Ein Modell zur Simulation eines innerstädtischen Verkehrsablaufes und zur Steuerung von Lichtsignalanlagen mittels Petri–Netzen unter Berücksichtigung der Grünen Welle dissertation zur Erlangung des akademischen Grades eines Doktors der Wirtschafts- und Sozialwissenschaften des Fachbereichs Wirtschafts- und Organisationswissenschaften der Universität der Bundeswehr Hamburg vorgelegt von Stefano Ianigro aus Frankfurt am Main Hamburg 1994 Erstgutachter: Univ.-Prof. Dr. rer. nat. Werner Junginger Zweitgutachter: Univ.-Prof. Dr. rer. pol. Wolfgang Domschke Tag der mündlichen Prüfung: 25.01.1995 Meinem Vater gewidmet. Vorwort Die vorliegende Dissertation entstand im Rahmen meiner Tätigkeit als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Informatik im Fachbereich Wirtschafts- und Organisationswissenschaften der Universität der Bundeswehr Hamburg. Für die Übernahme des Referates und die intensive Betreuung gilt mein ganz besonderer herzlicher Dank Herrn Univ.-Prof. Dr. Werner Junginger, der mir sehr wesentliche Hinweise und Anregungen gab, um diese Arbeit exakt und möglichst verständlich zu gestalten. Mein Dank gilt ebenfalls Herrn Univ.-Prof. Dr. Wolfgang Domschke, der sich für die Übernahme des Koreferates bereit erklärte. Für die Unterstützung bei den Literaturrecherchen danke ich im besonderen Frau Dipl.Bibl. Anneliese Heidtmann, die mir auch bei der Erstellung des Literaturverzeichnisses tatkräftig zur Seite stand. Hamburg, November 1994 Stefano Ianigro Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung 1 2. Begriffsdefinitionen 2.1 Begriffe aus dem Bereich der Lichtsignalanlagen . . . . . . . . . . . . . . 2.2 Begriffe aus dem Bereich Straßenwesen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3 Klassifikation der Kreuzungstypen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5 5 9 11 3. Problemstellung 14 4. Überblick über bisherige Lösungsansätze 16 4.1 Herkömmliche und manuelle Verkehrsplanung . . . . . . . . . . . . . . . 16 4.1.1 Strombelastungsplan . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16 4.1.2 Signallageplan . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16 4.1.3 Steuerungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 4.1.4 Phaseneinteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 4.1.5 Signalzeitenplan . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 4.1.6 Zeit-Weg-Diagramm . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26 4.2 Veröffentlichungen zur Verkehrsplanung und Verkehrssteuerung . . . . . . 28 4.2.1 Untersuchung von verschiedenen Optimierungskriterien für die Steuerung des Verkehrs mit Lichtzeichenanlagen . . . . . . . . . . . . . 28 4.2.2 Staubekämpfung an Lichtsignalgesteuerten Knotenpunkten . . . . 30 4.2.3 Eine Theorie für die Signalsteuerung in Stadtnetzen . . . . . . . . 32 4.2.4 Das Programm SCOOT . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34 4.2.5 Das Programm SIGMA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34 4.2.6 Ein Modell mittels Dichtefunktionen . . . . . . . . . . . . . . . . 35 4.2.7 Verkehrsabhängige Steuerung von Lichtsignalanlagen . . . . . . . 37 4.2.8 Steuerung des Individualverkehrs und des Straßenbahnverkehrs . . 38 4.3 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39 5. Neuartiger Lösungansatz 40 5.1 Modellbildung mittels Petri-Netzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40 5.2 Einführung in die Grundbegriffe der Petri-Netze . . . . . . . . . . . . . . 42 i Inhaltsverzeichnis 6. Entwicklung des Modells 6.1 Modellierung eines einfachen Verkehrsmodells mittels Petri-Netzen 6.2 Non-Standard-Petri-Netz-Elemente . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.2.1 Testkanten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.2.2 Inhibitorkanten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.2.3 Erweiterung des einfachen Verkehrsmodells um Testkanten 6.2.4 Vergröberung und Verfeinerung . . . . . . . . . . . . . . . 6.2.5 Zeitbewertung von Petri-Netzen . . . . . . . . . . . . . . . 6.2.5.1 Zeitbewertete Kanten . . . . . . . . . . . . . . . 6.2.5.2 Zeitbewertete Transitionen . . . . . . . . . . . . . 6.2.6 Erweiterung des Verkehrsmodells um die Zeitbewertung . . 6.2.7 Gewichtete Kanten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.2.8 Weichen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7. Das 7.1 7.2 7.3 Straßennetz als Petri-Netz Allgemeine Restriktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Stauräume . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Bewegung der Fahrzeuge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.3.1 Fahren der Fahrzeuge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.3.2 Prädikats-/Transitionsnnetze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.3.3 Unterschiedliche Geschwindigkeiten der Fahrzeuge . . . . . . . . . 7.3.4 Abstände der Fahrzeuge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.3.5 Beschleunigung und Bremsen der Fahrzeuge . . . . . . . . . . . . 7.3.6 Verteilung der abbiegenden Fahrzeuge . . . . . . . . . . . . . . . 7.4 Fahren der Fahrzeuge an Kreuzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.4.1 Fahrverhalten an einer einfachen Kreuzung . . . . . . . . . . . . . 7.4.2 Fahrverhalten an einer Kreuzung vom Typ T . . . . . . . . . . . 7.4.2.1 Fahrverhalten an einer Kreuzung vom Typ T – ungesichert geführte Linksabbieger . . . . . . . . . . . . . . . . 7.4.2.2 Fahrverhalten an einer Kreuzung vom Typ T – gesichert geführte Linksabbieger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.4.3 Fahrverhalten an einer Kreuzung vom Typ X . . . . . . . . . . . 7.4.3.1 Fahrverhalten an einer Kreuzung vom Typ X – ungesichert geführte Abbieger . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.4.3.2 Fahrverhalten an einer Kreuzung vom Typ X – gesichert geführte Linksabbieger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8. Optimale Steuerung von Lichtsignalanlagen 8.1 Aufbau des Verkehrsnetzes . . . . . . . . . . . . . . 8.2 Einspeisung der Fahrzeuge . . . . . . . . . . . . . . 8.3 Ermitteln der Verkehrsstärke und der Wartezeit . . 8.4 Ermittlung der Prioritätsstrecken . . . . . . . . . . 8.5 Anpassung der Grünzeiten . . . . . . . . . . . . . . 8.5.1 Grünzeitverteilung nach den Verkehrsstärken 8.6 Optimierung der Grünzeiten . . . . . . . . . . . . . ii . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48 48 54 55 55 56 61 62 63 65 66 67 68 72 73 74 75 75 77 78 83 86 89 94 95 98 99 102 104 105 110 115 116 117 117 120 122 124 128 Inhaltsverzeichnis 8.7 8.6.1 Beispiel eines Simulationslaufes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131 Bewertung der Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 138 9. Zusammenfassung und Ausblick 140 Literaturverzeichnis 143 iii Abbildungsverzeichnis 1.1 Ausschnitt aus einem Straßennetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1 2.2 2.3 2.4 Beispiel einer Lichtsignalanlage mit drei Signalgebern Beispiel eines Signalzeitenplanes . . . . . . . . . . . . Einfache Kreuzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ausschnitt aus einem innerstädtischen Straßennetz . . . . . 6 7 11 12 4.1 4.2 4.3 4.4 4.5 Beispiel eines Strombelastungsplanes für eine Kreuzung vom Typ X . . . Beispiel eines Signallageplanes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Beispiel einer Kreuzung vom Typ X . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Beispiel eines Kollisionsgraphen für eine Kreuzung vom Typ X . . . . . . Signallageplan, Phaseneinteilung, Strombelastungsplan und Signalzeitenplan für eine Kreuzung vom Typ X . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Beispiel einer Kreuzung vom Typ T . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Beispiel eines Kollisionsgraphen einer Kreuzung vom Typ T . . . . . . . Signallageplan, Phaseneinteilung, Strombelastungsplan und Signalzeitenplan für eine Kreuzung vom Typ T . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Beispiel eines Zeit-Weg-Diagrammes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17 18 20 21 Beispiel eines einfachen Petri-Netzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Schleife im Petri-Netz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Lösung der Schleife im Petri-Netz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Beispiel eines einfachen Petri-Netzes; Zustand: der Platz Bestelltheke ist markiert . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Beispiel eines einfachen Petri-Netzes; Zustand: die Plätze Bestelltheke und Bücherlager sind markiert . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Beispiel eines einfachen Petri-Netzes; Zustand: die Plätze Abholtheke und Kartei entliehener Bücher sind nach dem Schalten von Ausgabe markiert 44 46 46 4.6 4.7 4.8 4.9 5.1 5.2 5.3 5.4 5.5 5.6 6.1 6.2 6.3 6.4 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Vereinfachte Kreuzung vom Typ T . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Modellierung einer Kreuzung vom Typ T . . . . . . . . . . . . . . . . . . Modellierung einer Kreuzung vom Typ T; Zustand: ein KFZ erreicht die Kreuzung von Westen kommend, K1 zeigt GRÜN . . . . . . . . . . . . . Modellierung einer Kreuzung vom Typ T; Zustand: das KFZ befindet sich im Kreuzungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . iv 3 22 23 24 25 27 46 47 47 48 50 50 51 Abbildungsverzeichnis 6.5 6.6 6.7 6.8 6.9 6.10 6.11 6.12 6.13 6.14 6.15 6.16 6.17 6.18 6.19 6.20 6.21 6.22 6.23 6.24 6.25 6.26 6.27 7.1 7.2 7.3 7.4 7.5 7.6 7.7 7.8 7.9 Modellierung einer Kreuzung vom Typ T; Zustand: das KFZ hat den Kreuzungsbereich verlassen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Modellierung einer Kreuzung vom Typ T; Zustand: ein KFZ kommt von Westen, das andere von Norden an die Kreuzung; K2 zeigt GRÜN, K1 ROT Modellierung einer Kreuzung vom Typ T; Zustand: das KFZ aus Norden konnte fahren, da K2 GRÜN gezeigt hat . . . . . . . . . . . . . . . . . . Modellierung einer Kreuzung vom Typ T; Zustand: das KFZ aus Norden hat den Kreuzungsbereich verlassen, das aus Westen kommende wartet vor K1 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Testkante; links vor und rechts nach dem Schalten . . . . . . . . . . . . . Inhibitorkante; links vor und rechts nach dem Schalten . . . . . . . . . . Test– und Inhibitorkanten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Modellierung des Schaltkreises für eine Kreuzung vom Typ T . . . . . . . Modellierung einer Kreuzung vom Typ T mit Schaltkreis . . . . . . . . . Modellierung einer Kreuzung vom Typ T mit Schaltkreis; Plätze A und B sind markiert . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Modellierung einer Kreuzung vom Typ T mit Schaltkreis; Plätze C und E sind markiert . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Modellierung einer Kreuzung vom Typ T mit Schaltkreis; Plätze E und F sind markiert . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Modellierung einer Kreuzung vom Typ T mit Schaltkreis und Testkanten Modellierung einer Kreuzung vom Typ T mit Schaltkreis und Inhibitorkanten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Transitionsberandetes Teilnetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zeitbewertete Kanten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zeitbewertete Transitionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Modellierung einer Kreuzung vom Typ T mit Schaltkreis, Testkanten sowie zeitbewerteten Kanten und Transitionen . . . . . . . . . . . . . . . . Gewichtete Kanten; Zustand vor dem Schalten . . . . . . . . . . . . . . . Gewichtete Kanten; Zustand nach dem Schalten . . . . . . . . . . . . . . Konkurrierende Transitionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Beispiel einer Weiche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Beispiel der Implementation einer Weiche . . . . . . . . . . . . . . . . . . Umsetzung eines Beispiel-Straßennetzes in das Modellierungskonzept . . Beispiel für Stauräume an Kreuzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Modellierung des Stauraumes - Fahren mit 14 m/sek. . . . . . . . . . . . Modellierung des Stauraumes - Fahren mit 14 m/sek; ein Takt ist verstrichen Modellierung des Stauraumes - Fahren mit 7 m/sek. . . . . . . . . . . . . Modellierung des Stauraumes - Fahren mit 7 m/sek; ein Takt ist verstrichen Modellierung des Stauraumes - Fahren mit 7 m/sek.; der Vorgängerplatz p1 ist markiert . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Modellierung des Fahrens der KFZ; Marken mit individuellen Eigenschaften, hier: Geschwindigkeit von 7 m/sek. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Berechnung von s merk bei konstanter Geschwindigkeit von v = 3 m/sek. v 52 53 53 54 55 55 56 57 57 58 58 59 60 61 62 64 65 66 67 68 69 70 71 72 74 75 76 76 76 77 78 80 Abbildungsverzeichnis 7.10 7.11 7.12 7.13 7.14 7.15 7.16 7.17 7.18 7.19 7.20 7.21 7.22 7.23 7.24 7.25 7.26 7.27 7.28 7.29 7.30 7.31 7.32 7.33 7.34 7.35 7.36 7.37 7.38 Berechnung von s merk bei variabler Geschwindigkeit [Beschleunigung] . 81 Modellieren des Fahrens der KFZ; Verschiebung in Abhängigkeit von s merk 82 Sicherheitsabstand bei einer Geschwindigkeit von 14 m/sek . . . . . . . . 85 Sicherheitsabstand bei einer Geschwindigkeit von 14 m/sek nach Ablauf eines Taktes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85 Modellieren des Fahrens der KFZ; modellierter Ausschnitt eines Stauraumes 86 Modellieren des Fahrens der KFZ; Realisation des Vorganges ”PrüfeBremsen/Beschleunigen” . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87 Platzberandetes Teilnetz subnet 1 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89 Platzberandetes Teilnetz subnet 2 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89 Quotenverteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91 Quotenverteilung; links vor der Verteilung, rechts nach dem Festlegen der Fahrtrichtung des ersten Fahrzeugs nach ”unten” . . . . . . . . . . . . . 92 Quotenverteilung; links Ankunft des nächsten KFZ, rechts nach dem Festlegen der Fahrtrichtung nach ”oben” . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92 Quotenverteilung; links Ankunft des nächsten Fahrzeugs, rechts nach Erfüllung der Quote ”unten” . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93 Quotenverteilung; links Schalten bei erfüllter Quote ”unten”, rechts Erfüllung der Quote ”oben” . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93 Quotenverteilung; links Schalten bei beiden erfüllten Quoten, rechts Ausgangssituation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 94 Eine signalisierte einfache Kreuzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95 Modellierung des Fahrens – einfache Kreuzung . . . . . . . . . . . . . . . 95 Steuerungskreis für die Lichtsignalanlagen einer signalisierten einfachen Kreuzung mit Zwischenzeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97 Eine signalisierte Kreuzung vom Typ T, ungesicherte Linksabbieger . . . 99 Modellierung des Fahrens – Kreuzung vom Typ T, ungesichert geführte Linksabbieger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100 Modellierung des Fahrens – Kreuzung vom Typ T, ungesichert geführte Linksabbieger, Steuerungskreis für die Lichtsignalanlagen . . . . . . . . . 100 Eine signalisierte Kreuzung vom Typ T, gesicherte Linksabbieger . . . . 102 Modellierung des Fahrens – Kreuzung vom Typ T, gesichert geführte Linksabbieger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103 Modellierung des Fahrens – Kreuzung vom Typ T, gesichert geführte Linksabbieger, Steuerungskreis für die Lichtsignalanlagen . . . . . . . . . 104 Eine signalisierte Kreuzung vom Typ X, ungesicherte Linksabbieger . . . 106 Modellierung des Fahrens – Kreuzung vom Typ X, ungesichert geführte Linksabbieger, Steuerungskreis für die Lichtsignale . . . . . . . . . . . . . 106 Modellierung des Fahrens – Kreuzung vom Typ X, ungesichert geführte Linksabbieger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 Eine signalisierte Kreuzung vom Typ X, gesicherte Linksabbieger . . . . 