
gegeben. Als Ausnutzungsgrad A des Abhitzekessels definiert man das Verhältnis
A D
QP zu;DT
P A .hA .tA / hA .t0 //
QP zu;DT C m
:
(3.59)
Die Abgastemperatur tA beim Kaminaustritt liegt zur Vermeidung von Korrosion im Bereich von 70 bis 100 ı C. Eine Leistungsbilanz unter Einbeziehung der obigen Beziehungen
ergibt für die Gasturbine mit Abhitzekessel
P B;DT Hu;DT D jPGT j C QP zu;DT C m
P A .hA .tA / hA .t0 //;
m
P B;GT Hu;GT C m
(3.60)
woraus nach Umformungen für den thermischen Wirkungsgrad des kombinierten Prozesses
GTCDT D A DT C
GT
.1 A DT /
1Cb
(3.61)
folgt.
Thermodynamisch verringert die Zusatzfeuerung den thermischen Wirkungsgrad der
kombinierten Anlage, so dass man bei Großkraftwerken heute oft b D 0 wählt, woraus
aus Gl. 3.61 die häufig verwendete Beziehung
GTCDT D GT C A DT .1 GT /
(3.62)
resultiert.
Der thermische Wirkungsgrad des kombinierten Prozesses liegt über dem des einfachen
Gasturbinenprozesses und des Clausius-Rankine-Prozesses. Aufgrund der Ausnutzung im
Abhitzekessel und der von den Abgaszuständen abhängenden Beziehungen für den thermischen Wirkungsgrad DT des Dampfkraftprozesses gibt es ein Optimum, was man nicht
durch eine bloße Maximierung des Gasturbinenwirkungsgrades GT erreicht. Bei der Konzeption eines kombinierten Gas- und Dampfturbinenkraftwerks steht die Optimierung des
Gesamtwirkungsgrades im Vordergrund, woraus sich die Anforderungen an die Einzelprozesse sowie den Abhitzekessel ergeben. Aufgrund der hohen Wirkungsgrade und der
wirtschaftlichen Vorteile haben sich in der Vergangenheit kombinierte Gas- und Dampfkraftprozesse weltweit seit den 1990er-Jahren massiv bei Neubauprojekten durchsetzen
können [KEH2009].
Anlagentechnisch spricht man bei dem in Abb. 3.25 gezeigten Dampfkraftprozess auch
von einem Eindruck-Prozess, der im Wesentlichen einem einfachen Clausius-RankineProzess entspricht. Bei kombinierten Kraftwerksprozessen wird auf die forcierte Anwendung der regenerativen Speisewasservorwärmung verzichtet, da eine starke Anhebung der
Kesseleintrittstemperatur die Kaminverluste im Abhitzekessel vergrößern würde. Im Gegensatz zu einem rein fossil befeuerten Dampfkraftwerk kann dieser Verlust nicht durch
124
S. aus der Wiesche
eine Vorwärmung der Lufteintrittstemperatur kompensiert werden. Die in Abb. 3.25 gezeigte Anzapfung dient maßgeblich der Entgasung im Speisewasserbehälter. Dessen Temperaturniveau liegt üblicherweise bei rund 60 ı C, was somit auch der Kesseleintrittstemperatur entspricht. Die Vermeidung der regenerativen Speisewasservorwärmung bei kombinierten Gas- und Dampfkraftwerken kann auch direkt mit Gl. 3.55 begründet werden.
Eine Maximierung der Leistung PDT des Dampfkraftprozesses wirkt sich positiv auf den
Gesamtwirkungsgrad aus, was nur durch eine Vermeidung von Anzapfdampfströmen erfüllt werden kann.
Aufgrund der hohen Abgastemperaturen der Gasturbinen können für den nachfolgenden Dampfkraftprozess Frischdampftemperaturen erreicht werden, die in der Größenordnung von reinen fossil-befeuerten Dampfkraftwerken liegen. Man wählt aber bei einem
kombinierten Dampfkraftprozess deutlich niedrigere Frischdampfdrücke. Dies liegt daran, dass sich bei hohen Frischdampfdrücken zwar der Teilwirkungsgrad DT verbessern
kann, aber insgesamt für den Gesamtwirkungsgrad des kombinierten Eindruck-Prozesses
aufgrund der schlechteren exergetischen Ausnutzung im Abhitzekessel eine Verschlechterung resultiert. Näheres hierzu kann der Literatur [KEH2009, DOL2001, BOY2010]
entnommen werden.
Eine Verbesserung des Wirkungsgrades des kombinierten Prozesses kann durch die
Wahl eines Mehrdruck-Prozesses für die Dampfkraftanlage ermöglicht werden. Ein Beispiel für einen Dreidruck-Prozess zeigt der in Abb. 3.26 gezeigte Wärmeschaltplan. Bei
diesem Dreidruck-Prozess wird der Dampfturbine Dampfmassenströme bei drei verschiedenen Drücken zugeführt. Der Dampfmassenstrom nimmt bei einem solchen Prozess
mit der Entspannung zu, im Gegensatz zu den Prozessen mit regenerativer Speisewasservorwärmung und entsprechenden Anzapfstellen. Die Wahl von drei Drücken hilft, die
exergetische Ausnutzung des Gasturbinenabgases im Abhitzekessel zu erhöhen. Zu beachten ist aber, dass bei diesem Beispiel die zusätzlichen Dampfmassenströme relativ klein
im Vergleich zum Hochdruckdampf sind. Die dadurch möglichen Verbesserungen des Gesamtwirkungsgrades des kombinierten Kraftwerks müssen sorgfältig mit der Erhöhung
der Anlagenkomplexität und des Investitionsaufwandes abgewogen werden. In der Praxis
macht es daher keinen Sinn, mehr als drei Drücke zu wählen. Auch sind die resultierenden
Wirkungsgradverbesserungen des Dreidruck-Prozesses ohne Zwischenüberhitzung, wie
er in Abb. 3.26 gezeigt ist, bezüglich eines Zweidruck-Prozesses nur marginal. Eine signifikante Verbesserung kann bei Wahl eines Dreidruck-Prozesses mit Zwischenüberhitzung
realisiert werden. Ein Beispiel für einen entsprechenden Wärmeschaltplan zeigt Abb. 3.27.
Das Konzept des Dreidruck-Prozesses ist hier durch eine volle Zwischenüberhitzung erweitert worden. Bei Mehrdruck-Prozessen ergeben sich im Entspannungsverlauf in der
Dampfturbine im T,s-Diagramm qualitative Unterschiede im Vergleich zu denen von klassischen Kohlekraftwerken. Hintergrund hierfür ist das Vermeiden der regenerativen Speisewasservorwärmung bei einem nachgeschalteten Dampfkraftprozess und die Wahl von
mehreren Druckstufen im Abhitzekessel.
Zudem unterscheidet man bei Mehrdruck-Prozessen die volle Zwischenüberhitzung
(Abb. 3.27) von der milden Zwischenüberhitzung, wie sie bei einem Mehrdruckprozess
3
Thermodynamik der Dampfkraftprozesse
125
Abb. 3.26 Wärmeschaltplan
einer kombinierten Gas- und
Dampfkraftanlage mit einem
Dreidruck-Prozess ohne Zwischenüberhitzung
ohne Zwischenüberhitzung auftritt (Abb. 3.26). Die beiden Arten der Zwischenüberhitzung bei einem Dreidruck-Prozess sind anhand von Entspannungsverläufen im T,sDiagramm schematisch in Abb. 3.28 vergleichend dargestellt. In Abb. 3.28 stellt Teil a den
Fall der milden Zwischenüberhitzung dar, wie er beim Dreidruck-Prozess von Abb. 3.26
aufgrund der Zumischung des Mitteldruckdampfes (MD) auftritt. Die Zumischung des
Niederdruckdampfes (ND) bei rund 5 bar führt zu einem Verschieben des Niederdruckexpansionsanfangs. Die milde Zwischenüberhitzung hat zwar einen positiven Effekt auf
die resultierende Endnässe, da allerdings bei dem in Abb. 3.26 gezeigten Dreidruckprozess kein Niederdruck-Überhitzer vorhanden ist, wird dieser Vorteil im Niederdruckteil
wieder relativiert. Die in Abb. 3.28 in Teil b gezeigte volle Zwischenüberhitzung führt zu
einer signifikanten Verringerung der Endnässe, was ebenfalls als Vorteil des in Abb. 3.27
gezeigten Anlagenschemas gewertet werden kann.
126
S. aus der Wiesche
Abb. 3.27 Wärmeschaltplan
einer kombinierten Gas- und
Dampfkraftanlage mit einem
Dreidruck-Prozess mit Zwischenüberhitzung
Abb. 3.28 Zwischenüberhitzung bei Dampfkraftprozessen in kombinierten Gas- und Dampfkraftwerken: a Milde Zwischenüberhitzung b Volle Zwischenüberhitzung bei einem Dreidruck-Prozess
3
Thermodynamik der Dampfkraftprozesse
127
3.9 Dampfkraftprozesse mit Kraft-Wärme-Kopplung
Bei der Erzeugung elektrischer Energie durch Wärmekraftmaschinen fallen aufgrund der
begrenzten thermischen Wirkungsgrade große Abwärmeströme an, die durch Rückkühlwerke aufwendig in die Umgebung abgeführt werden müssen. Bei einem ausschließlich
auf die Erzeugung von elektrischer Leistung ausgelegten Kraftwerk ist diese Abwärme
aber exergetisch wertlos und stellt einen reinen Ballast dar. Sehr häufig werden aber neben
elektrischer Energie auch Heiz- oder Prozesswärmeströme von Verbrauchern angefordert,
so dass es konzeptionell nahe liegt, die Abwärme einer Wärmekraftmaschine hierfür zu
nutzen. Ein Kraftwerk, das gleichzeitig elektrische Energie und Nutzwärme erzeugt, wird
Heizkraftwerk genannt. Die gleichzeitige Erzeugung der beiden Energieformen bezeichnet man auch als Kraft-Wärme-Kopplung.
Zur Maximierung des thermischen Wirkungsgrades wird bei Kondensationsdampfkraftwerken eine Minimierung des Kondensatordruckes und somit auch der Abdampftemperatur angestrebt. Abwärmeströme, deren Temperaturniveau nahe bei der Umgebungstemperatur liegen, weisen praktisch nur Anergie auf und können nicht sinnvoll genutzt
werden. Andererseits kann der Abdampfdruck bewusst höher gewählt werden, so dass die
Abwärme bei einem für Heiz- und Prozesswärmeanwendungen attraktiven Temperaturniveau erfolgen kann. In diesem Fall spricht man anstelle von einer Kondensationsdampfturbine auch von einer Gegendruckdampfturbine. Bei dieser findet nach der Überhitzung
nur eine Teilentspannung statt, was konstruktiv für die Dampfturbine aufgrund der deutlich geringeren Volumenströme in den Endstufen ebenfalls vorteilhaft ist. Eine weitere
Möglichkeit, aus einem Dampfkraftprozess Nutzwärme bzw. Prozessdampf zu gewinnen,
ist durch den Einsatz von Entnahmedampfturbinen möglich. Bei diesen wird der Bedarf
des Heizkreislaufs durch eine geregelte Dampfentnahme gedeckt. Der Restdampf wird in
den nachfolgenden Turbinenstufen entspannt. Die Heizwärmeauskopplung kann bei einer Entnahmedampfturbine mit Hilfe von Heizkondensatoren erfolgen, die eine gewisse
Ähnlichkeit mit Vorwärmern der regenerativen Speisewasservorwärmung haben. Im letzteren Fall dient aber der Anzapfdampf der Erhöhung des thermischen Wirkungsgrades
des Kraftwerkes und wird exergetisch im Dampfkraftprozess genutzt. Im Gegensatz hierzu reduziert die Entnahme von Dampf für Bereitstellung von Nutzwärme den elektrischen
Wirkungsgrad.
Die drei Grundformen von einfachen Dampfkraftprozessen sind in Abb. 3.29 anhand
ihrer zugehörigen Wärmeschaltbilder gezeigt. In Abb. 3.29 ist in Teil a der einfache
Clausius-Rankine-Prozess ohne Restwärmenutzung dargestellt. Bei der Entnahmedampfturbine (Abb. 3.29, Teil b) kann für einen Verbraucher direkt Prozessdampf ausgekoppelt
werden. Wird nur Nutzwärme benötigt, so kann in einem Heizkondensator der Entnahmedampf exergetisch verwertet werden. Bei der in Teil c gezeigten Gegendruckdampfturbine
hängt der Gegendruck vom gewünschten Temperaturniveau im Heizkreislauf ab. Diese
Anlagenform ist früher häufiger eingesetzt worden. Heute wird sie eher vermieden, da
üblicherweise das Verbrauchsverhalten bezüglich elektrischer Energie und Wärme nicht
konstant ist.
128
S. aus der Wiesche
Abb. 3.29 Gegenüberstellung von einfachen Dampfkraftprozessen. a Kondensationsdampfturbine,
b Entnahmedampfturbine, c Gegendruckdampfturbine
Bei wechselnden Anforderungen bieten Entnahmedampfturbinen Vorteile bezüglich
ihrer Wirkungsgrade und der Flexibilität. Andererseits können Gegendruckdampfturbinen im Vergleich zu Kondensationsdampfturbinen relativ preiswert gebaut werden, da die
teuren Endstufen entfallen [TER2001]. Entnahmedampfturbinen besitzen im Gegensatz
zu Kondensationsdampfturbinen noch ein Regelventil für den Entnahmedampf. Bei der
regenerativen Speisewasservorwärmung spricht man von einer Anzapfung (im Gegensatz zu einer Entnahme), weil hierfür keine Druckregelung erforderlich ist. Zu beachten
ist, dass im anschließenden Niederdruckteil die Entnahmedampfturbine nicht ventilieren
darf, da dies zu unzulässigen Erwärmungen bis hin zum Anschmelzen des Materials
führen kann (siehe Kap. 13). Die Niedertruckteile einer Entnahmedampfturbine können
für den Kondensations- oder den Gegendruckbetrieb ausgelegt werden. In Abb. 3.29b
wurde eine Entnahme-Kondensationsdampfturbine gezeigt. In diesem Fall müssen wegen
des reduzierten Abdampfmassenstroms die Strömungsquerschnitte im Turbinenaustrittsbereich nicht so stark zunehmen, wie bei reinen Kondensationsdampfturbinen (siehe
Abb. 3.29a).
3.9.1 Kenngrößen für Kraft-Wärme-Kopplungen
Heizkraftwerke liefern zwei Produkte, nämlich elektrische Energie und Nutzwärme. Aus
diesem Grunde reicht für ihre Charakterisierung die Angabe einer Kenngröße nicht aus.
Eine häufig verwendete Kenngröße ist der Nutzungsfaktor
ˇ ˇ
jPel j C ˇQP N ˇ
;
(3.63)
!N D
m
P Br Hu
der nicht mit einem thermischen Wirkungsgrad verwechselt werden darf, da in der
Definition Gl. 3.63 zwei exergetisch unterschiedliche Größen im Zähler mit einander ver-
3
Thermodynamik der Dampfkraftprozesse
129
bunden sind. Es können in Heizkraftwerken leicht Nutzungsfaktoren von deutlich über
80 % realisiert werden. Neben dem Nutzungsfaktor kann die Stromausbeute
!el D
jPel j
;
m
P Br Hu
(3.64)
verwendet werden. Diese entspricht formal zwar einem thermischen Wirkungsgrad, aber
für Heizkraftwerke ist dies Angabe alleine nicht sinnvoll. Die Stromzahl
jPel j
!Dˇ ˇ
ˇQP N ˇ
(3.65)
kann ebenfalls als Kenngröße für Heizkraftwerke herangezogen werden. In den USA ist
die sog. PURPA Efficiency
!PURPA
ˇ ˇ
jPel j C 12 ˇQP N ˇ
D
m
P Br Hu
(3.66)
gebräuchlich, bei der der Nutzwärmestrom gegenüber der elektrischen Leistung durch den
Faktor 1=2 formal abgewertet ist [BOY2010]. Als formale Grenzfälle ergeben sich aus den
obigen Definitionen direkt die Beziehungen für das reine Kraftwerk bzw. Heizwerk. Die
Bewertung der Fernwärme unterliegt in Deutschland einem aufwendigen Regelwerk, auf
das an dieser Stelle nur hingewiesen werden soll.
3.9.2 Mehrstufige Vorwärmsäulen
Bei einem klassischen Heizkraftwerk ist der dominierende Anwendungsfall meist die Bereitstellung von Heißwasser. Zur Reduzierung von exergetischen Verlusten aufgrund der
endlichen Temperaturdifferenz setzt man hierfür bevorzugt mehrstufige Vorwärmsäulen
ein, deren Prinzip in Abb. 3.30 anhand eines Beispiels mit drei Stufen veranschaulicht ist.
Der gesamte Frischdampfmassenstrom m
P F teilt sich dabei in die drei Teilmassenströme
P E2 und m
P G auf. In den Vorwärmstufen wird das eintretende Prozesswasser insgem
P E1 , m
samt von der Rücklauftemperatur tR auf die Vorlauftemperatur tV erwärmt. Dampfseitig
liegt in den Vorwärmstufen die zu den Drücken entsprechenden Sättigungstemperaturen
an. Für eine vorgegebene Gesamtwärmeabgabe QP H müssen die einzelnen Temperaturstufen Ti der Vorwärmsäulen anhand einer exergetischen Optimierung ermittelt werden.
Hierfür ist die Minimierung des Gesamtexergiestroms des abgeführten Wärmestroms
EP Q D QP H
X
i
Tu
qi 1 Ti
(3.67)
130
S. aus der Wiesche
Abb. 3.30 Klassisches Heizkraftwerk mit mehrstufiger Vorwärmsäule: Wärmeschaltbild (a) und
Temperaturverlauf (b)
maßgeblich. In Gl. 3.67 bezeichnet qi den i-ten Anteil des Wärmestroms. Es gilt für die
Anteile die Normierungsbedingung
X
qi D 1:
(3.68)
i
Nimmt man eine für alle Stufen i konstante Grädigkeit T für die Wärmeübertragung
vom Dampf auf das Prozesswasser an, so ergibt die Minimierung von Gl. 3.61 unter Beachtung der Nebenbedingungen die einfache Relation
T2
Tn
T1
D
D ::: D
:
T0
T1
Tn1
(3.69)
Über die Dampfdruckkurve können nach der Bestimmung der Temperaturstufen Ti direkt
die zugehörigen Drucke pi ermittelt werden. Mit den Bezeichnungen Tn D TV C T und
T0 D TR C T gilt aufgrund von Gl. 3.69 auch mit der Anzahl n der Vorwärmstufen
Ti
D
Ti 1
Tn
T0
1=n
:
(3.70)
3.9.3 Kraft-Wärme-Kopplung bei Großkraftwerken
Besteht ein hoher Bedarf an Prozesswärme, so bietet sich eine großtechnische Ausführung
eines Heizkraftwerkes an.
Im Gegensatz zu den kleineren Ausführungen nutzt man bei großtechnischen Ausführungen die Vorwärmstufen des Dampfkreislaufs auch für die Auskopplung der Prozesswärme. Dies ist anhand eines Ausführungsbeispiels in Abb. 3.31 illustriert. Heizkraftwerke dieser Art können sehr flexibel auf sich verändernde Leistungs- bzw. Wärmestromanforderungen reagieren. Das in Abb. 3.31 gezeigte Heizkraftwerk hat im Falle der reinen
Stromerzeugung eine Nennleistung von 390 MW (elektrisch), die auf 360 MW (elektrisch)
Literatur
131
Abb. 3.31 Schaltschema eines größeren Heizkraftwerks zur Auskopplung von Fernwärme und Prozessdampf (aus [KUG1990])
bei gleichzeitiger Abgabe einer thermischen Wärmeleistung von 295 MW sinkt. Es wird
Fernwärme auf zwei Fernwärmeschienen angeboten (rechts in Abb. 3.31 gezeigt). Daneben stellt die in Abb. 3.31 gezeigte Anlage auch Prozessdampf bei 4 bar bereit.
Literatur
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132
S. aus der Wiesche
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4
Strömungstechnische Grundlagen der Turbinen
Franz Joos
4.1
Einleitung
Während die Thermodynamik grundlegend aufzeigt, welche Zustandsänderung ein Arbeitsfluid durchlaufen muss, wenn aus Wärme technisch nutzbare Arbeit gewonnen werden soll, definiert die Strömungsmechanik die Geometrie der Strömungskanäle, um den
gewünschten Energieaustausch zwischen Fluid und Wand zu bewirken. Beide Erkenntnisse definieren die Geometrie der Strömungsmaschine, wie im Folgenden grundlegend
dargestellt wird.
Oft stellt sich die Aufgabe, eine bestehende Turbine weiter zu entwickeln oder aber
grundlegende Versuche in einem anderen Maßstab durchzuführen. Die Übertragung der
Ergebnisse auf die endgültige Ausführung erfolgt dann unter Zuhilfenahme der Ähnlichkeitstheorie über dimensionslose Kennzahlen. Stellenweise haben sich aber auch historisch begründete dimensionsbehaftete Darstellungen erhalten. Einleitend sollen die gängigsten Darstellungen zusammengestellt werden.
4.2 Kennzahlen
Die komplexen, mehrdimensionalen Strömungszustände der Strömungsmaschinen lassen
sich zur Auslegung der Maschinen nicht genügend genau theoretisch erfassen. Deshalb
sind in der Regel Modellversuche erforderlich. Die Übertragung der in Modellversuchen
gewonnenen Erkenntnisse bzw. die Erkenntnisse bekannter Ausführungen auf das Original, aber auch die Vorschrift, unter welchen geometrischen und strömungstechnischen
Verhältnissen die Versuche durchzuführen sind, wird anhand von ÄhnlichkeitsbetrachtunF. Joos ()
Helmut-Schmidt-Universität, Universität der Bundeswehr Hamburg
Hamburg, Deutschland
E-Mail: joos@hsu-hh.de
© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2018
S. aus der Wiesche, F. Joos (Hrsg.), Handbuch Dampfturbinen,
https://doi.org/10.1007/978-3-658-20630-7_4
133
134
F. Joos
gen bewerkstelligt. Die Modellgesetze der Ähnlichkeitstheorie bilden somit die Grundlage
für das umfangreiche Versuchswesen.
4.2.1
Ähnlichkeitstheorie, dimensionslose Kennzahlen
Um zwei Strömungsvorgänge einer Strömungsmaschine miteinander vergleichen zu können, müssen folgende Bedingungen bestmöglich erfüllt sein:
Geometrische Ähnlichkeit Die zu vergleichenden Strömungsräume müssen hinsichtlich
ihrer Längen-, Flächen-, und Raumabmessungen, sowie hinsichtlich der Oberflächenbeschaffenheit geometrisch ähnlich sein. In Tab. 4.1 sind die Bedingungen für die geometrische Ähnlichkeit zusammengefasst.
Physikalische Ähnlichkeit Die zu vergleichenden Strömungen müssen hinsichtlich der
auftretenden Geschwindigkeiten, Beschleunigungen, Kräfte und Stoffeigenschaften physikalisch ähnlich sein, siehe Tab. 4.2.
Tab. 4.1 Geometrische Ähnlichkeit
Strömung 1
Längen l1
Flächen A1
Volumina V1
Mittlere Rauigkeit k1
Geometrisch ähnlich, falls z. B.:
Strömung 2
l2
A2
V2
k2
A1
A2
D
l12
l22
;
V1
V2
D
l13 k1
;
l23 k2
D
l1
l2
Tab. 4.2 Physikalische Ähnlichkeit
Strömung 1
Geschwindigkeit w1
Beschleunigung a1
Masse m1
Zeitskala 1
Kraft F1
Dichte 1
Dyn. Viskosität 1
Kin. Viskosität 1
Wärmekapazität cp1
Wärmeleitfähigkeit 1
Frequenz, Drehzahl f1 , n1
Physikalisch ähnlich, falls z. B.:
Strömung 2
w2
a2
m2
2
F2
2
2
2
cp2
2
f2 , n2
a1
a2
D
w1 2 a1
1 w2 ; a2
D
w12 l2 m1
; m2
l1 w22
D
1 V1
2 V2
D
1 l13
2 l23
4
Strömungstechnische Grundlagen der Turbinen
135
Dimensionslose Kennzahlen Die Verknüpfung der einzelnen geometrischen und physikalischen Größen der zu vergleichenden Strömungen geschieht üblicherweise mittels
dimensionsloser Kennzahlen. Diese Kennzahlen können auf folgenden Wegen hergeleitet
werden:
Verhältnis der relevanten physikalischen Phänomene
An einer Strömung greifen im Allgemeinen Druckkräfte Fp , Trägheitskräfte Fa und
Reibungskräfte FR an. Soll zwischen zwei Strömungen physikalische Ähnlichkeit bestehen, so muss das Verhältnis dieser Kräfte gleich sein:
Fp1
Fa1
FR1
D
D
:
Fp2
Fa2
FR2
(4.1)
Wegen des Kräftegleichgewichtes, sind die drei Kräfte linear abhängig, so dass es genügt, wenn das Verhältnis zweier Kräfte gleich ist.
Mit der Reibungskraft
dwx
(4.2)
FR D A D A dy
ergibt sich die proportionale Abhängigkeit
FR A w
l2 l
w
l
l
w:
(4.3)
Die Trägheitskraft Fa lässt sich ausdrücken durch
Fa D m a D V a l 3 w2
l
:
(4.4)
Durch Einsetzen der Kräfte aus Gl. 4.3 und 4.4 in Gl. 4.1, kürzen und umschreiben
ergibt sich:
l1 w1
l2 w2
D
:
(4.5)
1
Der so gewonnene Ausdruck
lw
v
2
stellt die dimensionslose Reynolds-Zahl (Re) dar
Re D
l w
Reynolds-Zahl:
(4.6)
Auf analoge Weise erhält man die
Sr D
w
l f
(4.7)
Strouhal-Zahl zur Beschreibung periodischer Phänomene, die
Ma D
c
a
(4.8)
136
F. Joos
Mach-Zahl zur Beschreibung der Kompressibilität sowie die
Ne D
2
E
w2 A
(4.9)
Nernst-Zahl zur Beschreibung einer spezifischen Energie in Bezug zur kinetischen
Energie:
anhand einer Dimensionsanalyse, -Theorem:
Auf die umfassende Theorie der Dimensionsanalyse soll hier nicht näher eingegangen
werden, es sei u. a. auf [SPU1992] verwiesen.
über die Herleitung der dimensionslosen Differentialgleichungen:
Werden die das Problem beschreibenden Differentialgleichungen aufgestellt und entsprechend dimensionslos skaliert, so ergeben sich als dimensionslose Koeffizienten die
Kennzahlen.
4.2.2
Spezielle Kennzahlen der Strömungsmaschinen
Neben den bereits erwähnten Kennzahlen werden im Strömungsmaschinenbau historisch
begründete, spezielle Formulierungen der dimensionslosen Kennzahlen verwendet.
Reaktionsgrad r
Der Reaktionsgrad kennzeichnet die Überdruckverteilung einer Stufe (d. h. Lauf- und
Leitrad) der thermischen Turbomaschine. Er ist definiert als
rD
Laufrad Enthalpiedifferenz
:
Stufen Enthalpiedifferenz
(4.10)
Das Verhältnis der im Laufrad umgesetzten statischen isentropen Enthalpiedifferenz
(h00s ) zu derjenigen der gesamten Stufe (h00s C h0s ) wird als isentroper Reaktionsgrad
bezeichnet und ist durch
h00s
(4.11)
rs D
h0s C h00s
definiert (vgl. Abb. 4.1 bzw. 4.2). Er lässt sich bei konstanter Wärmekapazität näherungsweise auch an Hand der Temperaturen (mit der Annahme T1 T1s ) schreiben
rs D
T2s T1
;
T2s T0
(4.12)
falls cp D const. angenommen werden kann.
Unterschieden werden Gleichdruck- (rs D 0) und Reaktionsturbinen (rs > 0). Die
Bezeichnung stammt aus dem älteren Dampfturbinenbau. Hier kannte man nur zwei Stufentypen. Die Bauart mit rs D 0 wurde Aktions- oder Gleichdruckturbine genannt, da hier
der Druck vor und hinter dem Laufrad gleich ist (wegen p2 =p1 D 1 folgt h00s D 0).
4
Strömungstechnische Grundlagen der Turbinen
137
Abb. 4.1 h,s-Diagramm einer Turbinenstufe
Daneben gab es die Reaktions- oder Überdruckstufe mit rs D 0;5, bei der in Lauf- und
Leitrad das gleiche statische Gefälle abgebaut wird. Bei ihr ist der Druck vor dem Laufrad
größer als hinter dem Laufrad, was zu der Namensgebung führte. Diese Einteilung ist
allerdings nur bei ausschließlicher Betrachtung des Mittenschnitts gültig; bei den heutigen
Turbinenstufen treten bei langen Schaufeln Reaktionsgradänderungen zwischen rs 0
(am Fuß) bis rs D 0;8 (am Kopf) auf.
Natürlich wären auch bei den älteren Turbinen mit kurzen Schaufeln andere Reaktionsgrade als 0 oder 0,5 möglich gewesen; man hat sich aber meist auf diese beiden Typen
beschränkt, weil man sich von rs D 0 kleine Spaltverluste (p2 D p1 ) und von rs D 0;5
(w2 c1 ) einen guten Umfangswirkungsgrad erhoffte.
Bildet man formal wie in Gl. 4.11 das Verhältnis der wirklichen (verlustbehafteten,
polytropen) Enthalpiedifferenzen, so erhält man den sogenannten „kinematischen“ Reaktionsgrad
h00
:
(4.13)
rk D
0
h C h00
Unter Beachtung der Zusammenhänge, ersichtlich aus der Abb. 4.1 der Turbinenstufe
c12
c2
D h0 C 0 ;
2
2
d. h.
(4.14)
h0 D
c02 c12
2
2
(4.15)
h0 D
c02 c12
;
2
2
(4.16)
und
138
F. Joos
d. h.
h00 D
w12 w22
u2 u2
C 2 1;
2
2
2
2
(4.17)
kann man allgemein hierfür setzen
rk D
C w22 w12 C u21 u22
:
C c12 c02 C w22 w12 C u21 u22
(4.18)
Betrachten wir jetzt den häufig vorkommenden Fall der rein axial durchströmten Turbinenstufe und setzen außerdem voraus, dass die Axialgeschwindigkeit beim Durchgang
durch das Gitter konstant bleibt und die Zuströmgeschwindigkeit c0 gleich der Abströmgeschwindigkeit c2 ist, d. h. dass folgende Bedingungen erfüllt sind:
u1 D u2 ;
cz1 D cz2 D wz1 D wz2 D cm1 D cm2 ;
c0 D c2 ;
(4.19)
so lässt sich Gl. 4.18 vereinfachen zu
rk D w22 w12
c12 c22 C w22 w12
:
(4.20)
Wie man sieht wird rk D 0, wenn jw2 j D jw1 j ist, also im Laufrad keine Beschleunigung
stattfindet. Dann ist jedoch nicht exakt h00s D 0, sondern es liegt ein relativ kleines
Druckgefälle am Laufrad an, eben gerade so viel, um die Strömungsverluste, die durch
w2
00 D w22 beschrieben werden, auszugleichen. Trotzdem wird eine derartige Auslegung
2s
als Gleichdruckstufe bezeichnet, obgleich sie eigentlich als Schwachreaktionsstufe gelten
müsste.
Der Nenner in Gl. 4.20 entspricht bis auf den Faktor 1/2 der Umfangsarbeit Lu der
Axialturbine. Nach Abb. 4.2, das den Geschwindigkeitsplan einer mittleren Axialstufe
2
. Daraus folgt mit der Euler’schen Hauptgleichung
(Turbine) zeigt, ist w 2 D wu2 C wm
1 2
c2 c12 C w12 w22 ;
Lu D u .cu2 cu1 / D
2
2
2
wu2 wu1
.wu2 C wu1 / .wu2 wu1 /
rk D
D
2 u .cu2 cu1 /
2 u .cu2 cu1 /
(4.21)
(4.22)
und nach Abb. 4.2 mit .cu1 cu2 / D .wu1 wu2 /
rk D
.wu2 C wu1 /
w1u
D
2u
u
(axiale Turbinenstufe)
(4.23)
w1 ist eine Geschwindigkeit, die in der Tragflügeltheorie von Bedeutung ist. Hier dient
Gl. 4.23 gleichzeitig als Definitionsgleichung für w1u und damit analog für w1 .
4
Strömungstechnische Grundlagen der Turbinen
139
Abb. 4.2 Geschwindigkeitsdiagramm der Turbinenstufe
Die Definition der Strömungsgeschwindigkeiten ist in Abschn. 4.3.1 zusammengestellt. Die Winkel des Leitrades werden mit ˛, die des Laufrades mit ˇ bezeichnet.
Wie Abb. 4.2 zeigt, kann die Geschwindigkeit w1u direkt aus dem Geschwindigkeitsplan entnommen werden. Gl. 4.23 gilt nur unter den getroffenen Voraussetzungen der
axialen Turbinenstufe. Gl. 4.19, erlaubt aber dann eine sehr anschauliche Deutung. Treffen
die Annahmen für eine Verdichterstufe zu, gilt Gl. 4.23 entsprechend. Als Definitionsgleichung für den kinematischen Reaktionsgrad gilt allgemein Gl. 4.13.
Turbinen werden in der Regel als Gegendruckturbinen mit einem Reaktionsgrad um 0,5
ausgelegt. Bei langen Schaufeln kann der Reaktionsgrad an der Schaufelspitze auch gegen
0,8 gehen (Abb. 4.3a). Niedere Reaktionsgrade gegen 0 kommen hauptsächlich in Regelstufen zur Anwendung. Die Auswirkung des Reaktionsgrades auf das Expansionsschema
und auf das Geschwindigkeitsdreieck bei Turbinenstufen ist in Abb. 4.3 zusammengestellt.
Typische ausgeführte Werte des Reaktionsgrades sind [SIG1993]:
rD0
reiner Gleichdruck (Wasser-, Dampfturbinen)
r < 0;3 etwa Gleichdruck
r > 0;3 Überdruck
Pumpen:
0;5 < r < 1
Turbinen:
0;3 < r < 0;8
Sonderfälle:
r >1
140
F. Joos
Abb. 4.3 Beschaufelungen von Axialturbinen verschiedener Reaktionsgrade
Druckzahl ‰
Die den dynamischen Zustand kennzeichnende Kennzahl wird entsprechend umgeformt:
Ne D
E=A
spezifische Energie
D
W
2
w =2
kinetische Energie
(4.24)
Für die spezifische Energie werden unterschiedliche Definitionen angewandt, u. a. hs
(bei thermischen Turbomaschinen) bzw. die innere Arbeit Li , wobei sowohl statische als
auch totale Größen (hs tot , hs ) gebräuchlich sind; die typische Geschwindigkeit lässt
sich durch die Umfangsgeschwindigkeit u ersetzen. Man erhält somit die Druckzahl ‰
‰D
2 =Li =
2 =Li =
D 2 2
u2
n D22
bzw.
‰D
=hs =
u2
2
:
(4.25)
(4.26)
Bei der Benutzung der Druckzahl zur Übernahme von Versuchswerten und Kennfeldern ist
immer auf die betreffende Festlegung der Umfangsgeschwindigkeit u und der spezifischen
Energie zu achten, da in der Literatur keine einheitliche Definition verwendet wird.
Die Druckzahl ‰ ist das Verhältnis zwischen entnommener Strömungsenergie und
Umfangsgeschwindigkeit. Sie sollte ein Maximum erreichen, da bei kleiner Drehzahl
4
Strömungstechnische Grundlagen der Turbinen
141
Tab. 4.3 Richtwerte für Turbinen
Typ
rk
Gleichdruck
0,05
0,25
Überdruck
0,5
Curtis
(2-kränzig)
ZentripetalTurbine
0,05
(0,15)
0,4
0,5
'
0,40
0,45
(1,20)
0,30
0,40
(1,20)
0,40
(0,90)
0,30
0,65
4
6
2
3
16
24
2,4
3,2
sin ˛1
sin ˇ2
0,20
0,25
(0,70)
0,24
0,35
(0,70)
0,20
0,25
0,25
0,45
0,30
0,40
0,25
0,35
(0,70)
0,65
0,80
Durchmesser
Bezugsfläche
für die Bildung
von u
d2m
d2m h2
d2m
d2m h2
d2
d2m h2
d1
d1 h1
möglichst viel Energie aus der Strömung abgeführt werden soll. Sie gibt jedoch keine
Aussage über die Aufteilung der Energie am Laufradaustritt in Druck- bzw. kinetische
Energie. Diese Aussage wird durch den Reaktionsgrad getroffen.
Typische ausgeführte Werte für die nach Gl. 4.26 definierte Druckzahl sind in Tab. 4.3
aufgeführt.
Durchflusszahl '
Die Sr-Zahl stellt das Verhältnis zweier Geschwindigkeiten dar:
Sr D
typ. Geschwindigkeit 1
w
D
:
l f
typ. Geschwindigkeit 2
(4.27)
Mit der Umfangsgeschwindigkeit u und der Meridiangeschwindigkeit cm ergibt sich die
ursprüngliche Durchflusszahl
'0 D
cm
:
u
(4.28)
Da die Meridiangeschwindigkeit in Abhängigkeit vom Volumenstrom und des Querschnitts ausgedrückt werden kann, lässt sich für die Durchflusszahl ' schreiben:
'D
VP
:
uA
(4.29)
Die Durchflusszahl ' ist ein Maß des durch das Laufrad durchgesetzten Volumenstromes,
in Abhängigkeit der Winkelgeschwindigkeit ! D 2 n. Dabei soll bei einer konstanten Winkelgeschwindigkeit ein Maximum an Volumenstrom durchgesetzt werden. Die
Durchflusszahl soll somit möglichst groß gewählt werden. Oft werden der eintretende Volumenstrom V1 und die Konditionen am Austritt u2 , A2 als Referenzwerte verwendet.
In Tab. 4.3 sind einige Richtwerte für die Kennzahlen sowie für weitere Größen für
Turbinen zusammengestellt.
142
F. Joos
Leistungszahl (Lieferzahl)
Die Leistung einer Strömungsmaschine ist proportional zum Massenstrom und zur spezifischen Umfangsarbeit. Da der Volumenstrom proportional zur Durchflusszahl und die spezifische Stutzenarbeit proportional zur Druckzahl sind, kann auch die Leistung durch eine
Leistungsanzahl dimensionslos ausgedrückt werden. Zusätzlich wird der Wirkungsgrad
berücksichtigt.
D
'
D' ‰
Arbeitsmaschinen bzw.
(4.30)
Kraftmaschinen (Turbine):
(4.31)
Setzt man für die Durchflusszahl ' den in Gl. 4.29 und für die Druckzahl den in Gl. 4.25
definierten Ausdruck in Gl. 4.31 ein und definiert die Leistung der Arbeitsmaschine P D
VP Y Fl , wie es insbesondere bei der Beschreibung von hydrodynamischen Getrieben
üblich ist, so kann die Leistungszahl , auch Lieferzahl genannt, für beide Maschinenarten
nach Gl. 4.32 geschrieben werden
D
8P
8P
D 3
:
U 3 D 2 Fl
n D 5 4 Fl
(4.32)
Die Leistungszahl (bzw. Lieferzahl) ist das Produkt der Druckzahl und der Durchflusszahl. Beide sollten wie oben erwähnt einen Maximalwert anstreben, daraus ergibt sich die
Forderung, dass die Leistungszahl ebenfalls ein Maximum anstreben soll. Zu beachten ist
die unterschiedliche Definition im Strömungsgetriebebau.
Schnellläufigkeit Durch Auflösen der Gl. 4.26 und Gl. 4.29 nach dem Durchmesser D und anschließendem
Gleichsetzen der beiden Beziehungen, ergibt sich:
1
1
4 VP 3
.2 hs / 2
D 2
:
(4.33)
1
1
1
3 ' 3 n3
n 2
Durch Auflösen nach der Drehzahl n, erhält man:
3
1
.2 hs / 4 ' 2 1
:
nD 3
1
1
4
2
4 VP 2
1
Für den Ausdruck ' 2 =
eingeführt:
3
4
(4.34)
wird eine dimensionslose Kennzahl, die Schnellläufigkeit p
1
D
'2
3
4
Dn
VP
.2hs /
3
4
2
p
:
(4.35)
Die Schnellläufigkeit ist das Verhältnis des Volumenstroms zur umgesetzten Energie.
Sie sollte möglichst groß werden, um bei geringer Energiezufuhr möglichst viel Volumen
durchzusetzen.
4
Strömungstechnische Grundlagen der Turbinen
143
Neben der Schnellläufigkeit ist vor allem bei Kreiselpumpen noch der ältere Begriff
der spez. Drehzahl nq im Gebrauch. Die spezifische Drehzahl nq ist die Drehzahl einer
geometrisch ähnlichen Maschine mit dem Volumenstrom 1 m3 /s und Förderhöhe von 1 m
nq D n p
VP
(4.36)
H 3=4
zwischen der Schnellläufigkeit und der spezifischen Drehzahl nq besteht der Zusammenhang
nq
:
157;8
D
(4.37)
Durchmesserzahl ı
Ähnlich wie bei der Laufzahl erhält man hier durch Auflösen der Gl. 4.26 und 4.29 nach
der Drehzahl n und Gleichsetzen der beiden Formeln die folgende Gleichung:
1
.2hs / 2
D
1
2
D
2
4 VP
:
' D3
(4.38)
Durch Auflösen der Gl. 4.28 nach dem Durchmesser D ergibt sich folgende Schreibweise:
1
2 pP
V .2 hs / 4 DDp
Für den Quotienten
1
4
1
4
1
:
'2
(4.39)
1
=' 2 wird die dimensionslose Durchmesserzahl ı gesetzt:
ıD
1
4
1
'2
s
DD
4
2hs
VP 2
r
4
:
(4.40)
Die Durchmesserzahl ı sollte ein Minimum anstreben, da bei geringer Energieumsetzung
ein Maximum an Volumen durchgesetzt werden soll.
Die in der Literatur angegebenen Werte der Laufzahl , spezifischen Drehzahl nq und
der Durchmesserzahl ı beziehen sich normalerweise auf den Auslegungszustand, d. h. den
Optimalzustand der Maschine. Sie geben deshalb die Betriebsdaten mit dem optimalen
Wirkungsgrad wieder.
Eine Zusammenfassung der Kennzahlen enthält Tab. 4.4.
Aufwerteformeln
Die angegebenen Kennzahlen geben eine Aussage über die physikalische bzw. geometrische Ähnlichkeit zweier Ausführungen. Eine häufig noch interessierende Umrechnung ist
die Abschätzung der Leistung bzw. des Wirkungsgrades zweier Maschinen bzw. zweier
Betriebszustände einer Maschine.
144
F. Joos
Tab. 4.4 Zusammenfassung der gebräuchlichsten Kennzahlen (hs je nach Definition totale oder
statische Größe)
Name
Druckzahl
Gleichung
s
D 2h
u2
Beziehung zwischen den Kennzahlen
D 21ı 2
2
D
Laufzahl
'D
Durchflusszahl
Schluckzahl
D
Leistungszahl
D
Wirkungsgrad Kraftmaschine
D
Wirkungsgrad Arbeitsmaschine
D
p u
2hs
VP
uA
P
pV
A 2hs
Lu
u22
P
mh
P
s
mh
P
s
P q
p
ıDD
Durchmesserzahl
D
Schnellläufigkeit
4
2
p
D
p1
D
p'
'D
D
D
2hs
VP2
2n
VP
.2hs /3=4
ıD
ıD
'
'
1
ı 3
D 3 ı5
D
1
3 ı5
1=4
' 1=2
ı 1=2
3=4
Physikalische Phänomene, die nicht in den angegebenen Kennzahlen beschrieben werden, wie beispielsweise die Dicke der Grenzschicht und der Einfluss der Wandrauigkeit
führen dazu, dass selbst bei Einhaltung der Ähnlichkeit weder die Leistung, teilweise ausgedrückt durch den Minderleistungsfaktor , noch der innere Wirkungsgrad i von einem
Modell auf die Ausführung übertragen werden kann, wenn sich die geometrischen Abmessungen stark unterscheiden. Diese Abhängigkeiten werden in der Regel durch Re-Zahl
abhängige Aufwerteformeln beschrieben. Üblich sind u. a. Potenzansätze
P1
Da
P2
b c l1
n1
Re1 d
::::
l2
n2
Re2
(4.41)
Von besonderer Bedeutung sind Aufwerteformeln für die Hochrechnung der Wirkungsgrade von Modellmaschinen auf die Originalausführung. Für alle Maschinenarten, Maschinengrößen und geometrischen Radformen gleichermaßen gültige Aufwerteformeln
können nicht bestimmt werden. Bei der Aufwertung von in Modellversuchen ermittelten Wirkungsgraden muss deshalb die speziell anzuwendende Aufwerteformel zwischen
dem Maschinenlieferer und Kunden abgestimmt werden. Da sie auch zur Abschätzung
von Garantiewerten für Leistung und Wirkunsgrad dienen und stark maschinenspezifisch
sind, werden sie im Allgemeinen nicht publiziert.
Die Charakteristiken von Turbomaschinen mit mehreren Stufen werden durch Überlagerung der Charakteristiken der Stufen gewonnen. Bei gleichen Umfangsgeschwindigkeiten kann die Leistungszahl durch Addition berechnet werden. An sich ist es möglich,
auch die Maschinencharakteristiken durch Einsetzen der entsprechenden Größen an der
Maschine mit ', , zu beschreiben. Zur Unterscheidung von Stufencharakteristiken
werden die Größen ', , , bei Anwendung für die gesamte Maschine überstrichen. Da
bei mehrstufigen Maschinen die Kompressibilität aber nicht mehr zu vernachlässigen ist,
4
Strömungstechnische Grundlagen der Turbinen
145
fallen die Linien verschiedener Drehzahlen nicht mehr zusammen, sie liegen aber unübersichtlich dicht beieinander. Es empfiehlt sich deshalb, die Charakteristiken als Funktion
von Ma2u aufzutragen, wobei Mau D u=a die sogenannte Umfangsmachzahl ist, gebildet
mit der Umfangsgeschwindigkeit u.
4.2.3 Mach-Zahl-Ähnlichkeit
Da der Drehzahleinfluss im Allgemeinen nicht eliminiert werden kann, ist die Anwendung
der Machzahl-Ähnlichkeit für Durchsatz und Drehzahl konsequenter. Damit kann eine
ähnliche Darstellung der Kennlinien für kompressible Arbeitsmittel erreicht werden. Im
Einzelnen wird folgende Normierung durchgeführt, wobei dimensionsbehaftete Kennzahlen entstehen. Dimensionslos werden diese Kennzahlen durch die Normierung auf einen
Referenzwert. Zugrundegelegt werden die Bedingungen des idealen Gases.
Der Durchsatz wird durch eine Axialmachzahl
cax
a
(4.42)
mRT
P
pA
(4.43)
Maax D
mit der Axialgeschwindigkeit
cax D
und der Schallgeschwindigkeit
aD
p
RT
(4.44)
dargestellt. In den Gleichungen bedeuten m
P den Massendurchsatz und A die durchströmte
Querschnittsfläche.
Aus Gl. 4.42 bis 4.44 ergibt sich
Maax D
mRT
P
p
:
p A RT
(4.45)
Für R, , A konstant ergibt sich
m
P red
p
m
P T
D
p
(reduzierter Massenstrom):
(4.46)
R, , A konstant bedeutet: gleiches Arbeitsmittel in einem Temperaturbereich, konstant
und gleicher Durchtrittsfläche. Durch Beziehen auf die Auslegungsdaten im Nennpunkt
m
P red N
p
m
P N TN
D
pN
(4.47)
146
F. Joos
erhält man den relativen reduzierten Massenstrom
D
m
P red
:
m
P red N
(4.48)
Die Drehzahl wird durch die Umfangsmachzahl
Mau D
u
a
(4.49)
ausgedrückt. Darin ist u die Umfangsgeschwindigkeit
uDr ! D2
nr
(4.50)
mit dem Radius r und der Winkelgeschwindigkeit !. Es ergibt sich
Mau D
2r n
p
:
60 RT
(4.51)
Für r, R und konstant wird wieder
n
Mau nred D p
T
(reduzierte Drehzahl):
(4.52)
Durch Beziehen auf die Auslegungsdaten
nN
nred N D p
TN
(4.53)
erhält man die relative reduzierte Drehzahl
v D
nred
:
nred N
(4.54)
Traupel [TRA2001a] wählt statt der Temperatur T die Normalenthalpie (j D h bezogen
auf T0 D 0 K). Damit sind die Kennzahlen und auch für idealen Dampf anwendbar.
Kennfelder mit den Größen m
P red und nred bzw. und bezeichnet man als „machähnliche Kennfelder“.
Bei der Einzelstufe besteht zwischen der Durchflusszahl ' , dem reduzierten Massenstrom und der relativen Drehzahl die Beziehung
' D
:
(4.55)
4
Strömungstechnische Grundlagen der Turbinen
147
Zusammenstellung der aerodynamisch reduzierten Kenngrößen (Ma-Zahl-Ähnlichkeit)
reduzierter Massenstrom
m
P red
p
m
P T1tot
D
p1tot
(4.56)
reduzierte Drehzahl
nred D p
n
T1tot
(4.57)
Totaldruckverhältnis
1
D
p2tot
p1tot
(4.58)
reduzierte spezifische Arbeit
Hs
T
(4.59)
P
p
T1tot p1tot
(4.60)
Leistungskennwert
reduzierte Strömungsgeschwindigkeit
p
c
T1tot
(4.61)
Die Ähnlichkeitszahlen m
P red , nred , werden allgemein angewendet (s. oben). Die gilt
auch für den Wirkungsgrad , als eine bedeutsame Kennzahl des Energiewandlungsprozesses.
4.2.4
Gasdynamische Funktionen
Bei kompressiblen Strömungen, wie sie in den thermischen Strömungsmaschinen auftreten, kann die Bernoulli-Gleichung als Energiegleichung bei Ma > 0;3 aufgrund
des Einflusses der Kompressibilität nicht angewandt werden. Geht man von der EulerFormulierung der stationären Energiegleichung aus
c
1 dp
dc
D
dx
dx
(4.62)
148
F. Joos
und vernachlässigt die Gravitation, so ergibt die Integration über den Weg x für isentrope
Bedingungen und ideales Gas die Beziehung
p
a2
1 2
1
c C
D c2 C
D const:
2
1 2
1
(4.63)
p
mit dem Isentropenexponenten und der Schallgeschwindigkeit a D R T . Da der
p
Ausdruck 1
D h die spezifische Enthalpie darstellt, ist ersichtlich, dass unter der
Annahme der Isentropie die Totalenthalpie konstant bleibt
htot D const:
(4.64)
Dies führt letztendlich dazu, alle totalen Größen einer verlustlosen Strömung als konstant
zu betrachten. Damit können die einzelnen Zustandsgrößen der stationären, kompressiblen, verlustlosen Strömung einfach als Verhältnisse, den gasdynamischen Funktionen,
angegeben werden. Das Temperaturverhältnis TT0 ergibt sich in Abhängigkeit von der MaZahl zu
T0
1
D1C
Ma2
T
2
das Dichteverhältnis
0
zu
0
D
T0
T
Letztendlich ergibt sich auch das
p0
D
p
4.3
(4.65)
T0
T
1
1
p0
p
1
1
1
D 1C
:
Ma2
2
(4.66)
aus der Isentropenbeziehung zu
1
1
1
1
1
D 1C
:
Ma2
2
(4.67)
Hauptgleichungen
Die thermodynamischen Zustände und die strömungsmechanischen Bedingungen der
Strömungsmaschinen können aus den bekannten Bilanzen
Kontinuitätsgleichung,
Energieerhaltungsgleichung und
Impuls- bzw. Drallerhaltungssatz
berechnet werden.
4
Strömungstechnische Grundlagen der Turbinen
149
4.3.1 Definition der Strömungsgeschwindigkeiten
Für die Bilanzgrenzen werden die bei der Behandlung von thermischen Strömungsmaschinen verbreiteten Bezeichnungen von [TRA2001a] übernommen, siehe Abb. 4.4. Bezugsebene 1 ist immer der Eintritt in das Laufrad; die weitere Nummerierung erfolgt in
Strömungsrichtung. Bezogen auf das Vorzeichen wird die in der Thermodynamik übliche Konvention übernommen.
R 2 Die Zustandsänderung verläuft immer vom Zustand 1 zum
Zustand 2, d. h. z. B. h12 D 1 dh D h2 h1 . Diese Schreibweise ergibt, dass die Energieänderung des Gases betrachtet wird; eine Energiezufuhr (Verdichter) ergibt ein positives,
eine Energieabfuhr (Turbine) ein negatives Vorzeichen.
Da eine Stufe einer Strömungsmaschine, bestehend aus Lauf- und Leitrad, aus ruhenden und rotierenden Bauteilen besteht, entsteht die Notwendigkeit, je nach dem interessierenden Phänomen, ein ruhendes bzw. ein rotierendes Koordinatensystem zu betrachten.
So bedeuten:
uE die Umfangsgeschwindigkeit, d. h. die Rotationsgeschwindigkeit des Laufrades;
uDr ! DD
n
(4.68)
(r Radius; D Durchmesser; n Drehzahl; ! D 2 n Kreisfrequenz);
cE die Absolutgeschwindigkeit der Strömung im ruhenden System
w
E die Relativgeschwindigkeit der Strömung; sie tritt nur im rotierenden System auf.
Das Fluid bewegt sich relativ zu der Beschaufelung mit der Geschwindigkeit w.
E
Abb. 4.4 Bilanzgrenzen und Geschwindigkeitsdiagramm der Kraftmaschine (Axialmaschine);
0 Leitradeintritt; 1 Laufradeintritt gleichzeitig Leitradaustritt; 2 Laufradaustritt
150
F. Joos
Die Absolutgeschwindigkeit des Fluids cE erhält man durch Vektoraddition der Umfangsgeschwindigkeit uE mit der relativen Strömungsgeschwindigkeit w
E
cE D uE C w:
E
(4.69)
Das Vorzeichen ist jeweils in Strömungs- (axial und radial) und Umfangsrichtung positiv. Bei der Kraftmaschine (Turbine) liegt das Fluid am Eintritt unter erhöhtem Druck
vor, der zugunsten der Beschleunigung des Fluides abgebaut werden soll. In Abb. 4.4
sind die in einer Stufe, bestehend aus Leit- und Laufrad, auftretenden Geschwindigkeiten skizziert. Die Strömungskräfte der stark beschleunigten Strömung werden ausgenutzt,
um mechanische Energie auf das Laufrad zu übertragen. Das Fluid wird somit ausgehend
vom Zustand 0 auf die Eintrittsgeschwindigkeit im Laufrad cE1 beschleunigt (Abb. 4.4).
Von der Strömung wird Energie auf das Laufrad übertragen. Entsprechend ist der Betrag
der Austrittsgeschwindigkeit cE2 niedriger als der Betrag der Eintrittsgeschwindigkeit cE1 .
4.3.2 Kontinuitätsgleichung
Die Änderung der im System befindlichen Masse entspricht der Differenz zwischen einund austretendem Massenstrom (siehe Abb. 4.5)
X
X
d m./
m
P ein :
D
m
P aus d
(4.70)
Bei stationärem Betrieb, der im Folgenden vor allem betrachtet werden soll, ist der zeitlich
durch die Maschine strömende Massenstrom des Arbeitsmediums m
P D m konstant.
m
P D VP D c A D const:
(4.71)
A ist die senkrecht zur Geschwindigkeit c stehende, durchströmte Bezugsfläche.
Bei inkompressiblen, stationären Strömungen (Ma < 0;3) gilt aufgrund von D
const.:
VP D c A D const:
Abb. 4.5 Massenbilanz, Kontinuitätsgleichung
(inkompressible Strömungen):
(4.72)
4
Strömungstechnische Grundlagen der Turbinen
151
4.3.3 Energieerhaltung, die spezifische Umfangsarbeit Lu
Der 1. Hauptsatz der Thermodynamik, die Energiebilanz kompressibler Fluide bei offenen
Systemen, lautet:
dH C dEkin C dEpot D ıQ C ıWi :
(4.73)
Die zu- bzw. abgeführte Wärme Q und die zu- bzw. abgeführte innere Arbeit Wi wird
im Fluid als Enthalpie H, als kinetische Energie Ekin und als potentielle Energie Epot
aufgenommen bzw. abgegeben.
Unter der Annahme, dass im Allgemeinen in idealen thermischen Turbomaschinen
keine Wärme ausgetauscht wird: ıQ D 0 und
die Änderung der potentiellen Energie bei Gasen gegenüber den Änderungen der kinedH C dEkin
tischen Energie und der Enthalpie vernachlässigt werden kann, dEpot
ergibt sich die Energiebilanz zu
dH C dEkin D ıWi
(4.74)
bzw. dividiert durch die Massen, in spezifischen Größen:
dh C dekin D ıwi
ohne Verluste und Wärmetausch (isentrop)
(4.75)
In Gl. 4.75 wurde die
innere Arbeit
wi D wt C wDiss ;
(4.76)
die sich aus der technischen Arbeit wt und der dissipierten Energie wDiss zusammensetzt,
durch die technische Arbeit ersetzt. Die dissipativen Verluste werden in einem zweiten
Schritt über die Wirkungsgrade bzw. für Abschätzungen über Beziehungen, die durch die
Verwendung der Annahme, dass sich das Arbeitsmedium wie ein ideales Gas verhält, über
die Polytrope berücksichtigt.
Genauere Rechnungen erfordern die Beschreibung des Arbeitsmediums als reales Gas,
d. h. die Temperaturabhängigkeit beispielsweise der Wärmekapazitäten sowie der Einfluss
der Feuchte müssen berücksichtigt werden. Die Lösung der Energiebilanz für reale Gase
ist in der Regel unter Einbezug aller Phänomene in den numerischen Prozessmodellen
implementiert.
Unter der Annahme, dass sich das Arbeitsmedium wie ein ideales Gas verhält, lassen
sich analytisch einfache Beziehungen herleiten, die zur ersten Abschätzung verwendet
werden können. Die Energiebilanz der verlustlosen, adiabaten (isentropen) Turbine lautet
somit unter stationären Bedingungen:
h2s h1 C
1 2
c2s c12 D wt12s
2
(isentrope Entspannung):
(4.77)
152
F. Joos
Unter Berücksichtigung der Schaufelverluste ergibt sich
h2 h1 C
1 2
c c12 D wt12 D Lu
2 2
(Entspannung mit Verlusten):
(4.78)
Die Arbeit wird vom Fluid an den Rotor übertragen, weshalb sie unter Berücksichtigung
der Schaufelverluste auch als Umfangsarbeit Lu bezeichnet wird. Im Allgemeinen wird
die Enthalpiedifferenz h12 bei realen Gasen aus h,s-Diagrammen entnommen. Ausgehend
vom Zustand 1 (p1 , h1 , T1 ) wird das Fluid isentrop (s D const:) auf den Zustand 2 (p2 ,
h2s , T2s ) bzw. polytrop auf (p2 , h2 , T2 ) entspannt.
Bei dieser Notierung geht man davon aus, dass die Entspannung immer auf denselben
Austrittsdruck p2 erfolgt. Je nach den auftretenden Verlusten ist jedoch eine unterschiedliche Umfangsarbeit Lu D h2 h1 C 1=2 .c22 c12 / zu gewinnen, bzw. es werden
unterschiedliche Austrittstemperaturen T2 erreicht. Die isentrop erreichten Zustände werden deshalb mit dem zusätzlichen Index s (h2s , T2s ) gekennzeichnet.
Die vom Fluid abgegebene Arbeit, bei thermischen Turbomaschinen als techn. Arbeit
wt12 bezeichnet, berechnet sich aus der Enthalpiedifferenz nach Gl. 4.76 bzw. 4.77. Das
h,s-Diagramm der Turbine ist in Abb. 4.6 dargestellt.
Oft werden zur Berücksichtigung der kinetischen Energie in der Energiegleichung die
Beziehungen der inkompressiblen Fluide (Ma < 0;3) verwendet. Wie bei der Definition
des Totaldruckes ptot , der sich aus der Summe aus statischem Druck und dynamischem
Druck pdyn D =2 c 2 zusammensetzt,
ptot D pstat C =2 c 2
(4.79)
wird bei der Beschreibung der thermischen Turbomaschinen auch die Enthalpie definiert.
Die Totalenthalpie htot setzt sich aus einem statischen Anteil h und einem dynamischen
Abb. 4.6 h,s-Diagramm bei
isentroper Entspannung
4
Strömungstechnische Grundlagen der Turbinen
153
Anteil 1=2 c 2 zusammen
htot D h C 1=2 c 2 :
(4.80)
Entsprechend lässt sich dann mit der kalorischen Zustandsgleichung der Enthalpie h D
cp T eine Totaltemperatur Ttot definieren, die sich aus einem statischen Anteil T und
einem dynamischen Anteil 1=.2 cp / c 2 zusammensetzt,
Ttot D T C
1
c2 :
2 cp
(4.81)
Bei den thermischen Strömungsmaschinen treten zum Teil erhebliche Geschwindigkeiten cE bzw. w
E auf, so dass die dynamischen Anteile nicht vernachlässigt werden können.
Maßgebend ist die jeweilige Geschwindigkeit relativ zur Kanalwand, d. h., die Absolutgeschwindigkeit cE im Leit- bzw. die Relativgeschwindigkeit w
E im Laufrad. Eine genaue
Beschreibung der kompressiblen Strömung geht davon aus, dass die Totalgröße durch
Energieübertragung aus einer irreversiblen Verzögerung der kinetischen Energie entstanden ist und somit durch eine isentrope Zustandsänderung aus der statischen Größe zu
erhalten ist.
Hinweis: Im Allgemeinen beschreiben die Zustandsgrößen der thermodynamischen
Beziehungen Totalgrößen, da sie den Ruhezustand der Gase betrachten. Durch den Übergang in ein bewegtes Koordinatensystem bei der Einführung der statischen Größen muss
jedoch die Bewegungsenergie separat in der Energiegleichung aufgenommen werden, so
dass zwischen totalen und statischen Größen unterschieden werden muss. Ob die Änderung der kinetischen Energie gegenüber der Änderung der inneren Energie bzw. der
Enthalpie vernachlässigt werden kann, ist in jedem Anwendungsfall zu prüfen. Die thermodynamische Definition der Totalgröße geht davon aus, dass die statische Größe isentrop
durch quasi innere Arbeitszufuhr in der Größe der Änderung der kinetischen Energie in
die Totalgröße überführt wird. Das heißt, die Zustandsgrößen können mittels einer Isentropen berechnet werden, bei den Prozessgrößen ist die Änderung der kinetischen Energie
zu berücksichtigen.
Um die Zusammenhänge auch analytisch zu diskutieren, kann mit guter Näherung davon ausgegangen werden, dass sich die Luft, wie auch überhitzter Dampf wie ein ideales
Gas mit der Zustandsgleichung p D R T verhält. Es gilt somit für die isentrope
Verdichtung
h2s h1 D cp .T2s T1 / (gilt nur für die Isentrope);
1
p2 ;
T2s D T1 p1
cp cv D R;
cp
D :
cv
(4.82)
(4.83)
(4.84)
(4.85)
154
F. Joos
Falls der Dampf als reales Gas mit Hilfe der Ansätze für ideales Gas berechnet werden
soll, wird die Temperaturabhängigkeit der Wärmekapazität oft durch eine mittlere Wärmekapazität berücksichtigt. In diesem Fall muss der Isentropenexponent unbedingt angepasst
werden, so dass der 1. Hauptsatz der Thermodynamik erfüllt ist; dies erfordert die Erfüllung der Gleichung
D
cp .T /
cp .T /
D
;
cv .T /
cp .T / R
(4.86)
da sonst große Fehler entstehen. Der Fehler, der mit ungenauen gemittelten Werten entsteht, die obige Gleichung erfüllen, bleibt tolerierbar.
Die dem Fluid verlustfrei zugeführte Enthalpie, d. h. die isentrope technische Arbeit
wt12s lässt sich somit berechnen zu
"
h2tot_s h1tot
h2tot_s h1tot
h2tot_s h1tot
#
1
p2tot D cp T1tot 1 D wt12s ;
p1tot
"
#
1
p2tot D
1 D wt12s ;
R T1tot 1
p1tot
"
#
1
p2tot p1tot
D
1 D wt12s :
1 1tot
p1tot
(4.87)
(4.88)
(4.89)
Hinweis: Bei der Berechnung der Zustandsänderung von Zustandsgrößen können die aus
der Thermodynamik bereitgestellten Beziehungen sowohl für statische als auch für totale
Größen verwendet werden. Wichtig ist lediglich, dass für den zu beschreibenden Zustand
konsequent statische oder totale Größen eingesetzt werden. Erst die Zuordnung zur techn.
Arbeit wt oder zur Umfangsarbeit legt den Bezug zu den Totalgrößen fest, da wt bzw. Lu
auf die totalen Zustandsbedingungen definiert sind.
Da der Druck p2 < p1 ist, ergibt sich eine negative Enthalpiedifferenz; das negative
Vorzeichen bedeutet entsprechend der üblichen Vorzeichenvereinbarung der Thermodynamik, dass das Arbeitsfluid die Energie abgibt, d. h. dass diese Arbeit an der Welle genutzt
werden kann. Teilweise wird in der Literatur über Strömungsmaschinen bei der Turbine
das Vorzeichen umgekehrt, so dass die Turbinenarbeit positiv wird.
4.3.4 Definition der Wirkungsgrade
Der Wirkungsgrad einer Kraftmaschine (Turbine) wird definiert als:
D
Leistungsabgabe der Welle
;
Leistungsabgabe der verlustlosen Maschine
(4.90)
4
Strömungstechnische Grundlagen der Turbinen
155
Abb. 4.7 h,s-Diagramm der
Turbine
somit ergibt sich der isentrope Wirkungsgrad der Turbine:
s D
wt12
h2tot h1tot
htot
D
D
:
htot_s
h2tot_s h1tot
htot_s
(4.91)
Die polytrope Entspannung ist in Abb. 4.7 skizziert. Bei der Turbine kann im verlustbehafteten Fall (polytrop) aufgrund von Verlusten weniger Arbeit Lu gewonnen werden, als
das Fluid bei der Entspannung auf denselben Druck p2tot isentrop abgibt. Der polytrope
Wirkungsgrad p ergibt sich somit zu [TRA2001a]:
p D
w12real
:
htot_s
(4.92)
In der Literatur sind noch mehrere unterschiedliche Definitionen des Wirkungsgrades zu
finden (siehe [TRA2001a, SIG1993]). Bei einem Vergleich von Wirkungsgraden muss
auf die verwendeten Definitionen geachtet werden. Nähere Diskussionen erfolgen bei der
Theorie der Stufe.
4.3.5 Energieumsatz im Laufrad, der Drallerhaltungssatz
Die Energieumsetzung findet bei den Strömungsmaschinen im Laufrad statt. Die Kraftwirkungen beruhen einerseits auf der Umlenkung der Strömung und andererseits auf
der Beschleunigung des Fluids durch die Gestaltung der Strömungsquerschnitte. Zur Beschreibung der Strömungskinematik im Laufrad benutzt man die bereits dargestellten
Geschwindigkeitspläne, insbesondere am Ein- und Austritt der Beschaufelung.
156
F. Joos
Der Energieumsatz der idealisierten Strömung im Laufrad einer Strömungsmaschine
wird nach der von Leonhard Euler 1754 aufgestellten allgemeinen StrömungsmaschinenHauptgleichung berechnet. Folgende Annahmen werden getroffen, damit der Drallerhaltungssatz analytisch gelöst werden kann:
der Strömungsvorgang ist reibungsfrei
die Strömung verläuft schaufelkongruent
alle Stromfäden haben die gleiche Form
der Einfluss der Schwere wird vernachlässigt
die Strömung ist stationär.
Ausgehend vom Drallerhaltungssatz lässt sich bei Kenntnis der Geschwindigkeiten uE , cE
und w
E die Umfangsarbeit Lu berechnen. Das Moment am Umfang ergibt sich aus dem
Impuls zu:
M Dm
P .cu2 r2 cu1 r1 /:
(4.93)
Hierbei sind cu1 bzw. cu2 die Umfangskomponenten der Absolutgeschwindigkeit am
Laufradein- (Index 1) bzw. -austritt (Index 2).
Die über die Beschaufelung der Welle an das Laufrad abgegebene (bzw. bei der Turbine
aufgenommene) (Umfangs-) Leistung Pu beträgt:
Pu D M !:
(4.94)
Andererseits ergibt sich die theoretische Laufradleistung aus dem Energieumsatz
P Lu :
Pu D m
(4.95)
Unter der spez. Umfangsarbeit Lu versteht man, wie bereits erwähnt, die Arbeit, die dem
Fluid entzogen wurde, unter Berücksichtigung der Schaufelverluste.
Durch Gleichsetzen der Gl. 4.94 mit 4.95 mit dem Moment M nach Gl. 4.93 ergibt sich
P Lu
m
P .cu2 r2 cu1 r1 / ! D m
(4.96)
bzw. durch den Massenstrom m
P dividiert
Lu D .cu2 r2 cu1 r1 / !:
(4.97)
Unter Berücksichtigung, dass r ! D u ist, erhält man letztendlich die Euler’sche
Strömungsmaschinen-Hauptgleichung
Lu D .cu2 u2 cu1 u1 / :
(4.98)
4
Strömungstechnische Grundlagen der Turbinen
157
Für eine drallfreie Abströmung, cu2 D 0 vereinfacht sich die Euler’sche Strömungsmaschinen-Hauptgleichung der Turbine zu
Lu D cu1 u1 (bei drallfreier Abströmung):
(4.99)
Bei Axialturbinen können die Umfangsgeschwindigkeiten am Ein- und Austritt ebenfalls gleich gesetzt werden u1 D u2 D u, so dass die Euler’sche StrömungsmaschinenHauptgleichung für axiale Turbinen
Lu D .cu2 cu1 / u (axiale Maschinen)
(4.100)
bzw. bei drallfreier Abströmung
Lu D cu1 u (axiale Maschinen, drallfreie Abströmung)
(4.101)
lautet. Hier ist erkennbar, dass die Arbeitsübertragung der Turbine durch eine Reduktion
der eintretenden Umfangskomponente der Absolutgeschwindigkeiten erfolgt.
Die Anordnung der Geschwindigkeitsvektoren am Laufradein- und -austritt der Turbine ist aus Abb. 4.8 ersichtlich. Die Definition der Winkel ˇ1 und ˛2 ist so gewählt, dass
sich Außenwinkel ergeben. Die Umfangsgeschwindigkeiten ux (die Abhängigkeit von der
axialen Lage wird hier mit dem Index x gekennzeichnet, später jedoch weggelassen) sind
wiederum abhängig vom jeweiligen Radius rx
u x D rx !
(4.102)
was im Folgenden jedoch nicht behandelt werden soll.
Im Axialschnitt ist der Strömungskanal zu sehen. Die Hauptströmrichtung in diesem
Schnitt wird als Meridianrichtung verstanden. Die Meridianfläche ist demnach die durchströmte Fläche senkreckt zur Meridiangeschwindigkeit. Die Meridiangeschwindigkeit cEm
errechnet sich aus der Kontinuitätsgleichung zu
cm1 D
VP1
A1
am Laufradeintritt
(4.103)
am Laufradaustritt:
(4.104)
bzw.
cm2 D
VP2
A2
Die Umfangskomponente der Absolutgeschwindigkeit am Eintritt cu1 berücksichtigt die
im Fluid enthaltene Leistung, die ans Laufrad übertragen werden soll:
cu2 u2 Lu
(Turbine), bzw.
u1
Lu
D
(bei drallfreier Abströmung):
u1
cu1 D
(4.105)
cu1
(4.106)
158
F. Joos
Abb. 4.8 Vektordiagramm der axialen Turbinenstufe, Definition der Richtungen und Winkel der
Turbine
Am Laufradaustritt wird bei der Turbine in der Regel im Auslegungspunkt mit drallfreier
Abströmung gerechnet:
cu2 D 0 drallfreie Abströmung:
(4.107)
Muss ein Austrittsdrall berücksichtigt werden, so ist aus der Drallstärke die Umfangskomponente bekannt. Die Austrittsgeschwindigkeit cE2 kann analog zur Eintrittsgeschwindigkeit cE1 berechnet werden. Zwischen der absoluten Strömungsgeschwindigkeit des Fluids cE
und der Umfangsgeschwindigkeit des Laufrades uE besteht der Zusammenhang (Abb. 4.8)
cm1
;
(4.108)
tan ˇ1 D
u1 C cu1
cm2
cm2
D
(4.109)
tan ˇ2 D
cu2 C u2
cu2 u2
bzw.
tan ˇ2 D
cm2
u2
bei drallfreier Abströmung:
(4.110)
4.4 Verluste
Zur Optimierung einer Beschaufelung und des Wirkungsgrades einer Dampfturbine ist
es unerlässlich, die verschiedenen Verlustmechanismen und deren Größenordnungen zu
kennen. Insbesondere bei den ersten Schritten der Auslegung des Dampfpfades ist die Ab-
4
Strömungstechnische Grundlagen der Turbinen
159
schätzung der zu erwartenden Verluste von besonderer Bedeutung. Deswegen wurden seit
geraumer Zeit die unterschiedlichsten Modelle zur Abschätzung der Verluste publiziert.
Vergleicht man diese, so erkennt man fundamentale Abweichungen in den Prognosen, da
sie in der Regel an einer bestimmten Geometrie validiert wurden.
Ältere, etablierte Modelle können die Verluste heutiger Profile nur ungenügend beschreiben, da diese einerseits auf dreidimensionaler Auslegung beruhen und andererseits
neuere Auslegungsregeln beispielsweise Front- oder Aft-loading zugrunde legen. Neue
Korrelationen abzuleiten, ist aufgrund der Vielfalt der numerisch erzeugten Geometrie
aussichtslos. So bietet sich die Vorgehensweise an, grundlegende Erkenntnisse der Verlustmechanismen zu beschreiben und im speziellen entsprechende numerische Modellierungen anzuwenden und an relevanten Beispielen zu validieren.
Die beschleunigte Strömung der Turbinen ist nicht so kritisch bezüglich von Ablösungen wie die verzögerte, druckaufbauende Strömung von Verdichtern. Durch eine eventuell
auftretende lokale Überschallströmung ergibt sich zwar kein hoher zusätzlicher Totaldruckverlust, dennoch ist der auftretende Verlust stark von der Ma-Zahl abhängig. In
Abhängigkeit der Strömungsbedingungen werden Verlustbeiwerte definiert, mit denen
die Druckverluste abgeschätzt werden können
D 1 :
(4.111)
Falls die Verlustbeiwerte bekannt sind, lässt sich der Wirkungsgrad abschätzen:
D 1 :
(4.112)
Die Verlustbeiwerte werden für die unterschiedlichen Verluste der Strömungsmaschine
angegeben. Der Profilverlust ist definiert zu:
P D
.Ekin /Austritt
;
.Ekin C EP /Eintritt
(4.113)
d. h. es ergeben sich die Definitionen nach Abb. 4.9. Für Turbinengitter wird üblicherweise der Verlust über der Abström-Machzahl aufgetragen, da die Abström-Machzahl
der höhere und damit kritische Wert ist. Die kritische Abström-Machzahl beträgt für
Beschleunigungsgitter etwa 0,8. Bei üblichen Gittern, die nicht speziell für hohe Geschwindigkeiten ausgelegt sind, steigt der Verlust im transsonischen Gebiet (teilweise
Überschall, teilweise Unterschall im Schaufelkanal) bis zum Fünffachen und mehr an.
In Abhängigkeit der Ma-Zahl sinkt der Druckverlustbeiwert im Unterschallbereich aufgrund der stark turbulenten Strömungsgrenzschicht ab (Abb. 4.10). Die Abhängigkeit von
der Ma-Zahl ist jedoch weit geringer als bei den Verdichtern. Im Bereich um Ma2 D 1
steigen die Verluste stark an, um dann im Überschallbereich wieder abzufallen, allerdings
auf ein höheres Niveau als im Unterschallbereich. Entsprechend dem Minimum im Verlauf, ist der Betrieb bei Abström-Ma-Zahlen um Ma2 D 0;6 0;8 mit den niedrigsten
Profilverlusten verbunden.
Zur Beschreibung der Leistungsfähigkeit und der Wirkungsgrade ist die Erfassung
diverser Strömungsverluste, ausgedrückt über Verlustbeiwerte (i ) erforderlich. Der
160
F. Joos
Abb. 4.9 Einfluss der An- und Abströmgeschwindigkeit (Ma1;2 -Zahl) auf die Profilverluste einer
axialen Turbinenstufe (nach [BOH1998])
Abb. 4.10 Profilverlust eines axialen Turbinenprofils in
Abhängigkeit der AbströmMa-Zahl (nach [BOH1998])
Profilverlust (P ) wird im Allgemeinen über Messungen bzw. Rechnungen an ebenen Kaskaden bestimmt. Für die komplette Stufe muss er durch Randverluste (R ) und Verluste
durch konstruktive Maßnahmen (K ), wie Binde- und Dämpfungsdrähte, Zuschärfungen
und Fertigungstoleranzen ergänzt werden. Die weiteren Verluste sind die unvermeidlichen Spaltverluste (Sp ), die Radreibungsverluste (RR ) sowie eventuell auftretende
Ventilations- (V ) und Bremsverluste.
4.4.1 Übersicht über verbreitete Korrelationen zur Abschätzung
der Verluste
Bereits seit den 1950er-Jahren wurden unterschiedliche Verlustkorrelationen publiziert,
deren Entwicklung von Cheon et al. (2016) in Abb. 4.11 zusammengestellt wurden. Eines
der frühesten weit verbreiteten Verlustmodelle für axiale Turbinen wurde von [AIN1951]
publiziert. Es basiert auf der Annahme, dass die Verluste weder von der Ma-Zahl abhängig sind, noch durch den Anströmwinkel beeinflusst werden. [CHE2016] gehen davon
4
Strömungstechnische Grundlagen der Turbinen
161
Tab. 4.5 Vergleich der Genauigkeit verschiedener Verlustkorrelationen nach [CHE2016]
AMa
DCb
KOc
CCd
a
Test Turbine
Datasets
British ARC R&M 2974
Rolls-Royce Turbinen
Pratt&Whitney Aircraft Turbines
Electric-AEI Turbinen (ALSTOM)
Größere Anzahl von Turbinentests
16 Turbinen
33 Turbinen
Über 100 Kaskadentests,
einige Luftturbinentests
Vorhersagegenauigkeit
˙2;0 %
˙2;0 %
˙1;5 %
˙1;25 %
[AIN1951], b [DUN1970], c [KAC1982], d [CRA1970]
Abb. 4.11 Trend der Verlustmodelle (nach [CHE2016])
aus, dass der Gasmassenstrom mit einer Genauigkeit von 3 % und der Wirkungsgrad von
2 % berechnet werden können, siehe Tab. 4.5. Bei ihren Untersuchungen von Flugtriebwerksturbinen fanden [DUN1970] eine zufriedenstellende Übereinstimmung für große
Fluggasturbinen aber eine signifikante Abweichung für kleinere Turbinen. Deshalb führten sie eine Ma- und Re-Zahl Korrektur für supersonische Bedingungen ein und gaben
eine Genauigkeit von 2 % für die Berechnung des Wirkungsgrades über einen weiten Bereich der Abmessungen und Betriebsbedingungen an.
Diese Korrelationen wurden durch [KAC1982] durch die Berücksichtigung der Kompressibilität und von Stoßwellen erweitert, so dass nunmehr für einen weiten Bereich
162
F. Joos
der axialen Turbinen mit konventioneller Belastung die Genauigkeit der Berechnung des
Wirkungsgrades von 1,5 % angegeben wird. Nach [CHE1987] überschätzt das Modell
nach [CRA1970] die Profilverluste seiner Kaskadenmessungen, weswegen er einen Korrekturfaktor in Abhängigkeit des Umlenkwinkels vorschlägt. Zusätzlich wird eine einfache Korrelation für die Anströmverluste unter Berücksichtigung der Anströmung und des
Blattwinkels angegeben. Das angepasste Modell wurde sowohl von GE nach [COT2007]
als auch von ALSTOM nach [HES2003], jeweils auf die spezielle Geometrie angepasst,
erfolgreich auf Hoch- und Mitteldruckturbinen angewandt. Basierend auf Enthalpieverlusten leitete [TRA1966] eine Korrelation her, die er an eigenen Messdaten validierte. [ZEH1980] erweiterte das Model unter Berücksichtigung des Anströmwinkels, um
Teillastbedingungen besser erfassen zu können. Später ergänzte [PET1995] den Einfluss
der radialen Verteilung der Sekundärströmung auf die Verluste.
Bis in die 1990er-Jahre wurden über Druck- und Temperaturmessungen verschiedenste Verlustkorrelationen publiziert, die jeweils an bestimmten Profilen unter individuellen
Betriebsbedingungen validiert wurden. Die spezifische Gültigkeit zeigt sich u. a. daran,
dass die Korrelation für andere Zustände teilweise um den Faktor 50 bis 90 % korrigiert
werden mussten. Deshalb wird zunehmend versucht, die Verluste über numerische Berechnungen des Strömungsfeldes einer spezifischen Betriebsbedingung eines spezifischen
Profils zu erfassen. Unter Zuhilfenahme der Möglichkeit, das Strömungsfeld mittels numerischer Methoden detaillierter beschreiben zu können, beschrieb [DEN1993] die Verlustentstehung durch die auftretende Entropieproduktion. [COU2010] modifizierten das
Modell Dentons, indem sie das ursprünglich angenommene ideale Geschwindigkeitsprofil durch ein dreidimensional berechnetes Strömungsfeld ersetzten. Somit konnte nicht nur
die Profilbelastung sondern die dreidimensionale Ausgestaltung des Blattes berücksichtigt
werden.
In einer analysierenden Studie wandten [CHE2016] die Entropieerzeugungsmethode
auf eine zweidimensionale Blattgeometrie an, um die Verluste einer Kaskade zu klassifizieren und mit den eindimensionalen Modellen zu vergleichen.
4.4.2
Profilverluste
Der hauptsächliche Verlust einer Dampfturbine setzt sich aus den Anteilen des Profilverlustes (PL), der Verluste der Sekundärströmungen (SL) sowie der Leckageverluste (LL)
zusammen (Abb. 4.12). Der Profilverlust, der in etwa 1/4 bis 1/3 des gesamten Verlustes
beschreibt, resultiert vor allem aus den Reibungsverlusten an den Schaufeloberflächen. Er
wird stark durch die Völligkeit (Solidity) der Schaufel beeinflusst, Abb. 4.13. Wird die
Völligkeit reduziert, erhöht sich die Belastung des Profils, so dass der negative Druckgradient auf der Saugseite ansteigt. Dies kann zu Ablösungen mit erhöhten Verlusten führen.
Ist andererseits jedoch mit höherer Völligkeit die Teilung kleiner, so kommt es zu höheren Wandreibungsverlusten aufgrund der vermehrten benetzten Oberfläche. So ist die
Völligkeit letztendlich ein Optimum aus Fertigungskosten, Spannung und Dynamik.
4
Strömungstechnische Grundlagen der Turbinen
163
Abb. 4.12 Typische aerodynamische Verluste
(nach [CHE2016])
Abb. 4.13 Profilverlust in
Abhängigkeit der Schaufelvölligkeit [STE1973]
4.4.3 Entropieerzeugung der Profilumströmung einer Kaskade
Die Profilverluste einer Beschaufelung können in die drei Gruppen:
viskose Reibung an den benetzten Oberflächen,
Mischprozesse in den Nachläufen,
Nicht-Gleichgewichts Phänomene des Dampfes und Verdichtungsstöße
unterteilt werden. Sie können letztendlich als Entropieerzeugungsprozesse identifiziert
und dargestellt werden, da in numerischen Verfahren im Gegensatz zu Messungen der
lokale und momentane Wert der Entropie zur Beurteilung der Profilgüte zur Verfügung
steht.
Die Reibungsverluste der Profilgrenzschichten (bp ) stellen neben den Umlenkungsverlusten die Basis der Profilverluste dar. Die Ausbildung der Wandgrenzschichten hängt
stark von der Re-Zahl sowie der Oberflächenrauigkeit ab. Durch die viskose Dissipation,
sowohl in Wandgrenzschichten als auch in freien Grenzschichten, wird Entropie erzeugt,
die besonders in den Scherschichten des Profilnachlaufs hohe Werte annehmen kann. Sie
164
F. Joos
wird durch den Verlust des Nachlaufes te berücksichtigt. Wird vorwiegend der Profilverlust betrachtet, so wird oft angenommen, dass unter Auslegungsbedingungen kein Verlust
durch Fehlanströmung (inc ) zu berücksichtigen ist. Bei transsonischer bzw. supersonischer Umströmung des Profils tritt aufgrund der Wärmeleitung und der hochviskosen
Normalspannungen über den Verdichtungsstoß eine Entropieerhöhung auf, die sich als
irreversible Absenkung der Ma-Zahl, durch einen schlagartigen Druck- und Temperaturanstieg sowie einer Geschwindigkeitsreduktion über den Stoß, berücksichtigt durch sh ,
bemerkbar macht.
Der Verlustkoeffizient ergibt sich somit bei stoßfreier Strömung (Ma < 0;8) zu:
p D XRe bp C te C mc C sh
(4.114)
bzw. unter Vernachlässigung der Verluste durch Fehlanströmung (inc ) zu:
p D XRe bp C te W
(4.115)
[CHE2016] korrelieren den Profilverlustkoeffizienten aufgrund von experimentellen und
numerischen Ergebnissen an einer linearen Kaskade zu
bp
hloss
D
c22
1 bp
2
Zs
1
1
D 2 Cd t
sin ˛2f
p:s:
2
Zs
1
1
D 2 Cd t
sin ˛2f
p:s:
2
0
0
cp:s:
c2
3
Ma t;p:s:
Mat;2
s:s:
dsp:s: C
2
3
s:s:
dsp:s: C
2
cs:s:
c2
!
3
dss:s:
Ma t;s:s:
Mat;2
3
!
dss:s: :
(4.116)
Die isentrope Ma-Zahl der Druck- und Saugseite des Profils kann durch eine berechnete
oder gemessene Druckverteilung bestimmt werden (Gl. 4.111), wobei Mat die Ma-Zahl
bezogen auf den Ruhezustand bedeutet und unter Zuhilfenahme der Gl. 4.118 und 4.119
bestimmt werden kann
v
u
1 !
u 2
plokal clokal
t
D
1
;
(4.117)
Malokal D
alokal
1
pt1
p:s:
2
s:s:
2
Ma t;p:s:
Mat;2
Ma t;s:s:
Mat;2
3
D
3
D
Map:s:
Ma2
Mas:s:
Ma2
3 1 1
1
Ma2p:s:
2
1
Ma22
2
23.1/
2.1/
;
23.1/
2.1/
23.1/
Ma2s:s: 2.1/
1 1
2
23.1/ :
2 2.1/
Ma
1 1
2
2
(4.118)
3 (4.119)
4
Strömungstechnische Grundlagen der Turbinen
Tab. 4.6 Koeffizienten zur
Berechnung der Re-Zahl Korrektur XRe nach [CHE2016]
C1
C2
C3
165
Re ( 105
0;369685
4,000000
0,431364
Re > 105
0;145942
5,301030
0,000000
Die benötigten Konditionen an der Profiloberfläche stehen bei Verwendung eines bekannten Profils, aber auch bei der numerischen Berechnung zur Verfügung.
Zusätzlich muss der Einfluss der Oberflächenrauigkeit, wie auch der Re-Zahl, korrigiert
werden. In [SCH1979] sowie [DEN1993] sind Korrelationen des Widerstandsbeiwertes zu
finden. [CHE2016] empfehlen in erster Näherung den Wert CD D 0;002.
Als Re-Korrektur XRe geben [CHE2016] für
XRe D 10f.Re/ ;
f .Re/ D C1 Œlog 10.Re/ C2 C C3 ;
0;37
4 ks
Xks=cl D 2;6 e cl
2;13:
(4.120)
(4.121)
(4.122)
mit der Blattlänge cl (chord length) sowie den Koeffizienten der Tab. 4.6 an. Für Xks=c >
XRe ist XRe D Xks=cl zu setzen.
Viele Korrelationen beschreiben die Verluste des Nachlaufs. Sie werden in Abhängigkeit der An- und Abströmwinkel ˛1 , ˛2 sowie der Verhältnisse aus der Dicke der Hinterkante te zum engsten Querschnittsabstand to , te =to bzw. der Dicke der Hinterkante te zur
Teilung t, te =t publiziert, u. a. von [TRA1966, CRA1970, KAC1982] sowie [AUN2006].
[CHE2016] zeigen im Vergleich zu Messwerten und numerischen Rechnungen, dass die
einzelnen Korrelationen stark streuen und schlagen eine vereinfachte Korrelation
2
2
te
te
C 0;04
te D 0;5
to
to
(4.123)
mit dem engsten Kanalabstand to vor. Die vereinfachten Korrelationen zur Berechnung
der Verluste einer ebenen Kaskade nach [CHE2016] geben deren Messwerte, wie auch
die numerisch gewonnenen Werte, gut wieder und können zur ersten Abschätzung der
erwarteten Profilverluste dienen.
Zudem treten Verluste durch die Schaufelversperrungen des Strömungsquerschnittes,
erfasst durch den Verengungsfaktor k, durch Sekundärströmungen, die die Umfangsgeschwindigkeit der Absolutgeschwindigkeit am Austritt c2u verringern, erfasst durch den
Minderleistungsfaktor , durch Reibungsverluste in allen Bauteilen, durch Fehlanströmungen außerhalb der Auslegungsbedingungen, die sogenannten Stoßverluste am Laufund Leitschaufeleintritt auf. Auf die detaillierte Darstellung dieser Verluste soll auf die
umfangreiche einschlägige Literatur verwiesen werden (u. a. [TRA2001a]).
166
4.5
F. Joos
Durchsatzkurve der Turbine, Betriebskennlinie
Da der Durchsatz der Turbine letztendlich vom engsten Querschnitt des Leitrades bestimmt wird, wird die Kennlinie der Turbine in erster Näherung durch die Ausflusskurve
kompressibler Fluide bestimmt. Bis zu einem gewissen Druckverhältnis steigt der Durchsatz mit steigendem Druckverhältnis an und nähert sich dann dem kritischen Durchsatz
(Abb. 4.14), ab dem der Volumenstrom konstant bleibt, bzw. der Massenstrom ansteigt,
wenn der Druck vor dem Leitgitter erhöht wird. Eine Erhöhung der Druckdifferenz durch
Absenken des Gegendruckes bewirkt einen konstanten Massen- und Volumenstrom.
Der durchgesetzte Massenstrom berechnet sich bis zum Maximum nach
m
P th D Aa p
2i pi
(4.124)
mit der gasabhängigen Ausflussfunktion
v
" 2 C1 #
u
u pa pa :
Dt
1
pi
pi
(4.125)
Der Index a bedeutet hinter bzw. i vor der Blende. Die Durchtrittsfläche Aa berücksichtigt
evtl. vorhandene Strahleinschnürung und Reibungseffekte; sie stellt den Effektivwert dar.
4.5.1
Darstellung im Kennfeld
Um die Ma-Zahl-Ähnlichkeit auszunutzen, wird im Turbinenkennfeld (Abb. 4.15, 4.16)
der reduzierte Massendurchsatz mred bzw. der Turbinenwirkunsgrad T über dem Totaldruckverhältnis 34tot aufgetragen. Als Scharparameter dient die reduzierte Drehzahl
Abb. 4.14 Schema des Durchflussverhaltens einer Turbine
beim Absenken des Gegendruckes pa
4
Strömungstechnische Grundlagen der Turbinen
167
Abb. 4.15 Kennfeld einer Axialturbine
(nach [HAG1982])
Index: 1 Turbineneintritt,
2 Turbinenaustritt
Abb. 4.16 Wirkungsgrad einer axialen Turbine
(nach [HAG1982])
Index: 1 Turbineneintritt,
2 Turbinenaustritt
p
n= T3tot bezogen auf die Totaltemperatur am Turbineneintritt. Ab dem kritischen Druckverhältnis tritt im engsten Querschnitt, in der Regel im 1. Leitrad, Schallgeschwindigkeit
auf (Abb. 4.15). Die Turbine erreicht ihre Stopfgrenze. Ein höherer reduzierter Durchsatz
ist nicht realisierbar. Die Turbinenkennlinie ist in dem weiteren Bereich, der in der Regel
den Betriebsbereich darstellt, vom Druckverhältnis und von der Drehzahl unabhängig.
Der Wirkungsgrad hingegen hängt sowohl vom Druckverhältnis als auch von der
p
Drehzahl ab (Abb. 4.16), m
P T3tot =p3tot rel . Die Verläufe des reduzierten Massenstromes (Abb. 4.15) sowie des Wirkungsgrades (Abb. 4.16) lassen aufgrund ihrer Spreizung
der Kurven erkennen, dass bei den Turbinenkennfeldern die Ma-Zahl-Ähnlichkeit nur
beschränkt gilt, so dass die Abhängigkeit von der reduzierten Drehzahl berücksichtigt
werden muss. Um die in Abb. 4.16 stark zusammenfallenden Kennlinien im Kennfeld
zu spreizen, wird oft, insbesondere in der Gasturbinenliteratur die auf die absolute Temperatur bezogene spezifische Enthalpie über dem Produkt aus reduziertem Massenstrom
und reduzierter Drehzahl aufgetragen (Abb. 4.17). Auch Darstellungen, bei denen die
nichtbezogene Enthalpie auf der Ordinate aufgetragen wird, sind üblich.
168
F. Joos
Abb. 4.17 Turbinenkennfeld (nach [HAG1982])
4.6 Theorie der Turbinenstufe
Eine Turbinenstufe setzt sich immer aus einem Leitrad, in dem der Druck in kinetische
Energie umgewandelt wird und einem Laufrad, das durch Umlenkung und je nach Reaktionsgrad durch zusätzliche Beschleunigung Arbeit auf die Welle überträgt, zusammen. Im
Folgenden sollen die beschreibenden Größen des Leitrades mit (0 ), die des Laufrades mit
(00 ) bezeichnet werden.
4.6.1 Leitrad der Turbine
Da im Leitrad weder Arbeit noch Wärme von außen übertragen wird, vereinfacht sich die
Energiebilanz vom Leitradeintritt (0) zum Leitradaustritt (1) zu
h01tot D h1 h0 C
1 2
c1 c02 D 0
2
(4.126)
bzw.
h0 C
c02
c2
D h1 C 1 :
2
2
(4.127)
4
Strömungstechnische Grundlagen der Turbinen
169
Die Summe
htot D h C
c2
2
(4.128)
wurde bereits als Totalenthalpie eingeführt. Sie bleibt beim Durchtritt durch das Leitrad
konstant, so dass hier
h0tot D h1tot
(4.129)
gegeben ist. Abb. 4.18 veranschaulicht diesen Sachverhalt im h,s-Diagramm. Setzt man
für die Enthalpiedifferenz zwischen den Punkten 0 und 1 im Leitrad
h01 D h0 D h1 h0 ;
(4.130)
so erhält man für die Austrittsgeschwindigkeit
c2
c12
D h0 C 0 :
2
2
(4.131)
Wäre eine verlustlose Expansion vom Punkt 0 mit dem Druck p0 auf den Gegendruck
p1 möglich, so würde hierbei, da adiabate Strömung vorausgesetzt wird, die Entropie
konstant bleiben. Die Enthalpiedifferenz für diese isentrope Zustandsänderung wäre
h0s D h1s h0
(4.132)
und damit die Austrittsgeschwindigkeit aus dem Leitrad bei verlustloser Zustandsänderung
2
c1s
c2
D h0s C 0 :
2
2
Abb. 4.18 h,s-Diagramm des Turbinenleitrades
(4.133)
170
F. Joos
Der bei der wirklichen Zustandsänderung auftretende Verlust wird als die Differenz zwischen den Bewegungsenergien am Leitradaustritt beim verlustlosen und bei verlustbehafteten Fall definiert zu
2
c
c2
(4.134)
h0V D 1s 1 ;
2
2
was sich als Differenz zweier Strecken direkt aus dem h,s-Diagramm abgreifen lässt.
Die statische isentrope Enthalpiedifferenz h0s des Leitrades ergibt sich aus der Summe
aus tatsächlicher Enthalpiedifferenz h0 und der Verluste h0V
h0s D h0 C h0V :
(4.135)
Da bei der Turbine sowohl h0s als auch h0 negativ sind, ist auch der Verlust h0V negativ
zu setzen (s. Gl. 4.134).
Zur Beschreibung der Enthalpieverluste wird der Leitradwirkungsgrad 0 eingeführt
0 D
0
D
h1 h0tot
;
h1s h0tot
2
c1s
2
C h0V
2
c1s
2
(4.136)
D
c12
2
2
c1s
2
D
c12
:
2
c1s
(4.137)
Sind der Leitradwirkungsgrad 0 und außerdem die Ausgangwerte p0 , h0 und c0 für den
Ausgangspunkt bekannt, so lässt sich bei gegebenem Austrittsdruck p1 die Austrittsgeschwindigkeit c1 berechnen. Man bestimmt h0s D h1s h0 z. B. aus der isentropen
Enthalpiedifferenz
" 1
#
p1 0
1 ;
(4.138)
hs D cp T0 p0
oder aus einem h,s-Diagramm und erhält damit die Geschwindigkeit c1 aus Gl. 4.137 und
Gl. 4.138 zu
c02
c12
0
0
D hs C
:
(4.139)
2
2
4.6.2
Laufrad der Turbine
Durch das Laufrad der Turbine wird dem Arbeitsmittel Energie entzogen. Die abgegebene
Umfangsarbeit berechnet sich zu
Lu D
Pu
D ! r2 cu2 ! r1 cu1 D u2 cu2 u1 cu1 :
m
P
(4.140)
4
Strömungstechnische Grundlagen der Turbinen
171
Die Definition der Geschwindigkeiten ist Abb. 4.8 zu entnehmen. Aus den Geschwindigkeitsdreiecken liest man für die Umfangskomponenten der Absolutgeschwindigkeiten
ab
cu1 D c1 cos ˛1 ;
cu2 D c2 cos ˛2 :
(4.141)
Die Relativgeschwindigkeiten w1 und w2 lassen sich durch Anwendung des Kosinussatzes
auf die beiden Geschwindigkeitsdreiecke durch die Absolut- und Umfangsgeschwindigkeiten ausdrücken:
cu1
w12
D
c12
C
u21
‚ …„ ƒ
2u1 c1 cos ˛1
w22 D c22 C u22 2u2 c2 cos.180 C ˛2 / :
„
ƒ‚
…
(4.142)
cu2
Setzt man die Gl. 4.141 in die Gl. 4.142 ein, so ergibt sich
u1 cu1 D
1 2
c1 C u21 w12 ;
2
u2 cu2 D
1 2
c2 C u22 w22 :
2
(4.143)
Damit erhält man mit Gl. 4.140 die Beziehung
Lu D
1 2
c2 c12 C w12 w22 C u22 u21 ;
2
(4.144)
die ebenfalls als (Euler’sche) Turbinenhauptgleichung bezeichnet wird. Die Umfangsarbeit besitzt ein negatives Vorzeichen Lu > 0, d. h. die Arbeit wird dem Fluid entzogen.
Der Betrag der Umfangsarbeit =Lu = wird groß für c1 > c2 sowie für u1 > u2 , d. h. Radialmaschinen werden am besten von außen nach innen durchströmt, während bei reinen
Axialmaschinen die Umfangsgeschwindigkeit konstant ist u1 D u2 . Außerdem ist es notwendig, dass die relative Austrittsgeschwindigkeit aus dem Laufrad möglichst hoch ist im
Vergleich zur relativen Eintrittsgeschwindigkeit w2 > w1 , so dass ein großer Austrittsimpuls aus dem Laufrad zur Verfügung steht.
Die Energiebilanz am Laufrad liefert
Lu D h2 h1 C
1 2
c2 c12 D h2tot h1tot :
2
(4.145)
Aus Gl. 4.145 ist ersichtlich, dass sich die Umfangsarbeit Lu auf die Totalwerte bezieht,
d. h. sowohl die Änderung der Enthalpie als auch die Änderung der kinetischen Energie
172
F. Joos
beinhaltet, während die statische Enthalpie lediglich auf die statischen Werte bezogen
wird und somit die Änderung der inneren Energie (bzw. Enthalpie) des Fluids beschreibt.
Durch Vergleich von Gl. 4.144 und 4.145 erhält man die Beziehung
h1 C
w12 u21
w 2 u2
D h2 C 2 2 ;
2
2
2
2
(4.146)
die in ihrem formalen Aufbau der Gl. 4.127 für das Leitrad entspricht.
Analog zur Gesamtenthalpie htot kann man für das Laufrad die sogenannte Rothalpie htot
htot D h C
w 2 u2
2
2
(Rothalpie)
(4.147)
einführen.
Die Rothalpie bleibt beim Durchtritt durch das bewegte Laufrad konstant. Als Rothal2
2
E C uE
pie ergibt sich für das Leitrad die Totalenthalpie htot D h C w2 u2 mit cE D w
htot D h C
c2
:
2
(4.148)
Abb. 4.19 zeigt die Zustandsänderung in einem Turbinenlaufrad, d. h. in einem Beschleunigungsgitter.
Mit der Enthalpiedifferenz
h00 D h2 h1
(4.149)
erhält man aus Gl. 4.146 die relative Austrittsgeschwindigkeit aus dem Laufrad
w2
u2 u2
w22
D h00 C 1 C 2 1 :
2
2
2
2
(4.150)
Für den verlustlosen Fall ist die isentrope Enthalpiedifferenz
h00s D h2s h1
(4.151)
und damit die Austrittsgeschwindigkeit bei verlustloser Strömung
2
w2
u2 u2
w2s
D h00s C 1 C 2 1 :
2
2
2
2
(4.152)
Der aufgetretene Verlust hV kann somit aus
h00s D h00 C h00V
(4.153)
4
Strömungstechnische Grundlagen der Turbinen
173
Abb. 4.19 Zustandsänderung im Turbinenlaufrad
zu
h00V D h00s h00
(4.154)
berechnet werden (vgl. h,s-Diagramm, vgl. Abb. 4.19)
h00V D 2
w22
w2s
:
2
(4.155)
Analog zu Gl. 4.137 kann damit ein Laufradwirkungsgrad 00
00 D
w22
2
w2s
(4.156)
definiert werden. Aus Gl. 4.152 und 4.156 erhält man die Austrittsgeschwindigkeit w2 im
Relativsystem des verlustbehafteten Laufrades zu
w22
w12
u22 u21
00
00
D hs C
C
:
2
2
2
2
(4.157)
174
F. Joos
Abb. 4.20 h,s-Diagramm einer Turbinenstufe
Der Winkel ˇ2 ist durch die Gestalt der Laufschaufeln festgelegt. Mit der Umfangsgeschwindigkeit uE 2 ist das Geschwindigkeitsdreieck bestimmt und damit auch die Austrittsgeschwindigkeit cE2 im Absolutsystem.
4.6.3 Vollständige Turbinenstufe
Die h,s-Diagramme für das Leitrad (Abb. 4.18) und das Laufrad (Abb. 4.19) sind in
Abb. 4.20 zu einem Diagramm der Zustandsänderungen in einer Turbinenstufe zusammengezeichnet. Der Übersichtlichkeit wegen wurden die Werte für 1=2 .w22 u22 / für das
Laufrad nicht mit übernommen. Dafür wurde am Laufradaustritt bei h2 die Austrittsgeschwindigkeit c2 mit angetragen.
Aus den Gl. 4.144 und 4.145 erkennt man, dass auch die Umfangsarbeit Lu als Strecke
in das Diagramm eingetragen werden kann. Unter Beachtung, dass h D h0 C h00 ist,
folgt aus den Gl. 4.127 und 4.145 für die Umfangsarbeit
Lu D h2tot h0tot D h2tot h1tot
(4.158)
bzw.
Lu D h02 C
1 2
1 2
c2 c02 D h0012 C
c2 c12
2
2
(4.159)
4
Strömungstechnische Grundlagen der Turbinen
175
Die spezifische Umfangsarbeit lässt sich also sowohl aus einer Energiebilanz über die
gesamte Stufe, als auch aus einer Bilanz über das Laufrad allein berechnen.
4.7 Turbinenwirkungsgrade
Ergänzend zur Definition der Wirkungsgrade der Thermodynamik ist es notwendig,
turbinen- bzw. stufenbezogenen Wirkungsgrade zu definieren, die die Wirkungsgrade der
Gitter zusammenfassen.
4.7.1
Umfangswirkungsgrad einer Turbine
Für die Verluste in der Stufe wurden bisher die Leitrad- und Laufradwirkungsgrade 0
und 00 eingeführt. Sind sie bekannt, so lässt sich mit den Geschwindigkeiten die Umfangsarbeit Lu der Stufe berechnen. Damit können dann Wirkungsgrade am „Umfang der
Stufe“ definiert werden. Vergleicht man die am Umfang geleistete Arbeit Lu mit derjenigen der verlustfrei arbeitenden Stufe, die vom gleichen Anfangszustand auf den gleichen
Enddruck expandiert und bei der außerdem die Eintrittsgeschwindigkeit c0 und die Austrittsgeschwindigkeit c2 so groß wie bei der wirklichen, verlustbehafteten Stufe sind, so
erhält man den Umfangswirkungsgrad u , falls eine weitere Stufe nachfolgt zu
h C 12 c22 c02
Lu
D
2
:
u D
hs C 12 c22 c02
hs C 12 c2s
c02
(4.160)
Es wird im Rahmen der Genauigkeit angenommen, dass c2s c2 gesetzt werden kann.
Diese Definition ist dann zweckmäßig, wenn der betrachteten Stufe eine weitere Stufe
unmittelbar nachfolgt, so dass die Austrittsenergie c22 =2 nicht als Verlust betrachtet werden muss (Hinweis: h < 0). Sie steht der nächsten Stufe als Eintrittsenergie wieder zur
Verfügung. Muss hingegen an der letzten Stufe einer Turbine oder bei einer einstufigen
Turbine, die Austrittsenergie als Verlust angesehen werden, so ist eine andere Definition des Umfangswirkungsgrades sinnvoll. Man vergleicht dann die Umfangsarbeit Lu
mit der Arbeit, die man bei isentroper Entspannung vom Ausgangsdruck p0 mit der Eintrittsgeschwindigkeit c0 auf den Enddruck p2 gewinnen könnte. Für diesen maximalen
Arbeitsgewinn müsste auch die Austrittsenergie c22 =2 noch in mechanische Energie umgesetzt werden, d. h. es müsste c2 D 0 erreicht werden. Da dieser Wirkungsgrad außer für
die letzte Stufe auch sinnvoll für die gesamte Bilanz einer Maschine verwendet werden
kann, soll er mit dem Index g gekennzeichnet werden:
ug D
Lu
hs c02
2
D
h C
1
2
2
c2 c02
hs c02
2
(mit Austrittsverlusten):
(4.161)
176
F. Joos
Abb. 4.21 Zur Definition des
Umfangswirkungsgrades U
der Turbine
Wie aus Abb. 4.21 ersichtlich ist, gilt U > Ug . Somit ergibt sich für eine mittlere Stufe
einer mehrstufigen Turbine ohne Berücksichtigung der Austrittsverluste:
u D
Lu
;
a
(4.162)
bzw. für eine Einzelstufe mit Berücksichtigung der Austrittsverluste:
ug D
Lu
:
b
(4.163)
In Abb. 4.21 sind die für die beiden Definitionen des Umfangswirkungsgrades erforderlichen Größen im h,s-Diagramm erläutert.
4.7.2
Gesamter Wirkungsgrad der Turbine
Neben den durch den Umfangswirkungsgrad u (bzw. durch die Beschaufelungswirkungsgrade 0 und 00 ) erfassten Verlusten tritt noch eine Reihe weiterer Verluste auf, die bei der
Turbine die gewinnbare Wellenleistung vermindern. An den konstruktiv unvermeidlichen
Spalten zwischen Laufschaufelende und Gehäuse und zwischen Leitschaufelenden und
Läufer entstehen Spaltverluste L0Sp und L00Sp . Bei diesen Verlusten handelt es sich einmal um einen Mengenverlust (Leckverlust) und zum anderen um einen Sekundärverlust
dadurch, dass die in ungewünschter Richtung fließende Spaltströmung die reguläre Strömung durch das Gitter stört. An den Seitenwänden von Radscheiben und an Deckbändern,
die die Schaufelenden als umlaufende Ringe verbinden, tritt der Radreibungsverlust LR
auf. Die Fehlanströmung infolge des schlechten Folgevermögens von auftretenden Wassertröpfchen insbesondere in den Endstufen führt auf den Nässeverlust LN .
Für die Turbine erhält man unter Beachtung dieser zusätzlichen Verluste die innere
Arbeit Li aus der Umfangsarbeit Lu zu
Li D Lu C L0Sp C L00Sp C LR C LN :
(4.164)
4
Strömungstechnische Grundlagen der Turbinen
177
Abb. 4.22 h,s-Diagramm
einer Turbine
Dabei sind L0Sp und L00Sp die Spaltverluste durch die Leit- und Laufradspalte, LR der
Reibungsverlust positiv. Addiert zur negativen spezifischen Umfangsarbeit ergibt sich die
betragsmäßig kleinere, negative spezifische innere Arbeit. Alle Verluste sind wie Li und
Lu auf die Masseneinheit bezogen. Analog zu den Gl. 4.161 und 4.162 lassen sich innere
Wirkungsgrade i und ig definieren. Ist die Austrittsenergie kein Verlust, so ist
i D
=Li =
Li
D
2
2
=hs = C 12 c02 c2s
hs C 12 c2s
c02
(ohne Austrittsverluste): (4.165)
Wird die Austrittsenergie als Verlust betrachtet, so benutzt man zweckmäßig
ig D
Li
hs c02
2
(mit Austrittsverlusten):
(4.166)
Die Gl. 4.165 und 4.166 lassen sich genauso wie für eine Stufe auch für die gesamte Maschine verwenden, wenn man Li für alle Stufen summiert und hs aus den Zuständen vor
und hinter der Maschine berechnet. Dann sind c0 und c2 die entsprechenden Geschwindigkeiten am Ein- und Austritt der Maschine, die mit cE und cA benannt seien. Abb. 4.22
veranschaulicht die Zustandsänderung in einer Turbine.
Bei adiabater Strömung bewirken die in Gl. 4.164 angeschriebenen Verluste eine Erhöhung der Entropie. Die an der Welle verfügbare Arbeit Li muss nach dem Energiesatz die Differenz der tatsächlichen Gesamtenthalpien vor und hinter der Maschine sein
(Abb. 4.22). Aus Druck- und Temperaturmessungen vor und hinter der Maschine erhält
man die Zustandspunkte E (Eintritt) und Aw (Index w: wirklicher Zustand am Austritt).
Der Zustandspunkt A ist fiktiv und nur rechnerisch unter Benutzung von 0 und 00 zu
ermitteln. Damit ist auch der innere Wirkungsgrad der Maschine direkt aus Messgrößen
178
F. Joos
(pE , tE , cE und pAw , TAw , cAw ) zu berechnen, wobei insbesondere bei der Temperatur TA
auf eine hohe Messgenauigkeit zu achten ist und Verfälschungen durch Wärmeleitung und
Wärmestrahlung unbedingt vermieden werden müssen. In der Praxis vernachlässigt man
oft den Unterschied zwischen Ein- und Austrittsgeschwindigkeit, womit aus Gl. 4.165 mit
den Bezeichnungen von Abb. 4.22 folgt
i hw
:
hs
(4.167)
Die effektive Kupplungsarbeit LK der Turbine erhält man aus der inneren Arbeit Li durch
Abzug der mechanischen Verluste Lm :
=LK = D =Li = =Lm =:
(4.168)
Um die mechanischen Verluste zu erfassen, wird ein mechanischer Wirkungsgrad
m D
=LK =
=Li = =Lm =
D
=Li =
=Li =
(4.169)
definiert. Damit erhält man den Kupplungswirkungsgrad zu
K D i m
(4.170)
wobei i entsprechend den oben angegebenen Möglichkeiten definiert ist.
Bei den Turbinen besteht ein Zusammenhang zwischen der spezifischen Umfangsarbeit
Lu und der inneren Arbeit Li , wie aus dem h,s-Diagramm (Abb. 4.22) leicht hergeleitet
werden kann:
htot_s D
4.8
Li
Lu
D
:
i
u
(4.171)
Betriebs- und Regelverhalten der Turbine
Bisher wurde das Verhalten der Turbinen nur in einem Betriebspunkt betrachtet. Der
Betriebspunkt ist dadurch gekennzeichnet, dass hier alle Strömungswinkel mit den Schaufelwinkeln übereinstimmen. Da dies der Punkt ist, für den die Maschine ausgelegt ist, wird
dieser Punkt auch als Auslegepunkt (Design Point, DP) bezeichnet.
Im Betrieb besteht aber oft die Forderung, dass sich die Maschine einem variablen
Prozess anpassen können muss, beispielweise wenn der Leistungsbedarf einer Arbeitsmaschine zeitlich variiert. Es ist gerade ein Vorteil der Strömungsmaschinen, dass sie in
einem weiten Bereich auch außerhalb des Auslegungspunktes ohne Schwierigkeiten betrieben werden können.
4
Strömungstechnische Grundlagen der Turbinen
179
Wie im Folgenden gezeigt wird, ergeben sich bei vom Auslegungspunkt abweichenden
Betriebspunkten
Änderungen der Schaufelanströmgeschwindigkeiten und -richtungen, sowohl für Leitals auch für Laufräder.
Sofern die Strömungsgeschwindigkeiten unter der Schallgeschwindigkeit bleiben, ist
jedoch die Abströmrichtung aus den Schaufelgittern über einen weiten Bereich unabhängig von den Zuströmbedingungen.
Als Beschleunigungsgitter können Turbinengitter dabei erhebliche Fehlanströmungen bis
etwa 40ı und mehr aufnehmen. Im Rahmen der folgenden Überlegungen wird davon ausgegangen, dass die Anströmwinkel noch im möglichen Arbeitsbereich liegen und die
Abströmwinkel gleich den Werten im Auslegungspunkt bleiben. Durch die Fehlanströmung des Profils werden allerdings die von der Schaufel verursachten Strömungsverluste
(„Profilverluste“) vergrößert, was aber bei den folgenden grundlegenden Überlegungen in
der Regel vernachlässigt wird.
Je nach Einsatzgebiet und Arbeitsfluid wurden unterschiedliche Regelkonzepte zur
Leistungsanpassung der Turbine entwickelt. Ist die Drehzahl der Turbine nicht festgelegt, wie dies bei Antriebsturbinen von Verdichtern der Fall ist, so wird in der Regel
die Drehzahl über ein Leistungsgleichgewicht von Turbine und Verdichter definiert. Die
Drehzahl von Kraftwerksturbinen hingegen wird durch die Last, die häufig die Netzfrequenz darstellt, festgelegt. In diesem Fall muss die Leistung über den Durchsatz bzw.
über die Turbineneintrittstemperatur angepasst werden. Bei Dampfturbinen haben sich
zusätzlich die Regelung des Eintrittsdruckes (Gleitdruckregelung) und des Durchsatzes
(Stufengruppenregelung) durchgesetzt, auf die hier nicht näher eingegangen werden soll.
Diese Regelungskonzepte sind im entsprechenden Kapitel detailliert beschrieben.
4.8.1 Turbinen mit variabler Drehzahl
Werden die Turbinen zum Antrieb von Arbeitsmaschinen wie beispielsweise als Verdichteroder Pumpenantrieb eingesetzt, so muss die Drehzahl der Turbine den Anforderungen des
Verbrauchers angepasst werden. Es können sich also bei fest ausgeprägtem Massenstrom je nach Widerstand der Antriebsmaschine durchaus unterschiedliche Drehzahlen
ergeben. Im nachstehenden Geschwindigkeitsdreieck (Abb. 4.23) sind die Änderungen
eingetragen, die sich bei einer Erhöhung der Drehzahl von n auf n ergeben.
Da die Querschnittsflächen und in erster Näherung auch der Massenstrom bei der Änderung der Drehzahl nicht verändert werden
A D const.;
m
P D const: ) cm D wm D const.;
(4.172)
müssen bei vernachlässigbarer Dichteänderung die axialen bzw. die meridionalen Geschwindigkeiten cm konstant bleiben.
180
F. Joos
Abb. 4.23 Geschwindigkeitsdreieck der Turbine bei Drehzahländerung
Zur Konstruktion der nun entstandenen Geschwindigkeitsdreiecke wird von folgenden
Annahmen ausgegangen:
die Abströmung erfolge weiterhin schaufelkongruent, d. h. die Abströmwinkel ˛1 und
ˇ2 bleiben erhalten,
die Meridiankomponente cm ändert sich nicht.
Da der Abströmwinkel aus dem Leitrad erhalten bleibt, ist c1 identisch mit c1
˛1 D const. ) c1 D c1 :
(4.173)
Wegen der von u1 auf u1 erhöhten Umfangsgeschwindigkeit ist w1 sowohl in Betrag als
auch in der Richtung verändert, d. h. das Laufrad wird nicht entsprechend den Auslegungsbedingungen angeströmt. Da der Abströmwinkel des Laufrades erhalten bleibt, ist
aus Kontinuitätsgründen w2 identisch mit w2
ˇ2 D const. ) w2 D w2 :
(4.174)
Durch die Vektoraddition ergibt sich dann ein in Betrag und Richtung vom Betrieb bei
Nenndrehzahl abweichendes c2 . Somit ist auch mit einer Fehlanströmung des nachfolgenden Leitrades zu rechnen. Unter den genannten Voraussetzungen ergibt sich eine Abnahme
die betragsmäßig gleich der Zunahme von u auf u ist, denn w2 und w2
von cu2 auf cu2
liegen parallel. Bei einem kinematischen Reaktionsgrad von rk D 0;5 gilt im Auslegungspunkt (bei ˛2 D ˇ1 D 90ı )
cu2 0;
cu1 u;
Lu u2 :
(4.175)
4
Strömungstechnische Grundlagen der Turbinen
181
Abb. 4.24 Drehmoment bei
Drehzahländerung
Bei einer Drehzahländerung auf n ergibt sich unter Beachtung, dass gilt cu2 0:
cu2
Š u u;
cu1 Š u;
Lu Š u cu1
cu2
D
Q u .2u u / :
(4.176)
Damit ist mit u D 2 nr
2uu u2
2n
Lu
D
D
Lu
u2
n
n
n
2
:
(4.177)
Die Umfangsarbeit ändert sich mit dem Quadrat der Drehzahl. Für die abgegebene Leistung ergibt sich mit
P u
Pu D mL
L
n
Pu
D u D2 Pu
Lu
n
(4.178)
2
n
n
:
(4.179)
Die Leistung ändert sich wie die Umfangsarbeit mit dem Quadrat der Drehzahl. Für das
abgegebene Moment (P D M!) erhält man
Pu
Pu
;
; M 2 n
2 n
n
P n
M
D u D2 :
M
Pu n
n
M (4.180)
(4.181)
Es ergibt sich also der in Abb. 4.24 dargestellte lineare Zusammenhang zwischen dem
abgegebenen Moment und der Drehzahl, wobei das Moment mit steigender Drehzahl abnimmt. Zumindest für Maschinen mit niedriger Stufenanzahl ist dieser Zusammenhang
auch für das Moment an der Kupplung im Versuch messbar.
Ausgehend vom rechtwinkligen Geschwindigkeitsdreieck im Auslegungspunkt für den
Reaktionsgrad rk D 0;5 wird das Moment bei festgehaltener Welle („Stillstandsmoment“) doppelt so groß wie das Moment im Auslegungspunkt. Dies wird beispielsweise
182
F. Joos
Abb. 4.25 Umfangsarbeit bei Drehzahländerung
als Anfahrmoment ausgenutzt. Die Drehzahl erreicht die doppelte Nenndrehzahl, wenn
das abgegebene Moment Null ist („Durchgangsdrehzahl“). Inwieweit die Maschine mechanisch in der Lage ist, bei diesen möglichen Extrempunkten der Momentenkennlinie
betrieben zu werden, ist von der Konstruktion abhängig. Zumindest bei thermischen Maschinen muss die Durchgangsdrehzahl durch Sicherheitsvorkehrungen vermieden werden,
da die Laufschaufeln der hohen Belastung infolge der doppelten Umfangsgeschwindigkeit
nicht gewachsen sind.
Wertet man Gl. 4.177 für die Umfangsarbeit aus (Abb. 4.25), dann erhält man in der
Nähe des Auslegungspunktes nur eine sehr geringe Abhängigkeit zwischen Umfangsarbeit und Drehzahl. Eine Drehzahländerung um ˙20 % ergibt eine Abnahme von Lu um
ca. 4 %. Somit hat bei einer Turbine auch eine größere Drehzahländerung praktisch keinen
Einfluss auf die Abhängigkeit zwischen Massenstrom (Durchsatz) und Eintrittsdruck. Die
Erfahrung zeigt, dass das im Folgenden noch vorgestellte Dampfkegelgesetz auch noch
bei merklicher Änderung der Drehzahl gilt.
Das vollständige Momentenkennfeld (Abb. 4.26), das die Abhängigkeit von Drehzahl
und Massenstrom angibt, kann mit der Definition des Moments (Gl. 4.179 und 4.181)
punktweise konstruiert werden. Es kann aber auch direkt aus dem Geschwindigkeitsdreieck gewonnen werden:
M D r m.c
P u2 cu1 /;
1
1
m
P
D
;
cu1 D cm
tan ˛1
A tan ˛1
1
1
cm
m
P
m
P
cu2 D u Du
D 2 rn :
tan ˇ2
A tan ˇ2
A tan ˇ2
(4.182)
Daraus folgt
1
1
C
M D
tan ˛1
tan ˇ2
r 2
P
m
P C 2 r 2 mn:
A
(4.183)
4
Strömungstechnische Grundlagen der Turbinen
183
Abb. 4.26 Drehmoment bei Durchsatz- und Drehzahländerung einer Turbine
Da r und A durch die Konstruktion festgelegt und die Abströmwinkel aus den Gittern
konstant sind, hat diese Gleichung für D const: die Form
P 2 C K2 mn:
P
M D K1 m
(4.184)
Für das Stillstandsmoment M0 gilt (n D 0)
M0
D
M0
m
P
m
P
2
:
(4.185)
Für die Durchgangsdrehzahl gilt (M D 0):
n0
m
P
D
:
n0
m
P
(4.186)
Da bei dieser Herleitung keine Voraussetzungen hinsichtlich des Reaktionsgrades gemacht
wurden, gilt diese allgemein für Turbinenstufen unter der Voraussetzung und D const.
4.8.2 Turbinen mit konstanter Drehzahl
Kraftwerksdampfturbinen werden mit konstanter Drehzahl, in der Regel mit der Netzfrequenz, betrieben. Zur Leistungsregelung wird somit der Massenstrom bzw. der Eintrittsdruck herangezogen.
In Abb. 4.27 sind der Schaufelplan und das Geschwindigkeitsdreieck einer Arbeitsturbine im Auslegungspunkt dargestellt. Dabei soll es sich um eine mittlere Stufe handeln.
Durch die Drehzahlregelung wird der Massenstrom bei angeforderter Teillast von m
P auf
m
P reduziert. Entsprechend dieser Änderung verringert sich der in die Maschine eintretende Volumenstrom. Wird die Änderung der Dichte hierbei vernachlässigt, so sinkt der
184
F. Joos
Abb. 4.27 Schaufelplan und Geschwindigkeitsdreieck einer Turbine im Auslegungspunkt
Volumenstrom im Verhältnis des Massenstromes. Da sich die Durchtrittsflächen durch
die Maschine nicht ändern, müssen sich die axialen Komponenten der Geschwindigkeiten im gleichen Verhältnis verringern. Die Meridiankomponente cm vermindert sich auf
cm im Geschwindigkeitsdreieck von Abb. 4.28, da ˛1 als Abströmwinkel des Leitrades
nach den vorstehenden Ausführungen erhalten bleibt und die axiale Komponente cz bestimmt. Damit ergibt sich auch die Relativgeschwindigkeit w1 , wobei sowohl Betrag als
auch Richtung vom Auslegungspunkt abweichen, die Laufschaufeln werden also nicht
entsprechend ihrer Auslegung, die ja dem Winkel ˇ1 entspricht, angeströmt.
Wie eingangs ausgesagt, wird dennoch der Abströmwinkel ˇ2 D ˇ2 erreicht und mit
der durch die Kontinuität vorgegebenen Axialkomponente ist w2 festgelegt. Somit ergibt sich auch ein in Betrag und Richtung vom Auslegepunkt abweichendes c2 , das der
nächsten Stufe als Eintrittsgeschwindigkeit in das Leitrad aufgeprägt wird. Da die der betrachteten Stufe vorangehende Stufe die gleichen Eigenschaften hat wie diese, wird auch
für die betrachtete Stufe c0 D c2 sein. Das so entstandene Geschwindigkeitsdreieck unterscheidet sich sehr vom Auslegungspunkt. Die geometrische Ähnlichkeit ist nicht gegeben,
so dass mit vom Auslegepunkt abweichenden Kennzahlen ', , rk etc. gerechnet werden
muss.
Eine wesentliche Änderung haben die Umfangskomponenten der Absolutgeschwindig
kleiner geworden ist, ist cu2
gewachsen, so dass die Differenz
keiten erfahren: während cu1
cu2
cu D cu1
(4.187)
prozentual stärker gesunken ist als der Massenstrom. Damit ist auch der Betrag der auf
die Schaufeln übertragenen Umfangsarbeit
=Lu = D =u cu =
(4.188)
gesunken. Da die Umfangsarbeit mit dem abgebauten isentropen Enthalpiegefälle über
den Umfangswirkungsgrad verbunden ist und sich dieser nicht allzu gravierend ändert,
sinkt hs im gleichen Maße, was wiederum mit der Isentropenbeziehung (Gl. 4.106) in
ein Stufendruckverhältnis p2s =p0 umzurechnen ist. Im Ergebnis wird also das abgebaute
4
Strömungstechnische Grundlagen der Turbinen
185
Abb. 4.28 Geschwindigkeiten einer Turbine bei Teillast bei Durchsatzabsenkung
Druckgefälle mit abnehmendem Massenstrom sinken. Analog wird für einen vergrößerten Massendurchsatz ein höheres Druckgefälle nötig sein. Es besteht also ein eindeutiger
Zusammenhang zwischen dem Massendurchsatz und dem verarbeiteten Druckgefälle.
Ein formelmäßiger Zusammenhang lässt sich jedoch nur näherungsweise angeben.
Zum einen ändern sich die Wirkungsgrade der Beschaufelung und damit der Umfangswirkungsgrad. Wegen des geänderten Druckabbaues entspricht die Volumenzunahme beim
Durchströmen der Maschine nicht der Querschnittsänderung, was von Stufe zu Stufe unterschiedliche Axialgeschwindigkeiten zur Folge hat. Sofern – wie bei Kraftwerksdampfturbinen üblich – der Enddruck durch einen Kondensator in engen Grenzen festgelegt ist,
arbeitet die erste Stufe der Turbine in einem anderen Teillastpunkt als die letzte und damit
kann die Änderung des Druckverhältnisses nicht einfach aus dem Verhalten einer Stufe berechnet werden. Daher wird dieser Zusammenhang zwischen Druckverhältnis und
Massendurchsatz gegebenenfalls als Kennlinie im Versuch bestimmt oder, sofern errechnet, im Versuch validiert.
Die Abhängigkeit der Umfangsarbeit und der Leistung vom Durchsatz kann unter vereinfachenden Maßnahmen dargestellt werden. Bei einem Reaktionsgrad rk D 0;5 gilt für
die einzelne mittlere Stufen bei drallfreier An- und Abströmung der Stufe entsprechend
Abb. 4.29 überschlägig
ˇ1 D 90ı ;
˛2 D 90ı ;
cu1 Š u;
Abb. 4.29 Geschwindigkeitsdreieck eines Überdruckturbinenlaufrades mit r D 0;5 und drallfreier
Abströmung
186
F. Joos
Abb. 4.30 Geschwindigkeitsdreieck eines Überdruckturbinenlaufrades mit rk D 0;5 und drallfreier
Abströmung bei Änderung der Meridiangeschwindigkeit
cu2 Š 0;
Lu Š u .cu2 cu1 / D u2 :
(4.189)
Bei einer Änderung des Massenstroms m
P < m,
P d. h. cm < cm ergibt sich bei Vernachlässigung der Kompressibilität
m
P
:
A D const. D
cm
Bei geänderten Betriebsbedingungen gilt entsprechend den Voraussetzungen, dass
jeweils die Abströmwinkel aus Leit- und Laufrad (˛1 , ˇ2 ) konstant bleiben, während
sich
der jeweilige Anströmwinkel (˛2 , ˇ1 ) entsprechend den Meridiangeschwindigkeiten
ändert.
Dies bedeutet, dass sich aufgrund der geänderten Umlenkung auch die Umfangskomponente der Absolutgeschwindigkeit und somit die umgesetzte spezifische Arbeit ändert
(s. Abb. 4.30).
cu1
/ bei geändertem MassenGesucht ist die spezifische Umfangsarbeit Lu D u .cu2
strom. Da der Abströmwinkel ˛1 konstant bleibt, gilt
tan ˛1 D
cm1
c
D m1
cu1
cu1
d. h
cm1
cu1
D cm1
cu1
(4.190)
über die Kontinuitätsgleichung gilt
1
cm1
c
D const. D
D m1
A
m
P
m
P
d. h
cm1
m
P
D
cm1
m
P
(4.191)
durch Gleichsetzen erhält man
D
cu1
m
P
m
P
cu1 D
u:
m
P
m
P
(4.192)
4
Strömungstechnische Grundlagen der Turbinen
187
Aus dem Geschwindigkeitsdreieck Abb. 4.30 ist
wu2
u D cu2
(4.193)
zu entnehmen.
Für den Abströmwinkel ˇ2 aus dem Laufrad gilt entsprechend:
tan ˇ2 D
wm2
cm2
w
D
D m2
:
wu2
u
wu2
(4.194)
wu2
ergibt sich hieraus analog zu cu1
zu
w2u
D u wm2
m
P
D uP
:
wm2
m
P
(4.195)
und damit Lu berechnet werden
Jetzt kann cu2
m
P
m
P
uDu 1
;
m
P
m
P
m
P
m
P
cu1
D u2
Lu D u cu2
1C
:
m
P
m
P
cu2
Du
(4.196)
(4.197)
Mit Gl. 4.189 wird daraus
m
P
Lu
D2
1;
Lu
m
P
2
m
P
m
P Lu
m
P
m
P
m
P
Pu
D
D
2
1 D2
:
Pu
mL
P u
m
P
m
P
m
P
m
P
(4.198)
(4.199)
Das bedeutet, dass die abgegebene Leistung und damit auch in etwa die an der Kupplung
abgreifbare Leistung überproportional mit dem Massenstrom abnimmt (Abb. 4.31).
Abb. 4.31 Umfangsarbeit und Leistung der Turbine bei Durchsatzänderung
188
F. Joos
4.9 Dampfkegelgesetz
Nur für einstufige Maschinen kann der Zusammenhang zwischen Druckabbau und Massenstrom aus dem Geschwindigkeitsdreieck der Stufe unter der Annahme konstanter Wirkungsgrade bestimmt werden. Für vielstufige Turbinen wurde von Stodola [STO1922]
schon recht früh ein solcher Zusammenhang für Dampfturbinen experimentell gefunden,
der später auch theoretisch hergeleitet wurde [TRA2001a]. Demnach gilt
v
2
u
p2
u
u1 p1
p1 u
m
P
D
2
t
m
P
p1
1 pp21
(Dampfkegelgesetz);
(4.200)
wobei m,
P p1 und p2 einen Referenzzustand bestimmen, etwa den Auslegungspunkt. Aus
obiger Gleichung lassen sich die folgenden Darstellungen gewinnen:
Bei vorgegebenem konstanten Turbinenaustrittsdruck (p2 D const.) ergibt sich die
folgende Abhängigkeit zwischen m
P und p1 (Abb. 4.32)
Ist der Turbineneintrittsdruck fest vorgegeben (p1 D const.) ergibt sich die folgende
Abhängigkeit zwischen m
P und p2 (Abb. 4.33).
Für einen vorgegebenen festen Durchsatz (m
P D const.) ergibt sich die Zuordnung von
p1 und p2 , Abb. 4.34.
Werden diese drei Bilder in eine Darstellung zusammengefasst, ergibt sich bei geeigneter
Maßstabswahl die folgende Darstellung, weswegen die Gl. 4.199 auch als Dampfkegelgesetz bezeichnet wird, da sie die Mantelfläche eines Kegels beschreibt, Abb. 4.35.
Trotz des einfachen Aufbaues können die Betriebsdaten mit dem Dampfkegelgesetz
recht genau bestimmt werden, sofern folgende Voraussetzungen erfüllt sind:
das Druckgefälle p2 =p1 ist auf viele Stufen aufgeteilt,
die Turbineneintrittstemperatur ist konstant.
Abb. 4.32 Veränderung des
Eintrittsdruckes/Ausflussfunktion
4
Strömungstechnische Grundlagen der Turbinen
189
Sofern der Enddruck festgelegt ist, z. B. durch den Umgebungszustand, wird sich der Eintrittsdruck in die Turbine entsprechend dem Massendurchsatz ändern.
Abb. 4.33 Veränderung des
Eintrittsdruckes/Ausflussfunktion
Abb. 4.34 Abhängigkeit zwischen Ein- und Austrittsdruck
Abb. 4.35 Dampfkegel
190
4.10
F. Joos
Betriebspunkt
Wird die Turbine als Antrieb für eine Arbeitsmaschine, z. B. zum Antrieb einer Pumpe
verwandt, ist die Frage interessant, welche Drehzahl sich dann einstellt. Um dies beantworten zu können, muss bekannt sein, welches Antriebsmoment von der Arbeitsmaschine
benötigt wird.
In Abb. 4.36 ist näherungsweise der Verlauf des erforderlichen Antriebsmomentes
eines Verbrauchers aufgetragen. Wird bei stillstehender Welle die Turbine mit dem Massenstrom m
P beaufschlagt, ist das abgegebene Moment höher als das Stillstandsmoment
R
der anzutreibenden Maschine. Der Momentenüberschuss ( D r 2 d m Massenträgheitsmoment)
MT MA D d!
dt
(4.201)
beschleunigt die Anlage. Mit zunehmender Drehzahl sinkt das von der Turbine abgegebene Moment, wenn der Massenstrom konstant bleibt. Das Gegenmoment der Antriebswelle
steigt jedoch mit wachsender Drehzahl. Solange
MT > MA
(4.202)
wird die Drehzahl zunehmen. Bei MT D MA ist der Beschleunigungsvorgang beendet. Eine höhere Drehzahl kann nicht erreicht werden, da dann das Gegenmoment höher wird als
das von der Turbine aufgebrachte Moment, was eine Verzögerung der Drehzahl bewirkt.
Für die vorgegebenen Kennlinien von Turbine und Arbeitsmaschine ergibt sich also nur
ein einziger Betriebspunkt.
Sollen verschiedene Betriebspunkte, d. h. verschiedene Drehzahlen gefahren werden,
ist dies nur über eine Veränderung des Massenstromes möglich. Verändert sich durch
einen äußeren Umstand die Widerstandslinie, z. B. bei Anforderung einer höheren Leistung, von a nach a0 (Abb. 4.37), dann wird sich die Drehzahl (und Geschwindigkeit)
Abb. 4.36 Betriebspunkt aus
erforderlichem Antriebsmoment und Turbinenkennlinie
Literatur
191
Abb. 4.37 Änderung des Betriebspunktes bei Änderung der
Last bzw. der Maschinenkennlinie
ebenfalls ändern, etwa von B nach B 0 , was auch nur durch eine Änderung des Massenstromes kompensiert werden kann, etwa durch Steigerung von b auf b 0 , so dass sich der
neue Arbeitspunkt C 0 einstellt.
Beim Antrieb von Arbeitsmaschinen soll oft die Drehzahl konstant gehalten werden,
auch wenn sich das Gegenmoment – die Last – ändert, (z. B. bei Stromaggregraten). Dann
muss über eine Veränderung des Massenstromes das Turbinenmoment dem wechselnden
erforderlichen Antriebsmoment angepasst werden. In der Praxis wird dies dann von Regeleinrichtungen übernommen, die auf die Abweichung vom Drehzahlsollwert mit einer
korrigierenden Änderung des Dampfstroms reagieren.
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192
F. Joos
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(1980)
5
Modellierung der Zweiphasenströmung
Franz Joos und Niklas Neupert
5.1
Einleitung
Niederdruckturbinen, wie auch die Hochdruckturbinen von Kernkraftwerken mit Siedewasserreaktor, entspannen in der Regel bis in das Nassdampfgebiet. Die hierbei entstehende Dampfnässe führt einerseits zu Wirkungsgradverlusten und andererseits zu Erosionsproblemen. Nahezu die Hälfte der Verluste einer Niederdruckturbine entsteht aufgrund
der Kondensation. Die Ausscheidung von Wasser aus der gasförmigen Phase erfolgt in der
Regel entweder an kühleren Oberflächen oder im Fluid durch Tropfenbildung. Prinzipiell
stehen in geführten Strömungen die Schaufeloberflächen oder Gehäusewände zur Kondensation zur Verfügung. Aufgrund der geringen Temperaturdifferenzen unter stationären
Betriebsbedingungen ist der Wärmeübergang allerdings gering, so dass von einer zur Berandung adiabaten Strömung ausgegangen werden kann. Somit ist die Kondensation an
den strömungsführenden, festen Oberflächen von keiner oder nur von untergeordneter Bedeutung. Stets dominiert die Kondensation im Fluid in Form von Tropfen.
Eine optimierte Auslegung der Niederdruckturbine kann nur unter Berücksichtigung
der aus unterkühlten Bedingungen kondensierten Tröpfchen und deren Interaktion mit der
Beschaufelung erfolgen.
F. Joos ()
Helmut-Schmidt-Universität, Universität der Bundeswehr Hamburg
Hamburg, Deutschland
E-Mail: joos@hsu-hh.de
N. Neupert
Helmut-Schmidt-Universität, Universität der Bundeswehr Hamburg
Hamburg, Deutschland
E-Mail: neupert@hsu-hh.de
© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2018
S. aus der Wiesche, F. Joos (Hrsg.), Handbuch Dampfturbinen,
https://doi.org/10.1007/978-3-658-20630-7_5
193
194
F. Joos und N. Neupert
5.2 Nässeverluste
Die Entspannung der letzten Turbinenstufen führt in das Nassdampfgebiet. Eine zu hohe Feuchtigkeit reduziert nicht nur den Wirkungsgrad, sondern schädigt die Oberflächen
durch Erosion. Bereits 1912 stellte Baumann [BAU1912] bzw. [BAU1921] fest, dass je
Prozent Dampfnässe der Wirkungsgrad der Dampfturbine um ein Prozent abnimmt.
Der Wirkungsgrad einer mehrstufigen Turbine ist über den Quotienten der Enthalpiedifferenzen der realen zur isentropen Entspannung definiert. Während die Eintrittsbedingungen des überhitzten Dampfes aus Temperatur- und Druckmessungen berechnet werden
können, kann die Enthalpie am Austritt aufgrund der Expansion ins Nassdampfgebiet
nicht über die Temperatur und den Druck alleine bestimmt werden (Abb. 5.1). Deswegen
wird die Enthalpiedifferenz im Allgemeinen über die am Generator abgegebene Leistung
P
PGen , vermindert um die Lagerreibungsverluste LLager sowie über den Dampfdurchsatz m
bestimmt
ges D
.jPGen jLLager /
hin hout
m
P
D
hin houts
hin hout s
(5.1)
Die charakteristischen Verluste einer Niederdruckturbine sind der Auslassverlust und der
Nässeverlust. Unter anderem deswegen wird die Dampfnässe in den Endstufen möglichst
geringgehalten [TAN2012].
Als dominierende Phänomene, die zum Nässeverlust führen, werden angesehen
[KAW2011]:
Thermodynamische Verluste durch den Phasenwechsel des Dampfes. Zusätzliche Profilverluste entstehen durch die Druckänderung, hervorgerufen durch das Freiwerden
latenter Kondensationswärme. Verluste der Übersättigung und der Kondensation werden ebenfalls zu den thermodynamischen Verlusten gezählt.
Auch die thermodynamischen Nicht-Gleichgewichtsprozesse bei der Kondensation tragen zu den Nässeverlusten bei.
Die nicht nutzbare kinetische Energie der Tropfen, die mit zu niederem Eintrittswinkel
auf die Laufschaufeln gelangen oder sich an den Wänden ablagern, führt ebenfalls zu
Verlusten.
Profilverluste entstehen durch erhöhte Druckverluste und erhöhter Rauigkeit am benetzten Profil. Aufgrund der Versperrung des feien Querschnittes durch Tropfen und
Wandfilme sind die Profilverluste schwieriger zu berechnen als die anderen Nässeverluste.
Der Energieverbrauch der Zerstäubung des Wandfilmes an Hinterkante sowie Schaufelspitze und der Beschleunigung der entstehenden Tropfen führt ebenfalls zu Verlusten.
Das Einfangen größerer Tropfen auf der Saugseite des Rotors bremst den Rotor ab.
Unter Pumpverlusten versteht man das radiale Auszentrifugieren des abgelagerten
Wasserfilms.
5
Modellierung der Zweiphasenströmung
195
Abb. 5.1 Entspannung der
mehrstufigen Niederdruckturbine in das Nassdampfgebiet
Die Nässeverluste der Dampfturbine zu beschreiben, erfordert somit die Beachtung verschiedenster Phänomene, wie sie in Abb. 5.2 zusammengestellt sind.
Tritt unterkühlter Dampf in die Turbinenstufe ein (Abb. 5.2), so findet an der sogenannten Wilson-Linie (I), auf die später noch eingegangen werden wird, spontane Kondensation statt. In der Regel beginnt die spontane Kondensation in der Drosselebene des
Stators. An dieser Stelle entstehen die meisten thermodynamischen Verluste. Messungen
von [WAL1985] in der Endstufe einer 500-MW-Turbine ergaben Tropfendurchmesser
kleiner als 0,1 m. Für Tropfen bis zu Durchmesser kleiner als 1 m kann von einem
vollständigen Folgevermögen ausgegangen werden [SNO1981]. Die meisten Tropfen entstehen beim Durchgang durch die Endstufe der Niederdruckturbine (II, II’).
Aufgrund der hydrophilen Oberfläche des Schaufelwerkstoffes bilden sich nach dem
Aufprall der Tropfen Wasserfilme. Deren Bewegung erfolgt vorwiegend durch die Scherkräfte der Dampfströmung sowie durch die Zentrifugalkräfte des Rotors. Manche Wasserfilme gelangen als Strähnen zum Kondensator (IV) aber der größte Anteil des Filmes wird an der Hinterkante in größere Tropfen zerstäubt (III’). Die Beschleunigung der
großen Tropfen durch den vorbeiströmenden Dampf führt zu einer Sekundärzerstäubung
mit entsprechenden Strömungsverlusten des Dampfes (V). Manche Tropfen treffen auf
die Vorderkante der folgenden Schaufeln, manche gelangen an die Profiloberfläche (VI).
Die Geschwindigkeitsdifferenz zwischen der Flüssigkeit und dem Dampf führt zudem zu
Impulsverlusten.
Die größeren Tropfen allerdings werden an den Hinterkanten der vorangehenden
Schaufeln erzeugt. In Gebieten mit geringer Dampfnässe und kleinen Tropfendurchmessern um 0,1 m kann von einem perfekten Folgevermögen ausgegangen und die
Dichte des Nassdampfes über den Wassergehalt berechnet werden. Mit steigender
Dampfnässe, bei Tropfen größer als 10 m, muss allerdings mit einer relevanten Geschwindigkeitsabweichung der Tropfen zur Dampfströmung gerechnet werden. Aufgrund
der Impulsübertragung vom Fluid auf die Tropfen während des Beschleunigungsvorganges im Gitter reduziert sich die erzielbare Dampfgeschwindigkeit merklich. Dies führt zu
einer Fehlanströmung einerseits der gasförmigen Phase aber insbesondere der Tropfen,
196
F. Joos und N. Neupert
Abb. 5.2 Typische Nässeverlustmechanismen der Nassdampfströmung einer Niederdruckturbine;
I Wilson-Linie, II Niederdruckturbine, III Hinterkantenzerstäubung, IV zum Kondensator, V Tropfenzerfall im Nachlauf, VI Profiloberfläche (nach [SAS2013])
was durch die erwähnten Nässeverluste erfasst wird. Diese Fehlanströmung macht sich
besonders in der letzten Stufe der Niederdruckturbine aufgrund der dort herrschenden
relativ hohen Dampfnässe bemerkbar.
Der Einfluss der Dampfnässe kann über den auf den Auslegungswert bezogenen Massenstromkoeffizienten
m
P
bzw. normiert norm D
(5.2)
D
m
P DP
ref
beschrieben werden. Der Massenstrom berechnet sich aus den real vorliegenden, gemessenen Daten zu
ZTip
Aan c2 gemessen sin ˛D
m
P D
dr
(5.3)
vgemessen
Nabe
5
Modellierung der Zweiphasenströmung
197
bzw. aus der Auslegung
ZTip
m
P DP D
Aan c2 DP sin ˛geom
dr
vDP
(5.4)
Nabe
mit dem spezifischen Volumen v, der durchströmten Ringfläche Aan sowie den entsprechenden Auslegungsgrößen mit dem Index DP. Mit vorhandener Dampfnässe wird der
Massenstromkoeffizient
> 1. [KAW2011] zeigten experimentell am Austritt eines
Leitrades an einer mehrstufigen Niederdruckturbine die Möglichkeit des Nachweises der
Dampfnässe mit dem Massenstromkoeffizienten anhand von lokalen Messungen mit
Fünflochsonden.
Die Nässeverluste lassen sich auf thermodynamische und kinematische Relaxationsvorgänge, die typisch für Zweiphasenströmungen sind, zurückführen. Die thermodynamischen Relaxationsverluste entstehen während der Tropfenentstehung sowie während
des anschließenden Tropfenwachstums unter Nicht-Sättigungsbedingungen. Der absolute
Dissipationsverlust Pdiss für ein betrachtetes Volumen kann wie folgt bestimmt werden,
indem basierend auf dem Entropiestrom der abzuführende Wärmestrom durch die latente
Wärme (L) und den kondensierenden Massenstrom ersetzt und mit einer mittleren Temperatur multipliziert wird
Z
1
1
1
P c=d L (5.5)
m
Tm dV:
Pdiss D
Vol
Tc Td
Vol
Ein weiterer Verlust entsteht durch die Dissipation zwischen den Phasen die aufgrund
der unterschiedlichen Trägheit wegen stark verschiedener Dichten eine Relativgeschwindigkeit aufweisen. Die kinematischen Relaxationsverluste, auch als Schleppverluste bezeichnet, können nach [STA2012] unter Beachtung der Widerstandskraft FDS , die an N
einzelnen Tropfen bei einer gewissen Geschwindigkeitsdifferenz zwischen der Tropfengeschwindigkeit cd und der Dampfgeschwindigkeit cc wirkt, folgendermaßen berechnet
werden:
Z
Z
N
1
1
FDS .cd cc / dV:
(5.6)
SPkin Tm dV D
Pkin D
Vol
Vol
Tm
Vol
Vol
Andererseits lassen sich die Nässeverluste unter Berücksichtigung der Verlustmechanismen aufteilen in Bremsverluste (Pb ), in Beschleunigungsverluste (Pa ) und Pumpverluste
(Pp ). Treffen große Tropfen aus dem Nachlauf des Stators auf die Laufschaufel, müssen
diese auf Umfangsgeschwindigkeit beschleunigt werden. Die hierdurch hervorgerufenen
Bremsverluste Pb ergeben sich aus
Pb D
N
X
i
m
P di ui c i
(5.7)
198
F. Joos und N. Neupert
mit dem Massenstrom der Tropfen, der Umfangsgeschwindigkeit ui sowie der Relativgeschwindigkeit ci zwischen Tropfen und Wand sowie der Tropfenanzahl N.
Die an der Hinterkante zerstäubten großen Tropfen müssen in der Dampfströmung
beschleunigt werden und führen auf den Beschleunigungsverlust Pa
Pa D
X1
i
2
m
P d i ci2
(5.8)
mit der Tropfengeschwindigkeit an der Vorderkante der Laufschaufel ci .
Das auf der Laufschaufel abgelagerte Wasser wird aufgrund der Zentrifugalkraft des
Festkörperwirbels der Schaufel radial nach außen beschleunigt. Die hierzu aufzuwendende Pumpenleistung PP reduziert die gewonnene Leistung um
Pp D
X
i
1
m
P d i u2TipRotor u2Rotor i 2
(5.9)
mit der Geschwindigkeit des Rotors an der Blattspitze uTipRotor und der Geschwindigkeit
des Rotors am Ort des Tropfenaufschlags uRotor i .
Der Dampfverlustkoeffizient errechnet sich zu
˛D
Pm
m
P X .hin hout s /
(5.10)
aus dem Nässeverlust Pm und der Dampfnässe am Turbinenaustritt X.
Vor allem unter Teillastbedingungen kann es zu Rückströmungen von Nassdampf in
die letzte Laufreihe kommen, wie beispielhaft aus der Berechnung der Stromlinien ersichtlich ist (Abb. 5.3), was sich auf die Berechnung der Nässeverluste Pm auswirkt, da
der hierdurch entstehende zusätzliche Verlust im Dissipationsverlust PDiss nicht erfasst ist.
Abb. 5.3 Berechnete Stromlinien der letzten Stufe einer
Niederdruckturbine unter Teillastbedingungen
(nach [TSU2012])
5
Modellierung der Zweiphasenströmung
199
Setzt sich die vorhandene Nässe aus großen Tropfen zusammen (grobe Nässe), ist die
Oberfläche eines Tropfens bezogen auf das konstante Volumen gering. Dies reduziert den
Wärmeübergang, der für den Transport der Kondensationswärme der Nassdampfströmung
in Niederdruck-Dampfturbinen an die unterkühlte Strömung maßgeblich ist und führt zu
höheren Unterkühlungen. In Gl. 5.5 ist dieser Effekt sowohl im kondensierenden Massenstrom als auch in der Differenz der reziproken Temperaturen enthalten.
Offensichtlicher ist der Einfluss der Tropfengröße auf die Schleppverluste, denn die
Reibkraft bzw. der Widerstandskoeffizient ist eine Funktion der Partikel-Reynoldszahl, in
die der Tropfendurchmesser direkt eingeht.
Im Durchmesserbereich von 0,1 bis 0,5 m steigen die thermodynamischen Verluste
an, da bei grober Nässezusammensetzung ein sekundärer Nukleationsprozess provoziert
wird, der mit hohen Unterkühlungen und somit hohen thermodynamischen Verlusten einhergeht.
Die Nässeverluste können bei einem Nässeanteil von 8 bis 12 % am Austritt der Turbine
zwischen 2 und 6 % der abgegebenen Leistung der letzten Stufe betragen. Für eine zweite
Stufe, in der üblicherweise erstmals Nässe entsteht, liegt der Verlustanteil bezogen auf die
Stufenarbeit bei 2,6 %.
Die kinematischen Verluste sowie die Bremsverluste spielen eine untergeordnete Rolle [STA2012]. Die Studie zeigt, dass eine Reduzierung der Nässeverluste durch eine Verminderung der Unterkühlung zu erzielen ist, da die dann entstehenden kleineren Tropfen
einen erheblich besseren Wärmeübergang bewirken.
Die zuverlässige Berechnung der Nässeverluste ist eines der Ziele bei der Entwicklung
der numerischen Modelle der Nichtgleichgewichtskondensation, wie sie in den folgenden Kapiteln näher zusammengestellt sind und u. a. in [GER2002, WHI1996, BAK2005a,
BAK2005b, GER2008, WRO2009, NIK2009, YAM2010] und [WRO2009] beschrieben
werden.
[MOR2012a, MOR2012b] modellierten die homogene Kondensation und das Tropfenwachstum nach [GER2008] (s. Gl. 5.34 bis 5.36), wobei die gebildete spezifische
Tropfenanzahl nach Gl. 5.34 formuliert wurde. Das Tropfenwachstum wurde entsprechend dem Modell (s. Gl. 5.34) in Abhängigkeit der Tropfenmasse md D f .Nu/, Nu D
f .Kn/ in den CFD Code ANSYS CFX implementiert. Als vereinfachende Annahmen
wurde die Temperatur im Tropfen als konstant angenommen und der Schlupf zu Null
gesetzt. Die Studie ergab, dass zur Bestimmung der Nässeverluste, wie auch der Dampfnässe, die Nichtgleichgewichtsbedingungen berücksichtigt werden müssen.
In der folgenden Laufschaufelreihe treffen die Tropfen dann mit hoher Relativgeschwindigkeit auf die rotierenden Schaufeln auf. Durch die hierbei entstehende Erosion
kommt es zu Wirkungsgradverlusten [HEY1992, MOO1968].
200
5.3
F. Joos und N. Neupert
Eindimensionale Berechnung der kondensierenden Strömung
in Niederdruckturbinen
Zur Abschätzung der Nässeverluste gibt eine eindimensionale Berechnung der kondensierenden Strömung die benötigten Basisdaten. Hierzu müssen die Tropfenbildung, das
Tropfenwachstum, die Tropfen-Wand Interaktion sowie die Bewegung des Wandfilmes
sowie die Zerstäubung an der Hinterkante des Profils beschrieben werden.
Kondensation mit feiner Tropfenbildung mit Durchmessern weit unter 1 m setzt ein,
wenn durch den Enthalpieabfall die Sättigungslinie unterschritten wird [YOU1988a]. Ein
Teil der sich bildenden Tropfen lagert sich auf den Profiloberflächen ab und bildet einen
Film, der einerseits durch die Scherkräfte des Dampfes und andererseits durch die Zentrifugalkräfte des Rotors angetrieben wird. Die Zerstäubung dieses Filmes durch Aufreißen bzw. an der Hinterkante erzeugt größere Topfen im Durchmesserbereich von 10 bis
100 m [YOU1988b], die zu Erosion an folgenden Schaufeln führen können. Eine grobe
Abschätzung der Verluste dieser komplexen Vorgänge nach [BAU1912] besagt, dass pro
Stufe jedes Prozent an Feuchtezuwachs den Wirkungsgrad um ein Prozentpunkt reduziert,
ohne dass jedoch auf die spezifischen Phänomene näher eingegangen wird [PET2011], so
dass auch keine Hinweise zur Verbesserung abzuleiten sind. Hierzu sind detaillierte, möglichst dreidimensionale Betrachtungen erforderlich. Zu einem gewissen Grad können auch
eindimensionale Modelle eingesetzt werden, wie sie von [FEN2012] in einen numerischen
Durchfluss-Code implementiert und an Messergebnissen validiert wurden.
5.3.1 Unterkühlung, spontane Kondensation
Im Laufe der raschen Expansion scheidet sich beim Unterschreiten des Taupunkts nicht
sofort Flüssigkeit aus, wie im Gleichgewicht erwartet würde, sondern der Dampf unterkühlt. Der instabile Zustand des unterkühlten Dampfs kann durch dasselbe Zustandsgesetz
beschrieben werden, das oberhalb der Grenzkurve gilt. Der Zustand der Unterkühlung hat
die Tendenz in den Gleichgewichtszustand überzugehen. Es entstehen Keime mit einem
sogenannten kritischen Radius r [TRA1988]
r D
2
l
p g ln psp.T /
(5.11)
mit dem der Temperatur T zugeordnete Siededruck ps .T /. Die Keimbildungsintensität J,
als Anzahl der Keime pro 1/m3 s, beträgt
s
g2
2
4
r 2
exp J (5.12)
Mm3 l
3
kB T
kB bezeichnet die Boltzmann-Konstante, L die Verdampfungsenthalpie, Mm die Molekülmasse, g , l die Dichten des Dampfes respektive flüssigen Wassers und die Oberflä-
5
Modellierung der Zweiphasenströmung
201
Abb. 5.4 Kritischer
Tropfenradius r und
Keimbildungsintensität J
(nach [TRA1988])
chenspannung. In Abb. 5.4 sind der kritische Tropfenradius r sowie die Keimbildungsintensität dargestellt. Die spontane Kondensation stellt ab dem sogenannten Wilson-Punkt
den Gleichgewichtszustand nur annähernd her, da die freiwerdende Verdampfungswärme
über einen Temperaturgradienten vom Tropfen in den Dampf übertragen werden muss.
Die Restunterkühlung kann über die Temperaturdifferenz T beschrieben werden zu
4
P L l c r 2 ˛ T D m
4
r3 dT
:
3
dt
(5.13)
Die spezifische übertragene Wärmeleistung (linker Term) entspricht der freigesetzten latenten Wärme (L) sowie der Enthalpieabnahme des Tropfens.
Der Phasenwechsel von Dampf zu Wasser in den Dampfturbinen erfolgt hauptsächlich durch homogene Tropfenbildung und dem Nichtgleichgewichtsprozess der spontanen
Kondensation. Diese Phänomene müssen bei einer Modellierung sorgfältig erfasst werden. Zusätzlich dienen Salzkristalle der Wasseraufbereitung als Kondensationskeime.
Da neben dem Wirkungsgradabfall vor allem die Tropfenerosion für die Lebensdauer
der Beschaufelung bestimmend ist, besteht starkes Interesse daran, sowohl die Tropfenbildung als auch die Interaktion mit der Beschaufelung numerisch berechnen zu können.
Hier kommen vor allem Euler-Verfahren zur Beschreibung des homogenen Strömungsfeldes sowie der homogenen Tropfenbildung zum Einsatz, die die Randbedingung für
die Lagrange-Beschreibung von einzelnen, größeren Tropfen liefern (z. B. [LEE2003]).
Die Berechnung der Impulsverluste durch den Schlupf zwischen Tropfen und Dampfströmung basiert bei [GER2002, GER2008] auf einer Euler-Lagrange-Beschreibung. Allerdings besteht eine gewisse Schwierigkeit, dass aufgrund der Kopplungsbedingung der
einzelnen Gitter über Mischebenen Strähnen und Unstetigkeit ausgemischt und nicht be-
202
F. Joos und N. Neupert
rücksichtigt werden, so dass die korrekte Berechnung von Verlusten aufwendig ist, da
diese Berechnung die Kenntnis der Tropfenverteilung voraussetzt. Hierzu muss das Strömungsverhalten der Tropfen von der Kondensation, über eventuelle Kollision und Zerstäubung über mehrere Stufen hinweg verfolgt werden. Einen derartigen Algorithmus
entwickelten [SAS2013] zur Beschreibung der Nassdampfströmung durch eine mehrstufige Niederdruckturbine.
5.3.2
Kondensationsmodellierung
Die homogene Kondensation kann wie das Strömungsfeld im Euler’schen System berechnet werden. Verschiedene Theorien wurden publiziert. Die klassische homogene Kondensation eines unterkühlten Dampfes bei Abwesenheit von Kondensationskeimen geht
nach [FRE1946] von einer Tropfenbildungsrate von
qc
I D
1C
g2
l
! s
2
MM3 e
2
43kr T
B
(5.14)
aus. Hierbei sind qc der Verdampfungskoeffizient, Mm die Molekülmasse, die Oberflächenspannung, l die Dichte der Flüssigkeit und kB die Boltzmann-Konstante. Der
nicht-isotherme Korrekturkoeffizient berechnet sich nach [YOU1992] zu
hlg
hlg
2 . 1/
0;5 :
(5.15)
D
C1
RT
RT
Die Massenwachstumsrate aufgrund spontanem Kondensieren der klassischen homogenen Tropfenbildungstheorie ergibt sich nach [ISH1995] mit dem Modifikationsfaktor aus der Masse der Tröpfchen mit dem kritischen Durchmesser r und dem Tropfenwachstum zu
D
4
3
l I r 3 C 4 l r 2 @r
:
@t
(5.16)
Der mittlere Tropfenradius r wird aus der Energiebilanz nach Gl. 5.19 mit dem kritischen
Kelvin-Helmholtz-Radius r 2
r D
(5.17)
l R T ln S
und dem Übersättigungsverhältnis des Dampfdruckes pD zum Sättigungsdruck nach
[YOU1992]
pD
SD
(5.18)
pSättigung .T /
bestimmt. Zwei Phänomene beschreiben den Kondensationsprozess des Dampfes. Einerseits wird das Tropfenwachstum durch den Massetransfer von der gasförmigen zur
5
Modellierung der Zweiphasenströmung
203
flüssigen Phase, andererseits wird der Energieinhalt durch den Wärmetransport beschrieben [ISH1995]. Somit kann das Tropfenwachstum nach [YOU1982] durch
@r
pD
p
D
@t
hlg l 2 RT
C1
cp .Td T /
2
(5.19)
mit der Tropfentemperatur Td dargestellt werden.
Unter der Annahme, dass der Massenanteil des Kondensats ˇ vernachlässigbar sei (ˇ <
0;1), ergibt sich nach [ISH1995] für den Druck des Dampfes
p D R T .1 ˇ/
(5.20)
mit der Schallgeschwindigkeit
a2 D
cpm
p
cpm .1 ˇ/ R (5.21)
Die spezifische Wärmekapazität der Mischung cpm ergibt sich aus dem massegewichteten
arithmetischen Mittel der einzelnen Wärmekapazitäten des Dampfes und des Wassers.
Die Implementierung der Kondensation im Euler-Verfahren kann auf zwei verschiedene Arten erfolgen. Einerseits können separate Bilanzgleichungen für die beiden Phasen
genommen werden, so dass für jede Phase ihr Geschwindigkeitsfeld berechnet werden
kann. Die beiden Phasen sind miteinander gekoppelt. Detaillierte Turbulenzmodelle für
Zwei-Phasenströmungen können eingesetzt werden [GER2004] und [MAQ2009].
Andererseits kann unter der Annahme, dass kein Geschwindigkeitsunterschied zwischen den Phasen besteht, ein gemeinsamer Satz der Bilanzgleichungen für die Mischung
angesetzt werden. Dieser Ansatz wird im Allgemeinen als gekoppelter Ansatz (coupled
approach) bezeichnet [SEN2002, SIM2005, WRO2009] und [ZHU2013]. Der vereinfachte Ansatz führt auf brauchbare Ergebnisse, da die Durchmesser der Tropfen der Kondensation in einem Bereich unter 2 m sind, die durchwegs ein gutes Folgevermögen aufweisen.
Die Temperatur der Tropfen hängt stark vom Tropfendurchmesser ab, so dass eine Energiegleichung ersetzt werden kann und der Zustand der Mischung durch ihre Dichte, ihre
innere Energie sowie ihren Feuchtegehalt eindeutig beschrieben wird.
Die Trennung des konvektiven Flusses nach der Flux-Difference-Splitting-Methode
(Roe FDS) wurde von [MEI2006] auf die Kondensation bei Zweiphasenproblemen unter der Annahme des idealen Gases und konstanter Wasser- bzw. Dampfwerte übertragen. [ZHU2013] erweiterten diesen Ansatz auf reale Wasser- bzw. Dampfwerte.