111 Modellierung des Fahrens – Kreuzung vom Typ X, gesichert geführte Linksabbieger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112 Modellierung des Fahrens – Kreuzung vom Typ X, gesichert geführte Linksabbieger, Steuerkreis für die Lichtsignalanlagen . . . . . . . . . . . 113 vi Abbildungsverzeichnis 8.1 8.2 8.3 Darstellung des modellierten Straßennetzes . . . . . . . . . . . . Beispielhafte Grünzeitverteilung für eine Kreuzung vom Typ X, chert geführte Linksabbieger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Beispielhafter Signalzeitenplan für die Kreuzung 5 . . . . . . . . vii . . . . . 116 ungesi. . . . . 127 . . . . . 128 Tabellenverzeichnis 7.1 7.2 7.3 7.4 7.5 7.6 7.7 7.8 7.9 8.1 8.2 8.3 8.4 8.5 8.6 Tabelle der Berechnung von s merk . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zusammenhang zwischen der Geschwindigkeit und den Vorschaufeldern . Bedeutung der Plätze und Transitionen bei einer einfachen Kreuzung . . Bedeutung der Plätze und Transitionen bei einer Steuerung einer einfachen Kreuzung mit Zwischenzeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Bedeutung der Plätze und Transitionen bei einer Kreuzung vom Typ T, ungesichert geführte Linksabbieger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Bedeutung der Plätze und Transitionen bei einer Kreuzung vom Typ T, gesichert geführte Linksabbieger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Bedeutung der Plätze und Transitionen bei einer Kreuzung vom Typ X, ungesichert geführte Linksabbieger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Bedeutung der Lichtsignale bei gesichert geführten Linksabbiegern an einer Kreuzung vom Typ X . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Bedeutung der Plätze und Transitionen bei einer Kreuzung vom Typ X, gesichert geführte Linksabbieger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gemessene Verkehrsstärken im Straßennetz während einer Stunde . . . . Liste der Prioritätsstrecken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zeitlicher Abstand zwischen den Knoten . . . . . . . . . . . . . . . . . . Beispiel einer Abstandmatrix bei sieben Knoten . . . . . . . . . . . . . . Beispiel einer Berechnung des ”Forward-” und ”Backtracking” bei sieben Knoten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Auflistung der Grünzeitverteilungen nach dem ersten Durchlauf . . . . . viii 81 84 96 98 101 105 108 110 114 120 121 123 129 130 134 1. Einleitung In der Bundesrepublik Deutschland waren Anfang 1994 mehr als 40 Millionen Kraftfahrzeuge zugelassen. Bei wachsender Zahl von zugelassenen Kraftfahrzeugen ist es unumgänglich, diese Verkehrsflut mit geeigneten Mitteln zu bewältigen. In Ballungszentren und Städten entstehen bei steigendem Verkehrsaufkommen schnell Verkehrsstaus. Eine solche Entwicklung ist durchaus verständlich; auf der einen Seite wünscht sich jeder Bürger, der ein Kraftfahrzeug besitzt, individuell mobil zu sein und mit seinem Fahrzeug jederzeit freie Fahrt zu haben. Auf der anderen Seite ist die Straße ein knappes Gut, das nicht für uneingeschränkt viele Fahrzeuge zur Verfügung steht, da die Aufnahmekapazität einer Straße begrenzt ist. Für die Harmonisierung dieser widersprüchlichen Wünsche, einerseits mehr Mobilität und andererseits knapper Verkehrsraum, existieren hauptsächlich zwei Ansätze: 1. Planung und Ausbau von Verkehrswegen. Im innerstädtischen Bereich ist eine solche Lösung, wenn überhaupt, meist nur mit großem finanziellem Aufwand realisierbar. Städte haben eine bestimmte Infrastruktur, die sich nicht ohne weiteres ändern läßt. Baumaßnahmen wie Straßenerweiterungen oder Brückenneubau erfordern eine zeitlich und finanziell aufwendige Planung und Realisierung, die meist an den vorhandenen festgefügten Infrastrukturen scheitert, weil sich z. B. Häuser und andere Bauwerke nicht einfach versetzen lassen. 2. Geeignete Lenkung und Steuerung des Verkehrs mittels Lichtsignalanlagen. Lichtsignalanlagen, gewöhnlich Ampeln genannt, sollen die Sicherheit, die Leistungsfähigkeit und möglichst auch die Wirtschaftlichkeit des Verkehrs verbessern. Das Abstimmen der Lichtsignalanlagen untereinander, also deren Koordinierung, hat eine große Bedeutung für ein zügiges Fließen des Verkehrs. Eine solche Abstimmung bringt gegenüber einer nicht abgestimmten Regelung der Ampeln Vorteile für die Verkehrsteilnehmer wie erhöhter Fahrkomfort, geringere Umweltbelastung durch Auspuffgase bei gleichbleibender Geschwindigkeit und niedrigerer Kraftstoffverbrauch. Überall dort, wo auf Lichtsignalanlagen aufgrund der hohen Anzahl von Fahrzeugen und der Vielzahl von Straßenkreuzungen nicht verzichtet werden kann, ist somit eine Koordinierung der Lichtsignalanlagen unabdingbar. Die vorliegende Arbeit widmet sich dem zweiten Lösungsansatz, der Lenkung und Steuerung mittels Lichtsignalanlagen. Sie beschreibt dabei eine neuartige Vorgehensweise. 1 1. Einleitung Durch eine geeignete Simulation wird der Verkehr mittels Methoden der Petri-NetzTheorie abgebildet, um darauf aufbauend eine optimale Steuerung der Lichtsignalanlagen zu finden. Welche Anforderungen sind nun an eine solche optimale Steuerung des Verkehrs mittels Lichtsignalanlagen zu stellen? Zum einen sollte sie den Verkehr möglichst ohne Stauungen bewältigen; zum anderen ist anzustreben, daß vor den Lichtsignalanlagen sowohl die Wartezeiten der Fahrzeuge als auch die Zahl der Halte minimiert wird. Eine solche Steuerung ist auch unter den folgenden Aspekten anzustreben: – Ökonomische Aspekte Fahrzeuge, die häufig anfahren und halten müssen, erzeugen einen wesentlich höheren Schadstoffausstoß, als wenn sie mit gleichmäßiger Geschwindigkeit fahren (mehr Auspuffgase, höherer Reifen- und Bremsenabrieb sowie Lärmbelästigung und ansteigender Verbrauch). – Psychologische Aspekte Häufiges Halten und lange Wartezeiten bzw. lange Staus wirken sich psychologisch nachteilig auf die Verkehrsteilnehmer aus. In Theorie und Praxis wurden schon verschiedene Verfahren zur koordinierten Steuerung von Lichtsignalanlagen untersucht.1 Die meisten dieser Verfahren beschränken sich jedoch bei ihrer Untersuchung auf einen Straßenzug; für die zusammenhängende Steuerung der Lichtsignale ist es aber wichtig, daß eine Koordinierung nicht nur auf einen Straßenzug angewendet wird, sondern möglichst in einem gegebenen Straßennetz, um dort den Verkehrsfluß zu optimieren. Abbildung 1.1 zeigt als Beispiel den Ausschnitt aus einem Straßennetz, in dem bei den mit den Buchstaben A bis F markierten Kreuzungen Ampeln installiert sind (diese sind aus Gründen der Übersichtlichkeit nicht eingezeichnet, lediglich die dazugehörigen Haltelinien). 1 Vgl. [3], [6], [10], [28], [31], [35], [39], [40]. 2 1. Einleitung A B C D E F Abbildung 1.1: Ausschnitt aus einem Straßennetz Eine Koordinierung längs des Straßenzuges A → B → C → F ist sicher nötig, aber gleichzeitig sollte auch eine Koordinierung D → E → F mit einbezogen werden. Dies geschieht in der vorliegenden Arbeit. Aufbauend auf 1. einer Modellierung mittels Methoden aus der Petri-Netz-Theorie wird 2. ein Straßennetz und nicht nur ein Straßenzug allein betrachtet, und 3. mittels einer realitätsnahen Simulation werden 4. Signalzeiten für die Lichtsignalanlagen berechnet und 5. damit die Daten für die Koordinierung der Lichtsignalanlagen im Straßennetz geliefert. Als Basis für die Simulation dient ein innerstädtisches Straßennetz mit Straßen und Kreuzungen. Hinzu kommen Daten über die Verkehrsbelastung, die beispielsweise empirisch ermittelt werden können. Die Koordination der Lichtsignale erfolgt dann nicht nur für einen Straßenzug, sondern in dem gesamten Straßennetz. Als Startwerte finden in der Vergangenheit ermittelte Daten der öffentlichen Verkehrsverwaltungen über das vorhandene Straßennetz Eingang in die Simulation. Als Ergebnis wird eine koordinierte Steuerung der Lichtsignalanlagen in diesem Straßennetz in Form einer Verteilung der Grünzeiten auf die einzelnen Lichtsignalanlagen berechnet. In Kapitel 2 werden die grundlegenden Begriffe aus dem Bereich der Lichtsignalanlagen und des Straßenwesens erläutert. Kapitel 3 beschreibt die Problemstellung. Einen 3 1. Einleitung Überblick über die bisherigen Lösungsmöglichkeiten gibt Kapitel 4, während in Kapitel 5 der neue Lösungsansatz vorgestellt wird. Wie dieser Lösungsansatz in ein Petri-Netz umgesetzt wird, wird in den Kapiteln 6 und 7 beschrieben. Die Optimierung der Lichtsignalanlagen zeigt Kapitel 8. Abschließend erörtert Kapitel 9 Zusammenfassung und Ausblick. 4 2. Begriffsdefinitionen Für die weiteren Ausführungen zur Problemstellung werden zunächst die verschiedenen Begriffe definiert. 2.1 Begriffe aus dem Bereich der Lichtsignalanlagen Die meisten der folgenden Begriffe entsprechen den Festlegungen in [36]. Lichtsignalanlage oder Lichtzeichenanlage: Eine Lichtsignalanlage, im allgemeinen Sprachgebrauch auch Ampel genannt, ist eine technische Einrichtung, die durch Lichtsignale gem. § 37 StVO an Kreuzungen, Einmündungen oder anderen Straßenstellen den Verkehr regelt. Lichtsignal oder Signal: Ein Lichtsignal (kurz Signal genannt) ist ein farbiges Lichtzeichen einer Lichtsignalanlage. Es wird teilweise wirksam genannt, wenn es nur zeitweise aufleuchtet. Es gibt die folgenden Lichtsignale: – GRÜN – GELB – ROT – ROT und GELB (zusammen) Signalgeber: Ein Signalgeber ist der Teil einer Lichtsignalanlage, der ein bestimmtes Signal einer Lichtzeichenanlage anzeigt. Bemerkung: Lichtsignalanlagen können mit einem oder mehreren Signalgebern ausgerüstet sein (Abbildung 2.1). 5 2. Begriffsdefinitionen = Signalgeber . Lichtsignalanlage Abbildung 2.1: Beispiel einer Lichtsignalanlage mit drei Signalgebern Signalzeiten: Als Signalzeit bezeichnet man die Zeit in Sekunden, während der die Lichtsignalanlage ein bestimmtes Signal zeigt. Signalgruppe: Alle Signalgeber an einer Kreuzung, die gemeinsam das gleiche Signal anzeigen, bezeichnet man als Signalgruppe. Bemerkung: Lichtsignalanlagen bestehen aus einer oder mehreren Signalgruppen. Signalzeitenplan: Ein Signalzeitenplan ist ein Plan, der angibt, zu welchem Zeitpunkt an einer Lichtsignalanlage und in welcher zeitlichen Reihenfolge ein bestimmtes Signal angezeigt wird (Abbildung 2.2). In Abbildung 2.2 sind für eine Kreuzung vom Typ X (Abbildung 4.3, Seite 20) insgesamt 8 Signalgruppen dargestellt (K1,. . . ,K4 und F1,. . . ,F4); die Signalgruppen K1 und K3 regeln den Fahrzeugverkehr von West nach Ost und umgekehrt, die Signalgruppen K2 und K4 den von Nord nach Süd und umgekehrt. Die Signalgruppen F1,. . . ,F4 regeln den Fußgängerverkehr entsprechend. Eine weitere Beschreibung des Signalzeitenplans ist in Kap. 4.1.5 zu finden. Phase: 6 2. Begriffsdefinitionen Signalzeitenplan; K: Lichtzeichen KFZ, F: Lichtzeichen Fußgänger K K K K 1 2 3 4 F F F F 1 2 3 4 , , 10 , , , , , , 20 30 Rot 40 50 60 70 80 Umlaufzeit in Sekunden 90 - Gelb Grün Rot + Gelb Abbildung 2.2: Beispiel eines Signalzeitenplanes Unter einer Phase versteht man denjenigen Teil eines Signalprogrammes, während dessen ein bestimmter Zustand der Signalisierung einer Lichtsignalanlage unverändert bleibt. Phaseneinteilung: Die Phaseneinteilung gibt an, welche Phase logisch und zeitlich einer anderen im Signalprogramm folgt. Freigabezeit oder Grünzeit: Mit Freigabezeit bezeichnet man die Zeit in Sekunden, während der eine Lichtsignalanlage ”GRÜN” zeigt. Sperrzeit: Unter Sperrzeit versteht man die Zeit in Sekunden, während der eine Lichtsignalanlage ”ROT” zeigt. 7 2. Begriffsdefinitionen Zwischenzeit: Mit Zwischenzeit bezeichnet man die Zeit, die eine Lichtsignalanlage ”GELB” (= 4 sek.) bzw. ”ROT-GELB” (= 1 sek.) zeigt. Umlaufzeit: Die Umlaufzeit ist die Periodendauer für eine Lichtsignalanlage. Es ist die Zeit, nach der sich ein Signalprogramm wiederholt.1 Signalprogramm: Als Signalprogramm bezeichnet man die zeitliche Verteilung der Signalzeiten für eine Lichtsignalanlage. Das Signalprogramm ist eine zeitlich wiederkehrende Folge von Signalen, die an den einzelnen Lichtsignalanlagen einer Kreuzung angezeigt wird. Es besteht in der Regel aus folgenden Komponenten2 : 1. der Umlaufzeit 2. der Anzahl und Art der Phasen 3. der Phaseneinteilung und deren zeitliche Abfolge sowie 4. der Dauer der Freigabezeiten. Grüne Welle: Als Grüne Welle bezeichnet man eine Schaltung von Lichtsignalanlagen entlang einer bestimmten Strecke oder eines Straßenzuges so, daß die Verkehrsteilnehmer diese Strecke ohne anzuhalten mit konstanter Geschwindigkeit durchfahren können. Haltelinie: Die Haltelinie gibt an einer durch Lichtsignale geregelten Kreuzung (s.u.) die Stelle an, an der das erste wartende Fahrzeug zu halten hat, wenn diese Lichtsignalanlage ”ROT” zeigt. Stauraum: Als Stauraum bezeichnet man den Raum vor einer Kreuzung, in dem Fahrzeuge während der Sperrzeit vor einer Lichtsignalanlage auf das Freigabesignal warten. Er erstreckt sich von der Haltelinie bis zur davorliegenden Kreuzung.3 1 Vgl. Abbildung 2.2. Vgl. Abbildung 2.2. 3 Vgl. Abbildung 2.4 auf Seite 12. 2 8 2. Begriffsdefinitionen Signallageplan: Der Signallageplan ist eine räumliche Abbildung einer Straße/Kreuzung. In diesem Lageplan sind neben dem Standort der Lichtsignalanlagen ihre Zuständigkeiten (z. B. K für Kraftfahrzeuge, F für Fußgänger), eine Nummer, die Anzahl der Signalgruppen, der Verlauf der Verkehrswege, die Verkehrszeichen sowie der Ort der Markierung der Haltelinien und die Fahrtrichtungspfeile auf den Straßen angegeben.4 2.2 Begriffe aus dem Bereich Straßenwesen Auch die Begriffsbildungen aus dem Bereich Straßenwesen orientieren sich an [36]. Straße: Mit Straße bezeichnet man einen Verkehrsweg, auf dem sich Fahrzeuge in eine bestimmte Richtung bewegen. Bemerkung: Mit Straße ist in Zusammenhang mit der vorliegenden Arbeit die innerstädtische Straße gemeint. Fahrstreifen: Der zum ungehinderten Fahren eines Fahrzeugs benötigte Teil der Straße ist der Fahrstreifen. Fahrtrichtungspfeil: Das Verkehrszeichen, welches in Form von Pfeilen auf der Fahrbahn die Fahrtrichtung vorschreibt, ist ein Fahrtrichtungspfeil. Kreuzung: Eine Kreuzung ist ein Ort, an dem mindestens zwei Straßen zusammengeführt werden. Diese Straßen haben einen bestimmten Winkel zueinander. Verkehrsstrom: Als Verkehrsstrom bezeichnet man eine Anzahl von Fahrzeugen (PKW), die sich auf einer Straße bewegen. 4 Vgl. Abbildung 4.2 auf Seite 18. 9 2. Begriffsdefinitionen Verträglicher Verkehrsstrom: Ein verträglicher Verkehrsstrom ist ein Verkehrsstrom, der an einer Kreuzung in eine Richtung fahrend nicht mit einem oder mehreren anderen Verkehrsströmen zusammenstößt (z. B. Geradeausfahrer und entgegenkommender Rechtsabbiegerverkehr). Nicht verträglicher Verkehrsstrom: Ein nicht verträglicher Verkehrsstrom ist ein Verkehrsstrom, der an einer Kreuzung in eine Richtung fahrend mit einem oder mehreren anderen entgegenkommenden Verkehrsströmen zusammenstößt (z. B. Linksabbieger mit entgegenkommenden Geradeausfahrern). Verkehrsstärke: Sie ist ein Maß für die Angabe, wie viele Fahrzeuge in einer bestimmten Zeiteinheit an einem Ort fahren. Die Angabe erfolgt in Anzahl Fahrzeuge pro Zeiteinheit und wird mit dem Wert λ bezeichnet, wobei als Zeiteinheit eine Sekunde zugrunde gelegt wird. Bei einer Verkehrsstärke von z. B. 900 KFZ/h hat λ den Wert 0.25 (900 KFZ/3600 sek). Der Wertebereich von λ ist: 0 ≤ λ ≤ 1. Strombelastungsplan: Als Strombelastungsplan bezeichnet man die Angabe der Verkehrsstärke, die an einer Kreuzung für jede an dieser Kreuzung mögliche Fahrtrichtung zugrundegelegt wird (weitere Angaben über den Strombelastungsplan sind in Kap. 4.1.1 zu finden). Führung: Unter Führung versteht man die Angabe, wie an einer Kreuzung abbiegende Fahrzeuge behandelt werden. Man unterscheidet: • gesicherte Führung: Für den abbiegenden Fahrzeugstrom existiert ein eigener Fahrstreifen und eine eigene Lichtsignalanlage; alle anderen nichtverträglichen Fahrzeugströme sind während der Freigabe der gesichert geführten Ströme gesperrt. • teilweise gesicherte Führung: Für den abbiegenden Fahrzeugstrom existiert ein eigener Fahrstreifen und ein teilweise wirksames Lichtsignal. • ungesicherte Führung: Für den abbiegenden Fahrzeugstrom existiert kein gesondertes Lichtsignal; ein eigener Fahrstreifen kann vorhanden sein. 10 2. Begriffsdefinitionen Startzeit: Zeitpunkt, an dem sich ein wartendes Fahrzeug an einer Kreuzung in Bewegung setzt. Zielzeit: Zeitpunkt, an dem ein fahrendes Fahrzeug die Haltelinie an einer Kreuzung passiert. Ankunftszeit: Zeitpunkt, an dem ein anhaltendes Fahrzeug die Haltelinie an einer Kreuzung erreicht. Straßennetz: Ein Straßennetz (siehe Abbildung 2.4 auf Seite 12) besteht aus Kreuzungen (im weiteren auch Knoten genannt) und Verbindungen zwischen diesen (Straßen, die zu den Kreuzungen hin bzw. von den Kreuzungen weg führen). 