5.3.3 Homogenes Kondensationsmodell
Die Kondensation und Keimbildung kann nach einem Ansatz von [TRA1988], wie sie im
vorangehenden Abschn. 5.3.1 dargestellt wurde, erfasst werden.
204
F. Joos und N. Neupert
Solange die Tropfendurchmesser kleiner als 1 m sind, wird von einem idealen Folgevermögen ausgegangen. Für größere Tropfen ist ein Widerstandsgesetz zu berücksichtigen.
Die Quellterme der Energieerhaltung und der Momente der Radiusgleichungen des
Tropfens [ZHU2013] werden nach [BAK2005a, BAK2005b] durch den kritischen Radius
r , durch der modifizierten Keimbildungsintensität J von Traupel Gl. 5.12 als Tropfenbildungsrate
qC
J D
1C
2
Mm3
12
s Tg
4
exp 1
3
r 2
kB Tg
(5.22)
mit der molekularen Masse des Wassers Mm und durch das Wachstum der Tropfenradien
mit der Wachstumsrate
rP D
Tl Tg
1
g
l r C 1;89 .1 v/ l= Pr
hlg
(5.23)
die aus der Wärmeübertragung hergeleitet ist [YOU1992], sowie durch die Verteilungsfunktion der Tropfen f .r/ beschrieben [ZHU2013]. Der Index l bedeutet flüssig, g gasförmig und s gesättigt. hlg ist die Verdampfungsenthalpie im Gleichgewicht. qC berücksichtigt den Kondensationskoeffizienten, l die molekulare freie Weglänge nach Gl. 5.27.
Die Abhängigkeit der Tropfentemperatur vom Radius ergibt sich nach [GYA1963] zu
Tl D Ts .p/ Ts .p/ Tg r
:
r
(5.24)
Der Modifikationsfaktor berechnet sich aus
D
hfg
2 . 1/
. C 1/ R Tg
der kritische Radius zu
r D
hfg
1
;
R Tg 2
2 Ts
:
l hlg T
(5.25)
(5.26)
Mit der Unterkühlungstemperatur T nach Gl. 5.13, der Dichte des gesättigten Dampfes
s , sowie der latenten Verdampfungsenthalpie hlg und der Boltzmann-Konstanten kB .
Zusätzlich benötigt werden die thermische Leitfähigkeit des Dampfes g , die molekulare freie Weglänge l
p
(5.27)
l D 1;5 g R Tg ;
die Prandtl-Zahl des Dampfes Pr, sowie (1 v), das sich als halbempirische Funktion aus
Rg Tg
2 qc C 1 cpg Ts
vD
ˇ 0;5 (5.28)
hlg
2 qc
2
hlg
ergibt. Der empirische Faktor ˇ liegt typischerweise zwischen 0 und 5.
5
Modellierung der Zweiphasenströmung
205
5.3.4 Heterogene Modellbildung der Kondensation
Ein heterogenes Kondensationsmodell wurde von [STA2005] eingeführt. Als Kondensationskeim wird angenommen, dass Salzpartikel mit vorgegebenem Radius und Konzentration unmittelbar nach Durchqueren der Dampfsättigungslinie gebildet werden und sich
der Dampf an diesen Partikeln niederschlägt. Alle Tropfen innerhalb einer finiten Volumenzelle sollen den gleichen Radius haben. Das homogene Tropfenwachstumsmodell
kann somit direkt übertragen werden, um die Wachstumsrate der heterogenen Tropfen zu
bestimmen.
Der Feuchtegehalt berechnet sich aus
ˇhet D
4
3
3
3
rini
;
l Nhet rhet
(5.29)
der Radius am Tropfen ergibt sich zu
rhet D
3 ˇhet
3
C rini
.4 l Nhet /
13
(5.30)
und damit der Quellterm
Shet D 4 2
rhet
rPhet l Nhet :
(5.31)
Der Radius der auf den Salzpartikeln aufbauenden Tropfen ist rhet , die Salzpartikelkonzentration Nhet und rini der Ausgangsradius der Salzpartikel sowie l die Dichte des Wassers.
Als Kondensationskeime dienen vor allem die festen Verunreinigungen des überhitzten Dampfes bestehend aus organischen und anorganischen Bestandteilen. Hauptsächlich
kommen NaCl, Na2 SO4 und Natriumazetate in Betracht [BEL1999]. Aufgrund der höheren Konzentration ist das NaCl der bedeutendste Keim. Die Konzentration an Na soll
unter 5 gNa =kgDampf , Cl unter 3 gCl =kgDampf sowie NaCl unter 5 gNaCl =kgDampf liegen.
Diese Konzentrationen bewirken eine merkliche Keimbildung wenn berücksichtigt wird,
dass je gNaCl =kgDampf theoretisch eine molekulare Konzentration von etwa 1;03 1016
Molekülen/kgDampf vorliegt. Messungen liegen im Bereich von 1;9 109 bis 2;5 109
Partikel/kgDampf [KOL2014].
5.3.5 Nicht-Gleichgewichtsmodell heterogener Kondensation
Sowohl die Verzugszeit von der Unterkühlung bis zur Auskondensation als auch die Frage,
inwieweit bereits Kondensationskeime vorhanden sind, die die Zeit von der Übersättigung
zur Kondensation maßgeblich bestimmen, sind für die Modellierung der Kondensation
in Dampfturbinenstufen von entscheidender Bedeutung. Als weitere Unbekannte kommt
die Modellierung des Wärme- und Stoffübergangs bei vorhandenen Keimen hinzu. So
206
F. Joos und N. Neupert
beschreiben [MOR2012a, MOR2012b] den heterogenen Kondensationsvorgang mit Tropfenwachstum über thermische Nicht-Gleichgewichtsmodelle.
Das Verhalten einer Dampfströmung in der Niederdruckturbine kann nicht adäquat
mit den idealisierten Annahmen des thermischen Gleichgewichts beschrieben werden.
Die plötzliche Expansion unter die Sättigungslinie bewirkt Temperaturen im Dampf, die
deutlich unter der Sättigungstemperatur liegen, was auch für den Druck zutrifft, der ebenfalls lokal unter dem Sättigungsdruck zu liegen kommt. Unter diesen Bedingungen sind
zur Beschreibung der Kondensation sowohl Modelle notwendig, die die Kondensationskeimbildung, wie auch das Tropfenwachstum beschreiben. Hierzu ist der Wärme- und
Stofftransport zwischen Keim und Trägerfluid wesentlich [WHI2008].
Ein fundamentaler Ansatz besteht in einer statistischen Betrachtung anhand der
Becker-Döring-Gleichungen [BEC1935]. Allerdings ist der numerische Aufwand derzeit für eine technische Anwendung noch zu hoch [PUT2012]. Deswegen werden in der
Regel Kondensationsmodelle zugrundegelegt, die von Bildungsraten einzelner Tröpfchen
ausgehen, wie beispielsweise [GER2008] und [BAK2005a, BAK2005b]. Das Vorgehen
entspricht quasi einer Ordnungsreduzierung der Becker-Döring-Gleichung.
Problematisch bei der Reduzierung der Ordnung ist die Bestimmung des kritischen Radius, der in der Regel aus Gleichgewichtsbedingungen hergeleitet wird. Während [PUT2012] den kritischen Radius aus Störungsrechnungen des Gleichgewichts
herleiten, legen [BAK2005a, BAK2005b] und [KAL2006] die Freie Gibbs’sche Energie zugrunde. Unter der Annahme eines Keimmodells kann das Tropfenwachstum mit
homogenen wie auch heterogenen Modellen beschrieben werden. Allerdings sind die
in Dampfturbinen auftretenden Feuchtegehalte sowie die Tropfendurchmesser und Verteilungen aufgrund der schwierigen Messmöglichkeit kaum bekannt [KOL2012]. Die
Tropfendurchmesser liegen bei der Keimbildung im Bereich von 104 bis 103 m bzw.
bis zu 0,1 bis 1,0 m. Aufgrund fehlender Daten werden numerische Modelle oft mit
Parametern versehen, die eine Adaption an Messergebnisse konkreter Anwendungen
erlauben [MOO1973, WHI1996] und [MOR2013].
Wie oben dargestellt, beschreibt die klassische Kondensationstheorie die Übersättigung
durch eine lokale Unterkühlungstemperatur
Tsc D Ts .p/ TC
(5.32)
mit der Sättigungstemperatur Ts .p/ bei einem Druck p und der Temperatur der kontinuierlichen Dampfphase TC .
Die Unterkühlung quantifiziert das treibende Temperaturgefälle für den Wärmetransport QP vom Tropfen in Richtung der Dampfströmung. Nach dem zweiten Hauptsatz der
Thermodynamik lässt sich eine Entropieproduktionsrate definieren:
QP
QP
SPth D
Tg Td
0
(5.33)
5
Modellierung der Zweiphasenströmung
207
wobei Ts .ps / Td angenommen werden kann. Der irreversible Prozess wird demnach
vom frei werdenden Wärmestrom, der durch die Kondensatmenge und die latente Wärme
vorgegeben ist und den vorherrschenden Temperaturen bestimmt.
Bei Erreichen einer kritischen Unterkühlungstemperatur fällt ein kritisches Ensemble
von Molekülen in die flüssige Phase aus und bildet Tröpfchen mit dem kritischen Durchmesser. Sind erst einmal derart Kondensationskeime entstanden, wachsen sie durch Kondensation an der Oberfläche. Die Unterkühlung wird hierdurch durch das Freisetzen der
latenten Kondensationswärme schnell zur Gleichgewichtstemperatur mit der Konsequenz
ausgeglichen, dass die maximale Unterkühlung am Ort der einsetzenden Keimbildung besteht. Der Ort maximaler Unterkühlung wird als Wilson-Linie bzw. Wilson-Oberfläche
bezeichnet.
Nach der klassischen Keimbildungstheorie [GER2008, BAK2005a, BAK2005b,
GYA1976] sowie [YOU1982] ergibt sich die Keimbildungsintensität J als Keimbildungsrate wie oben dargestellt zu
qc !
J D
1C
2
m3
12
c csat
4 r 2 exp d
3 kB Tc
(5.34)
Ergänzt um den Modellparameter !, um den Einfluss der Tropfenbildung auf die Zweiphasenströmung zu berücksichtigen. Der kritische Radius r r D
2 .nbtf / d GC
(5.35)
wird, wie von [MOO1973] und [GER2008] vorgeschlagen, mit einem Modellparameter
(nbtf ) angepasst, um den Effekt der Keimbildung auf den Tropfendurchmesser und die
Tropfenanzahldichte zu berücksichtigen. ist die Oberflächenspannung, rd die Dichte
des Tropfens und Gc die Gibbs’sche Freie Energie der kontinuierlichen Phase, die aus
der Zustandsgleichung der kontinuierlichen Phase berechnet werden kann. Der Index c
bezeichnet die kontinuierliche Phase. Mit diesen beiden eingeführten Parametern kann
die Position der Wilson-Linie sowie die Tropfenanzahl korrigiert werden.
Der Korrekturfaktor der Oberflächenspannung (nbtf ) im homogenen Kondensationsquellterm ist der einzige Parameter der angepasst werden muss. Die Sensitivität dieses
Faktors wurde an einigen dokumentierten Beispielen überprüft [ATH2011]. Bei einer
Düsenströmung führte die Erhöhung des nbtf -Wertes von 0,7 auf 1,0 zu einer Verzögerung der Kondensation um 60 mm und zu einer Erhöhung der Unterkühlung um
20 %. [MOR2012a, MOR2012b] schlagen in ihrer Studie einen nbtf -Wert von 0,85 vor.
Nachdem die Keimbildung festgelegt ist, ergibt sich die Tropfenanzahldichte zu
@Nd
C r Nd uE c D J;
@t
(5.36)
208
F. Joos und N. Neupert
mit uE c als Geschwindigkeitsfeld der kontinuierlichen Phase. Der Massenbildungsterm der
kontinuierlichen Dampfphase ergibt sich aus
m
P d D ˛c d 4
3
r 3 J
(5.37)
mit dem Volumenanteil der Dampfphase ˛c .
Das Tropfenwachstum wird unter der Annahme modelliert, dass die Temperatur im
Tropfen homogen ist [GER2008]. Somit ergibt sich aus der Energieerhaltung an der Tropfenoberfläche die Verbindung zwischen Wärme- und Massentransport zu
md D
qP C
hC hd
(5.38)
mit der Wärmezufuhr an der Tropfenoberfläche
qPC D
c
2 rd
Nuc .TS Tc / :
(5.39)
Hierbei bezeichnen C die Wärmeleitfähigkeit der kontinuierlichen Phase, rd den Tropfendurchmesser und TS die Oberflächentemperatur sowie TC die Temperatur der kontinuierlichen Phase
r
(5.40)
TS D Ts .p/ ŒTs .p/ Tc :
rd
Für den kritischen Radius wird in diesem Fall der Parameter .nbtf / D 1 zu eins gesetzt [MOR2013].
[GER2008] modifizierte die von [GYA1976] angegebene Nu-Zahl zu
Nuc D
2
1 C 3;18 Kn
(5.41)
mit der Knudsen-Zahl Kn. [YOU1982] erweiterte die Korrelation zu
Nuc D
mit
1
1C2Kn
2
C 3;78 .1 #/ Kn
Pr
C1
R Ts .p/
2 qc
R Ts .p/
#D
˛ 0;5 hc hd
2 qc
1
2 .hc hd /
(5.42)
(5.43)
und der Prandtl-Zahl Pr der Dampfphase. Der Kondensationskoeffizient qc wird oft zu
eins gesetzt.
Die erweiterte Nu-Gleichung basiert auf einem Zwei-Schichten-Übertragungsmodell,
bei der die Dampfschicht in Oberflächennähe (Index j) durch den freien molekularen
Transport bestimmt wird, während die äußere Schicht (Index e) durch die Kontinuumstheorie beschrieben wird. Die Trennfläche dieser beiden Schichten liegt freie Molekülweglängen von der Oberfläche entfernt.
5
Modellierung der Zweiphasenströmung
209
Durch den Parameter ˛ wird die Differenz zwischen Verdampfung und Kondensation
nach [YOU1982] über das Verhältnis des Kondensationskoeffizienten Qc zum Verdampfungskoeffizienten Qe beschrieben zu
TS Tj
Qc
D1C˛
:
Qe
Ts .p/
(5.44)
Unter Gleichgewichtsbedingungen wird TS D Tj , so dass der Quotient zu eins wird. Die
von [YOU1982] eingeführten Parameter variieren in der Literatur für zwischen 0 und
2 sowie ˛ zwischen 0 und 9. Obige Beziehung der Nu-Zahl von [GER2008] entspricht
den Werten Qc D Qe D 1, ˛ D 0. Nach [YOU1982] wird die Tropfenwachstumsrate
bei einer Pr-Zahl D 0;95 um ca. 25 % unterschätzt. Der relative Fehler der Nuc -Zahl
beträgt etwa 30 %, falls der Parameter bei einer Kn D 2 und D 2 vernachlässigt
wird [MOR2013].
5.4
Tropfen-Wand-Interaktion
Bei der Tropfen-Wand-Interaktion ist zu unterscheiden, ob lediglich feiner Nebel vorhanden ist, der sich an die Oberflächen ablagert oder aber ob bereits größere Einzeltropfen,
die beispielsweise von vorangehenden Schaufeln abtropfen, die Wand beaufschlagen.
5.4.1
Ablagerung feinen Nebels
Die Ablagerung des feinen Wassernebels auf die Schaufeloberfläche wird durch die Phänomene der molekularen sowie der thermischen und turbulenten Diffusion, der Gravitation und der Massenträgheit bestimmt. Der relative Einfluss der einzelnen Faktoren kann
über eine einfache Abschätzung für den Fall der kondensierenden Strömung durch ein
Turbinengitter untersucht werden, indem die charakteristischen Geschwindigkeiten abgeschätzt werden (Tab. 5.1).
Mit dem Cunningham-Faktor Cc , der kinematischen Viskosität vg der gasförmigen Phase und dem Thermodiffusionskoeffizienten H. Der Index ly markiert die Diffusion der
Flüssigkeit (l) in y-Richtung, D den molekularen Diffusionskoeffizienten und L eine charakteristische Länge.
Tab. 5.1 Charakteristische Geschwindigkeiten der Tropfenablagerung nach [FEN2012]
Phänomen
Schwerkraft
Thermodiffusion
Charakteristische Geschwindigkeit c
cgrav D g
C v H
cThermodiffusion D cT g ddyT
Turbulente Diffusion
cturb:Diff D Molekulare Diffusion
cDiff D
D
L
d u02
ly
d 2y
210
F. Joos und N. Neupert
Die Relaxationszeit der Tropfen () zur Beschreibung des Einflusses der Schwerkraft
ergibt sich nach [YOU1988b] zu
d 2 l Cc
D
(5.45)
18 g
bzw. in dimensionsloser Darstellung
C D g
u2
(5.46)
mit der Geschwindigkeit der Reibungsgrenzschicht u .
Die Diffusion aufgrund des Temperaturgradienten in Richtung des kühleren Gebietes,
die sogenannte thermische Diffusion, kann nach [TAL1980] durch den Thermodiffusionskoeffizienten
2;34 . r C 2;18 Kn/
(5.47)
H D
.1 C 3;42 Kn/ .1 C 2 r C 4;36 Kn/
Q
mit der Knudsen-Zahl Kn D 2dl beschrieben werden ( r Wärmeleitungsverhältnis, lQ mittlere freie Weglänge, d Tropfendurchmesser).
Die turbulente Diffusion kann über die turbulente Schwankungsgeschwindigkeit der
Tropfen in y-Richtung nach [GUH1997] und [YOU1997] zu u02
ly bestimmt werden.
Die Beschreibung des molekularen Diffusionskoeffizienten beschränkt sich aufgrund
der sehr dünnen Schicht auf die Brown’sche Molekularbewegung nach [ZAI1995] auf
DD
kB T Cc
3 gd
(5.48)
mit der Boltzmann-Konstanten kB und der dynamischen Viskosität der gasförmigen Phase
g.
Nach der Studie von [FEN2012] beträgt die dimensionslose Relaxationszeit C für
Tropfendurchmesser kleiner d < 2 m in etwa 200 (Abb. 5.5). Unter diesen Bedingungen ist die turbulente Diffusion um Größenordnungen die dominante Geschwindigkeit
Abb. 5.5 Anfängliche
Relaxationszeit C unter
den typischen Bedingungen einer Niederdruckstufe
(T D 330 K, p D 0;02 MPa)
und einer Hochdruckstufe
(T D 500 K, p D 2;6 MPa)
nach [FEN2012]
5
a
Modellierung der Zweiphasenströmung
211
b
Abb. 5.6 Charakteristische Geschwindigkeiten c unter den typischen Bedingungen einer Niederdruckstufe (T D 330 K, p D 0;02 MPa) (a) und einer Hochdruckstufe (T D 500 K, p D
2;6 MPa) (b) nach [FEN2012]
(Abb. 5.6). Ihre Berücksichtigung genügt somit neben der Trägheit, um den Tropfenniederschlag zu beschreiben.
[ZAI1995] berücksichtigt dementsprechend den Beitrag der molekularen Diffusion in
Abhängigkeit der Schmidt-Zahl (Sc) sowie der turbulenten Diffusion durch die Depositionsrate
3
0;115 Sc 4 C 2;5 104 C2;5
:
(5.49)
jC D
1 C 103 C2;5
Nach [GYA1962] erfolgt die Ablagerung von Tropfen einerseits an der Profilvorderkante
(Index LE), die durch einen Zylinder beschrieben werden kann und andererseits auf der
Druckseite, während Ablagerungen auf der Saugseite in erster Näherung zu vernachlässigen sind. Auf einer umströmten Zylinderoberfläche lagert sich demnach der Anteil der
Tropfen
2 RLE
(5.50)
FLE D C
p
ab.
Die Ablagerungseffektivität C besitzt für niedere Re-Zahlen der Umströmung (bezogen auf die Relativgeschwindigkeit), wie sie unter Dampfturbinenbedingungen bei kleinen Tropfendurchmessern
typischerweise auftreten, lediglich eine Abhängigkeit von der
cg
Stokes-Zahl St D 2RLE . Dies wird in Abb. 5.7 verdeutlicht.
Aufgrund der feinen Tröpfchen ist die Ablagerungsrate auch auf der Druckseite vernachlässigbar gering [FEN2012]. Allerdings verändert die Trägheit die umfangsmäßige
Wasserverteilung beim Durchströmen eines Gitters, indem die Konzentration in der Nähe
der Druckseite zu-, in der Nähe der Saugseite entsprechend abnimmt.
212
F. Joos und N. Neupert
Abb. 5.7 Ablagerungseffektivität C eines Zylinders
in Abhängigkeit von der
St-Zahl nach Angaben von
[GYA1962, YOU1988b,
FEN2012]
5.4.2
Filmbildung bei Nebelströmung
Die einfachste Annahme zur Filmbildung ist, dass die abgelagerte Wassermenge einen
durchgehenden Film der Dicke h und der Geschwindigkeit cEFilm bildet. Die Filmdicke
h und die Filmgeschwindigkeit cEFilm lassen sich aus der Kontinuitätsgleichung und der
Impulserhaltung unter Berücksichtigung der Trägheit, der Scherkräfte sowie der Wandreibung nach [FOU1998] im Zylinderkoordinatensystem (Index cyl) bestimmen zu
@h
C rh cEFilm D Sh C Sh cyl
@t
E
@M
E cFilm D SM C SM cyl
C rM
@t
Kontinuitätsgleichung
Impulserhaltung
(5.51)
E D h cEFilm .
mit M
Der Quellterm der Kontinuitätsgleichung ergibt sich aus der Ablagerungsrate, die als
Anzahl der abgelagerten Tropfen pro Fläche und Zeiteinheit definiert ist. Diese Ablagerungsrate legt einen Volumenstrom und damit bei gegebener Oberfläche eine Filmhöhe
fest. Unter der Annahme, dass die gesamte auftreffende Masse auf der Oberfläche haftet,
ergibt sich der Quellterm zu
1
jC " u C „ ƒ‚ …
2
Sh D
turbulente Diffusion
ıLE
FLE m
P "
A
…
„ LE ƒ‚
(5.52)
Ablagerung an der Vorderkante
mit dem ersten Summanden als Depositionsrate aufgrund der turbulenten Diffusion und
dem zweiten Summanden als Ablagerung auf der Vorderkante, gesteuert durch
)
(
ıLE D
1 an der Vorderkante
0 an den anderen Flächen des Profils
:
(5.53)
5
Modellierung der Zweiphasenströmung
213
Die Oberfläche der Vorderkante wird durch ALE festgelegt, m
P ist der Massenstrom der
Dampfströmung eines Strömungskanals des Gitters und " das Volumenverhältnis der flüssigen Phase. Der Faktor 1/2 der Ablagerungsrate an der Vorderkante folgt aus der Annahme, dass die abgelagerte Menge sich jeweils gleichmäßig auf die Saug- und Druckseite
verteilt.
Bis auf die Schergeschwindigkeit u können die benötigten Größen aus einer eindimensionalen Berechnung der Strömung durch das Gitter bereitgestellt werden. Die Schergeschwindigkeit kann über die Korrelation der glatten ebenen Platte von [SCH1968] bestimmt werden
1;15
cg (5.54)
u D p 2 log 10RegX 0;56
2
Die RegX -Zahl ist auf die Lauflänge des Filmes, gemessen ab der Vorderkante definiert.
Der Quellterm der Impulsbilanz SM ergibt sich aus den Kräften, die auf den Film einwirken, wie die Gravitation, die Reibung der Grenzschicht, sowie die aerodynamischen
Kräfte aufgrund des Schubs durch die Geschwindigkeitsdifferenz und den Druckgradienten, der allerdings nach [WIL2006] vernachlässigbar ist. Die Schubspannungen der
Flüssigkeitsoberfläche zur gasförmigen Dampfströmung g bzw. der Flüssigkeitsoberfläche zur Wand b ergeben sich zu
g cEg cEl cEg cEl
2
g cEl cEb Eb D fb cEl cEb
2
Eg D fg (5.55)
mit den Indices l (liquid), g (gas), b (blade).
Nach [IHN1977] lässt sich der Reibungsfaktor fg zwischen Gas und Flüssigkeit bestimmen zu
.1 C 0;025 Rel /
(5.56)
fg D 7 104 C 0;0625 Re0;32
g
Die zu erwartende Filmdicke beträgt wenige zehn bis hundert m [HAM1981], so dass
die Filmströmung als laminar angenommen werden kann und dementsprechend der Reibungsfaktor zwischen Liquid und Oberfläche zu
fb D
˛
Rel
(5.57)
bestimmbar ist. ˛ ist eine Konstante, die nach [FEN2012] mit dem Wert ˛ D 24 die beste
Übereinstimmung mit Messungen lieferte (s. Abb. 5.8). Rel basiert auf der Filmdicke und
Filmgeschwindigkeit.
Eg
3 l
Eb D
cEl :
(5.58)
h
2
214
F. Joos und N. Neupert
Abb. 5.8 Filmdicke in
Abhängigkeit der Dampfgeschwindigkeit einer Flüssigkeitsrate von 3,75 cm3 /min/cm,
T D 325 K, p D 0;02 MPa
nach [FEN2012]
Durch das zylindrische Bezugssystem ergeben sich die zusätzlichen Quellterme
h cFilm r
r
2
2
h cFilm x cFilm r h cFilm
r cFilm D
:
r
r
Sh cyl D
SM cyl
(5.59)
Das Gleichungssystem erlaubt die Berechnung der Filmdicke sowie der axialen und radialen Komponenten der Geschwindigkeiten unter der Annahme, dass der Film der Oberfläche ablösungsfrei folgt. Die Schaufeloberfläche kann durch die Skelettlinie vorgegeben
werden, so dass die axiale Geschwindigkeitskomponente aus der Meridianströmung und
der Umfangsgeschwindigkeit der Schaufel bestimmt werden können. Sie ergeben sich
nach [FEN2012] zu
(
cb D 0
für Statoren
:
(5.60)
cFilm D cFilm X tan.ˇ/ C cb mit
cb D ! r für Rotoren
Unter der Annahme, dass die Temperatur des Filmes der Sättigungstemperatur des statischen Druckes der Umströmung entspricht, braucht die Energiegleichung nicht formuliert
werden.
Das Modell der Filmbildung wird an experimentellen Ergebnissen von [HAM1975]
validiert, die einen dünnen Wasserfilm auf einer dampfüberströmten Platte unter den Betriebsbedingungen einer Niederdruckturbine untersuchten. Der Dampfstrom wurde im
Geschwindigkeitsbereich von 50 bis 400 m/s bei einer Temperatur von 325 K und einem
Druck von 0,02 MPa aufgegeben. Der Filmleger setzte 3,75 cm3 /min/cm Wasser mit einer
Temperatur von T D 325 K durch.
Sowohl die Formulierung der Schubspannungen nach Gl. 5.58 als auch nach Gl. 5.55
wurden mit den Ergebnissen verglichen. Wird die Schubspannung der Blattoberfläche b
aus der Schubspannung der Flüssigkeit l berechnet Gl. 5.58, so ergibt sich eine gute
Übereinstimmung mit dem theoretischen Verlauf von [HAM1975], der allerdings um den
5
Modellierung der Zweiphasenströmung
215
Faktor 2 bis 3 von den Messungen abweicht, während die Formulierung nach Gl. 5.55
eine gute Übereinstimmung mit den Messergebnissen zeigt (Abb. 5.8). Der Koeffizient ˛
wurde hierbei auf den Wert ˛ D 24 gesetzt.
5.4.3 Aufprall einzelner Tropfen auf eine Wand
Das Verhalten von Sprays bei einer Kollision mit festen Oberflächen ist ein für viele technische Anwendungen relevantes Themengebiet, das jedoch aufgrund seiner Komplexität
bisher noch nicht zuverlässig berechnet werden kann [URB2009, GOM2009, EIS2011].
Die Kollisionen der einzelnen Tropfen finden sowohl an der Beschaufelung als auch an
Nabe und Gehäuse statt.
Die Komplexität des Tropfenaufpralls hängt in entscheidender Weise davon ab, ob die
Oberfläche bereits durch die Flüssigkeit benetzt ist, da bei einer benetzten Oberfläche
von einer bekannten Oberflächenstruktur ausgegangen werden kann, während trockene
Oberflächen im Allgemeinen eine unbekannte Rauheitsstruktur aufweisen. Ein Überblick
über die Einflussgrößen des Tropfenaufpralls und Modellansätze zur Berechnung beider
Fälle werden in [YAR2006] gegeben. Der Tropfenaufprall auf dicke Oberflächenfilme
(hFilm =d > 1) ist für die Strömung der Niederdruckturbine nicht von großer Relevanz.
Ihm wird im Folgenden nicht weiter nachgegangen.
Die Dimensionsanalyse liefert die beschreibenden Kennzahlen für den Tropfenaufprall:
WeA D
d dd u2d
;
ReA D
d dd ud
;
d
StA D
L
:
d dd ud
(5.61)
Die Weber-Zahl We beschreibt das Verhältnis von kinetischer Energie zur Oberflächenenergie des Tropfens, die Reynolds-Zahl Re das Verhältnis der Trägheitskräfte zu den
Scherkräften innerhalb des Tropfens und die Stokes-Zahl St das Verhältnis der charakteristischen Zeiten des umgebenden Gases und des Tropfens. Eine weitere wichtige Kennzahl
des Tropfenaufpralls stellt die Ohnesorge-Zahl Oh dar
d
:
Oh D p
d dd (5.62)
Beim senkrechten Aufprall eines sphärischen Tropfens auf eine trockene, ebene und glatte
Oberfläche mit der Geschwindigkeit ud ist die zuerst eintretende Berührung zentral und
punktförmig. Anschließend bildet sich eine kreisförmige Kontaktlinie aus, die sich mit
einer geometrisch bestimmbaren Geschwindigkeit vk ausbreitet:
vk D
ud
;
tan ˇ
(5.63)
hierbei ist ˇ der Kontaktwinkel tangential zur Tropfenoberfläche. Zum Zeitpunkt des Kontaktes wird eine Druckwelle in den Tropfen reflektiert, die sich mit der Geschwindigkeit
216
F. Joos und N. Neupert
Abb. 5.9 Zeitlicher Verlauf des Tropfenaufpralls auf eine feste, trockene Oberfläche nach
[REI1993]
us im Tropfen ausbreitet. Der weitere Verlauf des Aufpralls ist nach [REI1993] in Abb. 5.9
schematisch dargestellt.
1. In der ersten Phase (1) ist die Ausbreitungsgeschwindigkeit des Kontaktkreises vk größer als die der Schockwelle
q
vk > u2s C u2d
(5.64)
Es tritt eine Deformation der Flüssigkeit in Form einer Kompression im Kontaktbereich auf, wobei der übrige Teil des Tropfens noch unbeeinflusst bleibt.
2. Die vom Kontaktpunkt ausgehende Schockwelle erreicht zum kritischen Zeitpunkt (2)
die langsamer werdende Kontaktlinie mit
q
vk < u2s C u2d
(5.65)
an der der kritische Kontaktwinkel ˇk D arcsin uuds gebildet wird.
3. Nach diesem Zeitpunkt löst sich die Schockwelle von der Aufpralloberfläche ab, wodurch die Flüssigkeit aufgrund des Druckgradienten aus dem Tropfen nach außen
getrieben wird (3).
Die Stärke der Schockwelle ist mit der sogenannten Waterhammer-Equation
pwh D d al ud
(5.66)
abschätzbar, die sich aus der eindimensionalen Lösung des Tropfenaufpralls ergibt. al
bezeichnet die Schallgeschwindigkeit in der Flüssigkeit.
Eine zweidimensionale Berechnung in [HEY1969] zeigt, dass die erreichbaren Spitzendrücke an der Kontaktlinie für Aufprall Machzahlen zwischen 0;03 < Maw < 0;3
mindestens einen Wert von 3pwh erreichen. Diese hohen Druckspitzen sind für die erosive Wirkung des Tropfenaufpralls verantwortlich. Eine Erweiterung dieser Modelle wird
5
Modellierung der Zweiphasenströmung
217
in [LES1983] vorgestellt, die neben der Kompressibilität des Tropfens auch die des festen Materials in Betracht zieht. Hierdurch ergeben sich größere kritische Kontaktwinkel,
deren Übereinstimmung mit experimentellen Ergebnissen besser ist.
Ähnliche theoretische Untersuchungen wurden von [SUR1989] durchgeführt, die
ebenfalls eine Abhängigkeit des kritischen Kontaktwinkels von der Elastizität des Materials der festen Oberfläche aufzeigten.
Für einen schrägen Aufprall des Tropfens ergibt sich ein verschobenes Druckprofil an
der Stelle des Kontaktes, wie [FAD1988] für Aufprallwinkel bis 60ı zeigen konnten.
Die bis zum Erreichen des kritischen Kontaktwinkels stattfindenden Vorgänge werden auch als kinematische Phase bezeichnet. In [RIO2002] wurde experimentell nachgewiesen, dass die Benetzungseigenschaften der Oberfläche in dieser Phase keine Rolle spielen. Das Aufprallverhalten kann hier vollständig durch Tropfendurchmesser und
-geschwindigkeit beschrieben werden. Mit der dimensionslosen Zeit A D t uddd < 0;1
wird demnach die Dauer der kinematischen Phase quantifiziert.
Neue theoretische Untersuchungen von [MAN2010] ziehen das Kompressionsverhalten der Gasschicht zwischen Tropfen und Aufpralloberfläche mit in Betracht und identifizierten einen Parameterbereich, in dem kein Kontakt von Flüssigkeit und fester Oberfläche
zustande kommt. Dieses Szenario tritt vornehmlich bei kleinen Aufprallgeschwindigkeiten und Tropfendurchmessern auf und wird durch die Oberflächenspannung der Flüssig8
2
keit dominiert. Der Übergang zum viskos dominierten Verhalten findet bei dd StA9 WeA 3 109 m statt.
Die Entwicklung des Tropfens in der Ausbreitungsphase, in der die Flüssigkeit aus
dem Tropfen getrieben wird, ist von der Weber- und der Reynoldszahl, so wie der Rauigkeitsstruktur der Oberfläche abhängig [RIO2002]. Dabei ist nicht nur die Rauigkeitstiefe,
sondern vielmehr die gesamte Topologie der Oberfläche entscheidend. Im weiteren Verlauf des Aufpralls sind folgende Entwicklungen möglich [YAR2006]:
1. Deposition: Die Flüssigkeit des Tropfens breitet sich kreisförmig von der Aufprallstelle als Film auf der Oberfläche aus und zieht sich anschließend getrieben von der
Oberflächenspannung zu einem Gleichgewichtszustand der Kräfte zusammen.
2. Prompt Splash: Ein geringer Anteil des Tropfenvolumens wird beim Aufprall in Form
kleiner Tropfen in die Umgebung geschleudert, während das restliche Volumen durch
Deposition an der Oberfläche verbleibt.
3. Corona Splash: Der beim Aufprall ausgetriebene Flüssigkeitsfilm löst von der Oberfläche ab und bildet eine trichterförmige Krone, an deren Rand sogenannte Finger
entstehen. An den Spitzen der Finger lösen sich schließlich kleine Tropfen ab.
4. Receding Break-up: Nach maximaler Ausdehnung des Flüssigkeitsfilmes durch Deposition zieht sich dieser unter Wirkung kapillarer Kräfte mit der Bildung von Fingern
zurück. Diese zerfallen in kleinere, an der Oberfläche haftende Tropfen.
5. Partial Rebound: Nach der Deposition reicht die noch nicht dissipierte kinetische Energie aus, um die Flüssigkeit an der Aufprallstelle von der Oberfläche zu heben. Dabei
218
F. Joos und N. Neupert
löst sich aus der aufsteigenden Säule ein Tropfen heraus, während sich das restliche
Material auf der Oberfläche zum Erreichen des Gleichgewichtszustandes ausbreitet.
6. Rebound: Nach der Deposition reicht die kinetische Energie aus, um die gesamte Flüssigkeit wieder von der Oberfläche abzulösen. Dabei wird die Tropfenform vollständig
wiederhergestellt.
Die Szenarien 4–6 finden bei geringen Aufprall-Weberzahlen und schlechter Benetzungsfähigkeit der Oberfläche statt. Daher sind sie für eine tropfenbeladene Niederdruckturbinenströmung von untergeordneter Bedeutung. Für die relevanten Szenarien 1–3 sind
verschiedene Versuche unternommen worden, das Auftreten der Deposition mit Hilfe der
dimensionslosen Aufprallkennzahlen vom Splashing zu differenzieren. In [MUN1996]
wird ein Grenzfaktor für das Splashing eingeführt:
KM D
We0;5
A
Re0;25
A
D
d3 dd3 u5d
d2 d
0;25
(5.67)
mit
KM < 57;7 deposition,
KM
57;7 prompt splash.
Eine Grenze für das Auftreten von corona splashing wird in diesem Zusammenhang
nicht angegeben. Die Abhängigkeit der Splashing-Grenze von der Rauigkeitsstruktur der
Oberfläche wird in qualitativer Weise aufgeführt. Demnach führen kleine Rauigkeiten
dd zu einer Unterdrückung des Splashings, während große RauigT D 2 RddT
keiten den Tropfenzerfall verstärken. Die wesentlichen Ergebnisse der experimentellen
Untersuchung sind:
Hohe Oberflächenrauigkeit verstärkt den Zerfall des auftreffenden Tropfens. Ist die
Rauigkeit von derselben Größenordnung wie der Tropfendurchmesser, führt dies zum
chaotischen Zerfall des Tropfens.
Ein schräger Tropfenaufprall bis 60ı hat keinen Einfluss auf die Gültigkeit des kritischen KM -Faktors.
Die Geschwindigkeiten der Sekundärtropfen hängen allein von der Geschwindigkeit
des Primärtropfens ab.
Mit steigendem KM -Faktor steigt die Zahl der Sekundärtropfen exponentiell an.
Eine Untersuchung der Abhängigkeit der Splashing-Grenze von der Oberflächenrauigkeit
findet sich in [STO1981]. Hier konnte gezeigt werden, dass bei kleinerer Oberflächenrauigkeit die Splashing-Grenze zu höheren Aufprallgeschwindigkeiten verschoben wird.
Eine Einordnung der von [STO1981, COG1995] und [MUN1996] gemessenen SplashingGrenze bezüglich der Rauigkeit der Oberfläche, wie bereits auch von [COS1997] vorgenommen, ist in Abb. 5.10 dargestellt. Wird eine Rauigkeit von D 0;01 überschritten,
5
Modellierung der Zweiphasenströmung
219
Abb. 5.10 Gemessene Splashing-Grenzen in Abhängigkeit der Oberflächenrauigkeit nach
[COS1997]
so zeigen die Messungen die von [MUN1996] angegebene konstante Splashing-Grenze
(KM D 57;7).
Ein vereinfachtes Kriterium konnte von [WAL2006] gefunden werden,
p in dem die
Grenze für das Splashing über die Kapillar-Zahl Ca mit dem Grenzwert Ca D 0;35
definiert wurde. Diese reduziert die Einflussparameter auf die Aufprallgeschwindigkeit,
die Viskosität und die Oberflächenspannung:
Ca D
d ud
:
(5.68)
Der Tropfenaufprall im Strömungsfeld der Turbine bewegt sich durch die geringen Tropfendurchmesser der Größenordnung 10 m im Bereich der von der Rauigkeit unbeeinflussten Splashing-Grenze. Trotz der hohen lokalen Geschwindigkeiten von Ma > 1 kann
die Splashing-Grenze jedoch durch flache Aufprallwinkel auf dem Profil unterschritten
werden.
Experimente von [XU2005] wiesen die Existenz eines kritischen Umgebungsdruckes
für das Auftreten von Splashing nach. Durch Absenken des Umgebungsdruckes war es
möglich, das Splashing vollständig zu unterdrücken. Die Mechanismen der Interaktion
des Splashingvorganges mit dem umgebenden Gas konnte allerdings noch nicht aufgeklärt
werden. Die Ergebnisse von [XU2005] zeigen des Weiteren, dass der kritische Druck
des Splashings bei Aufprallgeschwindigkeiten von weniger als 2 m/s stark ansteigt. Es ist
220
F. Joos und N. Neupert
also anzunehmen, dass charakteristische Geschwindigkeitsbereiche existieren, in denen
der Aufprallvorgang von verschiedenen Einflussgrößen des Gases dominiert wird.
Mit der Abhängigkeit des Aufprallvorgangs von dem thermodynamischen Zustand des
Gases ist auch der Einfluss der Kompressibilität bei Aufprallgeschwindigkeiten von Ma >
0;3 wahrscheinlich. Die von [MAN2010] gefundenen Zusammenhänge in Abhängigkeit
des Zustandes vor dem Aufprall des Tropfens erwiesen sich für geringe Aufprallgeschwindigkeiten als vollständig unabhängig vom Umgebungsdruck. Die Vorgänge bei höheren
Aufprallgeschwindigkeiten sowie die frühe Phase der Tropfenausbreitung auf der Oberfläche sind Gegenstand aktueller Forschung. Es wird in Betracht gezogen, dass Einschlüsse
des umgebenden Gases zwischen Flüssigkeit und fester Oberfläche einen Einfluss auf das
Ablösen des Filmes haben [REI2008].
Der Tropfenaufprall auf einen dünnen Wasserfilm der Höhe H D h=dd < 1 ist im Wesentlichen durch die Interaktion des aufprallenden Tropfens mit der ruhenden Flüssigkeit
zu beschreiben. Die Rauigkeitsstruktur der Oberfläche ist hier von untergeordneter Bedeutung. Der charakteristische Ablauf des Aufpralls ist durch die Beteiligung des flüssigen
Materials auf der Oberfläche bestimmt. Die induzierte Unstetigkeit im Geschwindigkeitsfeld der Flüssigkeit führt bei ausreichend großer Aufprallenergie zur Ausbildung einer
Krone, die senkrecht auf dem Film steht. In dieser Krone entstehen durch Instabilitäten
Finger, an denen sich Sekundärtropfen ablösen. Als Grenzwertkriterium für den Sekundärzerfall wird analog zum trockenen Aufprall ein Splashing-Faktor definiert
0;4
KF D We0;8
A ReA
(5.69)
der von [COS1997] wie folgt angegeben wird:
KF;krit D 2:100 C 5:880 H 1;44 ;
(5.70)
für 0;1 < H < 1; Oh > 7 103 .
Für dünnere Filmdicken gehen die Vorgänge in den Aufprall auf trockene Oberflächen
über. Ein vereinfachtes Kriterium für das Splashing aus dünnen Filmen (hFilm =d < 1)
p
wird von [WAL2006] mit WeA > 20 angegeben.
Im überwiegenden Teil der technischen Anwendung findet der Tropfenaufprall mit
dispersen Sprays statt. Im Unterschied zum Einzeltropfenaufprall können hier auch Interaktionen zwischen Tropfen auf der Oberfläche auftreten.
Somit sind die tatsächlich auftretenden Vorgänge als partiell benetzter Aufprall zu beschreiben. Eine experimentell gut zu erfassende Annäherung kann durch den Aufprall
einer Tropfenkette realisiert werden. Hier treffen die Tropfen auf einen teilweise vorhandenen Film der vorlaufenden Tropfen. Mit einem solchen Aufbau konnten [YAR1995]
eine kritische Geschwindigkeit für den Sekundärzerfall in Abhängigkeit der Aufprallfrequenz fA finden:
38
1
fA
1
8
:
(5.71)
ud;krit D 18 4 d d
5
Modellierung der Zweiphasenströmung
221
Die Charakterisierung der Durchmesser- und Geschwindigkeitsverteilung der Sekundärtropfen des Aufpralls eines Sprays gelang [ROI2006]. Durch eine umfangreiche numerische und experimentelle Untersuchung wurde eine Korrelation für das Verhältnis vom
primären zum sekundären Volumenstrom gefunden:
VPprim
VPsek
D 0;005 KF2;25 Re0;5
0;0011 VP D
A
ud
VPprim
!
:
(5.72)
0;4
In diesem Fall des Splashing eines Sprays gilt der Splashingfaktor KF D We0;8
A ReA .
Die angegebene Korrelation unterliegt der Einschränkung, dass die Gültigkeit nur für
VP < 0;5 nachgewiesen wurde. Des Weiteren wurde eine Strömung im umgebenden Gas
ausgeschlossen. Das Verhältnis der kinetischen Energien von Primär- und Sekundärspray
wurde innerhalb dieses Gültigkeitsbereichs mit E D 0;36 1;1
P angegeben. Dabei enthält
V
die kinetische Energie die Oberflächenenergie. Mit Hilfe dieser Korrelationen ist zumindest eine Abschätzung des auf der Oberfläche verbleibenden Anteils des Sprays und der
Geschwindigkeit der Sekundärtropfen möglich.
Wird die Aufprallfläche von der Gasströmung umströmt, so wird der nach dem Aufprall
des Tropfens auf der Oberfläche verbleibende Anteil der Flüssigkeit durch Scherkräfte
bewegt. Die Bewegung der Flüssigkeit ist abgesehen von ihren Stoffeigenschaften auch
von der Benetzungsfähigkeit der Oberfläche abhängig. Diese wird über den Kontaktwinkel im Ruhezustand charakterisiert. Wie bereits in Abschn. 5.4 der Ablagerung feinen
Nebels dargestellt, kann die Bewegung der Flüssigkeit analog mit der Bewegung der
Kontaktlinie gleichgesetzt werden und mit dem dynamischen Kontaktwinkel in der Bewegung in Zusammenhang gebracht werden. In der Kontinuumsmechanik führt diese
Bewegung aufgrund der geltenden Haftbedingung zu einer Singularität in der Kräfteverteilung. Aus diesem Grund werden für die mathematische Beschreibung dieser Vorgänge
Ansätze aus der Molekulardynamik sowie kombinierte Ansätze beider Bereiche angewandt [BLA2006]. Die charakteristischen Kennzahlen der Oberflächenbewegung sind die
Kapillarzahl und die Reynoldszahl:
Calf D
L u1
;
Relf D
u1 h L
:
L
(5.73)
Hier ist h die Dicke des Filmes, der durch die Tropfen gebildet wird und u1 die Schergeschwindigkeit, die durch u1 D u.h/ abgeschätzt werden kann. Durch Welf D Calf Relf
ist eine Reduktion der Vorgänge auf einen Parameter möglich. Numerische Untersuchungen von [DIM1997] sowie [SCH1999] befassen sich mit der Tropfenverformung und
-bewegung bei kleinen Reynolds- und Kapillarzahlen. Allerdings konnten aus den gewonnenen Ergebnissen keine Modelle für die Bewegungsgeschwindigkeit der Flüssigkeit
auf der Oberfläche abgeleitet werden, die eine Kenntnis des dynamischen Kontaktwinkels
nicht voraussetzen.
222
5.4.4
F. Joos und N. Neupert
Modellierung des Tropfenaufschlages auf eine feste Wand
Die Interaktion der Tropfen mit der Wand führt nicht nur zu einer Filmbildung der Flüssigkeit, sondern auch zu einer mechanischen Belastung der Wand selbst. [HAN2012]
berechneten den Einfluss des Tropfenaufschlages auf eine deformierbare feste Oberfläche mit Hilfe eines Euler-Lagrange-Verfahrens. Die feste Oberfläche wurde mit einer
Finiten-Elementen-Methode nach Lagrange formuliert, die der Bewegung der Oberfläche bei moderaten Spannungen folgen kann, während das Strömungsfeld im Fluid über
die Euler’sche Formulierung simuliert wird. Die Koppelung der beiden Netze erfolgt
beim Auftreten einer Deformation über eine Kraft, die von der Steifheit der Kontaktfläche und deren Ausbeulung abhängt. Zudem wird eine künstliche Grenzschichtviskosität
nach [WIL1980] eingeführt, um die Unstetigkeit der Stoßwelle in einen kontinuierlichen
Übergang zu verschmieren.
Die benötigten Materialdaten für das Dampfturbinenmaterial Cr12WMoV, das ideal
bilinear isotrop aushärtet, werden von [WIL1980] und [MEY1994] entsprechend Tab. 5.2
angegeben. Das Realgasverhalten der Luft kann durch
p D . 1/ Ei
0
(5.74)
beschrieben werden. Die Standarddichte beträgt 0 D 1;205 kg=m3 , die dynamische Viskosität D 1;81 105 Pa s; Ei bezeichnet die auf das Volumen bezogene innere Energie.
Wasser unter Kompression kann über die Mie-Gruneisen-Beziehung nach [LIU2002]
modelliert werden
0 al2 1 C 1 20 a2 2
(5.75)
pDh
i2 C .0 C a / Ei
2
3
1 .S1 1/ S2 C1 S3 . C1/2
unter Expansion zu
p D 0 al2 C .0 C a / E:
(5.76)
Die Standarddichte des Wassers wird zu 0 D 998;2 kg/m3 , die dynamische Viskosität zu
D 1;002 103 Pa s gegeben. Hierbei bedeutet hier D 0 1. S1 , S2 und S3 sind die
Tab. 5.2 Materialdaten für Cr12WMoV nach [WIL1980] und [MEY1994]
Dichte
Elastizitätsmodul E (Young Modulus)
Poisson Zahl (E/2 G 1)
Zugfestigkeit (Yield Strength)
Steigung der Zugfestigkeit (Tangent Modulus)
Druckwellengeschwindigkeit
G Schubmodul
7850 kg/m3
211,8 GPa
0,3
700 MPa
7,06 GPa
4570 m/s
5
Modellierung der Zweiphasenströmung
Tab. 5.3 Materialdaten
für Wasser nach [LIU2002]
und [STE1987]
al
0
a
S1
S2
S3
223
1480 m/s
0,5
0
2,56
1;986
0,2268
Koeffizienten der Steigung der Differenz aus Stoßgeschwindigkeit und Tropfengeschwindigkeit. Die restlichen Materialdaten nach [LIU2002] und [STE1987] sind in Tab. 5.3
zusammengestellt. Ei bezeichnet hier die auf das Volumen bezogene innere Energie des
Wassers.
Typischerweise liegt der Tropfendurchmesser um 0,2 m, die Fluggeschwindigkeit in der Luft bei ca. 500 m/s, wobei die Blattspitzengeschwindigkeit bei 750 m/s
liegt [AHM2009a]. [HAN2012] berechnen für diese Bedingungen Druckspitzen von bis
zu 11.800 MPa. Sowohl das Druckfeld im aufprallenden Tropfen als auch die Ausbreitung
der Kontaktfläche sind in einem plausiblen Bereich vergleichbar mit Messergebnissen
von [ROC1979].
Das Bild der Deformation der festen Oberfläche ergibt, dass sowohl die Druckspitze
beim Aufprall als auch die sich ausbreitenden radialen Strähnen zur Schädigung des Materials und zur Erosion beitragen.
5.4.5 Einwirkung der Tropfen auf die Schaufeloberfläche
Die Tropfenbildung in den letzten Stufen einer Kondensationsturbine führt naturgemäß
auf eine Interaktion der mit hoher Geschwindigkeit auf die Oberfläche treffenden Tropfen,
was zu Erosionserscheinungen führt. Durch die hierbei entstehende Erosion kommt es zu
Schaufelschäden [SPR1976].
Schon in den 1960er-Jahren wurde in verschiedenen experimentellen Studien untersucht, welche Rolle der Tropfenschlag bei thermohydraulischen Strömungsmaschinen
hinsichtlich Erosionsschädigung spielt [BOW1961, HAN1966] sowie [SMI1966]. Begleitend zu den experimentellen Arbeiten wurden kontinuumsmechanische Modelle zur
numerischen Untersuchung der Erosion eingesetzt [CAM2007, CUP2005, HEY1992,
WAN2008] sowie [WOY1999].
Schädigungssimulationen werden heutzutage auf makroskopischer Ebene [SAM2008]
sowie auf mikroskopischer Ebene [DRA2005] durchgeführt. Sie erlauben es, sowohl spröden als auch duktilen Rissfortschritt mit lokalen und nichtlokalen Schädigungsmodellen
oder mit Kohäsivzonenmodellen zu berechnen [SCH2005]. Auf atomarer Ebene kann
die Erosion mit Hilfe der Monte-Carlo(MC)-Methode simuliert werden [STE1993]. Es
liegen auch Modelle zur Simulation der Rissbildung bei wiederholter Impact-Belastung
vor [WAW1993]. Die Modellierung der Tropfenschlagerosion an Turbinenschaufeln ist
skalenübergreifend bisher nicht simuliert worden.
224
F. Joos und N. Neupert
Abb. 5.11 Auftreffen eines
kugelförmigen Tropfens auf
eine ebene, feste Oberfläche
[HAL2002] simulierten den Aufprall eines Wassertropfens von 100 m Durchmesser mit einer Geschwindigkeit von 500 m/s. Sie konnten zeigen, dass beim Aufschlag
Schockwellen innerhalb des Tropfens entstehen, die seitliche Jetting-Eruptionen mit Geschwindigkeiten von über 1000 m/s hervorrufen. Auf der Kontaktfläche ergeben sich kurz
nach dem Aufprall Drücke über 109 Pa. Die Autoren betonen, dass die Kompressibilität
des Fluids bei der Modellierung des Tropfenaufpralls nicht vernachlässigt werden darf.
Die Schädigung der Oberfläche wird durch lokale Druckspitzen im Tropfen hervorgerufen, die bei hohen Auftreffgeschwindigkeiten Werte über 10.000 bar annehmen können.
Die auftretenden Drücke bei einem sogenannten Wasserschlag nehmen nach [COO1928]
Werte um
(5.77)
p D l al c0
an. Hierbei bezeichnet l die Dichte der Flüssigkeit, al deren Schallgeschwindigkeit (in
Wasser bei t0 D 20 ı C beträgt al D 1480 m/s) und c0 die Auftreffgeschwindigkeit. Das
Auftreffen des Tropfens auf der Oberfläche löst nach [HEY1968] eine Druckwelle mit der
Druckspitze
l al c0 s cs
(5.78)
pD
l aStoßwelle C s cs
mit s respektive cs der Dichte, bzw. der Schallgeschwindigkeit des Schaufelmaterials.
Beim Auftreffen des als kugelförmig angenommenen Tropfens senkrecht zu einer ebenen Oberfläche breitet sich vom Berührungspunkt eine Stoßwelle mit dem Radius der
Kontaktfläche Re und dem Kontaktwinkel ˇ, die nach dem Prinzip von Huygens konstruiert werden kann, aus (Abb. 5.11).
Der komprimierte Anteil des aufschlagenden Tropfens, der schraffiert dargestellt ist,
wird durch die Stoßwelle, deren Steigung am Auftreffrand ebenfalls durch den Winkel
ˇ beschrieben wird, vom restlichen Fluid abgetrennt. Nach einer zweidimensionalen Abschätzung von [HEY1969] beträgt die auftretende Druckspitze unter Berücksichtigung
der Stoßwelle unmittelbar hinter der Kontaktfläche im mittleren Geschwindigkeitsbereich
pSpitze D 3 a c (s. Gl. 5.77).
5
Modellierung der Zweiphasenströmung
225
Unter den getroffenen Annahmen ist insbesondere zu hinterfragen, inwieweit der Kontaktwinkel mit der Zeit ansteigt. So berücksichtigt [LES1981] die detaillierte Druckverteilung im anfänglich kompressiblen Fluidteil. Für kleine Auftreff-Ma-Zahlen sind die
Ergebnisse mit den Aussagen von [HEY1969] kompatibel.
Die Kontaktfläche wächst schneller als die Geschwindigkeit der Stoßwelle im Liquid
zu Beginn des Aufschlages. Aus geometrischen Überlegungen ergibt sich aus Abb. 5.11
eine Geschwindigkeit des Kontaktradius zu
ce D al ctg .ˇ/ ;
(5.79)
so dass sich diese Geschwindigkeit mit wachsendem Kontaktwinkel reduziert.
Für eine feste Oberfläche entspricht die Geschwindigkeit der Stoßwelle der Ausbreitungsgeschwindigkeit der Kontaktfläche für
sin ˇ D
al
aStoßwelle
:
(5.80)
Somit ergibt sich für die anfängliche kompressible Phase ein maximaler Radius
Rmax D
R c0
:
aStoßwelle
(5.81)
Durch Messungen der Drücke nach dem Aufschlag fanden [ROC1979] in Übereinstimmung mit der Theorie Werte im Bereich um pSpitze D 2;5 l al c0 . Sie fanden zudem,
dass die Ausbildung der Strahlen im Vergleich zur theoretischen Vorhersage später eintrat. Die eingesetzte piezoelektrische Keramik mit einer Kantenlänge von 0,3 mm bei einer
Tropfengröße von 5 mm bewirkte allerdings eine relativ grobe Auflösung der anfänglichen
Benetzungsfläche. Um die Auflösung zu verbessern, verwendeten [FIE1989] für ein ebenes Experiment Gel zur Visualisierung der Stoßwelle und der sich ausbildenden radialen
Strahlen. Sie fanden, dass mit zunehmender Elastizität der Oberfläche eine Verzögerung
der Strahlbildung auftrat. Durch den Aufschlag eines mit Überschallgeschwindigkeit einfallenden Tropfens zeigte sich aufgrund der extrem hohen Scherkräfte eine linsenförmige
Verformung der Oberfläche, wie [BOW1961] experimentell nachweisen konnten. Erste
numerische Studien zum Aufprall eines mit hoher Geschwindigkeit anfliegenden Tropfens
auf eine feste Oberfläche verdeutlichen dieses Phänomen. Allerdings konnte die Ausbreitungszeit der Flüssigkeitsstrahlen nicht adäquat nachvollzogen werden [HAL2002].
Unter Berücksichtigung der Deformation der festen Oberfläche führten [HAN2012] sowie [AQU2006] numerische Untersuchungen durch, um die Ausbildung der Druckspitzen
sowie die Ausbreitung der Stoßwelle zu berechnen.
226
5.5
F. Joos und N. Neupert
Beschreibung des Wandfilms bei Tropfenaufprall
Der Niederschlag mit Filmbildung eines feinen Nebels wurde in Abschn. 5.4.1 dargestellt. Im Folgenden soll die Filmbildung basierend auf der Ablagerung einzelner Tropfen
dargestellt werden.
Größere Tropfen werden im Allgemeinen als Einzeltropfen im Lagrange-System verfolgt, da die auftretenden Kräfte über ein Widerstandsgesetz einfacher zu implementieren
sind, was den Nachteil des zusätzlich erforderlichen Koordinatensystems aufwiegt. Die
auf die Tropfen wirkenden Kräfte (Abb. 5.2) werden jeweils lokal berechnet. Da die
Anzahl der Tropfen so hoch ist, dass sie nicht alle berechnet werden können, werden entweder in mehreren folgenden Rechnungen die Trajektorien von Einzeltropfen betrachtet,
bis sich eine statistische Aussage ergibt, oder aber die Eigenschaften der Tropfen werden
in Tropfenklassen zusammengefasst (Abb. 5.12).
Der äquivalente Tropfendurchmesser Dd errechnet sich aus der Masse der Flüssigkeit
vor dem Wandkontakt (Abb. 5.12). Auf der Wand ergibt er sich aus einer adäquaten Filmdicke h, während er nach Verlassen der Wand aus einem Zerstäubungsgesetz hergeleitet
werden kann. Die Anzahl der Tropfenklassen kann über die zeitabhängige Verteilung der
Feuchte bestimmt werden
m
dcd
D FDS C FDU C Fzentrifugal C FCoriolis :
dt
(5.82)
Mit der Widerstandskraft FDS ,
FDS D
1
CD A v jcd j cd :
2
(5.83)
Für große Beschleunigungen der Tropfen muss die Trägheitskraft FDU berücksichtigt werden
dc
1
d
FDU D v Dd3 :
(5.84)
2
6
dt
a
b
c
Abb. 5.12 Schema von drei Phasen einer Tropfenklasse mit zugehöriger Definition der Durchmesser
5
Modellierung der Zweiphasenströmung
Die Zentrifugalkraft Fzentrifugal und die Corioliskraft FCoriolis können
werden zu
0
0
B
Fzentrifugal C FCoriolis D @ md ! 2 x2 C 2 md ! cdz
md ! 2 x3 2 md ! cdy
227
zusammengefasst
1
C
A:
(5.85)
Treffen Tropfen auf die Wand, so muss an sich unterschieden werden, ob sie zurückprallen, in feine Tröpfchen zerstäuben (Splashing), wobei ein Teil auf der Wand abgelagert
bleibt oder aber insgesamt auf der Wand abgelagert werden (s. Absch. 5.4.2).
Die auf der Wand abgelagerte Flüssigkeit bildet aufgrund der hydrophilen Eigenschaft des Schaufelmaterials einen Wasserfilm. Je nach den auftretenden Scherkräften
ergibt sich eine glatte oder wellige, instabile Oberfläche, die nur schwer zu beschreiben
ist. [HAM1981] zeigt das Filmaufreißen in Abhängigkeit der Außenströmung und der
Filmdicke mit Hilfe einer Stabilitätsanalyse, während [ELG2001, SAB2004] die Fingerbildung über eine Energiebilanz beschreiben, allerdings am Beispiel von Rieselfilmen die
durch die Gravitation stärker beeinflusst werden als durch die Scherströmung.
Vereinfacht lässt sich nach [SAS2013] das Kräftegleichgewicht des Wasserfilms zu
m
1
dcd
D FDS C FDU C Fzentrifugal C FCoriolis C FReibung
dt
2
(5.86)
formulieren. Die Dicke des Filmes hängt vom Massenstrom des Dampfes, von der Feuchte, vom Material der Beschaufelung und noch weiteren Faktoren ab. Sie ist nur schwer zu
beschreiben. [SAS2013] nehmen deshalb an, dass sich die abgelagerte Flüssigkeit als Kugeln mit dem Durchmesser der Filmhöhe auf der Wand bewegen. Die Filmdicke h wird zu
100 m angenommen. Somit kann die treibende Widerstandskraft nach obiger Gleichung
berechnet werden.
Die Reibungskraft FReibung
FReibung D kf cl AKontakt
(5.87)
ergibt sich aus der Geschwindigkeit der Tropfen auf der Wand und deren Kontaktfläche
Akontakt . Der Reibungskoeffizient wird zu kf D 0;05 angenommen.
5.6
Zerstäubung an der Hinterkante
Der Wasserfilm wird auf der Schaufeloberfläche durch die Dampfströmung und durch
das Zentrifugalfeld an die Hinterkante bzw. an die Schaufelspitze getrieben und dort im
Scherfeld der Strömung der Druck- und Saugseite zerwellt und zerstäubt (Abb. 5.13).
228
F. Joos und N. Neupert
Abb. 5.13 Zerstäubung eines Wasserfilmes an der Hinterkante
Somit sind neben der Filmbildung und Filmbewegung der Zerwellungsvorgang (2) sowie
der primäre (3) und sekundäre Tropfenzerfall (4) zu beschreiben.
5.6.1
Primärzerfall, Hinterkantendesintegration
Beim Zerwellen kommt es durch eine Erhöhung der Ausströmgeschwindigkeit zur Bildung transversaler wellenförmiger Schwingungen im Strahl. Es entstehen Flüssigkeitsfäden, die durch Oberflächenspannungen abgeschnürt werden und anschließend zu Tropfen
zerfallen. Dieser Zerfallsvorgang wird durch den Kapillardruck, den Staudruck und durch
viskose Schubspannungen beeinflusst [WAL1990]. Da die Relativgeschwindigkeit zwischen Umgebungsgas und Fluid einen bedeutenden Einfluss auf die Tropfenbildung aufweist, wird der Bereich des Zerwellens auch als windinduzierter Strahlzerfall bezeichnet.
Beim Zerwellen werden sinusförmige Wellen gedämpft, axialsymmetrische Störungen
hingegen verstärkt.
Auf der Schaufeloberfläche abgelagertes Wasser wird als Film oder Strähne durch
die Luftströmung bzw. beim Rotor zusätzlich durch die Zentrifugalkraft zur Hinterkante
bzw. Schaufelspitze getrieben, wo es in größere Tropfen zerstäubt wird. Die Desintegration wird üblicherweise in zwei Abschnitte unterteilt. Zunächst bildet sich bei dem
Abfluss von der Hinterkante ein durchgängiger Film, aus dem aufgrund von kleinen Störungen einzelne Ligamente entstehen. Diese zerfallen in einem ersten Schritt zu relativ
großen Primärtropfen. Aufgrund der hohen Relativgeschwindigkeit zerfallen diese – wie
im folgenden Kapitel dargestellt – weiter zu kleineren Sekundärtropfen. Grundlegende
Betrachtungen können dem Handbook of Atomization and Sprays [ASH2011] und dem
Werk von Lefebvre [LEF1989] entnommen werden.
Allgemein kann bei der primären Zerstäubung unterschieden werden, ob eine umliegende Strömung vorherrscht und ob die Zerstäubung eines Strahls oder eines Filmes
vorliegt. Im vorliegenden Fall kann davon ausgegangen werden, dass der Film auf der
Druckseite deutlich dicker im Vergleich zu den Strähnen der Saugseite ist und somit die
Desintegration dominiert.
Ein Ansatz die Desintegration des Wasserfilms an der Hinterkante der Schaufel
zu modellieren, folgt der Annahme, dass Kelvin-Helmholtz-Instabilitäten zugrunde
5
Modellierung der Zweiphasenströmung
229
liegen [LEF1989]. Die Instabilität des abfließenden Films wird dabei unter einer Stabilitätsbetrachtung betrachtet. Nach Lefebvre [LEF1989] ergibt sich für die dominierende
Wellenlänge der Störung die Wellenzahl
kD
Unter der Vereinfachung, dass L
geschrieben werden:
2
L G
.uG uL /2
3 .L C G /
(5.88)
G kann für die dominante Wellenlänge der Störung
KH
D
3 G .uG uL /2
(5.89)
In dieser Gleichung ist zu erkennen, dass die Wellenlänge der Störung eine Funktion der
Differenz der Strömungsgeschwindigkeiten ist. Unter der Annahme, dass direkt in der
Grenzfläche Haftbedingungen herrschen, verschwindet diese. Es muss daher in realistischen Anwendungen eine Alternative gefunden werden, um den Einfluss der umliegenden
Gasströmung richtig abbilden zu können.
[MAR2009] zeigen, dass der Einfluss der Wellenbildung auf dem Film und weiterhin die Desintegration von der Grenzschichtdicke der Gasströmung abhängen, sobald
gilt Weı .L =G / > 1, wobei Weı auf der Grenzschichtdicke der umliegenden Strömung
basiert. Für einen koaxialen Zerstäuber konnten die Autoren eine gute experimentelle
Übereinstimmung unter dieser Annahme finden. Dabei wurde die dominante Wellenzahl
von k 1;5p L =G =ıW gefunden.
Sowohl [GEP2013] als [ECK2013] konnten diese Beziehung für Airblast-Zerstäuber
experimentell bestätigen. Für die Abschätzung der Grenzschichtdicke verwenden
[GEP2010] Korrelationen nach Blasius [WHI1991] für laminare Grenzschichten und
in folgenden Arbeiten bei einer Zuströmung höherer Turbulenz eine Abschätzung der
turbulenten Grenzschicht über ıXedge D 0;16lchar=Re1=7 . Des Weiteren kann nach den Exp
perimenten von [VIL1998] die Frequenz der Wellen mit f .uc =ı/p G =L uG G =L
abgeschätzt werden kann. Mit der Grenzschichtdicke ergibt sich somit für eine Abschätzung der Frequenz:
fHK;des 0;331
G
uG
.Re/1=2
lchar
L
(5.90)
Unter der Annahme, dass jede an jeder Hinterkante ankommende Welle zu der Formierung
von Tropfen führt, könnte mit der Formel Gl. 5.90 die Frequenz der Tropfendesintegration
abgeschätzt werden.
Nimmt man an, dass der Film in einem durchgängigen, zylindrischen Ligament von der
2
=4 D .VP =b/=f ,
Hinterkante strömt, so ergibt sich aus der Massenbilanz für dieses Dlig
P
wobei Dlig der Ligamentdurchmesser, V der Volumenstrom des Films und b die Breite des
230
F. Joos und N. Neupert
betrachteten Films repräsentiert. Da die Kräfte orthogonal zur Strömung in erster Näherung als klein angenommen werden können, ist der Zerfall des Ligaments von kapillaren
Kräften dominiert und es tritt ein Rayleigh-Zerfall ein.
Nach [RAY1878] kann die dominierende Wellenlänge über lig D 4508Dlig angenommen werden. Unter der Annahme, dass nur ein einzelner Tropfen aus dem Ligament
entsteht kann der Durchmesser dieses Primärtropfens berechnet werden
s
VP =b Lc G 1=2 1=4
Re
:
(5.91)
DHK;prim 3;769
u
L
Da die so entstehenden Tropfendurchmesser bei den vorliegenden Randbedingungen im
Bereich von mehreren hundert Mikrometern liegen und die Relativgeschwindigkeiten sehr
hoch sind, zerfallen diese Primärtropfen sehr schnell weiter zu kleineren Tropfen. Somit
ist eine theoretische Beschreibung der Hinterkantendesintegration gegeben. Im Vergleich
der analytischen Herleitung und den experimentellen Untersuchungen bietet es sich jedoch häufig an, Korrelationen zu benutzen, da nicht alle Einflüsse in analytische Modelle
integriert werden können und die jeweiligen Annahmen nicht zwangsläufig auf den Anwendungsfall zutreffen.
[GEP2010] zeigen zum Beispiel, dass ein linearer Zusammenhang zwischen der
gemessenen und der vorhergesagten Frequenz nach Formel Gl. 5.90 besteht, jedoch
eine Konstante von C D 1;45 angenommen werden muss. Um die wichtigsten Einflüsse hervorzuheben, soll hier beispielhaft eine Korrelation gezeigt werden. Aufgrund
der geometrischen Ähnlichkeit des experimentellen Aufbaus, werden die Korrelationen
von [GEP2013] herangezogen.
Die Frequenz der Tropfenentstehung wird zu der Strouhal-Zahl der Form Srf;breakup D
fbreakup h=uG überführt. Für diese wurde von [GEP2013] die folgende Formel entwickelt:
Srf;breakup D 3;7 10
3
G uG ıXedge
G
10;13
0
B
@q
0;51
L
L ıXedge
C
A
.VP =b/
uG ıXedge
G u2G ıXedge
!0;72
!0;14 L 0;55
G
0;14
D 3;7 103 Re0;51
We0;72
Oh0;13
VPL;norm
"0;55
::
ı
ı
ı
(5.92)
Anhand der Darstellungsform in entdimensionierten Größen lassen sich die Einflüsse
auf die Strouhal-Zahl leicht erkennen. Im Hinblick auf den Absolutwert des Exponenten
dominieren die Reynolds- und Weber-Zahl – hier gebildet mit der turbulenten Grenzschichtdicke an der Hinterkante ıXedge – sowie das Dichteverhältnis der Fluide. Von untergeordnetem Einfluss ist der Volumenstrom des Wassers. Es lässt sich also ableiten,
dass eine größere Überströmungsgeschwindigkeit zu einer höheren Frequenz der Hinterkantendesintegration führt. Eine Erhöhung des Wasservolumenstroms erhöht ebenso
5
Modellierung der Zweiphasenströmung
231
die Ablösefrequenz jedoch in einem deutlich geringeren Maße. Aus Gründen der Übersichtlichkeit wird im Folgenden auf eine ausführliche Schreibweise verzichtet und die
Korrelationen werden lediglich in ihrer entdimensionierten Form dargestellt.
Für das Tropfenspektrum im Nahfeld der Kante ist die folgende Korrelation gegeben:
D32
D 4;96 Re0;17
We0;17
We0;013
ı
ı
ı
ıXedge
tedge
ıXedge
!0;46
:
(5.93)
Ebenso wie in Gl. 5.92 lässt sich hier der Einfluss der Überströmungsgeschwindigkeit in
Form der Reynolds- und Weber-Zahl feststellen. Eine höhere Geschwindigkeit sorgt hierbei für einen kleineren D32 des entstehenden Sprays. Ebenso besitzt die Reynolds-Zahl
indirekt einen Einfluss auf die Grenzschichtdicke an der Hinterkante ıXedge und somit
sorgt die höhere Reynolds-Zahl ebenso für eine kleinere Grenzschichtdicke und somit für
einen stärkeren Einfluss der aerodynamischen Kräfte auf das Ligament. Weiterhin beachtenswert ist, dass der Volumenstrom des Wassers nicht in der Gleichung vorkommt, jedoch
die entdimensionierte Hinterkantendicke tedge =ıXedge . Dies wird auf die Beobachtung zurückgeführt, dass sich an der Hinterkante ein Reservoir aus Wasser bildet, das ab einer
gewissen Größe von der Strömung weggetragen wird. Daher ist die Größe des Reservoirs
lediglich abhängig von der Größe des von der umliegenden Gasstömung abgeschatteten
Gebietes, was im Wesentlichen durch die Dicke der Hinterkante und die Dicke der Grenzschicht bestimmt wird. Eine Erhöhung des Filmvolumenstromes sorgt im Gegensatz dazu
nicht für eine Vergrößerung dieses Totwassergebietes, sondern für eine schnellere „Befüllung“, was wiederum in der Erhöhung der Frequenz in Gl. 5.92 zu sehen ist.
Für die Geschwindigkeit der entstehenden Tropfen wird die folgende Korrelation angegeben
!0;8
tedge
1;83
1;18
0;52
Weı " :
(5.94)
uD;3 D 49;49 uG Reı
ıXedge
Dabei steht die Geschwindigkeit uD;3 für die volumen-gemittelte Geschwindigkeit nach
der Formel:
PN
ui Di3
:
(5.95)
uD;3 D PiD1
N
3
iD1 Di
Die gegenläufige Tendenz der Reynolds- und Weber-Zahl zeigt, dass eine kleinere Grenzschichtdicke und eine höhere Gasgeschwindigkeit für eine höhere Tropfengeschwindigkeit sorgen. Ebenso führt ein höheres Dichteverhältnis und eine kleinere Hinterkantendicke zu einer größeren Geschwindigkeit der Tropfen.
Diese Ergebnisse zeigen, dass allgemeine Trends mit Hilfe der Theorie abgeschätzt
werden können, für genauere Vorhersagen jedoch spezifische Korrelationen erarbeitet
werden müssen. Für eine umfassende Übersicht über experimentelle Korrelationen sei
auf die Arbeit von [DUC2008] verwiesen.
232
5.6.2
F. Joos und N. Neupert
Sekundärzerfall
Die im Primärzerfall entstandenen großen Tropfen besitzen zunächst noch eine sehr niedrige Geschwindigkeit, so dass sie hohen Scherkräften ausgesetzt sind. Es tritt der Sekundärzerfall auf, für den aerodynamische Ursachen sowie starke Wechselwirkung der
Flüssigkeitsligamente untereinander verantwortlich sind. Die Grenzen zwischen Primärund Sekundärzerfall sind jedoch nicht scharf definierbar, da sich die Auflösung des Ligaments über eine gewisse Strecke ausdehnen kann.
Frühe Untersuchungen zum Einfluss der Viskosität, der Fluiddichte, der Oberflächenspannung sowie des Düsendurchmessers auf den Zerfall eines Flüssigkeitsstrahles einer
Lochdüse in ruhender Umgebung wurden von [OHN1936] publiziert. Ohnesorge korrelierte die für die Zerstäubung relevanten Größen anhand eines dimensionslosen Parameters, der Z-Zahl, die auch als Ohnesorge-Zahl Oh bezeichnet wird. Die verschiedenen
Zerfallsformen können in Abhängigkeit der Weber- und der Ohnesorge-Zahl dargestellt
werden
Weber-Zahl:
Reynolds-Zahl:
Ohnesorge-Zahl:
We D
2
d
l crel
Trägheit
;
D
Oberflächenspannung
l
l crel d
Trägheit
;
D
Scherwirkung
l
p
We
l
Oh D
:
Dp
Re
l l d
Re D
(5.96)
(5.97)
(5.98)
Die Ohnesorge-Zahl Oh beschreibt das Verhältnis zwischen stabilisierenden Zähigkeitsund destabilisierenden Trägheitskräften unter Berücksichtigung der Oberflächenspannung
einer Düse des Austrittsdurchmessers d . Die von der Oh- bzw. von der We-Zahl abhängigen Zerfallsarten wurden von zahlreichen Autoren untersucht.
Die primären Tropfen zerfallen unter dem Einfluss aerodynamischer Kräfte so lange weiter, bis eine kleinste stabile Tropfengröße erreicht ist. Allerdings kann es durch
Koaleszenz, bedingt durch Tropfenkollisionen, wiederum lokal zu einer Zunahme der
Tropfengröße kommen. Der Mechanismus ist stark abhängig von der Form und Größe
der Tropfen sowie von der Entfernung der Zerstäubungsposition, der Umgebungsgasbewegung und der jeweiligen Position im Spray. Bei hoher Relativgeschwindigkeit zwischen
den verschiedenen Phasen tritt verstärkt ein Zerfall der instabilen Tröpfchen auf, wenn der
auf den Tropfen wirkende dynamische Druck mindestens so groß wie der Tropfeninnendruck ist, was zur Bedingung Gl. 5.99
cdrag führt.
g cd2
4 l
D
2
d
(5.99)
5
Modellierung der Zweiphasenströmung
233
Abb. 5.14 Sekundärzerfallsmechanismen nach [PIL1987]
Liegt der Widerstandsbeiwert cdrag der verformten Tropfen zwischen dem einer Kugel
und dem einer Platte, so lässt sich abschätzen, dass der Tropfen ab einer Weber-Zahl We
von ca. 8=cdrag zerfällt
8
:
(5.100)
Weg D
cdrag
Beim Sekundärzerfall kommt es zu unterschiedlichsten Erscheinungsformen. So beschreibt [NIC1972] in Abhängigkeit von der auf die Gasphase bezogenen Weber-Zahl
zwei Aufbruchsbereiche. Ab Weg > 6 beginnen sich die Tropfen taschenförmig zu verformen, so dass sie in kleinere Tröpfchen zerfallen. Dieser Vorgang wird als Bag-Breakup
bezeichnet. Die Erhöhung des Einspritzdruckes führt auf den Ablösungszerfall, der nach
Nicholls ab einer Weber-Zahl von
Weg >
1 p
Rel
2
(5.101)
erreicht wird. [PIL1987] detaillierten die beschriebenen Bereiche des Sekundärzerfalls
entsprechend der (Abb. 5.14). [REI1987] weist, wie bereits erwähnt, darauf hin, dass
die in der Literatur angegebenen Werte der Ohnesorge- und Weber-Zahlen aufgrund der
verschiedenen, nicht sauber trennbaren Zerstäubungsmechanismen der Zerfallsbereiche
differieren.
[HSI1995] haben umfangreiche Messungen für ein breites Spektrum von Weber-,
Ohnesorge- und Reynolds-Zahlen durchgeführt (0;004 < We < 700, 0;0005 < Oh < 600,
0;03 < Re < 16:000). Sie untersuchen den Zerfallsvorgang von Tropfen unterschiedlicher
Materialien in verschiedenen Trägerfluiden (1;15 < D =f < 12:000). Dabei untersuchten sie sowohl den plötzlichen Zerfall innerhalb eines Stoßwellenrohres, als auch den
aus der kontinuierlichen Steigerung der aerodynamischen Belastung auftretenden Zerfall
innerhalb von Falltürmen. Das Ergebnis dieser Untersuchung kann Abb. 5.15 entnommen
234
F. Joos und N. Neupert
Abb. 5.15 Zerfallsbereiche und Tropfendeformation in Abhängigkeit der Ohnesorge-Zahl
[HSI1995]
werden. Der maximale Durchmesser der Sekundärzerstäubung wird oft als
Dd D
We l
v cd2
(5.102)
mit der Relativgeschwindigkeit zwischen Tropfen und Dampf cd angegeben. Die kritische Weber-Zahl beträgt unter Dampfturbinenbedingungen in etwa We D 22 [GAR1963].
5.7
Anwendungsbeispiele
Homogene spontane Kondensation nach dem Euler-Euler-Verfahren in supersonischen
Düsen wurde von [PAT2013] numerisch modelliert. Hierbei wurden der Einfluss sowohl
eines modifizierten k-"-Turbulenzmodells als auch das Realgasverhalten untersucht. Das
Standard k-"-Modell überschätzte das Maximum der Kondensation, während das modifizierte Turbulenzmodell besser mit den Messergebnissen korrelierte. Auch war der Feuchtegehalt unter Verwendung des k-"-Modells leicht höher. Beim modifizierten k-"-Modell
ergaben sich größere Tropfendurchmesser. Die Kondensationswelle weitete sich durch die
hohe Turbulenz auf. Mit Hilfe der Realgasgleichung konnte die spontane Kondensation in
der Düse gut wiedergegeben werden. Es zeigte sich, dass die genaue Erfassung der realen Gasdaten einen deutlich größeren Einfluss als die modifizierte Turbulenzmodellierung
hatte.
5
Modellierung der Zweiphasenströmung
235
1.00E-01
1.00E-02
1.00E-03
1.00E-04
1.00E-05
1.00E-06
1.00E-07
–10 0
10 20 30 40 50 60 70 80 90 100 110
Abb. 5.16 Radiale Tropfenverteilung am zweiten Rotor einer Niederdruckturbine [SAS2013]
Homogene und heterogene Kondensation unter Nicht-Gleichgewichtsbedingungen verschiedener turbinennaher Anwendungen, wie die Nachrechnung von Düsen, Kaskaden
und einer Niederdruckturbinenstufe, berechnen [ZHU2013] zur Validierung der Kondensationsmodelle. Die spontane Kondensation wird im Vergleich mit den Messergebnissen
gut erfasst sowie einige Nicht-Gleichgewichtsphänomene, wie beispielsweise der Druckverlauf, gut beschrieben.