2.3 Klassifikation der Kreuzungstypen Die Kreuzungen werden folgendermaßen klassifiziert: • einfache Kreuzung Hierbei wird entlang einer Straße der Verkehr durch eine Lichtsignalanlage geregelt; bei einer einfachen Kreuzung unterscheidet man, in Abhängigkeit von der Fahrtrichtung, zwischen Zufahrtsstraße und Abflußstraße. In der Regel sieht eine einfache Kreuzung folgendermaßen aus (siehe Abbildung 2.3, dabei wird nur eine Fahrtrichtung betrachtet): Fahrtrichtung Abflußstraße Zufahrtsstraße S w S / @ I @ Lichtsignalanlage Abbildung 2.3: Einfache Kreuzung 11 2. Begriffsdefinitionen Hauptsächlicher Einsatz: Als Fußgängerlichtzeichenanlage, die den Fußgängern das gefahrlose Überqueren der Fahrbahn ermöglicht. • Kreuzung vom Typ T Eine Kreuzung vom Typ T besteht immer aus drei Straßen, die sich in der Kreuzung treffen. Der Straßenverlauf an einem solchen Kreuzung ähnelt dem Buchstaben T. Die Anlehnung an den Buchstaben T ist willkürlich gewählt; es existieren auch andere Formen wie z.B. Kreuzungen in Form eines Y. • Kreuzung vom Typ X In einer Kreuzung vom Typ X treffen sich immer vier Straßen. Der Straßenverlauf ähnelt einem X. Andere Erscheinungsformen, wie z. B. die Form eines +, sind durchaus möglich. Die Verbindungen zwischen zwei Kreuzungen, also die Verkehrswege von und zu den Kreuzungen, entsprechen den Stauräumen. Kreuzungstyp T Kreuzungstyp X Stauraum Kreuzungstyp T Abbildung 2.4: Ausschnitt aus einem innerstädtischen Straßennetz 12 2. Begriffsdefinitionen Die Abbildung 2.4 gibt einen Ausschnitt aus einem Straßennetz einer Stadt wieder. Die Verkehrsflüsse durch Fahrzeuge an und zu den Kreuzungen in diesem Netz werden durch Lichtsignalanlagen geregelt (aus Gründen einer übersichtlicheren Darstellung sind sie hier nicht eingezeichnet; die Haltelinien vor den Kreuzungen sind jedoch vorhanden). Diese Lichtsignalanlagen geben durch Rotlicht Einfahrverbot in die entsprechende Kreuzung oder durch grünes Licht Einfahrerlaubnis; selbstverständlich zeigen die Lichtsignale an einer Kreuzung niemals alle gleichzeitig ”GRÜN”, hingegen ist ein ”ALLES-ROT”Signalbild durchaus denkbar. 13 3. Problemstellung Die Bewältigung des Verkehrsaufkommens in einem innerstädtischem Straßennetz wirft hauptsächlich aus zwei Gründen Probleme auf. Man betrachte den Verkehr zuerst aus Sicht des Verkehrplaners, der in der Öffentlichen Verwaltung arbeitet. Seine Aufgabe ist es, dafür zu sorgen, daß das gesamte Verkehrsaufkommen in der Stadt, besonders zu den sog. Stoßzeiten (morgendlicher und abendlicher Berufsverkehr), möglichst reibungslos fließt. Hierzu hat er das Instrument der Steuerung des Verkehrsstromes mittels Lichtsignalanlagen zur Verfügung. Er wird versuchen, dort eine Koordinierung der Lichtsignalanlagen, eine Grüne Welle, zu erreichen, wo das Verkehrsaufkommen am stärksten ist, also z. B. während der Morgenstunden den in die Stadt fließenden Verkehr, um dieses Verkehrsaufkommen zu bewältigen. Hat er den stadteinwärts fließenden Verkehr koordiniert, stellt sich die Frage, wie fließt der Verkehr bei dieser Koordinierung stadtauswärts? In den meisten Fällen ist der stadtauswärts fließende Verkehr wesentlich schlechter zu bewältigen, wenn gleichzeitig die Koordinierung stadteinwärts verwirklicht wurde. Desweiteren stellt sich die Frage nach der Verwirklichung einer Grünen Welle im gesamten Straßennetz; an welchen Punkten oder Kreuzungen des Netzes zeigen sich trotz Koordinierung neuralgische Schwachstellen, in denen sich lange Staus bilden? Wie werden die Nebenströme des aus den Seitenstraßen der Koordinierungsrichtung kommenden Verkehrs berücksichtigt? Auf der anderen Seite ist der einzelne Verkehrsteilnehmer, der sich, an einer roten Ampel wartend, fragt, warum er denn immer rote Ampeln auf seinem Weg durch die Stadt vor sich hat. Gibt es für ihn keine andere, bessere Möglichkeit der Schaltung der Lichtsignalanlagen, die ihn verzugsloser durch die Stadt führt? Es treffen hier Problemstellungen aufeinander, die sich offenbar nur unter großen Schwierigkeiten harmonisieren lassen. Zum einen die globale Steuerung des Verkehrs in einem Straßennetz, zum anderen die Berücksichtigung der individuellen Bedürfnisse der einzelnen Verkehrsteilnehmer. Hier finden sich die bereits in der Einleitung skizzierten Ziele wieder: • Minimierung der Gesamtwartezeit der Fahrzeuge im Straßennetz • Minimierung der Zahl der Halte • Bewältigung des Verkehrsaufkommens möglichst ohne Stauungen. 14 3. Problemstellung Zur Lösung dieser Probleme liefert die vorliegende Arbeit neue Ansätze. Behandelt werden die folgenden Teilprobleme: 1. Darstellung – des Straßennetzes, – des Verkehrs und – dessen Steuerung in einem innerstädtischen Straßennetz durch möglichst realitätsnahe Simulation. 2. Optimale Koordination der in einem Straßennetz vorhandenen Lichtsignalanlagen nach dem Prinzip der ”Grünen Welle” mit dem Ziel, – die Gesamtwartezeit der in dem Netz befindlichen Fahrzeuge zu minimieren – die Anzahl der Halte der im Straßennetz verkehrenden Fahrzeuge zu minimieren und damit – den Verkehr flüssiger zu halten. 3. Erreichen von aussagekräftigen Ergebnissen für die Praxis. Zum einen sollen optimale Signalzeitenpläne für die den Verkehr regelnden Lichtsignalanlagen ermittelt werden; zum anderen soll angestrebt werden, Informationen und auswertbare Kenntnisse darüber zu erhalten, welche der Straßen und Kreuzungen im Netz neuralgische Punkte mit hoher Verkehrsbelastung und somit eine Staugefahr darstellen. 15 4. Überblick über bisherige Lösungsansätze Im folgenden wird ein Überblick über bisherige Lösungsansätze für die in Kapitel 3 beschriebene Problemstellung gegeben. Zunächst erfolgt eine Darstellung der herkömmlichen manuellen Methodik der Verkehrsplanung; anschließend wird ein Überblick aus Veröffentlichungen zu dieser Problemstellung gegeben. 4.1 Herkömmliche und manuelle Verkehrsplanung Für die Modellierung des Verkehrs in Straßennetzen benutzen die Verkehrsplaner Signalzeitenpläne, Strombelastungspläne und Signallagepläne sowie Zeit-Weg-Diagramme und Phaseneinteilungen. Eine Koordinierung der Lichtsignalanlagen erfolgt näherungsweise basierend auf diesen Hilfsmitteln. Sie werden im folgenden genauer beschrieben. 4.1.1 Strombelastungsplan Strombelastungspläne sind ein Mittel zur quantitativen Erfassung der Verkehrsstärke. Strombelastungspläne geben die Fahrtrichtung und die Stärke des Verkehrsstromes an einer Kreuzung wieder. Abbildung 4.1 zeigt schematisch einen Strombelastungsplan. Die Stärke der Pfeile symbolisiert die Stärke des dort fließenden Verkehrs, die Pfeilrichtung, von wo nach wo der Verkehr fließt. Im allgemeinen werden die gemessenen Verkehrsstärken in Fahrzeugeinheiten pro Zeiteinheit als Zahl angegeben, z. B. Fahrzeuge pro Stunde. Die Verkehrsstärken werden z. B. durch Zählungen an den Knotenpunkten ermittelt, d. h., wie viele Fahrzeuge pro Fahrstreifen und Fahrtrichtung diese Kreuzung in einem bestimmten Zeitraum passiert haben. Solche Zählungen werden zu verschiedenen Tageszeiten durchgeführt, um eine möglichst vollständige Aussage über die Verkehrsstärke an der Kreuzung zu erhalten. 4.1.2 Signallageplan Der Signallageplan ist eine Abbildung des gesamten Kreuzungsbereiches. Er entsteht aus einem ”Knotenpunktentwurf” (Entwurf des Knotenpunktes mit der Führung des Verkehrs und allen Straßen, die zur Kreuzung gehören). Sämtliche Merkmale, wie z. B. Anzahl der Fahrstreifen, Fahrbahnmarkierungen, Aufstellungsort von Verkehrszeichen, ört- 16 4. Überblick über bisherige Lösungsansätze 455 70 102 107 287 Abbildung 4.1: Beispiel eines Strombelastungsplanes für eine Kreuzung vom Typ X liche Randbedingungen, etc. sind in diesen Plan eingezeichnet. Abbildung 4.2 zeigt ein Beispiel eines Signallageplans für eine Kreuzung vom Typ X1 . 1 Diese Abbildung wurde aus [36, S. 16] entnommen. 17 4. Überblick über bisherige Lösungsansätze Abbildung 4.2: Beispiel eines Signallageplanes Man erkennt hier deutlich • die Kreuzungsgeometrie • die Fahrstreifen mit der Führung des Verkehrs • die einzelnen Signalgruppen (K1,. . . ,K7, F1,. . . ,F7 und R1) • Geh– und Radwege sowie die Bebauung • Beschilderung, Markierungen und Verkehrseinrichtungen. Der Signallageplan dient als Grundlage für den Entwurf des Signalprogrammes, weil sich hieraus ableiten läßt, 18 4. Überblick über bisherige Lösungsansätze • wie die abbiegenden Verkehrsströme zu führen sind und • welche zusätzliche Signalisierung notwendig ist (z. B. für Radfahrer). 4.1.3 Steuerungsverfahren Die verkehrstechnische Realisierung der Steuerung des Verkehrs durch Lichtsignalanlagen nennt man Steuerungsverfahren. Die Steuerung der Lichtsignale kann als Teil eines Regelkreises angesehen werden, durch den der Verkehrsfluß beeinflußt werden soll. Die verschiedenen Steuerungsverfahren zeichnen sich durch die Beeinflußbarkeit oder Veränderbarkeit einzelner Teile des Signalprogrammes aus. Man unterscheidet: • Makroskopische Steuerungsverfahren. Sie dienen hauptsächlich der Berücksichtigung langfristiger Änderungen der Verkehrsbelastung. – Signalprogrammauswahl: Aus mehreren vorhandenen Signalprogrammen wird das gemäß der Verkehrssituation am geeignetsten (verkehrsabhängig) oder das für eine bestimmte Tageszeit (zeitplanabhängig) passende Signalprogramm für eine Lichtsignalanlage ausgwählt. • Mikroskopische Steuerungsverfahren. Bei diesen Steuerungsverfahren werden Änderungen des jeweiligen Verkehrszustandes am Knotenpunkt kurzfristig berücksichtigt, es sei denn, daß Signalprogramme mit festen Signalzeiten verwendet werden. – Festzeitsignalprogramm: Es existiert für die Lichtsignalanlage ein Signalprogramm, bei dem keine Programmelemente verändert werden können. – Signalprogrammanpassung: Immer eine der Komponenten des Signalprogrammes (z. B. Freigabezeit, Phase) kann verändert werden. – Signalprogrammbildung: Alle Komponenten des Signalprogrammes können verändert werden. 4.1.4 Phaseneinteilung Aufbauend auf dem Strombelastungsplan und dem Signallageplan werden für die Kreuzung die Phasen und deren Einteilung festgelegt. Die Phaseneinteilung dient der Darstellung der logischen Abläufe des Verkehrsflusses durch die Steuerung mittels Lichtsignalanlagen. Je nach dem Typ der Kreuzung (einfacher Typ, Typ T, Typ X) existieren für diese Kreuzung zwei oder mehr Phasen. Bei der Auswahl, wie viele Phasen für eine Kreuzung notwendig sind, spielen die Kriterien der Verkehrssicherheit und der ermittelte Strombelastungsplan eine Rolle. Verträgliche Verkehrsströme können in einer Phase zusammengefaßt werden, während nicht verträgliche Verkehrsströme getrennt signalisiert 19 4. Überblick über bisherige Lösungsansätze werden müssen, mit Ausnahme von ungesichert geführten Abbiegern. Aus der räumlichen Zusammenfassung von Fahrzeugströmen in Fahrstreifen ergeben sich folgende Bedingungen für eine Phaseneinteilung2 : • Fahrzeugströme müssen dann gleichzeitig fließen, wenn sie räumlich nicht getrennt sind, z. B. bei einem gemeinsam genutzen Fahrstreifen geradeaus- und rechtsabbiegender Fahrzeuge; • Zeitlich nacheinander, d. h. in verschiedenen Phasen, können die Fahrzeugströme nur dann fließen, wenn sie räumlich getrennt in verschiedenen Fahrstreifen geführt werden, z. B. geradeausfahrende und abbiegende Fahrzeuge auf eigenem Fahrstreifen. Zwei Beispiele sollen diesen Sachverhalt erläutern: Beispiel 1: Gegeben sei eine Kreuzung vom Typ X (siehe Abbildung 4.3). Gemäß des Strombelastungsplans sei die Verkehrsstärke der abbiegenden Verkehrsströme im Verhältnis zu den geradeausfahrenden so gering, daß die Abbieger nicht gesichert geführt werden brauchen. Die einzelnen Verkehrsströme seien durch die Buchstaben A, B, C und D gekennzeichnet. Die Pfeile geben die möglichen Fahrtrichtungen des Verkehrs an. A .. .. .. . .... .. . .............. . .. .. .. . .... ....... .. . . . . . . . . . d d d d...................... ... @ .... R @ % & .. .. I @ @ ? ........... . ......... ... .... .. .. D C @ I ' .. .. R @ @ @6 .. .. $ ... d....................... .. .. .. .. ........... ... . .......... d d d ........ . ....... .. ... .. .. .. .. . .............. . ..... .. ... . . . Legende: B A,B,C,D: Verkehrsströme .. .. .. .. .... .. . .............. . d Lichtsignalanlage Abbildung 4.3: Beispiel einer Kreuzung vom Typ X 2 Entnommen aus [36, S. 18]. 20 4. Überblick über bisherige Lösungsansätze Liste der nicht verträglichen Verkehrsströme: A mit C A mit D B mit C B mit D Zur Darstellung der Verhältnisse wird ein Kollisionsgraph verwendet. Er gibt an, welche der Verkehrsströme nicht miteinander verträglich sind. Hierzu werden die Verkehrsströme als Knoten dargestellt. Sodann werden alle die Knotenpaare, die nicht miteinander verträglich sind, verbunden. Die minimale Anzahl der Phasen ist dann gleich der minimalen Anzahl der Farben, mit denen man die Knoten so färben kann, daß die verbundenen Knoten unterschiedliche Farben haben. Bezogen auf das obige Beispiel ergibt sich folgender Kollisionsgraph: A B C D Abbildung 4.4: Beispiel eines Kollisionsgraphen für eine Kreuzung vom Typ X Sind zwei Knoten nicht durch eine Kante miteinander verbunden, so entsprechen diese einem verträglichen Verkehrsstrom. Die beiden Farben (grau und weiß) geben die minimale Anzahl der Phasen an. Da die abbiegenden Ströme gemäß Vorbedingung nicht gesichert geführt werden sollen und zwei Farben existieren, ist eine Schaltung mit mindestens zwei Phasen notwendig (siehe Abbildung 4.53 ). 3 Diese Abbildung wurde aus [36, S. 83] entnommen. 21 4. Überblick über bisherige Lösungsansätze Abbildung 4.5: Signallageplan, Phaseneinteilung, Strombelastungsplan und Signalzeitenplan für eine Kreuzung vom Typ X Die Pfeile in den Phaseneinteilungen der Abbildung 4.5 geben an, für welche Richtung der Verkehr freigegeben ist. Während der Phase 1 ist der Verkehr in Ost-WestRichtung und umgekehrt freigegeben; in Phase 2 fließt der Verkehr in Nord-Südbzw. Süd-Nord-Richtung. Der Abfluß des linksabbiegenden Verkehrs kann nicht dargestellt werden, da dieser erst sämtlichen Geradeaus- und Rechtsverkehr abwarten muß. Beispiel 2: Gegeben sei eine Kreuzung von Typ T (Abbildung 4.6). Dem Strombelastungsplan sei zu entnehmen, daß die abbiegenden Ströme zahlenmäßig stärker als die geradeausfahrenden sind. Eine gesicherte Führung dieser abbiegenden Ströme ist daher notwendig. Es ergeben sich somit 6 Verkehrsströme, die geregelt werden müssen (in Abbildung 4.6 mit A, B, C, D, E und F bezeichnet). Zunächst ist zu klären, welche der Verkehrsströme nicht verträglich sind: 22 4. Überblick über bisherige Lösungsansätze A B .. . .. .. ... ... .. ............. . K1a K5 ...... d ? .. . .. .. ... ... K1b ....... . ........ .... . d F1a 6 ............ ... ........ F3a% C D Legende: 6 ? F3b$ d ? K4 K3 d................ ......... .. .. .. . ........... ... . .......... F2b A,B,C,D,E,F: Verkehrsströme d F1b F2a d ........ . ....... ... .. .. ... .. .. .. .. .. K2 6 .. .. .. .. .... . ................... . d Lichtsignalanlage E F Abbildung 4.6: Beispiel einer Kreuzung vom Typ T A mit E B mit C B mit D B mit E C mit E C mit F Hingegen sind miteinander verträglich: A mit C A mit D A mit F B mit F D mit E D mit F Unberücksichtigt bleiben hierbei die Verkehrsströme, die aus gleicher Richtung kommen, also A mit B, C mit D und E mit F, da diese jeweils in einem eigenen 23 4. Überblick über bisherige Lösungsansätze Fahrstreifen fahren und bei gleicher Herkunftsrichtung unterschiedliche Zielrichtungen haben. Abbildung 4.7 enthält den Kollisionsgraphen der unverträglichen Verkehrsströme mit Angabe einer minimalen Färbung. B C A D F E Abbildung 4.7: Beispiel eines Kollisionsgraphen einer Kreuzung vom Typ T Hier braucht man drei Farben, die durch unterschiedlich starke Graufärbung dargestellt sind. Da eine gesicherte Führung aller Verkehrsströme gefordert war, müssen hier mindestens drei Phasen gewählt werden. Einen Überblick über einen möglichen Signalzeitenplan, die Phasenfolge, den Strombelastungsplan und den Signallageplan gibt die Abbildung 4.8 auf Seite 25. 24 4. Überblick über bisherige Lösungsansätze Abbildung 4.8: Signallageplan, Phaseneinteilung, Strombelastungsplan und Signalzeitenplan für eine Kreuzung vom Typ T 4.1.5 Signalzeitenplan Zur Darstellung der signalabhängigen Verkehrssteuerung dient der Signalzeitenplan4 . Er gibt für eine Kreuzung an, wann die zu den einzelnen Signalgruppen gehörenden Lichtsignalanlagen welches Signal zeigen. Der Signalzeitenplan gibt damit ein vollständiges Abbild eines Signalprogrammes und aller Phasen wieder. An der horizontalen Achse wird die Zeit in Sekunden abgetragen; vertikal werden die einzelnen Signalgruppen dargestellt. Über der horizontalen Achse sind die Freigabe-, Zwischen- und Sperrzeiten für jede Signalgruppe eingezeichnet. Die Zeitdauer des gesamten Signalprogrammes ist die Umlaufzeit. Aus dem Signalzeitenplan ist sofort zu erkennen, • welches Signal zu welcher Signalgruppe gehört und • zu welchem Zeitpunkt es angezeigt wird. Jedoch fehlen beim Signalzeitenplan sämtliche Aussagen über die Anzahl der Fahrzeuge in der Kreuzung sowie Angaben über die Hauptlastrichtung des Verkehrs. 4 Siehe hierzu Abbildung 2.2 auf Seite 7 und Abbildung 4.8. 25 4. Überblick über bisherige Lösungsansätze 4.1.6 Zeit-Weg-Diagramm Bei der Planung und Auslegung einer Grünen Welle mit einem Zeit-Weg-Diagramm durch den Verkehrsplaner unter Anwendung der o. a. Hilfsmittel wie Phaseneinteilungen und Signallageplänen geht dieser folgendermaßen vor (Abbildung 4.9: 1. Abtragen eines Strecken- oder Straßenzuges auf ein großes Blatt Papier (meist im Format DIN A1) im Maßstab 1:5000 oder 1:2000. 2. Festlegen der Umlaufzeit für alle geregelten Knoten, basierend auf dem Strombelastungsplan und dem Signalprogramm. Die Umlaufzeit für die an der Grünen Welle beteiligten Lichtsignalanlagen muß für alle den gleichen Wert haben.5 3. Bestimmen der Sperrzeiten in den Koordinierungsrichtungen der Grünen Welle. 4. Bestimmen der Freigabezeit der ersten Lichtsignalanlage; hieraus ergibt sich grob die Breite des Grünbandes und damit die ungefähre Dauer der Freigabezeit der anderen Lichtsignalanlagen. 5. Verschieben der Grünzeiten der einzelnen Knoten so lange, bis “es paßt”, d. h . bis das Grünband einen gleichmäßigen Verlauf ohne Knicke aufweist und die Breite des Grünbandes möglichst konstant bleibt. 6. Überprüfung der Grünen Welle mittels “Probefahren”. Abbildung 4.9 zeigt beispielhaft ein solches Zeit-Weg-Diagramm6 . Am unteren Ende wird in horizontaler Richtung der zu koordinierende Streckenzug mit den entsprechenden Knotennummern und -abständen abgetragen; in der vertikalen Richtung ist die Zeit eingetragen (die Angabe tU ist die Umlaufzeit). Die Breite der grau markierten Pfeile gibt die Dauer der Grünzeit sowie die Koordinierungsrichtung und -geschwindigkeit an. Die restlichen Zeichen entsprechen denen des Signalzeitenplanes7 , nur sind die Zeichen für die Freigabe-, Zwischen- und Sperrzeit hier vertikal eingezeichnet. 5 Vgl. [36, S. 48]. Die Abbildung 4.9 wurde aus [36, S. 111] entnommen. 7 Siehe hierzu Abbildung 2.2 auf Seite 7. 6 26 4. Überblick über bisherige Lösungsansätze Abbildung 4.9: Beispiel eines Zeit-Weg-Diagrammes Neuerdings stehen den Verkehrsplanern für diese Arbeit ein sogenannter IVA (Integrierter Verkehrsarbeitsplatz) zur Verfügung, an dem solche Arbeiten am Bildschirm durchgeführt werden können. Dieser IVA (und die dazugehörige Software) erstellen in den meisten Fällen auch den Signalzeitenplan für die Lichtsignalanlagen der Kreuzungen. Die Vorteile eines solchen Verfahrens sind: • Übersichtliche Planung der Grünen Welle, die durch Lage und Breite des Grünbandes ersichtlich wird. • Gute Ablesbarkeit der Koordinierungsrichtung. • Angabe der einzelnen Phaseneinteilungen der Lichtsignalanlagen. Dem stehen als Nachteile gegenüber: • Der Querverkehr zur Koordinierungsrichtung wird nicht berücksichtigt. 27 4. Überblick über bisherige Lösungsansätze • Auswirkungen in Form von zeitlichen Verschiebungen der Koordinierung in einem Straßennetz werden nicht berücksichtigt. • Ein Zeit-Weg-Diagramm zeigt nur die Koordinierung über einen Straßenzug an, nicht aber in einem Straßennetz. • Eine quantitative Aussage über die Verkehrsstärke kann nicht gemacht werden. Zwar werden im Einzelfall die Aussagen des Strombelastungsplans bei der Bestimmung der Freigabezeit herangezogen, dem Zeit-Weg-Diagramm kann jedoch die Stärke der Verkehrsströme und ihre Flußrichtung, insbesondere der abbiegenden Ströme, nicht entnommen werden. 4.2 Veröffentlichungen zur Verkehrsplanung und Verkehrssteuerung Im folgenden werden in der Literatur zu findende Lösungsansätze für das in Kapitel 3 formulierte Problem dargestellt. 4.2.1 Untersuchung von verschiedenen Optimierungskriterien für die Steuerung des Verkehrs mit Lichtzeichenanlagen Retzko et al. untersuchen in [35] verschiedene Optimierungskriterien für die Steuerung des Verkehrs mit Lichtsignalanlagen mit dem Ziel, diese Kriterien als allgemein gültig zu bestimmen. Als erstes wird der Begriff “Kriterium“ analysiert. Die Autoren stellen heraus, daß dieser Begriff nicht einheitlich verstanden werden kann; sodann stellen sie zusammen, welche Inhalte mit der Bezeichnung “Kriterium“ verbunden werden: • die zu optimierende Größe einer mathematischen Zielfunktion • ein Maß für die Wirksamkeit (auch Gütemaß oder Funktionsgrad genannt) • ein Verfahren zur praktischen Realisierung einer Modellvorstellung einschließlich der Berücksichtigung von Restriktionen. Im weiteren erfolgt eine empirische Untersuchung von angewendeten Optimierungskriterien in verschiedenen Großstädten der Bundesrepublik Deutschland. Als Beispiel soll Hamburg herausgegriffen werden. Die Stadt Hamburg begann 1964 mit der Einführung einer verkehrsabhängigen Lichtsignalsteuerung. Für die Qualität der Verkehrsabwicklung wurden folgende Kriterien als maßgebend angesehen: • Reisezeit • Summe der Wartezeiten • Anzahl der verkehrsbedingten Halte. 28 4. Überblick über bisherige Lösungsansätze Man beschränkte sich im Laufe der Zeit jedoch nur noch auf die Reisezeit und die daraus abgeleitete Reisegeschwindigkeit, da festgestellt wurde, daß sich in vielen Fällen die anderen Größen mit gleicher Tendenz veränderten.8 Nach den empirischen Untersuchungen erarbeiten die Autoren dann im folgenden einen allgemein gültigen Katalog von Kriterien, der ein Maß für die Güte der Lichtsignalsteuerung sein soll: • Minimerung der Reisezeiten. Es wird angenommen, daß die Wirksamkeit eines ” Steuerungssytems in Form von Reisezeiten gemessen werden soll, da die Zeit den meisten Menschen als einer der wichtigsten Faktoren erscheint.“ 9 • Minimierung der Halte. Es ist anzustreben, die Zahl der Halte zu minimieren. ” Damit lassen sich erreichen: – Verbesserung des Fahrkomforts – Reduzierung der Abgasemissionen und Lärmbelästigungen – Verringerung der Wahrscheinlichkeit für Auffahrunfälle – Erhöhung der Leistungsfähigkeit der Zufahrt bei starkem Schwerlastverkehr“.10 • Minimierung der Wartezeit. Es ist anzustreben, die Wartezeit zu minimieren. ” Damit lassen sich erreichen: – Zeitersparnis für die Gesamtheit aller Verkehrsteilnehmer – Verminderung verkehrswirtschaftlicher Verluste – Reduzierung der Abgasemission“.11 Die Autoren führen weiterhin aus, daß Kriterien, wenn sie für eine praktische Anwendung bei der Lichtsignalsteuerung geeignet sein sollen, bestimmte Anforderungen erfüllen müssen. Ein Kriterium soll • quantifizierbar • bedeutsam und • mit vertretbarem Aufwand erfaßbar sein.12 Es folgt eine vergleichende Bewertung von Optimierungskriterien. Die Autoren unterscheiden hierbei zwischen “Lichtsignalsteuerung an Einzelknotenpunkten“ und “Koordinierter Lichtsignalsteuerung“. Bei der “Lichtsignalsteuerung an Einzelknotenpunkten“ 8 Vgl. [35, S. 4]. [35, S .12]. 10 [35, S. 23]. 11 [35, a.a.O]. 12 Vgl. [35, S. 23]. 9 29 4. Überblick über bisherige Lösungsansätze stellen die Autoren fest, daß die für einen Knotenpunkt günstigste Umschaltstrate” gie nur durch Probieren“ 13 herausgefunden werden kann. Sie kommen hier zu dem Ergebnis, daß eine verkehrsabhängige Steuerung mit maximaler Grünzeit angenommen ” werden sollte, wenngleich ihre Wirksamkeit mit Zunahme der Verkehrsstärke rapide abnimmt“.14 Bei Koordinierter Lichtsignalsteuerung“ schlagen die Autoren vor, daß die ” Optimierungskriterien für die Lichtsignalsteuerung die Minimierung der Reisezeit und die Maximierung der Verkehrsstärke in einem Straßenzug sein sollten. Zusammenfassend vertreten die Autoren die Ansicht, daß eine Bewertung von Optimierungskriterien zum Zweck der Auswahl eines günstigen“ Kriteriums15 erkenntnistheo” retisch nicht gelöst werden kann. Für die Festlegung von Optimierungskriterien wird abschließend die nachstehende Empfehlung gegeben. Die Autoren betonen, daß es sich ” dabei nicht um erkenntnistheoretisch beste‘ Kriterien handelt“ 16 , sondern sie empfehlen, ’ Kriterien nach solchen Gesichtspunkten auszuwählen, die • bisher häufig angewendet wurden und somit für eine Standardisierung prädestiniert sind sowie • auch im on-line Betrieb aufgrund häufiger Anwendung praktikabel erscheinen, da sie die genannten Anforderungen (s.o.) gut erfüllen. Für die Steuerung an Einzelknotenpunkten schlagen die Autoren vor, die Gesamtwartezeit unter Einhaltung maximaler Sperrzeiten zu minimieren; dies gilt auch für eine koordinierte Lichtsignalsteuerung, jedoch unter der Bedingung, daß die Staulängen vor den Kreuzungspunkten einen bestimmten Wert nicht überschreiten dürfen, um Überstauung von Knotenpunkten zu vermeiden. 4.2.2 Staubekämpfung an Lichtsignalgesteuerten Knotenpunkten Bielefeldt gibt in [3] Hinweise zur Staubekämpfung an lichtsignalgesteuerten Knotenpunkten. Es werden maximal zwei hintereinanderliegende Kreuzungen betrachtet. In diesem Artikel beschränkt sich die Autorin auf die Untersuchung, wie mittels Veränderung der Umlaufzeit, der Phasenfolge und anderen Maßnahmen Stauungen vor einer lichtsignalgeregelten Kreuzung vermieden werden können. Die Autorin betrachtet die folgenden möglichen Maßnahmen: - Versatzzeitreduzierung - ausgleichende Versatzzeit - Pulkstauchung - Umlaufzeitveränderung - Mehrfachanwurf 13 [35, S. 28]. [35, a. a. O.]. 15 Vgl. [35, S. 30]. 16 [35, S. 31] 14 30 4. Überblick über bisherige Lösungsansätze Die Methode der Versatzzeitreduzierung (Reduzierung des Freigabezeitbeginns der nachfolgenden Lichtsignalanlage) wird dahingehend untersucht, ob sie das Problem lösen kann, wenn an einem Knoten ein Rückstau entsteht, der so lang ist, daß er den Verkehrsablauf an einem davorliegenden Knotenpunkt behindert. Dies tritt meistens bei geringem Knotenpunktabstand und bei nicht ausreichender Leistungsfähigkeit (Durchsatz an Fahrzeugen während der Freigabezeit) des Knotens auf. Voraussetzung für die Versatzzeitreduzierung ist, daß der Gegenverkehr eine solche Reduzierung aufgrund des Verkehrsaufkommens zuläßt, falls dadurch nicht Stauungen durch abbiegende Verkehrsströme entstehen. Ob dies zulässig ist oder dadurch Restriktionen für die Versatzzeitänderung auftreten, muß nach Ansicht der Autorin in jedem Einzelfall geprüft werden. Der Ansatz der ausgleichenden Versatzzeit stellt die Umkehrung der Versatzzeitreduzierung dar. Hierbei soll nicht die Hauptrichtung bei der Bemessung der Grünzeiten so weit wie möglich bevorzugt werden; vielmehr soll verhindert werden, daß der Querverkehr an einem Knoten behindert wird und sich somit Staus in dieser Richtung bilden. Als Ergebnis soll erreicht werden, daß das letzte Fahrzeug den Kreuzungsbereich des vorgelagerten Knotens gerade geräumt hat, wenn das erste Fahrzeug aus der Querrichtung einfährt. Die ausgleichende Versatzzeit hat in den meisten Fällen eine Veränderung der Grünzeit an einer Kreuzung zur Folge, was unmittelbare Folgen für den Verkehrsfluß der Koordinierungsrichtung hat. Mit dem Verfahren der Pulkstauchung wird eine Methode beschrieben, mit der erreicht werden soll, daß Fahrzeuge in Pulks zusammenbleiben bzw. in Zeitlücken fahrende Fahrzeuge zu Pulks zusammengefaßt werden. Voraussetzung hierfür sind mind. 200 m lange Stauräume, damit die Fahrzeuge in diesen Stauräumen zu Pulks zusammengefaßt werden können und bestehende Pulks sich nicht auflösen. Als eine Alternative zur Versatzzeitreduzierung betrachtet die Autorin die Veränderung von Umlaufzeiten. Eine Verkürzung von Umlaufzeiten kann nur dann angewendet werden, wenn die Stauräume der entsprechenden Knoten so lang sind, daß sie bei dadurch verkürzter Freigabezeit den anfallenden, sich stauenden Verkehrsstrom auch aufnehmen können; ansonsten wären die Auswirkungen auf die vor- und nachgelagerten Knoten durch Rückstau zu nachteilig. Hingegen bringen Umlaufzeitverlängerungen mit den sich daraus ergebenden längeren Freigabezeiten nur eine Verbesserung des Durchflusses an einem Knoten von max. 5%. Die Autorin führt hierzu beispielsweise aus, daß eine Umlaufzeitverlängerung von 80 auf 120 sek. gerade 5% an Leistungsfähigkeit mehr erbringt.17 Durch eine Umlaufzeitverlängerung kann erreicht werden, daß sich entsprechend lange Fahrzeugpulks in Bewegung setzen, womit die Häufigkeit, anhalten zu müssen, verringert wird. Voraussetzung hierfür sind jedoch große Knotenpunktabstände, um die Bewegung des Pulks nicht ins Stocken geraten zu lassen. Es muß aber angemerkt werden, daß Umlaufzeitveränderungen einzelner Knoten nicht ohne weiteres bei Koordinierung der Lichtsignalanlagen nach dem Prinzip der Grünen Welle vorgenommen werden können, da sonst die Grüne Welle nicht gewährleistet ist. 17 [3, S. 154]. 31 4. Überblick über bisherige Lösungsansätze Besonders bei Koordinierung in einem städtischen Straßennetz hat die Veränderung der Umlaufzeit eines Knotens unmittelbare Auswirkungen auf alle anderen, in die Koordinierung einbezogenen Kreuzungen. Im allgemeinen bewirken lange Umlaufzeiten durch längere Freigabezeiten eine Verringerung der Zahl der Halte. Dadurch wird die Häufigkeit, mit der Fahrzeuge im Stau vorrücken müssen (stop-and-go Verkehr) deutlich verringert. Als letzte Maßnahme wird der Mehrfachanwurf vorgeschlagen. Dies bedeutet, einer Zufahrt während eines Umlaufes mehrfach Freigabezeit zuzuteilen. Es soll die Ausnutzung des Stauraumes verbessert werden, da der Verkehr in kleinere, zusammenhängende Pulks aufgeteilt wird. Eine mögliche Folge wäre jedoch eine höhere Wahrscheinlichkeit des stopand-go Verkehrs. Insgesamt werden in [3] diese Maßnahmen nur an einem oder maximal zwei Knoten untersucht; ein Hinweis auf eine Anwendung der geschilderten Methoden in der Praxis sowie eine Betrachtung in einem Straßennetz fehlt. 4.2.3 Eine Theorie für die Signalsteuerung in Stadtnetzen Schmidt-Schmiedebach entwickelt in [39] eine Theorie für die Signalsteuerung des Kraftfahrzeug-Verkehrs in städtischen Straßennetzen. In dieser Arbeit wird in einem analytischen Modell das Verhalten des Verkehrsstromes vor einem Lichtsignal erfaßt und untersucht (Verhalten der Fahrzeuge beim Erreichen der Kreuzung, beim Anfahren, Zeitbedarf für die Fahrzeuge, bis sie die Kreuzung verzugslos passieren). In diesem analytischen Modell wird mathematisch mittels Funktionen beschrieben, welches Fahrverhalten Fahrzeuge vor einer Kreuzung zeigen, wenn sie anfahren oder die Kreuzung erreichen. In diesem Modell werden ein bis maximal drei Kreuzungen (der Autor nennt sie Zufahrten) berücksichtigt, auf die Verkehrsströme treffen. Die Verkehrsströme werden in einzelne Fahrzeuge zerlegt. Dann wird zunächst untersucht, wie sich diese Fahrzeuge • beim Anfahren an einer Kreuzung nach Beginn der Grünzeit und • beim Erreichen einer Kreuzung, deren Lichtsignalanlage ROT zeigt, verhalten, d. h. welche Zeit bei diesen Vorgängen verstreicht. Ein Vergleich mit empirisch ermittelten Daten des Anfahr- und Bremsverhaltens der Fahrzeuge zeigt, daß die Näherung, die mit einer vom Autor hergeleiteten linearen Funktion ermittelt wurde, hinreichend gut ist. Weiterhin werden ein sog. “Ankunft-Gesetz“ und ein “Abfahrt-Gesetz“ entwickelt. Das “Abfahrt-Gesetz“ ermittelt den Zeitpunkt, wann ein vor einer Lichtsignalanlage wartendes Fahrzeug startet und wann es die Haltelinie erreicht; mit dem “Ankunft-Gesetz“ wird versucht, eine Antwort zu finden, wann Fahrzeuge an einer Kreuzung ankommen. Da eine genaue Beschreibung der Wirklichkeit unmöglich ist, kommen nur Mittelwerte, die auf einer Gleichverteilung basieren, in Betracht. Aufbauend auf dem “Abfahrt-Gesetz“ und dem “Ankunft-Gesetz“ werden Möglichkeiten entwickelt, die Umlaufzeit optimal zu berechnen. Es wird das “Prinzip der kleinsten Umlaufzeit“ aufgestellt, das besagt, daß zur Minimierung der Wartezeit an jeder Kreuzung 32 4. Überblick über bisherige Lösungsansätze die kleinste zulässige Umlaufzeit anzustreben sei (Zitat: Kurze Umlaufzeit gleich kurze ” Wartezeit“ 18 ). Allerdings erkauft man sich den Vorteil der kurzen Wartezeiten durch eine große Anzahl von Halten. Dieses “Prinzip der kleinsten Umlaufzeit“ wird nunmehr darauf untersucht, ob seine Anwendung auch bei mehreren Kreuzungen (in der Arbeit sind es maximal 3) sinnvoll ist. Der Autor kommt zu dem Schluß, daß eine Koordinierung der Lichtsignale basierend auf der Grünen Welle eindeutig den größten Vorteil gegenüber dem “Prinzip der kleinsten Umlaufzeit“ hinsichtlich der Minimierung der Zahl der Halte bringt, auch wenn dieser Vorteil mit einer Verlängerung der Wartezeiten erkauft werden muß.19 Das “Prinzip der Grünen Welle“ schreibt vor, die Umlaufzeiten der Lichtsignalanla” gen an den benachbarten Kreuzungen gleich zu machen und eine Grünzeitverschiebung von x = 0 anzustreben“.20 Mit Grünzeitverschiebung (sie wird auch als Versatzzeit bezeichnet) ist dabei die zeitliche Verschiebung des Grünzeitbeginns in Sekunden bei aufeinanderfolgenden Kreuzungen gemeint. Es wird untersucht, welche Auswirkungen eine Veränderung der Grünzeitverschiebung (bei zwei benachbarten Kreuzungen mit unterschiedlicher Verkehrsstärke) auf die Anzahl der Halte und die Summe der Wartezeiten hat. Der Autor kommt zu dem Ergebnis, daß Wartezeit und Anzahl der Halte bei einer Grünzeitverschiebung von 0 Sekunden am geringsten sind. Diese Erkenntnis wird zunächst auf einen Straßenzug, bestehend aus drei Kreuzungen, später kurz auf ein vereinfachtes Straßennetz, angewendet. Das verwendete Straßennetz ist sehr einfach strukturiert; die Knotenpunktabstände sind annähernd gleich und alle Kreuzungen, deren Anzahl nicht genannt wird, sind vom gleichen Typ (Typ X). Resümierend wird ausgeführt, daß die beste Lösung für eine einfache Realisierung der Grünen Welle die Simultan-Schaltung aller an der Grünen Welle beteiligten Lichtsignalanlagen ist (sie zeigen dann alle zur gleichen Zeit das gleiche Signal) sowie als Steuerungsverfahren das Verfahren der zeitabhängigen Signalprogrammauswahl.21 Für Einzelkreuzungen kann das Prinzip der kleinsten Umlaufzeit“ angewandt werden, jedoch ist ” dies nur bei voll verkehrsabhängiger Steuerung dieser Kreuzungen sinnvoll, um Stauungen zu vermeiden. Verkehrsabhängige Steuerungen ...versprechen insgesamt nicht den ” großen Vorteil, den man von ihnen erwartet“.22 In dieser Arbeit beschränkt sich der Autor allerdings auf eine maximale Verkehrsstärke von 900 KFZ/h; in seinem verwendeten Straßenzug, auch in dem von ihm angesprochenem Straßennetz, sind die Knotenpunktabstände (= Abstände zwischen den Kreuzungsmittelpunkten, ohne Angabe der Entfernung) immer gleich. 18 [39, S. 21]. Vgl. [39, S. 51ff]. 20 [39, S. 34]. 21 Vgl. [39, S. 70]. 22 [39, a.a.O.]. 19 33 4. Überblick über bisherige Lösungsansätze 4.2.4 Das Programm SCOOT Middelboe zeigt in [28] anhand des Programmes “SCOOT“ (split, cycle and offset optimization technique) einen anderen Lösungsweg. Das in den Vereinigten Staaten entwickelte und eingesetzte Programm ermittelt durch in die Fahrbahn eingelassene Induktionsschleifen, die über Telefonkabel mit dem Zentralrechner verbunden sind, die jeweilige aktuelle Verkehrsstärke an einer Kreuzung. Mittels eines ”Verkehrsmodells”, welches in [28] aber nicht weiter beschrieben wird, schätzt das Programm die Verzögerungen und die Anzahl der Halte, die durch die Lichtsignalanlagen bei einem bestimmten Signalprogramm verursacht werden. Aufgrund der gemessenen Daten, die im Sekundenabstand übertragen werden, verändert das Programm die Signalzeiten und somit das Signalprogramm. Aus [28] ist nicht erkennbar, ob diese Signalprogrammveränderung der Lichtsignalanlagen für einen Straßenzug oder für ein bestehendes Straßennetz erfolgt. In den USA sind die Städte üblicherweise in quadratische, meistens ähnlich große Häuserblöcke mit den angrenzenden Straßen unterteilt. Im Gegensatz zu den Vereinigten Staaten sind in der Bundesrepublik Deutschland die Städte anders angelegt; hier sind die Knotenpunktabstände sehr unterschiedlich, während in den USA diese meistens gleich groß sind. Das liegt an der Infrastruktur der Städte. Somit ergeben sich günstigere Voraussetzungen zum Verwirklichen des Prinzips der Grünen Welle als in der Bundesrepublik Deutschland. Daher ist der Ansatz des Programmes “SCOOT“ in den USA sicher brauchbar, aufgrund der vorgenannten Gründe in der Bundesrepublik Deutschland jedoch kaum anwendbar. 4.2.5 Das Programm SIGMA Einen anderen Weg beschreibt Garben et al. in [10]. Ziel von SIGMA (Signal Management) ist es, dem Verkehrsplaner ein einfach zu bedienendes Werkzeug für den Signalprogrammentwurf zur optimalen Koordinierung festzeitgesteuerter Lichtsignalanlagen in einem Straßennetz an die Hand zu geben. In dem SIGMA-Konzept wird der Optimierungsprozeß in drei Stufen vollzogen: 1. Anfangslösung 2. Konstruktion 3. Verbesserung. Als Grundlage für die Berechnung der Signalzeitenpläne der Lichtsignalanlagen wird ein makroskopisches Wartemodell von AKCELIK“ 23 aus dem Jahre 1982 (ohne jegliche ” Literaturangabe) in modifizierter Form verwendet. Dabei wird von einem vereinfachten Zwei-Bereichs-Pulkmodell als Verkehrsmodell ausgegangen (unter einem Zwei-BereichsPulkmodell ist die Modellierung des Verkehrsflusses mit zwei Fahrzeugpulks zu verstehen, welche auf dem zu untersuchenden innerstädtischen Straßennetz verkehren). Dieses 23 [10, S. 138]. 34 4. Überblick über bisherige Lösungsansätze Verkehrsmodell liefert die Anzahl der Halte sowie die Zeitverluste durch Wartezeit der Fahrzeuge in diesem Pulk. Die eigentliche Optimierung findet dahingehend statt, daß zunächst als Anfangslösung für jeden Knoten eines Straßenzuges eine lokal optimale Signalisierung (= Verteilung der Freigabezeiten) für diesen Knoten, basierend auf den gelieferten Daten durch das Verkehrsmodell, ermittelt wird. Die so ermittelten Signalprogramme sind zwar zulässig, aber in Verbindung mit den Signalprogrammen der anderen Knoten in einem Straßenzug bzw. in der Grünen Welle unkoordiniert. Anschließend werden diese “unkoordinierten Knoten“ in Zusammenhang mit zwei oder mehr Nachbarknoten betrachtet und schrittweise die Koordinierung entlang der zu koordinierenden Strecke durchgeführt. Am Ende liefert ein Programm namens SIGMA (Signale Management) eine vollständige Signalisierung des Straßennetzes. Nach Aussage der Autoren war die Implementierung von SIGMA noch nicht abgeschlossen; nähere Informationen über den jetzigen Sachstand waren nicht zu ermitteln. Eine testweise Implementierung von SIGMA in einem 30 Kreuzungen umfassenden Straßennetz der Stadt Darmstadt erbrachte nach Aussage des Autors24 eine Verbesserung von 15% bei der Reisegeschwindigkeit, 3% bei den Haltezeiten und 15% bei der Halterate gegenüber dem herkömmlichen Verfahren aus Kapitel 4.1. Welche Verfahren zur Optimierung verwendet werden, ist [10] nicht zu entnehmen; es wird lediglich angeführt, daß bei der Strategie Netzoptimierung ” ausschließlich mit heuristischen Prioritätsregelalgorithmen gearbeitet wird, in denen die Phasenreihenfolge und der Versatz variiert und die Zeitverluste minimiert werden“.25 4.2.6 Ein Modell mittels Dichtefunktionen Einen anderen Ansatz beschreibt Schultz in [40]. Ausgehend von festen und gleichen Umlaufzeiten sowie vorhandenen, nur um Schaltzeiten (Zeitpunkte des Schaltens von Freigabe- und Sperrzeit) variable Signalprogramme, entwickelt er ein Verkehrsmodell, das, auf Zufahrten zu den einzelnen Kreuzungen bezogen, mit Hilfe von schematisierten Dichtefunktionen, die als Gangkurven ausgegeben werden, arbeitet. Basis für das hier vorgestellte Verkehrsmodell sind die Zufahrten zu den einzelnen Kreuzungen entlang eines Straßenzuges. Betrachtet werden zwei hintereinander liegende Kreuzungen. Als Zufahrt wird der Ursprung des Verkehrsstromes an der Lichtsignalanlage während der Freigabezeit definiert. Jede dieser Zufahrten wird als Ursprung erster Ordnung bezeichnet (Ursprung im Sinne Ursprung des Verkehrsstromes, s.o.); die vorgelagerte Zufahrt ist dann ein Ursprung zweiter Ordnung. Das Verkehrsmodell selbst wird als Integral dargestellt und bedeutet ein mathematisch dargestellter Fahrzeugpulk. Zwei Zielsetzungen werden in [40] genannt: 1. Minimierung der Summe der Wartezeiten aufgrund der Signalisierung 2. Minimierung der Anhaltevorgänge. Diese Zielsetzungen werden numerisch zu einer Zielfunktion zusammengefaßt: 24 25 Vgl. [10, S. 134]. [10, S. 139]. 35 4. Überblick über bisherige Lösungsansätze Ziefunktion = X Vk (1) k wobei Vk = mit k: Vk : Wk : G: Hk : ∆t: Wk + G ∗ Hk ∆t (2) Index der Zufahrt des Verkehrsnetzes Zeitverlust an Zufahrt k durch Wartezeit Summe der Wartezeiten an der Zufahrt k im Zeitraum ∆t Wartezeitäquivalent für einen Anhaltevorgang Summe der Anhaltevorgänge an der Zufahrt k im Zeitraum ∆k Summe der Wartezeiten an Zufahrt k im Zeitraum ∆t Zweck der Optimierung der Lichtsignalsteuerung ist, die Freigabezeiten so zu wählen, daß der Funktionswert von (1), also die Summe der Zeitverluste an der Zufahrt k, minimal wird. Vorausgesetzt wird in diesem Modell: 1. die Umlaufzeit aller Signalgeber des betrachteten Straßennetzes ist gleich und konstant 2. für jede Lichtsignalanlage liegen fertige Signalprogramme vor, die nur insofern variabel sind, als daß sämtliche Schaltzeiten (s.o.) gemeinsam um den denselben Betrag versetzt werden können (dies entspricht einem zeitlichen Versatz) Das Verkehrsflußmodell besteht aus Verkehrsströmen, die von Kreuzungen ausgehend mittels Lichtsignalanlagen gesteuert werden. Dabei unterscheidet der Autor zwischen Ursprüngen erster Ordnung (Verkehrsströme, die keine weiteren Zufahrten passieren) und zweiter Ordnung (Ströme, die von vorgelagerten Zufahrten stammen). Die Verkehrsströme werden nunmehr während einer bestimmten zeitlichen Periode dahingehend betrachtet, wie sich Fahrzeugpulks bilden und wie lange diese Pulks benötigen, um die nächste, vorgelagerte Zufahrt zu erreichen. Um ein möglichst gleichmäßiges Fahren dieser Pulks zu erreichen, wird untersucht, inwiefern die Versatzzeiten an den einzelnen Zufahrten verändert werden müssen. Dazu hat der Autor die Verkehrsstöme als Integral dargestellt. Anschließend wird mit dem in [40] genanntem EDV-Programm PROSIG dieser Fahrzeugpulk untersucht und der Versatz der Signalzeiten der Lichtsignalanlagen berechnet. Zur Optimierung der Signalzeiten wird ein Gradienten-Rundungs-Verfahren verwendet. Überprüft wurde das Verfahren an einem Straßenzug mit 4 Knoten im Vergleich zu anderen Verfahren (herkömmliche Bearbeitung, Programm COMBINATION [ohne Literaturangabe]); die Ergebnisse erscheinen nach Aussagen des Autors vielversprechend. Er hat sein Verfahren auf einen Straßenzug in einem Stadtteil der Stadt Hamburg angewendet. Im Gegensatz zu dem oben genannten Verfahren COMBINATION wurden hierbei an zwei Knoten positive Veränderungen in Form einer Versatzzeitänderung festgestellt; das Programm PROSIG tendiert dazu, Fahrzeugstaus um das Kriterium Wartezeit zu ” 36 4. Überblick über bisherige Lösungsansätze vernachlässigen“.26 Eine praktische Anwendung ist außer für den o. a. Straßenzug nicht bekannt. 4.2.7 Verkehrsabhängige Steuerung von Lichtsignalanlagen Noll gibt in [31] einen Überblick über Planungs- und Programmiermethodik der verkehrsabhängigen Steuerung von Lichtsignalanlagen. Im Wesentlichen wird in [31] die Programmierung der Steuergeräte der Lichtsignalanlagen mittels EDV-Programmen behandelt. Noll fordert, daß EDV-Anwenderprogramme, die komplexe verkehrsabhängige Problemstellungen wie • Einhaltung von Grünbändern für Hauptverkehrsströme • Änderung der Phasenstruktur • Abhängigkeiten von Nachbarknoten im Rahmen einer koordinierten Signalsteuerung bearbeiten, möglichst anwenderfreundlich sein sollen. Hierzu stellt er folgende Mindestforderungen für diese Programme auf: • Trennung des organisatorischen Teiles von der verkehrstechnischen Lösung • Erkennbare Aufteilung der einzelnen Programmsegmente • Klare und verständliche Dokumentation der einzelnen Programmbausteine. Der Autor führt weiter aus, daß die aus der Datenverarbeitung bekannten Ansätze ” zur Strukturierung von Programmen sich in weiten Teilen auf die Bearbeitung verkehrsabhängiger Steuerung übertragen lassen“.27 Er hält folgende Grundstruktur für zweckmäßig: - Definition einer IST-Situation für bestimmte Entscheidungen, z. B. Phasenanzahl und -folge an Lichtsignalanlagen, Verkehrsverhältnisse bei bestehender Steuerung - Definition einer SOLL-Situation, wie z. B. Änderung des Signalprogrammes, um auf wechselnde Verkehrssituationen besser reagieren zu können - Formulierung von Entscheidungskriterien für den Übergang von IST nach SOLL, welche Maßnahmen zum Erreichen des SOLL-Zustandes getroffen werden müssen. Als Voraussetzung für eine strukturierte Betrachtungsweise einer verkehrsabhängigen ” Programmierung“ 28 wird das Einbinden der Entscheidungskriterien in ein entsprechendes Programmsystem des Steuergerätes angesehen. Bisherige Verfahren29 erreichen ei” ne gewisse Strukturierung in der Regel durch Aufteilung in Phasen und Definition eines 26 [40, S. 168]. [31, S. 175]. 28 [31, a.a.O]. 29 Hierzu lagen keinerlei Literaturangaben vor. 27 37 4. Überblick über bisherige Lösungsansätze Phasenwechselschemas“.30 Die Betrachtung von Signalgruppen erfolgt nicht isoliert, sondern immer als Phase oder Teilphase im Zusammenhang mit den Verkehrsströmen. Bei dem in [31] beschriebenen Verfahren werden die Übergänge zwischen den einzelnen Signalisierungszuständen mittels eines speziellen Bearbeitungsverfahrens so in Untermengen zerlegt und zeitlich versetzt bearbeitet, daß eine praktisch unbegrenzte Anzahl von ” Zwischenphasen“ 31 entsteht. Diese Bearbeitung ermöglicht die volle Flexibilität einer ” Signalfernsteuerung“ 32 . Der Ablauf der Signalisierung wird dadurch erreicht, daß eine definierte Menge von Phasen und Phasenübergängen aneinander gereiht wird. Durch eine separat zu erstellende Zeitachse werden die zeitlichen Relationen zwischen diesen Phasen und Phasenübergängen festgelegt. Die Zeitachse dient wiederum als Basis für die Koordinierung mehrerer Steuergeräte. Dieses Konzept wurde nach Angaben des Autors in der Stadt Kassel bereits erprobt und in Verkehrsrechnern der Fa. Siemens installiert. Es soll sich in besonderem Maße für die Unterstützung durch EDV-Programme bei Planung und Auslegung verkehrsabhängiger Steuerung von Lichtsignalanlagen eignen. Über Ergebnisse, auch im Zusammenhang der koordinierten Steuerung in städtischen Straßennetzen, wird keine Aussage gemacht; Ergebnisse eines praktischen Einsatzes werden auch nicht erwähnt. 