[SAS2013] berechnen das Folgeverhalten der Tropfen einer dreistufigen VersuchsNiederdruckturbine und vergleichen die Resultate mit Messungen. Modelliert wurden
die spontane Kondensation, die Filmbewegung auf der Wand anhand der Annahme von
kleinen Tröpfchen mit dem Durchmesser der Filmhöhe sowie ein Zerfallsmodel an der
Hinterkante. Die Verteilung der Tropfendurchmesser des zweiten Rotors ist in Abb. 5.16
dargestellt. Die mit einem Durchmesser von 5 m ankommenden Tropfen bilden einen
Film der Dicke um die 80 m mit Streuung von 10 bis 1000 m. Die an der Hinterkante zerstäubten Tropfen haben einen Durchmesser von um die 100 m. Beim Durchgang
durch den Rotor erhöht sich somit der Tropfendurchmesser des auf der Beschaufelung
aufgefangenen Anteils der Tropfen von 5 auf 100 m, einer Tropfengröße die durchaus
auf der folgenden Schaufelreihe zu starker Erosion führt.
[MOR2013] führten eine numerische Studie der Nicht-Gleichgewichtsmodellierung
von Nassdampf durch. Hierbei betrachteten sie den Einfluss des kritischen Tropfendurchmessers, der Wärmeübertragungs- sowie der Tropfenbildungsrate von Nassdampf unter
niedrigen Drücken. Die Modellierung wurde an unterschiedlichen publizierten Versuchsergebnissen validiert. Die Autoren zeigen auf, dass die beschreibenden Parameter der
plötzlichen Kondensation bisher noch nicht eindeutig identifiziert sind und dass zudem
die publizierte Datenlage noch ungenügend ist, um endgültige Aussagen zu gewinnen.
236
F. Joos und N. Neupert
Durch die Anpassung der Wärmeübertragung und des Tropfenbildungsmodells konnte
die Übereinstimmung mit den vorliegenden Messergebnissen deutlich verbessert werden.
[FEN2012] berechneten die Filmbildung einer transsonischen Turbinenstufe (VEGA2, rSpitze D 0;245 m, rNabe =rSpitze D 0;775, n D 13:500 l/min) mit 23 Statordüsen
und 46 Rotorblättern, die von [CHA2004] vermessen wurde. Sie legten den Durchflusscode nach [SIM2007] zugrunde, dem die Modelle zur Tropfenablagerung und
Filmbildung [FEN2012] implementiert wurden, wie sie in Abschn. 5.4 dargestellt sind.
Die als reibungsfrei angenommene Dampfströmung wurde als ideales Gas mit den Stoffwerten bei einer relativen Feuchte von 10 % ( D 1;12, RH2 O D 413 J/kgK) betrachtet.
Der Totaldruck am Eintritt beträgt 0,02 MPa, als Temperatur wurde die entsprechende
Sättigungstemperatur gewählt. Der statische Druck am Austritt betrug 5000 Pa. Während
der Einfluss der Dampfströmung auf den Film modelliert wurde, blieb die Rückwirkung
des Filmes auf die Dampfströmung unberücksichtigt.
Bei einer Tropfengröße von 0,5 m und einer Flüssigkeitsbeladung von X D 10 %
ergibt sich an der Vorderkante des Stators aufgrund des Radius der Vorderkante eine sehr
niedrige St-Zahl und somit eine sehr niedrige Ablagerungsrate. An der Vorderkante des
Rotors hingegen beträgt die Ablagerungsrate an der Vorderkante aufgrund der Trägheit
das Doppelte im Vergleich zur Ablagerung aufgrund der turbulenten Diffusion. Insgesamt
werden etwa 1,1 % der Tropfenmasse aufgrund der Trägheit gegen ca. 0,4 % aufgrund
der turbulenten Diffusion abgelagert. Die dimensionslose Relaxationszeit beträgt im Stator etwa die Hälfte der Zeit im Rotor (Abb. 5.17). Der Film auf der Statoroberfläche wird
Abb. 5.17 Dimensionslose Relaxationszeit (a) und Ablagerungsrate aufgrund von Turbulenzdiffusion (b) einer einstufigen Niederdruckstufe mit Tropfendurchmessern 0,5 m und einer Flüssigkeitsbeladung von 10 %Masse [FEN2012]
5
Modellierung der Zweiphasenströmung
237
Abb. 5.18 Filmdicke (a) und axiale Filmgeschwindigkeit des Stators sowie radiale Geschwindigkeit des Rotors (b) mit Stromlinien einer einstufigen Niederdruckstufe mit Tropfendurchmessern
0,5 m und einer Beladung von 10 %Masse [FEN2012]
ausschließlich durch die aerodynamischen Scherspannungen angetrieben. Die Stromlinien
verlaufen dementsprechend auch in Richtung der Hauptströmung (Abb. 5.18). Im Rotor
hingegen werden die Zentrifugalkräfte dominant, so dass sich eine nahezu radiale Filmströmung mit einem Winkel von ca. 85ı bis 89ı gegen die Hauptströmung einstellt. Die
starken Zentrifugalkräfte wirken sich auch auf die Filmdicke aus, die an der Spitze des
Rotors deutlich geringer wird.
Auch die Tropfengröße wirkt sich über die Ablagerungsrate stark auf die entstehende
Filmdicke aus (Abb. 5.19). Erkennbar ist wiederum der Einfluss der Zentrifugalkraft auf
die deutlich geringere Filmdicke am Rotor.
Die Verdoppelung des Tropfendurchmessers erhöht die Ablagerungsgrate in etwa um
eine Größenordnung, da der abgelagerte Massenanteil mit der dritten Potenz des Durchmessers ansteigt (Abb. 5.20). Hiermit wird die Bedeutung der Tropfengrößenverteilung
auf die Ablagerungsrate deutlich, insbesondere unter Beachtung, dass die Tropfengröße
üblicherweise in einem Bereich von 0,1 bis 1 m angenommen wird.
Von [YOU1988a] wurde die Tropfenverteilung am Austritt einer Niederdruckturbine
vermessen. Selbst wenn 50 % der Tropfen einen Durchmesser kleiner als 0,2 m besitzen,
repräsentieren sie lediglich 2 % der Masse (Abb. 5.21), wie durch einen Vergleich der
Verteilung der Massen und der Anzahl der Tropfen sofort ersichtlich wird. Die 5 % der
Tropfen mit einem Durchmesser größer als 0,62 m repräsentieren 50 % der Masse.
238
F. Joos und N. Neupert
Abb. 5.19 Einfluss der
Tropfendurchmesser auf die
Filmdicke der Druckseite im
mittleren Profilquerschnitt
nach [FEN2012]
Zur Beschreibung des Spektrums durch eine monodisperse Tropfenklasse werden unterschiedliche repräsentative, äquivalente Tropfendurchmesser angegeben. Sie basieren im
Allgemeinen auf der Beziehung
R dmax
dab D
0
R dmax
0
n .d / d a dd
n .d / d b dd
1
! ab
:
(5.103)
Abb. 5.20 Einfluss der Tropfendurchmesser auf die Ablagerungsrate aufgrund der turbulenten Diffusion im mittleren Profilquerschnitt der Druckseite des Stators (a) und Rotors (b) nach [FEN2012]
5
Modellierung der Zweiphasenströmung
Abb. 5.21 Gemessene Tropfenverteilung am Austritt
einer Niederdruckturbine
nach [YOU1988a]
Abb. 5.22 Einfluss des
benutzten relevanten Tropfendurchmessers auf die
Filmdicke im mittleren
Profilschnitt der Druckseite [FEN2012]
Abb. 5.23 Einfluss des
benutzten relevanten Tropfendurchmessers auf die
Filmdicke im mittleren Profilschnitt [FEN2012]
239
240
F. Joos und N. Neupert
a
b
c
d
Abb. 5.24 Ausmischen in der Übergangsebene vom Austritt des Leitrades (b, d) zum Eintritt in das
Laufrad (a, c); Logarithmus der Anzahldichte der Tropfen (a), Unterkühlungstemperatur (ı C) (b),
sowie Feuchtegehalt unter Nichtgleichgewicht (c) und Gleichgewicht (d) [MOR2012a, MOR2012b]
Da für die Verdampfung das Verhältnis des Volumens zur Oberfläche ausschlaggebend ist,
wird in der Regel der sogenannte Sauter-Durchmesser, SMD, angegeben der als d32 definiert ist. [FEN2012] schlagen hingegen den d43 vor, da er Filmdicken in Abhängigkeit der
Ablagerungsrate liefert, die deutlich näher an den Ergebnissen der gesamten Verteilung
liegen (Abb. 5.22).
Auch das Druckniveau hat einen Einfluss auf die sich einstellende Filmdicke. Das
Druckverhältnis der Expansion über die Turbinenstufe wurde für die Rechnungen jeweils
konstant zu vier angenommen (Abb. 5.23). Der höhere Druck bewirkt eine Erhöhung der
Literatur
241
dimensionslosen Relaxationszeit und somit eine erhöhte Ablagerungsrate. Da jedoch auch
die aerodynamischen Scherkräfte zunehmen, sinkt die Filmdicke trotz höherer Ablagerungsrate.
Die Strömung durch eine dreistufige Niederdruckturbine unter trockenen und unter
nassen Bedingungen berechneten [MIY2012] sowohl unter Berücksichtigung des thermodynamischen Gleichgewichts als auch des Nicht-Gleichgewichts. Die Rechnungen des
ONERA M6 Profils wurden mit einem neuem Rechengitterverfahren dreidimensional
instationär durchgeführt und mit Messergebnissen verglichen. Hierbei kamen das Kondensationsmodell von [ISH1995] sowie die Tropfenbildungsrate nach [FRE1946] und
die Tropfenwachstumskorrelation nach [GYA1963] zum Einsatz. Die Rechnungen zeigten, dass sich im Zentrum des Strömungskanals eine höhere Feuchtigkeit einstellt als in
Wandnähe. Unter homogenen Bedingungen ergab sich nach der ersten Stufe eine deutlich höhere Tropfenbildungsrate unter Nichtgleichgewichtsbedingungen im Vergleich zum
Gleichgewicht.
Die Berechnung einer oder mehrerer Stufen unter quasi-stationären Bedingungen erfordert eine Mittelung beim Übergang vom stehenden zum rotierenden bzw. vom rotierenden zum stehenden Gitter. Hierbei besteht die Schwierigkeit, sowohl die Masse als
auch die Energiebilanz zu erfüllen. [MOR2012a] erweiterten ein Modell zur Erhaltung der
Flüsse [HOL2008] auf eine Euler-Euler-Beschreibung mit einem NichtgleichgewichtsDampfmodell und validierten es an zwei- und dreidimensionalen Gitterberechnungen.
(Abb. 5.24) verdeutlicht die Ausmischung einiger Variablen beim Übergang vom Leitzum Laufrad einer Niederdruckturbine mit Nassdampfströmung.
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6
Rechnergestützte Verfahren
zur aero-thermodynamischen Auslegung
und Entwicklung
Reinhard Willinger und Thomas Polklas
In einer Dampfturbine erfolgt die Umwandlung von potentieller Energie in mechanische
Energie auf indirektem Weg über die kinetische Energie des Arbeitsmittels. Daraus folgt,
dass für die rechnerische Beschreibung der Energieumsetzung Strömungsvorgänge von
entscheidender Bedeutung sind. Gerade im Bereich der Strömungen haben in den letzten Jahren rechnergestützte Verfahren eine stürmische Entwicklung erfahren. Numerische
Verfahren zur Berechnung von dreidimensionalen Strömungen (CFD D Computational
Fluid Dynamics) werden heute im Auslegungs- und Entwicklungsprozess von Dampfturbinen zunehmend eingesetzt. Trotzdem bilden einfachere null-, ein- und zweidimensionale rechnergestützte Berechnungsverfahren nach wie vor das Rückgrat bei der Auslegung
von Dampfturbinen. Einen Überblick über die aero-thermodynamische Auslegung von
Dampfturbinen aus Herstellersicht und die Rolle moderner numerischer Verfahren geben [COF1996, GRE1999, JIA2007, XU2007]. In diesem Kapitel werden die Methoden
und ihre Grundlagen kurz beschrieben und es werden Beispiele für deren Anwendung im
Bereich der Auslegung und Entwicklung von Dampfturbinen gegeben.
Hauptanforderungen an moderne Dampfturbinen sind neben einer effizienten Energieumwandlung ein einfacher Aufbau, geringe Teilezahl, hohe Zuverlässigkeit und gute
Wartbarkeit. Daraus folgt, dass neben der Strömungstechnik zahlreiche weitere Aspekte
von Bedeutung sind, die ebenfalls mittels rechnergestützter Verfahren behandelt werden. Zu nennen sind Fragen der Wärmeübertragung, der Beanspruchung und Festigkeit
sowie der Schwingungen von Schaufeln und Rotoren. Wegen der Beschränkung auf aeroR. Willinger ()
Technische Universität Wien
Wien, Österreich
E-Mail: reinhard.willinger@tuwien.ac.at
T. Polklas
MAN Energy Solutions
Oberhausen, Deutschland
E-Mail: thomas.polklas@man.eu
© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2018
S. aus der Wiesche, F. Joos (Hrsg.), Handbuch Dampfturbinen,
https://doi.org/10.1007/978-3-658-20630-7_6
249
250
R. Willinger und T. Polklas
thermodynamische Aspekte werden diese Fragestellungen in diesem Kapitel nicht weiter
behandelt.
Bevor auf die eigentlichen eindimensionalen, zweidimensionalen und dreidimensionalen Strömungsberechnungsverfahren eingegangen wird, soll als Basis die thermodynamische Berechnung von Dampfturbinen mittels numerischer Verfahren beschrieben werden.
Diese thermodynamischen Berechnungen werden auch als nulldimensionale Verfahren
bezeichnet, da bei ihnen die Länge als Dimension nicht vorkommt.
6.1
Thermodynamische Berechnung
Aus thermodynamischer Sicht stellt die Turbine jenen Teil des Dampfkreisprozesses
dar, in dem die Umwandlung von potentieller Energie in mechanische Energie erfolgt. Die
thermodynamische Berechnung der Dampfturbine basiert auf den Erhaltungsgleichungen von Masse und Energie. Im Rahmen einer stationären Simulation werden zeitliche
Änderungen nicht berücksichtigt. Abb. 6.1 zeigt beispielhaft das Wärmeschaltbild einer Industriedampfturbine, die als Entnahme-Kondensationsturbine ausgeführt ist. Der
Hochdruckteil umfasst die Regelstufe sowie den anschließenden Reaktionsteil, der wiederum aus zwei Stufengruppen besteht. Ein Drosselventil nach der Entnahme reguliert
Abb. 6.1 Wärmeschaltbild und Ergebnis der thermodynamischen Berechnung einer EntnahmeKondensationsdampfturbine
6
Rechnergestützte Verfahren zur aero-thermodynamischen Auslegung und Entwicklung 251
den Massenstrom durch den anschließenden Niederdruckteil, der aus einer Stufengruppe
besteht. Zusätzlich erkennt man in Abb. 6.1 die Labyrinthdichtung des Achsschubausgleichskolbens sowie die Labyrinthdichtungen der Wellendurchtritte durch das Gehäuse
mit den entsprechenden Sperrdampfleitungen. Die Energieumsetzung in der Dampfturbine erfolgt in den beschaufelten Komponenten. In Strömungsrichtung gesehen sind das die
Regelstufe, der HD-Turbinenteil sowie der ND-Turbinenteil. Zur Beschreibung der Energieumsetzung in den, als adiabat angenommenen, Stufen bzw. Stufengruppen wird der 1.
Hauptsatz für stationäre Fließprozesse herangezogen. Demnach ist die innere Leistung P
einer Turbine das Produkt aus Massenstrom m
P und spezifischer Totalenthalpiedifferenz
H zwischen Eintritt (Index E) und Austritt (Index A):
cE2
cA2
cE2 cA2
Dm
P h C
:
hA P D mH
P
Dm
P hE C
2
2
2
(6.1)
In Gl. 6.1 ist h die statische spezifische Enthalpiedifferenz und c die Strömungsgeschwindigkeit. Zur Beschreibung der Güte der Energieumsetzung in den beschaufelten
Komponenten werden Wirkungsgrade verwendet, entweder der polytrope Wirkungsgrad
p D
2
cE2 cA
2
2
cE2 cA
2
h C
yC
D
H
;
Y
(6.2)
oder häufiger, weil anschaulicher, der isentrope Wirkungsgrad
s D
2
cE2 cA
2
c 2 c 2
hs C E 2 A
h C
D
H
;
Hs
(6.3)
mit der isentropen spezifischen Totalenthalpiedifferenz Hs . Entsprechend den Gl. 6.2
und 6.3 handelt es sich bei den Wirkungsgraden um Total-zu-Total-Wirkungsgrade und
ZA
yD
vdp
(6.4)
E
stellt die reversibel geleistete spezifische Gasarbeit dar. Im Falle von einstufigen Turbinen
bzw. Turbinenendstufen kommen auch Total-zu-Statisch-Wirkungsgrade zur Anwendung,
die die kinetische Energie der Abströmung als „Austrittsverlust“ berücksichtigen. Für eine Turbine mit unendlich vielen Stufen ist das Verhältnis von isentropen zu polytropen
Wirkungsgrad
p 1
pA
1
pE
1
s
D
> 1:
(6.5)
1
p
p
pA
1 pE
252
R. Willinger und T. Polklas
Tab. 6.1 Isentrope Wirkungsgrade von Dampfturbinenstufen bzw. -stufengruppen
Isentroper Wirkungsgrad s [–]
0;75
0;65
0;90
0;85
0;85
Beschaufelungstyp
Regelstufe (Gleichdruckstufe)
Regelstufe (zweikränzige Curtisstufe)
Stufengruppe mit Reaktionsbeschaufelung
Stufengruppe mit Aktionsbeschaufelung
Endstufe einer Kondensationsturbine
Der isentrope Wirkungsgrad einer vielstufigen Turbine ist größer als der polytrope Wirkungsgrad. Dieser Effekt wird als Wärmerückgewinn bezeichnet. Im Rahmen der thermodynamischen Berechnung einer Dampfturbine müssen die Wirkungsgrade der beschaufelten Komponenten vorgegeben werden. Dazu enthält Tab. 6.1 grobe Richtwerte für die
isentropen Wirkungsgrade typischer Beschaufelungsteile von Dampfturbinen. Der Wirkungsgrad der einzelnen Beschaufelungsabschnitte hängt jedoch stark vom jeweiligen
Betriebspunkt und der angestrebten Auslegung ab. Je nach Anwendungsfokus kann bei
der Auslegung einer Dampfturbine der Beschaufelungswirkungsgrad das wichtigste Auslegungskriterium sein. Dann sind die in Tab. 6.1 genannten Wirkungsgrade tendenziell
eher höher. Ist hingegen die Robustheit der Turbine (z. B. Dampfturbine als Antriebsmaschine für ein Hochofengebläse) wesentlich wichtiger als der Wirkungsgrad, können die
in Tab. 6.1 angegebenen Wirkungsgrade durchaus auch geringer sein.
Bei vom Auslegungspunkt abweichenden Lastzuständen verändern sich die Ein- und/
oder Austrittsdrücke der Stufengruppen gegenüber den Werten des Auslegungszustandes.
Diese Druckänderungen bewirken eine Änderung des Massenstromes durch die Stufengruppen. Diese kann in einfachster Form mit Hilfe des Dampfkegelgesetzes von Stodola
für vielstufige Teilturbinen beschrieben werden [TRA1982]:
m
P
D
m
P0
s
pE
pE0
2
pA
pA0
2
:
(6.6)
Der Index 0 in Gl. 6.6, die auch als Druckmengengleichung bezeichnet wird, kennzeichnet
den Auslegungszustand des Turbinenteils bzw. der Stufengruppe. Durch die Aufteilung
einer Dampfturbine in Stufengruppen bzw. Beschaufelungsteile können auch Anzapfungen (ungeregelte Entnahmen) berücksichtigt werden. Geregelte Entnahmen lassen sich
durch entsprechende Regelorgane abbilden. Neben dem beschaufelten Hauptströmungspfad strömt der Dampf in der Turbine auch durch Dichtungen, die üblicherweise als
berührungsfreie Labyrinthdichtungen ausgeführt sind. Der Spaltmassenstrom m
P Sp durch
eine Labyrinthdichtung mit der (mittleren) Ringspaltfläche ASp und z Dichtspitzen lässt
sich am einfachsten mit dem Durchflussgesetz von Stodola entsprechend
s
m
P Sp
ASp
D p
z
pE2 pA2
pE vE
(6.7)
6
Rechnergestützte Verfahren zur aero-thermodynamischen Auslegung und Entwicklung 253
beschreiben [TRA1977]. In Gl. 6.7 berücksichtigt die Kontraktionszahl eine Verringerung der Ringspaltfläche durch eine Einschnürung der Strömung aufgrund der Ablösung an den scharfen Kanten der Dichtspitzen ( 0;8). Neben den berührungsfreien Labyrinthdichtungen kommen in Dampfturbinen zunehmend auch Bürstendichtungen
zum Einsatz. Zur Berechnung des Massenstroms durch Bürstendichtungen wurden semiempirische Gleichungen entwickelt. Diese gehen davon aus, dass die axiale Strömung
durch den Ringspalt der Bürstendichtung in Analogie zur Strömung in einem porösen
Medium betrachtet wird ([HEN1996] und [HEN1996a]). Mit Hilfe der Gl. 6.7 sowie einer
analogen Gleichung für Bürstendichtungen lassen sich auch Hintereinanderschaltungen
von Labyrinth- und Bürstendichtungen, wie sie z. B. bei Achsschubausgleichskolben angewendet werden, abbilden.
In einer Dampfturbine sind an verschiedenen Stellen der Dampfleitungen Drosseln zu
finden. Diese können zu Regelungszwecken dienen, um z. B. vor einem Beschaufelungsteil einen bestimmten Druck, und damit einen bestimmten Massenstrom, einzustellen.
Darüber hinaus finden sich Drosseln in den Sperrdampfleitungen der Labyrinthdichtungen, um eine definierte Durchströmung der Labyrinthe zu gewährleisten. Aus thermodynamischer Sicht findet in einer Drossel eine isenthalpe Zustandsänderung statt, die durch
eine konstante spezifische Totalenthalpie
hE C
cE2
c2
D hA C A
2
2
(6.8)
gekennzeichnet ist. In den Dampfleitungen treten Druckverluste auf, die entsprechend der
Beziehung aus der inkompressiblen Rohrhydraulik
p D
!
X
c2
l
C
i dh
2
i
(6.9)
modelliert werden. In Gl. 6.9 ist die Rohrreibungszahl eines Rohres mit dem hydraulischen Durchmesser dh und der Länge l. Die Rohreibungszahl ist von der Reynoldszahl
und der relativen äquivalenten Sandrauigkeit abhängig. Die Druckverluste von Einbauten (Krümmer, Ein- und Austrittsgehäuse, Dampfsieb . . . ) werden durch die jeweiligen
Widerstandszahlen i beschrieben. Gegebenenfalls werden für die Dichte und die Strömungsgeschwindigkeit c entsprechende Mittelwerte zwischen Eintritt und Austritt verwendet. An den Misch- bzw. Verzweigungspunkten der Dampfleitungen ist auf Grund der
Erhaltung der Masse die Summe der zufließenden gleich der Summe der abfließenden
Massenströme, die Totalenthalpie ist konstant.
Die Verknüpfung der oben beschriebenen Gleichungen, die die einzelnen Komponenten beschreiben, ergibt das thermodynamische Abbild des Gesamtsystems Dampfturbine. Die Variablen und Konstanten, die in den Gleichungen auftreten, sind thermische
und kalorische Zustandsgrößen (Druck, Temperatur, Enthalpie) sowie der Massenstrom.
254
R. Willinger und T. Polklas
Tab. 6.2 Programme zur thermodynamischen Simulation von Dampfturbinen
Programm
EBSILON Professional
GateCycle
IPSEpro
STEAM-PRO
STEAM-MASTER
Hersteller
STEAG Energy Services
GE Power & Water
SimTech GmbH
Thermoflow Inc.
Thermoflow Inc.
Internet-Adresse (Stand 2016)
www.steag-systemtechnologies.com
www.gatecycle.com
www.simtechnology.com
www.thermoflow.com
www.thermoflow.com
Die Variablen und Konstanten der Zustandsgrößen beziehen sich dabei immer auf den
Dampfstrom am Eintritt oder Austritt einer Komponente. Die Zustandsgröße am Austritt
einer Komponente ist gleich der Zustandsgröße am Eintritt in die nächste Komponente.
Ein Teil der Konstanten wird durch die Vorgabe von Randbedingungen eingestellt. Zur
Beschreibung der Stoffdaten des Arbeitsmittels werden die Wasserdampftafeln, üblicherweise in Form der IAPWS Industrial Formulation 1997, verwendet [WAG2000]. Schließlich entsteht ein, üblicherweise nichtlineares, Gleichungssystem, zu dessen Lösung zwei
unterschiedliche Herangehensweisen gewählt werden können: (1) Direkte Methode, (2)
Sequentielle Methode. Als Ergebnis der thermodynamischen Berechnung erhält man die
Massenströme in den einzelnen Stufengruppen und Leitungsabschnitten sowie spezifische
Enthalpie, Druck und Temperatur in den Verknüpfungspunkten. An den Wellen zwischen
den Stufengruppen sind die einzelnen übertragenen mechanischen Leistungen ersichtlich
und schließlich auch die an das Getriebe bzw. an den Generator übertragenen mechanischen Leistungen sowie die elektrische Leistung des Generators (siehe Abb. 6.1).
Nähere Einzelheiten zur thermodynamischen Berechnung von Kreisläufen finden sich
in [EPP2012] oder [GIG2001]. Liese [LIE2014] berichtet in einer aktuellen Arbeit über
die Anwendung der thermodynamischen Prozesssimulation zur Berechnung einer Dampfturbine mit teilbeaufschlagter Regelstufe.
Tab. 6.2 enthält eine Aufstellung einiger kommerzieller Programme zur thermodynamischen Simulation. Die Programme unterscheiden sich in ihrem Anwendungsgebiet und
Funktionsumgang. In den meisten Fällen sind die Programme zur Simulation von umfangreichen thermischen Energieanlagen geeignet und enthalten dementsprechend umfangreiche Komponentenbibliotheken (Brennkammer, Feuerung, Speisewasserbehälter, Entgaser,
Wasserabscheider, Filter, Dampftrommel, Wärmeübertrager, Dampfturbine, Gasturbine,
Gebläse, Pumpe . . . ) und Stoffdatenbanken (Luft, Wasser, organische Flüssigkeiten, CO2 ,
Verbrennungsgas, Brennstoffe . . . ). Die thermodynamische Simulation der Dampfturbine
stellt daher für diese Programme üblicherweise nur einen Sonderfall dar. In den meisten Fällen weisen die Programme auch Schnittstellen auf, die eine benutzerdefinierte
Programmierung weiterer Komponenten ermöglichen. Neben den kommerziell verfügbaren Programmen verwenden die Dampfturbinenhersteller in den meisten Fällen auch
eigenentwickelte Programme. Ein Beispiel dafür ist das Programm KRAWAL der Firma
Siemens. Die thermodynamische Berechnung der Entnahme-Kondensationsturbine nach
Abb. 6.1 wurden mit dem Programmsystem IPSEpro durchgeführt.
6
Rechnergestützte Verfahren zur aero-thermodynamischen Auslegung und Entwicklung 255
In der stationären Anwendung zeichnen sich die Programme zur thermodynamischen
Kreislaufsimulation durch vergleichsweise kurze Rechenzeiten, die im Bereich von wenigen Sekunden liegen, aus. Daher wird das Werkzeug der thermodynamischen Simulation
von Dampfturbinen nicht nur von Herstellern, sondern auch von Betreibern und Servicefirmen zu folgenden Zwecken eingesetzt:
Basis für Angebots- bzw. Auslegungsrechnungen
Beurteilung von Umbauten oder Änderungen an bestehenden Maschinen
Auswertung und Nachrechnung von Abnahmemessungen
Unterstützung des Betriebsmonitorings
Trendrechnungen zur Bewertung von Änderungen des Turbinenwirkungsgrades und/
oder der Schluckfähigkeit (Versalzung, Oberflächenrauigkeit durch Erosion, erhöhte
Radialspiele)
Ermittlung von Daten zur vorbeugenden Wartung
6.2 Strömungsberechnungen
6.2.1 Grundlagen der numerischen Strömungsberechnung
Die Strömungsvorgänge in den Komponenten von Dampfturbinen sind üblicherweise turbulent, kompressibel und instationär. Eine turbulente Strömung ist dadurch gekennzeichnet, dass die Strömungsgrößen (Geschwindigkeit, Druck, Temperatur) an einem festen Ort
zeitlich regellosen (stochastischen) Schwankungen unterworfen sind. Diese Schwankungen erfolgen um einen zeitlich konstanten oder zeitlich ebenfalls variierenden Mittelwert.
Man spricht entsprechend von statistisch stationären bzw. statistisch instationären Strömungen. Die Beurteilung, ob eine Strömung turbulent ist, erfolgt durch die Bildung der
Reynoldszahl
cl
(6.10)
Re D :
Dabei sind c bzw. l eine charakteristische Geschwindigkeit bzw. charakteristische Länge
und die kinematische Viskosität. Übersteigt die Reynoldszahl einen kritischen Wert, so
ist die Strömung turbulent, andernfalls laminar. Bei Innenströmungen ist Rekrit 2300,
wobei als charakteristische Länge der Durchmesser, bzw. bei nicht-kreisförmigem Querschnitt der hydraulische Durchmesser, verwendet wird. Auskunft über den Einfluss der
Kompressibilität gibt die Machzahl
Ma D
c
;
a
(6.11)
als Verhältnis der Strömungsgeschwindigkeit c zur lokalen Schallgeschwindigkeit a. Bei
Ma 0;2 sind die Kompressibilitätseffekte vernachlässigbar und die Strömung kann als
inkompressibel betrachtet werden, d. h., die Dichte ist konstant.
256
R. Willinger und T. Polklas
Das orts- und zeitabhängige Verhalten einer turbulenten Strömung wird durch die entsprechenden Bilanzgleichungen für Masse, Impuls und Energie vollständig beschrieben.
Die numerische Lösung dieser Gleichungen erfordert eine räumliche Diskretisierung der
durchströmten Geometrie in Form eines Rechengitters oder Rechennetzes. Da es sich
bei der turbulenten Strömung um den Transport und Zerfall von Wirbeln handelt, sind
zur räumlichen Auflösung der kleinsten Wirbel sehr feine Rechengitter mit entsprechend
großen Zellenzahlen erforderlich. Darüber hinaus ist auch eine zeitliche Diskretisierung
der Grundgleichungen erforderlich. Die notwendigen Zeitschritte, um das Strömungsverhalten zeitlich ausreichend genau aufzulösen, sind entsprechend klein. Insgesamt erfordert
diese Herangehensweise, die als Direkte Numerische Simulation (DNS D Direct Numerical Simulation) bezeichnet wird, einen computertechnischen und zeitlichen Aufwand, der
auch in absehbarer Zeit für die industrielle Anwendung nicht darstellbar ist.
Da man aus ingenieursmäßiger Sicht ohnehin nicht an einer derart detaillierten räumlichen und zeitlichen Auflösung des Strömungsgeschehens interessiert ist, beschreitet
man hier einen anderen Weg. Der Momentanwert einer beliebigen Strömungsgröße
.x; y; z; t/ (z. B. Geschwindigkeit c, Druck p, Temperatur T) wird in einen Mittelwert
.x; y; z/ und eine Schwankungsgröße 0 .x; y; z; t/ entsprechend
.x; y; z; t/ D .x; y; z/ C 0 .x; y; z; t/
(6.12)
aufgespalten. Unter Annahme einer statistisch stationären Strömung ist der zeitliche Mittelwert
tZ
Ct
1
.x; y; z/ D
.x; y; z; t/dt
(6.13)
t
t
unabhängig von der Zeit t. Die Vorgehensweise entsprechend den Gl. 6.12 und 6.13 wird
als Reynoldsmittelung bezeichnet. Für die zeitlichen Mittelwerte lautet die Massenbilanz
für stationäre, inkompressible Strömung
@cy
@cx
@cz
C
C
D 0:
@x
@y
@z
(6.14)
Dabei sind cx , cy und cz die Geschwindigkeitskomponenten in die entsprechenden Raumrichtungen x, y und z. Der Einfachheit halber wird in weiterer Folge der Querstrich bei den
zeitlichen Mittelwerten weggelassen. Die Impulsbilanz besteht aus je einer Gleichung für
die drei Raumrichtungen. Diese lauten für die x-Richtung
cx
@cx
@cx
@cx
1 @p
C cy
C cz
D
C
@x
@y
@z
@x
1 @
C
@y
1 @
@cx
(6.15)
.cx0 cx0 /
@x
@x
1 @
@cx
@cx
.cx0 cy0 / C
.cx0 cz0 / ;
@y
@z
@z
6
Rechnergestützte Verfahren zur aero-thermodynamischen Auslegung und Entwicklung 257
für die y-Richtung
@cy
@cy
@cy
@cy
1 @p
1 @
0
0
cx
(6.16)
C cy
C cz
D
C
.cy cx /
@x
@y
@z
@y
@x
@x
@cy
@cy
1 @
1 @
0
0
0
0
.cy cy / C
.cy cz / ;
C
@y
@y
@z
@z
und für die z-Richtung
cx
@cz
@cz
@cz
1 @p
1 @
@cz
(6.17)
C cy
C cz
D
C
.cz0 cx0 /
@x
@y
@z
@z
@x
@x
1 @
@cz
@cz
1 @
0
0
0
0
.cz cy / C
.cz cz / :
C
@y
@y
@z
@z
In der Impulsbilanz ist die Dichte und die dynamische Viskosität.
Durch die zeitliche Mittelung sind in der Impulsbilanz neue Größen entstanden. Durch
die Anordnung dieser Größen auf den rechten Seiten der Gl. 6.15 bis 6.17 erkennt man,
dass diese als zusätzliche Spannungen der Form
ij;turb D .ci0 cj0 /
(6.18)
interpretiert werden können. Die Aufgabe der Turbulenzmodellierung ist es, Gleichungen zur Berechnung dieser zusätzlichen Spannungen, die auch als Reynoldsspannungen
bezeichnet werden, anzugeben. Tab. 6.3 gibt einen Überblick über die wichtigsten Turbulenzmodelle. Dabei nehmen die sog. Wirbelviskositätsmodelle eine besonders wichtige
Stellung ein.
In Anlehnung an den Zusammenhang zwischen Spannungen und Geschwindigkeitsgradienten für ein Newtonsches Fluid stellt der Wirbelviskositätsansatz von Boussinesq einen
Zusammenhang zwischen Reynoldsspannungen und Geschwindigkeitsgradienten her. Als
Proportionalitätsfaktor tritt nicht mehr die stoffspezifische dynamische Viskosität, sondern die turbulenz- und damit ortsabhängige Wirbelviskosität t auf. Daraus folgt für die
Reynoldsnormalspannungen
.cx0 cx0 / D xx;turb D 2
t
@cx 2
k;
@x
3
.cy0 cy0 / D yy;turb D 2
t
@cy 2
k;
@y
3
.cz0 cz0 / D zz;turb D 2
t
@cz 2
k;
@z
3
(6.19)
258
R. Willinger und T. Polklas
Tab. 6.3 Übersicht über Verfahren der Turbulenzmodellierung und die wichtigsten Wirbelviskositätsmodelle
Reynoldsgemittelte Navier-Stokes Gleichungen (RANS, URANS)
Wirbelviskositätsmodelle (Boussinesq)
Nullgleichungsmodelle (algebraische Turbulenzmodelle)
Prandtl’sches Mischungsweglängenmodell (1925)
Cebecci-Smith-Modell (1967)
Baldwin-Lomax-Modell (1978)
Eingleichungsmodelle
Spalart-Allmaras-Modell (1992)
Zweigleichungsmodelle
k="-Modell (Launder und Spalding, 1974)
k=!-Modell (Wilcox, 1988)
k=!-SST-Modell (Menter, 1994)
Reynoldsspannungsmodelle (RSM)
Large Eddy Simulation (LES)
Direkte Numerische Simulation (DNS)
bzw. für die Reynoldsschubspannungen
@cy
@cx
C
;
t
@y
@x
@cx
@cz
D t
C
;
@z
@x
@cy
@cz
D t
:
C
@z
@y
.cx0 cy0 / D xy;turb D
.cx0 cz0 / D xz;turb
.cy0 cz0 / D yz;turb
(6.20)
Die Aufgabe der Turbulenzmodellierung besteht nun in der Bestimmung der ortsabhängigen Wirbelviskosität t . Je nach Anzahl der zusätzlichen Transportgleichungen (Differentialgleichungen) unterscheidet man Null-, Ein- und Zweigleichungsmodelle. Die Nullgleichungsmodelle, die auch als algebraische Turbulenzmodelle bezeichnet werden, kommen
teilweise noch in älteren Berechnungsprogrammen zum Einsatz, und zwar vor allem das
Baldwin-Lomax-Modell. Im Rahmen der ingenieursmäßigen Anwendung werden heute
hauptsächlich Zweigleichungsmodelle verwendet. Darüber hinaus kommt bei bestimmten
instationären Berechnungen zunehmend auch die Large Eddy Simulation (LES) zum Einsatz. Die in der Strömungsmechanik angesiedelten Gebiete der Turbulenzforschung und
Turbulenzmodellierung sind nach wie vor in Entwicklung begriffen. Einen Überblick über
Turbulenzmodellierung aus ingenieursmäßiger Sicht gibt z. B. [WIL2006a].
Da es sich bei den Strömungen in den Komponenten von Dampfturbinen um sog.
Innenströmungen („Internal Flow“) handelt, besteht in großen Bereichen eine Wechselwirkung zwischen dem Strömungsfeld und den festen Wänden (Schaufeln, Gehäuse, Rotor).
Daher kommt der Berechnung der wandnahen Strömung eine besondere Bedeutung zu.
6
Rechnergestützte Verfahren zur aero-thermodynamischen Auslegung und Entwicklung 259
Einerseits treten in Wandnähe hohe Geschwindigkeitsgradienten auf, die eine feine Vernetzung erfordern, andererseits ist die Strömung in unmittelbarer Wandnähe aufgrund der
kleinen Geschwindigkeiten (Reynoldszahlen) nicht mehr turbulent, sondern weist auch
ein laminares Verhalten auf (viskose Unterschicht). Für die Wandbehandlung haben sich
zwei unterschiedliche Vorgehensweisen durchgesetzt. Entweder wird die Geschwindigkeitsverteilung in Wandnähe durch sog. Wandfunktionen beschrieben oder es werden in
den Transportgleichungen der Turbulenzmodelle Dämpfungsfunktionen eingeführt und
das Geschwindigkeitsfeld bis zur Wand voll aufgelöst. Die Methode der Wandfunktionen
bietet den Vorteil der groben Vernetzung in Wandnähe, nachteilig wirkt sich die ungenügende Beschreibung von abgelösten Strömungen aus.
Nach Angaben von [JIA2007] liegen typische Profilreynoldszahlen in Hochdruckturbinenteilen bei Re 107 und in Mitteldruckturbinenteilen bei Re 106 . Wegen der vergleichsweise hohen Reynoldszahlen spielt in diesen Fällen das Phänomen der Transition
keine Rolle. Unter Transition versteht man den Übergang einer wandnahen Strömung vom
laminaren in den turbulenten Zustand. In den Niederdruckteilen können dagegen auch relativ geringe Profilreynoldszahlen (Re 104 ) auftreten. Darüber hinaus stellen Versuche
an Schaufelgittern oder Modellturbinen, bei denen Luft als Medium zum Einsatz kommt,
einen Sonderfall dar. Als Folge des vergleichsweise geringen Reynoldszahlniveaus ist in
diesen Fällen die Transition von Bedeutung. Einen guten Überblick über die Erscheinungsformen der Transition in den Komponenten von Gasturbinen gibt [MAY1991]. Zur
Berücksichtigung der Transition in numerischen Strömungsberechnungen wurden in den
letzten Jahren zahlreiche moderne Turbulenzmodelle durch Transitionsmodelle erweitert.
In Analogie zu den Reynoldsspannungen in der Impulsbilanz liefert die Reynoldsmittelung der Energiebilanz zusätzliche Ausdrücke der Form
qP i;turb D cp .ci0 T 0 /;
(6.21)
die als turbulente Wärmeströme interpretiert werden können.
Die Geometrie des zu untersuchenden Strömungsbereiches liegt üblicherweise in Form
von CAD-Daten vor. Darüber hinaus ist es aber auch möglich, einfachere Geometrien innerhalb der Strömungsberechnungsprogramme direkt aus Punkten, Linien, Flächen
und Volumina aufzubauen. Zur numerischen Berechnung des Strömungsproblems ist ein
Rechengitter (Rechennetz) erforderlich, welches das Strömungsgebiet in einzelne Kontrollvolumina unterteilt. Je nach vorhandenem Netzgenerator stehen dabei strukturierte
und unstrukturierte Rechengitter, mit ihren jeweiligen spezifischen Vor- und Nachteilen,
zur Verfügung. Bei der Erstellung des Rechengitters sind verschiedene Gesichtspunkte zu
beachten. Einerseits ist auf eine ausreichende Feinheit des Netzes in Gebieten mit großen
Gradienten zu achten, andererseits ist die Größe der Rechennetze (Anzahl der Zellen)
durch die vorhandenen Computerressourcen sowie die zulässigen, bzw. als akzeptabel eingestuften, Rechenzeiten begrenzt. Schließlich beeinflusst das gewählte Turbulenzmodell
die Feinheit des Netzes in unmittelbarer Nähe von festen Wänden. Eine besondere Herausforderung für die Netzerstellung bei thermischen Turbomaschinen stellen dabei die
260
R. Willinger und T. Polklas
gegenüber den typischen Dimensionen (Sehnenlänge, Teilung, Kanalhöhe) sehr kleinen
Spaltweiten dar.
Die Mehrzahl der Programme zur numerischen Strömungssimulation arbeitet nach der
sog. Finite-Volumen-Methode. Unter Finite-Volumen versteht man die dreidimensionalen
Kontrollvolumina, über die die Erhaltungsgleichungen von Masse, Impuls und Energie sowie die zusätzlichen Gleichungen des Turbulenzmodells integriert werden. Mit Hilfe des
Gauß’schen Integralsatzes werden die Volumenintegrale in Oberflächenintegrale übergeführt.
Anschließend sind an der Oberfläche des Rechennetzes Strömungsgrößen vorzugeben. Man spricht in diesem Zusammenhang von Randbedingungen. Den größten Teil
der Oberfläche bilden feste Wände, wo die Geschwindigkeitskomponenten verschwinden
(Haftbedingung). Weiterhin werden an den Oberflächen Temperaturen oder Wärmeströme, z. B. als adiabate Wand, vorgegeben. Die örtliche Lage der Ein- und Austritte sowie
die Wahl der entsprechenden Randbedingungen erfordert in den meisten Fällen besondere
Sorgfalt. Der Grund dafür liegt darin, dass diese Ränder oft künstliche Schnittflächen innerhalb des tatsächlichen Modells bilden und die dort auftretenden Strömungsgrößen nicht
bekannt sind. Während an einem Austritt häufig konstanter statischer Druck als Randbedingung vorgegeben wird, gibt es für den Eintritt verschiedene Möglichkeiten. Darunter
fallen die Vorgabe von Geschwindigkeiten, Totaldruck oder Massenstrom. Darüber hinaus
benötigt der Eintritt auch Randbedingungen für die Turbulenzgrößen, z. B. für die turbulente kinetische Energie k und die turbulente Dissipationsrate ".
Zur Beschreibung der Stoffdaten des Arbeitsmittels werden die Wasserdampftafeln,
üblicherweise in Form der IAPWS Industrial Formulation 1997, verwendet [WAG2000].
Diese weisen eine sehr hohe Genauigkeit auf, führen aber im Gegensatz zur vereinfachten Annahme eines idealen Gases oder der Verwendung eines Realgasfaktors zu deutlich
erhöhten Rechenzeiten. Kunick et al. [KUN2015] berichten über Maßnahmen, die zu einer deutlichen Verringerung der Rechenzeiten bei der Anwendung der Wasserdampftafeln
führen.
Im nächsten Schritt wird das Gleichungssystem iterativ gelöst, wobei durch die Nichtlinearität der Gleichungen und deren Kopplung vergleichsweise lange Rechenzeiten auftreten können.
In der abschließenden Ergebnisauswertung („Postprocessing“) werden die berechneten
lokalen Strömungsgrößen graphisch dargestellt. Darüber hinaus lassen sich aus den lokalen Strömungsgrößen auch integrale Mittelwerte bilden und ausgeben. In jedem Fall sollten die Ergebnisse einer numerischen Strömungssimulation einer kritischen Bewertung
unterzogen werden, um Fehler bei der Modellbildung bzw. Modellerstellung ausschließen
zu können. Jiyuan Tu et al. [JIY2008] geben einen guten Überblick über die Grundlagen
und praktische Anwendung der numerischen Strömungsberechnung. Anhaltspunkte für
die zielgerichtete Vorgehensweise bei einer numerischen Strömungsberechnung, auch in
Hinblick auf die Qualität und Glaubwürdigkeit der erzielten Ergebnisse, finden sich z. B.
in [CAS2000]. Auf die Defizite und Grenzen der numerischen Strömungsberechnungsverfahren im Zusammenhang mit Turbomaschinenanwendungen weist [DEN2010] hin.
6
Rechnergestützte Verfahren zur aero-thermodynamischen Auslegung und Entwicklung 261
Tab. 6.4 Programme zur numerischen Strömungsberechnung
Programm
CFX, FLUENT
STAR-CD
openFOAM
FINE/Turbo
turbostream
TRACE
TURBOdesign CFD
BOXERSolver
TRAF
Hersteller
ANSYS
CD-adapco
OpenCFD Ltd
The openFOAM Foundation
NUMECA
Turbostream Ltd
DLR
Advanced Design Technology
Cambridge Flow Solutions
Universität Florenz
Internet-Adresse (Stand 2016)
www.ansys.com
www.cd-adapco.com
www.openfoam.com
www.openfoam.org
www.numeca.com
www.turbostream-cfd.com
www.dlr.de
www.adtechnology.co.uk
www.cambridgeflowsolutions.com
arnone.de.unifi.it
Tab. 6.4 enthält eine Aufstellung einiger Programme zur numerischen Strömungssimulation. Die Programme unterscheiden sich in ihrem Anwendungsgebiet und Funktionsumgang. In den meisten Fällen sind die Programme zur Simulation von unterschiedlichen Strömungen (laminar/turbulent, inkompressibel/kompressibel, stationär/instationär,
einphasig/mehrphasig) in beliebig komplexen Geometrien geeignet und werden für verschiedenste Anwendungen eingesetzt. Man spricht daher auch von sog. „General Purpose
CFD-Programmen“. Häufig weisen diese Programme Schnittstellen auf, die eine benutzerdefinierte Programmierung zusätzlicher Modelle ermöglichen („User Defined Functions“).
Andere Programme haben sich aus dem Turbomaschinenbereich heraus entwickelt und
sind hinsichtlich Geometrie- und Netzerstellung sowie aufgrund ihrer Modelle (Postprocessing) speziell für diese Anwendungen geeignet. Neben den kommerziell erhältlichen
Programmen verfügen die Dampfturbinenhersteller in den meisten Fällen auch über eigenentwickelte Programme.
Die numerische Untersuchung von räumlichen Strömungen in komplexen Geometrien ist ein relativ aufwendiger Vorgang. Aus diesem Grund steht diese Vorgangsweise nie
am Beginn der Auslegung oder Entwicklung einer Dampfturbine. Ausgehend von den
Randbedingungen, die sich aus der thermodynamischen Berechnung ergeben, wird durch
geometrische und physikalische Vereinfachungen die räumliche Strömung in der Turbine
durch eine eindimensionale Darstellung angenähert. Falls erforderlich, erfolgt anschließend eine Verfeinerung durch eine zweidimensionale Betrachtung der Strömung. Diese
Vorgangsweise wird in den folgenden Abschnitten beschrieben.
6.2.2
1D-Mittelschnittrechnung
Bei der thermodynamischen Berechnung einer Dampfturbine wird die erforderliche Aufteilung des Expansionspfades in einzelne Beschaufelungsabschnitte festgelegt. Das sind
262
R. Willinger und T. Polklas
z. B. die Regelstufe und die nachfolgenden Stufengruppen. Die Stufengruppen können
sich einerseits durch die Vorgabe von Anzapfungen oder Entnahmen, andererseits durch
die maximal zulässige Temperaturdifferenz über einen Leitschaufelträger ergeben. Im
Rahmen der 1D-Mittelschnittrechnung erfolgen die Ermittlung der erforderlichen Stufenzahl pro Stufengruppe und die Berechnung der Hauptabmessungen (mittlere Durchmesser, Schaufellängen). Die Massenbilanz, die Euler’sche Impulsmomentengleichung
(Geschwindigkeitsdreiecke) sowie die Energiebilanz bilden die aero-thermodynamischen
Grundlagen der 1D-Mittelschnittrechnung, wie sie bereits in Kap. 4 dargestellt wurden.
Darüber hinaus verwenden die Hersteller eigens entwickelte Profilfamilien für die Beschaufelungen in HD-, MD- und ND-Teilen. Damit liegen auch die Abströmwinkel und
über entsprechende Verlustkorrelationen die Verlustbeiwerte vor. Diese bilden die Basis
für die Berechnung des inneren Wirkungsgrades einer Stufengruppe. Neben den aerothermodynamischen Gesetzmäßigkeiten sind bei der 1D-Mittelschnittrechung auch die
festigkeitsmäßigen Grenzen zu beachten. Zu diesem Zweck werden die in den Schaufeln
auftretenden Spannungen durch die Kräfte der umlaufenden Massen und die Biegemomente durch die Dampfumlenkung mittels einfacher Gesetzmäßigkeiten der Festigkeitslehre berechnet.
In jedem Fall ist die 1D-Mittelschnittrechnung ein wichtiger Schritt im Auslegungsprozess einer Dampfturbine, da bereits hier ihre wesentlichen Parameter festgelegt
werden. Um bei gegebenen Randbedingungen einen Kompromiss zwischen hohem
Wirkungsgrad und geringen Investitionskosten zu finden, besteht die Möglichkeit, die
1D-Mittelschnittrechnung in Optimierungsverfahren einzubinden (siehe beispielsweise [STE2002] oder [DRA2012]).
6.2.3 2D-Meridianschnittrechnungen
Die 1D-Mittelschnittrechnung betrachtet die Strömung in den Ringräumen zwischen den
Schaufelreihen jeweils auf einem repräsentativen, mittleren Radius. Diese Vereinfachung
ist dann zulässig, wenn die Schaufellängen im Verhältnis zum mittleren Radius klein
sind. Es handelt sich also um verhältnismäßig kurze Schaufeln, wie sie in Hoch- und
Mitteldruckdampfturbinen vorliegen. Besonders in Niederdruckdampfturbinen sind die
Schaufeln im Verhältnis zum mittleren Radius jedoch relativ lang. In diesem Fall nimmt
die Umfangsgeschwindigkeit von der Nabe zum Gehäuse stark zu und es ist nicht mehr
zulässig, die Geschwindigkeitsdreiecke mit der Umfangsgeschwindigkeit am mittleren
Radius zu bilden. In diesen Fällen ist man an einer Berechnung der radialen Verteilung der Strömungsgrößen interessiert. Die Grundidee für diese Vorgangsweise stammt
von Wu [WU1952]. Er hat gezeigt, dass die dreidimensionale, kompressible, reibungsfreie Strömung in einer Turbomaschine auf die Strömung in zwei Familien miteinander
gekoppelter Flächen zurückgeführt werden kann: S1-Stromflächen und S2-Stromflächen
(Abb. 6.2). S1-Stromflächen beginnen vor der Schaufelreihe als rotationssymmetrische
Flächen und werden während es Durchgangs durch das Schaufelgitter verwunden (Sekun-
6
Rechnergestützte Verfahren zur aero-thermodynamischen Auslegung und Entwicklung 263
Abb. 6.2 S1/S2Stromflächenkonzept von Wu
(aus [WU1952])
därströmungen). Durch die Verdrängungswirkung der Schaufeln mit endlicher Dicke bilden sich über der Teilung unterschiedliche S2-Stromflächen aus. Die gemeinsame Lösung
der dreidimensionalen Strömung auf S1- und S2-Flächen durch iterative Nachführung ist
sehr aufwendig, da von Iteration zu Iteration die Geometrie der S1- und S2-Stromflächen
neu berechnet werden muss. Praktische Bedeutung hat daher eine vereinfachte Vorgangsweise erlangt, bei der die S1-Stromflächen als durchgehend rotationssymmetrisch angenommen werden. Weiterhin wird nur eine einzige repräsentative S2-Stromfläche (S2;m in
Abb. 6.2) betrachtet. Die Projektionen der Schnittkurven zwischen den S1-Stromflächen
und der S2;m -Stromfläche auf die Meridianebene werden als Meridianstromlinien bezeichnet. Sie charakterisieren die radiale Verteilung der Massenstromdichte zwischen Nabe und
Gehäuse. Vereinfacht gesprochen ist die Aufgabe eines Meridianschnittverfahrens die Ermittlung der radialen Verteilung der Meridianstromlinien. Dazu muss die Geometrie des
Meridianschnittes, d. h., die Naben- und Gehäusekontur sowie die Lage der Schaufeleinund Austrittskanten bereits bekannt sein. Diese Information wurde typischerweise in einer
vorangegangenen 1D-Mittelschnittrechnung festgelegt.
Das einfachste Verfahren zur Ermittlung der radialen Verteilung der Meridianstromlinien ist die Methode des Radialen Gleichgewichts. Ausgangspunkt für die Methode des
Radialen Gleichgewichts ist eine Axialstufe, die von einer zylindrischen Naben- und einer
zylindrischen Gehäusewand begrenzt wird. Dabei wird angenommen, dass sämtliche S1Flächen ebenfalls zylindrisch sind, sodass sich ein achsparalleles Meridianstromlinienbild
ergibt und die Strömung keine Radialkomponenten aufweist, cr D 0.
Weiterhin wird die Betrachtung auf die Axialspalte zwischen den Schaufelreihen beschränkt; dort verschwinden die Schaufelkräfte. Schließlich wird angenommen, dass die
Nachlaufstörungen der Schaufeln abgeklungen sind, sodass Rotationssymmetrie vorliegt.
264
R. Willinger und T. Polklas
Für diesen Fall reduziert sich die Bewegungsgleichung in radialer Richtung auf das
Gleichgewicht zwischen der Massenkraft infolge der Umfangskomponente cu und der
resultierenden Kraft infolge der Druckverteilung, was auf
cu2
1 dp
D
r
dr
(6.22)
führt. Der 1. Hauptsatz der Thermodynamik
1
dh D T ds C dp
(6.23)
liefert zusammen mit der Totalenthalpie
ht D h C
c2
c 2 C cz2
D hC u
2
2
(6.24)
die Bewegungsgleichung der Methode des Radialen Gleichgewichts:
1 dcz2
dht
ds
1 d.r 2 cu2 /
D
T
2
:
2 dr
dr
dr 2r
dr
(6.25)
Diese stellt eine nichtlineare Differentialgleichung erster Ordnung für die Verteilung des
Quadrats der axialen Geschwindigkeitskomponente cz .r/2 dar. Die Nichtlinearität rührt
daher, dass die rechte Seite vom Radius r abhängig ist. Während eines Iterationsschrittes
wird die rechte Seite daher als konstant angenommen und es entsteht eine lineare Differentialgleichung erster Ordnung. Die Integrationskonstante dieser Differentialgleichung
ergibt sich aus der Forderung, dass die Massenbilanz
ZrG
2 .1 B/
cz rdr D m
P
(6.26)
AB
Ages
(6.27)
rN
erfüllt werden muss. In Gl. 6.26 ist
BD
der Anteil des Ringquerschnitts AB , der durch die Verdrängungsdicke der Seitenwandgrenzschichten an Nabe und Gehäuse versperrt wird, bezogen auf den Gesamtquerschnitt
Ages . Die Größe B wird daher auch als Versperrung oder Blockage bezeichnet. Die axiale
Verteilung der Versperrung wird entweder auf Grund von Erfahrungswerten vorgegeben
oder mittels semi-empirischer Modelle berechnet.
Eine wesentliche Einschränkung der Methode des Radialen Gleichgewichtes ist die
Voraussetzung von achsparallelen Stromlinien, cr D 0. Diese Voraussetzung ist in den
letzten Stufen von Niederdruckdampfturbinen nicht erfüllt, da dort die starke Volumen-
6
Rechnergestützte Verfahren zur aero-thermodynamischen Auslegung und Entwicklung 265
r
Krümmungsmittelpunkt
c
Gehäuse
Radialrichtung
Stromfaden
q - Richtung
PC = Krümmungsradius = rC
m - Richtung
α
P
A
Axialrichtung
Welle
Abb. 6.3 Koordinatensystem des Stromlinienkrümmungsverfahrens nach [DEN1978]
zunahme des Dampfes zu einem divergenten Meridiankanal und entsprechend großen
radialen Geschwindigkeitskomponenten führt. Um diese Bedingungen berücksichtigen
zu können, wurde als Erweiterung der Methode des Radialen Gleichgewichts das sog.
Stromlinienkrümmungsverfahren entwickelt. Dabei wird weiterhin die Strömung in den
Axialspalten zwischen den Schaufelreihen betrachtet. In der englischsprachigen Literatur
spricht man auch vom „Ductflow-Verfahren“. Abb. 6.3 zeigt das Koordinatensystem des
Stromlinienkrümmungsverfahrens. Betrachtet wird die Strömung entlang einer Meridianstromlinie. In der Meridianebene sind weiterhin die Projektionen des Tangentialvektors
m und dessen Normalvektor n dargestellt. Da die Vektoren m und n von der Lage der
Meridianstromlinie abhängen, die erst während der Berechnung iterativ bestimmt wird,
verwendet man zum Aufstellen der Bewegungsgleichung eine Richtung, die etwa normal auf die erwartete Meridianstromlinie steht und während der Berechnung unverändert
bleibt. Diese Richtung wird als Quasi-Orthogonale q bezeichnet. Während q gegenüber
m um den Winkel ˛ geneigt ist, beträgt der Winkel zwischen m und der Axialrichtung .
Eine weitere wichtige Größe ist der Krümmungsradius rc der Meridianstromlinie.
Unter den getroffenen Voraussetzungen kann die Bewegungsgleichung des Stromlinienkrümmungsverfahrens
@cm
1 @cm2
@ht
@s
1 @.r 2 cu2 /
c2
D
T
2
C m sin ˛ C cm
cos ˛
2 @q
@q
@q 2r
@q
rc
@m
aufgestellt werden [DEN1978].
(6.28)
266
R. Willinger und T. Polklas
Die rechte Seite von Gl. 6.28 unterscheidet sich von Gl. 6.25 durch zusätzliche Terme, die aufgrund der erweiterten Modellbildung des Stromlinienkrümmungsverfahrens
gegenüber dem Radialen Gleichgewicht entstehen. Besonders zu erwähnen ist der Beschleunigungsterm auf der rechten Seite, der den Krümmungsradius rc der Meridianstromlinie enthält. Er ist verantwortlich für die Bezeichnung des Verfahrens: Stromlinienkrümmungsverfahren.
Das Rechengitter des Stromlinienkrümmungsverfahrens wird in der Meridianebene aus
den Quasi-Orthogonalen und den Meridianstromlinien gebildet. Bei der Anwendung als
„Ductflow-Verfahren“ liegen die Quasi-Orthogonalen an den Ein- und Austrittskanten
der Schaufelreihen. Zusätzlich werden üblicherweise Quasi-Orthogonale in den schaufellosen Axialspalten zwischen Eintritt und erster Leitschaufelreihe sowie letzter Laufschaufelreihe und Austritt, z. B. als Axial/Radial-Diffusor, angeordnet. Da vor der ersten
Iteration die Lage der Meridianstromlinien unbekannt ist, muss diese geschätzt werden.
Im Laufe der weiteren Iterationen ändert sich die Lage der Meridianstromlinien und damit auch das Rechengitter bzw. die Lage der Knotenpunkte entlang der Quasiorthogonalen.
Gl. 6.28 stellt eine nichtlineare Differentialgleichung erster Ordnung für die Verteilung des Quadrats der Meridiangeschwindigkeitskomponente cm .q/2 dar. Die Nichtlinearität rührt daher, dass die rechte Seite von der Lage entlang der Quasiorthogonalen
q abhängig ist. Während eines Iterationsschrittes wird die rechte Seite daher als konstant angenommen. Bezüglich dieser rechten Seite unterscheidet das Stromlinienkrümmungsverfahren zwei Fälle: Beim Auslegungsverfahren (Design Case) wird die Verteilung
der Umfangsarbeit entlang der Quasi-Orthogonalen vorgegeben und es werden die dafür erforderlichen Zu- und Abströmwinkel der Schaufelgitter berechnet. Beim Nachrechnungsverfahren (Analysis Case) werden die Abströmwinkel der Schaufelgitter vorgegeben
und es werden die Zuströmwinkel sowie die Umfangsarbeiten berechnet. Das Nachrechnungsverfahren bietet den Vorteil, dass auch Teillastbetriebspunkte der Turbine berechnet werden können. Dazu müssen dem Verfahren die Gittercharakteristiken, d. h., die
Umlenkungs- und Verlusteigenschaften der einzelnen Schaufelreihen mitgeteilt werden.
Nach [TRA1982] sind diese bei festgehaltener Geometrie allgemein vom Zuströmwinkel, von der Machzahl, von der Reynoldszahl sowie vom Turbulenzgrad abhängig. Da
sich bei Abweichungen vom Auslegungspunkt Reynoldszahlen und Turbulenzgrade nur
unwesentlich ändern und der Einfluss des Zuströmwinkels auf den Abströmwinkel von
untergeordneter Bedeutung ist (Sinusregel, Strahlablenkung), folgt beispielhaft für den
Abströmwinkel eines Laufgitters
ˇ2 D f .Ma2 /:
(6.29)
Dagegen beeinflusst auch der Zuströmwinkel die Verluste in einem Turbinengitter und es
folgt beispielhaft für den Verlustbeiwert eines Laufgitters
D g.ˇ1 ; Ma2 /:
(6.30)
6
Rechnergestützte Verfahren zur aero-thermodynamischen Auslegung und Entwicklung 267
Informationen in Form von Gl. 6.29 und 6.30 werden jedem Turbinengitter entlang der
Quasi-Orthogonalen am Austritt mitgeteilt. Daher können grundsätzlich auch Mehroder Minderumlenkungen und erhöhte Verluste in den Randzonen, hervorgerufen durch
Sekundär- oder Spaltströmungen berücksichtigt werden. Voraussetzung dafür ist eine
ausreichende Dichte von zu berechnenden Meridianstromlinien in den Randzonen.
Im Fall der Anwendung auf eine Turbine werden als Randbedingungen der Massenstrom sowie der Zustand am Austritt (z. B. statischer Druck und spezifische statische
Enthalpie) vorgegeben. Die Turbineneintrittsbedingungen sind ein globales Ergebnis der
Berechnung. Zusätzlich fallen lokale Strömungsgrößen (Geschwindigkeitskomponenten,
Druck, Temperatur) in den Knotenpunkten, gebildet aus den Quasiorthogonalen und den
Stromlinien, an.
Die Integrationskonstante der linearen Differentialgleichung erster Ordnung ergibt sich
aus der Forderung, dass die Massenbilanz
ZrG
cm cos.' C ˛/rdq D m
P
2 .1 B/
(6.31)
rN
erfüllt werden muss.
Der Einfluss der Seitenwände an Nabe und Gehäuse äußert sich neben einer Versperrung durch die Seitenwandgrenzschichten auch in, gegenüber der Kernströmung, erhöhten Verlusten. Wird die radiale Verteilung der Verluste im Stromlinienkrümmungsverfahren modelliert und durch eine ausreichende Anzahl von Meridianstromlinien in
Wandnähe aufgelöst, so kommt es in diesem Bereich zu einer unrealistischen Temperatursteigerung von Stufe zu Stufe. Das Stromlinienkrümmungsverfahren lässt keinen
radialen Austausch von Masse und Impuls zwischen den konzentrischen S1-Stromflächen
zu. Um dies zu ermöglichen, muss im Stromlinienkrümmungsverfahren die sog. radiale Mischung berücksichtigt werden, die in der realen Strömung auftritt. Ursache für die
radiale Mischung sind sowohl turbulente Diffusion als auch Sekundärströmungen. Entsprechende Modelle wurden von Adkins und Smith [ADK1982] bzw. Gallimore und
Cumpsty [GAL1986] und Gallimore [GAL1986a] für vielstufige Axialverdichter vorgestellt und von Lewis [LEW1994, LEW1994a] auf Axialturbinen erweitert.
Ein typisches Anwendungsgebiet der 2D-Meridianschnittrechnungen sind die Endstufen von Kondensationsturbinen. Diese zeichnen sich aus geometrischer Sicht durch
kleine Nabenverhältnisse und hohe Schaufelseitenverhältnisse („Aspect Ratios“) aus. In
der Strömung, die sowohl transsonisch als auch supersonisch sein kann, treten große radiale Geschwindigkeitskomponenten auf [DEN1978]. Da die Stufen im Nassdampfgebiet
arbeiten, ist zur Beschreibung der Fluideigenschaften eine besondere Vorgangsweise notwendig, die unter dem Begriff „angepasstes ideales Gas“ bekannt ist, siehe [HAV2016]
oder [POL2004].
Umfangreiche Informationen zu 2D-Meridianströmungsverfahren findet man bei
[HIR1981]. Neben dem physikalischen Hintergrund der einzelnen Terme der Grundgleichung des Stromlinienkrümmungsverfahrens werden auch verschiedene Abströmwinkel-
268
R. Willinger und T. Polklas
Abb. 6.4 Berechnete Meridianstromlinien in einer dreistufigen Niederdruckturbine bei Nennlast (a)
und tiefer Teillast (b) aus [PET1997]
und Verlustkorrelationen diskutiert. Von besonderem Interesse ist der als Testfall aufbereitete sechsstufige Niederdruckteil einer Kondensationsdampfturbine („Ansaldo Dampfturbine“). Von dieser Dampfturbine sind sowohl die Geometrie des Meridianschnitts als
auch die Hauptabmessungen der Beschaufelung der letzten vier Stufen, einschließlich
der Radialspaltweiten, gegeben. Die globalen Strömungsgrößen (Eintrittsmassenstrom,
Eintrittszustand, Austrittsdruck) können zur Festlegung der Randbedingungen des Stromlinienkrümmungsverfahrens herangezogen werden. Darüber hinaus liegen auch lokale
Strömungsgrößen (Totaldruck, statischer Druck, axiale Machzahl, relativer und absoluter
Strömungswinkel) an den jeweiligen Stufenaustritten, als Ergebnis der radialen Traversierung einer pneumatischen Fünflochsonde, vor.
Petrovic und Riess [PET1997] berichten über die Berechnung der Meridianströmung
im dreistufigen Niederdruckteil einer Entnahme-Kondensationsturbine. Eine besondere
Formulierung mittels der Methode der Finiten-Elemente ermöglicht neben der Berechnung des Nennlastpunktes auch die Berechnung von tiefen Teillasten, bei denen Rückströmung im Diffusor und Ventilation in der letzten Stufe auftreten (Abb. 6.4).
In einer aktuellen Arbeit vergleichen Paccianai et al. [PAC2016] die Ergebnisse eines
Meridianschnittverfahrens mit jenen einer CFD-Simulation. Dabei wird bei der Berechnung einer vierstufigen Niederdruckdampfturbine auch der Einfluss von Dämpferdrähten
auf die Strömung untersucht.
Tab. 6.5 enthält eine Aufstellung einiger kommerzieller Programme zur Berechnung
der Meridianströmung in Turbomaschinen. Die Programme unterscheiden sich in ihrem
Anwendungsgebiet (Turbine, Verdichter, axial, radial) und Funktionsumfang. In den meisTab. 6.5 Programme zur Meridianschnittrechnung von Turbinen
Programm
AxCENT
AxSTREAM
TURBOdesign
Turbo Flowpath Designer
Vista TF
Hersteller
Concepts NREC
SoftInWay
Advanced Design Technology
atech GmbH
PCA Engineers
Internet-Adresse (Stand 2016)
www.conceptsnrec.com
www.softinway.com
www.adtechnology.co.uk
www.atech.de
www.pcaeng.co.uk
6
Rechnergestützte Verfahren zur aero-thermodynamischen Auslegung und Entwicklung 269
ten Fällen weisen diese Programme Schnittstellen auf, die eine Übernahme von Daten
aus 1D-Mittelschnittrechnungen bzw. eine Übergabe von Daten in höherwertige CFDBerechnungsverfahren erlauben. Neben den kommerziell erhältlichen Programmen verfügen die Dampfturbinenhersteller in den meisten Fällen auch über eigenentwickelte Programme.
6.2.4
2D-Profilentwicklung
Die Energieumsetzung in einer axialen Dampfturbinenstufe erfolgt im Wesentlichen durch
die Umlenkung der Strömung in den Schaufelgittern der Leit- und Laufreihen. Die erforderlichen Strömungswinkel werden im Rahmen der 1D-Mittelschnittrechnung bzw. der
2D-Meridianschnittrechnung festgelegt. Die Hauptaufgabe der 2D-Profilentwicklung ist
es nun, eine Profil- bzw. Gittergeometrie festzulegen, die die geforderte Umlenkungsaufgabe erfüllt.
Bei der Direkten Auslegung werden die Profil- bzw. Gittergeometrie festgelegt. Als
Basis kann z. B. die Geometrie einer bereits ausgeführten Beschaufelung dienen oder
es werden analytische und empirische Kriterien angewendet, die eine erste „brauchbare“ Geometrie erwarten lassen. Anschließend wird das zweidimensionale Strömungsfeld
mittels RANS berechnet. Die Bewertung des Strömungsfeldes und die Gewichtung einzelner Größen (Profilverlustbeiwert, Zuströmwinkelbereich) führen zu einer Zielfunktion.
Durch schrittweise Veränderung der Geometrie und anschließender Neuberechnung des
Strömungsfeldes soll die Zielfunktion maximiert werden. Dazu ist üblicherweise eine
große Anzahl von einzelnen Berechnungen des Strömungsfeldes erforderlich, der Aufwand ist entsprechend groß. Um die Anzahl der erforderlichen Schritte zu verringern,
werden Optimierungsverfahren eingesetzt. Laut [DEN2010] sind die numerischen Strömungsberechnungsverfahren auf Basis von RANS nach wie vor nicht in der Lage, die in
Turbomaschinenbeschaufelungen auftretenden Verluste exakt zu berechnen. Im Rahmen
der 2D-Profilentwicklung ist die Berechnung von relativen Änderungen der Verluste bei
einer Veränderung der Profilgeometrie ausreichend, die Kenntnis des absoluten Wertes ist
nicht notwendig. Aus diesem Grund kommen RANS-Berechnungsverfahren in Verbindung mit automatischen Optimierungsverfahren erfolgreich zur Anwendung.
Zur Auslegung der Profile steht neben der Direkten Auslegung grundsätzlich auch die
sog. Inverse Auslegung zur Verfügung. Dabei wird eine gewünschte Profildruckverteilung
vorgegeben und anschließend die dafür erforderliche Profilform berechnet [DEM1997].
Zur Auslegung und Entwicklung von Profilen für Dampfturbinenbeschaufelungen haben
sich Inverse Verfahren bisher nicht durchsetzen können und werden daher an dieser Stelle
nicht weiter behandelt.
Gegenüber der verzögerten Strömung in Verdichterbeschaufelungen mit geringer Umlenkung weisen Turbinenbeschaufelungen eine beschleunigte Strömung auf. Historisch
gesehen haben Verdichterbeschaufelungen ihre Wurzeln in Einzeltragflügeln, die mit entsprechender Teilung und entsprechendem Staffelungswinkel ein Schaufelgitter bilden. Die
270
R. Willinger und T. Polklas
Abb. 6.5 Gittergeometrie
und Strömungswinkel für eine
Turbinenbeschaufelung
geometrische Beschreibung der Einzeltragflügel erfolgte wiederum aus einer Überlagerung einer Skelettline mit einer Dickenverteilung. Ein typisches Beispiel dafür sind die
Verdichtergitter aus NACA65-Profilen. Die Umlenkwinkel in Turbinenbeschaufelungen
sind deutlich größer und können bis zu 120ı betragen. Daher steht hier weniger das Einzelprofil, sondern die Form des Kanals zwischen Druck- und Saugseite zweier benachbarter
Profile im Vordergrund. Pfleiderer und Petermann [PFL2005] weisen darauf hin, dass die
Kanalform so zu gestalten ist, dass die Geschwindigkeit entlang eines mittleren Stromfadens zwischen Eintritt und Austritt gleichmäßig zunimmt. Diese Forderung lässt sich
durch eine entsprechende Gestaltung des Profils erfüllen. Aus diesem Grund spielt bei
Dampfturbinen die Entwicklung von entsprechenden Profilformen eine wichtige Rolle.
Dabei ist zu beachten, dass in den Beschaufelungen von Dampfturbinen große Unterschiede in den Reynolds- und Machzahlen auftreten. Havakechian und Greim [HAV1999]
geben an, dass die Profilreynoldszahlen in den Hochdruck- und Mitteldruckteilen sowie
in den ersten Stufen der Niederdruckteile von großen Kondensationsturbinen im Bereich
1;5 107 Re 5 105 liegen. Nach [JIA2007] liegen die relativen Austrittsmachzahlen
in den Hoch- und Mitteldruckteilen großer Kondensationsturbinen bei MaHD 0;5 bzw.
MaMD 0;8. Für die gemeinsame Entwicklung von Profilen für diese Stufen kann daher von voll turbulenter Strömung im tiefen bis hohen Unterschall ausgegangen werden.
Die Profile der Endstufen von Kondensationsturbinen, mit ihren kleinen Reynoldszahlen
(ReND 104 ) und hohen Machzahlen (MaND 2;0), erfordern dagegen eine gesonderte
Behandlung.
Abb. 6.5 zeigt beispielhaft ein axiales Turbinenlaufgitter mit den Geometriedaten und
den Strömungswinkeln. In einem ersten Auslegungsschritt wird mit Hilfe des Kriteriums
von Zweifel [ZWE1945] das „optimale“ Verhältnis von axialer Sehnenlänge b zu Teilung
t berechnet (Abb. 6.6). Die Grundidee für die theoretische Berechnung eines „optimalen“
Verhältnisses von axialer Sehnenlänge zu Teilung liegt darin, dass bei einer zu großen
Teilung (kleines b=t) die Strömung nicht umgelenkt wird und große Verluste durch Strömungsablösungen entstehen. Andererseits führt eine zu geringe Teilung (großes b=t) zu
einer großen benetzten Oberfläche und damit zu hohen Wandreibungsverlusten.
6
Rechnergestützte Verfahren zur aero-thermodynamischen Auslegung und Entwicklung 271
Abb. 6.6 Gittergeometrie und
Maßbezeichnungen
Das „optimale“ Verhältnis von axialer Sehnenlänge zu Teilung beträgt nach Zweifel
b
2
D
sin 2ˇ2 .cot ˇ1 cot ˇ2 /:
t opt
T
(6.32)
Die einzige empirische Größe in Gl. 6.32 ist die aerodynamische Belastungszahl T , die
auch als Zweifel-Koeffizient bezeichnet wird. Erfahrungsgemäß kann T 0;8–1,0 gesetzt werden. In weiterer Folge werden alle Längen auf die Sehnenlänge s bezogen. Diese
ergibt sich aus der axialen Sehnenlänge und dem Staffelungswinkel entsprechend
sin D
b
:
s
(6.33)
Anhaltswerte für den Staffelungswinkel in Abhängigkeit von ˇ1 und ˇ2 erhält man z. B.
aus [KAC1982]. Bei der Zusammenführung von Informationen aus verschiedenen Quellen ist dabei auf die jeweilige Definition der Winkel (Zählrichtung) bzw. auf die Unterscheidung zwischen Strömungswinkel und Metallwinkel besonders zu achten.
Der Abströmwinkel eines Turbinengitters ist abhängig vom Verhältnis Mündungsweite
a zu Teilung t, von der Abströmmachzahl Ma2 , vom Verhältnis Teilung zu Krümmungsradius des Schrägabschnittes t=e sowie von der bezogenen Hinterkantendicke
dTE =a [TRA1977]. Einen ersten Anhaltspunkt für den Zusammenhang zwischen Mündungsweite und Abströmwinkel liefert die einfache Sinusregel
sin ˇ2C a
:
t
(6.34)
Für die geometrischen Größen entsprechend Abb. 6.6 können laut [WIL1998] folgende
Richtwerte gesetzt werden:
0;25 <
t
< 0;625
e
0;05 <
rLE
< 0;1
t
0;015 <
dTE
< 0;05
s
(6.35)
272
R. Willinger und T. Polklas
Abb. 6.7 Beispiel einer kubischen Bezier-Kurve
Der Krümmungsradius des Schrägabschnittes e ist für den Grad der Verzögerung der
saugseitigen Strömung nach dem Mündungsquerschnitt verantwortlich und hängt von der
Abströmmachzahl Ma2 ab. Mit zunehmender Abströmmachzahl Ma2 wird der Schrägabschnitt flacher und e steigt entsprechend an. Die Vorderkante der Schaufel ist als Kreisbogen mit dem Radius rLE ausgeführt. Die Wahl des Vorderkantenradius hat einen Einfluss
auf die Profilverluste im Auslegungspunkt sowie auf die Breite des Betriebsbereichs des
Turbinengitters. Während ein kleiner Vorderkantenradius eher geringe Profilverluste im
Auslegungspunkt begünstigt, führt ein großer Vorderkantenradius zu einem gegenüber
Fehlanströmungen unempfindlichen Profil. Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass
im Dampfturbinenbau oft firmenintern standardisierte Profile für unterschiedliche Geschwindigkeitsdreiecke eingesetzt werden. Berücksichtigt man weiterhin Fehlanströmungen durch Teillastbetrieb, so werden Dampfturbinenprofile mit vergleichsweise großen
Vorderkantenradien ausgeführt. Die Dicke der kreisbogenförmigen Hinterkante dTE wird
hauptsächlich durch das Fertigungsverfahren bestimmt. Eine dünne Schaufelhinterkante
verringert die Verlustanteile, die zusätzlich zu den eigentlichen Reibungsverlusten durch
die Ausmischung der Profilgrenzschichten entstehen.
Für die geometrische Beschreibung von Druck- und Saugseite bieten sich sog. kubische
Bezier-Kurven an. Dabei handelt es sich um parametrisch modellierte Kurven, die ein
wichtiges Werkzeug für Vektorgraphiken darstellen. Eine kubische Bezier-Kurve, die auch
als Bezier-Kurve 3. Ordnung bezeichnet wird, ist in Abb. 6.7 dargestellt. Der Ortsvektor
dieser Kurve lautet allgemein
x.t/
E D bE0 .1 t/3 C bE1 3t.1 t/2 C bE2 3t 2 .1 t/ C bE3 t:3
(6.36)
Die Kurve beginnt bei bE0 und endet bei bE3 , der Parameter t durchläuft dem Bereich 0 t 1. Die Lage der Punkte bE1 und bE2 bestimmt einerseits die Richtungen der Anfangsund Endtangente in bE0 und bE3 , andererseits legt sie auch die „Fülligkeit“ der Kurve im
Vergleich zu den Tangenten und der Verbindung von bE1 und bE2 fest.
Abb. 6.8 zeigt die Parametrisierung der Geometrie eines Turbinengitters nach Trigg
et al. [TRI1999]. Zusätzlich zu Druck- und Saugseite wurde auch der Schrägabschnitt
6
Rechnergestützte Verfahren zur aero-thermodynamischen Auslegung und Entwicklung 273
Abb. 6.8 Parametrisierung der Geometrie eines Turbinengitters nach [TRI1999]
mittels einer kubischen Bezier-Kurve beschrieben. Daraus ergeben sich für diesen Fall insgesamt 17 Parameter zur Beschreibung der Profil- bzw. Gittergeometrie. Typisch sind etwa
15 bis 20 Parameter zur Darstellung von ebenen Schaufelgittern. Die Parametrisierung ist
eine wichtige Voraussetzung für eine automatisierte Geometrie- und Netzerstellung sowie
für eine anschließende Optimierung der Geometrie. Dazu wird aus dem berechneten Strömungsfeld eine Zielfunktion abgeleitet. Bei ebenen Turbinengittern ist das üblicherweise
der Profilverlustbeiwert. Ziel der Optimierung ist das Auffinden einer Geometrie, für welche die Zielfunktion maximal wird. Daneben sind häufig auch verschiedene strömungstechnische und mechanische (z. B. Mindestwert für Widerstandsmoment) Zwangsbedingungen zu erfüllen. Bezüglich der Optimierungsmethoden unterscheidet man zwischen
Verfahren nullter Ordnung (Random Walk, Evolutionäre Algorithmen, Genetische Algorithmen, Neuronale Netze, Metamodels, Surrogate Models) und Verfahren erster Ordnung
274
R. Willinger und T. Polklas
Tab. 6.6 Programme zur strömungstechnischen Geometrieoptimierung
Programm
optiSLang
HELYX-ADJOINT
SIMULIA Tosca Fluid
Hersteller
Dynardo
Engys Ltd
Dassault Systemes
Internet-Adresse (Stand 2016)
www.dynardo.de
engys.com
www.fe-design.de
(Gradientenverfahren, Adjungierte Verfahren). Die Ordnung des Optimierungsverfahrens
entspricht der Ordnung der benötigten Ableitungen der Zielfunktion.