4.2.8 Steuerung des Individualverkehrs und des Straßenbahnverkehrs Brenner und Siegloch beschreiben in [6] eine Möglichkeit zur Steuerung des Individualverkehrs und des Straßenbahnverkehrs im Zuge Grüner Wellen. Der Schwerpunkt in dieser Arbeit liegt auf der Bevorzugung des ÖPNV (Öffentlicher Personennahverkehr) gegenüber dem IV (Individualverkehr, einzelne PKW), insbesondere der Straßenbahn. Neben den Ursachen für die Behinderung öffentlicher Verkehrsmittel (kreuzender Individualverkehr, keine eigene Trasse, nicht optimale Signalisierung) werden die charakteristischen Eigenschaften des Verkehrsablaufes des ÖPNV beschrieben (Haltestellenaufenthalte, wesentlich geringere Anfahrbeschleunigung und Bremsverzögerung gegenüber dem IV). Als Steuerungskonzeption im Zuge Grüner Wellen (von denen der IV auch profitie” ren“ würde) wird der Straßenbahn bei verkehrsabhängiger Steuerung ein quantifizierter Anteil zusätzlicher, anforderbarer Grünzeit zur Verfügung gestellt; das bedeutet, daß das Öffentliche Verkehrsmittel sich im Rahmen der Grünen Welle des Individualverkehrs seine eigene Sekundärwelle“ selbst schaltet. Bei Einsatz eines solchen Verfahrens im Zuge ” koordinierten Knotenpunktfolgen ergeben sich jedoch Zwangspunkte dadurch, daß - die Umlaufzeit der koordinierten Strecke nicht oder nur marginal verändert werden kann - die zusätzlich angeforderte Freigabezeit für den ÖPNV wegen eingeschränkter Kompensationsmöglichkeiten zu einer Reduzierung des Freigabezeitanteils nicht verträglicher Verkehrsströme führt und 30 [31, a.a.O]. [31, S. 176]. 32 [31, a.a.O]. 31 38 4. Überblick über bisherige Lösungsansätze - die Koordinierungsbedingungen in den Hauptrichtungen berücksichtigt werden müssen. Eine Optimierung des Gesamtsystems Grüne Welle sei zur Zeit nicht möglich, da eine Prognose der Verkehrszustände an den einzelnen Knotenpunkten nicht durchgeführt werden kann und die Verkehrsabläufe an einem Knotenpunkt so komplex sind, daß sie nicht in einem geschlossenen Steuerungsalgorithmus dargestellt werden können. Im weiteren werden die verschiedenen Steuerungsmodelle für eine Verlängerung der Freigabezeit für die Straßenbahn beschrieben. Dies sind eine Anforderung über mehrere ortsfeste Detektoren mittels spezieller Geräte (Hardware) oder individuell nach dem unmittelbaren Bedarf (Softwarelösung). Hierbei wird der Straßenbahn, je nachdem, wo die Detektoren installiert sind oder die individuelle Anforderung stattfindet, zusätzliche Freigabezeit gewährt. Entscheidend für die Auswahl der Steuerungsmodelle sind die Auswirkungen auf den querströmenden Individualverkehr. Die von der Hardware aufwendigste Lösung (Installation verschiedener Detektoren) erbrachte die besten Ergebnisse. In dem in der Stadt Nürnberg durchgeführten Feldversuch zeigte sich, daß mit diesen Steurungsmodellen eine Verbesserung der Reisezeiten des ÖPNV zu erzielen war; dieser Feldversuch wurde auf einem ausgewählten Straßenzug durchgeführt. Allerdings sind diese Vorteile zu Ungunsten des querfließenden Individualverkehrs erkauft worden. Dies sollte nach Ansicht des Autors hingenommen werden; es sei zu berücksichtigen, daß der Individualverkehr wesentlich flexibler auf Änderungen der Steuerungsprogramm reagieren könne, als dies bei trassengebundenen öffentlichen Verkehrsmitteln der Fall sei. Über Auswirkungen solcher Steuerungsmöglichkeiten in einem gesamtstädtischen Straßennetz wird keine Aussage gemacht. 4.3 Zusammenfassung Die in den Kapiteln 4.1 und 4.2 beschriebenen Verfahren zur Steuerung und Lenkung des Verkehrs zeigen interessante Ansätze zur Lösung der in Abschnitt 3 dargelegten Problemstellung. Bei einigen der Ansätze wird jedoch nur ein Steckenzug betrachtet; bei anderen nur eine Koordinierungsrichtung ermittelt und die Gegenrichtung vernachlässigt; wieder andere betrachten nur einen oder maximal einen weiteren Kreuzungspunkt. Die vorliegende Arbeit geht darüber hinaus. Es wird in den folgenden Kapiteln beschrieben, wie sich die verschiedenen Aspekte der Verkehrsabwicklung und -steuerung darstellen lassen und welche Aussagen für die Praxis daraus gewonnen werden können. 39 5. Neuartiger Lösungansatz 5.1 Modellbildung mittels Petri-Netzen Mit den im Abschnitt 4.1 beschriebenen Darstellungsmitteln sowie den in Kapitel 4.2 aufgeführten Möglichkeiten und Lösungsansätzen aus der Literatur kann man immer nur einen Teilaspekt des Verkehrsgeschehens beschreiben. Ein Strombelastungsplan zeigt z. B. sehr gut die Verkehrsbelastung der Kreuzung während einer bestimmen zeitlichen Periode, es können jedoch keinerlei Aussagen über das Signalprogramm (logische/zeitliche Steuerung des Verkehrs) oder eine Phaseneinteilung getroffen werden. Umgekehrt enthält die Phaseneinteilung Informationen über die logische und zeitliche Folge der einzelnen Phasen und somit über die Verkehrssteuerung, jedoch keine Angaben über die quantitativen Verkehrsverhältnisse. Ebenso der Signalzeitenplan. Er zeigt zwar die zeitliche Abfolge der einzelnen Signale an, es werden aber keine Aussagen darüber getroffen, 1. wie groß die Verkehrsstärke ist, 2. wie die Kreuzung infrastrukturell angelegt ist, 3. welches die Hauptlastrichtungen des Verkehrs sind. Das Zeit-Weg-Diagramm zeigt in einer sehr anschaulichen Weise den logischen Zusammenhang über die einzelnen Phasen der Lichtsignalanlagen und der evtl. Koordinierung; eine quantitative Aussage über die Verkehrsstärke kann jedoch auch hier nicht gemacht werden. Außerdem berücksichtigt ein solches Weg-Zeit-Diagramm nur einen Straßenzug. Der im folgenden dargestellte Ansatz vermeidet diese Schwächen. Er gestattet vielmehr, • logische • quantitative • zeitliche und Aspekte der Verkehrsabwicklung und -steuerung gleichzeitig darzustellen. Hierbei wird das innerstädtische Verkehrsnetz in ein Petri-Netz abgebildet und durch dieses die Verkehrsabläufe sowie der Verkehrsfluß und dessen Steuerung mittels Lichtsignalanlagen simuliert. 40 5. Neuartiger Lösungansatz Die logischen Zusammenhänge werden durch die Modellierung des Straßennetzes sowie der Schaltungsfolge der Lichtsignalanlagen an den Kreuzungen beschrieben. Die Abbildung des Verkehrsnetzes als Petri-Netz erlaubt es, kausale Abhängigkeiten und Unabhängigkeiten durch eine Anzahl von Ereignissen explizit darzustellen. Dabei läßt sich angeben, welche Fahrzeuge ein bestimmtes Fahrverhalten an den Tag legen (Bremsen und Beschleunigen sowie das Einhalten von Abständen zum vorausfahrenden Fahrzeug) und warum sie vor Kreuzungen, die durch Lichtsignalanlagen geregelt sind, halten und anfahren. Weiterhin kann gut erkennbar die zeitlichen Schaltungsfolge der Lichtsignale und deren Auswirkungen auf das laufende Verkehrsgeschehen abgebildet werden. Hierzu dienen spezielle Regelungsmechanismen für die Lichtsignale, die unmittelbar in den Verkehrsablauf eingreifen und den Verkehrsfluß steuern. Die quantitativen Aussagen werden ebenfalls durch eine Modellierung mittels Petri-Netzen beschrieben; hier lassen sich wie im realen Straßenverkehr zeitgleiche und voneinander unabhängige Prozesse darstellen. Im modellierten städtischen Straßennetz kann jederzeit genau festgestellt werden, wieviele Fahrzeuge sich an einer bestimmten Stelle des Netzes befinden und welche Geschwindigkeit sie haben. Weiterhin kann eine Aussage darüber gemacht werden, welche Straßen bzw. Straßenzüge oder Kreuzungen besonders häufig befahren werden, um neuralgische Schwachstellen des Verkehrsnetzes zu erkennen und hieraus Aussagen für die Praxis gewinnen. Entsprechendes gilt für die zeitlichen Abläufe des Verkehrsgeschehens. Man kann die Abläufe wie das Schalten der Lichtzeichenanlagen, das Vorrücken der Fahrzeuge, den zeitlichen Aufbau und Abbau eines Staus vor einer Kreuzung darstellen. Parallel verlaufende Prozesse wie der Verkehr mehrerer Fahrzeuge sind ebenfalls darstellbar. Insgesamt erhält man damit eine neue Möglichkeit zur optimalen Steuerung von Lichtsignalanlagen in einem vorhandenen Straßennetz. Die Berechnung der einzelnen Grünzeiten der Lichtsignalanlagen erfolgt dabei auf Basis der durch die Verkehrssimulation gelieferten Daten. Hierzu ist es lediglich notwendig, das Verkehrsnetz sowie die Strombelastung der einzelnen Kreuzungen numerisch zu erfassen und eine Grundgrünzeit” verteilung“ (Startwerte für die Grünzeiten) dem Modell zu übergeben. Eine aufwendige graphische Aufbereitung oder Zeichnung erübrigt sich. Zur Lösung des Problems der optimalen Koordination der Lichtsignalanlagen werden verschiedene Ansätze gezeigt, u. a. auch die Möglichkeit, eine Lösung mittels eines Verfahrens zu finden, welches die Lichtsignalanlagen von der “Mitte” der Koordinierungsrichtung koordiniert. Im Abschnitt 5.2 werden zunächst grundlegende Begriffe und Definitionen der PetriNetz-Theorie sowie Beispiele hierfür dargestellt. Im Kapitel 6 wird das Modell entwickelt, mit dem ein städtisches Straßennetz in ein Petri-Netz abgebildet wird; weiterhin wird im Kapitel 7 die Modellierung des Verkehrs in diesem Petri-Netz gezeigt. Kapitel 8 befaßt sich mit der Optimierung der Steuerung der Lichtsignalanlagen und Kapitel 9 zeigt Möglichkeiten für weitere Entwicklungen. 41 5. Neuartiger Lösungansatz 5.2 Einführung in die Grundbegriffe der Petri-Netze Im folgenden werden zunächst die Eigenschaften und Merkmale von Petri-Netzen zusammengestellt. Die Ausführungen beschränken sich dabei auf die Begriffe und Sachverhalte, die für das Verständnis des Modellaufbaus erforderlich sind. Für weitere Ausführungen wird auf die Literatur verwiesen[1, 26, 33, 42]. Def.: Graph Ein Graph G besteht aus einer Menge V, den Knoten von G und einer Menge E, den Kanten von G. Die Elemente e ∈ E sind Paare von Elementen aus V (E ⊂ V x V ). Def.: Gerichteter Graph Ein Graph G heißt gerichtet, wenn die Paare e ∈ E geordnet sind, andernfalls ungerichtet. In einem ungerichteten Graphen bezeichnet man die Elemente von E als Kanten oder Bögen, in einem gerichteten Graphen als gerichtete Kanten oder Pfeile. Def.: Nachbar In einem ungerichteten Graphen G heißt ein Knoten w N achbar eines Knotens v und umgekehrt, wenn (v, w) eine Kante von G ist. Die Menge der Nachbarn eines Knotens v von G wird mit N (v) bezeichnet. Ein Knoten w eines gerichteten Graphen heißt unmittelbarer Nachfolger oder kurz Nachfolger (unmittelbarer Vorgänger oder nur Vorgänger) von v, wenn ein Pfeil [v, w] (ein Pfeil [w, v]) existiert. Die Menge der Nachfolger (Vorgänger) eines Knotens v wird mit N(v) (V(v)) bezeichnet. Vorgänger und Nachfolger eines Knotens werden auch Nachbarn dieses Knotens genannt. Def.: Inzidenz, Parallele Kanten, Schlinge Sind einer gerichteten Kante e die Knotenpaare (u, v) zugeordnet und liegt u bezüglich der Ordnungsrelation ”vor” v, so heißt u Anfangs- und v Endknoten von e. Es wird die Bezeichnung e = (u, v) verwendet und es gilt, daß e positiv inzident mit u und negativ inzident mit v ist. Gibt es mehr als eine Kante, die zwei Knoten eines ungerichteten Graphen miteinander verbindet, so nennt man diese Kanten parallel. Stimmen die beiden Endknoten einer Kante (bzw. bei einem gerichteten Graphen Anfangs– und Endknoten eines Pfeiles) miteinander überein, dann bezeichnet man diese Kante bzw. diesen Pfeil als Schlinge. Def.: Grad eines Knotens Die Mächtigkeit der Menge1 der mit einem Knoten v eines ungerichteten 1 Für eine endliche Menge M ist die Mächtigkeit von M, in Zeichen |M |, gleich der Anzahl der Elemente von M. 42 5. Neuartiger Lösungansatz Graphen inzidenten Kanten – wobei Schlingen doppelt zu zählen sind – heißt Grad von v, in Zeichen δ(v). Die Mächtigkeit der Menge der mit einem Knoten v eines gerichteten Graphen positiv (negativ) inzidenten Pfeile – also von v ausgehenden (in v einmündenden) Pfeile – wird positiver (negativer) Grad oder Außen– (Innen–) Grad von v, in Zeichen δ + (v) bzw. δ − (v), genannt. Def.: Quelle, Senke, isolierte Knoten Ein Knoten q eines gerichteten Graphen G mit δ + (q) ≥ 0, δ − (q) = 0 heißt Quelle und ein Knoten s mit δ + (s) = 0, δ − (s) ≥ 0 Senke von G. Ein Knoten v eines ungerichteten oder gerichteten Graphen mit δ(v) = 0 bzw. δ + (v) = δ − (v) = 0 wird isoliert genannt. Def.: Petri-Netz Ein Petri-Netz ist ein gerichteter Graph (V, E) mit: 2 Arten von Knoten: P, T (P ∩ T = Ø; P ∪ T = V, P 6= Ø, T 6=Ø) 2 Arten von Kanten: Pre, Post P re ⊆ P x T P ost ⊆ T x P P re ∪ P ost = E Ein Petri-Netz hat keine isolierten Knoten und keine parallelen Kanten. P heißt die Menge der Plätze; T wird als die Menge der Transitionen bezeichnet; P re heißt die Menge der gerichteten Kanten zwischen P und T (sie werden Prekanten genannt) und P ost die Menge der gerichteten Kanten zwischen T und P (sie werden als Postkanten bezeichnet). Bemerkung: Zur kürzeren Schreibweise für die Verbindung zwischen Transitionen und Plätzen wird folgendes eingeführt: {<Platz>:<Transition>} gibt die Kante vom Platz Platz zur Transition Transition an, z.B. {p4:t3} bedeutet die Kante, die vom Platz p4 zur Transition t3 führt. Zur Verdeutlichung diene das folgende Beispiel der (stark vereinfachten) Organisation der Ausleihe und der Rückgabe von Büchern in einer Bibliothek.2 Abbildung 5.1 möge den Zusammenhang veranschaulichen. 2 Dieses Beispiel wurde [33, S. 14] entnommen. 43 5. Neuartiger Lösungansatz S 7 Abholtheke AusgabeS S S w Kartei entliehener Bestelltheke Bücherlager Bücher @ I @ @ @ Rücknahme Rückgabetheke Abbildung 5.1: Beispiel eines einfachen Petri-Netzes Der Ablauf der Vorgänge in der Bibliothek stellen sich folgendermaßen dar: Will ein Benutzer der Bibliothek ein Buch ausleihen, so bestellt er es an der Bestelltheke und füllt hierzu einen Bestellzettel aus. Dieser Bestellzettel geht zur Ausgabe; das Buch und seine inliegende Karteikarte werden dann aus dem Bücherlager geholt; anschließend geht das Buch zur Abholtheke. Dort nimmt der Benutzer das Buch in Empfang und die Karteikarte mit den Vermerken über die Ausleihfrist etc. geht in die Kartei entliehener Bücher. Bei der Rückgabe gibt der Benutzer das Buch an der Rückgabetheke ab, die Karteikarte kommt aus der Kartei entliehener Bücher in das Buch und beide, Karteikarte und Buch, werden im Bücherlager abgelegt. Der Ablauf dieser Vorgänge wird in Abbildung 5.1 durch Pfeile verdeutlicht. Abbildung 5.1 ist ein Beispiel für ein Petri-Netz. Man kann hier aktive Elemente (Ausgabe und Rücknahme) sowie passive Elemente (Bestelltheke, Abholtheke, Kartei, Bücherlager und Rückgabetheke) unterscheiden. Aktive Elemente entsprechen den Transitionen T und sind als Rechteck dargestellt; die passiven Elemente entsprechen den Plätzen p und werden als Kreis dargestellt. Prekanten sind die in die Transition einmündenden Pfeile und Postkanten die davon ausgehenden Pfeile. Betrachtet man sich nun den Ablauf der Ausleihe eines Buches anhand dieses Beispieles, so stellt man folgendes fest: • Ein Buch kann nur ausgegeben werden (Vorgang Ausgabe), wenn es 1. vorher bestellt wurde und 2. im Bücherlager vorrätig ist • Ein Buch kann nur zurückgenommen werden (Vorgang Rücknahme), wenn 1. es vorher an der Rückgabetheke zurückgegeben wurde und 2. die Kartei der entliehenen Bücher berichtigt wurde. 44 5. Neuartiger Lösungansatz Somit ist die Komponente Ausgabe von zwei Vorbedingungen abhängig; genauso verhält es sich mit der Komponente Rücknahme. Dem tragen die Pfeile in Abbildung 5.1 Rechnung. Bei der Beschreibung eines Petri-Netzes muß zum Ausdruck kommen, • welche Elemente dieses Systems Vorbedingung für das Eintreten eines bestimmten Ereignisses sind, • was bei Eintreten der Ereignisse mit dem System geschieht. Wie bereits erwähnt, bestehen Petri-Netze aus Plätzen (auch Bedingungen genannt), Transitionen (auch als Ereignisse bezeichnet) und den Beziehungen zwischen beiden (als Pfeile dargestellt). Die Pfeile werden verwendet, um kausale Zusammenhänge in einem System darzustellen; bezogen auf das Beispiel in Abbildung 5.1 zeigen sie die kausalen Zusammenhänge zwischen den Ausleih- und Rückgabevorgängen in einer Bibliothek. Neben kausalen Aspekten beinhaltet dieses Ausleihen bzw. Zurückgeben von Büchern auch dynamische Aspekte. Auch diese lassen sich in einem Petri-Netz darstellen. Hierzu benutzt man ein Markierungskonzept: bestimmte Plätze erhalten Marken. Liegt eine Marke auf einem Platz, so heißt das, daß diese Bedingung jetzt verwirklicht ist. Es können auch mehrere Marken gleichzeitig existieren und dementsprechend mehrere Plätze markiert sein, wobei Plätze auch mehrere Marken aufnehmen können. Die Menge aller markierten Plätze heißt Netzmarkierung M und beschreibt den Zustand des Systems. Bedingungs/Ereignis-Systeme, kurz B/E-Systeme, zeichnen sich dadurch aus, daß ein Platz maximal eine Marke aufnehmen kann. Sind in einem Petri-Netz Plätze vorhanden, die mehr als eine Marke aufnehmen können, so werden diese Petri-Netze Stellen-Transitions-Netze oder auch kurz S/Tr-Netze genannt. Marken können entlang der gerichteten Kanten nach bestimmten Regeln durch das Netz wandern“. Sind beispielsweise alle Bedingungen vor einer Transition (Ereignis) erfüllt, ” so kann dieses Ereignis eintreten, und die darauffolgenden Bedingungen können dann als erfüllt angesehen werden. Dementsprechend kann eine Marke von der Bedingung (Platz) vor dem Ereignis auf die Bedingung nach dem Ereignis verschoben“ werden. ” Auf diese Weise bewirken die Transitionen ein Wandern“ der Marken. Eine Transition ” entnimmt“ die Marke(n) von ihren Vorplätzen und ”legt” sie auf ihren Folgeplätzen ab. ” In der Literatur [37, 42, 50, 33] wird ein solcher Vorgang Schalten, Konzessionieren oder Realisation von Transitionen genannt. Die Regel, die zum Schalten bzw. Eintreten des Ereignisses angewendet wird, heißt Schaltregel oder Transitionsregel; die Schaltvorgänge selbst benötigen keine Zeit, sind daher zeitlos. 45 5. Neuartiger Lösungansatz Man beachte, daß eine solche Konstellation, - I Abbildung 5.2: Schleife im Petri-Netz eine sog. Schleife, nach der Schaltregel, daß die Vorbedingung einer Transition nicht gleichzeitig ihre Nachbedingung sein kann, nicht schaltbar ist;3 braucht man derartiges, dann können nur durch eine Erweiterung mittels einer Transition und eines Platzes die formalen Kriterien zur Schaltbarkeit erfüllt werden (Abbildung 5.3). Abbildung 5.3: Lösung der Schleife im Petri-Netz Die Fortführung des Beispiels Bibliothek“ (Abbildung 5.1) möge diesen Sachverhalt ” verdeutlichen. Es sei nun ein Benutzer angekommen, der ein Buch ausleihen möchte. Er füllt an der Bestelltheke den Bestellzettel aus. Dies bedeutet, daß die erste der Vorbedingungen für das Ausleihen eines Buches erfüllt ist. Im System Bibliothek“ wird ” der Platz Bestelltheke markiert. Das Petri-Netz Bibliothek“ hat jetzt somit folgendes ” Aussehen wie in Abbildung 5.4. | - S 7 Abholtheke AusgabeS S S w Kartei entliehener Bestelltheke Bücherlager Bücher @ I @ @ @ Rücknahme Rückgabetheke Abbildung 5.4: Beispiel eines einfachen Petri-Netzes; Zustand: der Platz Bestelltheke ist markiert Im nächsten Schritt werde das bestellte Buch mit der inliegenden Karteikarte aus dem 3 Vgl. hierzu [42, S. 32ff]. 46 5. Neuartiger Lösungansatz Bücherlager geholt. Daher wird zusätzlich der Platz Bücherlager markiert (Abbildung 5.5). | - S 7 Abholtheke AusgabeS S S w Kartei entliehener | Bücher I @ @ @ @ Bestelltheke Bücherlager Rücknahme Rückgabetheke Abbildung 5.5: Beispiel eines einfachen Petri-Netzes; Zustand: die Plätze Bestelltheke und Bücherlager sind markiert Nunmehr sind beide Voraussetzungen für die Ausgabe erfüllt. Die Transition Ausgabe schaltet deshalb; je eine Marke wird von dem Platz Abholtheke und dem Platz Kartei entliehener Bücher zuerst entfernt und dann der Platz Abholtheke markiert (siehe Abbildung 5.6). Dies bedeutet: Das Buch gelangt an die Abholtheke und die Karte mit den Angaben des Entleihers kommt in die Kartei entliehener Bücher. Somit kann der Benutzer nun an der Abholtheke das gewünschte Buch in Empfang nehmen. - | S 7 Abholtheke AusgabeS S S w Kartei entliehener | Bücher I @ @ @ @ Bestelltheke Bücherlager Rücknahme Rückgabetheke Abbildung 5.6: Beispiel eines einfachen Petri-Netzes; Zustand: die Plätze Abholtheke und Kartei entliehener Bücher sind nach dem Schalten von Ausgabe markiert Bei den in diesem Beispiel (Abbildungen 5.4 bis 5.6) vorgestellten Petri-Netzen kann höchstens eine Marke pro Platz abgelegt werden. Sie werden als Ein-Marken-Petri” Netze“ bezeichnet. Man kann auch Petri-Netze betrachten, bei denen mehrere Marken auf einem Platz abgelegt sind; diese Netz-Typen werden im folgenden noch angesprochen werden. 47 6. Entwicklung des Modells 6.1 Modellierung eines einfachen Verkehrsmodells mittels Petri-Netzen Die im Abschnitt 5.2 dargestellten Grundelemente der Petri-Netz-Theorie erlauben es, einen einfachen Straßenzug mit einer Kreuzung vom Typ T (Abbildung 4.6 Seite 23) durch ein Petri-Netz zu modellieren und damit den Verkehrsfluß sowie die Regelung desselben durch Lichtsignalanlagen darzustellen und die kausalen Zusammenhänge zwischen diesen beiden Größen zu zeigen. Die Kreuzung möge aussehen wie in Abbildung 6.1: H K2 K1 , K2 = Lichtsignalanlagen - I Fahrtrichtung K1 Abbildung 6.1: Vereinfachte Kreuzung vom Typ T Vereinfachend wird hier vorausgesetzt: • die Straßen sind Einbahnstraßen (die erlaubte Fahrtrichtung sei durch den Pfeil dargestellt) • es existiert nur eine Fahrspur pro Richtung • es existiert pro Fahrtrichtung nur 1 KFZ • Jede Fahrspur ist mit einer Lichtsignalanlage versehen, die nur zwei Zustände anzeigt: ROT oder GRÜN • Nach Verlassen der Fahrzeuge aus dem Kreuzungsbereich schaltet die Lichtsignalanlage sofort wieder auf ROT, falls sie vorher GRÜN zeigte. 48 6. Entwicklung des Modells Folgende Bedingungen sollen gelten: • Die Signalanlagen K1 und K2 dürfen nicht gleichzeitig GRÜN zeigen, wohl aber ROT. • Falls K1 ROT zeigt, darf K2 GRÜN zeigen • Falls K1 GRÜN zeigt, muß K2 ROT zeigen • Falls K2 ROT zeigt, darf K1 GRÜN zeigen • Falls K2 GRÜN zeigt, muß K1 ROT zeigen Für eine Modellierung durch ein Petri-Netz benötigt man als - Transitionen (Ereignisse, aktive Komponenten): 1 = KFZ fährt von Westen kommend in die Kreuzung ein 2 = KFZ fährt von Norden kommend in die Kreuzung ein 3 = KFZ verläßt Kreuzungsbereich - Plätze (Bedingungen, passive Komponenten): A = K1 zeigt GRÜN B = KFZ steht vor der Kreuzung (im Westen) C = KFZ befindet sich auf der Kreuzung D = KFZ steht vor der Kreuzung (im Norden) E = K2 zeigt GRÜN F = KFZ hat Kreuzungsbereich verlassen. In den bisherig behandelten Petri-Netzen (Abbildungen 5.4 bis 5.6) weicht dieses PetriNetz dahingehend davon ab, daß Platz F die Eigenschaft habe, mehrere Marken aufnehmen zu können. Abbildung 6.2 zeigt das modellierte Petri-Netz. 49 6. Entwicklung des Modells D A E 2 1 B 3 C F Abbildung 6.2: Modellierung einer Kreuzung vom Typ T Der Ablauf im Modell ist nun folgender (Abbildung 6.3): D A E 2 1 B 3 C F Abbildung 6.3: Modellierung einer Kreuzung vom Typ T; Zustand: ein KFZ erreicht die Kreuzung von Westen kommend, K1 zeigt GRÜN 50 6. Entwicklung des Modells Erreicht nur ein Fahrzeug die Kreuzung von Westen kommend (und keines von Norden), dann wird Platz B markiert; zeigt nun auch die Lichtsignalanlage K1 GRÜN, so wird auch Platz A markiert. Befindet sich dann kein Fahrzeug in der Kreuzung (Platz C ist dann nicht markiert), so sind die Voraussetzungen geschaffen, daß das KFZ die Kreuzung passieren kann (Transition 1 schaltet, Plätze A und B werden unmarkiert, Platz C markiert). Das Fahrzeug befindet sich nunmehr in der Kreuzung; ist ferner der Platz F unmarkiert, kann die Transition 3 (KFZ verläßt den Kreuzungsbereich) schalten, womit nunmehr Platz F markiert ist. Die nachfolgenden Abbildungen 6.4 - 6.5 zeigen das “Wandern“ der Marken in diesem Petri-Netz. D A E 2 1 B 3 C F Abbildung 6.4: Modellierung einer Kreuzung vom Typ T; Zustand: das KFZ befindet sich im Kreuzungsbereich 51 6. Entwicklung des Modells D A E 2 1 B 3 C F Abbildung 6.5: Modellierung einer Kreuzung vom Typ T; Zustand: das KFZ hat den Kreuzungsbereich verlassen Fährt nun ein Fahrzeug von Norden an die Kreuzung, so wird Platz D markiert; zeigt auch die Lichtsignalanlage K2 GRÜN, wird Platz E markiert. Transition 2 kann schalten, da C unmarkiert ist; das Fahrzeug erreicht die Kreuzung und verläßt sie danach. Befindet sich sowohl aus Westen als auch aus Norden ein KFZ vor der Kreuzung (Plätze B und D sind markiert), so kann nur eines oder keines der beiden Fahrzeuge die Kreuzung passieren; da die o. a. Bedingungen es nicht erlauben, daß K1 und K2 gleichzeitig GRÜN zeigen. Sei nun Platz E markiert (K2 zeigt GRÜN), dann schaltet Transition 2; Transition 1 kann nicht schalten, da Platz A unmarkiert ist: das von Norden kommende Fahrzeug fährt in die Kreuzung und verläßt diese, während das von Westen kommende an der Kreuzung wartet. Dieser Verlauf ist in den Abbildungen 6.6 - 6.8 angegeben. 52 6. Entwicklung des Modells D A E 2 1 B 3 C F Abbildung 6.6: Modellierung einer Kreuzung vom Typ T; Zustand: ein KFZ kommt von Westen, das andere von Norden an die Kreuzung; K2 zeigt GRÜN, K1 ROT D A E 2 1 B 3 C F Abbildung 6.7: Modellierung einer Kreuzung vom Typ T; Zustand: das KFZ aus Norden konnte fahren, da K2 GRÜN gezeigt hat 53 6. Entwicklung des Modells D A E 2 1 B 3 C F Abbildung 6.8: Modellierung einer Kreuzung vom Typ T; Zustand: das KFZ aus Norden hat den Kreuzungsbereich verlassen, das aus Westen kommende wartet vor K1 6.2 Non-Standard-Petri-Netz-Elemente Mit den bisher vorgestellten Elementen der Petri-Netz-Theorie kann man bereits komplexe Systeme darstellen. Es gibt jedoch Systeme/Situationen, bei denen diese Elemente nicht für eine Modellierung ausreichen. Dies trifft für das obige Problem der Modellierung der Kreuzung vom Typ T des vorigen Abschnittes zu. Offensichtlich zeigt sich bei diesem Modell schon das Fehlen bestimmter Eigenschaften: Gemäß der Vorbedingung dürfen K1 und K2 nicht gleichzeitig das Signalbild GRÜN zeigen, weil dies die KFZ dazu veranlassen würde, gleichzeitig in die Kreuzung einzufahren. So wurde hier die Bedingung lediglich verbal formuliert. Um dies zu berücksichtigen, bedarf es weiterer Petri-Netz-Elemente. Sie heißen Non-Standard-Petri-Netz-Elemente. Im folgenden wird auf diese Non-Standard-Petri-Netz-Elemente eingegangen, soweit sie für das Verkehrsmodell geeignet sind. 54 6. Entwicklung des Modells 6.2.1 Testkanten Testkanten entsprechen Prekanten1 . Im Unterschied zu diesen geben die Testkanten einer Transition zwar ebenfalls Schalterlaubnis, ein ”Wandern” der Marke von dem Vorgängerplatz über die Transition zum nachfolgenden Platz findet jedoch nicht statt. Der Vorgängerplatz bleibt weiterhin markiert. Die Voraussetzung für das Schalten einer Transition sind dadurch nicht geändert; damit die Transition schalten kann, muß der Platz nach wie vor markiert sein. Testkanten werden analog einer Prekante darstellt, nur ihre Pfeilspitze wird durch einen ausgefüllten Kreis ersetzt. Abbildung 6.9 zeigt beispielhaft eine Testkante. p1 p1 p3 t1 p3 t1 p2 p2 Abbildung 6.9: Testkante; links vor und rechts nach dem Schalten 6.2.2 Inhibitorkanten Inhibitorkanten entsprechen ebenfalls Prekanten. Inhibitorkanten geben im Gegensatz zu den Testkanten und den “normalen“ Kanten einer Transition genau dann Schalterlaubnis, wenn ihr Vorgängerplatz nicht markiert ist. Ihre Darstellung ist wie eine Prekante, nur wird die Pfeilspitze durch einen leeren Kreis ersetzt. Abbildung 6.10 zeigt eine Inhibitorkante. p1 p1 p3 t1 p3 t1 p2 p2 Abbildung 6.10: Inhibitorkante; links vor und rechts nach dem Schalten Das Beispiel in Abbildung 6.11 soll die Funktionsweise von Test- und Inhibitorkanten veranschaulichen und zusammenfassen. Hier ist links die Situation vor dem Schalten und rechts nach dem Schalten angegeben. 1 Zur Definition von Pre- und Postkanten siehe Kapitel 38 auf Seite 43. 55 6. Entwicklung des Modells p1 tl Q QQ sd t1 l p2 Z Z ~ t2 Z > l t p3 Q QQ st t3 l t p4 lp1 Q QQ sd t1 " " " l p2 Z Z ~ Z t2 > p3 l Q QQ st t3 " " t" l p4 p5 - l p6 - l p7 - l p5 - tl p6 - l p7 - tl Abbildung 6.11: Test– und Inhibitorkanten • Transition t1 kann schalten, da ihr Vorgängerplatz p1 markiert und p2 (Inhibitorkante nach t1) unmarkiert ist. Nach dem Schalten ist p5 markiert (p1 unmarkiert, p2 unverändert. • Transition t2 kann nicht schalten, da zwar p3 markiert, p2 aber unmarkiert ist. Der Platz p6 bleibt deshalb unmarkiert. • Transition t3 kann schalten, da die Plätze p3 und p4 markiert sind. Da die Kante von Platz p4 nach t3 eine Testkante ist, verbleibt die Marke in p4. Nach dem Schalten sind die Plätze p7 und p4 markiert. 6.2.3 Erweiterung des einfachen Verkehrsmodells um Testkanten Mit den Test- und Inhibitorkanten läßt sich die in Abbildung 6.2 Seite 50 modellierte Kreuzung hinsichtlich der Steuerung der Lichtsignalanlagen erweitern. Die Bedingungen (Kapitel 6.1 auf Seite 49) damals forderten, daß entweder K1 oder K2 GRÜN zeigen können (Platz A oder E markiert), aber nicht beide gleichzeitig. Mittels Testkanten läßt sich dies erreichen. Dazu benutzt man ein sog. Schaltnetz für die Schaltung der Lichtsignalanlagen, mittels dem entweder A oder E markiert werden (siehe Abbildung 6.12). 56 6. Entwicklung des Modells Liste der Plätze: A = K1 zeigt GRÜN E = K2 zeigt GRÜN 4 ? A E 6 Liste der Transitionen: - 5 4 = K1 schaltet von ROT auf GRÜN;K2 von GRÜN auf ROT 5 = K1 schaltet von GRÜN auf ROT;K2 von ROT auf GRÜN Abbildung 6.12: Modellierung des Schaltkreises für eine Kreuzung vom Typ T Jetzt wird dieses Schaltnetz in das Modell der Kreuzung vom Typ T (Abbildung 6.2) integriert: 4 + A Z ~ Z 5 D Z } Z E > ? - ? - B 1 2 ? C 3 F Abbildung 6.13: Modellierung einer Kreuzung vom Typ T mit Schaltkreis Nun sei Platz A markiert (K1 zeigt GRÜN) sowie Platz B (ein KFZ fährt von Westen in die Kreuzung ein). Folgende Situation liegt dann vor (Abbildung 6.14): 57 6. Entwicklung des Modells 4 + A | Z ~ Z 5 D Z } Z E > ? - | ? - 1 B 2 ? 3 C F Abbildung 6.14: Modellierung einer Kreuzung vom Typ T mit Schaltkreis; Plätze A und B sind markiert • Transition 1 kann schalten, da die Plätze A und B markiert sind, C aber unmarkiert ist; • Transition 5 kann schalten, da Platz A markiert und E unmarkiert ist; • Transition 3 kann schalten, da Platz C markiert und Platz F unmarkiert ist (Abbildung 6.15). 4 + A Z ~ Z 5 D Z } Z |E > ? - ? - B 1 2 ? - | C 3 F Abbildung 6.15: Modellierung einer Kreuzung vom Typ T mit Schaltkreis; Plätze C und E sind markiert 58 6. Entwicklung des Modells Nun befindet sich je eine Marke auf Platz E und F (Abbildung 6.16). 4 + A Z ~ Z 5 D Z } Z |E > ? - ? - B 1 2 ? 3 C - | F Abbildung 6.16: Modellierung einer Kreuzung vom Typ T mit Schaltkreis; Plätze E und F sind markiert Es könnte sich bei obiger Modellierung die Frage stellen, wohin die Marke von A kommend ”wandern” soll: über Transition 1 nach Platz C oder über Transition 5 nach E? Stellt man sich auf den Standpunkt, daß eine Marke nur angibt, ob eine Bedingung erfüllt ist, und das ”Wandern” anschließend die Erfüllung der Bedingung darstellt, so sind eben anschließend die Plätze C und E markiert. Eine Marke selbst ”wandert” nicht. Nur zur Veranschaulichung der kausalen Zusammenhänge wird dieser Begriff verwendet. Die Schaltregeln der Petri-Netz-Theorie geben keine Auskunft darüber, welche Transition im Falle einer Gleichwertigkeit (Transition 1 und 5) schalten soll;2 es entsteht ein Konflikt.3 Eine mögliche Lösung4 hierfür bieten Testkanten. Im obigen Modell werden die Kanten {A:1} und {E:2} durch Testkanten ersetzt (Abbildung 6.17): 2 Vgl. [37, S.25ff]. Siehe hierzu auch [20, S.22ff]. 4 Es existieren auch andere Lösungsvorschläge; vgl. [42, S.35ff] und [50, S. 73ff]. 