Die automatischen Optimierungsverfahren sind häufig Bestandteil der kommerziellen Strömungsberechnungsprogramme. Darüber hinaus existieren auch eigenständige
Programmsysteme zur Optimierung mit entsprechenden Schnittstellen zu den gängigen
CFD-Programmen. Tab. 6.6 enthält beispielhaft einige kommerzielle Programme zur
strömungstechnischen Geometrieoptimierung.
Die Darstellung der Profilkontur aus Kreisbögen und Bezier-Kurven 3. Ordnung bietet
für eine automatische Optimierung den Vorteil, dass die einzelnen Parameter eine gute Kontrolle über die Profilform bieten. Laut [KOR1993] erfordert ein glatter Verlauf der
statischen Druckverteilung am Profil die Stetigkeit der Krümmungsableitungen der Profilkontur. Diese Stetigkeitsanforderung wird an den Übergängen zwischen den Kreisbögen
und den Bezier-Kurven nicht erfüllt. In der Profildruckverteilung entsteht durch einen
Krümmungssprung in der Kontur eine senkrechte Wendetangente. Ein Krümmungsknick
in der Kontur führt dagegen zu einer Einbeulung der Druckverteilung an dieser Stelle,
siehe [COR1963].
Abb. 6.9 zeigt als Beispiel die Profilformen und die zugehörigen Profildruckverteilungen, die im Rahmen einer Optimierung von Trigg et al. [TRI1999] entstanden sind. Die
Profildruckverteilung ist als statischer Druck p, bezogen auf den Totaldruck der Zuströmung pt entsprechend
1 2 1
p
D 1C
(6.37)
Ma
pt
2
dargestellt. Ausgangspunkt der Untersuchungen ist ein Laufschaufelprofil (Aktionsprofil)
einer Gleichdruckstufe für eine Profilreynoldszahl Re D 4 105 und eine isentrope Austrittsmachzahl Ma2s D 0;35. Das ausschließlich aus Geraden und Kreisbögen aufgebaute
Profil (Abb. 6.9, oben) entspricht dem Stand der 1960er-Jahre. Zu dieser Zeit waren numerische Strömungsberechnungsverfahren noch nicht verfügbar. Durch manuelle Verbesserung des Turbinengitters mittels CFD konnte der Profilverlustbeiwert um 16 % verringert
werden (Abb. 6.9, Mitte). Der Grund für die Verbesserung ist aus der Profildruckverteilung ersichtlich. Ursprünglich trat in der Mitte der Saugseite ein Druckminimum mit anschließender starker Verzögerung auf, wodurch es zu einer Grenzschichtablösung kommt.
Dieses Druckminimum konnte durch die Veränderung der Profilgeometrie deutlich angehoben und dadurch die saugseitige Grenzschichtablösung verhindert werden. Entsprechend Gl. 6.37 besteht zwischen der Profildruckverteilung und der Machzahlverteilung
ein direkter Zusammenhang. Bei kleinen Machzahlen kann das Verhältnis der maxima-
Rechnergestützte Verfahren zur aero-thermodynamischen Auslegung und Entwicklung 275
Verlust = 1,62%
Standard 1960 Design
Nominierter statistischer Druck
6
1,0
0,95
0,9
Nominierter statistischer Druck
0,85
0
0,5
Normierte Länge
1
0
0,5
Normierte Länge
1
0,5
Normierte Länge
1
1,0
Verlust = 1,36%
0,95
Manuell verbessertes Profil
0,9
Verlust = 1,32%
Nominierter statistischer Druck
0,85
1,0
0,95
Bimorph-optimiertes Profil
0,9
0,85
0
Abb. 6.9 Profilformen (a) und zugehörige Profildruckverteilungen (b) als Ergebnis von Optimierungsschritten nach [TRI1999]
len Geschwindigkeit an der Saugseite (Druckminimum) zur Austrittsgeschwindigkeit zur
Beurteilung herangezogen werden. Laut Traupel [TRA1977] sollte dieses Verhältnis den
Wert 1,4 nicht überschreiten. Durch die Anwendung des automatischen Optimierungsverfahrens auf Basis eines genetischen Algorithmus konnte der Profilverlustbeiwert um
weitere 5 % gesenkt werden (Abb. 6.9, unten). Das ist eine Reduktion um 19 % gegenüber
276
R. Willinger und T. Polklas
der Ausgangskonfiguration. Die Profildruckverteilung zeigt, dass diese weitere Verbesserung durch eine Vergleichmäßigung der saugseitigen Druckverteilung erreicht wird.
Gleichzeitig steigt der Druck auf der Druckseite an und nähert sich dem theoretisch möglichen Maximum (Totaldruck).
In einer neueren Arbeit berichten Belluchi et al. [BEL2012] über die Optimierung der
Profilform der Beschaufelung einer HD-Dampfturbine. Die Zielfunktion der Optimierung
auf Basis neuronaler Netze ist der Stufenwirkungsgrad (total-zu-total).
6.2.5 Radiale Auffädelung der 2D-Profile
Durch die radiale Anordnung der ebenen 2D-Profile entsteht das Hauptelement einer
Dampfturbinenschaufel, das Schaufelblatt. Im einfachsten Fall werden gleiche Profile
im jeweiligen Flächenschwerpunkt entlang einer radialen Geraden aufgefädelt. Das Ergebnis sind zylindrische Schaufeln, die bis zu einem Verhältnis von Schaufellänge zu
mittlerem Durchmesser l=dm < 0;1 eingesetzt werden. Diese Bedingung liegt in Gegendruckdampfturbinen, einschließlich der Regelstufe, sowie in den HD- und MD-Stufen von
Kondensationsdampfturbinen vor.
Im Gegensatz dazu weisen die Endstufen der ND-Teile von Kondensationsdampfturbinen vergleichsweise lange Schaufeln auf. Grund dafür ist, dass man aus Kostengründen
die Austrittsfläche
2 !
rN
2
(6.38)
D rG2 1 2
A D rG 1 rG
möglichst groß ausführen möchte, um für einen bestimmten Volumenstrom mit möglichst
wenigen Fluten auszukommen. Bei festgehaltenem Werkstoff der Laufschaufeln (Dichte)
und durch den Generator festgelegter Synchrondrehzahl ist der Gehäuseradius rG durch
die zulässige Spannung im Laufschaufelfuß infolge der Massenkräfte begrenzt. Eine große
Austrittsfläche erfordert daher ein kleines Nabenverhältnis D rN =rG , wobei rN für den
Nabenradius steht. Große Austrittsflächen werden auch deshalb angestrebt, um den Anteil der nicht mehr voll nutzbaren kinetischen Energie am Turbinenaustritt zu begrenzen.
In der Leitschaufelreihe erfolgt die Umlenkung der Strömung in die Umfangsrichtung.
Entsprechend dem radialen Gleichgewicht
1 dp
cu2
D
r
dr
(6.39)
entsteht durch die Umfangskomponente cu ein positiver radialer Druckgradient dp=dr >
0, wobei der Radius r von der Achse nach außen positiv gezählt wird. Das heißt, der
statische Druck nimmt von der Nabe zum Gehäuse hin zu. Im Falle der Endstufe mit
kleinem Nabenverhältnis (typische Werte sind
D 0;4 bis 0,5) wird die saugseitige
Grenzschicht der Leitschaufel durch den Druckgradienten quer zur Strömungsrichtung
belastet. Zusätzlich entsteht durch den geringen Reaktionsgrad an der Nabe, der ebenfalls
6
Rechnergestützte Verfahren zur aero-thermodynamischen Auslegung und Entwicklung 277
a
b
Abb. 6.10 Schaufelneigung (a) und Schaufelpfeilung (b) (aus [WEI1998])
eine Folge des radialen Druckgradienten ist, die Gefahr der saugseitigen Strömungsablösung in diesem Bereich. Die Herausforderung aus aerodynamischer Sicht ist daher die
Erzeugung eines entgegengesetzten (negativen) Druckgradienten in radialer Richtung.
Unter Berücksichtigung einer Volumenkraft fx lautet die Impulsbilanz, ausgewertet an
der Wand (Haftbedingung)
cx
@cx
@cx
1 dp
1
C cy
D0D
C fx :
@x
@y
dx
(6.40)
Aus Gl. 6.40 ist zu erkennen, dass ein negativer Druckgradient durch eine negative Volumenkraft erzeugt werden kann. Ein solcher negativer Druckgradient kann durch die
Neigung der geraden Schaufelachse in Umfangsrichtung erzielt werden, wobei zu berücksichtigen ist, dass die Kraft auf die Strömung entgegen der Kraft auf die Schaufel gerichtet
ist.
Bei dieser Maßnahme, die auch als „Straight Lean“ bezeichnet wird, erfolgt daher
eine Neigung der Druckseite zur Nabe hin (Abb. 6.10a). Die Kraft auf die Schaufel in
Umfangsrichtung, hervorgerufen durch die Druckdifferenz zwischen Druckseite (PS) und
Saugseite (SS), hat eine positive Komponente in radialer Richtung. Die Kraft auf die Strömung weist daher in negative radiale Richtung, was entsprechend Gl. 6.40 einen negativen
Druckgradienten hervorruft. Dieser wirkt dem positiven Druckgradienten entsprechend
Gl. 6.39 entgegen.
Eine andere Möglichkeit, eine radiale Schaufelkraftkomponente zu erzeugen, ist
die Neigung der Schaufelachse in der Meridianebene. Diese Vorgangsweise wird als
Schaufelpfeilung („Sweep“) bezeichnet und ist in Abb. 6.10b dargestellt. Die Auswirkung der Schaufelpfeilung auf die Strömung im mittleren Teil des Schaufelkanals
wird von [PUL2007] diskutiert. Darüber hinaus präsentieren [PUL2008] numerische
und experimentelle Ergebnisse über die Auswirkung der Schaufelpfeilung auf die Strömung im Seitenwandbereich. Zur Berechnung des Einflusses von Schaufelneigung und
Schaufelpfeilung auf die Strömung in ND-Dampfturbinenstufen werden sowohl 3D-CFDMethoden [VÖL2007] als auch Meridianschnittverfahren [VÖL2008] eingesetzt.
278
R. Willinger und T. Polklas
Abb. 6.11 Axialsymmetrische Seitenwandkonturierung
(aus [WEI1998])
Eine weitere Möglichkeit zur Erzeugung eines radialen Druckgradienten ist die axialsymmetrische Konturierung der Seitenwand im Bereich der Nabe [DEN1979]. Abb. 6.11
zeigt ein Prinzipbild einer Dampfturbinenendstufe mit axialsymmetrischer Konturierung
der Nabe im Bereich der Leitschaufel.
Numerische Ergebnisse zur Anwendung von Schaufelneigung, Schaufelpfeilung und
axialsymmetrischer Seitenwandkonturierung geben [STUE2005].
Die vergleichsweise kurzen Schaufeln in den Stufen von HD- und MD-Teilturbinen
führen dort zu gänzlich anderen aerodynamischen Herausforderungen. Abb. 6.12 (links)
zeigt eine modellhafte Vorstellung der Sekundärströmungen in einem axialen Turbinengitter. Innerhalb der Eintrittsgrenzschicht („Inlet Boundary Layer“) fällt die Geschwindigkeit
vom Wert in der freien Zuströmung auf null an der Wand (Haftbedingung) ab. In der
freien Strömung innerhalb des Schaufelkanals besteht in jedem Punkt ein Gleichgewicht
zwischen der Kraft aufgrund der Druckdifferenz zwischen Druck- und Saugseite und der
Kraft aufgrund der Beschleunigung infolge der Stromlinienkrümmung (radiales Gleichgewicht). Im Bereich der Seitenwandgrenzschicht kann dieses Gleichgewicht nur dadurch
aufrecht erhalten werden, dass sich der Bahnradius der Strömung verringert. Dort erfolgt eine Ablenkung der Strömung von der Druck- zur Saugseite („Endwall Crossflow“).
Schließlich überlagert sich der Hauptströmung (Primärströmung) eine Sekundärströmung
in Form des Kanalwirbels („Passage Vortex“).
Der Kanalwirbel führt zu direkten Verlusten in der Leitreihe infolge der Dissipation
der kinetischen Energie der Sekundärgeschwindigkeiten sowie zu Verlusten in der nachfolgenden Laufreihe infolge Fehlanströmungen (Inzidenz). In Turbinenstufen mit kleinem
Schaufelseitenverhältnis können diese Sekundärverluste bis zu einem Drittel der Gesamtverluste betragen.
Eine Verringerung der Sekundärverluste kann dadurch erzielt werden, dass durch eine
Absenkung der Druckdifferenz zwischen Druck- und Saugseite in Wandnähe die Intensität des Kanalwirbels verringert wird. Dies kann durch eine Anhebung des Druckes in
Wandnähe erreicht werden, indem durch eine Neigung der Schaufelachse in Umfangsrich-
6
Rechnergestützte Verfahren zur aero-thermodynamischen Auslegung und Entwicklung 279
Grenzschichtprofil
der Anströmung
Gehäusewand
Saugseitiger Arm
des Hufeisenwirbels
Richtung der
Rotation
Kanalwirbel
Abb. 6.12 Sekundärströmungen (links) in einem axialen Turbinengitter und Compound-Lean Beschaufelung (rechts, Bauart Siemens AG)
tung eine Kraftkomponente bzw. ein Druckgradient in radialer Richtung erzeugt wird. In
Analogie zur geneigten Achse der Leitschaufeln von ND-Stufen wird die Druckseite zur
Seitenwand hin geneigt, und zwar sowohl an der Nabe als auch am Gehäuse („Compound
Lean“). Das Ergebnis ist eine 3D-Beschaufelung, wie sie in Abb. 6.12 (rechts) dargestellt
ist. 3D-Beschaufelungen werden als Leitschaufeln in den HD- und MD-Teilen von großen
Abb. 6.13 Nichtaxialsymmetrische Seitenwandkonturierung (aus [HAR2000])
280
R. Willinger und T. Polklas
Kondensationsdampfturbinen, sowohl im Neubau als auch bei Modernisierungen älterer
Turbinen, eingesetzt.
Will man die treibende Druckdifferenz in Wandnähe dadurch verringern, dass selektiv der Druck an der Druckseite verringert und an der Saugseite erhöht wird, so lässt
sich diese Aufgabe durch eine nichtaxialsymmetrische Konturierung der Seitenwand lösen
(Abb. 6.13). Die Druckabsenkung an der Druckseite wird durch die konvexe Krümmung
und die Druckanhebung an der Saugseite entsprechend durch die konkave Krümmung der
Seitenwand, jeweils aus Sicht der Hauptströmungsrichtung im Schaufelkanal, verursacht.
Die nichtaxialsymmetrische Seitenwandkonturierung wurde theoretisch und experimentell untersucht [HAR2000], sie wurde aber aufgrund des hohen Fertigungsaufwands im
Dampfturbinenbau bisher nicht eingesetzt.
6.3
3D-RANS-Rechnungen (Reynolds-Averaged Navier Stokes)
Der Grad der Anwendung von dreidimensionalen Strömungsberechnungsverfahren (3DRANS) im Bereich der Auslegung und Entwicklung von Dampfturbinen hängt wesentlich
von der Art der Dampfturbine ab. Grund dafür ist der verhältnismäßig große Aufwand,
sowohl für die Modellerstellung als auch für die Durchführung und Auswertung derartiger Berechnungen. Dieser Aufwand rechtfertigt sich bei der Auslegung und Entwicklung
von Großdampfturbinen, da diese Turbinen für weitgehend standardisierte Frischdampfzustände und Massenströme ausgelegt werden und ein möglichst hoher Wirkungsgrad
eine große Rolle spielt. Darüber hinaus ist bei diesen direkt treibenden Dampfturbinen
die Drehzahl durch die Netzfrequenz fest vorgegeben. Dagegen weisen Industriedampfturbinen sehr unterschiedliche Drehzahlen auf. Die Auslegungsbedingungen sind jeweils
projektspezifisch vorgegeben und Anzapfungen oder Entnahmen bei unterschiedlichen
geforderten Drücken und Mengen ergeben eine große Vielfalt an möglichen Turbinenkonfigurationen. Rasche technische Lösungen lassen sich in diesen Fällen nur durch schnelle
Berechnungsverfahren (1D-Mittelschnittrechnung) erzielen. Aufwendigere dreidimensionale Berechnungsverfahren haben ihre Berechtigung bei der abgeschlossenen Bearbeitung
von immer wieder kehrenden Detailfragen sowie bei der Erarbeitung von Baukastenkonzepten zur zeit- und kostensparenden Angebotslegung von Industriedampfturbinen.
Im Folgenden werden einige typische Anwendungsfälle für dreidimensionale numerische
Strömungsberechnungen kurz beschrieben:
6.3.1 Detailfragen zum Thema Beschaufelung
Im Zusammenhang mit der Beschaufelung von Dampfturbinen werden vor allem Fragestellungen bearbeitet, die mit den einfachen 1D-Mittelschnittrechnungen oder Meridianschnittverfahren nicht beantwortet werden können. Dabei ist aber zu berücksichtigen,
dass die exakte Vorausberechnung von Verlusten, sowohl in einzelnen Schaufelgittern
[TUR2016] als auch in gesamten Stufen [SCH2012a], nach wie vor eine große Heraus-
6
Rechnergestützte Verfahren zur aero-thermodynamischen Auslegung und Entwicklung 281
a
b
z
z
x
x
y
y
Abb. 6.14 Zylindrische Leitschaufel und optimierte Compound-Lean-Schaufel (aus [CHE2008])
forderung darstellt. In vielen Fällen beschränkt man sich auf die Berechnung der relativen
Änderungen von Verlusten bzw. Wirkungsgraden bei Änderungen von geometrischen oder
strömungstechnischen Parametern.
Schumann et al. [SCH2012b] behandeln den Einfluss der Sekundärströmungen auf die
Auslegung von HD- und MD-Dampfturbinenstufen mittels einfacher Auslegungsregeln.
Die aufwendigen dreidimensionalen Simulationen zeigen, dass die durch die Sekundärströmungen hervorgerufenen Fehlanströmungen keinen großen Einfluss auf die Auslegung mittels einfacher Verfahren haben.
Vor allem die Maßnahmen zur Reduzierung der Verluste und der Fehlanströmungen
durch Sekundärströmungen in Leitschaufelreihen mit kleinem Schaufelseitenverhältnis
bieten ein breites Anwendungsfeld für dreidimensionale numerische Strömungsberechnungen. Chen und Yuan [CHE2008] beschrieben ein Verfahren zur Optimierung der
Geometrie von 3D-Beschaufelungen. Abb. 6.14 zeigt beispielhaft als Ergebnis die zylindrische Ausgangsschaufel (a) und die optimierte Schaufel (b) mit konvexer Druckseite
(„Compound-Lean-Beschaufelung“).
Neben Berechnungen von einzelnen Schaufelreihen oder Einzelstufen finden sich in
der Literatur auch Untersuchungen über komplette Stufengruppen oder Teilturbinen. Rubechini et al. [RUB2012] beschreiben die numerischen Berechnungen zur Modernisierung
einer 17-stufigen MD-Dampfturbine, mit dem Ziel der Steigerung des Wirkungsgrades.
Dieses Ziel wird durch die Anwendung von Konzepten zur 3D-Konturierung von Leitund Laufschaufeln erreicht.
282
a
R. Willinger und T. Polklas
b
Abb. 6.15 Saugseitige Stromlinien der parallelwandigen (a) und seitenwandkonturierten (b) Düse
(aus [MOS2015])
Moser et al. [MOS2015] beschreiben die numerische Optimierung der Düsengeometrie einer Regelstufe durch axialsymmetrische Seitenwandkonturierung am Gehäuse.
Abb. 6.15 zeigt beispielhaft als Ergebnis die saugseitigen Stromlinien der parallelwandigen sowie der axialsymmetrisch gehäusewandkonturierten Düse. Es ist zu erkennen, dass
der Einfluss der Sekundärströmung durch die Seitenwandkonturierung deutlich verringert
wird.
Als Beispiel für Berechnungen und Optimierungen zur nichtaxialsymmetrischen Seitenwandkonturierung wird die Arbeit von Schobeiri und Lu [SCH2014] angegeben. Darin
wird ein neuartiges Konzept zur Auslegung der nichtaxialsymmetrischen Seitenwandkonturierung beschrieben und auf eine 3-stufige Luftturbine angewendet. Numerische Berechnungen zum Einfluss von Koppel- bzw. Dämpfungselementen auf die Strömung in NDDampfturbinenstufen werden von [RUB2007] und [HÄF2015] präsentiert. Abb. 6.16a
zeigt die Endstufenschaufeln mit den Koppelelementen sowie das entsprechende Oberflächennetz. Derart komplexe Geometrien stellen besonders hohe Anforderungen an die Vernetzungsstrategie, um eine hohe Netzqualität zu erreichen. Als Ergebnis zeigt Abb. 6.16b
die berechneten Stromlinien mit den räumlichen Wirbelstrukturen, die durch die Spaltströmung sowie die Umströmung des Koppelungsbolzens hervorgerufen werden.
6.3.2 Einströmgehäuse
Die Einströmgehäuse der MD- und ND-Teile von großen Kondensationsdampfturbinen
mit ihren komplexen Geometrien sind ein weiteres Anwendungsfeld der dreidimensionalen Strömungssimulation. Für eine Mitteldruckturbine untersucht Hecker [HEC2011]
verschiedene Möglichkeiten der Gestaltung der Einströmung (Ringkammer- bzw. Spiraleneinströmung). Sievert [SIE2006] behandelt die Strömung im Einströmgehäuse bzw. im
Eintrittsbereich einer Niederdruckdampfturbine. Zur Verringerung des Vernetzungs- und
Berechnungsaufwandes wird bei dieser Art von Berechnungen der Einfluss der stromabseitigen Beschaufelung häufig durch ein anisotropes poröses Medium modelliert.
6
Rechnergestützte Verfahren zur aero-thermodynamischen Auslegung und Entwicklung 283
Abb. 6.16 Endstufenschaufel
mit Koppelelementen (a) und
berechnete Stromlinien (b)
(aus [HÄF2015]
a
b
6.3.3 Strömung in und nach Anzapfungen
Die Speisewasservorwärmung durch Anzapfdampf ist eine übliche Methode zur Erhöhung
des thermischen Wirkungsgrades von Dampfkraftanlagen (siehe Kap. 3). Dabei erfolgt die
Anzapfung über einen Schlitz und ein umlaufendes Plenum durch eine unten angeordnete
Rohrleitung (Abb. 6.17a). Rosic et al. [ROS2014] haben die räumliche Strömung in den
Anzapfungen einer Mitteldruckturbine und ihre Auswirkung auf die stromab liegenden
Stufen numerisch berechnet (Abb. 6.17b).
In der obigen Arbeit konnten auch Vorschläge für die Gestaltung der Anzapfung, mit
dem Ziel einer Verbesserung der Rotationssymmetrie der Strömung, gefunden werden.
6.3.4 Strömung nach Dampfzu- und Dampfrückführungen
Prozessbedingt kann es vorkommen, dass bei Industriedampfturbinen ein großer Teil des
Abdampfmassenstroms erst relativ weit hinten in der Turbine zugeführt wird. Einen derar-
284
Abb. 6.17 Schnittbild
der Mitteldruckturbine mit
Anzapfungen zur Speisewasservorwärmung (a) und Berechnungsnetz (b) [ROS2014]
R. Willinger und T. Polklas
a
b
tigen Fall, wo der Zudampf 80 % des Abdampfmassenstroms beträgt, wird von [NET2015]
beschrieben. Abb. 6.18a zeigt das Gehäuse mit den beiden Dampfzuführungen, der beschaufelten Stufengruppe stromab der Zuführung und einer Stufe stromauf der Zuführung.
Neben einer Verringerung der Totaldruckverluste durch Geometriemodifikationen ist es
das Ziel, eine Vergleichmäßigung der Strömung in Umfangsrichtung herzustellen, um die
Anregung von unzulässigen Schaufelschwingungen zu verhindern.
Engelmann [ENG2013] und Engelmann et al. [ENG2014] beschreiben die Strömungsberechnung einer Industriedampfturbine mit Berücksichtigung der Rückführung von
Leckagedampf in den Hauptströmungspfad (Abb. 6.18b).
6.3.5 Strömung in Abdampfdiffusoren und Abdampfgehäusen
Bei Kondensationsdampfturbinen weist der Abdampf am Austritt der letzten Stufe noch
einen hohen Anteil an kinetischer Energie auf. Im ungünstigsten Fall ist diese kinetische
Energie verloren und kann für die Energieumsetzung in der Turbine nicht genutzt werden.
6
Rechnergestützte Verfahren zur aero-thermodynamischen Auslegung und Entwicklung 285
Abb. 6.18 Gehäuse mit Dampfzuführung [NET2015] (a) und
Dampfrückführung in einer
Industriedampfturbine nach
[ENG2014] (b)
a
b
Man spricht in diesem Zusammenhang, physikalisch nicht ganz exakt, vom sog. Austrittsverlust. Voraussetzung dafür, dass die kinetische Energie am Austritt der Turbine möglichst gut genutzt wird, ist die verlustarme Verzögerung der Strömung in einem Diffusor.
Dabei wird die Strömung von der axialen in die radiale Richtung umgelenkt, im anschließenden Abdampfgehäuse gesammelt und, üblicherweise nach unten, dem Kondensator
zugeführt. In der komplexen Geometrie liegt eine komplizierte, räumliche, verzögerte
Strömung vor, die in Wechselwirkung mit der Abströmung der letzten Turbinenstufe steht.
Aus diesem Grund stellen Untersuchungen zur Strömung in Axial/Radialdiffusoren von
Kondensationsdampfturbinen ohne und mit Abdampfgehäuse ein wichtiges Gebiet der
Anwendung von numerischen Strömungsberechnungsverfahren bei Dampfturbinen dar.
Die entsprechende Literatur ist entsprechend zahlreich (siehe [BUR2013]), sodass nur einige typische Beispiele angegeben werden können.
286
a
R. Willinger und T. Polklas
b
Abb. 6.19 Rechennetz von Diffusor und Abdampfgehäuse (a) [LIU2003]; Rechenbereich von Stufe, Diffusor und Abdampfgehäuse (b) [MUS2013]
Fu et al. [FU2010] untersuchen den Einfluss verschiedener Geometrieparameter auf die
Aerodynamik von Diffusor und Abdampfgehäuse. Ein wichtiges Ergebnis ist dabei auch
die Rückwirkung des unsymmetrischen Abdampfgehäuses auf die Endstufe. Im speziellen
kann die über dem Umfang ungleichförmige Druckverteilung am Austritt der letzten Stufe
zu einer Schwingungsanregung der Laufschaufeln führen.
Ein typisches Beispiel für die numerische Optimierung des Systems Diffusor und Abdampfgehäuse geben [WAN2010]. Abb. 6.19a zeigt das Rechennetz von Diffusor und
Abdampfgehäuse einer Kondensationsdampfturbine [LIU2003]. Die Untersuchungen der
Autoren weisen auf die besondere Bedeutung der Berücksichtigung der Abströmung der
Endstufe auf das Verhalten des Diffusors und des Abdampfgehäuses hin. Diese Erkenntnis hat in jüngster Zeit Arbeiten angeregt, die sich mit der gekoppelten Auslegung und
Optimierung von Endstufe und Diffusor bzw. Abdampfgehäuse beschäftigen [MUS2008,
MUS2013]. Abb. 6.19b zeigt den Rechenbereich von Stufe, Diffusor und Abdampfgehäuse. Der rechnerische Aufwand für derartige Optimierungen ist nach wie vor sehr hoch,
sodass spezielle vereinfachte Verfahren für die Anwendung im industriellen Umfeld entwickelt wurden. Das gilt sowohl für Auslegungen im Neubau [POL2004, STE2016] als
auch für Berechnungen zur Modernisierung von Dampfturbinen [YOO2011].
6.4 2D- oder 3D-URANS-Rechnungen (Unsteady RANS)
In einer Dampfturbine treten verschiedene instationäre Effekte auf. Dabei handelt es sich
um Strömungsvorgänge, die nicht nur vom Ort, sondern auch von der Zeit abhängig sind.
Eine mögliche Klassifizierung dieser Effekte ist die Einteilung nach den auftretenden Zeit-
6
Rechnergestützte Verfahren zur aero-thermodynamischen Auslegung und Entwicklung 287
Tab. 6.7 Instationäre Effekte in Dampfturbinen mit zugehörigen Längen- und Zeitskalen
Nr.
1
2
3
4
5
6
Beispiel
Regelventildiffusoren
Rotierende Ablösungen
Teilbeaufschlagung
Stator/Rotor-Wechselwirkung
Hinterkantenablösung
Turbulenz
L [m]
dTE
Turb. Längenmaß
f [Hz]
5–12
.0,5–0,9/ n=60
.1–4/ n=60
z n=60
Sr [–]
0,1–0,6
0;1–0,4
und Längenskalen. Eine geeignete dimensionslose Kennzahl ist die Strouhalzahl
Sr D
L
Lf
D
;
Tc
c
(6.41)
die eine Aussage über das Konvektionsverhalten von Instationaritäten zulässt. Hierbei
ist L eine geeignete Referenzlänge und c eine Referenzgeschwindigkeit, die gewöhnlich
gleich der ungestörten Strömungsgeschwindigkeit gesetzt wird. Die Referenzzeit T bzw.
die Frequenz f beschreiben die Zeitdauer des instationären Vorganges. Damit stellt die
Strouhalzahl einerseits das Verhältnis der Zeitdauer, die ein Partikel für die Konvektion
über die Strecke L benötigt, zur Dauer des instationären Vorgangs dar, andererseits kann
sie auch als das Verhältnis einer Referenzlänge zur Wellenlänge der konvektierten Instationarität interpretiert werden. Tab. 6.7 zeigt eine Zusammenstellung von Beispielen
instationärer Strömungseffekte in Dampfturbinen. In der Tabelle sind zusätzlich, soweit
möglich, Größenordnungen für die zugehörigen Referenzlängen, Frequenzen und Strouhalzahlen angegeben, wobei die Beispiele nach steigender Frequenz geordnet sind.
Zur Berechnung instationärer Strömungsvorgänge werden die Grundgleichungen
(Massenbilanz, Impulsbilanzen, Energiebilanz) um die zeitlichen Ableitungen der Strömungsgrößen erweitert und numerisch gelöst. Man spricht dann von zeitaufgelösten
Reynoldsgemittelten Navier-Stokes-Gleichungen (URANS = Unsteady Reynolds Averaged Navier-Stokes). Neben der räumlichen Diskretisierung (Vernetzung) ist nun auch
eine zeitliche Diskretisierung erforderlich, wobei grundsätzlich entweder explizite oder
implizite Verfahren zur Verfügung stehen. Im Falle einer expliziten Zeitintegration
sind aus Stabilitätsgründen nur sehr kleine Zeitschritte zulässig, die sich aus der sog.
CFL-Bedingung ergeben (CFL = Courant Friedrichs Lewy). Bei einem impliziten
Zeitschrittverfahren sind die Stabilitätsanforderungen für die Größe des Zeitschritts
üblicherweise weniger restriktiv. Allerdings ist darauf zu achten, dass die erwarteten
instationären Strömungsvorgänge zeitlich ausreichend genau aufgelöst werden. Auch
die Wahl des Rechengebietes und der Randbedingungen wird sehr stark von den erwarteten instationären Strömungsphänomenen bestimmt. Die in Tab. 6.4 angegebenen
Strömungsberechnungsprogramme lassen sich durchwegs auch für instationäre Strömungsberechnungen einsetzen.
288
R. Willinger und T. Polklas
Im Folgenden werden einige Beispiele aus der Literatur angegeben, die sich mit der
Berechnung der in Tab. 6.7 zusammengefassten instationären Strömungseffekte in Dampfturbinen beschäftigen.
6.4.1 Regelventildiffusoren
Industriedampfturbinen sind häufig mit einer Düsengruppenregelung zur Einstellung
verschiedener Turbinenleistungen ausgeführt. Eine zentrale Komponente der Düsengruppenregelung ist das Regelventilgehäuse, in dem mehrere Regelventile angeordnet
sind. Jedes Ventil besteht aus einem beweglichen Ventilschaft mit Ventilteller sowie
einem im Gehäuse montierten Diffusor. Durch die Drosselung kommt es in Abhängigkeit vom Betriebspunkt zu Strömungsablösungen im Diffusor. Diese Ablösungen sind
meist instationär und können je nach Aufbau des Regelventils zu einer Fluid-StrukturInteraktion zwischen Strömung und Ventilschaft bzw. Ventilteller führen [ZHA2003].
Clari [CLA2014] hat sich mit diesen instationären Strömungsablösungen in den Diffusoren von Regelungsventilen von Dampfturbinen beschäftigt. Abb. 6.20a zeigt eine
Momentaufnahme der Strömung in zwei zueinander senkrechten Ebenen des Regelventildiffusors. Domnick et al. [DOM2014] berechneten die Strömung im Regelventil
einer Großdampfturbine. Abb. 6.20b zeigt die zeitlich gemittelte Machzahlverteilung
sowie die Verteilung der bezogenen Druckfluktuationen im Regelventildiffusor. Über
die Berechnung der instationären Strömung nach den Ventilen der Entnahmeregelstufe
einer Industriedampfturbine, mit besonderem Fokus auf die Beeinflussung der stromab
liegenden Stufen, berichten [SCH2014a].
6.4.2
Rotierende Ablösungen
Der Teillastbetrieb einer Dampfturbine zeichnet sich gegenüber dem Vollastbetrieb durch
einen abgesenkten Massenstrom aus. Unter diesen Betriebsbedingungen fällt der Volumenstrom durch die Endstufe unter einen bestimmten Grenzwert, ab welchem dem Dampf
Energie zugeführt anstatt entzogen wird. Dieser Zustand wird als Schwachlastventilation
oder einfach als Ventilation bezeichnet (Abb. 6.21a). Im Laufrad stellen sich instationäre Strömungsphänomene in Form von rotierenden Ablösungen ein, die eine Ähnlichkeit
mit der aus Axialverdichtern bekannten rotierenden Abreißströmung aufweisen. Zhang
et al. [ZHA2013] konnten im Rahmen von zweidimensionalen Simulationen die typische
Frequenz der Ablösezellen im Absolutsystem mit f 0;9n=60 berechnen. Dreidimensionale Simulationen von Megerle [MEG2014] lieferten als Frequenz der Ablösezellen
f 0;5n=60. Die Ablösezellen laufen mit etwa halber Umfangsgeschwindigkeit gegen
die Rotordrehrichtung um und können zu einer Schwingungsanregung der Laufschaufeln
der Endstufe führen. Abb. 6.21b zeigt die berechneten Axialgeschwindigkeiten in der Ebene des Laufradeintritts. Im gehäusenahen Bereich ist in Umfangsrichtung die Abfolge von
Bereichen mit positiven (rot) und negativen (blau) Axialkomponenten zu erkennen.
6
Rechnergestützte Verfahren zur aero-thermodynamischen Auslegung und Entwicklung 289
a
b
Abb. 6.20 Ergebnisse von Strömungsberechnungen in Regelventildiffusoren (a [CLA2014];
b [DOM2014])
a
b
Abb. 6.21 Qualitative Strömungsvorgänge in einer Endstufe bei Schwachlastventilation (a) und
berechnete Axialgeschwindigkeiten (b) aus [MEG2014]
6.4.3 Teilbeaufschlagung
Industriedampfturbinen werden üblicherweise mit einer Düsengruppenregelung ausgeführt. Da in diesem Fall das Laufrad der Regelstufe nicht über den ganzen Umfang beaufschlagt wird, spricht man von Teilbeaufschlagung. Die Folge sind niederfrequente
Störungen der Strömung im Laufrad, wobei die Referenzlänge dem Umfang zt des Schaufelkranzes entspricht. Dabei sind z die Laufschaufelzahl und t die entsprechende Teilung.
290
a
R. Willinger und T. Polklas
b
Abb. 6.22 Rechengitter und berechnete Strömung teilbeaufschlagter Turbinenstufen (a [HE1997];
b [LAM2004])
Die Frequenz entspricht dem Produkt aus der Anzahl der geöffneten Düsengruppen (typischerweise 1 bis 4) und der Drehfrequenz n=60 des Rotors mit der Drehzahl n in min1 .
Die numerische Simulation teilbeaufschlagter Turbinenstufen erfordert sehr große Rechengebiete, sodass oftmals der Rechenaufwand durch vereinfachende Annahmen reduziert wird. Die Simulation der ebenen Strömung einer teilbeaufschlagten Turbine wurde erstmalig von He [HE1997] erfolgreich durchgeführt (Abb. 6.22a). Später konnten
auch [LAM2004] nachweisen, dass grundsätzliche instationäre Effekte der Teilbeaufschlagung durch eine zweidimensionale Berechnung abgebildet werden (Abb. 6.22b).
Von Interesse sind die instationären Vorgänge in einem Laufschaufelkanal beim Eintritt
in bzw. Austritt aus einem beaufschlagten Segment, die damit verbundenen zusätzlichen
Verluste sowie Größe und Frequenz der dynamischen Kräfte auf die Laufschaufeln. Die
Untersuchungen wurden anschließend in [LAM2005] auf die räumliche Strömung in der
teilbeaufschlagten Regelstufe einschließlich der Radkammer erweitert. [HUS2010] untersuchte den Einfluss der Teilbeaufschlagung auf die Strömung in einer zweistufigen
Gleichdruckturbine in Kammerbauweise. Die umfangreichen numerischen Untersuchungen von [KAL2014] berücksichtigen neben der teilbeaufschlagten Regelstufe auch die
Radkammer und den Strömungsausgleich in der anschließenden Reaktionsturbine.
6.4.4 Stator/Rotor-Wechselwirkung
Entsprechend der Euler’schen Impulsmomentengleichung ist die Arbeitsumsetzung
in einer Dampfturbinenstufe proportional der Relativgeschwindigkeit zwischen dem
(üblicherweise stillstehenden) Stator und dem mit der Umfangsgeschwindigkeit umlaufenden Rotor. Die interessierende Längenskala der dadurch entstehenden Stator/Rotor-
6
Rechnergestützte Verfahren zur aero-thermodynamischen Auslegung und Entwicklung 291
Abb. 6.23 Berechnete
Entropiefunktion in einer S1Fläche in halber Schaufelhöhe
(aus [CHA2003])
0.9996
0.9979
0.9962
0.9945
0.9928
0.9911
0.9894
0.9877
0.9860
0.9843
0.9826
0.9809
0.9792
Stator wake
A
PS
B
B
TE
Blade throat
SS
B'
B'
LE
Stator
Rotor
LE
TE
SS
A
PS
Rotor wake
Wechselwirkung liegt daher im Allgemeinen im Bereich der Schaufelteilung t, die
zugehörige Zeitskala wird durch die Schaufelpassierfrequenz z n=60 vorgegeben. Entsprechend der Ursache lassen sich vier Hauptmechanismen unterscheiden, die für die
Entstehung der instationären Strömung als Folge der Stator/Rotor-Wechselwirkung verantwortlich sind: (1) Nachlaufdellen der Leitschaufeln, (2) Potentialwechselwirkungen
zwischen Leit- und Laufschaufeln, (3) Gasdynamische Verdichtungsstöße, (4) Dreidimensionale Strömungseffekte am Austritt des Leitrades. Beispielhaft für den Fall (1)
zeigt Abb. 6.23 als Ergebnis einer instationären Berechnung der Strömung in einer Hochdruckdampfturbinenstufe die Verteilung der Entropiefunktion in einer S1-Fläche in halber
Schaufelhöhe [CHA2003]. Die Nachlaufdelle der Leitschaufel wird durch das vorbeilaufende Laufrad zerhackt und in den Laufschaufelkanal weitertransportiert. Die dabei
auftretende Stauchung des Wirbelfadens (BB – B’B’) vergrößert die Geschwindigkeitsdifferenzen und führt zu zusätzlichen Verlusten in der Stufe, die ihre Ursache in der
instationären Strömung, verursacht durch die Stator/Rotor-Interaktion, haben.
6.4.5 Hinterkantenablösung
In Analogie zur Umströmung eines Kreiszylinders tritt an der Hinterkante einer Turbinenschaufel eine periodische Strömungsablösung auf. Die Strouhalzahl (Sr 0;1 bis 0,4) ist
von der Reynoldszahl und dem Zustand der Profilgrenzschichten am Ende der Schaufel
abhängig. Als Referenzlänge dient die Hinterkantendicke, als Referenzgeschwindigkeit
die mittlere Gitterabströmgeschwindigkeit. Die auftretenden Frequenzen liegen typischerweise um bis zu einer Größenordnung höher als bei der Stator/Rotor-Wechselwirkung.
Abb. 6.24 zeigt ein Ergebnis einer numerischen Simulation der instationären Hinterkantenablösung an einer Turbinenschaufel [GEH2000].
292
a
R. Willinger und T. Polklas
b
Abb. 6.24 Rechengitter einer Turbinenschaufel (a) und Momentanaufnahmen der berechneten
Entropieverteilung im Bereich der Hinterkante (b) aus [GEH2000]
6.4.6 Turbulenz
Schließlich lässt sich in das Schema nach Tab. 6.7 auch noch die Turbulenz einordnen,
die ebenfalls durch instationäre Vorgänge geprägt ist. Die bei turbulenten Strömungen
auftretenden Längenskalen und Frequenzen weisen einen weiten Bereich auf.
Beispielhaft ist in Tab. 6.7 als Referenzlänge das sog. turbulente Längenmaß angeführt.
Anschaulich lässt sich das turbulente Längenmaß als jene Wegstrecke darstellen, die ein
energietragender Wirbel der turbulenten Strömung zurücklegt, bevor er seine Struktur verliert. Bei der bereits oben beschriebenen Berechnung der instationären Strömung in Regelventildiffusoren haben [DOM2014] festgestellt, dass die üblichen Zweigleichungsmodelle
aufgrund ihrer hohen numerischen Dämpfung an ihre Grenzen stoßen. Bessere Ergebnisse
konnten mit einem SAS-Turbulenzmodell erzielt werden, wobei SAS für „Scale Adaptive
Simulation“ steht. Bei diesem Modell erfolgt die Modellierung je nach lokal auftretenden turbulenten Längenskalen entweder mittels Zweigleichungsmodell oder Large-Eddy
Simulation (LES).
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7
Rotordynamische Grundlagen
Stefan aus der Wiesche
Die Entwicklung der Rotordynamik als wichtiges Teilgebiet der Maschinendynamik ist
historisch eng mit dem Turbinenbau verbunden. Da Dampfturbinen grundsätzlich aus einem gelagerten Rotor mit hoher Betriebsdrehzahl bestehen, sind für Konstruktion und
Betrieb fundierte rotordynamische Kenntnisse unerlässlich. Das wurde bereits 1883 von
de Laval erkannt, dessen erste Dampfturbine maßgeblich aus rotordynamischen Überlegungen heraus konstruiert wurde. So nutzte er den damals noch theoretisch ungeklärten
Selbstzentrierungseffekt durch den Einsatz einer schlanken, biegeelastischen Welle aus.
Im Anschluss an die erste erfolgreiche Dampfturbine von de Laval entwickelte sich die
Rotordynamik als unabhängiges Teilgebiet der Mechanik rasch, doch wurden wesentliche
rotordynamische Phänomene und neue Konzepte bis in die heutige Zeit oft nur aufgrund
von Fragestellungen aus dem Turbinenbau heraus gefunden.
Dieses Grundlagenkapitel kann nur eine erste Übersicht und Einordnung in das aus
heutiger Sicht sehr umfangreiche Teilgebiet „Rotordynamik“ geben. Für eine umfassendere allgemeine Darstellung wird an dieser Stelle auf das ausführliche Buch [GAS2002] von
Gasch, Nordmann und Pfützner hingewiesen. Nach einer kurzen Vorstellung von wichtigen rotordynamischen Grundlagen, die an einem mathematisch noch übersichtlichen
Minimalmodell, dem sog. Laval-Läufer, erläuterbar sind, werden in diesem Kapitel wichtige spezifische Phänomene und Konzepte für den Dampfturbinenbau vorgestellt. Dies
beinhaltet auch die rotordynamischen Aspekte von hydrodynamischen Gleitlagern, die
detaillierter in einem späteren Kap. 19 dargestellt sind. Der gegenwärtige Stand der Technik ist durch den Einsatz der Methode der finiten Elemente (FEM) charakterisiert, für die
wichtige rotordynamische Anwendungsfälle in diesem Kapitel diskutiert werden.
S. aus der Wiesche ()
Fachhochschule Münster
Steinfurt, Deutschland
E-Mail: wiesche@fh-muenster.de
© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2018
S. aus der Wiesche, F. Joos (Hrsg.), Handbuch Dampfturbinen,
https://doi.org/10.1007/978-3-658-20630-7_7
299
300
7.1
S. aus der Wiesche
Übersicht und Problemstellung
Allgemein weisen Maschinen mit rotierenden Wellen als wesentliche Elemente Läufer
(auch Rotor genannt), Gehäuse (auch als Stator bzw. Ständer in der Elektrotechnik bezeichnet), Lager und Lagerschilde bzw. Lagerböcke auf. Weiterhin müssen bei vielen
Anwendungen und insbesondere auch bei Dampfturbinen noch Dichtungen zwischen der
rotierenden Welle und dem Gehäuse berücksichtigt werden. Bei größeren Maschinen wird
das Gehäuse über ein Fundament abgestützt, dessen dynamische Eigenschaften und Wechselwirkungen mit dem Rotorsystem häufig in die Analyse mit einbezogen werden müssen.
Sind zwei oder mehrere Maschinen gekuppelt, wie beispielsweise bei einer Dampfturbine, die einen Generator zur Stromerzeugung antreibt, liegt ein Wellenstrang vor. Bei
Dampfturbinen großer Leistung muss aufgrund des üblichen mehrgehäusigen Aufbaus
ein ganzer Turbostrang bzw. eine Turbogruppe mit ihren Kupplungen betrachtet werden. Bei modernen Flugzeugtriebwerken findet man auch mehrwellige Maschinen, bei
denen bis zu drei rotierende Wellen ineinander verschachtelt sind [BRA2004], doch ist
für Dampfturbinen ein solcher kompakter Aufbau unüblich und wird daher hier auch nicht
weiter behandelt. Die oben genannten Elemente können bei der in Abb. 7.1 gezeigten ersten einstufigen Dampfturbine von Laval unmittelbar gefunden werden. Als besonderes
Konstruktionsmerkmal verwendete Laval eine sehr schlanke Welle, auf die ein einzelnes
Abb. 7.1 Die Dampfturbine von Laval aus dem Jahre 1883 (aus [GAS2002])
7
Rotordynamische Grundlagen
301
Laufrad angebracht war. Es handelt sich hierbei um eine sehr biegeelastische Rotorkonstruktion, die von Laval bewusst aufgrund von rotordynamischen Fragestellungen gewählt
worden war. Dieses Konzept wird später eingehend erläutert. Aufgrund der Energieumsetzung in der Turbinenstufe musste ein für die damalige Zeit ungewöhnlich hoher Wert der
Umfangsgeschwindigkeit u D 390 m=s gewählt werden, was auf eine sehr hohe Drehzahl
im Bereich von n D 50:000 min1 führte.
Im Gegensatz zu Kolbenmaschinen erscheint auf den ersten Blick die Dynamik von
Maschinen mit rotierenden Wellen wesentlicher einfacher zu sein, da die Drehmomentbilanz weitgehend ausgeglichen ist. Die in der Praxis aufgrund von Fertigungsungenauigkeiten unvermeidbaren nicht vollständig symmetrischen Massenverteilungen führen allerdings dazu, dass der Schwerpunkt S in einer üblicherweise unbekannten kleinen Distanz
" vom idealen Wellendurchstoßpunkt W entfernt ist. Als Unwucht bezeichnet man die aus
der Exzentrizität " und der Rotormasse m gebildete Größe U D m". Bei sehr hohen Drehzahlen n treten demnach bei einer starren Welle auch sehr große Fliehkräfte F D m"˝ 2
auf, wobei zwischen der Drehzahl n und der Winkelgeschwindigkeit ˝ der bekannte kinematische Zusammenhang ˝ D 2 n besteht (im Nachfolgenden wird allerdings auch ˝
selbst – sprachlich nicht ganz korrekt – als Drehzahl oder Drehgeschwindigkeit bezeichnet, was in der Praxis üblich ist).
Die am Schwerpunkt S angreifende Fliehkraft F muss bei einer starren Welle durch die
Lager aufgenommen werden. Für ausreichend hohe Drehzahlen ergeben sich Fliehkraftbelastungen, die die Annahmen eines biegestarren Rotors überschreiten. Man erhält dann
als angemesseneres Modell den in Abb. 7.2 gezeigten sog. Laval-Läufer, der aus einer
gelagerten biegeelastischen Welle und einer lokalen Massenscheibe mit Exzentrizität "
bestehlt. Die im deutschen Sprachraum übliche Bezeichnung „Laval-Läufer“ erklärt sich
aus der Ähnlichkeit zu der von Laval gewählten Konstruktion (vgl. Abb. 7.1). In der angelsächsischen Welt ist dieses rotordynamische Minimalmodell besser als „Jeffcott-Rotor“
bekannt, was auf eine 1919 erschienene populäre Publikation [JEF1919] zurückgeht. Korrekt müsste man nach Dara Childs [CHI1993] wohl von einem „Föppl-Rotor“ sprechen,
der dieses Modell erstmals 1895 eingeführt hatte [FÖP1895].
Nach einer populären Argumentation kann man das Grundproblem der sog. kritischen
Drehzahlen eines biegeelastischen Läufers leicht identifizieren. Hierbei bildet man die
resultierende Fliehkraft aus der Exzentrizität " und der elastischen Verformung W der
Welle und setzt diese gleich der elastischen Rückstellkraft, was auf die Gleichung
.W C "/m˝ 2 D c W
(7.1)
führt. Aufgelöst nach der resultierenden Wellenverformung ergibt sich aus Gl. 7.1 der
Zusammenhang
.˝=!/2
;
(7.2)
W D "
1 .˝=!/2
302
S. aus der Wiesche
Abb. 7.2 Laval-Läufer (auch
Jeffcott-Rotor genannt)
mit der biegekritischen Eigenkreisfrequenz
r
c
!D
m
2 ncr :
(7.3)
Die Eigenkreisfrequenz Gl. 7.3 charakterisiert das Verhalten des Rotors. Nähert man sich
mit der Drehzahl n der kritischen Drehzahl ncr , so wachsen nach Gl. 7.2 die Wellenauslenkungen unbegrenzt. Dieses Phänomen bemerkte bereits 1869 Rankine am Beispiel
einer glatten Welle. Er sah das Durchfahren der kritischen Drehzahl als problematisch
an [RAN1869]. De Laval interpretierte den Ausdruck Gl. 7.2 vom Standpunkt sehr hoher Drehzahlen n > ncr . Dann folgt jW j ! ", also ein sehr kleiner Wert. In diesem
Fall spricht man auch von einer Selbstzentrierung des Läufers, die für überkritische Drehzahlen wieder zu einem ruhigeren Lauf führt. De Laval legte die biegeelastische Eigenfrequenz seines Läufers bewusst niedrig aus, um bei der Betriebsdrehzahl das 7-fache der kritischen Drehzahl zu ermöglichen. Im Anschluss an Laval analysierten Föppl [FÖP1895]
und später Jeffcott [JEF1919] mathematisch korrekt die Existenz einer kritischen Drehzahl
und die Selbstzentrierung. Tatsächlich ist die obige Argumentation durch die gleichzeitige Verwendung eines mit-rotierenden und eines absoluten Bezugssystems formal nicht
richtig. Da aber die korrekte Behandlung auf das gleiche Resultat führt, ist diese falsche
Erklärung immer noch weitverbreitet.
Die meisten Dampfturbinen sind rotordynamisch nicht wie der einfache Laval-Läufer
aufgebaut, doch findet man auch dort die Existenz von kritischen Drehzahlen. Reale Ausführungen weisen üblicherweise kompliziertere Verhältnisse auf, was anhand einer doppelflutigen Dampfturbine in Gleichdruckbauweise in Abb. 7.3 veranschaulicht ist. In diesem Fall treten mehrere kritische Drehzahlen auf. Die Nennbetriebsdrehzahl ˝B sollte
weit von den kritischen Drehzahlen !i gewählt werden.
Im Anschluss an die ersten Dampfturbinenkonstruktionen zeigte sich im 20. Jahrhundert schnell, dass es physikalisch neben der Biegeelastizität des Läufers noch eine Vielzahl
von weiteren Ursachen für Rotorinstabilitäten und kritische Drehzahlen gibt. Insbesondere der Einfluss der Lagerung spielt in der Praxis eine entscheidende Rolle. Dies ist anhand
7
Rotordynamische Grundlagen
303
Abb. 7.3 Qualitativer Verlauf
der Wellenauslenkung an einer
Stelle in Abhängigkeit der
Drehzahl einer Dampfturbine
der qualitativen Darstellungen der resultierenden Wellenamplitude als Funktion der Drehzahl für einen gleitgelagerten Rotor in Abb. 7.4 verdeutlicht.
Zunächst durchläuft der Rotor mit von Null zunehmender Drehzahl eine Resonanzstelle an der Stelle n D ncr , die durch eine biegekritische Eigenfrequenz verursacht ist.
Aufgrund der äußeren Dämpfung bleibt die Amplitude trotz einer massiven Vergrößerung endlich. Mit weiter ansteigender Drehzahl beobachtet man in Abb. 7.4 zunächst das
Phänomen der Selbstzentrierung, aber ab einer Grenzdrehzahl n > nGr nimmt die Amplitude unzulässig hohe Werte an. Das dynamische Rotorsystem ist für n > nGr instabil
und kleine Störungen wachsen mit der Zeit rasch an und werden nicht mehr weggedämpft. Es handelt sich hierbei um eine selbsterregte Biegeschwingung, die ihre Ursache
in Gleitlagereffekten bei ausreichend hohen Drehzahlen hat. Weitere Instabilitäten dieser Art können durch Reibmechanismen (innere Dämpfung), Selbsterregungseffekten aus
Dichtspalten oder Spaltumströmungen über Deckbänder von Turbinenschaufeln (Dampfanfachung) herrühren.
Abb. 7.4 Qualitativer Verlauf der Wellenauslenkung für einen Rotor in Gleitlagern [GAS2002]
304
S. aus der Wiesche
7.2 Grundlegende Zusammenhänge
Das Minimalmodell des Laval-Läufers kann für die theoretische Analyse von einer Vielzahl rotordynamischer Phänomene verwendet werden. Es gestattet noch eine relativ übersichtliche mathematische Beschreibung, die in der Regel durch Sätze von linearen gewöhnlichen Differentialgleichungen bestimmt wird. Hierbei werden üblicherweise „kleine“ Amplituden angenommen, die formal eine Linearisierung um einen Betriebspunkt
gestatten. Nichtlineare Effekte treten bei großen Amplituden auf, die aber wegen der
Zerstörungspotentiale in der Praxis meist ohnehin unzulässig sind, oder bei bestimmten transienten Phänomenen, wie der Resonanzdurchfahrt. In diesen Fällen ist man auf
rechnergestützte Lösungsverfahren der Sätze nichtlinearer Differentialgleichungen angewiesen.
Die allgemeine Lösung linearer Differentialgleichungssysteme setzt sich formal aus
der homogenen Lösung und einer partikulären Lösung zusammen. Die homogene Lösung
liefert die Eigenfrequenzen des Systems und ist für die Stabilitätsanalyse bestimmend
(Stabilität ist eine Systemeigenschaft). Die inhomogene Lösung ist auf Störglieder oder
Anregungen in den Bewegungsdifferentialgleichungen zurückzuführen. Ein Beispiel hierfür ist die bereits qualitativ diskutierte Unwuchterregung des Laval-Läufers, die physikalisch ihre Ursache in der Exzentrizität " hat.
7.2.1
Dämpfungsfreier Laval-Läufer in starren Lagern ohne
Kreiselwirkung
Der einfachste Fall des dämpfungsfreien Laval-Läufers in starren Lagern wurde bereits
in Abb. 7.2 eingeführt. Für die nachfolgende mathematische Behandlung wird das in
Abb. 7.5 skizzierte Koordinatensystem mit der entsprechenden Nomenklatur verwendet.
Die Koordinaten des Wellendurchstoßpunkts W sind durch yW und zW im raumfesten Koordinatensystem gegeben. Dieses ist so orientiert, dass die x-Achse der idealen Wellenlinie
entspricht. Der Schwerpunkt S des Rotors hat dann die Koordinaten yS und zS . Zunächst
wird von einer etwaigen Schrägstellung der Scheibe abgesehen, so dass die Besprechung
der Dynamik ohne Berücksichtigung der Kreiseleffekte erfolgen kann. Die Konfiguration
des Rotors wird durch den Winkel ' und Angabe eines Koordinatensatzes nach Abb. 7.5
vollständig beschrieben. Für die Translationsbewegungen ergeben sich als Grundgleichungen
mRzS D czW
myRS D cyW
(7.4)
mit der Masse m und der Rotorsteifigkeit c für den hier betrachteten Laval-Läufer. Mit den
beiden kinematischen Beziehungen
zS D zW C " cos yS D yW C " sin (7.5)
7
Rotordynamische Grundlagen
305
Abb. 7.5 Laval-Läufer und zugehörige Nomenklatur [GAS1975]
ergeben sich nach zweimaliger Differentiation nach der Zeit von Gl. 7.5 und Einsetzen
aus Gl. 7.4 die inhomogenen Differentialgleichungen
zR W C ! 2 zW D "P 2 cos C "R sin yRW C ! 2 yW D "P 2 sin "R cos (7.6)
In Gl. 7.6 bezeichnet ! die schon in Gl. 7.3 eingeführte Eigenkreisfrequenz. Das Gleichungssystem ist durch die Momentengleichung
R D T C c".yW cos zW sin /
(7.7)
mit dem Massenträgheitsmoment und dem äußeren Drehmoment T vollständig angegeben. Das durch Gl. 7.6 und 7.7 gegebene nichtlineare Gleichungssystem kann im
Allgemeinen nur numerisch gelöst werden.
Für den wichtigen Sonderfall einer konstanten Drehgeschwindigkeit des Rotors,
P D ˝ D konstant;
(7.8)
wird die Momentengleichung Gl. 7.7 direkt gelöst und es verbleibt dann von Gl. 7.6 nur
noch ein Satz von inhomogenen linearen gewöhnlichen Differentialgleichungen zweiter
Ordnung
zRW C ! 2 zW D "˝ 2 cos.˝t/
yRW C ! 2 yW D "˝ 2 sin.˝t/:
(7.9)
306
S. aus der Wiesche
Das Gleichungssystem Gl. 7.9 kann geschlossen integriert werden. Die homogene Lösung
entspricht dabei einer einfachen Kreisbewegung mit ! des zurzeit t D 0 ausgelenkten Rotors (Anfangsbedingung). Diese wird für reale Rotoren aufgrund der äußeren Dämpfung
exponentiell abnehmen und ist daher nur von akademischem Interesse. Die inhomogene
Lösung stellt die gesuchte Unwuchtantwort aufgrund der Exzentrizität " dar. Sie ist für
den Wellendurchstoßpunkt durch
2
cos.˝t/
1 2
2
D"
sin.˝t/:
1 2
zW" D "
yW"
(7.10)
mit dem dimensionslosen Frequenzverhältnis D ˝=! gegeben. Für ! 1 nimmt
die Auslenkung unbegrenzt zu (kritische Drehzahl und Resonanz). Im Falle sehr hoher Drehzahlen tritt die schon in Abschn. 7.1 begründete Selbstzentrierung des Rotors
ein. Im unterkritischen Betrieb ( < 1) liegt der Schwerpunkt S außerhalb, während er
im überkritischen Betrieb zwischen dem Ursprung des Koordinatensystems 0 und dem
Wellendurchstoßpunkt W liegt. Im Falle der Selbstzentrierung dreht sich der Rotor gewissermaßen um den Schwerpunkt S.
Für den weiteren Aufbau der Theorie ist die Darstellung mit komplexen Zahlen mathematisch sinnvoll. Hierbei fasst man die Koordinaten zu einer komplexen Zahl
rW D zW C jyW
(7.11)
mit der imaginären Einheit j zusammen. Die allgemeine homogene Lösung
rW0 D rW01 e j!t C rW02 e j!t
(7.12)
setzt sich dann aus einer gleich- und einer gegenläufigen Drehbewegung zusammen. Für
die Unwuchtantwort folgt
2
e j˝t
(7.13)
rW" D "
1 2
In der komplexen Zahlenebene kann der Wechsel vom raumfesten Bezugssystem zu
einem mitrotierenden System leicht durch Multiplikation mit einem komplexen Zeiger
(exp.j˝t/) erfolgen. Auch wird bei Einführung von komplexen Zahlen bereits durch
Gl. 7.12 deutlich, dass es im Allgemeinen gleich- und gegenläufige Anteile in der resultierenden Bahnkurve gibt.
Im Falle eines horizontal gelagerten Rotors tritt ein Gewichtseinfluss mit der Erdbeschleunigung g auf. Formal kann man die gesuchte Lösung ohne größere mathematische
Schwierigkeiten durch Superposition der obigen Lösung und der statischen Auslenkung
aufgrund des Eigengewichts herleiten [GAS2002]. Interessant ist hierbei allerdings die
Analyse der Biegebeanspruchung der Welle. Für den horizontal gelagerten Laval-Läufer
7
Rotordynamische Grundlagen
307
ergibt sich nach einer direkten Rechnung für die resultierende Biegespannung der Ausdruck
g
1 lc
˝2
cos
˝t
C
"
ges D
:
(7.14)
4 Wb ! 2
!2 ˝2
Hierbei stellt der erste Term in Gl. 7.14 eine Wechselbelastung dar, während der zweite Term eine zeitlich konstante Belastung aufgrund der Unwuchtantwort liefert. Diese
wächst in der Nähe der kritischen Drehzahl stark an, doch muss man im Betrieb diesen
Bereich ohnehin vermeiden. Für Rotoren mit relativ niedrigen kritischen Drehzahlen bzw.
Eigenkreisfrequenzen ! können tatsächlich die Biegewechselbelastungen, also der erste
Beitrag im Ausdruck Gl. 7.14, zum Kernproblem der Auslegung werden.
7.2.2
Verallgemeinerung auf drehsymmetrische Rotoren
Im Dampfturbinenbau treten – bis auf wenige Ausnahmen – praktisch keine Rotoren auf,
die durch einen reinen Laval-Läufer angemessen repräsentiert sind. Stattdessen dominieren komplizierte Rotorkonstruktionen, die in der Regel auch auf mehreren Lagern ruhen.
In erster Näherung können diese als drehsymmetrisch angenommen werden. Die Beschaufelung kann als Kontinuum „verschmiert“ zum Rotor gezählt werden. Ein Beispiel für
einen solchen Kontinuumsrotor, wie er etwa bei Dampfturbinen mit höherer Reaktion
(Trommelbauweise) typisch ist, zeigt Abb. 7.6.
Betrachtet man einen kleinen axialen Abschnitt d in Abb. 7.6, so kann man analog
zum Laval-Läufer in Abschn. 7.2.1 die dynamischen Grundgleichungen für diesen differentiellen Abschnitt aufstellen. Die entsprechende Theorie hierzu wurde von Biezeno und
Grammel in eine bis heute klassische Form gebracht [BIE1953], die kompakt auch bei
Traupel [TRA1966] dargestellt ist. Für einen Kontinuumsrotor ergeben sich nach einigen
Ausführungen anstelle eines Satzes gewöhnlicher Differentialgleichungen (wie beispielsweise im Falle des Laval-Läufers in Abschn. 7.2.1) im Allgemeinen mathematisch anspruchsvollere Integro-Differentialgleichungen für die gesuchte Auslenkung y.z; t/. Wie
Abb. 7.6 Beispiel für einen Kontinuumsrotor für eine Dampfturbine (aus [TRA1966])
308
S. aus der Wiesche
die Theorie zeigt [TRA1966], kann man die gesuchte Lösung allgemein durch eine Reihe
y.z; t/
1 X
un .x/ .An cos !n t C Bn sin !n t/ C
un .x/
.˛
cos
˝t
ˇ
sin
˝t/
n
n
1 .˝=!n /2
nD1
(7.15)
mit den Eigenfunktionen un .z/ der Biegeeigenschwingungen (Moden) und den Integrationskonstanten An und Bn sowie den Entwicklungskoeffizienten ˛n und ˇn angeben. Ein
analoger Ausdruck ergibt sich für die orthogonale Koordinate z.
Die allgemeine Lösung Gl. 7.15 setzt sich aus einem homogenen Beitrag, der real im
Laufe der Zeit durch Dämpfung aber verschwinden würde, und dem eigentlich interessanten Unwuchtbeitrag (zweiter Beitrag in Gl. 7.15) zusammen. Im Gegensatz zu der einen
Eigenkreisfrequenz ! des Laval-Läufers weist ein Kontinuumsrotor eine Vielzahl von relevanten Eigenkreisfrequenzen !1 ; !2 ; : : :; !n ; : : : auf. Fällt die Drehzahl ˝ in die Nähe
einer solchen Eigenkreisfrequenz !n , so resultieren sehr große Auslenkungen, was bereits
in Abb. 7.3 qualitativ veranschaulicht wurde. Die Eigenfunktionen un .x/ ergeben sich als
Lösung von Fredholmschen Integralgleichungen zweiter Art und erfüllen als vollständiges
Funktionensystem die Orthogonalitätsrelationen. Dies kann für die Ermittlung der Koeffizienten ˛n und ˇn , die die Projektionen der Exzentrizität sind, ausgenutzt werden. Für
jede Mode n gibt es bei der Unwuchtantwort eine Kreisbewegung mit dem Radius
q
un .z/
˛n2 C ˇn2 :
(7.16)
rn D
1 .˝=!n /2
D
Die Gesamtheit aller Moden ergibt die resultierende Bahnbewegung des Rotors (Orbit).
Die Rotorachse schlägt mit der Winkelgeschwindigkeit ˝ um die statische Durchbiegungslinie herum und verformt sich, weil diese keine Gerade ist. Zusammenfassend
kann man daher aussagen, dass für drehsymmetrische Rotoren ohne Kreiselwirkung
die Kreisfrequenzen der Biegeeigenschwingungen zugleich die kritischen Winkelgeschwindigkeiten des Rotors darstellen. Somit besteht zwischen der Strukturdynamik des
Biegeschwingers und der Rotordynamik ein fundamentaler Zusammenhang [DRE2005],
doch ist die Gesamtheit rotordynamischer Phänomene nicht alleine durch die Theorie der
Biegeschwingungen abgedeckt.
Offensichtlich ist die Minimierung der Exzentrizität, also das Auswuchten, in der Praxis anzustreben. In der üblichen Bezeichnungsweise versteht man unter einem statisch
und dynamisch ausgewuchteten Rotor ein System, dessen Schwerpunkt auf der Drehachse
liegt und diese auch Hauptträgheitsachse ist. Dieser Zustand kann durch Auswuchtmassen
in zwei Ebenen prinzipiell für einen ideal starren Rotor erzielt werden. Tatsächlich sind
aber reale Ausführungen nicht vollständig starr und es kann auf diese Weise aufgrund
der auftretenden Verformungen daher keine vollständige Auswuchtung erzielt werden.
Formal müsste man für jede n-te Mode separat die Auswuchtbedingung erfüllen, was
technisch nicht realisierbar ist. Näheres zur praktischen Auswuchttechnik kann der Literatur [GAS2002, SCH2000] entnommen werden.
7
Rotordynamische Grundlagen
7.2.3
309
Besonderheiten bei nicht-drehsymmetrischen Rotoren
(unrunde Wellen)
Bei Dampfturbinen lassen sich streng genommen keine vollständig drehsymmetrischen
Rotoren aufgrund der Beschaufelung und etwaiger Keilnuten realisieren, doch sind diese
Abweichungen äußerlich eher unwesentlich. Bei Turbogeneratoren sind die Abweichungen von der Drehsymmetrie massiv und man muss daher für den resultierenden Turbosatz den Effekt von unrunden Wellen auf die Rotordynamik beachten. Die entsprechende
Theorie hierzu kann anhand eines modifizierten Laval-Läufers mathematisch geschlossen
diskutiert werden, was sich beispielsweise bei Gasch, Nordmann und Pfützner im schon
erwähnten Buch [GAS2002] findet. Der Einfachheit halber nimmt man bei dieser Analyse
eine unrunde Welle an, die durch zwei unterschiedliche Steifigkeiten cy und cz hinsichtlich der lateralen Achsen des Läufers charakterisiert wird. Es resultieren daher auch zwei
unterschiedliche Eigenkreisfrequenzen !y und !z für diese unrunde Welle. Der Grad der
Unrundheit kann durch eine dimensionslose Größe
D
!y2 !z2
cy cz
D
cy C cz
2! 2
(7.17)
quantifiziert werden, wobei ! die mit einer mittleren Steifigkeit gebildete Eigenkreisfrequenz des Läufers bezeichnet. Die mathematische Analyse eines unrunden Laval-Läufers
ergibt, dass statt einer einzigen kritischen Drehzahl für 1 >
> 0 ein instabiler Bereich zwischen den beiden Eigenkreisfrequenzen !y und !z existiert. Die zugehörige
Stabilitätskarte für ein solches System ist in Abb. 7.7 qualitativ dargestellt. Für ein gegebenes Verhältnis liegt ein instabiles Verhalten des Läufers zwischen den eingezeichneten
Kurvenästen vor. Mit wachsender Unrundheit der Welle nimmt der instabile Bereich zu.
Dieses Verhalten kann qualitativ auf Kontinuumsrotoren übertragen werden, wobei dann
nicht nur – wie in Abb. 7.7 gezeigt – ein kritischer Bereich existiert, sondern eine ganze
Reihe kritischer Zonen zwischen den jeweiligen Eigenkreisfrequenzen.
Abb. 7.7 Qualitative Stabilitätskarte für einen unrunden
Laval-Läufer
310
S. aus der Wiesche
Eine Besonderheit tritt bei horizontal gelagerten unrunden Rotoren auf, bei denen der
Gewichtseinfluss zu einer sog. Gewichtsresonanz führt. Für einen einfachen horizontalen
unrunden Laval-Läufer kann dieses Phänomen mathematisch noch geschlossen analysiert
werden [GAS2002].
Die inhomogene Lösung infolge des Gewichtseinflusses des Differentialgleichungssystems ist in diesem Fall durch eine weitere kritische Drehzahl
!p
!
1 2 (7.18)
!g D
2
2
charakterisiert, bei denen die Wellenausschläge massiv anwachsen. Für Kontinuumsrotoren ergeben sich gewichtsbedingte kritische Drehzahlen für jede Mode i, wobei für kleine
Abweichungen von der Drehsymmetrie ( ! 0) auch hier vereinfachend die halben Werte der zugehörigen biegekritische Drehzahlen angesetzt werden können. Der in der Praxis
oft beobachtete etwas unruhige Lauf einer Turbogruppe bei etwa der Hälfte der biegekritischen Drehzahl kann auf diese Weise erklärt werden. In Abb. 7.8 sind die beiden
Grundphänomene für unrunde Wellen graphisch veranschaulicht.
7.2.4
Laval-Läufer mit äußerer und innerer Dämpfung
In der elementaren Schwingungslehre spielt die Dämpfung eine wichtige Rolle als dissipativer Mechanismus, der beispielsweise dafür sorgt, dass die homogene Lösung des
zugehörigen Differentialgleichungssystems im Laufe der Zeit abklingt. Auch begrenzen
prinzipiell Dämpfungsmechanismen die Amplituden bei Resonanzen. Für Rotoren liegen
im Allgemeinen wesentlich komplizierte Verhältnisse vor, da zwischen äußerer und innerer Dämpfung strikt unterschieden werden muss.
Abb. 7.8 Veranschaulichung des dynamischen Verhaltens von horizontalen unrunden Rotoren
7
Rotordynamische Grundlagen
311
Äußere Dämpfung Die äußere Dämpfung entsteht beispielsweise durch viskose Dissipation im umgebenden Fluid oder im Lager. Sie kann in ihrer Auswirkung auf die Dynamik
gut mit der aus der elementaren Schwingungslehre bekannten Dämpfung verglichen werden. Die Grundgleichungen
mRzW C ka zP W C c zW D m" ˝ 2 cos.˝t/
myRW C ka yPW C c yW D m" ˝ 2 sin.˝t/
(7.19)
für die laterale Bewegung eines Laval-Läufers können unter der Annahme geschwindigkeitsproportionaler Dämpfung ausgehend vom Gleichungssystem Gl. 7.9 für eine konstante Drehzahl ˝ direkt angegeben und gelöst werden. Hierbei bezeichnet ka die äußere
Dämpfung. Meist wird in der Technik alternativ zu ka das dimensionslose Dämpfungsmaß
oder der Dämpfungsgrad
ka
(7.20)
Da D
2m!
verwendet. Die äußere Dämpfung wirkt auf die Absolutbewegung der Welle, was in
Gl. 7.19 berücksichtigt worden ist. Für nicht zu große Dämpfungsmaße können die Resultate der elementaren Schwingungslehre direkt übernommen werden. Der auftretende
Vergrößerungsfaktor V im Resonanzfall ergibt sich näherungsweise zu
V 1
m!
D
:
ka
2Da
(7.21)
Die dämpfungsbedingte leichte Verschiebung der Eigenkreisfrequenz folgt
q
!a D ! 1 Da2
(7.22)
und es tritt ein Nacheilwinkel des Rotors ein, der der Phasenverschiebung eines gedämpften Schwingsystems entspricht.
Innere Dämpfung Neben der äußeren Dämpfung kann bei Rotoren noch eine innere
Dämpfung auftreten, deren Auswirkung zum Teil sehr überraschend ist. Physikalisch hat
sie ihre Ursache beispielsweise im viskosen Verhalten des Rotorwerkstoffs, oder sie rührt
aus der Reibung zwischen Nabe und Welle her, was in Abb. 7.9 veranschaulicht ist. Letzterer Mechanismus ist insbesondere für Schrumpfpassungen bei Turbinen zu beachten.
Die innere Dämpfung wirkt in Bezug auf die Bewegungen im mit-rotierenden Koordinatensystem und hängt nicht von den äußeren Bewegungen direkt ab.
Die Bewegungsgleichungen lauten für einen Laval-Läufer mit innerer Dämpfung im
mit-rotierenden Bezugssystem
2˝ zP W
C .ki =m/PzW
C .! 2 ˝ 2 /zW
D "˝ 2 cos ı
zRW
yRW
C 2˝ yPW
C .ki =m/yPW
C .! 2 ˝ 2 /yW
D "˝ 2 sin ı
(7.23)
312
S. aus der Wiesche
Abb. 7.9 Reibungszonen
zwischen Nabe und Welle bei Läuferdurchbiegung
(aus [GAS1975])
mit einer willkürlichen Integrationskonstanten ı, die für die Stabilitätsuntersuchung des
homogenen Systems irrelevant ist. Im mit-rotierenden Bezugssystem treten CoriolisBeiträge auf, die im Absolutsystem (vergleiche Gl. 7.19) fehlen. Die Stabilitätsuntersuchung für das durch Gl. 7.23 formulierte homogene System ergibt, dass die charakteristische Gleichung
2
C .2j˝ C .ki =m// C .! 2 ˝ 2 / D 0
(7.24)
Wurzeln hat, die für ˝ > ! einen positiven Realteil haben. Dies entspricht einer aufklingenden Lösung, was bedeutet, dass der Läufer mit rein innerer Dämpfung für ˝ > !
instabil wird. Dieses aufklingende Verhalten einer homogenen Lösung wirkt auf den ersten Blick paradox, da es seine Ursache in einem dissipativen Mechanismus, nämlich der
inneren Dämpfung, hat. Physikalisch kann das Aufklingen durch die Überführung von kinetischer Energie der Drehbewegung des Rotors in eine laterale Bewegung aufgrund der
inneren Dämpfung im überkritischen Betrieb erklärt werden. Für unterkritische Rotoren
wirkt auch die innere Dämpfung stabilisierend, da die Wurzeln von Gl. 7.24 in diesem
Fall negative Realteile aufweisen.
Äußere und innere Dämpfung In der Regel tritt bei Rotoren sowohl die innere als auch
die äußere Dämpfung gleichzeitig auf. In diesem Fall lautet das charakteristische Polynom
2
C .2j˝ C .ki =m/ C .ka =m// C .! 2 ˝ 2 C .j˝ka =m// D 0:
(7.25)
Die Analyse für dieses System liefert die in Abb. 7.10 gezeigte Stabilitätskarte. Unterhalb
der kritischen Drehzahl ! liegt stets Stabilität vor. Für überkritische Drehzahlen können
in Abhängigkeit des Verhältnisses von äußerer und innerer Dämpfung instabile Zustände
auftreten, wobei eine Vergrößerung der äußeren Dämpfung stabilisierend wirkt.
7
Rotordynamische Grundlagen
313
Abb. 7.10 Stabilitätskarte
für den Laval-Läufer mit innerer und äußerer Dämpfung
(nach [GAS1975])
Die Grenzdrehzahl, bei der Instabilität auftritt, berechnet sich für das System Gl. 7.25
aus
Da
˝Gr D 1 C
!:
(7.26)
Di
Vom theoretischen Standpunkt aus ist dieses von Smith 1933 hergeleitete Resultat außerordentlich wichtig [SMI1933]. Es zeigt, dass die Existenz von nicht-symmetrischen
Steifigkeitsmatrizen zu einem instabilen Systemverhalten führt. Der praktische Wert von
Gl. 7.26 ist für den Turbinenbau allerdings begrenzt, da real wesentlich anspruchsvollere Dämpfungsgesetze vorliegen. Für praktische Anwendungen bleibt festzuhalten, dass
innere Dämpfungsmechanismen für überkritisch betriebene Rotoren zu Stabilitätsproblemen führen können. In der Praxis sollte man daher bei Konstruktionen speziell die inneren
Dämpfungseffekte minimieren.
7.2.5 Resonanzdurchfahrt
Ein Rotor, der überkritisch betrieben werden soll, muss durch einen äußeren Antrieb
schnell durch die Resonanz gefahren werden. Dynamisch ist das zugehörige transiente Verhalten recht komplex und kann nur durch (numerische) Lösungen der zugehörigen nichtlinearen Differentialgleichungssysteme analysiert werden. Nähere mathematische Ausführungen hierzu finden sich in beispielsweise in [GAS1975, GAS2002] und
den dort angegebenen Originalarbeiten. In diesem Abschnitt werden nur die für den praktischen Betrieb wichtigsten Resultate zusammengefasst.
Für die Resonanzdurchfahrt ist die Winkelbeschleunigung, die meist als bezogene dimensionslose Größe
'R
(7.27)
a
!2
angegeben wird, relevant. Im Grenzfall a ! 0 liegt der quasistatische Fall vor, der durch
sehr hohe Amplituden in Resonanznähe gekennzeichnet ist. Erst ausreichend starke äuße-
314
S. aus der Wiesche
Abb. 7.11 Resonanzdurchfahrt eines Laval-Läufers
(aus [GAS1975])
re Antriebsmomente T gestatten Beschleunigungen, bei denen die Resonanz tatsächlich
durchfahren werden kann. Für das erforderliche Mindestdrehmoment können im Allgemeinen keine einfachen Angaben gemacht werden. Mit dem Trägheitsradius
p
=m
r
(7.28)
lassen numerische Lösungen auf die Grenzbedingung
TGr D 1;3
"
r
4=3
r2 ! 2 m
(7.29)
nach Gasch et al. schließen [GAS2002]. Eine erfolgreiche Resonanzdurchfahrt ist exemplarisch in Abb. 7.11 dargestellt. Hierbei wurde ein einfacher Laval-Läufer mit äußerer
Dämpfung Da D 0;1 und einer dimensionslosen Beschleunigung von a D 16 103
angenommen. Der auftretende Wellenausschlag ist mit der Exzentrizität " dimensionslos
gemacht worden; die Zeit ist ebenfalls mit Beschleunigung und Eigenkreisfrequenz in
Abb. 7.11 normiert dargestellt.
Qualitativ kann man aus Abb. 7.11 entnehmen, dass die maximale Auslenkung erst signifikant nach Erreichen der kritischen Drehzahl bei einer Beschleunigung auftritt. Auch
kommt es nach Passieren des Maximalausschlages noch zu anschließenden Oszillationen
in der Hüllkurve der Amplitude aufgrund von nichtlinearen Effekten. Für die Vergrößerungszahl V D rmax =" stammt von Markert [MAR1988] eine handliche Näherungsformel
V D
1
p ;
2Da C 0;707 a
(7.30)
wobei schwache Dämpfung und ein starker Antrieb vorausgesetzt werden. Für geringe Beschleunigungen treten höhere Maximalausschläge auf, wobei mit kleinerem a diese auch
immer näher bei ˝ D ! liegen. Im Falle des Herunterfahrens des Rotors, also bei Verzögerung, tritt der umgekehrte Effekt auf. Ein Rüttelrichtmoment wirkt vom Fundament auf
den Rotor, so dass dieser mehr beschleunigt, als es dem Antriebsmoment entspricht. Die
Näherungsformel Gl. 7.30 kann für praktische Anwendungen auch auf diesen Fall übertragen werden. Im Falle von schwachen Antrieben oder großen Exzentrizitäten „bleiben die
Rotoren beim Beschleunigen in der Resonanz hängen“. In diesem Fall nimmt die Auslenkung des Rotors unzulässig hohe Werte an und es tritt keine weitere Beschleunigung der
Drehzahl trotz eines aufgeprägten Antriebsmomentes auf. Physikalisch wird vom Antrieb
7
Rotordynamische Grundlagen
315
Energie zur Aufrechterhaltung der lateralen Bewegung und von Fundamentschwingungen
entzogen. Der Rotor setzt beim Durchfahren der Resonanzstelle einen größeren dynamischen Widerstand entgegen, als es nur seiner eigenen Drehträgheit oder dem elementaren
Reibmoment entspricht.
Betrachtet man Dampfturbinen großer Leistung, so würden die vom äußeren Antriebsmotor her möglichen Beschleunigungen nicht ausreichen, um bei Vernachlässigung der
Dämpfung ausreichend schnell durch die Resonanz zu fahren. Tatsächlich gestattet für
diesen Anwendungsfall erst die nicht zuletzt durch die Lagerung herrührende Dämpfung
das sichere An- und Abfahren der Turbostränge.
7.2.6
Einfluss der Kreiselwirkung
In den vorangegangenen Abschnitten wurde die durch eine Schrägstellung des Rotors
resultierende Kreiselwirkung vernachlässigt, was für typische Dampfturbinenkonstruktionen auch eine gute Näherung darstellt. Allgemein erfordern allerdings gyroskopische
Effekte prinzipiell eine massive Erweiterung der rotordynamischen Theorie und können
bei hohen Genauigkeitsansprüchen oder ausgefallenen Konstruktionen nicht mehr ignoriert werden.
Historisch sind in diesem Zusammenhang die Arbeiten von Stodola [STO1918] und
Green [GRE1948] zu nennen. Als Analogon zum einfachen Laval-Läufer wurde das als
Stodola-Green-Modell bekannte System eines fliegend gelagerten Rotors für die Analyse
aufgestellt. Bei diesem in Abb. 7.12 gezeigten Rotorsystemen sind die gyroskopischen
Effekte speziell im Falle eines hohen polaren Trägheitsmomentes (Fall b in Abb. 7.12)
wesentlich. Für trommelförmige Rotoren (Fall a in Abb. 7.12) können diese meist immer
noch vernachlässigt werden. Generell ist die Berücksichtigung von Kreiseleffekten sehr
anspruchsvoll, was beispielsweise im klassischen Buch [MAG1971] von Magnus demonstriert ist. Mit Blick auf rotordynamische Fragestellungen sei in diesem Zusammenhang
insbesondere auf die Darstellungen in [GAS2002] bzw. [DRE2005] oder [GAS1975] verwiesen. Aufgrund der Komplexität kann in diesem Abschnitt nur eine erste Übersicht
gegeben werden.
Behält man die bisherige Nomenklatur bei, so kann man die Bewegungsgleichungen
für einen dämpfungsfreien Rotor mit Berücksichtigung der gyroskopischen Beiträge in
Matrizenschreibweise kompakt als
fS D MRxS C GPxS C CxW
(7.31)
schreiben. Hierbei bezeichnet f den Kraft- und Momentenvektor, M die Massenmatrix, G
die Matrix der gyroskopischen Beiträge, C die Steifigkeitsmatrix und x den Vektor der 4
Freiheitsgrade für das einfache Stodola-Green-Modell. Für die weitere Diskussion ist die
Zusammenfassung zu komplexen Größen
rS D zS CjyS ;
rW D zW CjyW ;
S D Sz CjSy
und W D Wz CjWy (7.32)
316
S. aus der Wiesche
Abb. 7.12 Stodola-GreenModelle mit trommelförmiger
Rotorform (a) und Scheibenform (b)
sinnvoll. Aufgrund der nun nicht mehr ignorierten Schrägstellung treten anstelle eines
Winkels ' nunmehr zwei Winkel in Gl. 7.32 auf. Damit kann Gl. 7.31 explizit durch
2 2-Matrizen ausgedrückt werden,
"
m 0
0 a
#"
rRW
RW
#
#"
# "
rPW
0 0
c11
C
C
P
0 jp ˝
W
jc12
"
#
jı
m"e1
D ˝2
e j˝t :
.a p /'e jı2
"
jc12
c22
#"
rW
W
#
(7.33)
Hierbei bezeichnet den festen Winkel der etwaigen Schrägstellung der Scheibe (geometrische Imperfektion), der als Analogon zur lateralen Exzentrizität " aufgefasst werden
kann. Das komplexe Gleichungssystem Gl. 7.33 kann nun als Ausgangspunkt für die Analyse der Eigenkreisfrequenzen verwendet werden.
Freie Wellenschwingungen Betrachtet man nur das homogene System von Gl. 7.33,
so ergeben sich die freien Wellenschwingungen. Unter Einschluss der gyroskopischen
Beiträge resultieren vier rein imaginäre Wurzeln für das zugehörige charakteristische Polynom. Diese Wurzeln stellen die gesuchten Eigenkreisfrequenzen dar. Ihr prinzipieller
Verlauf ist für den Fall p > a in Abb. 7.13 als Funktion der Winkelgeschwindigkeit
˝ des Rotors graphisch dargestellt. Die Eigenkreisfrequenzen !v hängen jetzt nicht nur
von den Rotordaten m, a , p und cij ab, sondern auch noch von der Drehzahl ˝. Für
jede Drehzahl ˝ gibt es zwei positive und zwei negative Lösungen !v . Die Eigenkreisfrequenzen für einen stationären Rotor (˝ D 0) sind durch !01 ; : : :; !04 gegeben. Trotz
fehlender Kreiselwirkung wirkt sich in diesem Fall der Einfluss der rotatorischen Trägheit
formal immer noch aus. Das Vorzeichen der Eigenkreisfrequenzen entspricht gleich- bzw.
gegenläufigen Teillösungen. Die Asymptote
p .p =a /˝ in Abb. 7.13 ist von besonderem
Interesse, ebenso die Grenzfälle
! D c=m (Eigenkreisfrequenz für einen Rotor mit
p
Punktmassen) und ! D c11 =m (Eigenkreisfrequenz eines Rotors mit unterdrückter
Schrägstellung).
7
Rotordynamische Grundlagen
317
Abb. 7.13 Eigenfrequenzen des Stodola-Green-Modells für p > a (aus [GAS1975])
Unwuchterzwungene Wellenschwingungen Die Exzentrizität " bzw. eine geometrische Schrägstellung verursachen unwuchterzwungene Wellenschwingungen. Diese
sind durch kritische Drehzahlen charakterisiert, bei denen die Ausschläge divergieren.
Ihre Werte kann man graphisch finden, indem man den sog. Anfahrstrahl ˝ D ! in
das Diagramm der Eigenkreisfrequenzen einzeichnet und die Schnittpunkte bestimmt.
Dies ist schematisch in Abb. 7.14 für die beiden Fälle a < p und a > p für
eine gleichläufige Erregung dargestellt. Von einer gleichläufigen Erregung spricht man,
wenn die Drehrichtung der Wellenschwingung mit der Drehrichtung der rotierenden
Welle identisch ist. Diese Erregung wird auch als Haupterregung bezeichnet und ergibt
sich aus der Unwucht des Rotorsystems selbst. Für scheibenförmige Rotoren (Fall a in
Abb. 7.14) ergibt sich eine biegekritische Drehzahl ˝gl und für trommelförmige Rotoren
liegen zwei kritische Drehzahlen ˝gl1 und ˝gl2 vor (Fall b in Abb. 7.14). Der Sonderfall
a D p liefert ˝gl1 D ! und verhindert das Durchfahren der Resonanz, da die Asymptote .p =a /˝ nun mit dem Anfahrstrahl zusammenfällt. Physikalisch bedeutet dies,
dass für einen solchen Rotor im höheren Drehzahlbereich stets große Resonanzausschläge
auftreten. Dieser Zustand ist konstruktiv zu vermeiden. Im synchronen Resonanzfall des
Gleichlaufs läuft die Welle im gebogenen Zustand um und wird nur statisch belastet. Die
Schwingungsformen des Gegenlaufs sind stärker gedämpft als die des Gleichlaufs, da
im ersteren Fall die auftretenden Wechselverformungen der Welle zu einer wirksameren
Werkstoffdämpfung führen.
318
S. aus der Wiesche
Abb. 7.14 Kritische Drehzahlen für das Stodola-Green-Modell für p > a (a) und p < a (b)
für eine Gleichlaufanregung (nach [GAS1975])
Der gleichförmige Anteil wird nur durch die äußere Dämpfung begrenzt. Falls die rotierende Welle nicht durch Unwuchten, sondern durch äußere Kräfte oder Momente angeregt
wird, spricht man von Neben- oder Fremderregung. Bei dieser Anregungsart kann der Rotor sowohl in den Eigenfrequenzen des Gleichlaufs, als auch in denen des Gegenlaufs
in Resonanz geraten. Die entsprechenden kritischen Drehzahlen können graphisch als
Schnittpunkte der Strahlen der Anregungsfrequenz mit den Eigenkreisfrequenzen gefunden werden. Man findet, dass es stets zwei biegekritische Drehzahlen des Gegenlaufs gibt,
unabhängig vom Verhältnis der Trägheitsmomente. Es gilt hierbei ˝gg1 < ! und ˝gg2 >
!. Die kritischen Drehzahlen des Gegenlaufs stimmen für ˝ > 0 nicht mit denen des
Gleichlaufs überein. Bei den meisten Fremderregungen liegen keine idealen harmonischen
Anregungen derart cos ˝t vor, sondern es ist mit höheren Harmonischen, also Anregungsfrequenzen 2˝; 3˝; : : : zu rechnen. In diesem Fall liefern auch die Schnittpunkte
dieser höheren Harmonischen mit den Eigenkreisfrequenzen weitere kritische Drehzahlen. Gegenläufige Erregungen treten bei Dampfturbinen beispielsweise auf, wenn deren
Lagerböcke durch eine äußere Störquelle in Schwingung versetzt werden. Die Erregerfrequenz stimmt dann im Allgemeinen nicht mit der Wellendrehzahl ˝ oder ihren höheren
Harmonischen überein, sondern ist auf unabhängige Quellen zurückzuführen.
7.3
Berücksichtigung der Lagerung und des Fundaments
In den obigen Ausführungen wurden die Rotoren stets als ideal starr gelagert aufgefasst
und lediglich ein etwaiger äußerer Dämpfungseinfluss mit in die Analyse einbezogen.
Tatsächlich ist diese Vereinfachung für Dampfturbinen allerdings unzureichend, da wesentliche rotordynamische Phänomene im Betrieb direkt auf die Lagerung der Rotoren
7
Rotordynamische Grundlagen
319
Abb. 7.15 Aufstellungsarten großer Dampfturbinen mit Tisch-Stahlbeton- (a) und Boden-Stahlbeton-Fundament (b) (aus [HUS1999])
bzw. Aufstellung der Gesamtmaschinen zurückführbar sind. Die beiden heute gebräuchlichen Aufstellungsarten großer Dampfturbinen sind in Abb. 7.15 gezeigt. In der klassischen Aufstellung (Abb. 7.15a) ruht der Turbostrang auf einem Monolith- oder gefederten
Tisch-Stahlbeton-Fundament. Hierbei werden die Kondensatoren in der Regel unterflurig
angeordnet. Diese Aufstellungsart dominiert eindeutig bei Kohle- oder Kernkraftwerken.
Bei kombinierten Gas- und Dampfkraftwerken findet man häufig auch die zweite Art
(Abb. 7.15b), bei der die Turbogruppe auf einem Boden-Stahlbeton-Fundament aufgestellt wird. In diesem Fall werden die Kondensatoren meist seitlich oder axial auf gleicher
Ebene angeordnet.
Bei sehr kleinen Anlagen können Maschinen auch mit dem Gehäuse auf gummielastischen Füßen aufgestellt werden. In jedem Fall muss bei genauen rotordynamischen
Analysen die Flexibilität des Fundaments bzw. der Aufstellung berücksichtigt werden. Der
Baugrund selber kann als ein elastischer Halbraum angesehen werden, dessen dynamische
Eigenschaften zu Verschiebungen der kritischen Drehzahlen führen kann. Noch entscheidender sind aber die dynamischen Auswirkungen der Lagerung selber. Zunächst kann man
allgemein zwischen Bock- und Schildlagerungen unterscheiden. Für die Lagerabstützung
von Dampfturbinen werden vorwiegend freistehende Lagerböcke in gegossener oder geschweißter Bauweise eingesetzt, was in Abb. 7.16 exemplarisch gezeigt ist. Alternativ zu
den freistehenden Lagerböcken können integrierte Lagerabstützungen in Gehäusen oder
Schildlagerabstützungen eingesetzt werden. Letztere Abstützungsart findet man vor allem
bei den Generatoren des Turbostrangs. Grundsätzlich wird aufgrund der Abstützung eine
weitere Elastizität bzw. Steifigkeit in das dynamische System eingeführt. Zudem wird
wegen der unsymmetrischen Abstützung die Rotationssymmetrie gestört. Man spricht
hierbei auch von einer anisotropen Abstützung. Selbst bei Schildlagern ist diese Anisotropie aufgrund der unsymmetrischen Fußkonstruktion vorhanden. Bei Lagerböcken ist
die Horizontalsteifigkeit üblicherweise deutlich geringer als die Vertikalsteifigkeit, was
rotordynamische Konsequenzen hat.
Die speziellen dynamischen Eigenschaften der gewählten Lager müssen in die rotordynamische Analyse mit einbezogen werden. Grundsätzlich stehen heute für die Lagerung
320
S. aus der Wiesche
Abb. 7.16 Lagerböcke in gegossener oder geschweißter Bauweise für Dampfturbinen (aus
[HUS1999])
Tab. 7.1 Eigenschaften von Lagern für Dampfturbinen (nach [GAS2002])
Eigenschaft
Spezifische
Tragkraft
Reibungsverluste
Lebensdauer
Kosten und
Aufwand
Gleitlager
Hoch, bis 4000 N/cm2
Wälzlager
Moderat, bis 500 N/cm2
Magnetlager
gering, bis 60 N/cm2
Gering
Moderat
Sehr gering
Theoretische unbegrenzt
(bis auf Anlaufabrieb)
Hoch
Begrenzt, aber gut
abschätzbar
Sehr gering
Theoretische unbegrenzt
(bis auf Absturzgefahr)
Sehr hoch
von Rotoren Gleit-, Wälz- oder aktive Magnetlager zur Verfügung. Die wichtigsten Eigenschaften dieser drei Lagerarten sind in Tab. 7.1 zusammengefasst. Die spezifische
Tragkraft (Lagerbelastung) ist bei Gleitlagern sehr hoch. Da zudem geringe Reibungsverluste auftreten, werden diese bei Dampfturbinen fast ausschließlich eingesetzt. Sie sind
daher auch Gegenstand eines separaten Kap. 19 in diesem Buch. Gleitlager weisen im Vergleich zu Wälz- oder Magnetlagern rotordynamische Besonderheiten auf, die nachfolgend
noch diskutiert werden. Wälzlager findet man nur bei recht kleinen, leichten Maschinen.
Bei Dampfturbinen werden sie im Gegensatz zu Gasturbinen praktisch nicht verwendet.
Aktive Magnetlager sind für kleine hochtourige Maschinen einsetzbar. Derzeit sind sie
Gegenstand von Forschungsarbeiten, und ein Hersteller bietet aktuell Dampfturbinen mit
Magnetlagern an [WIT2015].
Die besonderen dynamischen Eigenschaften von Magnetlagern können dem Buch
von Gasch et al. [GAS2002] entnommen werden. Magnetgelagerte Dampfturbinen
sind praktisch „ölfrei“, was einen großen Vorteil hinsichtlich des Brandschutzes in
Kraftwerken darstellt. Die für den Dampfturbinenbau wichtigen Gleitlager sind durch
Nachgiebigkeit (Steifigkeit) und Dämpfung des tragenden Ölfilms charakterisiert. Bei
7
Rotordynamische Grundlagen
321
Abb. 7.17 Abhängigkeit der kritischen Drehzahlen von der Nachgiebigkeit der Lagerung
(nach [LIN1992])
allen hydrodynamischen Gleitlagern treten aber unabhängig vom Schmiermedium aufgrund der inhärenten Strömungen gravierende rotordynamische Effekte auf, die nicht
mehr durch einfache Feder-Dämpfungs-Modelle erfassbar sind. Dies bemerkte bereits
1925 Stodola [STO1925], der an der mathematischen Struktur der Steifigkeitsmatrizen für
Gleitlager erkannte, dass diese zu einer Rotorinstabilität führen kann. Tatsächlich ist die
Steifigkeitsmatrix nicht symmetrisch (cij ¤ cji ), was einem nicht-konservativem System
entspricht. Unter bestimmten Bedingungen wird dem Maschinenantrieb (Torsionshaushalt
des Rotors) über den Ölfilm Energie entzogen, was zu selbsterregten Biegeschwingungen
führen kann. Später fand man, dass neben der Steifigkeitsmatrix auch die zugehörige
Dämpfungsmatrix unsymmetrisch ist. Als Folge können sich für gleitgelagerte Rotoren daher unerwartete Rotorinstabilitäten zeigen, was schon in Abb. 7.4 veranschaulicht
wurde.
Die Abhängigkeit der Eigenkreisfrequenzen (kritischen Drehzahlen) einer einfachen
Welle von der Steifigkeit der Lagerung bzw. der Abstützung ist qualitativ in Abb. 7.17
illustriert. Die Rotorsteifigkeit ist in Abb. 7.17 mit cR und die Lagersteifigkeit mit cL
bezeichnet. Anstelle der Lagersteifigkeit wird auch die Nachgiebigkeit hLB D 1=cL verwendet. Für sehr steife Lager bzw. Abstützungen (cL =cR ! 1) ergeben sich für den
Rotor die Eigenformen bei angenommener starrer Lagerung. Für den Kontinuumsrotor in
Abb. 7.17 sind die entsprechenden ersten vier Moden eingezeichnet. Mit zunehmender
Nachgiebigkeit der Abstützung sinken die Eigenkreisfrequenzen des Systems. Für sehr
elastische Lager kann der Rotor auch zu Schwingungen nach Art eines Starrkörpers angeregt werden.
322
S. aus der Wiesche
Abb. 7.18 Elastisch gelagerte
Welle (aus [GAS1975])
7.3.1 Läufer in elastischen Lagern
Die dynamisch einfachsten Verhältnisse liegen vor, wenn die Lagerungen bzw. Abstützungen nur durch horizontale und vertikale Federelemente modelliert werden. Das so
entstehende Minimalmodell ist in Abb. 7.18 mit der gewählten Nomenklatur gezeigt. Die
aufgrund der Rotorsteifigkeit cR und der Lagersteifigkeiten cv und ch resultierenden Gesamtelastizitäten ergeben sich für die beiden Raumrichtungen zu
cz D
2cv cR
2cv C cR
und cy D
2ch cR
:
2ch C cR
(7.34)
Die Lagersteifigkeiten sind für anisotrope Lager (cv ¤ ch ) unterschiedlich, so dass sich für
die lateralen Bewegungen bei konstanter Rotordrehzahl das Differentialgleichungssystem
mRzW C cz zW D "˝ 2 m cos.˝t/
myRW C cy yW D "˝ 2 m sin.˝t/
(7.35)
ergibt. Die Unwuchtantwort des Systems Gl. 7.35 ist für anisotrope Lager (cv ¤ ch )
durch die Existenz von zwei kritischen Drehzahlen !y und !z charakterisiert. Diese liegen
stets tiefer als die starr-kritische Drehzahl ! (gebildet mit cR unter Vernachlässigung der
Lagereinflüsse), was qualitativ in Abb. 7.19 dargestellt ist. Für den Grenzfall der isotropen
Lagerung (cv D ch ) fallen die kritischen Drehzahlen zusammen, liegen aber tiefer als die
starr-kritische Drehzahl. Die unterschiedlichen kritischen Drehzahlen !y und !z führen
dazu, dass der Rotor im Allgemeinen eine ellipsenförmige Bahnkurve um die Drehachse
beschreibt. Hierbei liegt für 0 < ˝ < !y und !z < ˝ ein Gleichlaufverhalten und im
Zwischenbereich !y < ˝ < !z ein Gegenlaufverhalten vor. In den Resonanzen ˝ D !y
und ˝ D !z entarten die Ellipsen (die große Halbachsen divergieren dort und werden nur
noch durch die Dämpfung begrenzt).
In der Praxis muss bei der Modellierung der Abstützung des Rotors neben der Nachgiebigkeit hLB D 1=cLB auch noch die Masse mLB der Stützkonstruktion berücksichtigt
werden. Das so erweiterte mechanische Ersatzmodell für einen abgestützten einfachen
Rotor ist in Abb. 7.20 schematisch dargestellt, wobei eine Querriegelfederung für den
7
Rotordynamische Grundlagen
323
Abb. 7.19 Wellenausschläge
für einen elastisch gelagerten
Rotor in Abhängigkeit der
Drehzahl ˝
Abb. 7.20 Ersatzmodell eines abgestützten Rotors mit
Berücksichtigung der Lagerbockmasse
elastischen Lagerbock angenommen wurde. Die für weitergehende rotordynamische Berechnungen anzusetzenden Werte für die effektive Nachgiebigkeit hLB sind üblicherweise
nicht vorab bekannt bzw. aus Konstruktionszeichnungen ableitbar. Ein übliches Vorgehen
zur Parameteridentifikation von hLB beruht darauf, dass man für eine ausgeführte, vergleichbare Konstruktion rechnerisch den Verlauf der kritischen Drehzahl ! D !(hLB )
als Funktion der unbekannten Nachgiebigkeit hLB berechnet und mit experimentell gefundenen Werten vergleicht. Falls keine vergleichbaren Erfahrungsdaten vorliegen, kann
für eine erste Abschätzung auch mit dem in Abb. 7.17 gezeigtem Verlauf gearbeitet werden.
Hierbei ist allerdings zu beachten, dass die in Abb. 7.17 gezeigte Abhängigkeit unter Vernachlässigung der Lagerbockmasse mLB bestimmt worden ist. Ist diese wesentlich,
so muss man bei der Vorabrechnung formal auch den Verlauf von ! für negative Werte
der Nachgiebigkeit hLB bestimmen und die Parameteridentifikation über eine weitere Bewegungsgleichung bzw. Nachgiebigkeitskurve durchführen, was detailliert in [GAS2002]
erläutert wird. In diesem Zusammenhang sei noch auf eine prinzipielle Stabilisierung
durch eine Lagerung mit unterschiedlichen vertikalen und horizontalen Steifigkeiten hingewiesen. Die Stabilitätsgrenzen für einen solchen orthotrop gelagerten Rotor mit innerer
und äußerer Dämpfung können sich günstig in den Bereich höherer Drehzahlen verschieben, was anhand eines Laval-Läufers in [GAS2002] detailliert vorgeführt wird. Allerdings
ist der praktische Wert dieser interessanten theoretischen Aussage nach Dara Childs doch
eher gering [CHI1993].
324
7.3.2
S. aus der Wiesche
Besonderheiten bei Gleitlagern
Die Existenz von selbsterregten Biegeschwingungen von gleitgelagerten Rotoren wurde qualitativ bereits in den vorangegangenen Ausführungen erwähnt. Charakteristisch
an diesen Instabilitäten ist, dass für ausreichend hohe Drehzahlen ˝ plötzlich Schwingungen mit massiven Amplituden auftreten können, deren Frequenzen nicht gleich der
Umlauffrequenz sind, sondern deutlich niedriger liegen. Die Beobachtung zeigt, dass die
Frequenz einer gleitlagerbedingten Schwingung gleich der biegekritischen Eigenfrequenz
ist [TON1965]. Die zugrundeliegenden Ursachen wurden theoretisch erst relativ spät in
der Rotordynamik zufriedenstellend geklärt, aber aufgrund der Vielzahl der Gleitlagerausführungen ist diese Thematik noch weit von einem Abschluss entfernt. In diesem
Abschnitt können nur rotordynamische Grundzusammenhänge erläutert werden. Weitere
Ausführungen zu Gleitlagern und ihren Besonderheiten für den Dampfturbinenbau finden sich in einem späteren Kap. 19 in diesem Buch oder können der Literatur [PIN1961]
entnommen werden.
Für die Beschreibung des Verhaltens von Gleitlagern wird im Sinne der Ähnlichkeitstheorie auf eine Kennzahl, die sog. Sommerfeld-Zahl
So D
Fstat 2
;
BD˝
(7.36)
zurückgegriffen. Diese wird mit der statischen Lagerlast Fstat , der Lagerbreite B, dem
Lagerdurchmesser D, dem relativen Lagerspiel
D
Dd
d
(7.37)
und der dynamischen Viskosität des Schmiermittels sowie der Drehzahl ˝ des Wellenzapfens mit Durchmesser d gebildet. Physikalisch heißt dies, dass sich geometrisch
ähnliche Lager bei gleicher Sommerfeld-Zahl auch ähnlich verhalten. Die Bahnkurve
des Wellenzapfens hängt bei Gleitlagern von der Drehzahl ˝ ab. Eine tragende Wirkung
kommt dynamisch durch den Ölfilm im Lager zustande. Dem Ölfilm können in einem mechanischen Ersatzmodell sowohl elastische als auch dämpfende Wirkungen zugewiesen
werden. Bei Linearisierung um den Betriebspunkt liegt zunächst die Verwendung eines
einfachen Ersatzmodells nach Art von Abb. 7.21 nahe. Bei der Ableitung der dynamischen
Grundgleichungen muss aber auf eine Unzulänglichkeit des in Abb. 7.21 gezeigten Ersatzmodells für Gleitlager hingewiesen werden: Streng genommen würde das in Abb. 7.21
gezeigte Feder-Dämpfer-System auf symmetrische Systemmatrizen führen, was gerade
nicht dem realen Gleitlagerverhalten entspricht. Insofern sind die in Publikationen oftmals zu findenden Ersatzmodelle nach Art von Abb. 7.21 kritisch zu betrachten.
7
Rotordynamische Grundlagen
325
Abb. 7.21 Ersatzmodell für
ein Gleitlager mit diskreten
Feder- und Dämpfungselementen
Der Zusammenhang zwischen den lateralen Lagerkoordinaten und den Kräften aufgrund der statischen Lagerlast wird durch eine Matrizenbeziehung
"
# "
#"
#
zL
hzz hzy
Fz
xL D HL fc bzw.
D
(7.38)
yL
hyz hyy
Fy
ausgedrückt. Gewöhnlich werden in der Literatur aber nicht die Nachgiebigkeitsmatrix
HL , sondern die Steifigkeitsmatrix CL verwendet, was anstelle von Gl. 7.38 auf
"
# "
#"
#
Fz
czz czy
zL
fc D CL xL bzw.
D
(7.39)
Fy
cyz cyy
yL
führt. Der Dämpfungsbeitrag kann durch eine Dämpfungsmatrix B erfasst werden. Für
einen Rotor der Masse m, der von zwei symmetrischen Gleitlagern getragen wird, ergeben
sich die Bewegungsgleichungen
# "
# "
#
#
"
#"
#"
"
m 2 cos˙t
m zR
bzz bzy
czz czy
zP
z
C
C
D" ˝
; (7.40)
2
2
yR
yP
y
sin˙t
byz byy
cyz cyy
wobei der Index für die Lager bzw. Wellenkoordinaten der einfacheren Schreibweise unterdrückt ist. Für einen biegeelastischen Rotor mit einer endlichen Rotorsteifigkeit ergibt
sich anstelle von Gl. 7.40 eine erweiterte Matrizenbeziehungen für die 4 Koordinaten zL ,
zW , yL , und yW . Die Ausdrücke für die Einträge bij und cij in den beiden Systemmatrizen
B und C können nicht durch einfache Ersatzmodelle nach Art von Abb. 7.21 direkt gefunden werden. Hierzu ist man entweder auf Messungen (siehe beispielsweise die Daten
von Glienicke [GLI1966, GLI1969]) oder auf anspruchsvolle theoretische Ansätze (siehe [GAS2002, CHI1993]) angewiesen. Für die mathematische Stabilitätsanalyse ist entscheidend, dass die Systemmatrizen für hydrodynamische Gleitlager nicht-symmetrisch
sind. In der Theorie ist es üblich, anstelle der Einträge bij und cij dimensionslose Größen
bijC D bij
SoR˝
Fstat
und cijC D cij
SoR
Fstat
(7.41)
326
S. aus der Wiesche
Abb. 7.22 Stabilitätskarte für
einen starren Rotor in Kreisbzw. Zitronenlagern (nach
Angaben aus [GAS1975])
zu verwenden. In Gl. 7.41 wurde als Längenmaßstab das Lagerspiel R D .D d /=2
verwendet. Die Werte der Einträge Gl. 7.41 hängen von der Sommerfeld-Zahl So und
der geometrischen Ausführung des Lagers (ob etwa ein einfaches Kreislager oder ein
Zitronenlager vorliegt) ab.
Angaben über ihre Werte und deren Verlauf als Funktion der Sommerfeld-Zahl können
exemplarisch in [GAS1975, GLI1966, GLI1969] entnommen werden. Bei der heutigen
industriellen Lagerauslegung greift man zu ihrer Bestimmung auf anspruchsvolle Lagerberechnungsprogramme zurück.
Die mathematische Stabilitätsuntersuchung geht vom homogenen System des allgemeinen Gleichungssystems Gl. 7.40 aus. Ein Exponentialansatz für die homogene Lösung
führt nach einigen Umformungen auf ein charakteristisches Polynom 4. Grades, dessen
Koeffizienten von den Einträgen Gl. 7.41 und der Größe SoR˝ 2 =g abhängen. Die Wurzeln des charakteristischen Polynoms liefern direkt die gesuchten Eigenkreisfrequenzen
!i . Ihre Werte kann man nur bei Kenntnis der Zahlenwerte für die Dämpfungs- und Steifigkeitskoeffizienten Gl. 7.41 berechnen, was recht aufwendig ist. Die wesentliche Aussage
über das Stabilitätsverhalten kann man aber auch ohne explizite Kenntnis der Zahlenwerte
für die Wurzeln !i rein aus den übergeordneten Stabilitätsbedingungen für ein dynamisches System gewinnen. Eine auf diese Weise ermittelte Stabilitätskarte für einen starren
Rotor in einem einfachen Kreis- und einem einfachen Zitronenlager zeigt Abb. 7.22. Für
die Erstellung der abgebildeten Stabilitätskarte wurden in [GAS1975] die Lagerdaten von
Glienicke [GLI1966, GLI1969] verwendet. Bei diesen Stabilitätskarten wird die normierte Grenzdrehzahl ˝Gr , oberhalb derer der gleitgelagerte Rotor instabil wird, als Funktion
der Sommerfeld-Zahl So dargestellt. Der Bereich oberhalb der Grenzkurven entspricht
einem instabilen Lauf mit aufklingenden homogenen Lösungen. Bei dem in Abb. 7.22
gezeigtem Beispiel entnimmt man, dass das einfache Kreislager ein wesentlich größeres
instabiles Gebiet als das Zitronenlager aufweist. Insgesamt gilt, dass Mehrflächenlager
im Allgemeinen hinsichtlich ihres rotordynamischen Stabilitätsverhaltens den einfachen
Kreislagern überlegen sind.
7
Rotordynamische Grundlagen
327
Bei der Erweiterung auf biegeelastische Rotoren tritt neben der Lagerbauweise und der
Sommerfeld-Zahl noch ein weiterer dimensionsloser Parameter
D
wmax
R
(7.42)
hinzu, der als Maß für die Biegeelastizität in Bezug auf die Lagersteifigkeit angesehen
werden kann. Die Größe wmax stellt die maximale statische Durchbiegung des Rotors
dar. Im Grenzfall eines ideal-starren Läufers gilt offensichtlich D 0. Sehr biegeelastische Läufer sind durch große Werte für charakterisiert. Das instabile Gebiet nimmt mit
wachsender Rotorelastizität ( ) ab, wenn man die dimensionslose Grenzdrehzahl ˝Gr =!
auf die entsprechenden Eigenkreisfrequenz ! über die Sommerfeld-Zahl aufträgt. Zu beachten ist aber bei dieser Darstellung, dass die Eigenkreisfrequenz ! selbst eine direkte
Funktion der Rotorelastizität ist. Neben der Darstellung der Grenzdrehzahl ˝Gr als Funktion der mit der Wellendrehzahl ˝ definierten Sommerfeld-Zahl So (siehe Gl. 7.36) hat
sich auch die Verwendung einer modifizierten Sommerfeld-Zahl So D So˝=! verbreitet. Diagramme mit So D SoK als Abszisse bieten Vorteile bei der Ermittlung der
Grenzdrehzahl für ein gegebenes Läufer-Lager-System. In diesem Fall ist nämlich die Eigenkreisfrequenz ! des Rotors aus den Konstruktionsdaten bekannt, so dass man mit der
modifizierten Sommerfeld-Zahl So direkt die Grenzdrehzahl aus dem Diagramm ablesen
kann. Ein entsprechendes Beispiel zeigt Abb. 7.23, welches aus [GAS1975] entnommen wurde. Auch hier ist die Überlegenheit des Zitronenlagers gegenüber dem einfachen
Kreislager offensichtlich. Nach Ermittlung der kritischen Drehzahlen, also der Wurzeln
!i des zugehörigen charakteristischen Polynoms des dynamischen Systems, können die
Unwuchtantworten und die Resonanzantworten im stabilen Drehzahlbereich berechnet
werden. Die resultierenden Amplituden der erzwungenen Schwingungen hängen von den
Parametern D ˝=!, und der Sommerfeld-Zahl So ab. Bei Annäherung der Drehzahl ˝ an die Eigenkreisfrequenz ! kommt es zu ausgeprägten Resonanzerscheinungen.
Allerdings können darüber hinaus noch weitere dynamisch hervorgerufene Erhöhungen
auftreten. In solchen Fällen ergeben sich mehrere kritischen Drehzahlen, was auf die
Wechselwirkung des Läufers mit den Lagern zurückzuführen ist.
7.3.3 „Oil whirl“ und „Oil whip“
Die instabile Bewegung eines horizontalen Rotors in hydrodynamischen Lagern um eine
Gleichgewichtslage im überkritischen Betrieb ist im Englischen auch als „oil whirl“ bekannt. Dieses Phänomen ist durch eine Präzessionsfrequenz des Rotors, die gleich seiner
Eigenfrequenz ist, charakterisiert (vergleiche hierzu auch Abb. 7.4). Im Falle von horizontalen Rotoren, gibt es keinen entsprechenden Gleichgewichtszustand und es treten
halbzahlige Frequenzen für die Präzessionsbewegung auf. Für überkritische Rotordrehzahlen ˝ > 2! koppelt diese subsynchrone Schwingung mit den Eigenkreisfrequenzen
und man spricht dann von „oil whip“. Nähere Ausführungen zu den zugrundeliegenden
328
S. aus der Wiesche
Abb. 7.23 Exemplarische Stabilitätskarte für einen gleitgelagerten Laval-Läufer als Funktion der
bezogenen Sommerfeld-Zahl (aus [GAS1975])
Mechanismen kann man beispielsweise dem Buch von Childs [CHI1993] entnehmen. Für
einen vertikalen Rotor findet man bei ˝ D 2! den Übergang vom „oil whirl“ zum „oil
whip“. Da Dampfturbinen aber (abgesehen von wenigen Ausnahmen und von den sehr
frühen Konstruktionen von GE) horizontal gebaut werden, ist dieser Übergang in diesem
Kapitel nicht mehr weiter von Interesse.
7.4 Rotordynamische Sonderprobleme für Dampfturbinen
Aus der Fülle der rotordynamischen Phänomene und Mechanismen sind neben den
oben behandelten grundlegenden Zusammenhänge noch weitere Effekte speziell für den
Dampfturbinenbau relevant, die in diesem Unterkapitel vorgestellt werden.
7
Rotordynamische Grundlagen
7.4.1
329
Spalterregung – Thomas-Kräfte (Dampfanfachung)
Ein bemerkenswerter Instabilitätsmechanismus bei axial durchströmten Turbinen ist aufgrund von nicht-symmetrischen Spaltdurchströmungen und deren Kräften auf den Rotor
gegeben. Nach ihrer erstmaligen Identifizierung 1958 durch Thomas [THO1958] spricht
man im Deutschen auch von entsprechenden „Thomas-Kräften“. In der amerikanischen
Literatur werden diese mehrheitlich nach Alford benannt, der 1965 eine bekannte Publikation [ALF1965] über die von Thomas sieben Jahre zuvor entdeckten Spalterregungsmechanismen geschrieben hatte. Vorher war an Dampfturbinen großer Leistung im Betrieb
eine problematische Tendenz zu rotordynamischen Instabilitäten bei einer Erhöhung der
Leistung trotz gleicher Drehzahl festgestellt worden. Es traten sogar Fälle auf, bei denen die in der ursprünglichen Auslegung vorgesehene Nennleistung nicht erreicht werden
konnte. Da bei den bisherigen Instabilitäten eine kritische Grenzdrehzahl ˝Gr , aber keine
kritische Leistungsgrenze, auftrat, blieb dieses Verhalten zunächst dubios. Man bezeichnet dieses Phänomen im Deutschen auch als „Dampfanfachung“, obwohl diese Instabilität
auch bei axialen Gasturbinen grundsätzlich vorkommen kann.
Zur Erläuterung des zugrundeliegenden Mechanismus kann man von der in Abb. 7.24
gezeigten Konfiguration ausgehen. Dort ist ein axial durchströmtes Turbinenlaufrad gezeigt, welches eine Exzentrizität e0 aufweist. Diese nicht-symmetrische Konfiguration
zieht unmittelbar einen über den Umfangswinkel variablen Spalt zwischen Laufschaufeln (bzw. Deckband) und Gehäuse nach sich. Ohne Exzentrizität e0 kann der entsprechende Beitrag der Umfangskraft
dF D Fs u
d
2
(7.43)
für einen differentiellen Sektor d mit Hilfe der idealen Umfangskraft
Fs D
mh
P
R˝
(7.44)
und des strömungstechnischen Umfangwirkungsgrads u ausgedrückt werden. In Gl. 7.44
bezeichnet R den mittleren Stufenradius, m
P den Dampfdurchsatz und h das Enthalpiegefälle. Liegt eine Exzentrizität e0 vor, so sind die Spaltverluste über den Umfang
Abb. 7.24 Zur Erläuterung
der Spalterregungskräfte nach
Thomas
330
S. aus der Wiesche
ungleichförmig, so dass man für diesen Fall anstelle von Gl. 7.43 den Ausdruck
dF D Fs .u sp .//
d
2
(7.45)
mit dem lokalen Spaltverlustkoeffizienten sp ./ erhält. Die auf den Rotor wirkenden lateralen Kräfte ergeben sich als Projektionen nach Integration über den Umfang gemäß
Z2
Fz D Fs
sin dF D
2
0
sp ./ sin d
0
Z2
Fy D
Z2
cos dF D Fs
2
0
Z2
sp ./ cos d:
(7.46)
0
Bei der Integration Gl. 7.46 entfällt wegen der trigonometrischen Funktionen der konstante u -Anteil und es bleibt nur ein vom zunächst unbekannten Spaltverlustkoeffizient
sp abhängiger Beitrag übrig. Im Turbomaschinenbau gibt es zwar eine Vielzahl von zum
Teil sehr anspruchsvollen Verfahren, diesen Verlustkoeffizienten zu ermitteln [DEN1993],
aber für die folgende Problematik genügt bereits eine vereinfachte Betrachtung. Für den
Spalt Z zwischen Beschaufelung und Gehäuse gilt der geometrische Zusammenhang
Z D Z0 e0 cos :
(7.47)
Weiterhin wird der Spaltverlustkoeffizient sp rein über den auf den Dampfdurchsatz bezogenen Spaltmassenstrom
m
P sp
(7.48)
sp D
m
P
ausgedrückt. Diese klassische Annahme muss im vorliegenden Fall lokal, d. h. für ein differentielles Sektorelement d, ausgewertet werden. Man findet unter Verwendung einiger
bekannter strömungstechnischer Beziehungen für den lokalen Spaltverlust den Ausdruck
sp ./ D
2K
Z./:
L
(7.49)
Hierbei stellt K eine Konstante dar, die selbst von strömungstechnischen Größen, wie
der axialen Geschwindigkeitskomponente oder den Geschwindigkeitsbeiwerten, abhängt [CHI1993]. Entscheidend ist, dass Gl. 7.49 zusammen mit Gl. 7.47 für die
Kraftkomponenten Gl. 7.46 auf die Resultate
Fz D 0
(7.50)
Fy D e0 ksp
(7.51)
7
Rotordynamische Grundlagen
331
führt. Hierbei entspricht ksp einer Steifigkeit. Stellt man den gefundenen Zusammenhang
in Matrizen-Schreibweise
#"
#
"
# "
z
Fz
0
ksp
(7.52)
D
Fy
ksp 0
y
für die Thomas-Kraft dar, wird anhand der anti-symmetrischen Steifigkeitsmatrix in
Gl. 7.52 mathematisch die Ursache der rotordynamischen Instabilität durch die Spalterregung offensichtlich. Bei kleiner Auslenkung des Läufers aus der gehäusezentrischen
Lage stellen sich nach Gl. 7.52 Kräfte ein, die senkrecht zur resultierenden Auslenkung
stehen und dieser in Wellendrehrichtung um 90ı vorauseilen. Liegt eine gleichförmige
Schwingung des Läufers vor, so führt die Thomas-Kraft der Schwingung Energie zu, führt
also zu der beobachteten Instabilität (sog. Dampfanfachung).
In der offenen Literatur gibt es nur sehr wenige Versuchsdaten und belastbare experimentelle Aussagen über die Dampfanfachung, von denen die Publikation von Urlichs [URL1976] noch immer die einschlägigste ist. Das dort beschriebene Testprogramm
wurde mit Hilfe einer Versuchsturbine an der TU München unter Anleitung von Thomas
durchgeführt. Die generellen Abhängigkeiten der für die Ermittlung von ksp relevanten
Parameter wurden für die untersuchte Stufe ohne Deckband ermittelt, aber gewisse Diskrepanzen zur Theorie konnten nicht ignoriert werden. Mit Blick auf die tatsächlich sehr
komplizierten Mechanismen für Spaltverluste [DEN1993] und die angenommene Vereinfachung Gl. 7.48 sind diese Abweichungen aber nicht überraschend. In [WIE2015] wurde später ein einfaches Modell für die Thomas-Alford-Kräfte auf Basis des DurchflussBeiwerts für Spaltströmungen vorgestellt, was in ausgezeichneter Übereinstimmung mit
den Messdaten von Urlichs steht.
In der Arbeitsgruppe von Thomas wurde auch der Einfluss eines Deckbands auf die
Spalterregung experimentell untersucht. Es zeigte sich hierbei, dass die destabilisierende
Wirkung der Dampfanfachung bei Deckbändern sogar stärker sein kann, als bei Stufen
mit freien Schaufelenden [CHI1993]. Diese zunächst überraschende Beobachtung kann
mindestens teilweise auf die Wirkung der Dichtungen an den Deckbändern (LabyrinthDichtungen) zurückgeführt werden. Innerhalb der Dichtungen treten bei einer bestimmten
Leistung Druckverteilungen auf, die destabilisierend wirken können. Aufgrund der Vielzahl von Betriebs- und Konstruktionsparametern und aufgrund der hohen Bedeutung der
Dampfanfachung für die Praxis ist der Mangel an weiteren systematischen experimentellen Daten in der offenen Literatur derzeit unbefriedigend. Andererseits macht eine
Sichtung der international erteilten Patente deutlich, dass bezüglich der Dampfanfachung
und der Spalterregung nicht-öffentliche, firmeninterne Forschungsvorhaben von Bedeutung sind. Um die drastischen strömungstechnischen Vereinfachungen der klassischen
Analyse zu überwinden und um gezielt Dichtungseinflüsse untersuchen zu können, werden verstärkt detaillierte numerische Strömungssimulationen eingesetzt [SCH2006].
332
7.4.2
S. aus der Wiesche
Dichtungen
Dampfturbinen weisen wie alle thermischen Turbomaschinen eine Vielzahl von berührungslosen Dichtungen (Labyrinth-Dichtungen) auf, die Auswirkungen auf das rotordynamische Verhalten haben. Als Grundmodell für die Analyse werden bei Dampfturbinen
ringförmige Gas-Dichtungen im Gegensatz zu den bei Pumpen eingesetzten FlüssigkeitsDichtungen betrachtet. Bei Gas-Dichtungen müssen die Kompressibilitätseffekte des
Fluids berücksichtigt werden, aber man kann in der Regel ihre Trägheitsterme in der Beschreibung vernachlässigen, was bei Flüssigkeitsdichtungen nicht möglich ist. Aufgrund
der Druckverhältnisse erfordern Dichtungen für Hochdruck-Dampfturbinen allerdings
eine besondere Aufmerksamkeit, da wegen der relativ hohen Dichte des Dampfes ihre
dynamischen Effekte ausgeprägt sind.
Im Anschluss an die Identifizierung der Spalterregung durch Thomas und Alford wurden in den 1970er-Jahren bei Dampfturbinen großer Leistung die hohe Bedeutung der
Dichtungen auf die Rotordynamik allgemein anerkannt. Eine historisch wichtige Arbeit
über entsprechende „steam whirls“ stammt von Pollmann und Termuehlen [POL1975];
wenig später stellten Greathead und Bostow 1976 ihre Analyse [GRE1976] über das
Instabilitätsverhalten einer Dampfturbine in Gleichdruckbauweise vor. Bemerkenswert
war bei diesen Beobachtungen, dass – wie im Falle der Thomas-Kräfte – keine Grenzdrehzahl, sondern eine kritische Leistung der Turbine zugeordnet werden konnte. Die
beobachteten Schwingungen waren sub-synchron und ihre Frequenz entsprach der biegekritischen Eigenfrequenz des Rotors. Diese Beobachtungen wiesen auf eine gewisse Ähnlichkeit mit dem aus der Gleitlagerverwendung bekannten Phänomenen des „oil
whirl“ und des „oil whip“ hin. Aus heutiger Sicht bestätigte sich diese Einschätzung. Die
theoretische Behandlung von berührungslosen Gasdichtungen und ihre rotordynamischen
Selbsterregungsmechanismen lassen sich auf Basis der zugrundeliegenden strömungstechnischen Verhältnisse nachvollziehen. Diese Thematik ist allerdings sehr umfangreich,
so dass für eine Übersicht auf die Bücher [GAS2002] und [CHI1993] sowie die dort angeführten Originalarbeiten verwiesen wird. Es zeigt sich, dass neben leistungsabhängigen
Selbsterregungsmechanismen bei Dichtungen auch drehzahlabhängige Phänomene auftreten können. Im Gegensatz zu den Thomas-Kräften Gl. 7.52 treten bei Dichtungen neben
der Steifigkeitsmatrix auch eine Dämpfungsmatrix auf, deren Beitrag in erster Näherung
als proportional zur Geschwindigkeit angesehen werden kann. Geht man von einer Bewegung um die Ruhelage aus, so sind diese Matrizen nicht-symmetrisch,
#
"
Fz
Fy
"
D
#"
bzz
bzy
bzy
byy
zP
yP
#
"
C
#
#"
czz
czy
czy
cyy
z
y
(7.53)
was die Möglichkeit von selbsterregten Schwingungen mathematisch erklärt. Die Bestimmung der rotordynamischen Koeffizienten bij und cij ist anspruchsvoll. Seit einigen Jahren
werden hierfür verstärkt numerische Strömungssimulationen neben analytischen Ersatzmodellen eingesetzt. Für systematische experimentelle Daten in der offenen Literatur sei
7
Rotordynamische Grundlagen
333
insbesondere auf entsprechenden Publikationen der Texas A&M University hingewiesen.
7.4.3
Angerissene Welle
In den 1970er-Jahren geriet das Problem von Rissen in Wellen großer Dampfturbosätze
verstärkt in den Fokus [HEN1976, GAS1976]. Wellenrisse entstehen vor allem bei den
schweren Rotoren von Dampfturbinen aufgrund von Biegewechselbeanspruchungen (Gewichtseinfluss). Wesentliche Phänomene aufgrund eines Wellenanrisses sind zusätzliche
Resonanzstellen und die Existenz von instabilen Zonen. Dies ist anhand eines exemplarischen Stabilitätsdiagramms in Abb. 7.25 illustriert. Es wurde in Abb. 7.25 eine Dämpfung
(D D 0;01) angenommen. Ab einer bestimmten Risstiefe treten instabile Zonen auf.
Mathematisch gibt es zwischen der Theorie einer angerissenen Welle und einem unrunden Rotor gewisse Ähnlichkeiten (periodische Funktionen für die Koeffizienten der
System-Matrizen). In der Praxis konzentriert man sich seit den 1990er-Jahren auf die
Entwicklung von Verfahren, Wellenrisse anhand der Maschinendiagnostik frühzeitig zu
erkennen [ROT1993].
Da aber signifikante Verschiebungen der Eigenkreisfrequenzen (um wenige Prozent)
erst bei sehr hohen Risstiefen (in der Größenordnung um 25 % des Wellendurchmessers) auftreten, sind diese Analysen allerdings technisch schwer umsetzbar. Anhand von
Trendsignalen über längere Zeiträume können aber auch trotz des an sich ungünstigen
Signal-Rausch-Verhältnisses wichtige Aussagen im Betrieb ermittelt werden.
Abb. 7.25 Exemplarische Stabilitätskarte für
einen angerissenen Läufer
(aus [GAS2002])
334
7.4.4
S. aus der Wiesche
Explizite Berücksichtigung des Fundaments
Bis vor wenigen Jahren wurden die dynamischen Effekte des Fundaments auf die Rotordynamik eher rudimentär im Dampfturbinenbau für Standard-Konstruktionen berücksichtigt
(vergleiche hierzu die obigen Ausführungen). Dies ist insofern etwas überraschend, als
dass ausführliche Diskussionen der entsprechenden Phänomene schon seit längerem bekannt sind [KRÄ1993]. Traditionell überwog lange Zeit in der Industrie eine getrennte
Betrachtung der beiden „dynamischen Welten“ Rotor und Fundament. Diese getrennte
Behandlung ist heute allerdings nicht mehr Stand der Technik [EHE2009].
7.5
Modellbildung und Analyseverfahren
Während die grundlegenden rotordynamischen Zusammenhänge noch anhand von sehr
übersichtlichen Minimalmodellen (Laval-Läufer oder Stodola-Green-Modell) dargestellt
werden können, genügen solche Vereinfachungen für komplizierter aufgebaute Läufer
nicht mehr. Infolgedessen wurden im Dampfturbinenbau schon sehr früh weitergehende Analyse- und Berechnungsverfahren entwickelt. Aus heutiger Sicht dominiert in der
industriellen Praxis eindeutig die Methode der Finiten-Elemente (FEM).
7.5.1
Klassische Verfahren zur Bestimmung der kritischen Drehzahlen
Die Ermittlung der untersten biegekritischen Drehzahlen ncr kann näherungsweise mit der
auftretenden maximalen Durchbiegung wmax der nicht-rotierenden horizontalen Welle im
Erdschwerefeld g gemäß der Formel von Föppl
r
g
(7.54)
2 ncr D
wmax
in Verbindung gebracht werden. Sie führt für den idealen Laval-Läufer auf das richtige
Ergebnis, aber für komplizierte Rotoren liefert Gl. 7.54 systematisch zu niedrige Werte.
Bei der Auslegung eines Rotors muss, um die Formel von Föppl anwenden zu können,
die maximale statische Durchbiegung wmax ermittelt werden. Dies kann bei einfacheren
Rotorgeometrien noch mit den bekannten elementaren Berechnungsverfahren [DRE2005]
durchgeführt werden. Speziell für die Läufer von Dampfturbinen wurden aber schon sehr
früh halb-graphische Verfahren entwickelt, von denen das von Stodola das bekannteste
ist. Es gestattet auch die Berücksichtigung der Lagerelastizität und der Kreiselwirkung.
Nähere Angaben zu diesem mittlerweile veralteten Verfahren können Traupel [TRA1966]
entnommen werden. Bis in die 1970er-Jahre wurde es in der industriellen Praxis angewendet [RÖM1972].
Das von Stodola eingeführte Verfahren ist für einen auf zwei Lagern ruhenden Rotor
praktikabel, aber im Dampfturbinenbau müssen in der Regel stets Wellenstränge betrach-
7
Rotordynamische Grundlagen
335
Abb. 7.26 Untere Eigenschwingungsformen für eine dreigehäusige Dampfturbine mit Generator
(aus [TRA1966])
tete werden. In der älteren Literatur begnügte man sich auch mangels rechnerischer Alternativen darauf, für jeden Teilrotor des zu betrachtenden Wellenstrangs die biegekritischen
Drehzahlen und Schwingungsformen getrennt zu ermitteln. Eine solche Vorgehensweise ignoriert die Auswirkung der Kopplungen der Teilrotoren und bedeutet mathematisch,
dass bei der getrennten Ermittlung gravierend andere Randbedingungen für die Berechnung der Lösung vorliegen. Infolgedessen ergeben sich im Allgemeinen daher auch deutlich andere kritische Drehzahlen und Eigenschwingungsformen, als bei einer korrekten
Behandlung des gesamten Wellenstrangs und der Lagerung. Die ersten fünf kritischen
Eigenschwingformen für einen Wellenstrang sind exemplarisch in Abb. 7.26 dargestellt.
Die erste kritische Drehzahl tritt bei dem in Abb. 7.26 gezeigtem Wellenstrang bei rund
1200 min1 auf und entspricht in weiten Zügen der untersten Eigenform des Generators. Allerdings weist bereits bei dieser tiefsten Schwingungsform der Niederdruckteil
ebenfalls eine signifikante Anregung auf, die bei 1735 min1 dominant wird (2. kritische
Drehzahl).
336
S. aus der Wiesche
Die rechnerische Bestimmung der kritischen Eigenfrequenzen von Wellensträngen
wurde nach den Arbeiten von Prohl [PRO1945] und Myklestad [MYK1944] ab 1944
lange Zeit auf Basis der Methode der Transfer-Matrizen durchgeführt. Für den Dampfturbinenbau war speziell der Beitrag von Prohl wichtig, der bei der General Electric
Company erstmals die genaue Bestimmung einer Vielzahl von kritischen Drehzahlen von
Turbosträngen einführte. Bis heute kann diese Methode angewendet werden [CHI1993,
BLO2009], doch ist sie in der Praxis von der Methode der Finiten Elemente (FEM) weitgehend verdrängt worden. Vorteilhaft bei der Methode der Übertragungsmatrizen war,
dass sie schon auf den frühen Digitalrechengeräten implementiert werden konnte und nur
einen recht geringen Speicherplatz beanspruchte. Noch heute kann sie relativ einfach in
lauffähige Computerprogramme überführt werden [CHI1993].
Vor dem Einsatz von Computern wurden rotordynamische Analysen teilweise mit Versuchen im Labormaßstab bzw. mittels Analogiegeräten durchgeführt [TRA1966]. Physikalisch beruht dieses mittlerweile unübliche Verfahren auf der Ähnlichkeitstheorie und
entspricht dem Konzept von skalierten Turbinen. Von einer skalierten Turbine spricht man,
wenn die geometrische und strömungstechnische Ähnlichkeit erhalten bleibt. In diesem
Fall hängen zwei Baureihen geometrisch über einen Skalierungsfaktor zusammen (Maßstab). Bekanntlich steigen die Leistung dann mit dem Quadrat der Längenänderung und
das Gewicht mit der dritten Potenz. Die Drehzahlen und somit auch die Eigenkreisfrequenzen ! sind der Längenänderung umgekehrt proportional. Dies bedeutet aber, dass die
bezogenen kritischen Drehzahlen D ˝=! und die Resonanzabstände gleich bleiben.
Diese Modelluntersuchungen können auch auf die Fundamentschwingungen erweitert
werden. Lediglich die vom Gewicht verursachten Spannungen steigen linear mit der Längenänderung an und deren Auswirkungen sind daher nicht direkt übertragbar.
7.5.2
Methode der Finiten Elemente (FEM)
Bei der Methode der finiten Elemente (FEM) überführt man formal ein (Kontinuums)Modell in ein System endlich vieler Freiheitsgrade, welches in linearisierter Form durch
eine allgemeine Matrizengleichung
MRx C DPx C Cx D f
(7.55)
mit der Massenmatrix M, der verallgemeinerten Dämpfungsmatrix D, der Steifigkeitsmatrix C und dem Vektor der Freiheitsgrade x sowie einer äußeren verallgemeinerten
Kraft f gegeben ist. Auch die Methode der Übertragungsmatrizen oder die Modellierung
durch gekoppelte elastische Mehrkörpersysteme führt wie die FEM auf ein lineares Berechnungsmodell, so dass diese Methoden gewisse Gemeinsamkeiten haben. Allerdings
sind die expliziten Formulierungen und damit auch die zu lösenden Gleichungssysteme
für die drei Methoden unterschiedlich. Formal kann man das System Gl. 7.55 zur Theorie
der linearen Schwinger mit mehreren Freiheitsgraden zählen. Die ersten Grundlagen für
7
Rotordynamische Grundlagen
337
diese Beschreibung wurden von Lagrange durch seine 1811 veröffentlichten Bewegungsgleichungen 2. Art und dem Konzept der verallgemeinerten Koordinaten (Freiheitsgrade)
gelegt, doch wurde die FEM historisch im engeren Sinn erst durch die Arbeiten von
Rayleigh und Ritz (1905) begründet. Die erste rotordynamische Anwendung der FEM
stellten Ruhl und Booker 1972 vor [RUH1972], wobei diese Untersuchung von kritischen Drehzahlen nur Biegephänomene und laterale Massenträgheiten enthielt. Der Einschluss von Kreiseleffekten und gyroskopischen Beiträgen in rotordynamische Analysen
auf Basis der FEM begann 1976 mit Nelson und McVaugh [NEL1976]. Die Berücksichtigung von Schubspannungen (Timoshenko-Balken) und Torsionslasten stellte Nelson 1980
vor [NEL1980].
Die FEM ist heute ein umfangreiches Fachgebiet der Simulationstechnik und nicht
mehr aus dem technischen Alltag wegzudenken. Ihre Grundlagen sind in einer Vielzahl
von Büchern detailliert beschrieben. An dieser Stelle soll nur an einem einfachen Beispiel
die wesentlichen Grundzüge der FEM erläutert werden. Hierzu werde ein elastischer Balken der Länge L und Masse m betrachtet, dessen Auslenkung y D y.x; t/ bekanntlich
durch die partielle Differentialgleichung
@4 y
m @2 y
C
E
D f .x; t/
L @t 2
@x 4
(7.56)
beschrieben werden kann. Anstelle der analytischen Lösungsverfahren wird bei der Methode der Finiten Elemente die zunächst unbekannte Lösung durch eine endliche Reihe
X
i .x/qi .t/
(7.57)
y.x; t/ i
approximiert. Hierbei werden die einzelnen Ortsfunktionen als Formfunktionen bezeichnet. Diese sind Lösung der homogenen zeitunabhängigen Form der Grundgleichung
Gl. 7.56. Man unterteilt nun den kontinuierlichen Balken in einzelne Elemente (Diskretisierung) und weist den Elementen entsprechende Formfunktionen zu. Da die Grundgleichungen durch die Modellierung Gl. 7.56 bekannt sind, können die Formfunktionen
also vor dem eigentlichen Lösen der Gleichungen formuliert werden. In der Praxis wählt
man bei der Arbeit mit (kommerziellen) FEM-Programmen diese durch die zugrundegelegte Modellierung für die zu untersuchenden Strukturen aus. Dies geschieht zusammen
mit einer geometrischen Diskretisierung der vorliegenden Geometrie (Vernetzung). Fasst
man die verallgemeinerten Koordinaten qi zu einem Vektor x zusammen, so können die
potentielle und kinetischen Energiebeiträge der Lagrange-Funktion des Systems kompakt
als Matrizen-Ausdrücke geschrieben werden. Die Bewegungsgleichungen für die verallgemeinerten Freiheitsgrade ergeben sich für das vorliegende Beispiel dann als einfache
Matrizen-Gleichung
M xR C C x D f;
(7.58)
wobei in Gl. 7.58 aufgrund der dämpfungsfreien Grundgleichung Gl. 7.56 die Dämpfungsmatrix D nicht vorhanden ist. Die Matrizeneinträge mij und cij ergeben sich aus den
338
S. aus der Wiesche
gewählten Formfunktionen. In der Praxis wird eine recht hohe Anzahl von Elementen
gewählt, so dass die zu lösenden Gleichungssysteme Gl. 7.55 recht aufwendig sind. Andererseits ist deren Struktur (Besetzung der Matrizen) meist sehr günstig hinsichtlich von
(numerischen) Lösungsalgorithmen, so dass dieser Umstand nicht so sehr ins Gewicht
fällt.
7.5.3
Modellierung von Dampfturbinenrotoren
Zu Beginn jeder FEM-Analyse eines Rotors müssen Modellannahmen getroffen werden,
die zwar eine genaue Berechnung der zu untersuchenden Größen gestatten, aber dennoch
so einfach wie möglich sind. Für eine übergeordnete Analyse der Lateralschwingungen
eines Wellenstrangs genügt es daher meist, diesen durch eindimensionale Balkenelemente
zu modellieren. Eine solche Modellierung eines Niederdruck-Rotors einer Dampfturbine
ist in Abb. 7.27 illustriert. Der reale Rotor ist zwar eine dreidimensionale, beschaufelte
Welle, aber für die rechnerische Bestimmung von Lateralschwingungen genügt ein FEMModell auf Basis von eindimensionalen Biegebalkenelementen. Die Beschaufelung wurde
als zusätzlicher Massenbeitrag über die jeweiligen Elemente „verschmiert“. Für solche
Analysen werden Elemente mit einer konstanten oder kontinuierlichen Massen- und Steifigkeitsverteilung gewählt. Jedes Element ist durch Länge, Außen- und Innendurchmesser
für die Massenverteilung und für die Steifigkeit charakterisiert. Die E- bzw. Schubmodule
werden heute temperaturabhängig modelliert.
Zu Beginn einer strukturdynamischen Analyse muss das zu erwartete Temperaturfeld
im Rotor bekannt sein. Dies kann ggf. auf Basis einer entsprechenden thermischen FEMBerechnung erfolgen. Es ist heute üblich, Balkenelemente zu verwenden, die die Theorie
von Timoshenko erfüllen und Kreiselwirkungen und Drehmassenträgheiten berücksichtigen. Bei geschickter Diskretisierung und Wahl liefern bereits wenige hundert Elemente für
Rotoren zufriedenstellende Berechnungsergebnisse. Solange die Rechenleistung und der
Abb. 7.27 FEMBerechnungsmodell eines
ND-Rotors (nach [HUS1999])
7
Rotordynamische Grundlagen
339
Abb. 7.28 Rotordaten eines Wellenstranges (nach Angaben aus [HUS1999])
Speicherplatz die Ausführung von Berechnungen limitierten, war eine möglichst effektive
Modellierung mit geringen Elementanzahlen wichtig. Durch die enormen Fortschritte der
Computertechnologie ist diese Einschränkung mehr und mehr verschwunden. Es macht
daher aus Sicht der industriellen Praxis keinen Sinn mehr, lange an der Aufstellung eines effizienten Minimal-Modells zu arbeiten, wenn Resultate für deutlich aufwendigere
FEM-Modelle wesentlich schneller verfügbar sind.
Bei der Modellierung von Wellensträngen sind die Hauptgrößen des zu untersuchenden Systems für die Modellierung und Diskretisierung relevant. Zu den Hauptgrößen für
Untersuchungen der Lateralschwingungen zählen das polare Trägheitsmoment p , die
Rotorteilmasse m, der Lagerabstand L und der Rotorschlankheitsgrad D L=d mit dem
mittleren Steifigkeitsdurchmesser d. Weiterhin ist die spezifische Lagerbelastung p wichtig. Für eine zweigehäusige Dampfturbine mit Generator und Erregermaschine können
exemplarisch einige Angaben hierzu in Abb. 7.28 gefunden werden.
Für die Berechnung des Laufstabilitätsverhaltens müssen die EM-Modelle für Rotoren
neben der Lagerung auch noch zusätzliche Beiträge für dynamische Beiträge aufgrund
von Selbsterregungsmechanismen (Spalterregungen, Dichtungen, Gleitlager) enthalten.
Vereinfachend können diese Beiträge durch Null-dimensionale Elemente (nach Art von
diskreten Feder-Dämpfungs-Beiträgen) angekoppelt werden. Ein FEM-Modell eines gelagerten Rotors mit Selbsterregungsmechanismen zeigt Abb. 7.29. Die dort gezeigten
Federsymbole sind nicht naiv zu interpretieren; sie können im Falle der Selbsterregungsmechanismen zu schief-symmetrischen Beiträgen in den Systemmatrizen führen.
340
S. aus der Wiesche
Abb. 7.29 FEM-Modell eines
Rotors für die Untersuchung
der Laufstabilität
7.6 Typische Fragestellungen für die Auslegung von Dampfturbinen
Der rotordynamischen Auslegung von Dampfturbinen und Turbosträngen kommt eine
zentrale Rolle im Entwicklungsprozess zu. Speziell von Seiten der Betreiber werden heute
sehr hohe Anforderungen hinsichtlich des Schwingungsverhaltens (Lateral- und Torsionsschwingungen) formuliert. In diesem Unterkapitel sollen einige typische rotordynamische
Fragestellungen für die Auslegung von Dampfturbinen diskutiert werden. Bezeichnend für
die moderne Praxis ist hierbei, dass für diese Auslegungsfragen und Nachweise üblicherweise die Finite-Element-Methode (FEM) eingesetzt wird.
7.6.1
Biegelinie und Ausrichtung des Wellenstrangs
Die Berechnung der Biegelinie eines Wellenstrangs zählt zu den elementaren strukturmechanischen Aufgaben, die speziell für schwere Dampfturbinen grundlegend ist. Mehrfach
gelagerte Wellenstränge stellen zunächst ein statisch überbestimmtes System dar und zusätzliche Bedingungen sind für ihre eindeutige Charakterisierung erforderlich.
Die Ausrichtung der Lager erfolgt im Dampfturbinenbau üblicherweise so, dass die
Kupplungen kräfte- und momentenfrei bleiben, was in Abb. 7.30 schematisch dargestellt ist. Die untere Skizze Abb. 7.30 entspricht dabei einer solchen Anordnung, bei der
die Lager des ersten Rotors auf einer Ebene und im Sinne der kräfte- und momentenfreien Ausrichtung die Lager des zweiten Teilrotors versetzt angeordnet werden. In der
Praxis treten für Turbogruppe größerer Leistung Durchbiegungen und Höhendifferenzen
für die Lager im Bereich von 2 bis 3 mm auf. Die Steigungen der Biegelinien beträgt
dabei bis 0,6 mm pro Meter Wellenstrang. Die Auflagekräfte sind durch die Gleichgewichtsbedingungen der Statik gegeben. Besondere Beachtung erfahren die auftretenden
7
Rotordynamische Grundlagen
341
Abb. 7.30 Ausrichten der
Lager bei Gewichtsdurchhang
(überzeichnete Darstellung)
Biegewechselspannungen und die Kerbwirkung an den Wellenenden, da diese hinsichtlich der Dauerfestigkeit relevant sind.
7.6.2
Berechnung der Lateralschwingungen
Für die Berechnung der Lateralschwingungen eines Wellenstrangs ist die Kenntnis des dynamischen Verhaltens des Fundamentes und der Lagerung erforderlich. Ein entsprechendes Berechnungsmodell mit Blick auf die Lagerung des Wellenstrangs ist in Abb. 7.31
skizziert. Im Gegensatz zu den eigentlichen Rotordaten sind die hierfür erforderlichen Parameter – wie die Nachgiebigkeit hLB – allerdings nur eingeschränkt bekannt. Man geht
daher in der Praxis so vor, dass man für vergleichbare Ausführungen, für die Erfahrungswerte bzw. Messungen vorliegen, das ncr -hLB -Diagramm des Wellenstrangs mit der FEM
ermittelt. Dieses ist qualitativ für eine zweigehäusige Dampfturbine mit Generator und
Erregermaschine in Abb. 7.32 gezeigt. In Abb. 7.32 sind die Grundschwingungen (1) und
die S-Schläge (2. Schwingformen) für die Teilrotoren links skizziert. Jede dieser Mode
führt zu einer entsprechenden kritischen Drehzahl ncr , die für das dynamische Gesamtsystem eine Funktion der Lagerbocknachgiebigkeit hLB sind, was auf der rechten Seite in
Abb. 7.32 dargestellt ist. Zusätzlich zu den rechnerischen Verläufen sind auch die aus Messungen ermittelten Werte für die einzelnen Moden als Kreise eingezeichnet. Man erkennt,
dass sich diese in einem relativ engen Bereich für hLB befinden, was für die Parameteridentifikation günstig ist. Im Idealfall würden alle Messungen auf einen einheitlichen Wert
für die Nachgiebigkeit hLB führen, was aber real aufgrund der Modellabweichungen und
der Messungenauigkeiten nicht zu erwarten ist [HUS1996]. Als interessantes Detail W
im Verlauf der kritischen Drehzahlen ist die Frequenzweiche der beiden Eigenformen „1.
ERR“ und „2. MDND“ vergrößert dargestellt. Die beiden zugehörigen Eigenkreisfrequen-
Abb. 7.31 Berechnungsmodell für die Abschätzung der
Lagerbocknachgiebigkeit
342
S. aus der Wiesche
Abb. 7.32 Eigenformen und kritische Drehzahlen als Funktion der Nachgiebigkeit (nach Angaben
aus [HUS1999])
zen kommen sich dabei sehr nahe, können sich aber nicht kreuzen, da die mathematische
Struktur des Eigenwertproblems doppelte Lösungen verbietet.
Physikalisch koppeln im Bereich einer Frequenzweiche die Eigenformen miteinander
und tauschen ihre Schwingungseigenschaften ab (gekoppeltes Schwingungssystem).
Nach Festlegung der Fundament- und Lagerbockparameter werden bei der FEMAnalyse der lateralen Schwingungen des Rotors die Feder- und Dämpfungseinträge für
Gleitlager und Dichtungen durch entsprechende Elementparameter berücksichtigt. Diese
Werte werden heute in der Regel mit Hilfe von separaten Lager- oder Dichtungsberechnungsprogrammen ermittelt. Für die Analyse des Unwuchtverhaltens des Rotors werden
rechnerisch normierte Unwuchten U betrachtet. Da die tatsächlich vorhandene Unwucht
nicht exakt bekannt ist und sich durch Erosion und Salzablagerungen auch mit der Zeit
ändern kann, ist dieser Ansatz praktikabel. Die jeweilige normierte Unwucht wird über
einen zusätzlichen Beitrag im Rotormodell berücksichtigt. Hierbei kann durch Verteilung gezielt das Unwuchtverhalten der jeweiligen Mode angesprochen werden, was in
Abb. 7.33 veranschaulicht ist.
Für jede angesetzte Unwucht können mittels FEM die resultierenden absoluten Verschiebungsamplituden y und z an den Lagerböcken oder ausgewählten Wellenpunkten
berechnet und in die elliptischen Umlaufbahnen (Orbits) umgerechnet werden. Die Amplituden sind Funktionen der Wellendrehzahl und weisen die bekannten Resonanzeffekte
im Bereich der kritischen Drehzahlen auf. Üblicherweise werden die ermittelten Werte
für die großen Halbachsen der elliptischen Schwingungsbahnen der Lagerböcke und der
7
Rotordynamische Grundlagen
343
Abb. 7.33 Einsatz von normierten Unwuchten für die
Analyse von Lateralschwingungen
Welle an den Lagerstellen für die Beurteilung des Laufverhaltens verwendet. Zulässige
Schwingungsgrenzwerte können den Normen DIN/ISO 7919 (Teil 2) und DIN/ISO 10816
(Teil 2) entnommen werden. Die rechnerische Analyse der Lateralschwingungen spielt
nicht nur für die Auslegung und Konstruktion neuer Dampfturbinen eine wichtige Rolle,
sondern sie wird auch zur Fehleranalyse oder zur modellbasierten Diagnostik und Maschinenüberwachung verwendet.
7.6.3 Laufstabilität
In den vorangegangenen Unterkapiteln wurden Lateralschwingungen und Instabilitätsmechanismen von Rotoren von eher grundlegenden Standpunkten aus diskutiert. Die Vermeidung von kritischen Drehzahlbereichen ist für Rotoren mit einer festen Betriebsdrehzahl
(Generatorantriebe mit 3000 min1 bzw. 3600 min1 ) selbstverständlich. Durch Selbsterregungsmechanismen können im Betrieb einer Dampfturbine allerdings Energiebeiträge
aus der Rotordrehbewegung (Drehmomentenhaushalt bzw. Antrieb) in laterale Biegeschwingungen überführt werden. Mathematisch ist hierfür die Existenz von entsprechenden nicht-symmetrischen Matrizen entscheidend. Physikalisch handelt es sich bei diesen
Mechanismen um nichttriviale Kopplungen zwischen den Freiheitsgraden und ihren Bewegungen. Über die (äußere) Dämpfung können diese überführten Energiebeiträge dissipiert werden. Speziell über die Dämpfung in den hydrodynamischen Gleitlagern kann
auf diese Weise ein Anwachsen der Lateralschwingungen und somit eine Laufinstabilität vermieden werden. Wenn diese Dämpfung allerdings nicht mehr ausreicht, wachsen
344
S. aus der Wiesche
die Lateralschwingungen über die Selbsterregungsmechanismen weiter an und es liegt ein
instabiles Rotorverhalten im Betrieb vor.
Zur Untersuchung der Laufstabilität großer Dampfturbinen muss also das Wechselwirken von Rotoreigenschaften (Steifigkeit und Schlankheitsgrad), Dämpfung (speziell der
Gleitlager) und Anregung (z. B. Dampfanfachung) vorab bestimmt werden. Für numerische Analysen auf Basis der FEM sind daher Gleichungen der Art
MRx C DPx C .C C Cerr /x D 0
(7.59)
zu betrachten, wobei in Gl. 7.59 die eventuell auftretenden nicht-symmetrischen Beiträge aufgrund der Selbsterregungsmechanismen durch die Matrix Cerr hervorgehoben sind.
Für das obige Gleichungssystem sind im Sinne der Laufstabilität die zugehörigen Eigenwerte relevant. Diese können konjugiert-komplex sein. Das Schwingungssystem ist
stabil, wenn alle Eigenwerte negative Realteile aufweisen. Wenn die Schwingungsamplituden aufklingen, also wenn der zugehörige Vergrößerungsfaktor größer 1 ist, liegt ein
instabiles Verhalten vor. Üblicherweise zeigen die untersten Eigenformen die größten Vergrößerungsfaktoren bei Dampfturbinen, so dass man bei der numerischen Analyse sich
vor allem auf diese konzentriert. Zudem findet man bei Laufinstabilitäten, dass meist der
größte Schwingungsanteil mit der Eigenfrequenz des gekoppelten Rotors schwingt (auch
als „whip“ bekannt).
Für die numerische Lösung von entsprechenden Eigenwertproblemen mit vielen Freiheitsgraden können auf leistungsfähige Algorithmen zurückgegriffen werden, die selbst
im Falle großer Elementanzahlen (Freiheitsgrade) relativ schnell für lineare Systeme die
Eigenformen und Eigenfrequenzen liefern. Problematisch ist für Dampfturbinen meist
die physikalische Modellbildung von Dämpfungs- und Selbsterregungsmechanismen. Die
zugehörigen Steifigkeits- und Dämpfungseinträge werden üblicherweise durch separate Berechnungsprogramme (für Gleitlager oder Dichtungen) ermittelt. Zu beachten ist
aber, dass diesen Ansätzen meist schon gravierende Vereinfachungen (z. B. eine Linearisierung um einen Betriebspunkt) zugrundeliegen. Auch erweist sich in FEM-Analysen
und speziell bei entsprechenden Eigenwertbestimmungen die Implementierung der Dämpfung als schwierig. Oftmals wird diese nur durch stark vereinfachte Modelle (z. B. Lehrsches Dämpfungsmaß oder Rayleigh-Dämpfung) berücksichtigt, wobei die zugehörigen
Modell-Parameter durch Vergleichen mit Messungen identifiziert werden müssen.
7.6.4
Torsionsschwingungen
Grundsätzlich kann es neben biegekritischen Schwingungen auch Dreh- bzw. Torsionsschwingungen für Rotoren geben, die in den meisten rotordynamischen Lehrbüchern eher
untergeordnet behandelt werden. Als Ausnahme hierfür kann das Buch [WAL2004] von
Walker angesehen werden. Torsionsschwingungen hängen mit periodisch variierenden
Drehmomenten zusammen, die bei thermischen Turbomaschinen im Gegensatz zu Kol-
7
Rotordynamische Grundlagen
345
benmaschinen meist als vernachlässigbar gelten. Zudem sind die Amplituden von Torsionsschwingungen üblicherweise sehr klein (unter 0,1ı Winkelgrad) und können messtechnisch nur sehr schwer identifiziert werden. In den ersten Jahrzehnten des Dampfturbinenbaus wurden Torsionsschwingungen wenig Bedeutung zugewiesen. Lediglich bei Dampfturbinen mit Getriebe, bei denen Zahnungsfehler unmittelbar zu Drehmomentschwankungen führen, war die Problematik von entsprechenden dynamischen Belastungen klar.
Bei Dampfturbinen, die mit einem Drehstromgenerator zur Stromerzeugung verbunden
sind, können ungleiche Belastungen der Phasen allerdings auch zu periodisch variierenden Drehmomenten für den Rotor der Turbomaschine bzw. des Wellenstranges führen.
Mit zunehmender Betriebserfahrung wurde entdeckt, dass gerade Torsionsschwingungen
für Kraftwerksdampfturbinen und deren sicheren Betrieb von enormer Bedeutung sind.
Heute gehört die Analyse von Torsionsschwingungen zu den rotordynamischen Standardaufgaben im Dampfturbinenbau. Eine besondere Wichtigkeit für die Auslegung hat hierbei
die Untersuchung des rotordynamischen Verhaltens bei elektrischen Störfällen und eine Analyse der resultierenden Torsionsspannungen. Für Torsionsschwingungen sind die
Drehmassen (Trägheitsmoment) und die Torsionssteifigkeiten cT die Grundgrößen,
die gewissermaßen anstelle von Masse m und Steifigkeit c der Biegeschwingungen treten. Ähnlich wie bei der rechnerischen Analyse von Biegeschwingungen kann auch bei
Torsionsschwingungen auf ein vereinfachtes mechanisches Ersatzmodell zurückgegriffen
werden. Ein solches ist in Abb. 7.34 mit typischen Zahlenwerten für die Verteilung von
und cT für einen großen Wellenstrang mit einer mehrgehäusigen Dampfturbine großer
Leistung gezeigt. Hierbei summieren sich die Drehmassen für den gesamten Wellenstrang auf 100 %, während bei der informatorischen Angabe der Torsionssteifigkeiten cT
der entsprechende Wert für die Ankopplung der beiden Niederdruckteile als Bezug (gleich
100 %) gesetzt worden ist. Die beiden doppelflutigen Niederdruckteile tragen hauptsächlich zur Drehmasse des Wellenstranges bei, was sich unmittelbar aufgrund ihrer großen
Durchmesser und Abmessungen erklärt. Im Vergleich hierzu sind die Mittel- und Hochdruckteile sowie die Erregermaschine eher von geringen Drehmassen charakterisiert. Die
Verteilung der Drehmassen und der Torsionssteifigkeiten können auf Basis der Konstruktionszeichnungen bzw. der CAD-Modelle im Vorfeld ermittelt werden. Für höhere Genauigkeitsansprüche müssen die Ersatzmodelle entsprechend weiter detailliert werden.
Grundsätzlich wird in der heutigen industriellen Praxis für die rechnerische Simulation
von Torsionsschwingungen auf die Methode der Finiten Elemente (FEM) zurückgegriffen.
Ähnlich wie bei der Behandlung von Biegeschwingungen, stellt die rechnerische Analyse der Torsionseigenfrequenzen (sog. torsionskritische Drehzahlen) und der Torsionseigenformen eine Standardaufgabe bei der Auslegung von Dampfturbinen dar. Bei dieser
Eigenwertanalyse wird üblicherweise die Torsionsdämpfung vernachlässigt. Tatsächlich
ist diese auch von eher geringer Größe und in ihrer Bedeutung nicht mit den Dämpfungsmechanismen der Lateralschwingungen vergleichbar. Aufgrund der Hysteresis ergibt sich
ein werkstoffbedingter Dämpfungsanteil, der aber recht klein ist.
Über die Beschaufelung und der Wechselwirkung mit dem strömenden Fluid treten
ebenfalls (geringe) aerodynamische Dämpfungen in der Turbine auf. Die rechnerisch ermittelten ersten 12 Eigenformen sind in Abb. 7.35 für den in Abb. 7.34 gezeigten Wel-
346
S. aus der Wiesche
Abb. 7.34 Typische Drehmassen- und Torsionssteifigkeitsverteilung für einen DampfturbinenWellenstrang großer Leistung (nach [HUS1999])
lenstrang anhand der Winkelverteilung über die axiale Koordinate x dargestellt. Die
unterste Eigenform (0. Ordnung) entspricht der trivialen Starrkörperbewegung des Rotors. Sie hat formal die Eigenfrequenz f0 D 0 Hz. Von unteren Eigenformen spricht
man bei Frequenzen bis zu rund 30 Hz. Die zugehörigen unteren Eigenformen entsprechen Verdreh-Ausschlägen der Rotorballen und die Schwingungsknoten liegen deutlich
zwischen den nahezu unverformten Rotorballen. In Abb. 7.35 sind dies die 1. bis 3. Eigenformen. Die Rotoreigenformen sind in Abb. 7.35 durch die 4. bis 6. Ordnung gegeben.
Bei diesen zeigen nur einzelne Teilrotoren Verdreh-Ausschläge. Von höheren Eigenformen spricht man ab ca. 200 Hz. Diese sind in Abb. 7.35 durch die 7. bis 12. Eigenformen
illustriert. Hierbei treten Verdrehungen auch in starren Rotorballen auf.
Für den Betrieb einer Dampfturbine als Generatorantrieb muss rechnerisch das Verhalten bei einem elektrischen Störfall untersucht werden. Bei dieser Simulation wird zu dem
statischen Volllast-Betriebsdrehmoment T0 der Turbinen für Zeiten t 0 noch ein dynamisches Stördrehmoment als äußere Anregung aufgeprägt. Ein gebräuchlicher Ansatz für
eine solche Anregung ist durch
T .t/ D T0
TS
1
T .t/ D T0 C
sin.˝t/ sin.2˝t/
d
2
für t < 0
für t
0
(7.60)
gegeben. Hierbei bezeichnet TS das Generatorscheindrehmoment
TS D
PN
˝0 cos (7.61)
mit der Generator-Nennleistung PN und der Nenndrehzahl ˝0 . Mit d ist die subtransiente
Reaktanz des Generators bezeichnet und cos ' ist der elektrische Leistungsfaktor. In der
unteren Gleichung von Gl. 7.60 ergibt sich bei ˝t D 2 =3 der Maximalwert von 1,3.
Bei der rechnerischen Analyse der Auswirkung von elektrischen Störfällen ist die
Ermittlung der versagensrelevanten Spannungen im Wellenstrang als Folge der aufgeprägten Störung Gl. 7.60 entscheidend. Für nicht-abklingende Störungen ergeben sich im
FEM-Modell an den einzelnen Elementknoten periodisch schwankende Werte für die Torsionsspannungen. Ihre Auswirkung auf die Betriebsfestigkeit des Rotors muss dann durch
7
Rotordynamische Grundlagen
347
Abb. 7.35 Eigenformen
der Torsionsschwingungen für einen Wellenstrang
(nach [HUS1999])
eine nachfolgende Analyse der Wechselbelastungen geprüft werden. Da experimentelle
Untersuchungen von Torsionsschwingungen bei ausgeführten Maschinen messtechnisch
sehr schwierig sind, ist die Kalibrierung bzw. Verifizierung von entsprechenden Berechnungsmodellen für Torsionsschwingungen herausfordernd.
348
S. aus der Wiesche
7.7 Abschließende Bemerkungen
Die adäquate Berücksichtigung von anspruchsvollen rotordynamischen Phänomenen ist
für die Auslegung von Dampfturbinen unerlässlich. Im Laufe der Zeit wurden in diesem Zusammenhang komplexe physikalische Instabilitätsmechanismen identifiziert, von
denen die Existenz von kritischen Drehzahlen, die rotordynamische Auswirkung der Lagerung und selbsterregte Schwingungen grundlegend sind. Rechnerisch können heute
vielfältige Fragestellungen mit Hilfe der Methode der finiten Elemente bereits in sehr
frühen Stadien des Entwicklungsprozesses untersucht werden. Entscheidend für die Güte
und praktische Verwertbarkeit dieser rechnerischen Simulationsergebnisse ist allerdings
ihre Rückführung auf experimentelle Messungen und Betriebserfahrungen. Speziell rotordynamische Ersatzmodelle sind auf die Identifikation von vielen Modellparametern
(z. B. Steifigkeits- und Dämpfungseinträge) angewiesen, deren Werte man trotz massiver
Forschungsbemühungen nicht auf Basis von „ersten Prinzipien“ aus Grundgleichungen
ableiten kann. In diesem Zusammenhang wirken sich daher die umfangreichen Erfahrungen von langjährig operativen Firmen am Markt massiv für die erfolgreiche Entwicklung
und den Betrieb von Dampfturbinen aus. Trotz des mittlerweile hohen Stands der Rotordynamik als grundlegendes Teilgebiet der Strukturdynamik kann derzeit von einem
Abschluss allerdings noch nicht gesprochen werden. Die physikalische Klärung und die
technische Anwendung von rotordynamischen Effekten sind immer noch Gegenstand einer intensiven Forschungs- und Entwicklungstätigkeit.
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8
Ventile
Franz Joos und Thomas Polklas
8.1 Einleitung
Ventile bilden mithin die wichtigsten Sicherheitseinrichtungen beim Betrieb von Dampfturbinen. Dieses Kapitel beschreibt Auslegung und Aufbau von Schnell-Schluss (SSV)
und Regel-Ventilen (RV) für die Frischdampf-Versorgung von Dampfturbinen sowie interne Entnahme- bzw. Überström-Ventile. Erläuterungen zu den vielfältigen anderen Stellorganen, die für den Betrieb von Dampfturbinen relevant sind, sind in Kap. 18 (Umleitstationen) zu finden. In Kap. 21 (Regelung) sind Hinweise für regeltechnische Auswirkungen
der Ventile für den Betrieb von Dampfturbinen gegeben.
Im vorliegenden Kapitel erfolgt zunächst eine kurze Einführung in die grundlegenden
Berechnungen von Ventilen. Anschließend werden verschiedene Bauformen und Anwendungsfälle erklärt. Abschließend wird die Betriebsweise der Ventile dargestellt.
8.2 Strömungstechnische Grundlagen
Die Durchströmung der Ventile kann in erster Näherung anhand der gasdynamischen Gleichungen als Durchströmen eines Querschnittes beschrieben werden. Genauere Ergebnisse
ergeben sich unter Berücksichtigung der zusätzlichen Verluste u. a. der Einströmung, des
Diffusors und der Abströmung.
F. Joos ()
Helmut-Schmidt-Universität, Universität der Bundeswehr Hamburg
Hamburg, Deutschland
E-Mail: joos@hsu-hh.de
T. Polklas
MAN Energy Solutions
Oberhausen, Deutschland
E-Mail: thomas.polklas@man.eu
© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2018
S. aus der Wiesche, F. Joos (Hrsg.), Handbuch Dampfturbinen,
https://doi.org/10.1007/978-3-658-20630-7_8
351
352
F. Joos und T. Polklas
8.2.1 Ähnlichkeitsbetrachtung
Aufgrund der hohen Temperaturen und Drücke des Frischdampfes ist die experimentelle Untersuchung der Ventilgeometrie im Allgemeinen nicht möglich. Voruntersuchungen
müssen unter ähnlichen Bedingungen durchgeführt werden, bevor das endgültige Design
in einem Kraftwerk getestet werden kann.
Um ein möglichst repräsentatives Ergebnis der Untersuchungen zu erhalten, muss die
physikalische Ähnlichkeit möglichst gut erfüllt werden. In der Regel wird die Geometrie,
beschrieben durch typische Abmessungen li ähnlich gestaltet. Im Allgemeinen hängt die
interessierende physikalisch Größe y von n beeinflussenden Größen xi ab
y D f .x1 ; x2 ; x3 ; : : : xn /
(8.1)
Der Druckverlust des Ventils p ist eine der signifikantesten Kenngrößen. Er wird einerseits durch geometrische Größen Ii , andererseits durch die Dichte des Fluids , durch
die Temperatur und die Strömungsgeschwindigkeit v beeinflusst. Die physikalischen Eigenschaften des Fluids werden durch die spezifische Wärmekapazität cp , die spezifische
Gaskonstante R sowie durch die kinematische Viskosität beschrieben. Somit ergibt sich
für den Druckverlust des Ventils
p D f .; T; v; ; cp ; R; li /:
(8.2)
Nach dem …-Theorem nach Buckingham ergibt sich die Eu-Zahl
Eu D
p
:
2
(8.3)
In Abhängigkeit der Re-, Ma-Zahl, des Isentropenexponenten und einer charakteristischen Länge li als Ähnlichkeitsbedingung:
Eu D f .Re; Ma; ; li /:
(8.4)
Analog folgt für den durchgesetzten Massenstrom
m
P D f .p; ; T; cp ; ; R; li /:
(8.5)
P
P D
Das Massenverhältnis q D mm
P mit dem Massenstrom im drosselnden Querschnitt m
a A ergibt sich somit ebenfalls zu
q D f .Re; Ma; ; li /:
(8.6)
Für instationäre Vorgänge oder Ablösungen ist zusätzlich die Sr-Zahl
Sr D
f li
(8.7)
8
Ventile
353
Abb. 8.1 Sr-Zahl bei Zylinderumströmung nach [PON2004] und [ROS1954]
zu beachten. Sie liegt bei einer genügend hohen Re-Zahl im Bereich um Sr D 0;21
(Abb. 8.1). Typische Re-Zahlen in Regelventilen von Dampfturbinen liegen im Bereich
von 107 bis 108 .
8.2.2
Die Ausflussfunktion
Das Durchströmen des Dampfes durch die Regeleinrichtung kann mit dem Ausströmen
aus einem Druckbehälter durch einen definierten engsten Querschnitt (2) verglichen werden. Für ideale Gase unter isentropen Bedingungen ist der Massenstrom m,
P der aus einem
Druckbehälter (1) in die Umgebung (3) austritt, entsprechend durch Gl. 8.8 berechenbar
m
P D
A2 ‰ p
2 1 p1 tot :
(8.8)
Es gilt die Annahme, dass die Geschwindigkeit im Druckbehälter vor der Engstelle
c2 !
gegenüber der Geschwindigkeit im engsten Querschnitt vernachlässigbar ist c1
c1 0. Damit herrscht im Behälter, d. h. vor der Drosselstelle der Totaldruck p1tot , das
Fluid besitzt die Dichte 1 . Die Ausflusszahl ist ein Maß für die Beeinflussung des
Geschwindikgkeitsprofils und der Strahleinschnürung auf Grund der Querschnittsverengung. Im Falle von Drosselventilen kann D 0;98 angenommen werden. Die sogenannte
Ausflussfunktion ‰ D f .p1tot ; p2stat / kann mit der Gl. 8.9 für eine isentrope Strömung
berechnet werden.
v
"
u
2 C1 #
u p2 stat pstat t
:
(8.9)
‰D
1
p1 tot
p1tot
354
F. Joos und T. Polklas
Abb. 8.2 Ausflussfunktion in Abhängigkeit der Gasart
Die Ausflussfunktion ist abhängig vom Druckverhältnis aus Innendruck p1tot im Druckbehälter und dem statischen Druck p2stat im engsten Querschnitt A2 . Sie weist ein Maximum
Ymax auf (siehe Gleichung) auf das lediglich durch den Isentropenexponenten der Gasart
bestimmt wird
r
1
1
2
‰max D
:
(8.10)
C1
1
Bei kritischem Druckverhältnis
krit
D
2
C1
1
:
(8.11)
erreicht die Ausflussfunktion ihr Maximum. Unterhalb dieses kritischen Druckverhältnisses krit bleibt die Ausflussfunktion konstant bei maximalem Volumenstrom. Im engsten
Querschnitt herrscht Schallgeschwindigkeit (Ma D 1), der Querschnitt sperrt. Druckverhältnisse < krit werden als überkritisch bezeichnet. Ist hingegen > krit so herrscht
ein unterkritisches Druckverhältnis.
Die Funktionsverläufe für verschiedene Isentropenexponenten sind in Abb. 8.2 dargestellt. Für Dampf mit einem Isentropenexponenten von D 1;33 ergeben sich krit D
0;5405 und ‰max D 0;4756 im Vergleich mit Luft ( D 1;4), für die das kritische Druckverhältnis krit D 0;5283, sowie das Maximum der Ausflussfunktion ‰max D 0;4842
beträgt. Das heißt, dass bei Dampf im Vergleich zu Luft erst bei einem höheren Druckverhältnis Schallgeschwindigkeit im begrenzenden Querschnitt erreicht wird. Außerdem ist
bei gleicher Fläche der maximal durchsetzbare Volumenstrom geringer.
Die Geschwindigkeit im begrenzenden Strömungsquerschnitt A2 ergibt sich nach
Gl. 8.12 in Abhängigkeit vom Druckverhältnis und der Ruhetemperatur T1tot vor der
8
Ventile
355
Drosselstelle zu
v
u
u
c2 D t2 "
C1 #
p2 stat R T1tot 1 :
1
p1tot
(8.12)
8.2.3 Druckverlust
Die Kennlinie des Regelventils wird durch den Druckverlust in Abhängigkeit vom Durchsatz dargestellt. Der hauptsächliche Anteil des Druckverlustes stellt sich naturgemäß in
den Kanälen mit den hohen Geschwindigkeiten ein, d. h. um die Drosselstelle mit nachgeschalteter Auslaufstrecke, die zur Druckrückgewinnung als Diffusor oder aber unter
Inkaufnahme eines höheren Druckverlustes als einfacher Zylinder ausgeführt werden kann
(Abb. 8.3). Als Gegenseite des dargestellten Ausflussteils dienen unterschiedliche Kegelgeometrien, wie sie beispielsweise in Abb. 8.25 dargestellt sind. Bei voll geöffnetem Ventil spielt die Geometrie des Ventilkegels in der Regel keine Rolle bezüglich des
Druckverlustes. Der sich hier einstellende Druckverlust ist unter Designbedingungen relevant. Unter Annahme einer achsensymmetrischen Zuströmung kann der Druckverlust
des Regelventiles abgeschätzt werden, indem der Strömungspfad unter Berücksichtigung
der Versperrung durch den Ventilkegel in einzelne Bereiche, wie den Einlauf, ein zylinderförmiges Stück, den Diffusor und den plötzlichen Querschnittsprung aufgeteilt wird,
Abb. 8.4.
Die einzelnen Beiträge werden über die jeweiligen Druckverlustkoeffizienten erfasst:
D
1
2
p
;
vt2
(8.13)
wobei p den statischen Druckabfall und vt die Geschwindigkeit im engsten Querschnitt
darstellt.
Abb. 8.3 Ventilgeometrie als Diffusor (a) und Zylinder (b)
356
F. Joos und T. Polklas
Abb. 8.4 Aufteilung eines
Ausflussteiles
Nach [IDE1986] kann der Verlust eines Einlaufes mit Rundungsradius aus dem Verhältnis des Einlaufradius R zum Durchmesser des Querschnittes Dh bestimmt werden. Ab
einem Verhältnis von R=D ca. 0,2 ergibt sich für den Einlauf der asymptotische Wert von
D 0;03, Abb. 8.5.
Der nächste Druckverlust entsteht durch Reibung im zylindrisch ausgebildeten engsten
Querschnitts. Nach [IDE1986] ergibt sich der Verlustbeiwert bei einer voll ausgebildeten
turbulenten Strömung (Re > 4000) durch ein Rohr mit konstantem Querschnitt zu
Engstelle
D
L
1
L
D
:
Dh
.1;8 log .Re/ 1;64/2 Dh
(8.14)
Allerdings ist die Länge dieser Stelle bei Diffusoren von Ventilen in der Regel so kurz,
dass dieser Anteil meist vernachlässigbar ist.
Der Verlustbeiwert des Diffusors setzt sich aus dem Anteil der Rohrreibung und dem
Anteil der nicht optimalen Diffusion zusammen
Diffusor
D
Reibung
C
Diffusion :
(8.15)
Die Reibungsverluste können in erster Näherung mit obiger Gleichung oder unter Berücksichtigung des Diffusors mit
Reibung
D
At
˛ 1 A0
8 sin 2
2
(8.16)
bestimmt werden. Der Diffusorverlustkoeffizient ergibt sich zu
Diffusor
At 2
D 'Diffusion 1 A0
(8.17)
8
Ventile
357
Abb. 8.5 Druckverlustbeiwert des Einlaufes nach [IDE1986]
mit dem Expansionsverhältnis
'Diffusion D 3;2 tan
˛ r ˛ 4 tan
:
2
2
(8.18)
Der Verlustkoeffizient aufgrund des Querschnittssprungs am Diffusoraustritt ergibt sich
zu
2
At
D
:
(8.19)
Aus
A0
Dieser Verlustkoeffizient ist aufgrund der im Austrittsquerschnitt noch herrschenden hohen Geschwindigkeit dominant.
[BIA2013] validierten die Korrelation mit den Bedingungen (˛ D 8ı , R=Dh D 0;24,
'Diffusion D 0;115) sowohl numerisch als auch experimentell. Die CFD-Rechnungen wurden unter Verwendung des k-!-SST-Turbulenzmodelles durchgeführt.
Die zu vergleichenden Strömungsräume müssen hinsichtlich ihrer Längen-, Flächen-,
und Raumabmessungen, sowie hinsichtlich der Oberflächenbeschaffenheit geometrisch
ähnlich sein.
8.2.4 Kennlinie
Die nachfolgenden Angaben bilden eine Zusammenfassung der ausführlichen Erläuterungen von Martin und Buxmann [MAR1968] zur Berechnung der Durchflusscharakteristik
von Regelventilen bei Dampfturbinen. Nachfolgend wird die Berechnung für das Diffusorventil aufgezeigt, wie sich aus den Angaben der Ventilquerschnitt in Funktion des
Betriebszustandes berechnet. Für das diffusorlose Ventil reduziert sich diese Untersuchung auf die bekannte gasdynamische Durchflussgleichung.
358
F. Joos und T. Polklas
Abb. 8.6 Geometrische Orte
der Strömung durch ein Diffusorprofil, 0 Einlauf, 1 engster
Querschnitt, 2 Diffusor
In Kap. 21 (Regelung) wird darauf eingegangen, dass Netzbetreiber ein großes Interesse daran haben, einen möglichst linearen Zusammenhang zwischen Hubverlauf und
durchgesetztem Massenstrom, der analog zur Turbinenleistung anzusetzen ist, zu realisieren. Wichtig ist die Durchflusscharakteristik eines Regelventils zu kennen. Der sogenannte
Hubverlauf eines Regelventils wird durch den geometrischen Aufbau des Ventils festgelegt. Dabei ist die Ventilkegelform maßgebend. Diese ergibt sich bei der Auswahl der
Bauform durch die Forderung nach Dichtheit und geringen Strömungsverlusten. Anzustreben sind Geschwindigkeiten im engsten Querschnitt von maximal ca. 180 m/s bei
vollständig geöffnetem Ventil (vgl. Abb. 8.6). Ein dem Ventil nachgeschalteter Diffusor
reduziert den Druckabfall. Damit die eingesetzten Diffusoren weitestgehend im Bereich
einer vollangelegten Strömung arbeiten (vgl. Abschn. 4.2.2 Strömungsablösungen), sollte
deren Öffnungswinkel ˛ D 8ı und das Öffnungsverhältnis A3 =A2 D 2 nicht überschreiten. Können höhere Druckverluste in Kauf genommen werden, kann auf den Diffusor
verzichtet werden, was eine Kostenreduktion bedeutet (Abb. 8.6). Für ein vereinfachtes
Strömungsmodell kann die Geschwindigkeitsenergie im Eintrittsraum vor dem Regelventil in aller Regel vernachlässigt werden, da dieser Raum entsprechend groß dimensioniert
ist. Ist der Ventilkegel im Regeleingriff, lässt er an der Stelle 1 (Abb. 8.6) den engsten
Querschnitt A1 frei. Nachfolgend erweitert sich der Querschnitt sprungartig auf den engsten Diffusor-Querschnitt A2 . Dabei erfolgt eine starke Umlenkung der Strömung, wobei
es je nach Zustand der Grenzschicht zu Abkürzungen kommen kann. Durch die vereinfachende Annahme, dass der Zustandsverlauf vom Einlauf (0) zum engsten Querschnitt (1)
isentrop beschreibbar ist, folgt aus dem Energiesatz:
h0t h1 D c12 =2:
Dabei ergibt sich die Geschwindigkeit im engsten Querschnitt zu:
v
"
u
r
#
1
p
u
1
tp v 1 ;
c1 D 2
0t 0t
1
p0t
mit dem spezifischen Volumen v0t vor dem engsten Querschnitt.
(8.20)
(8.21)
8
Ventile
359
Über die Kontinuitätsgleichung und die Isentropenbeziehung lässt sich daraus die Ausflussgleichung, die auch als de Saint-Venant und Wantzel-Gleichung bezeichnet wird,
ableiten:
v"
2
u 2 1C #3
r
p1 p1 p
u
t
5 A1 0t :
(8.22)
m
P D4 2
1
p0t
p0t
p0t v0t
Der Ausdruck in der eckigen Klammer wird als Ausflussfunktion bezeichnet:
v"
2
u 2 1C #3
r
p1 p1 u
t
5:
D4 2
1
p0t
p0t
(8.23)
Das kritische Druckverhältnis, bei dem das Strömungsfluid im engsten Querschnitt, unter
Annahme isentroper Entspannung, mit Schallgeschwindigkeit strömt, berechnet sich mit:
Somit ergibt sich
kr
p1
p0t
D
kr
2
C1
1
:
(8.24)
zu:
kr
D
r
2
C1
2
C1
1
1
:
(8.25)
Bei einem voll geöffneten Ventil ergibt sich somit, ohne Beachtung der Grenzschichtdicke,
für die Strömung durch den engsten Querschnitt:
m
P kr D
kr A2 p
p0t
:
p0t v0t
(8.26)
Für das Totaldruckverhältnis bei plötzlicher Querschnittserweiterung ergibt sich aus
Impuls-, Energie- und Kontinuitätsgleichung, mit der vereinfachenden Annahme, dass die
Dichte sich nicht ändert:
px 2 cx2
pxt
D
:
(8.27)
p1t
p1 2 c12
Streng genommen gilt diese Gleichung nur für inkompressible Strömungen. Es konnte
allerdings gezeigt werden (wie z. B. in [BEN1966]), dass diese Annahme für die in den
betrachteten Ventilen auftretenden Druckverhältnisse in guter Näherung gilt. Somit lässt
sich die obige Gleichung auch folgendermaßen schreiben:
p1
pxt
A1 2
D1 1
:
1
p1t
p1t
Ax
(8.28)
Mit Hilfe dieser Gleichungen kann bei bekanntem Öffnungsverhältnis des Ventils zu jedem Druck p1 der Totaldruck ermittelt werden. Dabei ist die Isentropie-Annahme zu
beachten, wonach p1t D p0t ist.
360
F. Joos und T. Polklas
Abb. 8.7 Theoretisch ermitteltes Kennfeld eines Diffusorventils (nach (BWK 438.10))
Nach der plötzlichen Querschnittserweiterung schließt in der Regel ein Diffusor an das
Ventil an. Für diesen gilt ein Diffusorwirkungsgrad D , da kein isentropes Verhalten beim
Druckrückgewinn vorhanden ist. Es entsteht aus dem isentropen Druckgefälle p3s =px und
dem tatsächlichen Druckgefälle p3 =px :
(
#) 1
"
1
p3s p3
D 1 C D
1
:
px
px
(8.29)
Wird der Druck p3s gemäß der Kontinuitätsgleichung aus dem Flächenverhältnis bestimmt
und ist der Diffusorwirkungsgrad bekannt, liegen alle Größen vor, um den Entspannungsverlauf durch ein Regelventil zu berechnen.
Der Diffusorwirkungsgrad D lässt sich über Grenzschichtrechnungen bestimmen
[TRA2001]. Bei einem Öffnungsverhältnis von engstem Querschnitt A1 zu kleinstem
Diffusor-Durchmesser A2 ergeben sich ungefähr folgende Werte für D bei einem Regelventil der Bauart ähnlich wie in Abb. 8.7:
D 0;8 bei A1 =A2 0;8
D 0;9 bei A1 =A2 D 1;0:
Mit Hilfe der beschriebenen Gleichungen ist es möglich, Kurven des Massenstromverhältnisses m=
P m
P kr abhängig vom Druckverhältnis p3 =p0 und dem Öffnungsverhältnis des
Ventils zu bestimmen, wie in Abb. 8.7 beispielhaft gezeigt. Die dort dargestellten Kurven
gelten für 1;3. Die strichpunktierte Linie in Abb. 8.7 zeigt den Massenstrom durch ein
komplett geöffnetes Ventil ohne Diffusor-Druckrückgewinn. Der Abstand zu dieser Linie
stellt den durch den Diffusor erzielten Gewinn dar. Die gestrichtelte Linie in Abb. 8.7
zeigt alle Orte bei denen Schallgeschwindigkeit im engsten Querschnitt A1 auftritt.
8
Ventile
361
Der Druckverlust durch Regelventile bei Dampfturbinen hat großen Einfluss auf den
Wirkungsgrad der Turbine. Somit sollte der Druckrückgewinn bei komplett geöffnetem
Ventil möglichst hoch sein.
Doppelsitzventile und Ventile mit Aufsitzkante produzieren hohe Verluste. Die Ventilkegelform hat einen geringen Einfluss auf den Druckverlust, wohingegen das Erweiterungsverhältnis des Diffusors einen erheblichen Einfluss hat. Ein möglichst großes Flächenverhältnis zwischen Diffusor-Austritt und Diffusor-Querschnitt ist anzustreben. Dabei ist zu beachten, dass stabile Strömungszustände im Diffusor nur bis zu einem Flächenverhältnis von A3 =A2 1;8 vorhanden sind.
Wird eine Dampfturbine mit einer sogenannten Düsengruppen-Regelung betrieben, bei
der mehrere Ventile jeweils einen Teil der ersten Leitschaufeln mit Dampf beaufschlagen,
lassen sich sogenannte Hubkurven erstellen. Von der Auslegungs-Rechnung einer Dampfturbine ist der Zusammenhang zwischen dem Massenstrom m
P durch die Turbine und dem
Druck p3 vor der ersten Beschaufelungsreihe (Dampkegelgesetz nach Stodola), den sogenannten Düsen bekannt (gilt unter der Annahme, dass Frischdampf-Druck und -Enthalpie
konstant sind). Der Druck vor der ersten Leitschaufel entspricht dabei dem Druck hinter dem Regelventil. Zudem passt zu einem Dampfmassenstrom m
P ein entsprechender
Druckabfall über das Schnell-Schluss-Ventil und damit ein zugehöriger Druck p0 vor dem
P m
P kr gemäß Abb. 8.7.
Regelventil. Daraus ergeben sich die beiden Ordinaten p3 =p0 und m=
Durch die Drosselung der einzelnen Regelventile stellt sich für den jeweils zugehörigen
Teilmengen-Dampfstrom ein entsprechender Druck vor den ebenfalls zugehörigen Düsen
ein. Eine Verbindung erzeugt den dort beispielhaft gezeigten Kurvenzug für das dritte
einer 200 MWDampfturbine. Dieser Kurvenzug schneidet die Flächenverhältnis-Kurven
(A1 =A2 D 0;1; 0;3; etc.). Aus diesen Schnittpunkten ist auf einfache Weise bestimmbar,
zu welchem Massenstrom eines Regelventils bzw. Düsensegmentes der jeweilige engste
Querschnitt A1 gehört. Dieser Querschnitt wird beim zugehörigen Hub h des jeweiligen
Ventils freigegeben.
Mit den gezeigten Zusammenhängen lässt sich das Strömungsverhalten von Dampfturbinen-Regelventilen berechnen und in einem Kennfeld darstellen (Abb. 8.23).
8.2.5 Strömungsablösungen
In den Diffusoren finden Strömungsablösungen statt, die in der Regel dreidimensionalen
Charakter aufweisen. Derartige Strömungsablösungen, die im dreidimensionalen Fall als
Linie auftreten, sind deutlich komplexer und schwieriger zu beschreiben als Vorgänge bei
zweidimensionalen oder quasi-zweidimensionalen Strömungen.
Die Ablöselinie kann per se als Grenzstromlinie beschrieben werden, auf der der Geschwindigkeitsvektor senkrecht auf der Wand steht. Die einfache Beschreibung des Ablösepunktes im zweidimensionalen Fall, dass die Wandschubspannung w D 0 und der
senkrecht zur Wand stehende Geschwindigkeitsvektor durch (du=dy D 0) beschrieben
werden kann, kann hier nicht übernommen werden [LED1991].
362
F. Joos und T. Polklas
Abb. 8.8 Bifurkationslinie
einer dreidimensionalen Strömung (nach [PER1987])
Durch die dreidimensionale Strömung kommt es entlang der Grenzstrom- bzw. Ablöselinie zu einer sich abwälzenden rotationsbehafteten Fluidschicht. In der Stabilitätstheorie
wird diese Linie auch als Bifurkationslinie bezeichnet [PER1987]. Strömungsablösung
in dreidimensionalen Strömungen lassen sich anhand der wandnahen Strömung charakterisieren, indem das dreidimensionale Geschwindigkeitsfeld in eine wandnahe Ebene
projiziert wird. Aus dem projizierten Geschwindigkeitsfeld lassen sich zweidimensionale
Trajektorien ableiten, die die Strömung parallel zur Wand darstellen. Diese Trajektorien bilden unterschiedliche Strukturen, aus denen Rückschlüsse auf die dreidimensionale
Strömungsablösung gezogen werden können.
Eine Bifurkationslinie ist im Allgemeinen eine lokale Schnittlinie zweier Ebenen die
durch Lösungstrajektorien gebildet wird (siehe Abb. 8.8). Eine der beschreibenden Ebenen enthält nur Trajektorien, die sich der Bifurkationslinie annähern. Die andere Ebene enthält nur Trajektorien, die von der Bifurkationslinie fortlaufen. Die Bifurkationslinie entspricht einer Art Asymptote der Trajektorien. Die Linie kann gekrümmt und
ohne definierten Anfang oder Ende sein. Auch geschlossene Bifurkationslinien sind möglich [PER1987]. Innerhalb eines dreidimensionalen Strömungsfreldes bilden die Trajektorien der senkrecht in eine Ebene projizierten zweidimensionalen Geschwindigkeitsvektoren unterschiedliche Strukturen, die einem bestimmten dreidimensionalen Strömungszustand (z. B. Wirbel, Scherströmung) entsprechen. Allen Strukturen ist gemeinsam, dass sie
in einem sogenannten kritischen Punkt zusammen- oder auseinanderlaufen. Ein kritischer
Punkt stellt den Durchstoßpunkt einer Bifurkationslinie durch die Projektionsebene dar.
Einige der kritischen Punkte (z. B. Sattelpunkt, Sattelknoten) enthalten Bifurkationslinien,
die in der Projektionsebene verlaufen.
Die kritischen Punkte entsprechen mathematischen Singularitäten des zweidimensionalen Vektorfeldes der Geschwindigkeit in der Projektionsebene, also Punkten, an denen
die projizierte Geschwindigkeit zu 0 wird. Da das dreidimensionale Geschwindigkeitsfeld aber die Kontinuitätsgleichung erfüllt, entspricht damit ein kritischer Punkt einem
Geschwindigkeitsvektor, der senkrecht auf der Projektionsebene steht. Entsprechend dem
Kriterium nach [PRA1924] tritt im dreidimensionalen Fall bei ıu=ız D 0 und ıv=ız D 0
eine Ablösung auf. Die Geschwindigkeitsvektoren parallel zur betrachteten Ebene werden als u und v bezeichnet, während z die Koordinate senkrecht zur Wand darstellt. Somit
kann an den kritischen Punkten bzw. Bifurkationslinien der projizierten zweidimensiona-
8
Ventile
363
Abb. 8.9 Fokus mit dreidimensionaler Strömung
(nach [PER1987])
len Trajektorien das dreidimensionale Geschwindigkeitsfeld beurteilt werden. Allgemein
gilt, dass zweidimensionale Trajektorien, die in keinem kritischen Punkt enden oder zu
einer Bifurkationslinie zusammenlaufen einer zur Projektionsebene parallelen Strömung
entsprechen. Hier tritt keine Strömungsablösung auf. Dem hingegen entsprechen kritische
Punkte dem Kern einer Strömung senkrecht zur Projektionsebene, also einer ablösenden
Strömung. Je nach Typ des kritischen Punktes stellen die enthaltenen Bifurkationslinien
die Begrenzung eines Ablösungsgebietes dar.
Die Bifurkationslinien entsprechen also der Ablösungslinie oder der Anlegungslinie der Strömung [PER1987] sowie [TOB1982]. Zusätzlich gibt der Typ des kritischen
Punktes Aufschluss über die Art der zweidimensionalen Strömung. Als Beispiel sind in
Abb. 8.9 ein Fokus und der korrespondierende dreidimensionale Wirbel dargestellt.
Abb. 8.10a gibt ein Beispiel für eine Struktur, die sich in der Projektionsebene bei einer einfachen Ablösung einstellt. Jeweils ein Sattelpunkt markiert den Ablösungs- und
den Anlegepunkt. Aus der gegenläufigen Strömung zwischen Hauptströmung und rezirkulierender Strömung in der Ablöseblase entstehen zwei gegenläufig rotierende Wirbel
Abb. 8.10 Beispiel der
zweidimensionalen Struktur
einer einfachen Ablösung;
a Strömungsstruktur in
wandparalleler Ebene, b Strömungsstruktur in Ebene
senkreckt zur Wand
364
F. Joos und T. Polklas
(z. B. Fokus). Zwischen den Wirbeln zur nicht abgelösten Strömung hin bilden sich Bifurkationslinien aus. Diese Bifurkationslinien bilden sich aus zusammen- bzw. auseinanderlaufenden Trajektorien. Damit stellen sie eine Abgrenzung zwischen Ablösung und
Hauptströmung dar. Zusätzlich gibt es eine Bifurkationslinie zwischen den beiden Teilen
der Hauptströmung, die auf jeweils eine Seite der Ablösung vorbeiströmt. Diese Bifurkationslinie kann mit der Staustromlinie bei der Umströmung eines Körpers verglichen
werden. Die Bifurkationslinie kann in der Ablösung als eine Art virtueller Fortsatz der
Staustromlinie betrachtet werden. In Abb. 8.10b ist die Ablösung durch die Trajektorien
in einer Ebene senkrecht zur Wand zu sehen. Die Wand entspricht der Bifurkationslinie in
Abb. 8.10a, die die beiden Wirbel trennt. In dieser Ebene ist somit nur eine Hälfte der Strömungsstruktur aus der wandparallelen Ebene zu sehen. Die Wandsattelpunkte markieren
ebenfalls den Beginn und das Ende der Ablösung.
Die kritischen Punkte können nach [DAL1983] anhand des in Abb. 8.11 dargestellten
Diagramms unterteilt werden. Die Unterscheidung erfolgt anhand der Spur p
ı vEy0
ı vEx0
C
ıx 0
ıy 0
(8.30)
ı vEx0 ı vEy0
ı vEx0 ı vEy0
C
ıx 0 ıy 0
ıy 0 ıx 0
(8.31)
pD
und der Determinante q
qD
der Jacobimatrix J
"
J D
ı vEx0
ıx 0
ı vEy0
ıx 0
ı vEx0
ıy 0
ı vEy0
ıy 0
#
(8.32)
des orthogonal projizierten Geschwindigkeitsfeldes
"
vE0 D
u0
v0
#
3
u
7
6
des Ursprungsfeldes vE D 4 v 5
w
2
(8.33)
Der dreidimensionale Geschwindigkeitsvektor vE wird orthogonal auf die wandparallele Betrachtungsebene in den zweidimensionalen Geschwindigkeitsvektor vE0 projiziert,
indem das dreidimensionale Koordinatensystem x, y und z in das zweidimensionale orthogonale Koordinatensystem x 0 und y 0 der Projektionsebene transformiert wird. Ist die
Determinante q negativ, liegt immer ein Sattelpunkt vor, an dem sich zwei Bifurkationslinien kreuzen. Er teilt sich damit das zweidimensionale Geschwindigkeitsfeld in vier
separate Bereiche [GBA2004]. Für ein positives q werden die kritischen Punkte zusätzlich mit Hilfe der Spur p unterschieden. Generell gilt, dass für eine negative Spur p die
8
Ventile
365
Abb. 8.11 Einteilung der kritischen Punkte (nach [DAL1983])
zweidimensionalen Trajektorien im kritischen Punkt zusammenlaufen, für eine positive
die Trajektorien hingegen vom kritischen Punkt auseinanderlaufen. Die Richtung der Trajektorien gibt Auskunft über die Richtung der dreidimensionalen Strömung in Relation
zur Betrachtungsebene. Im Fall einer wandnahen Betrachtungsebene entsprechen kritische
Punkte, an denen die Trajektorien zusammenlaufen, einer sich ablösenden Strömung und
entsprechend kritische Punkte mit auseinanderlaufenden Trajektorien einer Strömung, die
sich an die Wand anlegt. Ist die Spur der Jacobi-Matrix negativ, löst die Strömung wieder
von der Wand ab. Für jeden Quadranten mit positiver Determinante p können fünf kritische
Punkte unterschieden werden. Die Gebiete werden durch die Parabel p 2 D 4 q getrennt.
Auf der Parabel liegen der Sternknoten und der Fokusknoten. Oberhalb der Parabel liegt
der Fokus, unterhalb der regulären Knoten. Auf der p-Achse liegt der Sattelknoten. Für
den Sonderfall p D 0 wird der kritische Punkt Zentrum genannt. Ein Zentrum entspricht
geschlossenen Trajektorien, die nicht zu einem definierten Punkt zusammenlaufen. Die
kritischen Punkte auf der p-Achse, der positiven q-Achse und auf der Parabel p 2 D 4 q
sind als degenerierte Punkte anzusehen [PER1987]. Degenerierte Punkte wie der Sattelknoten, das Zentrum, der Fokus-Knoten und der Stern-Knoten gelten im Rahmen der
Bifurkationstheorie als topologisch instabil. Auf die Ablösungen von Strömungen bezogen, bedeutet ein degenerierter Punkt somit ein instabiler Strömungszustand, der sich mit
der Zeit auflösen oder in einen anderen Zustand übergehen wird.
Als Beispiel für einen degenerierten kritischen Punkt diene der sogenannte versetzte
Sattelpunkt, bestehend aus zwei Halbsattelpunkten, der in Wirbelstraßen beobachtet wird
366
F. Joos und T. Polklas
Abb. 8.12 Versetzter Sattelpunkt (nach [PER1987])
[PER1987]. Die Ausgangssituation und der mit der Zeit entstehende Sattelpunkt sind in
Abb. 8.12 dargestellt. Mit der Zeit nähern sich die versetzten Halbsattelpunkte an und
bilden einen verzerrten Sattelpunkt.
[TOB1982] stellen fest, dass stationäre Strömungsablösungen stets in den drei übrigen
kritischen Punkten, dem regulären Knoten, dem Fokus und dem Sattelpunkt, resultieren.
Entsprechend werden diese Punkte als topologisch stabil bezeichnet.
Nach der Indexregel [FLE1974] werden alle Sattelpunkte S mit einem Wert 1 gezählt, alle anderen kritischen Punkte sowie die degenerierten Punkte werden als Knoten N
mit dem Wert C1 gewertet. Für den vorliegenden Fall einer eines in sich geschlossenen
Strömungsraums gilt nach der Indexregel, dass die Anzahl der Sattelpunkte der Anzahl an
Knoten entspricht
X
X
0D
N
S:
(8.34)
8.3
Aufbau der Regel- und Schnellschlussventile
8.3.1 Anordnung der Drosseleinheit
Dampfturbinen benötigen für einen sicheren Betrieb auf der Frischdampfseite mindestens
eine doppelte Absperrung durch ein Schnellschlussventil (SSV) und ein Regelventil (RV).
Bei der Anordnung dieser Ventile wird darauf geachtet, dass sie möglichst nahe an der
Turbine platziert werden, um ein großes Volumen an Dampfreservoir nach einer Schnellabschaltung zu vermeiden (vgl. Abb. 8.13). Ist eine Zwischenüberhitzung vorhanden, so
ist auch vor der Mitteldruckturbine eine entsprechende doppelte Absperrung vorzusehen.
Die nahe Anordnung der Ventile an der Turbine resultiert aus Betriebssicherheitsaspekten.
Wenn das eingeschlossene Dampfvolumen nach einer Notfall-Schnell-Abschaltung (z. B.
Kupplungsbruch, Lastabwurf etc.) zu groß ist, kann dieser noch vorhandene Dampf die
Drehzahl einer Turbine innerhalb kürzester Zeit unzulässig hoch steigern, so dass schwerste Schäden an der Turbine auftreten können. Aus diesem Grund ist bei der Gestaltung und
8
Ventile
367
Abb. 8.13 Hochdruckturbine
mit Ventilen des Hochdruck(HPV) und Mitteldruckteils
(IPV) (Siemens AG)
Anordnung der Ventile auf das eingeschlossene Dampfvolumen vor der Turbinenbeschaufelung zu achten.
Einen noch größeren Einfluss auf die Überdrehzahl einer Dampfturbine bei einer NotAbschaltung haben die Schließzeiten der Ventile. Dabei setzt sich die Schnellschlusszeit
zusammen aus der Totzeit und der Schließzeit. Die Totzeit wiederum ergibt sich aus den
Reaktionszeiten der verwendeten elektronischen und hydraulischen Bauteile sowie dem
„Tothub“, also dem Ventilweg, ohne dass der Ventilkegel die Strömung beeinflusst. Bei
der Auslegung einer Dampfturbine ist die sich einstellende Überdrehzahl bei einer Notabschaltung zu bestimmen. Somit sind die realisierbaren Schließzeiten, die sich aus dem
Zusammenspiel der beteiligten Komponenten ergeben, vorab festzulegen. Je nach Bauweise und Anwendungsart der Dampfturbine sind ein oder mehrere Regelventile für die
Dampfversorgung der Teilturbinen (HD bzw. MD) installiert, wie z. B. Abb. 8.14 zeigt.
Bei der Bauform der Ventile werden hauptsächlich zwei Typen, die Einsitz- und Doppelsitzventile unterschieden.
Meistens werden Einsitzventile eingesetzt. Sie bieten den Vorteil von guter Dichtheit
und geringem Druckverlust. Nicht entlastete Einsitzventile sind aufgrund der hohen notwendigen Stellkräfte nur für kleinere Sitzdurchmesser praktikabel. Um die Stellkräfte zu
reduzieren, werden sogenannte entlastete Ventile z. B. mit Vorhubkegel oder als Rohr-
a
Abb. 8.14 Regelventile der Hochdruckturbine eines Kernkraftwerkes mit Siedewasserreaktor
[BRÜ2014]
368
F. Joos und T. Polklas
Abb. 8.15 Abfangschnellschlussklappe und Stellventil
(Design ABB); 1 Schnellschlussklappe, 2 Stellventil,
3 Entlastungsventil, 4 Dampfsieb [BEI2001]
ventile ausgeführt (Abb. 8.15), dort ist ein druckentlastetes Stellventil mit einer SchnellSchluss-Klappe kombiniert, wodurch die Druckverluste minimiert werden können. Rohrventile haben allerdings den Nachteil nicht vollständig dicht zu schließen.
Heute kaum noch verwendet, in der Vergangenheit häufiger bei Industrie-Dampfturbinen eingesetzt werden Doppelsitzventile. Bei ihnen sind geringere Stellkräfte aufzuwenden. (Abb. 8.16) zeigt eine Stellventilanordnung einer Industrie-Dampfturbine mit drei
Doppelsitzventilen. Dabei wird nur das erste Ventil direkt vom Stellantrieb betätigt. Die
beiden weiteren Ventile werden über ein Feder-Hebel-System vom jeweils vorderen Ventil geöffnet bzw. geschlossen. Problematisch ist bei Doppelsitzventilen die Dichtigkeit zu
gewährleisten.
Der einströmende Dampf durchströmt zuerst das Schnellschlussventil und dann das
Regelventil. Vor dem Schnellschlussventil ist üblicherweise ein Dampfsieb angebracht,
um den Ventilaufbau vor evtl. vorhandenen Partikeln zu schützen. Ein möglichst niederer Druckverlust im geöffneten Zustand wird durch das Anbringen eines Diffusors zur
Druckrückgewinnung hinter jedem der Ventile gewährleistet. Bei noch geschlossenem
Abfangventil wird zuerst das Schnellschlussventil in den dafür vorgesehenen Hohlraum
geschoben. Dann öffnet sich erst das Abfangventil. Allgemein werden die Ventile so ausgebildet, dass das Element, das bei voller Öffnung zum Anschlag kommt, hierbei den
Dampfzutritt zum Spalt zwischen dem Ventilschaft und seiner Führung absperrt und so
den Leckverlust unterbindet.
Aufeinander gleitende Oberflächen müssen aus eisenarmen Sonderwerkstoffen bestehen, die im Bereich hoher Temperaturen dem Verschleiß widerstehen. Ventilkörper und
Ventilsitze weisen an ihrer Berührungsstelle in der Regel eine Stellitpanzerung auf. Die
Sitze der Ventile unterliegen besonderen Beanspruchungen, da sich beim Öffnen und
Schließen der Kegel sehr nahe am Sitz befindet. Diese Teile müssen deshalb aus härtbaren Materialien, wie beispielsweise aushärtbaren CoCr-Oberflächen der 9–12 %-haltigen
Cr-Stählen, hergestellt werden.
Die Ventilspindeln werden durch eine elektro-hydraulische Verstelleinheit bewegt, die
auf sicheres Schließen und schnelle Regeleingriffe optimiert ist. Zum Öffnen der Schnellschlussventile muss gegen eine Schließfeder eine Gegenkraft aufgebracht werden, so
dass eine inhärente Sicherheit bei Leistungsausfall der Steuerungshydraulik besteht. Im
Falle einer Notabschaltung muss das Schnellschlussventil innerhalb weniger als 200 ms
8
Ventile
369
Abb. 8.16 Stellventil Düsengehäuseblock mit Doppelsitzventilen (a); 1 Stellventil, 2 Düsen
[BEI2001] und entlastetes Doppelsitzventil (b) [TRA2001]
geschlossen sein. Hierbei wird die Schließfeder zusätzlich zu dem noch vorhandenen
Dampfdruckabfall unterstützt.
Im Betrieb treten sehr hohe Dampfgeschwindigkeiten im Bereich des kalibrierenden
Querschnittes auf. Zusätzlich besteht die Gefahr der Erosion durch Partikel (solid particle
erosion SPE), insbesondere bei leicht geöffnetem Regelventil im Teillastbereich. Der Ventilkegel wird in der Regel in einer Hülse geführt, so dass in diesem Bereich mit Reibung
und Abschabungen durch Vibrationen gerechnet werden muss. Zusätzliche Belastungen
der Teile durch Versatze zwischen Sitz und Stempel sowie Korrosion aufgrund der hohen
Temperaturen. Die entsprechenden Bereiche des geschmiedeten oder gegossenen Mate-
Abb. 8.17 Querschnitt durch
ein Mitteldruckventil mit
Schnellschluss- (SV) und Regelventil (CV) (Siemens AG)
370
F. Joos und T. Polklas
Abb. 8.18 Schnitt durch ein kombiniertes Regel-/Schnellschlussventil [BRÜ2014]
rials müssen zuverlässig gegen die Hauptschädigungsmechanismen, insbesondere Verschleiß, Oxidation, Spannungsrisse oder Veränderungen der Toleranzen geschützt werden,
Abb. 8.17. In der Regel werden Cobalt bzw. Chromcarbid basierte Legierungen, die in das
eisenbasierte Grundmaterial eingebracht werden, eingesetzt. Aufgrund der gestiegenen
Dampftemperaturen von über 500 ı C können Nitrierungsverfahren nicht mehr eingesetzt
werden. Stattdessen kommen wenige Millimeter dicke, aufgeschweißte CoCr-gehärtete
Oberflächen zum Einsatz, die bis zu 620 ı C Dampftemperaturen in nieder- und hochlegierten Cr-Legierungen eingesetzt werden. Auch thermisch gesprayte Oberflächen sind
ausgeführt worden.
Regel- und Schnellschlussventil können auch kombiniert in einem Gehäuse untergebracht werden, um das eingeschlossene Dampfvolumen möglichst gering zu halten
(Abb. 8.18). In der Zeichnung erfolgt die Zuströmung von links. Die Strömung passiert
zuerst das Schnellschlussventil, das in der Skizze von oben schließt und darauf den
Regelteil, der von unten angesteuert wird.
Die Düsengruppenregelung der oft in Teillast betriebenen Industriedampfturbinen erfordert die separate Regelung der unterschiedlich beaufschlagten Gruppen. Traditionell
wurde die Öffnungsfolge der einzelnen Regelventile durch die Länge der Spindeln, die an
einem Balken pendelnd aufgehängt sind, festgelegt. Durch das Anheben des Balkens werden sukzessive die Regelventile in der vorgegebenen Reihenfolge geöffnet (Abb. 8.19).
Durch gesteigerte Dampfbedingungen erhöhten sich die aerodynamischen Kräfte auf
die Ventilkegel, so dass aufgrund von Fluid-Strukturinteraktion zunehmend Schäden beobachtet wurden, wie im Folgenden noch detaillierter dargestellt werden wird. Zudem ge-
8
Ventile
371
Abb. 8.19 Regelventilsatz einer Düsengruppenregelung mit Balkensteuerung
Abb. 8.20 Regelventilsatz
einer Düsengruppenregelung
mit Schnellschlussventilen und
vier einzeln steuerbaren Regelventilen unterschiedlichen
Durchsatzes
winnt die Dynamik der Regelung höhere Anforderungen, so dass inzwischen die einzelnen
Regelventile zunehmend separat angesteuert werden. So können instabile Betriebszustände gemieden und die Öffnungsreihenfolge über die separate Steuerung entsprechend dem
aktuellen Bedarf angepasst werden (Abb. 8.20). Die früher für den Einsatz in Regelstufen
weit verbreiteten Balkensteuerungen mehrerer Ventile werden zunehmend durch Einzelventilsteuerungen ersetzt. Dies ermöglicht eine flexiblere Gestaltung der Öffnungsreihenfolge und der Öffnungsflächen der einzelnen Regelventile wie sie bei den zunehmenden
Forderungen der Flexibilität im Betrieb erforderlich ist. Die stabilisierenden Führungshülsen um die beweglichen Kegel sind weit herabgezogen, so dass sie bei voll geöffnetem
Ventil gerade noch nicht den begrenzenden Querschnitt darstellen. Aus Symmetriegründen erfolgt die Dampfzufuhr von beiden Seiten in das Vorplenum der Regelventile. Um
den Einfluss der Ablösegebiete hinter den in das Plenum ragenden Spindeln zu verringern,
ist das Volumen des Vorplenums groß gehalten. Beide Zuleitungen sind jeweils mit einem
Schnellschlussventil mit Diffusor und Dampfsieb ausgestattet.
372
F. Joos und T. Polklas
8.3.2 Aufbau des Schnellschlussventils
Bei kraftwerksseitigen Störungen, die einen schnellen Lastabwurf auf null erforderlich
machen, wird eine Turbinenschnellabschaltung (TUSA, in einem Kernkraftwerk) oder
ein Turbinenschnellschluss (TSS, im fossilen Kraftwerk) durchgeführt. Die Leistung des
Dampferzeugers oder Kernreaktors wird schnell auf ca. 35 % der Nennleistung reduziert.
Restdampf wird an die Atmosphäre und in den Kondensator abgeführt. Eine Schnellabschaltung des Dampferzeugers, die aufgrund der thermischen Spannung lebensdauerkritisch wäre, ist meist nicht nötig. Ein Schnellschlussventil (Abb. 8.21) erlaubt die
schlagartige Unterbrechung der Dampfzuführung zum Maschinensatz, um ein „Durchgehen“ der Turbine zu verhindern.
Um das Überdrehen der Turbine zu verhindern, werden die Ventile möglichst nahe mit
minimalem Leitungsvolumen an die Dampfturbine angeordnet. Zusätzlich werden stets
je zwei Rückschlagventile hintereinander angeordnet. Bei Anlagen mit Zwischenüberhitzung muss aus dem gleichen Grunde auch am Wiedereintritt des zwischenüberhitzten
Dampfes in die Turbine ein sogenanntes Abfangventil angeordnet werden, das bei Lastabwurf geschlossen wird und so verhindert, dass der Leitungsinhalt des Zwischenüberhitzers
sich durch die Turbine hindurch in den Kondensator entlädt. Ein zusätzliches Regelventil wird auch dazu benutzt, bei normaler Lastminderung vorübergehend den Zutritt des
zwischenüberhitzten Dampfes zur Turbine zu drosseln, um dann allmählich wieder in die
voll offene Lage zurückzukehren. Damit wird vermieden, dass die Leistungsabnahme infolge des Dampfinhaltes des Zwischenüberhitzers nur verzögert erfolgt, was kein stabiles
Regelverhalten erlauben würde. Im Beharrungszustand sind beide Ventile stets voll offen,
abgesehen von Leistungen unter etwa 30 %, wo ständig gedrosselt wird. Aus Sicherheitsgründen müssen auch zwei Abfangventile hintereinander angeordnet sein, wobei das eine
aber nicht regelnd eingreift, sondern nur als Schnellschlussventil wirkt.
Abb. 8.22 gibt ein Beispiel eines HD-Schnellschlussventils wieder. Das Ventil ist mit
einem Dampfsieb umgeben, das Fremdkörper aus der Turbine fernhält. Der Verbund von
Schnellschluss- und Regelventil weist wegen des großen Volumenstromes außerordentlich
große Abmessungen auf.
Erst wenn bei Überdrehzahl die normale Regelung versagt, treten die Schnellschlussventile in Aktion, was letztendlich ein plötzliches Abstellen der Anlage bedeutet. Der
Schnellschluss muss daher so eingestellt sein, dass er erst bei einer Drehzahl ausgelöst
wird, die leicht, d. h. etwa 7 % über der Höchstdrehzahl des regulären Volllastabschaltvorganges liegt.
Aus Gründen der Betriebssicherheit erfolgt die Auslösung des Schnellschlussvorganges auch heute noch durch mechanische Drehzahlwächter (Fliehkraft), die unmittelbar die
Hydraulik der Stellmotoren drucklos machen und so das sofortige Schließen der Ventile
herbeiführen.
8
Ventile
Abb. 8.21 Dampfturbinen
Schnellschlussventil (PRUSS
GmbH)
373
374
F. Joos und T. Polklas
Abb. 8.22 HD-Schnellschlussventil (MAN) [TRA2001]
8.3.3 Aufbau des Regelventils
Die Aufgabe des Schnellschlussventils ist es, innerhalb kürzester Zeit den Durchfluss zuverlässig zu unterbinden, während die Regelventile für längere Betriebszeiten den Durchfluss abdrosseln. In der Regel sind geschlossene Schnellschlussventile dicht, während
Regelventile auch im geschlossenen Zustand eine kleine Leckage aufweisen können. Sollen Ventile zuverlässig dicht sein, wird eine Schlossanordnung gewählt, d. h. zwei dichte
Ventile werden hintereinandergeschaltet und die Verbindungslinie entlüftet.
8.3.3.1 Öffnungsverhalten
Die Geometrie des Kegels des Regelventils in Abb. 8.24 sollte so ausgelegt werden, dass
sich über den Regelbereich ein linearer Zusammenhang zwischen Öffnung und Durchsatz
ergibt. Als typisches Kennfeld dieses Ventils ergibt sich der Zusammenhang des Durchsatzes von der Öffnung (Abb. 8.23). In diesem Fall ergibt sich über einen weiten Bereich
ein nahezu linearer Zusammenhang zwischen Öffnung und Durchsatz.
8.3.3.2 Design des Ventilkegels
Bestimmend für das Verhalten des Ventils ist die Geometrie des Ventilkegels. Halbkugelförmige Ventilkegel und deren Derivate sollen zusammen mit dem Einlassteil des Diffusors eine möglichst verlustarme Lavaldüse bilden, während zylinderförmige Ventilkegel
in der Regel mit einer Abrisskante ausgebildet sind, um einen festgelegten engsten Querschnitt zu bilden, der instationäre Ablösungen im engsten Querschnitt vermeiden soll
(Abb. 8.24).
Um das Auftreten von fluktuierenden Ablösungen zu unterbinden, wird die Halbkugel
(Abb. 8.25aI) bewusst gekürzt, um Abrisskanten zu generieren (Abb. 8.25aII und aIII)
Hierbei entstehen beim Öffnen höhere Druckverluste, die sich durch Verlängerung des
8
Ventile
375
Abb. 8.23 Typisches gemessenes und berechnetes Ventilkennfeld (nach [BRÜ2014])
Abb. 8.24 Halbkugelförmiger (a) im Vergleich mit
zylindrischem (b) Ventilkegel
Ventilkegels zur Ausbildung einer Lavaldüse zumindest in einem weiteren Öffnungsbereich reduzieren lassen (Abb. 8.25aIV und V).
Das Verschieben des Ventilkegels erfolgt durch die Spindel, die meist zuströmseitig
als Zugspindel angebracht ist (Abb. 8.26). Gelegentlich wird auch eine abströmseitige
Schubspindel realisiert. Im Gegensatz zu der Zugspindel drückt die Schubspindel den
Ventilkegel beim Öffnen gegen den Druck im Regelventilgehäuse aus dem Ventildiffusor.
Als Vorteil dieses Aufbaus wird gesehen, dass sich die Druckspannungen im Gegensatz
zu Zugspannungen positiv auf die Ausfallwahrscheinlichkeit der Ventilkomponenten auswirken [ZAR2007]. Allerdings ergibt sich eine schlechtere Dichtwirkung.
Die Führungshülse erlaubt eine kürzere Spindel. Der entstehende Hohlraum wird über
Bohrungen vom Differenzdruck entlastet. Diese Ausgleichsbohrungen wirken im Zusammenhang mit dem Volumen zudem als aerodynamischer Dämpfer (Helmholzdämpfer),
der die Druckschwankungen der Strömung vom Bauteil entkoppelt und dynamische Beanspruchungen des Ventilkegels und der Ventilspindel verringert.
376
F. Joos und T. Polklas
Abb. 8.25 Ventilkegel von Regelventilen; a Ventilkegelformen ohne und mit Abrisskanten
(nach [HAR2003]), b Ventil mit Schalldämpfer (nach [TAJ2003])
8.3.4 Absperrklappen
Neben den oben erwähnten Konstruktionen sind aufgrund ihrer niedrigen Kosten, der einfachen Bauweise sowie des niederen Druckverlustes bei voller Öffnung auch einfache
Absperrklappen als Regeleinrichtungen in Dampfkraftwerken im Einsatz. Der Durchsatz
ist in einem weiten Bereich linear vom Öffnungswinkel abhängig (Abb. 8.27). Insbesondere bei Kernkraftwerken erfolgte die Dampfregelung aus Redundanzgründen mit zwei
in Serie geschalteten Klappen in der Zwischenüberhitzungsleitung in Kombination mit
einem Schnellschlussventil für die Notabschaltung.
Insbesondere der transiente Öffnungs- bzw. Schließvorgang führt zu extremen Druckgradienten an der Klappe zwischen der entgegen der Strömungsrichtung positionierten
a
b
Abb. 8.26 Ventilkegel mit Zug- bzw. Schubspindel; a Regelventil mit Zugspindel und Führungshülse nach [TEC2010]; b Regelventildesign mit Schubspindel nach [ZAR2007]
8
Ventile
377
Abb. 8.27 Typische Durchflusscharakteristik einer
Drosselklappe
Vorderkante und der in Strömungsrichtung gerichteten Hinterkante der Klappe. So fanden [MOR1989a, MOR1989b] in ihre experimentellen Untersuchungen Ablösungen, Verdichtungsstöße Rückströmungen und steile Druckgradienten um die Klappe und zeigten
in [MOR1991a] experimentell den Einfluss eines stromauf gelegenen Rohrkrümmers auf
die Funktion des Ventils.
[ZAC2006] analysierten den Einfluss des Druckabfalles auf das abströmseitige Strömungsfeld numerisch. [DAN2000] vermaßen das fluktuierende Stellmoment einer 1D
Abb. 8.28 Numerisch berechneter Druckverlauf um die
Drosselklappe beim Schließvorgang [WAN2016]
378
F. Joos und T. Polklas
stromab eines Rohrkrümmers befindlichen Regelklappe und fanden selbst bei voll geöffneter Klappe starke Druckschwankungen. Die Wechselwirkung zweier in Serie geschalteten Klappen wurden von [MOR1991b] experimentell verifiziert. Sie fanden eine
strenge Kopplung des Einflusses in Abhängigkeit von der Strömung, vom Anströmwinkel der Klappen und vom Abstand der Klappen zueinander. [WAN2016] untersuchten
numerisch den Schließvorgang bei unterschiedlichen Schließzeiten und stellten fest, dass
sich im Übergang ein beachtenswerter Unterschied zwischen dem ein- und ausströmenden Dampfstrom ergibt und dass sich starke Schwankungen des Stellmomentes ergeben,
Abb. 8.28.
8.4 Betrieb von Regelventilen
Gerade im Teillastbereich wird ein großes Druckgefälle über die Regelventile abgebaut.
Die Dissipation wird durch Strömungsinstabilitäten begleitet, die durch Druckpulsationen
sowohl Lärm als auch Vibrationen verursachen. Bereits in den 1970er-Jahren ist die Problematik von im Betrieb auftretenden Vibrationen der beweglichen Teile des Regelventils
aufgrund von Fluid-Struktur-Interaktion erkannt worden. Diese Fluid-Struktur-Interaktion
kann in einigen Betriebsbereichen zu einer Resonanz und dadurch zu einer starken Belastung bis zum Ausfall der Komponenten des Regelventils führen.
8.4.1 Anfahr- und Abfahrverhalten
Flexible und schnelle Anfahr- sowie auch Abfahrvorgänge, aber auch Notabschaltungen
gewinnen zunehmend auch für Dampfkraftwerke an Bedeutung. Hierbei muss die thermische Belastung der Ventile mitberücksichtigt werden, da die transienten thermischen
Spannungen die Lebensdauer der Anlage bestimmen. Über numerische FEM-Verfahren
können die kritischen Zustände detailliert erfasst und gegebenenfalls verbessert werden,
bevor im Betrieb die tatsächlich auftretenden Temperaturgradienten vermessen werden
können.
In Abb. 8.29 ist beispielsweise ein typischer Anfahrvorgang einer Turbine mit Düsengruppenregelung dargestellt. Im Zeitraum von A bis B erfolgt der Aufheizvorgang
der Leitungen vom Dampferzeuger zur Ventilgruppe mit teilweiser Kondensation an den
kalten Wänden. Ab dem Zeitpunkt B erreicht die Wand Siedetemperatur, so dass der Wärmeübergang vom Kondensieren auf Konvektion übergeht. Zum Zeitpunkt C öffnet das
Schnellschlussventil. Der in das Ventilgehäuse strömende Dampf kondensiert im Ventilgehäuse. Nach dem Zeitpunkt D erreicht auch das Ventilgehäuse Siedetemperatur. Nach
dem Zeitpunkt E öffnet das Regelventil und die Turbine beschleunigt auf Volllast.
Den entsprechenden Abfahrvorgang zeigt Abb. 8.30. Bis zum Zeitpunkt A wird die
Turbine bis auf ca. 10 % Leistung entlastet, woraufhin das Regelventil vollständig ge-
8
Ventile
379
Abb. 8.29 Dampfbedingungen am Hochdruckventil beim Anfahren; A–B Aufheizvorgang der Leitungen vom Dampferzeuger zur Ventilgruppe mit teilweiser Kondensation an den kalten Wänden,
B heiße Leitungswände, C Öffnen Schnellschlussventil, D heiße Ventilgehäusewände, E Öffnen
Regelventil (nach [XU2014])
Abb. 8.30 Dampfbedingungen am Hochdruckventil beim Abfahren (nach [XU2014])
schlossen wird. Der Wärmeübergang im Ventil und der Dampfleitung geht von der durch
die Dampfströmung erzwungenen Konvektion in natürliche Konvektion über. Aufgrund
der Temperaturtransienten des Dampfes ergeben sich starke Gradienten im Gehäuse die
zu Verkrümmungen aber auch thermischen Spannungsrissen führen können.
380
F. Joos und T. Polklas
8.4.2 Vibrationen, Fluid-Strukturinteraktionen
Instationäre Strömungsablösungen nach der Drosselstelle der Regeleinrichtung haben
einen entscheidenden Einfluss auf das Auftreten von Fluid-Struktur-Interaktion mit
einer Anregung der mechanischen Bauteile des Ventils. Die Frequenz und die Amplitude von Druckschwankungen im Nachlauf des Ventils sind relevant in Bezug auf eine
akustische oder mechanische Resonanz [ZIA1989] sowie [NAK1988]. Die durch die
pulsierenden Strahlen der abgelösten Strömung angeregten Vibrationen bzw. akustischen
Resonanzen entstehenden Kräfte können zu Schäden an Bauteilen des Ventils führen. So
berichten [KOS2000] über Schäden am Ventilsitz und an den Düsenboxen durch Druckpulsationen. Zudem können auch die Zu- und Ableitungen in Mitleidenschaft gezogen
werden. So beschrieben [MIC2001] das Auftreten von Rissen in den Dampfleitungen
durch Ermüdungsbruch. Als Maßnahme gegen eine Fluid-Struktur-Interaktion wird in
der Regel das Ventildesign modifiziert, um die ursächlichen Strömungsablösungen für
die Anregung zu reduzieren. Die Studie von [JON2010] zeigt, dass die Koppelung einer
Strukturschwingung mit akustischen Moden zu einem Riss in einem Brennstoffregelventil
des Space Shuttles führte.
8.4.2.1 Strömungsformen
Verschiedenste Phänomene an Druckschwingungen hinter dem Drosselquerschnitt sowie Strukturschwingungen wurden in den letzten Jahren publiziert. Die Frequenzen und
Amplituden der beobachteten Druckschwankungen im Ventildiffusor variieren je nach
Betriebszustand. Sie sind sowohl von dem Öffnungsverhältnis OR D h=D, dem Druckverhältnis PR D p2 =p1 , dem Design des Ventilkegels und -diffusors, als auch vom
Versuchsaufbau und -fluid abhängig. Zu beachten ist, dass Versuche, die mit Luft entsprechend der thermodynamischen Ähnlichkeit der Sr-Zahl eine deutlich geringere Frequenz,
in etwa der Hälfte im Vergleich zu Messungen mit Dampf entspricht, ergeben.
Prinzipiell können zwei grundlegende Strömungsarten im Diffusor hinter dem Drosselquerschnitt beobachtet werden. Zum einen tritt eine freistrahlähnliche Kernströmung
mit abgelöstem Gebiet an der Diffusorwand, zum anderen eine Ringströmung mit abgelösten Kern auf der Achse auf. Der Freistrahl ist instabil und erzeugt Vibrationen beim
Betrieb des Ventils. Die Ringströmung hingegen liegt stabil auf dem kompletten Umfang
an der Wand des Ventildiffusors an. Diese Strömungsform ist stabil und führt zu einem
vibrationsärmeren Betrieb [HEY1973].
Von [HAR2003] durchgeführte zweidimensionale CFD-Untersuchungen unterschiedlicher Ventilkegelformen (siehe Abb. 8.25a III–V) führten zu den in Abb. 8.31 dargestellten
Strömungsformen. Das Ablösegebiet unterhalb des Ventilkegels ist jeweils markiert. Diese Ablösezone ist ein Indikator für die Stabilität der Ventilströmung. Erstreckt sich die
zentrale Ablösung über die gesamte Länge des Diffusors, liegt eine an der Wand anliegende Ringströmung vor. Man erkennt, dass der sogenannte Cutoff-Kegel (III) für einen
niedrigen Hub eine stabile Strömung für hohen Hub jedoch eine instabile Strömung produziert. Ein konkav geformter Kegel (IV) hingegen produziert bei niedrigem Hub eine
instabile und bei hohem Hub eine stabile Strömung.
8
Ventile
381
Abb. 8.31 Ablösegebiete von Ventilströmungen bei unterschiedlichen Betriebszuständen und Geometrie; geringe Öffnung (jeweils links) und hohe Öffnung (jeweils rechts) [HAR2003]
Beim Hybridkegel (V) als Kombination der beiden Kegelformen trat sowohl bei niedrigem, als auch bei hohem Hub eine stabile Ringströmung auf. Die Untersuchungen basieren auf einem Schadenfall an einer Dampfturbine mit Balkensteuerung mit runden
Ventilkegeln (siehe Abb. 8.25a I). Es kam zum Versagen der Ventilspindel. Beim anschließenden Betrieb mit einem modifizierten Ventilkegel mit Abrisskante (Abb. 8.25a
II) kam es erneut zum Abriss der Ventilspindel. Sowohl beim Ausgangsdesign, als auch
beim neueren Design kam es kurz vor dem Versagen zu einem hämmernden Geräusch,
was als „Rumble-strip“-Vibrationen bezeichnet wird. Diese Vibration trat kurz vor dem
maximalen Öffnen des zweiten Ventils mit einer Frequenz von 30–40 Hz auf.
[ZHA2004] stellten anhand von experimentellen Untersuchungen mit einem kugelförmigen Ventilkegel an einem Versuchsstand mit Luft als Fluid die in Abb. 8.32 zusammengestellten Strömungsformen im Diffusor fest. Die dargestellten Strömungsformen wurden
aus Druckmessungen am Kegel und am Diffusor abgeleitet.
Abb. 8.33 zeigt Betriebsbereiche in denen die unterschiedlichen Strömungsformen auftreten. Der Bereich E stellt den stabilen Betriebsbereich des Ventils mit voll durchströmtem Ventildiffusor dar. Bei kleinen Öffnungsverhältnissen traten Vibrationen im Ventil
auf. In den Bereichen A, D und E treten nur Druckschwankungen mit kleinen Amplituden
auf. Der Bereich C ist relevant, da hier unterschiedliche Strömungsformen einander abwechseln. Hier kann die Amplitude der Druckschwankungen bis zu 12 % des Drucks vor
dem Ventil betragen. Dieser Bereich des Kennfeldes weist eine stark instabile Strömung
mit hoher Amplitude auf und muss im Betrieb gemieden werden.
[MOR2007] verwendeten einen mit Luft betriebenen Versuchsstand, um die Strömung
in einem Drosselventil mit kugelförmigen Ventilkegel zu untersuchen. Die Besonderheit
des experimentellen Aufbaus ist ein zylindrischer Nachlauf hinter der Drosselstelle. Typischerweise wäre hier ein Diffusor zur Druckrückgewinnung angeordnet. Die Experimente
zeigten ein vom Autor als rotierende Druckschwankung bezeichnetes Phänomen. Diese
Druckschwankungen liefen mit 75 Hz bei einem Öffnungsverhältnis von OR D 0;0325
382
F. Joos und T. Polklas
Abb. 8.32 Strömungsformen bei einem halbkugelförmigen Ventilkegel bei kleiner (jeweils links)
und großer (jeweils rechts) Öffnung [ZHA2004]
Abb. 8.33 Betriebsbereiche der Strömungsformen (nach [ZHA2004])
8
Ventile
383
Abb. 8.34 Kategorisierung der Ablösestrukturen [ZES2016]
und mit 150 Hz bei OR D 0;0142 in Umfangsrichtung um. Sie koppelten in die Struktur ein und führten zu den beobachteten Schäden. Die numerischen Untersuchungen der
beobachteten Oszillationen traten in Zusammenhang mit dem akustischen Feld auf.
Die Messungen von [TAJ2003] an einer 1000 MW Dampfturbine mit Regelventilen
für Kernkraftwerke konzentrierten sich auf den Vergleich zweier Ventilgeometrien (siehe
Abb. 8.25b) bezüglich der Frequenz der Druckpulsationen und Beschleunigung des Ventilkegels. Für das Ausgangsdesign konnten Druckschwankungen bis 2,7 bar, d. h. ca. 4,3 %
des Dampfdruckes vor dem Ventil beobachtet werden. Außerdem konnte ein Maximum
der Beschleunigung des Ventilkegels bei 900 Hz gemessen werden. Das optimierte Ventildesign erreichte eine deutliche Reduzierung der Druckschwankungen auf 0,7 bar, noch
ca. 1,1 % bis 350 Hz und 0,18 bar, ca. 0,3 % für über 500 Hz. Das Beschleunigungsmaximum bei 900 Hz konnte um den Faktor 10 reduziert werden.
[ZES2016] vermassen ein halbkugelförmiges Regelventil mit Abrisskante einer Industriedampfturbine mit Hilfe der Particle Image Velocimetry (PIV) im transsonischen
Luftbetrieb. Es stellte sich in jedem Fall eine stark instationäre Strömung ein, deren Strömungsformen je nach Öffnungs- und Druckverhältnis stark unterschiedlich war. Mit niedrigeren Öffnungs- und Druckverhältnissen wandelte sich die Strömungsform von einer
kompletten Durchströmung zu stark schwankenden Strömungsbereichen mit stark unterschiedlichen Geschwindigkeiten bis hin zu Rückströmungen (Abb. 8.34).
384
F. Joos und T. Polklas
Abb. 8.35 Betriebsbereiche der unterschiedlichen Ablösestrukturen (nach [ZES2016])
Bei hohen Druckverhältnissen um eins und hohen Öffnungsverhältnissen ist der Diffusor voll ausgefüllt. Eine eingeschränkte Ablöseblase ist im Nachlauf des Ventilkegels
aufgrund der dort angebrachten Ablösekanten zu finden (Struktur A). Das Schließen des
Ventils bei weiterhin Druckverhältnissen im Bereich von 0,8 bis 1 zeigt sich ein wandabgelöster zentraler Strömungsbereich der mit zunehmendem Schließen zu einem unsymmetrischen zirkulierenden Strahl ausartet (Struktur B). Erst niedrigere Druckverhältnisse
führen zu einem sogenannten Wandstrahl mit rezirkulierender Kernströmung (Struktur C).
Abb. 8.35 fasst die Betriebsbedingungen der einzelnen Strukturen zusammen. Es finden
sich ausgedehnte Übergangsgebiete zwischen den einzelnen beobachteten Strömungsformen, die auch ein Hystereseverhalten beinhalten.
[ZAR2007] berichten von Untersuchungen von Regelventilen mit Schubstange. Eine
optimierte Version des Ventils zeigte Amplituden von Druckschwankungen im Ventilgehäuse und -diffusor die 2,75 % bzw. 5,1 % des Druckes im Ventilgehäuse betrugen.
Die zentralen Aspekte des Ventildesigns von [TEC2010] (Abb. 8.26a) sind eine Führungshülse und Druckausgleichsbohrungen im Ventilkegel, um die Hubkräfte beim Verfahren des Ventils zu reduzieren. Messungen am Regelventil mit Dampf zeigen dominante
Frequenzen bei 540–560 und 800–850 Hz beim Öffnen des Ventils. Diese Frequenzen
konnten mit einem CFD-Verfahren unter Modellbildung der Fluid-Struktur-Interaktion reproduziert werden.
Ursachen einer unsymmetrischen Zu- und Abströmungen des drosselnden Querschnittes können einerseits in einer seitlichen Anströmung liegen. Andererseits kann ein Versatz zwischen Ventilkegel und Ventilsitz sowie ein stationäres oder transientes Verkippen
des Ventilkegels zu unsymmetrischer Zuströmung führen. [LIU2008] untersuchten eine Anordnung eines seitlich angeströmten Regelventils mit Führungshülse, wie es bei
Düsengruppenregelungen Anwendung findet. Sie beschreiben, dass die Strömung im Regelventilgehäuse einen entscheidenden Einfluss auf die Stabilität der Ventilströmung hat.
8
Ventile
385
Ein Teil des Fluides umströmt die Ventilhülse und bildet eine Ablösung hinter der Hülse,
so dass es zu einer inhomogenen Anströmung des Drosselquerschnittes kommt. Mittels
FFT-Analyse von transienten Druckmessungen konnten dominante Frequenzen bei 1,17
und 4,3 Hz festgestellt werden Eine Vergrößerung des Ventileinlasses um 30 % änderte
die dominierenden Frequenzen auf 1,56 und 2,54 Hz. Die zusätzliche Vergrößerung des
Ventilauslasses um 25 % reduzierte die Frequenzen auf 0,39 und 1,76 Hz. Die Asymmetrie der Zuströmung ist selbst hinter dem kritisch durchströmten Drosselquerschnitt
noch anhand einer Asymmetrie bemerkbar. Insgesamt führt eine Vergrößerung der Einund Austrittsfläche auf eine Reduktion der Asymmetrie der Strömung und damit auf eine niedrigere Frequenz der Strömungsablösung. Zusätzlich konnte eine Steigerung des
Durchflusskoeffizienten um 27 % erreicht werden. Bereits 1979 führten [DEI1979] unter
anderem Untersuchungen zum Einfluss der Dampfnässe auf den Betrieb eines einzelnen
Regelventils durch. Sie maßen die Frequenz der Druckpulsationen mit 1250–1300 Hz für
überhitzten Dampf und mit 500–600 Hz für Sattdampf.
Eine zusätzliche Möglichkeit zur Erzeugung von akustischen Vibrationen stellt
die Anregung durch Eindüsung von auf die Wand auftreffenden Dampfstrahlen dar,
wie von [ZIA1989] bei den Untersuchungen eines beschädigten Bypassventils, von
[NAK1988] bei der Untersuchung eines Druckreduktionsventils sowie von [DOM2014]
für ein Regelventil berichtet wird. Die beobachteten Frequenzen liegen jeweils bei den
akustischen Eigenfrequenzen der Anordnungen. Aber auch Wirbelkerninstabilitäten können zur Anregung von akustischen Eigenmoden führen [KAS2001].
Auch in Ventilen mit flachen zylinderförmigen Ventilkegeln werden unterschiedliche
Strömungsablösungen beobachtet, da der Dampfstrahl nicht durch die Kegelkontur geleitet wird. So zeigten [HEY1973] in experimentellen Untersuchungen, dass die bei niedrigen Druckverhältnissen abgelösten Strömungen Lärm und Druckpulsationen verursachen.
Eine weitere Anregungsquelle von Vibrationen stellt eine oszillierende Stoßwelle im
Drosselquerschnitt dar. So beobachteten [STA2003] und [PLU1989] hohe strömungsinduzierte Kräfte aufgrund von fluktuierenden Stoßwellen, die im Drosselquerschnitt der
Laval-Düsen-ähnlichen Öffnungskontur des Ventils standen. Durch die überkritische Strömung werden die Stoßwellen im divergierenden Teil der Düse induziert. Erlaubt die Kontur keine stabile Fixierung der Stoßwelle, so oszilliert sie und erzeugt entsprechende
Druckwellen. Eine Abhilfe wäre das Ersetzen der Laval-Düsen-ähnlichen Kontur durch
eine lediglich konvergierende Düse, was zu einer deutlichen Beruhigung der Druckpulsationen führte [STA2003].
8.4.2.2 Strömungsablösungen
Die in der Regel instationär auftretenden Ablösestrukturen bewirken fluktuierende
Druckkräfte auf den Ventilkegel Die auftretenden Strukturen wurden von [CLA2014]
und [CLA2011] experimentell und numerisch untersucht. Die Ablösegebiete wandern
sowohl in Umfangsrichtung oft überlagert mit axialen Verschiebungen des Ablösepunktes. In der Projektion der Diffusorströmung auf eine wandnahe Ebene finden sich
verschiedenste kritische Punkte, die einerseits ineinander übergehen und andererseits
386
F. Joos und T. Polklas
Abb. 8.36 Berechnete Momentaufnahme der auf eine wandnahe Ebene projizierten Strömung im
Diffusor ab dem engsten Querschnitt mit kleinem Öffnungsverhältnis 6 % und unterkritischem Zustand [CLA2014]
umfangsmäßig rotieren (Abb. 8.36). Sie können entsprechend dem einleitenden Kapitel
kategorisiert werden. Die auftretenden Strukturen werden, wie bereits in Abb. 8.33 und
Abb. 8.36 dargelegt, einerseits durch die Betriebsbedingungen sowie andererseits durch
das Öffnungsverhältnis des Ventils bestimmt.
8
Ventile
387
8.4.2.3 Stationäre und instationäre Strömungskräfte
Die Auswirkungen der fluktuierenden Strömung auf die Struktur kann über die Druckwirkungen zu starken Querkräften führen, die beim Öffnen den Ventilsitz beschädigen
oder sogar die Spindel abreißen können. Versuche unter Originalbedingungen sind wegen
der hohen Dampfzustände in der Regel schwierig. So bleiben Versuche unter reduzieren
Bedingungen oder numerische Untersuchungen.
Unter Zuhilfenahme des modifizierten SAS-F (ZFLES) Turbulenzmodells führten [DOM2014] eine numerische Studie an Ventilen mit zylinderförmigen Ventilkegel
durch, die instationäre Querkräfte auf den Ventilkegel unter verschiedenen Betriebszuständen bei unterschiedlichen Öffnungsverhältnissen zu bestimmen. Die Fluid-Struktur
Interaktion wird über das berechnete Druckfeld bestimmt, das durch verschiedene akustische Moden dominiert wird. Je nach Betriebszustand stellte sich eine vollständige
Durchströmung ein. Alternativ kam es zu einer anliegenden Außen- oder abgelösten
Kernströmung. Bei gewissen Betriebsbedingungen trugen die akustischen Pulsationen
signifikant zu den dynamischen Kräften auf den Ventilkegel bei. Die Kavität hinter dem
Kegel wurde bei der vollen Durchströmung, wie auch bei der anliegenden Wandströmung
akustisch angeregt, wobei die Schwingung durch die instabile Grenzschicht verstärkt
wurde. Die hierdurch angeregten dynamischen Kräfte können durch die Optimierung des
Ventilkegels oder durch die Stabilisierung der Grenzschicht abgeschwächt werden. Die
anliegende Strömung regte unter gewissen Bedingungen den ersten radialen akustischen
Mode an, die zu starken transversalen Kräften auf den Kegel führt. Die Intensität schien
mit dem Druckverhältnis korreliert.
Sobald ein Druckverhältnis erreicht wurde, das auf ein Anliegen der Strömung führte,
erhöhte sich die transversale Kraft erheblich. Bei der partiell anliegenden Strömung kurz
vor dem Anliegen traten die höchsten Kräfte auf.
In ihrer numerischen Studie untersuchten [DOM2016] die Wechselwirkung zwischen
Strömung und Ventilkegelstruktur. Bei anliegender Strömung wird die Bewegung des
Ventilkegels durch eine einzelne angeregte Frequenz dominiert. Die akustische Mode
wird durch die Grenzschicht zwischen der an der Wand anliegenden Strömung und der
Rückströmung auf der Achse des Diffusors angeregt. Die die Fluid-Struktur Wechselwirkung berücksichtigende Rechnung zeigt lediglich niedrige Amplituden sowie ein unsymmetrisches Ausweichen des Kegels. Löst die Strömung asymmetrisch ab, was insbesondere im Hysteresegebiet (Abb. 8.37) auftritt, steigen die angeregten axialen und transversalen
Kräfte um über 40 % an. Die asymmetrische Ablösung führt auch zu einer unsymmetrischen Druckverteilung im Ventil. Der Ablösepunkt selbst ist nicht fest, sondern bewegt
sich. Dies kann jedoch nur durch eine Zwei-Wege Kopplung der Fluid-Struktur Wechselwirkung beschrieben werden. Sobald die Ablösung über den gesamten Umfang auftritt,
wird die angeregte Kraft leicht reduziert. Die Auswirkungen der Zwei-Wege Kopplung
weist eindeutig darauf hin, dass die Vibrationen auch das Strömungsfeld beeinflussen.
388
F. Joos und T. Polklas
Abb. 8.37 Numerisch bestimmter Stabilitätsbereich
eines Ventils mit zylinderförmigem Ventilkegel (nach
[DOM2016])
8.4.3 Betrieb des Schnellschlussventils
Um ein Überdrehen der Turbine bei Lastabwurf zuverlässig zu vermeiden, muss das
Schnellschlussventil innerhalb weniger als 300 ms geschlossen werden. Dies erfordert
eine starke Beschleunigung beim Einleiten des Schließvorgangs wie auch eine extreme
Verzögerung am Ende, ohne Beschädigung der Oberflächen. Hierzu muss viel kinetische
Energie der Schließspindel umgewandelt werden. Um die Beschädigung der Ventilteile
zuverlässig zu verhindern, wird die kinetische Energie in einem Puffersystem dissipiert,
das einen entscheidenden Beitrag zur Dynamik des Ventiles spielt. Der Schließprozess
muss letztendlich im Experiment validiert werden, auch wenn er über CFD numerisch
simuliert werden kann [XIA2016]. Die Autoren untersuchen das Puffersystem numerisch, um die maßgeblichen Größen zur Beeinflussung der Schließzeit zu identifizieren,
Abb. 8.38.
Das Schnellschlussventil wird im Regelfall über einen hydraulischen Servomotor
geöffnet und geschlossen. Der Kolben des Servomotors ist direkt mit der Ventilspindel gekoppelt. Das Ventil wird durch den aufgebrachten Öldruck geöffnet und durch
Abb. 8.38 Schema eines Schnellschluss-Puffersystems nach [XIA2016]
Literatur
389
Abb. 8.39 Zeitlicher Verlauf der Stempelstellung des Schließvorganges eines Schnellschlussventils
nach [XIA2016]
eine hierdurch vorgespannte Feder geschlossen. Um im Notfall die geforderte hohe Schließgeschwindigkeit zu erzielen, müssen die bewegten Teile stark beschleunigt
und kurz vor dem Schließen über ein Puffersystem entsprechend abgedämpft werden [DAN1993, HON1984].
Zur Notabschaltung aktiviert das Regelsystem die Magnetspulen die den Öldruck des
Öffnungskolbens schnell absenken, so dass die Ventilspindel beschleunigt wird, bis sie
sich im Gleichgewicht mit dem Öldruck und den Reibungskräften mit seiner höchsten
Geschwindigkeit bewegt. Die Federkraft lässt bekanntermaßen mit zunehmender Entspannung nach.
Neben dem experimentellen Funktionsnachweis wurde der Schließvorgang durch verschiedene mathematische Modelle beschrieben [HON1984, LIA2009] sowie [JIH2015].
Hierzu müssen jedoch einzelne Koeffizienten, wie beispielsweise der Durchflusskoeffizient und das Zu- und Abströmen des Puffers zeitaufwendig experimentell bestimmt
werden. [XIA2016] beschreiben das Puffersystem detailliert mit Hilfe eines transienten
CFD-Modells mit guter Übereinstimmung mit den Messwerten (Abb. 8.39). Der momentan berechnete Durchflusskoeffizient hängt stark vom jeweiligen Öffnungszustand des
Ventils ab.
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9
Beschaufelung
Stefan aus der Wiesche
Dampfturbinen gehören zu den thermischen Turbomaschinen und ihr besonderes Kennzeichen sind Schaufeln, die in der axialen Bauweise ringförmig auf einer Welle angebracht
sind. Neben den rotierenden Laufschaufeln bestehen die Turbinenstufen aus Leitschaufelreihen, so dass die Darstellung der Kernmaschine immer die Beschaufelung, die Wellen
und die Gehäuse umfassen muss. Die übrigen erforderlichen Komponenten und Bauteile,
wie Ventile, Dampfleitungen, Kondensatoren, Lager und weitere Peripheriegeräte werden
hier nicht zur Kernmaschine gezählt, obgleich sie für den Betrieb ebenfalls unentbehrlich
sind.
Die Energieumsetzung erfolgt in den Stufen einer Dampfturbine in der Beschaufelung, und die strömungstechnisch-thermodynamische Auslegung der Beschaufelung steht
zu Beginn jeder Entwicklung einer Dampfturbine. Diese muss durch eine entsprechende
strukturmechanische Analyse ergänzt werden, um die Festigkeits- und Lebensdaueranforderungen zu erfüllen. In den vorangegangenen Kap. 2 bis 6 wurden die Grundlagen
der Energieumsetzung in der Beschaufelung unter verschiedenen Blickwinkeln vorgestellt. Im hier vorliegenden Kapitel werden spezielle Aspekte und Besonderheiten der
Beschaufelung von Dampfturbinen behandelt. Der Rotor- und Gehäuseaufbau wird im
nachfolgenden Kap. 10 detailliert behandelt. Grundsätzlich lässt sich zwar die Auslegung
der Beschaufelung nicht unabhängig von der des Gehäuses und des Rotors durchführen,
doch ist aufgrund der Komplexität eine entsprechende Kapitelunterteilung sinnvoll.
S. aus der Wiesche ()
Fachhochschule Münster
Steinfurt, Deutschland
E-Mail: wiesche@fh-muenster.de
© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2018
S. aus der Wiesche, F. Joos (Hrsg.), Handbuch Dampfturbinen,
https://doi.org/10.1007/978-3-658-20630-7_9
395
396
9.1
S. aus der Wiesche
Übersicht und Einordnung
In Abb. 9.1 ist zur Illustration des in diesem Kapitel behandelten Gegenstandes eine
beschaufelte Welle einer Industriedampfturbine gezeigt. In Abb. 9.1 ist die erste Stufe
(rechts) als Regelstufe ausgeführt. Anschließend folgen verschiedene Stufengruppen, wobei die Mehrzahl der Laufschaufelreihen mit Deckbändern ausgeführt ist. Zwischen den
Stufengruppen können Entnahme- oder Anzapfstellen vorgesehen werden.
9.1.1 Klassifizierung
Die Beschaufelung einer Dampfturbine kann nach verschiedenen Gesichtspunkten klassifiziert werden. Von einem strömungstechnischen Standpunkt aus können Stufen aufgrund
ihres Reaktionsgrads unterschieden werden, was sich direkt auf die Schaufelprofile auswirkt. Die klassisch im Turbinenbau eingesetzten Profiltypen kann man nach Dejc und
Trojanovskij [DEJ1973] generell wie folgt klassifizieren:
Überdruck-Leitgitter (fest) und Laufgitter (umlaufend)
Gleichdruck-Laufgitter und Gleichdruck-Umlenkgitter
Die Schaufeln der Überdruck und Gleichdruck-Stufen fallen in die erste Kategorie. CurtisStufen bedienen sich Schaufeln der zweiten Kategorie (siehe Kap. 2). Innerhalb dieser
Profiltypen werden die Gitter noch nach der Mach-Zahl Ma am Ein- und Austritt unterteilt:
Abb. 9.1 Beschaufelte Welle einer Industriedampfturbine (Werkbild MAN)
9
Beschaufelung
397
Abb. 9.2 Kreisgitter großer
Fächerung mit radial gestellten Schaufeln und Darstellung
dreidimensionaler Strömungsstrukturen (aus [DEJ1973])
Unterschallgitter (Ma < 1)
Schallnahe Gitter, auch transsonische Gitter genannt (1 < Ma < 1;2 bis 1,3)
Überschallgitter (Ma > 1;2)
Im einfachen Fall besteht die Schaufel nur aus dem in die Höhenrichtung extrudierten
zweidimensionalen Profil. Man spricht dann auch von einer zylindrischen Beschaufelung.
Der Sonderfall eines linearen Schaufelgitters liegt bei kleinen Verhältnissen H=D
1
von Schaufelhöhe H zu Stufendurchmesser D vor. Bei größeren Werten von H=D spricht
man auch von Kreisgittern mit großer Fächerung. Deren Strömungsstruktur ist durch ausgeprägte dreidimensionale Effekte gekennzeichnet. In Abb. 9.2 sind ein Gitter mit großer
Fächerung und dreidimensionalen Strömungsverhältnissen dargestellt. In den Endstufen
von Kondensationsdampfturbinen können noch wesentlich größere Fächerungen, als in
Abb. 9.2 gezeigt, auftreten.
Um einen hohen Stufenwirkungsgrad zu erzielen, muss man bei der Auslegung der
Schaufelform der Dreidimensionalität der Strömung Rechnung tragen. Es ist offensichtlich, dass bei Kreisgittern großer Fächerung die einfachen radial gestellten zylindrischen
Schaufelformen zu nur mäßigen Stufenwirkungsgraden führen. Viele Turbinenschaufeln
sind daher nicht nur durch ein zweidimensionales Profil, sondern durch eine dreidimensionale Form gekennzeichnet. In Abb. 9.3 sind die Schaufeln gekrümmt gestellt, was auf ein
dreidimensionales Kreisgitter führt. Bereits in den 1960er-Jahren wurden am Moskauer
Energetischen Institut (MEI) unter Anleitung von M. E. Dejc gekrümmte („säbelförmige“) Gitter für minimale Verluste untersucht. In Abb. 9.3 ist exemplarisch die Verteilung
des Reaktionsgrades über die relative Schaufelhöhe (l= l1 ) für verschiedene Konfigurationen dargestellt.
Man erkennt, dass die Stellung der Schaufeln einen großen Einfluss auf die Verteilung des Reaktionsgrads entlang der Schaufelhöhe hat. Durch die Krümmung der Schaufeln lassen sich gegenüber der radialen Grundanordnung günstigere Verhältnisse hinsichtlich der Strömungsverluste realisieren. Diese Erkenntnisse konnten im Dampfturbinen-
398
S. aus der Wiesche
Abb. 9.3 Gitter großer Fächerung mit gekrümmten
Schaufeln und schematische
Verteilung des Reaktionsgrads
über die relative Schaufelhöhe:
1 radial gestellte Schaufeln,
2 in Strömungsrichtung geneigte Schaufeln, 3 gekrümmte
(„säbelförmige“) Schaufeln
(aus [DEJ1973])
bau allerdings wegen der fertigungstechnischen Einschränkungen nur wesentlich später
praktisch umgesetzt werden. Die frühen Ergebnisse des MEI blieben daher längere Zeit
nur eher akademischer Natur, bis computergestützte Fertigungsverfahren in den 1990erJahren verfügbar waren.
Die heutige Dampfturbinenbeschaufelung ist in hocheffizienten Ausführungen bereits
von den ersten Hochdruckstufen an dreidimensional. Ein Beispiel für eine moderne, optimierte Beschaufelung zeigt Abb. 9.4. Obgleich dreidimensionale Beschaufelungen heute
allgemein verfügbar sind, bedeutet dies noch längst nicht das Ende der zylindrischen Beschaufelung in der Praxis. Üblicherweise werden Industriedampfturbinen noch immer mit
einer zylindrischen Beschaufelung, wie in Abb. 9.1 gezeigt, ausgeführt. Der Grund hierfür
ist durch die Gesamtkosten für den Betreiber gegeben. Für Dampfturbinen in Großkraftwerken, die einen hohen Wirkungsgrad zur Minimierung der Betriebskosten aufweisen
sollen, lohnt sich die Investition in die teurere, dreidimensionale Beschaufelung. Bei Industriedampfturbinen sind oft die Wirkungsgrade von geringerer Bedeutung, da die Investitionskosten eine größere Rolle spielen. In einem solchen Fall ist die Ausführung der
Dampfturbine mit einer einfachen zylindrischen Beschaufelung wirtschaftlich sinnvoller.
Die höheren Kosten bei der dreidimensionalen Beschaufelung werden vor allem durch
die Leitgitter verursacht. Es können zwar heute kosteneffizient dreidimensionale Einzelschaufeln gefertigt werden, doch sind dreidimensionale Leitgittersegmente noch immer
relativ teuer. Da eine Wirkungsgradsteigerung aber nur bei gleichzeitiger Verwendung
von dreidimensionalen Leit- und Laufschaufeln realisiert werden kann, sind entsprechende Stufen noch immer relativ teuer. Dreidimensionale Beschaufelungen werden meist nur
für einen bestimmten Betriebspunkt hin optimiert, was für Großkraftwerksdampfturbinen
meist gut erfüllt ist. Bei vielen Industriedampfturbinen ist hingegen der Teillastbetrieb
relevant.
Eine besondere Bedeutung weisen Endstufen von Kondensationsdampfturbinen auf.
Wegen der großen Zunahme des spezifischen Volumens v des Dampfes bei niedrigen
Drücken müssen in Endstufen große Volumenströme verarbeitet werden. Dies führt
zwangsweise auf große Strömungsquerschnitte mit entsprechend langen Schaufeln. Die
Konstruktion hochwertiger Schaufeln für Endstufen ist aufgrund der schwierigen strömungstechnischen Verhältnisse und der großen strukturdynamischen Herausforderungen
9
Beschaufelung
399
Abb. 9.4 Moderne dreidimensionale Beschaufelung (Bauart
Siemens AG)
sehr anspruchsvoll. Erschwerend kommt hinzu, dass solche Schaufeln erst in ihrem
praktischen Einsatz wirklichkeitsgetreu getestet werden können, da entsprechende Versuchsturbinen oder Prüfstände meist nicht verfügbar sind. In der Regel entwickeln daher
Hersteller firmeninterne Standard-Endschaufeln, die nach erfolgreichem Einsatz in verschiedenen Dampfturbinen eingesetzt werden.
Die klassische konstruktive Lösung für Gitter großer Fächerung besteht in der Verwendung von verwundenen Schaufeln. Da mit wachsendem Radius die Umfangsgeschwindigkeit zunimmt, werden in diesem Fall die Schaufelwinkel entsprechend angepasst, so dass
eine verwundene Schaufelform resultiert. In der Regel müssen auch die entsprechenden
Profile angepasst werden, so dass solche Schaufeln auch eine Verjüngung aufweisen. Ein
älteres Ausführungsbeispiel für eine verjüngte und verwundene Schaufel zeigt Abb. 9.5.
In diesem Fall wurde die Schaufel radial gestellt und ein konisches Verjüngungsgesetz
gewählt. Diese Form wurde bereits sehr früh im Dampfturbinenbau eingesetzt, worüber
beispielsweise Kearton [KEA1956] informiert. Ein älteres Beispiel für eine verwundene Laufschaufel für die Endstufe einer großen Kondensationsdampfturbine mit 600 MW
Leistung und einer Drehzahl von 3000 min1 zeigt Abb. 9.6. An der Blattspitze wird lokal Überschallgeschwindigkeit erreicht. Eine Ausführung von modernen verwundenen
Schaufeln zeigt Abb. 9.7. Es handelt sich hierbei um Laufschaufeln für die Endstufen von
großen Kraftwerksturbinen, die bis über 1600 MW Nennleistung aufweisen können. Wegen der großen Massendurchsätze werden trotz einer mehrflutigen Bauweise der ND-Teile
dann sehr große Schaufellängen von knapp 2 m erforderlich. Wegen der hohen Fliehkraftbelastungen sind die in Abb. 9.7 gezeigten Schaufeln aus Titan gefertigt. Zur Reduzierung
der Schaufelschwingungen weisen die sehr langen Schaufeln Kopplungselemente (sog.
Arkaden) auf. Anhand der in Abb. 9.7 gezeigten Schaufeln ist das Prinzip der skalierten
Beschaufelung, d. h. der Anwendung der Ähnlichkeitstheorie, gut illustriert. Trotz dieses
Prinzips ist aber die Entwicklung einer neuen Endschaufel für Hersteller immer mit einem
400
Abb. 9.5 Konisch verwundene Laufschaufel (Bauart
Blohm & Voss, ältere Ausführung aus den 1960er-Jahren)
Abb. 9.6 Verwundene Laufschaufeln für die Endstufe
einer großen Kondensationsdampfturbine (Bauart BBC,
ältere Ausführung um 1970)
S. aus der Wiesche
9
Beschaufelung
401
Abb. 9.7 Moderne verwundene Laufschaufeln für die
Endstufen großer Kernkraftwerksturbinen (Bauart GE)
großen Risiko verbunden, da wesentliche physikalische Effekte, wie das Bruchverhalten,
nicht exakt skalierbar sind.
9.1.2 Gitterbezeichnungen
Die wesentlichen Gittergeometriedaten der Beschaufelung und die Nomenklatur der
Schaufelgitter können Abb. 9.8 entnommen werden. Die Zuströmung für das in Abb. 9.8
gezeigte Schaufelgitter erfolgt mit der Geschwindigkeit c1 und dem Zuströmwinkel ˛1 .
Die Abströmung wird durch c2 und dem mittleren Abströmwinkel ˛2 bezeichnet. Für
Leitschaufeln werden die Absolutgeschwindigkeiten und für Laufschaufeln die Relativgeschwindigkeiten verwendet. Bei der strömungstechnischen Untersuchung eines linearen
Schaufelgitters, das in der Testsektion eines Windkanals platziert ist, können somit auch
Laufschaufeln betrachtet werden. In diesem Fall muss die Zuströmung auf das während
der Versuchsdurchführung feste Schaufelgitter so gewählt werden, wie es der Relativgeschwindigkeit im späteren Einsatz in der Turbine entspricht. Die einzelne Schaufel ist
durch die Sehnenlänge l und eine axiale Sehnenlänge (Breite) b sowie die Schaufelhöhe H
charakterisiert. Die Schaufel weist üblicherweise eine gekrümmte Skelettlinie auf. Durch
die Vorgabe der Dickenverteilung t als Funktion der Koordinaten x und y bzw. des Abstandes a wird das Profil der Schaufel bestimmt. In Abb. 9.8 ist ein typisches, dickeres Profil
402
S. aus der Wiesche
Abb. 9.8 Geometriedaten der Beschaufelung und Nomenklatur
für eine Dampfturbine gezeigt. Die Skelettlinie weist gegenüber der Referenzrichtung
die beiden Metallwinkel ˛10 und ˛20 auf. Diese stimmen im Allgemeinen nicht mit den
Strömungswinkeln ˛1 und ˛2 überein. Weiterhin bezeichnet den Staffelwinkel (auch
Staffelung genannt) des Schaufelgitters. Die Schaufeln haben den Abstand s, der auch
als Teilung des Gitters bezeichnet wird. Man bezeichnet i D ˛1 ˛10 als Anstellwinkel
(Inzidenz) und ı D ˛2 ˛20 als Ablenkung der Strömung. In der Literatur existiert weder für die gewählten Symbole, noch für die Referenzrichtung bzw. der Zählweise der
Winkel eine einheitliche Festlegung. In Abb. 9.8 wurde die Konvention der Winkel wie
in [DIX2010] übernommen.
9.1.3 Aufbau von Stufen und Reaktionsgrad
Wie in den vorhergehenden Kap. 2 und 4 erläutert, unterscheidet man traditionell zwischen
Gleichdruckstufen (auch Aktionsstufen genannt) und Überdruckstufen (auch Reaktionsstufen genannt). In Abb. 9.9 ist ein Schnittbild einer typischen Gleichdruckstufe mit einem
einkränzigen Gleichdruckrad (A-Rad) gezeigt.
Der Aufbau einer Curtis-Stufe ist in Abb. 9.10 erläutert. Die Curtis-Stufe gehört ebenfalls zu den Gleichdruckstufen, d. h. sie weist im mehrkränzigen Laufrad keine signifikante Expansion, sondern nur eine (mehrfache) Umlenkung auf. In einer Gleichdruckstufe können relativ große Gefälle verarbeitet werden. Eine Hintereinanderschaltung von
Gleichdruckstufen ist als Rateau- oder Zoelly-Turbine bekannt. In diesem Fall werden anstelle der Düse Leitschaufeln verwendet, die zur schlanken Welle hin mit Zwischenböden
abgedichtet werden (siehe auch Kap. 2). Bei der Laufschaufel treten in einer Gleichdruckstufe kleinere Spaltverluste auf. Auch ist der Schub auf den Rotor wesentlich geringer, als
bei einer Überdruckstufe. Da es streng genommen aber keine idealen Gleichdruckstufen
gibt, sondern nur Schwachreaktionsstufen, treten allerdings auch bei solchen Stufen stets
gewisse Axialschübe auf.
9
Beschaufelung
403
Abb. 9.9 Schnittbild einer
typischen Gleichdruckstufe
(aus [VGB1983]): 1 Turbinengehäuse; 2, 3 Stemmmaterial;
4 Dichtband; 5 Laufschaufel;
6 Laufscheibe; 7 Stemmstück;
8 Düsensegment; 9 Düse
(Leitapparat); 10 Druckausgleichsbohrung
Abb. 9.10 Gleichdruckstufe mit einem mehrkränzigen
Curtis-Rad (aus [VGB1983]):
1 Turbinengehäuse; 2 Düse;
3 Düsensegment; 4 Stemmmaterial; 5 Leitschaufel
(Umleitschaufel); 6 Stemmmaterial; 7 Dichtband;
8 Laufschaufel; 9 Turbinenwelle; 10 Stemmstück
Eine typische Überdruckbauweise ist in Abb. 9.11 illustriert. Die Leit- und Laufschaufeln haben bei einer traditionellen Überdruckstufe mit einem Reaktionsgrad von 50 %
gleiche Profile. Da bei einer Überdruckstufe Spaltverluste sowohl für Leit- als auch Laufschaufeln auftreten, wird meist auch das Dichtungskonzept vergleichbar ausgeführt. Bei
404
S. aus der Wiesche
Abb. 9.11 Überdruckstufen mit Dichtbändern
(aus [VGB1983]): 1 Turbinengehäuse; 2 Leitschaufel;
3 Dichtband; 4 Laufschaufel;
5 Dichtband; 6 Stemmstück;
7 Turbinenwelle; 8 Stemmdraht
dem in Abb. 9.11 gezeigtem Beispiel wurden Schaufeln mit Deckbändern eingesetzt.
Als Dichtspiel bezeichnet man den kleinen Spalt zwischen den Dichtblechen und den
soliden Gegenkomponenten. Wegen des nicht unerheblichen Schubes werden Überdruckstufen mit einer trommelförmigen Welle ausgeführt. Zur Reduzierung des Schubes ist ein
Ausgleichskolben erforderlich (wenn keine doppelflutige Bauweise mit direktem Schubausgleich vorliegt).
9.1.4 Quasi-Repetierstufen
Wegen der üblicherweise großen Anzahl von Stufen in einer Dampfturbine, siehe
Abb. 9.1, liegt es nahe, alle Stufen nach einem einheitlichen Konzept aufzubauen. Dieser
Gedanke führt in letzter Konsequenz auf sog. Repetierstufen, die durch die folgenden
Bedingungen [DIX2010] definiert sind:
9
Beschaufelung
405
konstanter Stufendurchmesser D
Eintrittswinkel in die Stufe gleich Austrittswinkel (˛1 D ˛3 )
konstante Axialgeschwindigkeit
Prinzipiell kann auch eine einzelne Stufe die obigen Bedingungen erfüllen. Man spricht
dann auch von einer Normalstufe.
Die Übertragung des Konzepts der Repetierstufen auf Dampfturbinen stößt allerdings
wegen der starken Zunahme des spezifischen Volumens v bei der Entspannung an Grenzen. Die Forderung nach einem konstanten Stufendurchmesser D entlang des Dampfpfades führt neben wachsenden Schaufellängen direkt auch zu abnehmenden Wellendurchmessern. Letzteres ist nur in engen Grenzen bei einer Dampfturbine umsetzbar.
Eine Umgehung des Problems der abnehmenden Wellendurchmesser bei Repetierstufen ist durch die Einführung von Quasi-Repetierstufen möglich. Bei einer QuasiRepetierstufe fordert man, dass die dimensionslose Abströmgeschwindigkeit aus allen
Stufen konstant und gleich der dimensionslosen Zuströmgeschwindigkeit zur jeweils
folgenden Stufe sein soll. Dies bedeutet, dass für jede Stufe (I, II, . . . , N) mit der Eintrittsebene 1 und der Austrittsebene 3 die Bedingung
D3
D1
D
I
D3
D1
D ::: D
II
D3
D1
D konstant
(9.1)
N
gelten muss. Gl. 9.1 führt unmittelbar auf den geometrischen Zusammenhang
D3;N
D
D1;I
D3
D1
N
(9.2)
für den Austrittsdurchmesser D3;N der N-ten Stufe und dem Eintrittsdurchmesser D1;I
der ersten Stufe sowie dem konstanten Stufendurchmesserverhältnis D3 =D1 . Dies ergibt
gleiche Geschwindigkeitsverhältnisse
u2
D2
D
u3
D3
und
c1
D1
D
c3
D3
(9.3)
und führt auf ein konstantes Verhältnis cm =u in allen Ebenen, d. h.
cm2
u3
cm3
D
D '3 D '2
u2
u3
u2
bzw. '3 D '2
D3
D2
D '1
:
D2
D1
(9.4)
Analog zur Durchflusskenngröße ' sind auch die Enthalpiekenngröße und der Reaktionsgrad für Quasi-Repetierstufen gleich (siehe auch nachfolgenden Abschn. 9.2.1).
406
S. aus der Wiesche
9.2 Strömungstechnische Auslegung der Beschaufelung
Die Turbomaschinenauslegung erfolgt heute überwiegend mit Hilfe von numerischen Verfahren, die auf ein umfangreiches Erfahrungswissen und einer Vielzahl von experimentellen und numerischen Daten beruhen (siehe Kap. 6). Zu Beginn der Dampfturbinenauslegung sind in der Regel nur die Drehzahl n und einige thermodynamische Ein- und
Austrittswerte aus einer Dampfkraftprozessrechnung bekannt. Im ersten Schritt müssen
die Hauptabmessungen der Turbine und ihrer Beschaufelung abgeschätzt werden. Dieser
Schritt (preliminary turbine design, siehe [DIX2010]) kann noch weitgehend mit Hilfe
von analytischen Ausdrücken und überschlägigen Beziehungen durchgeführt werden. Zusammen mit den zu Beginn gegebenen Werten liegen damit alle Eingangsdaten für den
Hauptauslegungsprozess vor. Der Hauptauslegungsprozess kann nur noch rechnergestützt
erfolgen, da eine Vielzahl von Randbedingungen und Koppelungen zwischen den Auslegungsgrößen zu beachten sind. In der Regel erfolgt diese Auslegung iterativ, was noch
weiter unten ausgeführt wird.
Trotz der großen Fortschritte auf dem Gebiet der dreidimensionalen numerischen
Strömungsmechanik (Computational Fluid Dynamics CFD) dominieren im Hauptauslegungsprozess noch immer die klassischen eindimensionalen (1D) Mittelschnitt- bzw.
Mehrschnittverfahren (Duct-flow- und Through-flow-Verfahren), da selbst moderne CFDMethoden erst unter Vorlage eines geeigneten Ausgangsmodells praxistaugliche Resultate
in einer vertretbaren Rechenzeit liefern können [DIX2010]. Der große Vorteil bei 1DVerfahren liegt darin, dass nur wenige Schaufelgitterkenngrößen gegeben werden müssen
und dass ihre sehr kurzen Rechenzeiten detaillierte Parameterstudien und eine Optimierung ermöglichen. Die Energieumsetzung und die Verluste in den Stufen werden bei
dem 1D-Mittelschnittverfahren auf einen repräsentativen Stromfaden mit dem Radius rm
bezogen. Dieser Radius wird oft als einfacher geometrischer Mittelwert
rm D
rh C rt
2
(9.5)
aus den Radien rh und rt für Nabe (hub) und Schaufelspitze (tip) gebildet. Eine etwas
andere Definition beruht auf einer Flächenmittelung, was auf
s
rm D
rh2 C rt2
2
(9.6)
anstelle von Gl. 9.5 führt. In der Praxis sind die Unterschiede zwischen Gl. 9.5 und 9.6)
meist gering. Der mittlere Stromfaden verläuft vom Eintritt bis zum Austritt und entlang
dieses Fadens werden an relevanten Stellen (Rechenstationen) die physikalischen Größen ausgewertet bzw. berechnet. Im Rahmen der Hauptauslegung können die Resultate
von detaillierten CFD-Analysen oder Gitterwindkanalversuche effizient in 1D-Verfahren
als Eingangsdaten oder als Korrelationen einfließen. Da jedes CFD-Verfahren wiederum mit Hilfe von geeigneten experimentellen Daten validiert werden muss, stellen das
9
Beschaufelung
407
Versuchswesen und insbesondere Gitterwindkanalversuche letztendlich immer noch das
Fundament jeder Auslegung dar.
9.2.1 Vorläufige Abschätzung der Hauptabmessungen
(preliminary design)
Als Ergebnis der thermodynamischen Kreisprozessrechnung sind die Leistung P und der
Massendurchsatz m
P der Dampfturbine zu Beginn als bekannt anzusehen. Durch die spätere Auslegung können diese Werte zwar auch noch modifiziert werden, aber die vorläufige
Abschätzung der Hauptabmessung beginnt mit diesen übergeordneten Eingangsdaten. Mit
Hilfe der Last- oder Arbeitsziffer (loading coefficient)
D
hSt
u2
(9.7)
und der Umfangsgeschwindigkeit u D 2 nrm der Stufe kann die Anzahl N der erforderlichen Stufen der Turbine nach
P
N
(9.8)
m
P u2
abgeschätzt werden.
In der Vergangenheit wurde häufig für alle Stufen eine konstante Lastziffer angenommen, deren Wert sich wiederum aus der traditionellen Aufteilung der Turbinen in
Gleichdruck- und Überdruckturbinen ergab. Insbesondere bei sehr hohen Frischdampfparametern kann es aber günstiger sein, in den ersten Stufen mehr Enthalpiegefälle zu
verarbeiten. Auch können Verlustüberlegungen dazu führen, dass man eine Veränderung
der Lastziffer über die Stufen bewusst wählt. Dies ist schematisch anhand von Abb. 9.12
gezeigt, bei der für eine vielstufige Hochdruckdampfturbine die Temperatur T über die
Stufen für verschiedene Verläufe der Lastziffer dargestellt ist. Bei diesem Beispiel würde die durchgängige Festlegung
D 1 auf die Stufenanzahl N D 20 führen. Wählt
man zunächst höher, dann baut sich die Temperatur wegen des höheren Stufengefälles
rascher ab und die Anzahl der benötigten Stufen reduziert sich auf 17.
Je höher die Lastziffer im Mittel gewählt wird, desto schneller baut sich die Temperatur ab, was thermisch hochbelastete Bauteile entlastet. Auch sinkt dadurch die Anzahl
N der benötigten Stufen, was Aufwand und Kosten der Turbine reduziert. Zwar steigen
die Verluste bei höher belasteten Stufen tendenziell an, aber diese können in nachfolgenden Stufen teilweise wiedergewonnen werden (siehe Kap. 3). Anhand einer Gesamtoptimierung kann dann ein günstiger Verlauf der Lastziffer entlang des Dampfpfades
ermittelt werden. Bereits an diesen Überlegungen erkennt man, dass die Auslegung einer Turbine iterativ erfolgt: Die Resultate aus einer Auslegungsrechnung basieren auf
Eingangsdaten, die erst nach Abschluss der Berechnung festliegen und bewertet werden
können. Wegen der unterschiedlichen Anforderungen und der wirtschaftlichen Randbedingungen können die Hauptabmessungen einer Turbine erst am Ende einer mehrfach
408
S. aus der Wiesche
Abb. 9.12 Schematischer
Verlauf der Lastziffer (a)
und der zugehörigen Temperaturabfälle T (b) entlang der
Stufenanzahl N für verschiedene Auslegungen
wiederholten Auslegungsrechnung und einer entsprechenden Optimierung bestimmt werden. Als entscheidende Nebenbedingungen für diese Optimierung müssen wirtschaftliche
Ziele beachtete werden. So kann beispielsweise die Verwendung von Gleichteilen für
Gehäuse oder Leitschaufelträger den zulässigen Lösungsraum für die thermodynamischströmungstechnischen Größen stark bestimmen.
Die Stufenanzahl wird auch durch die mittlere Umfangsgeschwindigkeit u bestimmt,
siehe Gl. 9.7. Diese hängt bei Dampfturbinen, die als Generatorantrieb dienen, von der
Netzfrequenz f und dem Radius rm ab. Der Radius bzw. die Umfangsgeschwindigkeit
kann wegen der Fliehkraftbelastungen nicht beliebig gesteigert werden, auch wenn eine
hohe Umfangsgeschwindigkeit u die Stufenanzahl N reduziert. Eine weitere Begrenzung
der Umfangsgeschwindigkeit kann durch die maximal zulässige Mach-Zahl der Strömung
gegeben sein (insbesondere bei transsonischen Stufen). Die geometrischen Hauptabmessungen der Beschaufelung sind durch die Schaufelhöhe H und deren mittleren Radien rm
gegeben. Mit Hilfe der Durchflussziffer
cx
u
(9.9)
m
P
Š 2 rm H
'u
(9.10)
'D
kann für diese Größen der Zusammenhang
Ax D
bzw.
m
P
(9.11)
2 'urm
abgeleitet werden. Falls eine Teilbeaufschlagung mit dem Teilbeaufschlagungsfaktor " für
die Stufe vorliegt, erhöht sich die Schaufelhöhe um diesen Faktor, siehe z. B. [DIE1980].
Bei kompressiblen Strömungen sind gasdynamische Effekte bei der Flächenbestimmung zu beachten. Es gilt im Rahmen des idealen Gasgesetzes die Durchflussbeziehung
p
m
P cp To1
D Q.Ma1 /
(9.12)
Ax po1
H D rt rh Š
9
Beschaufelung
409
mit der Eintritts-Mach-Zahl Ma1 und den Totalzustandsgrößen po1 und To1 vor der Leitschaufel der Stufe (Index 1). Diese hängen mit den Totalzuständen nach der Laufschaufel
der Stufe (Index 3) über
u2
To3
D1
(9.13)
To1
cp To1
und
po3
D
po1
To3
To1
p 1
(9.14)
zusammen [DIX2010], wobei der polytrope Wirkungsgrad p und der Isentropenexponent
in Gl. 9.14 für die Zustandsänderungen in der Stufe verwendet werden. Die AustrittsMach-Zahl Ma3 folgt aus
p
1 2 1=2
c3
D Ma3 1 1 C
:
Ma3
p
2
cp To1
(9.15)
Für die Auswertung von Gl. 9.12 kann auf die gasdynamische Beziehung
p
1 C1
m
P cp To1
1 2 2 . 1 /
Ma1 1 C
Dp
Ma1
Ax po1
2
1
(9.16)
zurückgegriffen werden. Bei einer kompressiblen Strömung bestimmt man zunächst aus
Gl. 9.12 die Querschnittsfläche Ax und kann dann auf die Schaufelhöhe H schließen (falls
der mittlere Radius rm über die Stufe konstant bleibt).
Die Anzahl der Schaufeln N einer Stufe und die axiale Sehnenlänge b kann ebenfalls
schon in einem frühen Auslegungsstadium abgeschätzt werden. Meist wird b direkt aus
den Erfahrungswerten für das Verhältnis H/b (aspect ratio) abgeschätzt. Die Teilung t legt
mit dem mittleren Radius rm der Leit- und Laufschaufeln direkt die Anzahl N der Schaufeln fest. Da rm bereits aus den obigen Überlegungen bestimmt wurde, muss nur noch die
Teilung t abgeschätzt werden. Hierfür kann auf das Zweifel-Kriterium [DIX2010] oder
auf geeignete Erfahrungswerte für das optimale Teilungsverhältnis b=t, die etwa in Form
von Diagrammen vorliegen [TRA1966, DEJ1973], zurückgegriffen werden.
Wie in Kap. 4 bereits diskutiert, werden im Dampfturbinenbau als klassische Bauweisen die Gleichdruckstufen bzw. die Stufen mit geringer Reaktion R und die symmetrische
Überdruckstufe mit einem Reaktionsgrad von R D 0;5 oft als Ausgangsbasis verwendet.
Tatsächlich liegen die Reaktionsgrade bei modernen dreidimensionalen Beschaufelungen
aber nicht mehr fest, sondern variieren, was auf optimale Lösungen für die Energieumsetzung und die Verluste führt. Im Rahmen einer vorläufigen Abschätzung können diese
Effekte aber nur näherungsweise berücksichtigt werden.
410
9.2.2
S. aus der Wiesche
Hauptauslegung mit 1D-Mittelschnittverfahren
Für das in Abb. 9.13 gezeigte 1D-Mittelschnittverfahren bilden die 1D-Verlustmodelle den
Ausgangspunkt für die 1D-Untersuchung. Als Randbedingungen bzw. Startwerte werden
die Ergebnisse aus einer vorangegangenen Abschätzung verwendet. Die 1D-Untersuchung
kann durch Zuhilfenahme einer 2D-Profilauslegung und der gewählten Profilsystematik
zu einer vollständigen 1D-Mittelschnittrechnung erweitert werden, die repräsentativ die
Energieumsetzung und Durchströmung abbildet.
Nähere Angaben zu den Schaufelprofilen sind nachfolgend zu finden, zunächst wird
hier das allgemeine Schema der Auslegung weiter behandelt. Das in Abb. 9.13 gezeigte
Verfahren kann nur iterativ abgearbeitet werden, da die 1D-Verlustmodelle Angaben der
2D-Profilauslegung (z. B. Annahmen zur Umlenkung der Strömung) benötigen. Umgekehrt können erst auf Basis von Verlustabschätzungen sinnvoll Umlenkwinkel und somit
auch Schaufelprofile bestimmt werden. Eine weitere Kopplung besteht zwischen den Profilen und deren Strukturanalyse, so dass ggf. auch hier ein iteratives Vorgehen notwendig
ist. Schließlich kann erst nach einer erfolgten Auslegung die Wirtschaftlichkeitsanalyse
durchgeführt werden, was zu einer weiteren Iterationsschleife in Abb. 9.13 führt.
Bei einem 1D-Mittelschnittverfahren erfolgt die Berechnung der Zustandsgrößen und
Verluste entlang des mittleren Stromfadens an den einzelnen Rechenstationen. Die thermodynamischen Zustandsgrößen des Dampfes werden heute rechnergestützt mit Hilfe der
Zustandsgleichungen (siehe Kap. 3) bestimmt. In extremen Vereinfachungen kann auch
das Konzept des perfekten Dampfes (siehe Kap. 3) verwendet werden. Zu Beginn der
Berechnung müssen die thermodynamischen und strömungstechnischen Größen an den
Abb. 9.13 Aufbau einer 1D-Mittelschnittauslegung für die Auslegung der Beschaufelung
9
Beschaufelung
411
einzelnen Rechenstationen initialisiert werden. Von diesen Werten ausgehend, werden die
Austrittszustände für Leit- und Laufräder unter Beachtung des 1D-Verlustmodells iterativ
ermittelt. Auf Basis der konvergierten Größen bestimmt man die Energieumsetzung und
damit auch die Leistung der Stufen. Die so berechnete Leistung muss wiederum konsistent mit dem aus der übergeordneten thermodynamischen Analyse ermittelten Wert
sein, andernfalls ist auch hier ein iteratives Vorgehen erforderlich. Erst wenn sich alle Zustandsgrößen nicht mehr ändern, ist die gesamte Lösung auskonvergiert und kann
verwendet werden. Bei einer konvergierten Lösung liegen alle Turbinenaustrittszustände
fest. Einige gebräuchliche Verfahren bieten den Benutzern verschiedene Berechnungsmodi an. So können etwa bei dem in [GER2008a] eingesetztem 1D-Mittelschnittverfahren
ein Auslegungsmodus (design mode) und ein Nachrechnungsmodus (analysis mode) gewählt werden. Im Auslegungsmodus wird in [GER2008a] der Eintrittsdurchmesser und
der Verlauf der Nabenkontur während der Berechnung festgehalten und die Schaufelhöhe
automatisch angepasst, bis die Durchflussziffer den optimalen Wert des aus der Profilsystematik ausgewählten Schaufelprofils erreicht hat. Im Nachrechnungsmodus erfolgt
in [GER2008a] eine Feinabstimmung durch Umstaffelung der Schaufelreihen. Da Dampfturbinenprofile üblicherweise eher gutmütig auf kleine Änderungen des Staffelwinkels
reagieren, ist diese Eingriffsmöglichkeit praktikabel. Aufgrund ihrer kurzen Rechenzeiten
können 1D-Mittelschnittverfahren prinzipiell mit übergreifenden mathematischen Optimierungsverfahren gekoppelt werden, doch werden in der Praxis häufig auch manuelle,
also durch das Urteilsvermögen des Benutzers gebildete, pragmatische Optimierungsrechnungen durchgeführt.
9.2.3 Verlustmodelle und Verlustberechnungen
Für die Genauigkeit und die Plausibilität des gewählten Auslegungsverfahrens sind immer
die Verlustmodelle und die rechnerische Vorhersage der Verluste in der Turbine bzw. der
Stufe entscheidend.
Die einfachste Beschreibung von Verlusten wäre durch Verwenden von (empirischen)
Werten für die polytropen bzw. isentropen Wirkungsgrade der Turbinenstufen gegeben. Ein solches Vorgehen mag für eine vorläufige thermodynamische Abschätzung noch
ausreichend sein, aber es ist nicht mehr sinnvoll für eine genauere Hauptauslegung. Stattdessen müssen anspruchsvollere Beschreibungen und Korrelationen für Verluste in der
Stufe als Berechnungsunterlagen verwendet werden. Nach Horlock [HOR1985] können
grundsätzlich zwei Klassen von Verlustmodellen unterschieden werden:
Modelle, die den gesamten Verlust (overall loss) einer Stufe bzw. eines Schaufelgitters
mit Hilfe von Korrelationen abschätzen,
Modelle, die auf einer detaillierten und getrennten Verlustanalyse entsprechend der
auftretenden physikalischen Phänomene beruhen (loss component analysis).
412
S. aus der Wiesche
Ein Vertreter für die erste Klasse von Modellen ist die auf Soderberg zurückgehende Korrelation, die trotz ihres sehr einfachen Aufbaus oft eine erstaunlich genaue Abschätzung
des Verlustkoeffizienten für ein Schaufelgitter gestattet [DIX2010, HOR1985]. Nach
dieser Korrelation ist vor allem die Umlenkung ˛ für den Verlust entscheidend. Weiterhin gehen das Verhältnis H/b sowie die Reynolds-Zahl Re ein.
Im englischsprachigen Raum ist die auf Ainley und Mathieson [AIN1951] zurückgehende Korrelation, bei der zwischen Profilverlust, Sekundärverlust und Spaltverlust
unterschieden wird, das gebräuchlichste Beispiel für die zweite Klasse von Verlustmodellen [DIX2010, HOR1985]. Bei dieser Korrelation wird der Totaldruckverlustkoeffizient
Yp für ein Schaufelgitter einschließlich der Spaltverluste bestimmt. Im deutschen Sprachraum ist das Verfahren von Traupel [TRA1966], das ebenfalls zur zweiten Klasse gehört,
das wohl in der Praxis meistangewandte. Beim Verfahren von Traupel wird der Gitterwirkungsgrad durch Koeffizienten für Leit- und Laufräder nach dem Schema
D 1 P H R Z
(9.17)
ausgedrückt, wobei P die Profilverluste, H die Hinterkantenverlust, R die Restverluste
und Z weitere Zusatzverluste (Fächerverluste, Fehlanströmung, Alterung) bezeichnen.
Beim Verfahren von Traupel werden die Spaltverluste als zusätzliche Verluste auf den
inneren Stufenwirkungsgrad bezogen. Der Profilverlust wird nach Traupel durch
P D Ma Re P0
(9.18)
aus einem Grundwert P0 und Korrekturen, die den Einfluss der Mach-Zahl Ma sowie der
Rauheit bzw. der Reynolds-Zahl Re erfassen, ausgedrückt. Für alle in Gl. 9.17 und 9.18
auftretenden Größen können Diagramme bzw. Korrelationen, die aus Erfahrungswerten
bzw. Versuchsergebnissen abgeleitet worden sind, verwendet werden.
Grundsätzlich würde die Erfassung der Verluste mit Hilfe der Entropieänderung s
die formal befriedigendste Beschreibungsform darstellen [DEN1993], aber da die Entropie selber nicht direkt gemessen werden kann, erfolgte ihre Verwendung in der Praxis
lange Zeit nur zögerlich. Durch den verstärkten Einsatz von CFD-Verfahren, bei denen
die Entropie direkt als Zustandsgröße ausgewertet werden kann, ändert sich dies zunehmend. Dennoch werden aus Sicht des Versuchswesens die pneumatisch zu bestimmenden
Verlustkoeffizienten und YP die bei weiten wichtigsten Größen für ein Schaufelgitter
bleiben. Wegen ihrer hohen Bedeutung und auch wegen der in der Literatur oft missverständlichen Verwendung, werden nachfolgend die wichtigsten Zusammenhänge für die
Verlustgrößen eines Turbinengitters, bei der die Entspannung von 1 nach 2 erfolgt, zusammengestellt. Die relevanten Größen sind in Abb. 9.14 dargestellt.
Vor Gittereintritt liege der Zustand 1 mit dem Totaldruck po1 vor, nach Verlassen des
Gitters ergibt sich po2 und die Austrittsgeschwindigkeit c2 . Die Änderung der Entropie ist
durch s D s2 s2s gegeben und charakterisiert direkt den Verlust. Der mit der realen
9
Beschaufelung
413
Abb. 9.14 Entspannungsverlauf in einem Turbinengitter im
h,s-Diagramm
Austrittsgeschwindigkeit c2 gebildete energetische Verlustkoeffizient ist durch
D
h2 h2s
1 2
c
2 2
(9.19)
definiert.
In der russischen Literatur wird als Bezug meist die isentrope Austrittsgeschwindigkeit c2s anstelle von c2 in Gl. 9.19 verwendet. Der Unterschied zwischen diesen beiden
Definitionen ist für den energetischen Verlustkoeffizienten allerdings in der Praxis eher
gering.
Der Totaldruckkoeffizient Yp wird bei einem Turbinengitter auf den Austrittszustand
bezogen (bei einem Verdichtergitter auf die Eintrittsbedingung), was auf
Yp D
po1 po2
po2 p2
(9.20)
für ein Turbinengitter führt. In der älteren Literatur [STO1910] war die Verwendung von
Geschwindigkeitsbeiwerten gemäß
c2
(9.21)
KD
c2s
üblich. Der isentrope Gitterwirkungsgrad
D
ho1 h2
ho1 h2s
(9.22)
ist über die Enthalpiegefälle definiert. Die verschiedenen Verlustgrößen lassen sich ineinander umrechnen, was beispielsweise auf die Beziehungen
D K 2;
D
1
1 bzw. Š 1 (9.23)
414
S. aus der Wiesche
für Ma2 < 1
(9.24)
Yp Š 1 C Ma22
2
führt [HOR1985]. Bei inkompressiblen Strömungen ist praktisch gleich Yp , aber mit
wachsender Mach-Zahl Ma2 nimmt der Unterschied zwischen diesen beiden Größen zu.
Da man in Versuchen immer nur lokale Werte für Yp misst, müssen diese massenstromgemittelt werden, um auf die mittleren Größen für 1D-Berechnungen zu gelangen, was
explizit in [DIX2010] oder [HOR1985] aufgeführt ist.
Wegen ihrer sehr einfachen Struktur und der oftmals bemerkenswerten Genauigkeit
bietet sich für eine schnelle Analyse die Soderberg-Korrelation an, die deshalb an dieser
Stelle kurz vorgestellt werden soll. Eine vertiefte Diskussion dieser älteren Korrelation
findet sich bei Horlock [HOR1985]. Nach Soderberg wird zunächst für das Turbinengitter
ein nominaler Verlust 0 eingeführt, der bei einem „guten“ Profil, nur von der Umlenkung
˛ näherungsweise nach
oder
˛
0 D 0;04 C 0;06
100
2
.˛ im Gradmaß/
(9.25)
abhängt. Der Einfluss von b/H wird mit Hilfe der Umrechnungen
1 C 1 D .1 C 0 / .0;993 C 0;021b=H /
(für Leitschaufeln)
(9.26)
1 C 1 D .1 C 0 / .0;975 C 0;075b=H /
(für Laufschaufeln)
(9.27)
abgeschätzt, was auf die Verlustkoeffizienten 1 führt. Im linearen Gitterwindkanal, bei
dem nur der Profilverlust bestimmt wird, kann dieser als Grenzfall durch H ! 1 abgeschätzt werden. Um auf den Gesamt-Verlustkoeffizienten zu gelangen, muss noch eine
Reynolds-Zahl-Korrektur gemäß
D 1
105
Re2h
1=4
.Re2h mit dem hydraulischen Durchmesser am Austritt/
(9.28)
vorgenommen werden.
Die Soderberg-Korrelation zielt auf den gesamten Verlust des Gitters; sie kann noch um
den Spaltverlust erweitert werden [LEW1996]. Trotz ihres sehr einfachen Aufbaus und der
Reduzierung der Korrelation auf wenige Einflussgrößen kann die Korrelation in günstigen
Fällen Stufen-Wirkungsgrade im Bereich von bis zu ˙3 % genau angeben. Zu beachten
ist, dass die Soderberg-Korrelation, wie auch die Korrelation von Ainley und Mathieson,
auf einer Auswertung von guten Turbinenkonstruktionen aus den 1940er-Jahren beruht.
In Abb. 9.15 sind typische Verläufe des Abströmwinkels und des Verlustkoeffizienten für
ein Gleichdruck- und ein Überdruckgitter als Funktion des Anstellwinkels gezeigt. Bei
einem Turbinengitter variiert der Abströmwinkel relativ wenig. Man kann in Abb. 9.15
erkennen, dass wegen der höheren Umlenkung ein Gleichdruckgitter tendenziell höhere
Profilverluste als ein Überdruckgitter aufweist.
9
Beschaufelung
415
Abb. 9.15 Typischer Verlauf des Abströmwinkels ˛2 und des Verlustes Yp in Abhängigkeit des
Anstellwinkels i für Schaufelgitter von Turbinenstufen unterschiedlicher Reaktion (nach Daten
aus [AIN1951])
Bei den in Abb. 9.15 gezeigten Beispielen reagiert das Überdruckgitter unempfindlicher gegenüber einer Änderung des Anstellwinkels, was Vorteile beim Teillastverhalten
einer Turbine hat. Das Verhalten der Strömung bei Vorliegen von modernen Schaufelprofilen wird nur bis zu einem gewissen Rahmen durch die klassischen Korrelationen abgedeckt. Dies betrifft vor allen dreidimensionale Beschaufelungen. Nach einer Analyse von
Horlock [HOR1985] kann angenommen werden, dass die Soderberg-Korrelation aus dem
Verhalten von Schaufelgittern bei höheren Mach-Zahlen abgeleitet worden ist, während
die Korrelation von Ainley und Mathieson auf Daten mit eher moderaten Mach-Zahlen
(bis etwa Ma D 0;6) beruht. Wegen ihrer höheren Umlenkung ˛ sind die Verluste in
Beschaufelungen mit geringer Reaktion R üblicherweise höher als in Überdruckstufen.
Dies ist auch anhand der aus typischen Messwerten abgeleiteten Verläufe der Totaldruckverlustkoeffizienten Yp über den Anstellwinkel i in Abb. 9.15 illustriert. Man erkennt
speziell bei Turbinengittern mit höherer Reaktion einen gutmütigen Verlauf des Verlustes
gegenüber Änderungen des Anstellwinkels. Dies wirkt sich speziell im Teillastbetrieb von
Dampfturbinen positiv aus. Demgegenüber steigen bei Beschaufelungen geringer Reaktion die Verluste ab einem bestimmten Anstellwinkel stark an. Die Abströmwinkel ˛2 vari-
416
S. aus der Wiesche
ieren bei Turbinengittern meist nur relativ gering (um wenige Grad). Weitere Einzelheiten
hierzu können der Literatur [DIX2010, TRA1966, HOR1985, SCH1968, LAK1996] entnommen werden.
Als generelle Regel für die Schaufelauslegung gilt, dass die Nabenverhältnisse rh =rt
nicht zu extrem ausfallen sollen, d. h. die Schaufelhöhe H sollte nicht zu klein im Verhältnis zum mittleren Durchmesser 2rm sein. Ansonsten würden die mit den Wandströmungen zusammenhängenden Verluste übermäßig zunehmen. In der Praxis werden als untere
Grenzen für die Schaufelhöhe meist wenige Prozent des mittleren Durchmessers genannt.
Nach oben werden die Schaufelhöhen durch die Fliehkraftbelastung begrenzt, was noch
weiter unten ausgeführt wird. Für diese Stufen liegen kleine Nabenverhältnisse vor und
die Strömung nimmt einen räumlichen Charakter an.
9.2.4
Räumliche Betrachtung der Strömung
Für Nabenverhältnisse rh =rt < 0;75 variieren die Geschwindigkeitsdreiecke deutlich
über der Schaufelhöhe und die Energieumsetzung erfordert unterschiedliche Profile entlang der Schaufelhöhe. Für die Hauptauslegung der Beschaufelungen werden
1D-Mittelschnittverfahren zunehmend ungenauer und werden durch 2D-Berechnungsverfahren ersetzt (siehe Kap. 6).
In Abb. 9.16 ist das zweidimensionale Meridianstrombild bei einer mehrstufigen Turbine veranschaulicht. In Abb. 9.16 sind neben den Meridianstromlinien auch die Abstandslinien und die Rechenebene gezeigt. Im Fall einer konstanten radialen Massenstromdichteverteilung fallen die Meridianstromlinien mit den Abstandslinien zusammen. Deren
Verlauf lässt sich mit Hilfe der Gehäuse-Rotor-Kontur bestimmen. Die Annahme einer
konstanten radialen Massenstromdichteverteilung ist aber speziell im Fall von Endstufen
Abb. 9.16 Meridianstromlinienbild mit Rechenebenen (a),
Abstandslinien (b) und
Meridianstromlinie (c)
nach [STE1988]
9
Beschaufelung
417
Abb. 9.17 Mechanische Beanspruchungen und Aufteilung der Verluste der Beschaufelung
[PFI2003]
von Kondensationsdampfturbinen nicht mehr erfüllt, so dass hier 2D-Verfahren an ihre
Grenzen kommen und durch 3D-CFD-Verfahren ersetzt oder zumindest ergänzt werden
müssen [LAK1996]. Speziell bei den Endstufen großer Kondensations-Dampfturbinen
wurden schon relativ früh die Schaufeln verwunden ausgeführt, um den radial zunehmenden Umfangsgeschwindigkeiten Rechnung zu tragen. Zudem weisen diese Schaufeln auch
eine Verjüngung des Schaufelprofils auf. Bei älteren Ausführungen von Schaufeln dominiert der zweidimensionale Ansatz, bei dem geometrisch ein 2D-Profil einfach in radialer
Richtung extrudiert und ggf. als verwundenes Profil entlang der Schaufelhöhe verjüngt
ausgeführt wird.
Moderne Schaufeln weisen neben der Verjüngung und der verwundenen Form auch
eine Krümmung auf, so dass eine vollständig dreidimensionale Schaufelform vorliegt.
Moderne Beschaufelungen von Dampfturbinen können heute von der ersten Stufe an dreidimensional ausgeführt werden.
Die Profilverluste sind vor allem bei langen Schaufeln dominant, wohingegen die
Rand- oder Sekundärverluste bei Schaufeln geringer Höhe wichtig werden. In Abb. 9.17
sind die mechanischen Belastungen und die Verteilung der Verluste innerhalb der
Beschaufelung von Hochdruck- und Mitteldruck-Teilturbinen verdeutlicht. Die Frischdampftemperaturen tragen speziell in den ersten Stufen deutlich zur Belastung bei. Durch
die weitere Expansion und damit verbundene Abkühlung des Dampfes verliert diese
Belastung an Bedeutung. Der Anstieg zu Beginn des Mitteldruckteils ist auf die Zwischenüberhitzung des Dampfes zurückzuführen. Mit der Expansion nehmen auch die
Schaufellängen zu, so dass es zu einem Anstieg der Biege- und Zentrifugalbelastungen
kommt. Dies tritt verstärkt bei den langen Endstufen von Niederdruck-Teilturbinen auf.
Die Erzielung eines hohen Wirkungsgrades erfordert die Minimierung der Verluste in
der Beschaufelung. Die Profilverluste entstehen durch die Überströmung der Schaufeln
418
S. aus der Wiesche
Abb. 9.18 Verlustverteilung
für ein Überdruckgitter mit
verschiedenen Formen der
Einziehung (Konturierung)
der oberen Begrenzungswand
(aus [DEJ1973])
und können in weiten Zügen als Grenzschichtphänomene verstanden werden [SCH1968a,
DEN1993]. Durch die Wechselwirkung der Strömung mit den Seitenwänden und der
Umlenkung resultieren Strömungsverluste, die als Sekundärverluste bekannt sind. Diese sind bei kurzen Schaufeln ausgeprägt. Mit wachsender Schaufellänge nimmt ihre
Bedeutung ab. Aufgrund der unvermeidlichen Radialspalte zwischen den Schaufeln
und dem Gehäuse ergeben sich Spaltverluste, die besonders bei Anlegen von hohen
Druckdifferenzen und großen relativen Spaltabständen wichtig sind. Ihre Bedeutung
nimmt bei langen Schaufeln und den damit verbundenen kleinen relativen Spaltabständen
ab.
Eine weitere Optimierungsmöglichkeit ist durch eine Seitenwandkonturierung zur Reduzierung der Randverluste gegeben. Seitenwandkonturierungen lassen sich in achsensymmetrische und nicht-achsensymmetrische Ausführungen unterteilen [DEJ1973]. Die
erste Gruppe wurde bereits sehr früh in der sowjetischen Literatur [DEJ1973] untersucht.
Die letztere Ausführung ist durch moderne rechnergestützte Entwicklungs- und Fertigungsverfahren erst seit Kurzem praktisch realisierbar.
Die Einziehung (Konturierung) der Begrenzungswände kann speziell bei kurzen
Schaufeln bzw. Düsenkanälen eine signifikante Senkung des Verlustes bewirken. Dies
ist in Abb. 9.18 anhand eines experimentell in [DEJ1973] untersuchten Fallbeispiels
verdeutlicht.
In einem linearen Schaufelgitter wurden verschiedene Formen der Einziehung der oberen Begrenzung und ihre Auswirkung auf die räumliche Verteilung des Verlustkoeffizienten untersucht. Der in Abb. 9.18 dargestellte Verlauf des Verlustkoeffizienten ist
hierbei über die gesamte Teilung des Gitters gemittelt. Kurve 1 entspricht einem Gitter
ohne Einziehung. Im Vergleich zu Fall 1 bewirkt die Einziehung speziell im Bereich der
unteren Begrenzungswand eine Reduzierung des lokalen Verlustes. Eine schroffe Einziehung (Kurve 2) oder auch eine flach ausgeführte Kurve (Variante 3) ergeben keine
9
Beschaufelung
419
starke Reduzierung, wohl aber eine Einziehung nach Art von Kurve 4, was einer Einziehung im Bereich des Schrägabschnitts entspricht. Bemerkenswerterweise wirkt sich die
Einziehung nicht an der Verlustverteilung im Bereich der modifizierten Begrenzung aus,
sondern an der gegenüberliegenden Begrenzung. Im Bereich der Schaufelhöhe (Punkt 0
in Abb. 9.18) sind alle Verlustverläufe vergleichbar. Positive Ergebnisse mit einer Seitenwandkonturierung, bei der eine gehäuseseitig eingeschnürte Konfiguration verwendet
wurde, berichten beispielsweise Haas [HAA1982] oder Cofer [COF1996]. Wegen der
hohen Anzahl der Freiheitsgrade bei der nicht-achsensymmetrischen Seitenwandkonturierung und wegen der Kleinheit des Effektes (die Reduzierung der Verluste führt manchmal
nur auf kleine Wirkungsgradsteigerungen im Bereich weniger 0,1 %) gestaltet sich die
Auslegung und Optimierung oftmals aufwendig. Ein entsprechender Forschungsbericht
ist der Öffentlichkeit in [SCH2012] zugänglich gemacht. Weitere Einzelheiten zu Seitenwandkonturierungen finden sich in der offenen Literatur auch in [HAR2000, HAR2000a].
9.2.5 Schaufelprofile im Dampfturbinenbau
Nach der Festlegung der Geschwindigkeitsdreiecke und der entsprechenden Winkel werden die Schaufelprofile entworfen. In den Anfangstagen des Dampfturbinenbaus wurden
nicht zuletzt aufgrund der fertigungstechnischen Beschränkungen einfache Blechprofile verwendet. Auch wenn solche Profile die geforderten Winkel für die Geschwindigkeitsdreiecke erfüllen, sind deren Strömungsverluste hoch. Entsprechend niedrig waren
auch die Wirkungsgrade dieser frühen Stufen. Später wurden verstärkt die Resultate der
Aerodynamik der Tragflügel für den Entwurf von Schaufelprofilen berücksichtigt. Im
Gegensatz zu Tragflügeln stehen die Schaufeln einer Turbine aber sehr dicht, so dass
nicht nur das einzelne isolierte Schaufelprofil, sondern die Gesamtwirkung des Gitters
berücksichtigt werden muss. Trotz dieser gravierenden Unterschiede zwischen Tragflügeln und Turbinenschaufeln werden viele dieser Profile dennoch in Anlehnung an die
NACA-Systematik bzw. andere gängige Systeme klassifiziert [DIX2010]. Eine ausführliche Diskussion der russischen Profilsystematik findet sich in [DEJ1973].
Bei der Festlegung des Schaufelprofils wird in einem ersten Schritt die Sehnenlänge l festgelegt. Um die Randverluste nicht zu hoch werden zu lassen, sind Verhältnisse
von H= l > 2 anzustreben. Der Profilverlauf sollte einen möglichst stetigen Profilverlauf und eine gegenüber Änderungen des Anstellwinkels unempfindliche Schaufelnase
aufweisen. In der älteren Literatur war noch bis weit in die 1950er-Jahre die Meinung vertreten worden, dass Schaufeln stückweise aus Kreisbögen und Geraden zusammengesetzt
sein und die gewünschten Abströmwinkel durch einen langen Auslauf (sog. Parallelführung) erzwungen werden sollten. Ein Beispiel für ein solches, altes Profil ist in Abb. 9.19
dargestellt. Diese Art der Profilauslegung wird heute vollständig abgelehnt, da die Parallelführung auf hohe Profilverluste führt und weil in der Zwischenzeit die Bedeutung der
Stetigkeit der Krümmung für die Gitterströmung erkannt wurde. Änderungen der Krümmung der Schaufelkontur können erheblichen Störungen bis hin zu Ablösungsphänomene
420
S. aus der Wiesche
Abb. 9.19 Altes Schaufelprofil mit strömungstechnisch
ungünstiger Parallelführung
(nach [TRA1966])
Abb. 9.20 Älteres Schaufelprofil mit strömungstechnisch
günstigerer Gestaltung
(nach [TRA1966])
der Strömung führen. Seit den 1960er-Jahren werden daher strömungstechnisch günstigere Profile mit einem stetigen Krümmungsverlauf, wie in Abb. 9.20 gezeigt, empfohlen.
Ursprünglich nahm man an, dass die Schaufelnasen möglichst scharf (also mit kleinen Rundungsradien) ausgeführt werden sollten, um niedrige Verluste zu ermöglichen.
Später wurde erkannt, dass diese Art von Profilen sehr empfindlich auf Änderungen des
Anstellwinkels reagiert, so dass schlechte Teillastwirkungsgrade für entsprechende Stufen
resultierten. Unempfindliche Schaufelnasen lassen sich durch Einsatz von relativ großen
Krümmungsradien an der Schaufelnase (sog. Dickkopfprofile) erzielen. Diese Profile erwiesen sich nicht nur als robuster gegenüber Änderungen des Anströmwinkels, sondern
es ließen sich auch insgesamt niedrigere Verlustwerte für damit aufgebaute Gitter erzielen. Ein älteres Beispiel für einen Vergleich zwischen einem spitzen und einem stumpfen
Profil ist in Abb. 9.21 dargestellt.
Das spitze Profil a weist in Abb. 9.21 einen über den gesamten Anströmwinkelbereich
höheren Verlust auf, als das Dickkopfprofil b. Weiterhin ist für das Dickkopfprofil b der
Abb. 9.21 Strömungsverluste in Abhängigkeit des
Anströmwinkels ˛ für ein spitzes (a) und ein stumpfes (b)
Schaufelprofile (nach Daten
aus [KEA1956])
9
Beschaufelung
421
Abb. 9.22 Vergleich von zwei Profilen a für eine Überdruckstufe und Vergleich der Mach-ZahlVerteilung b für Saug- und Druckseite (aus [STE1988]). Die Symbole stellen die Messwerte dar und
die Kurven sind die berechneten Mach-Zahl-Verteilungen. Die Zahlenwerte im linken Diagramm
sind vom Hersteller normiert angegeben und wurden anhand einer Profildruckverteilung ermittelt
Verlust über einen weiten Bereich fast unabhängig vom Anströmwinkel, was besonders für
das Teillastverhalten der entsprechenden Stufe günstig ist. Die Steigerung der strömungstechnischen Schaufelbelastung mit dem Ziel, die Stufenanzahl zu reduzieren, wird durch
das strukturmechanische Widerstandsmoment und der zulässigen Spannung begrenzt. Eine hinsichtlich des mechanischen Widerstandsmomentes verbesserte Profilgestaltung unter Beibehaltung der strömungstechnischen Güte des Profils ermöglicht auch eine weitere
Steigerung der Schaufelbelastung. Die im Dampfturbinenbau eingesetzten Profile werden
daher nicht nur aufgrund ihrer strömungstechnischen, sondern auch aufgrund ihrer strukturmechanischen Eigenschaften ausgewählt (siehe nachfolgendes Abschn. 9.3).
Die genaue Festlegung des Profils erfolgt heute im Dialog mit dem Computer und
unter Zugrundelegung von firmeninternen Datenbanken. Auch wenn oberflächlich betrachtet zwei Turbinenschaufelprofile sehr ähnlich aussehen, können doch entscheidende
Unterschiede für die Gitterströmung bestehen. Dies ist anhand einer zylindrischen Dampfturbinenbeschaufelung mit höherer Reaktion (Überdruckstufe in Trommelbauweise) in
Abb. 9.22 illustriert. In Abb. 9.22 werden zwei Profile hinsichtlich der Verteilung der
Mach-Zahl für Saug- und Druckseite verglichen. Auch wenn die beiden Profile äußerlich sehr ähnlich sind, ergeben sich doch charakteristische Unterschiede in Bezug auf die
422
S. aus der Wiesche
Abb. 9.23 Evolution der Dampfturbinenbeschaufelung (Siemens AG, aus [THI2009])
Geschwindigkeitsverteilung und die Verluste. Weiterhin ist in Abb. 9.22 der Vergleich
zwischen den berechneten Mach-Zahlen und den experimentell ermittelten Daten gezeigt.
Bei der Auswahl der Profile spielt speziell die Mach-Zahl-Verteilung im hinteren Bereich
der Saugseite eine wichtige Rolle. Bei einem zu steilen Abfall besteht die Gefahr der
Strömungsablösung. In dieser Beziehung stellt das in Abb. 9.22 gezeigte Profil mit dem
durchgezogenen Kurvenverlauf gegenüber dem Profil mit der gestrichelten Kurve eine
Verbesserung dar. Der flachere Mach-Zahl-Verlauf auf der Saugseite ist hier günstiger,
da eine frühe Ablösung der Strömung höhere Verluste und eine größere Abweichung des
Abströmwinkels vom geforderten Wert ergibt.
In Abb. 9.23 ist die Evolution der Beschaufelung von HD- und MD-Turbinen eines
Herstellers illustriert. Es lassen sich einerseits der Wechsel von einer zylindrischen Grundform zu einer verwunden-gekrümmten Beschaufelung sowie eine Modifikation der Profile
erkennen. Die Profile haben sich dabei von einer relativ schlanken Form (Profil T in
Abb. 9.23) zu deutlich dickeren Profilen hin entwickelt. Die zylindrische Ausführung
(T4 in Abb. 9.23) wurde zwischen 1990 und 1995 durch eine vollständig dreidimensionale Kontur (TX in Abb. 9.23) abgelöst. Die Wirkungsgradvorteile, die sich durch
diese Profilveränderungen ergeben, sind in Abb. 9.23 anhand von typischen Zahlenangaben verdeutlicht. Der Übergang von zylindrischen auf dreidimensionale Schaufeln ergibt
eine Wirkungsgradsteigerung von rund 2 %. Durch eine weitere Optimierung der Beschaufelung lassen sich heute noch weitere Verbesserungen im Bereich von 1 bis 1,5 %
realisieren. Neben der strömungstechnischen Optimierung weisen die modernen Schaufeln auch strukturmechanisch Vorteile gegenüber den älteren Ausführungen auf.
9
Beschaufelung
423
Abb. 9.24 Diagramm zur
Ermittlung des optimalen Teilungsverhältnisses (mit der im
Bild dargestellten Nomenklatur aus [TRA1966])
Nach der theoretisch-numerischen Auslegung müssen die ausgewählten Profile in der
Regel durch Gitterversuche validiert werden. Trotz des Einsatzes von aufwendigen rechnergestützten Auslegungsverfahrens lassen sich die Werte für Profilverluste und tatsächlich auftretende Umlenkungen für Gitter nur experimentell bestimmen. Insofern stellen
die experimentellen Resultate, die man mit Hilfe von Gitterwindkanälen gewinnt, immer
noch ein wichtiges Fundament der strömungstechnischen Auslegung der Beschaufelung
dar.
9.2.6 Teilungsverhältnis
Die Anzahl der Schaufeln eines Kranzes wird durch die Teilung s und den Durchmesser
D bestimmt. Für das optimale Teilungsverhältnis des Gitters s=b gibt es in der Literatur
unterschiedliche Empfehlungen. Eine sehr nützliche analytische Auslegungsregel wurde
von Zweifel in den 1940er-Jahren auf Basis von Messungen an Dampfturbinengittern aufgestellt [ZWE1945]. Nach Zweifel kann ein Verhältnis Z für die tangentiale Belastung des
Gitters definiert werden, was in inkompressiblen Strömungen auf
ZD
2s
cos2 ˛2 .tan ˛1 C tan ˛2 /
b
(9.29)
424
S. aus der Wiesche
mit der Nomenklatur nach Abb. 9.8 fand Zweifel, dass für Z D 0;8 ein optimales Teilungsverhältnis s=b für die von ihm betrachteten Profile resultiert. Das sog. ZweifelKriterium Gl. 9.29 mit Z D 0;8 ist sehr handlich und für eine erste Abschätzung geeignet,
aber es muss für höhere Mach-Zahlen oft empirisch angepasst werden [DIX2010]. Weiterhin besteht nur für Abströmwinkel ˛2 zwischen 60 bis 70ı eine gute Übereinstimmung
mit experimentellen Daten [HOR1985]. Anstelle des einfachen, analytischen ZweifelKriteriums Gl. 9.29 sind daher in der Literatur (z. B. in [TRA1966]) empirisch ermittelte
Auslegungsdiagramme für die Festlegung des optimalen Teilungsverhältnisses für weite
Bereiche von Gitterströmungen in Gebrauch, siehe Abb. 9.24.
9.3
Strukturmechanische Auslegung der Beschaufelung
Nach der strömungstechnischen Auslegung der Beschaufelung muss eine entsprechende Strukturanalyse durchgeführt werden, um die notwendigen Festigkeitsanforderungen
zu erfüllen. An dieser Stelle können nur die Grundzüge dieser Analyse kurz zusammengefasst werden. Eine ausführliche Darstellung dieses komplexen Themas findet sich bei
Traupel [TRA1968] und in der dort genannten weiterführenden Literatur.
9.3.1 Schaufelbeanspruchungen
Für Laufschaufeln können sich aufgrund der Fliehkraft beträchtliche Beanspruchungen
ergeben, die mit dem in Abb. 9.25 gezeigten Modell ermittelt werden können. Der Läufer
rotiere mit der Winkelgeschwindigkeit ! D 2 n. Für das in Abb. 9.25 gezeigte kleine radiale Element dr der Schaufel mit der Querschnittfläche A.r/, die bei verjüngten
Abb. 9.25 Zur Ermittlung der
Fliehkraftbeanspruchung bei
einer Laufschaufel
9
Beschaufelung
425
Schaufeln eine Funktion des Radius r ist, ergibt sich als Kraftbeitrag
dF D r! 2 A.r/dr:
(9.30)
Integriert man Gl. 9.30 über den Radius r von ri bis ra , so folgt als mittlere Zugspannung
am Schaufelfuß
Zra
A.r/
u2a
rdr:
(9.31)
F D 2
ra
Ai
ri
In Gl. 9.31 bezeichnet der Index a die Werte an der Schaufelspitze und der Index i die
Werte am Schaufelfuß. Die Integration in Gl. 9.31 kann bei Kenntnis des Verlaufes von
A.r/ ohne größere Schwierigkeiten durchgeführt werden.
In der Literatur sind nach einer Analyse von Emmert [EMM1950] aber auch entsprechende Diagramme verfügbar, die eine explizite Auswertung des Integrals für den
Anwender nicht mehr erforderlich machen. Ein solches Diagramm ist in Abb. 9.26 gezeigt. In Abb. 9.26 wird der Einfluss der Verjüngung durch einen Beiwert K gemäß
2 !
ri
u2a
1
(9.32)
F D K
2
ra
ausgedrückt. Man findet nach Emmert, dass die explizite Form des Verjüngungsgesetzes, ob also eine konische oder lineare Querschnittabnahme entlang der Schaufelhöhe
vorliegt, nur für sehr niedrige Verhältnisse von Aa =Ai relevant ist. Auch ist das Nabenverhältnis ri =ra bei nicht zu kleinen Werten eher von untergeordneter Bedeutung gegenüber
dem Querschnittverhältnis Aa =Ai . Aus strukturmechanischer Sicht ist es immer günstig, wenn sich die Schaufeln mit wachsendem Radius verjüngen. Auch strömungstechnisch ist eine Verjüngung der Profile günstig (siehe Abb. 9.5), so dass im Dampfturbinenbau diesbezüglich kein genereller konstruktiver Zielkonflikt vorliegt. Soll die FliehkraftZugbelastung über den gesamten Querschnitt des Schaufelblattes konstant gehalten werden, wird nach [HOH1972] ein exponentielles Verjüngungsgesetz
2
! 2
2
.r r / :
(9.33)
A.r/ D C Ai exp
2F a
mit einer Konstanten C gewählt. Die Fliehkraft erzeugt im Allgemeinen auch einen Biegespannungsanteil, da die Verbindungslinie der Profilschwerpunkte von der radialen Richtung abweicht. Dies wird besonders bei gekrümmten 3D-Schaufeln wichtig. Die Fliehkraft
wirkt entwindend auf die Schaufel, woraus ein entsprechender Normalspannungsanteil
und ein Schubspanungsanteil entstehen.
Eine weitere Beanspruchung von Schaufeln entsteht aufgrund der Impulsänderung in
der Gitterströmung. Aufgrund dessen ergibt sich in Umfangsrichtung (U) ein Biegemoment
Zra
2
D cz .cU1 cU2 /.r ri /rdr:
(9.34)
MU D
N
ri
426
S. aus der Wiesche
Abb. 9.26 Einfluss der
Verjüngung auf die Fliehkraftspannung einer Schaufel nach
Emmert
In Gl. 9.34 bezeichnet N die Schaufelanzahl der Reihe, D die Dichte des Dampfes und
cz die axiale Komponente der Strömungsgeschwindigkeit c. Neben dem Biegemoment in
Umfangsrichtung tritt auch ein Biegemoment senkrecht dazu auf, dass nach
2
Mz D
N
Zra
.p1 p2 /.r ri /rdr
(9.35)
ri
aus der Druckdifferenz entlang der Schaufelhöhe bestimmt werden kann. Mit dem Winkel , der die Lage der Trägheitshauptachsen xx und yy festlegt, folgt als resultierende
Biegespannung
B D
x
y
.MU cos Mz sin / .Mz cos C MU sin /:
‚yy
‚xx
(9.36)
Die Maximalwerte der Biegespannung ergeben sich an den Ein- und Austrittskanten.
Die so bestimmten Biegespannungen stellen einen zeitlichen Mittelwert dar. Aufgrund
der periodischen Anströmungseffekte tritt noch ein Wechselspannungsanteil W auf. Die
Schaufel und speziell die Schaufelbefestigung muss gegenüber allen diesen Beanspruchungen ausgelegt werden.
9.3.2 Zusammenhang mit der Austrittsfläche von Niederdruckstufen
Zwischen der maximal erreichbaren Austrittsfläche AF;max je Flut und der durch Zentrifugalkräfte hervorgerufenen Zugspannung besteht ein Zusammenhang, der für Niederdruckstufen von Bedeutung ist. Generell gilt
Fz
1
D
S ! 2 z D
AS
AS
Zr t
A.r/rdr D
rh
r 2 rh2
1
S ! 2 AS t
D S 2 n2 AF :
AS
2
(9.37)
9
Beschaufelung
427
Abb. 9.27 Laufschaufeln für Endstufen und zugehörige Austrittsfläche einer Flut (Siemens AG)
In Gl. 9.37 bezeichnet einen Formfaktor (siehe Verjüngung der Schaufel), der für Schaufeln von Niederdruckstufen Werte um = 0,35 aufweist. Eine Umstellung von Gl. 9.37
liefert
z
1
(9.38)
AF;max D
S zul 2 n2 zwischen der maximal zulässigen Austrittsfläche der Flut und dem Werkstoffkennwert
z = der Schaufel. Für Stahl beträgt das Verhältnis von zulässiger Spannung und Dichte z = D 6 104 Nm/kg und für Titan z = D 1;2 105 Nm/kg. Dadurch lassen sich bei
einer festen Drehzahl n mit Titan-Laufschaufeln prinzipiell größere Austrittsflächen erzielen. Die Längen von Laufschaufeln und die damit zusammenhängende Vergrößerung der
Austrittsfläche sind in Abb. 9.27 für Dampfturbinen mit der Drehzahl n D 3000 min1 gezeigt. Durch den Übergang auf den Werkstoff Titan lässt sich die zulässige Austrittsfläche
einer Flut deutlich erhöhen. Eine andere Möglichkeit, die Austrittsfluten zu vergrößern,
besteht in der Wahl halbtouriger Turbinen, die statt eines 2-poligen Generators einen 4poligen Generator antreiben.
Im Zusammenhang mit der Begrenzung der Austrittsfläche einer Flut sei noch auf die
mittlerweile nicht mehr gebauten Baumann-Stufen für Niederdruckturbinen verwiesen.
Bei dieser Sonderkonstruktion, die in Abb. 9.28 exemplarisch dargestellt ist, wird die Abströmung der vorletzten Stufe geteilt, um die Endstufe zu entlasten. Dieses Konstruktionsprinzip wurde in der Vergangenheit von verschiedenen Firmen (z. B. AEI, LMS) aufgegriffen, aber aufgrund der nur mäßigen Wirkungsgrade aufgegeben. Bei einer Baumann-Stufe
muss eine mehrschalige Bauweise für die Aufnahme der Leitschaufeln und die Aufteilung
des Abdampfmassenstroms gewählt werden. Durch die Fortschritte bei der Vergrößerung
der Schaufellängen und der Abströmquerschnitte wurde die Verwendung von BaumannStufen im Dampfturbinenbau allerdings nicht mehr attraktiv.
428
S. aus der Wiesche
Abb. 9.28 BaumannStufe [DEJ1973]
9.3.3 Schaufelschwingungen
Eine besondere mechanische Beanspruchung resultiert aus den Schaufelschwingungen.
Eine Schaufel ohne Deckband oder ohne Dämpfungsdraht kann als ein einseitig eingespannter Biegebalken angesehen werden, der durch bestimmte Eigenfrequenzen fi für
die Schwingungsmoden i charakterisiert ist. Für stillstehende Leitschaufeln (Le) können
diese mit den Methoden der technischen Mechanik aus den geometrischen Daten, den
Werkstoffeigenschaften und den Randbedingungen ermittelt werden. Hierbei kommt in
der Praxis speziell der Methode der Finiten-Elemente (FEM) eine große Bedeutung zu.
Nur für das sehr einfache Modell einer zylindrischen Schaufel kann die Eigenfrequenz f
analytisch aus der Differentialgleichung
@2 w
@2 w
@2
(9.39)
EJ
CA 2 D 0
2
2
@z
@z
@t
für die freie Biegeschwingung von Stäben mit geraden Achsen ermittelt werden [BIE1953].
In Gl. 9.39 bezeichnet w die Durchbiegung, die eine Funktion der Zeit t und der Schaufelhöhenkoordinate z ist. Das Trägheitsmoment J und die Schaufelquerschnittsfläche A
sind im Allgemeinen ebenfalls ortsabhängige Funktionen. Zur analytischen Lösung von
9
Beschaufelung
429
Gl. 9.39 wählt man den Separationsansatz
w.z; t/ D wz .z/ wt .t/;
(9.40)
der nach Einsetzen in die partielle Differentialgleichung Gl. 9.39 auf die gewöhnlichen
Differentialgleichungen
d 2 wz
d2
EJ
D Awz ;
(9.41)
dz 2
dz 2
d 2 wt
C wt D 0
(9.42)
dt 2
mit den Eigenwerten
D 1 ; 2 ; : : : ; i ; : : : führt. Die Eigenwerte
Gl. 9.42 mit den Eigenkreisfrequenzen bzw. Eigenfrequenzen
p
!i D 2 fi D
i
«
können