3 59 6. Entwicklung des Modells 4 + A } Z ~ 5 Z D Z } Z E > ? v } B v - 1 2 ? C 3 F Abbildung 6.17: Modellierung einer Kreuzung vom Typ T mit Schaltkreis und Testkanten Es seien wieder die Plätze A und B markiert; die Transitionen und Plätze haben die gleiche Bedeutung wie in Abbildung 6.13. Am Schaltverlauf gegenüber den Abbildungen 6.14 bis 6.16 ändert sich nichts. Der Konflikt jedoch ist jetzt behoben, da die Marken im eingeführten Schaltkreis (s. o.) immer verbleiben und diesen wegen der Testkanten nicht verlassen. Es sei in diesem Zusammenhang nochmals daran erinnert, daß die Marken nicht ”wandern”; sie dienen allein dazu, die Erfüllung bestimmter Bedingungen darzustellen. Mittels dieses sog. ”Wandernsläßt sich jedoch ein kausaler Zusammenhang mittels einer mechanischen Bewegung leichter verständlich machen. Dies wird später noch benötigt, wenn man sich vorstellt, daß die Marke bei Platz B einem Fahrzeug und die bei A einer Phase einer Lichtsignalanlage entspricht. Denkbar wäre auch eine Modellierung mit Inhibitorkanten. Diese sähe dann folgendermaßen aus (Abbildung 6.18): 60 6. Entwicklung des Modells 4 + A } Z ~ 5 Z D Z } Z E > ? f } B f - 1 2 ? C 3 F Abbildung 6.18: Modellierung einer Kreuzung vom Typ T mit Schaltkreis und Inhibitorkanten Man erkennt, daß nach Markieren von A die Transition 2 keine Konzession erhalten kann, da sie über eine Inhibitorkante mit Platz A verbunden ist. Transition 1 jedoch kann schalten, da Platz E unmarkiert und B markiert ist. Bei der bisherigen Modellierung der Kreuzung vom Typ T sind zwei Netze zu einem vereinigt; einmal das Netz, das das Verhalten der Fahrzeuge an der Kreuzung beschreibt, zum anderen das Netz, welches die Lichtsignalanlagen schaltet. Eine Lichtsignalanlage schaltet jedoch nicht verzugslos; ihre Signale werden für eine bestimmte Zeit angezeigt. Auch die Fahrzeuge benötigen eine gewisse Zeit, um in die Kreuzung einzufahren und um diese wieder zu verlassen. Dies ist jedoch mit der aktuellen Modellierung nicht darstellbar. Durch Einführung von Zeitbewertungen für Petri-Netze gelingt dies jedoch. Darauf wird im Abschnitt 6.2.5 eingegangen. Zuvor wird die Vergröberung und Verfeinerung von Petri-Netzen beschrieben. 6.2.4 Vergröberung und Verfeinerung Unter Vergröberung eines Petri-Netzes versteht man das Ersetzen eines Teilnetzes durch eine Transition oder durch einen Platz. Umgekehrt bedeutet Verfeinerung das Ersetzen einer Transition/eines Platzes durch ein entsprechendes Teilnetz. Dabei kann eine Transition nur durch ein Transitionsberandetes Teilnetz und ein Platz nur durch ein Platzberandetes Teilnetz ersetzt werden. Als Beispiel für eine Vergröberung wird in Abbildung 6.19 ein Transitionsberandetes Teilnetz (gestrichelt dargestellt) durch eine einzige Transition ersetzt. Da hier von zwei Plätzen Kanten in das Teilnetz führen, müssen auch die Kanten aus diesen beiden Plätzen in diese Transition der Vergöberung führen. Beide Plätze sind Vorbedingung zu Schalten dieser Transition. 61 6. Entwicklung des Modells l l - - l HH H j H * - - l - l l XXX ? XXX z : l - l Abbildung 6.19: Transitionsberandetes Teilnetz Abbildung 6.19 kann auch gleichzeitig als Beispiel für eine Verfeinerung gesehen werden, wenn die Transition im Netz der oberen Teil der Abbildung durch das entsprechend transitionsberandete Teilnetz verfeinert wird. Durch eine Vergröberung können Petri-Netze übersichtlicher gestaltet werden; mehrfach vorkommende, ähnliche oder gleiche Netzelemente können so durch vergröberte Transitionen oder Plätze ersetzt werden. 6.2.5 Zeitbewertung von Petri-Netzen Kausale Zusammenhänge lassen sich in Petri-Netzen gut beschreiben. Die zeitlichen Aspekte, wie die Dauer eines Vorganges, können zunächst nicht dargestellt werden (so kann das in den Abbildungen 5.4 bis 5.6 gezeigte Petri-Netz keine Aussage darüber machen, wie lange es dauert, das Buch aus dem Bücherlager zu holen). Um auch diese Dimension zu berücksichtigen, kann man, soweit erforderlich, in einem Petri-Netz Transitionen, Plätze, Marken sowie Post- und Prekanten mit Zeitbegriffen versehen und dies geeignet interpretieren.5 Damit besteht die Möglichkeit, auf die Schaltbarkeit und die Schaltdauer einer Transition Einfluß zu nehmen. Ersteres, indem Marken eine bestimmte Zeit auf Plätzen festgehal” ten“ werden und erst nach Ablauf dieser Zeit über die Transition weiter ”wandern” können; zweitens kann auch ein Ereignis eine bestimmte Zeit in Anspruch nehmen; man denke an das Beispiel der Kreuzung vom Typ T: Ein Fahrzeug benötigt eine bestimmte Zeit zum Anfahren und zum Passieren der Kreuzung. 5 Vgl. hierzu [20, S. 126ff] und [42, S. 193ff und 209f]. 62 6. Entwicklung des Modells Jedoch ist die Einführung eines Zeitbegriffes in ein Petri-Netz aus mehreren Gründen nicht unproblematisch. Zum einen werden die Netze umfangreicher, sowohl in ihrer Darstellung wie auch in ihrer analytischen Auswertung. Zum anderen werden mit Hilfe von Petri-Netzen üblicherweise eine diskrete Folge von Zuständen dargestellt, während die Zeit als eine kontinuierliche Größe aufgefaßt wird.6 Um dem zu begegnen, wird im bestehenden System ein globaler Zeittaktgeber (“Systemuhr”) eingeführt; beginnend mit der Anfangsmarkierung bei Takt Null wird bei jedem weiteren Zeittakt das Netz “eingefroren” und auf die möglichen und vollendungsfähigen Schaltungen überprüft. Anschließend wird der nächste Zeittakt eingeleitet und die Marken gemäß ihrer Schaltungsvorschriften verschoben. Wie groß die Taktlängen gewählt werden, ist von der Modellierung des Systems abhängig; es können Sekunden oder auch Stunden oder Tage gewählt werden, sie sollten jedoch immer ganzzahlig sein. 6.2.5.1 Zeitbewertete Kanten Zur Verdeutlichung, daß eine Kante zeitbewertet ist, wird sie mit einer Ziffer versehen. Fehlt eine solche Angabe, ist die Kante nicht zeitbewertet. Diese Zeitbewertung einer Kante bedeutet, daß eine Marke nicht sofort zu einer Transition/Platz ”wandert”, sondern erst nach Ablauf der an der Kante angegebenen Zeitdauer. Übertragen kann man sich das so vorstellen, daß die Marke auf ihrem Platz/Transition während dieser Zeitdauer ”festgehalten” wird. Wie interpretiert man die Ziffern an den Post-/Prekanten? Zur Erläuterung betrachte man das nachfolgende Beispiel (Abbildung 6.20). 6 Vgl. [42, S. 20]. 63 6. Entwicklung des Modells p3 p1 1 I t1 p2 p4 1 p1 2 1 t3 p5 t3 p5 t3 p5 t3 p5 t2 p3 1 t1 II p2 2 p4 1 1 t2 p1 p3 1 t1 III p2 2 p4 1 1 t2 p1 p3 1 2 t1 IV p2 p4 1 1 t2 Abbildung 6.20: Zeitbewertete Kanten Dargestellt sind hier mehrere Zustände eines Petri-Netzes mit zeitbewerteten Kanten; die stilisierte Uhr darüber zeigt jeweils die verstrichene Zeit an. Der erste Takt (Takt 0) beginne bei I. Zu Anfang sind die Plätze p1 und p2 markiert. Nachdem nun ein Takt vergangen ist (II), sind die beiden Plätze p3 und p4 markiert; im nächsten Takt (Takt III) geschieht nichts, da die Kante {p3:t3} die Marke auf p3 zwei Takte lang festhält“. Erst im da” rauffolgenden Takt (Takt IV) kann t3 schalten, und Platz p5 wird markiert. 64 6. Entwicklung des Modells 6.2.5.2 Zeitbewertete Transitionen Etwas anderes stellen die zeitbewerteten Transitionen dar. Bei zeitbewerteten Kanten soll erreicht werden, daß die Marke für eine bestimmte Zeitdauer auf einem Platz erhalten bleibt; ist es hingegen erforderlich, zu modellieren, daß aktive Vorgänge (Transitionen) eine bestimmte Zeit benötigen, dann erhalten diese Transitionen eine entsprechende Zeitangabe. Im Gegensatz zur zeitbewerteten Kante, wo die Marke eine bestimmte Zeit auf dem davorliegenden Platz verbleibt, wird bei der zeitbewerteten Transition die Marke in der Transition während der festgelegten Zeitdauer “festgehalten“. Man kann sich dies so vorstellen, daß die Marke während dieser Zeit in der Transition ”verborgen” ist. Abbildung 6.21 soll den Zusammenhang veranschaulichen. t=3 t 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 Abbildung 6.21: Zeitbewertete Transitionen Auch hier symbolisiert die stilisierte Uhr den globalen Zeittaktgeber im Netz. Angezeigt wird der Netzzustand jeweils nach Verstreichen eines Zeittaktes (beginnend von oben). 65 6. Entwicklung des Modells Hier dauert das aktive Ereignis t 3 Zeiteinheiten. Eine Verfeinerung ergibt, daß dieser Vorgang auf je drei Transitionen mit der jeweiligen Dauer von einer Zeiteinheit verfeinert werden kann. 6.2.6 Erweiterung des Verkehrsmodells um die Zeitbewertung Die in Abbildung 6.18 modellierte Kreuzung wird jetzt um zeitbewertete Kanten und zeitbewertete Transitionen erweitert (Abbildung 6.22). Die Kanten, die vom Platz A zur Transition 5 und vom Platz E zur Transition 4 führen, werden zeitbewertet. Dies entspricht dem Festlegen der Grünzeiten für die einzelnen Signalgeber der Lichtsignalanlage. Ebenso werden die Transitionen 1 und 2 zeitbewertet. Damit kommt zum Ausdruck, daß der Anfahrvorgang und das Beschleunigen der Fahrzeuge vor den Lichtsignalanlagen eine gewisse Zeit in Anspruch nimmt. Damit ergibt sich folgende Schaltverlauf: 4 D 30 A E 20 5 2 1 B t=3 t=3 3 C F Abbildung 6.22: Modellierung einer Kreuzung vom Typ T mit Schaltkreis, Testkanten sowie zeitbewerteten Kanten und Transitionen In Abbildung 6.22 verbleibt die Marke des Platzes A 20 Zeiteinheiten auf diesem Platz (wählte man als Zeiteinheit Sekunden, so entspräche dies 20 Sekunden Grünzeit für Fahrzeuge aus Richtung Westen) und wandert anschließend auf den Platz E, wo sie 30 Zeiteinheiten bleibt (30 Zeiteinheiten ROT für Richtung WEST sowie GRÜN für Richtung NORD). Danach ”wandert” sie wieder auf Platz A usw. Das Anfahren eines Fahrzeugs an der Lichtsignalanlage benötige 3 Zeiteinheiten; dies wird in das Schalten der Transitionen 1 und 2 integriert (in der Abbildung 6.22 wird dies durch die Angabe des Zeitbedarfs an der Transition (t = 3) angegeben). In Erweiterung dieses Modelles mögen nunmehr auch die Plätze B und D mehrere Marken aufnehmen können, der Platz C jedoch nur maximal eine. Es handelt sich dabei jetzt 66 6. Entwicklung des Modells nicht um ein B/E-System7 , da bestimmte Plätze mehrere Marken aufnehmen können. Jede dieser Marken symbolisiere ein KFZ. Solange Platz A markiert ist (K1 zeigt GRÜN), können Marken nacheinander von B über C nach F ”wandern” (das entspricht dem Befahren der Kreuzung bei GRÜN von Westen nach Osten). Nach 20 Zeiteinheiten springt die Lichtzeichenanlage um, K1 zeigt ROT und K2 GRÜN (die Marke von Platz A ”wandert” nach E), und die im Norden wartenden Fahrzeuge befahren die Kreuzung (von D über C nach F). 6.2.7 Gewichtete Kanten Soll ausgedrückt werden, daß über eine Kante mehrere Marken gleichzeitig “fließen“ können, so wird dies durch eine eingerahmte Ziffer an dieser Kante deutlich gemacht. Man bezeichnet dies als Kantengewichtung.8 Beträgt diese Gewichtung 1, so wird sie üblicherweise weggelassen. Beim Modellieren eines Petri-Netzes mit gewichteten Kanten müssen auf den Vorgängerplätzen mindestens soviele Marken vorhanden sein, wie die Zahl der Kantengewichtung angibt. Man kann eine solche Kantengewichtung beispielsweise für die Modellierung einer Abfüllanlage verwenden; symbolisiert z. B. ein Platz ein Behälter, der eine bestimmte Anzahl von Gütern ( = Marken) aufnehmen kann, so werden über eine gewichtete Kante eine bestimmte Anzahl Marken zu diesem Behälter ”gebracht”, bis dieser ”voll” ist. Daraufhin kann die dem Platz ”Behälter” nachfolgende Transition schalten. Ein Beispiel soll das Schalten mit gewichteten Kanten verdeutlichen. In diesem Beispiel mögen die Plätze mehrere Marken aufnehmen können. Abbildung 6.23 zeigt den Zustand vor dem Schalten, p1 2 2 p3 3 2 t p4 1 p2 p5 Abbildung 6.23: Gewichtete Kanten; Zustand vor dem Schalten 7 8 Siehe hierzu Kap. 39 auf Seite 45. Vgl. hierzu [11, S. 43ff] und [34, S. 30ff]. 67 6. Entwicklung des Modells und Abbildung 6.24 nach dem Schalten. p1 2 2 p3 3 2 t p4 1 p2 p5 Abbildung 6.24: Gewichtete Kanten; Zustand nach dem Schalten Ein Schalten der Transition t ist nur dann möglich, wenn • sich auf dem Platz p1 mindestens zwei Marken befinden und • der Platz p2 mindestens eine Marke enthält. Nach Schalten des Netzes in Abbildung 6.24 ist ein erneutes Schalten nicht mehr möglich, da sich nur noch eine Marke auf p1 befindet. Gemäß der Kantengewichtung der Kanten, die von t zu den Plätzen p3, p4 und p5 führen, werden entsprechend viele Marken auf diesen Plätzen abgelegt. 6.2.8 Weichen Ein weiteres Non-Standard-Element sind “Weichen”. In der Literatur findet man sie in dieser Form nicht; deshalb wurden sie speziell für die Modellierung von Verkehrssystemen neu entwickelt und an dessen Anforderungen angepaßt. Allerdings ist in der Literatur eine ähnliche Problematik bezüglich der sog. ”konkurrierenden Transitionen” bekannt, wie sie dem Konzept der ”Weiche” zugrunde liegt; sie wird dort mit dem Begriff des Regulationskreises9 umschrieben. Die Notwendigkeit einer “Weiche” ergibt sich, wenn man sich die Schaltbarkeit von Transitionen vergegenwärtigt: eine Transition schaltet genau dann, wenn a. alle ihre Pre-Plätze markiert und b. alle ihre Post-Plätze unmarkiert sind. Man stelle sich ein B/E-System vor, in dem im gesamten Netz nur eine einzige Marke vorhanden ist. Was geschieht dann wie in Abbildung 6.25, wenn zwei oder mehrere Transitionen denselben Platz als Post-Platz haben? Welche Transition soll dann schalten? 9 Vgl. [42, S. 201ff]. 68 6. Entwicklung des Modells t1 > z Z Z Z Z Z ~ Z p1 t2 t3 Abbildung 6.25: Konkurrierende Transitionen Es existieren zwei Möglichkeiten, diese Situation, die in der Literatur als Konflikt10 bezeichnet wird, zu lösen: 1. Exogener Eingriff von außen Hiernach hat der Benutzer von Fall zu Fall zu entscheiden, welche Transition (t1, t2 oder t3) jeweils schalten soll. Dies hat den Vorteil der Entscheidungsfreiheit des Anwenders, andererseits jedoch den Nachteil der Unmöglichkeit, alle weiteren Folgen dieser Entscheidung, vor allem bei größeren Netzen, zu berücksichtigen, sowie eine etwas umständliche Handhabung. 2. Verwendung endogener Entscheidungsregeln11 Endogene Entscheidungsregeln legen genau fest, wie ein Konflikt zu lösen ist, z. B.: “Transition t1 möge 2-mal schalten, anschließend Transition t3 3-mal, danach Transition t2 1-mal etc.”. In dieser Art wird es bei der Modellierung von Verkehrssystemen notwendig sein, Transitionen, die im Konflikt zueinander stehen, in bestimmten Verhältnissen miteinander schalten zu lassen. Als Beispiel sei die Verteilung von abbiegenden Strömen an einer Kreuzung vom Typ T genannt. Die an einer solchen Kreuzung ankommenden Fahrzeuge sollen nach einer bestimmten Regel nach ”links” und ”rechts” verteilt werden. Dies wird durch die folgende Weiche bewerkstelligt: 10 11 Vgl. [1, S. 17], [20, S.32f] bzw. Kapitel 43 auf Seite 59. Vgl. [37, S. 28]. 69 6. Entwicklung des Modells links 3 2 rechts Abbildung 6.26: Beispiel einer Weiche Die Bezeichnung “Weiche“ wird deshalb gewählt, weil analog zu einer Weiche im Zugverkehr festlegt wird, welche Marke wohin verschoben werden soll (in der Abbildung 6.26 von den ankommenden Marken zuerst 3 Marken nach ”links”, dann 2 Marken nach ”rechts”, dann wieder 3 Marken nach ”links”, usw.). Die Realisierung einer Weiche basierend auf Abbildung 6.26, wird durch die Implementation in Abbildung 6.27 gezeigt, die zum besseren Verständnis auf die nächste Seite gelegt wurde. 70 6. Entwicklung des Modells t1 p2 p4 p1 t4 p6 2 3 p7 links t3 p5 t2 p3 rechts Abbildung 6.27: Beispiel der Implementation einer Weiche In diesem Beispiel seien die Plätze p1 mit 5, p4 mit 3 und p6 mit 1 Marke besetzt. Die an den Kanten {t3:p4} und {t4:p5} notierten eingerahmten Zahlen geben an, wieviele Marken eine Transition nach dem Schalten in den jeweiligen Nachfolgeplatz ablegen soll.12 Die auf p1 befindlichen 5 Marken sollen jeweils ein Fahrzeug repräsentieren. Es ergibt sich folgender Schaltverlauf: 1. t1 kann schalten, da p4 mit 3 und p1 mit 5 Marken vorbesetzt ist. 2. Nach dreimaligem Schalten von t1 ist p4 unmarkiert; anschließend enthält p1 noch 2 und p2 3 Marken. 3. Darauf kann t4 schalten (p7 hat jetzt eine und p5 2 Marken). 4. t3 kann nicht schalten, da p5 markiert ist. t2 schaltet nunmehr zweimal, da sich in p5 und in p1 jeweils 2 Marken befinden. Jetzt befinden sich in p2 3, in p3 2 und in p7 eine Marke. 5. Nach dem Unmarkieren von p5 schaltet t3; dabei werden 3 Marken in p4 und 1 in p6 abgelegt und die Ausgangssituation bei p4 und p6 ist wieder erreicht. 6. Der Platz p2 ist mit 3 Marken und p3 2 Marken belegt. Wie dargestellt, erlaubt dieser Regulationskreis ein Verteilen der Marken genau in dem Verhältnis 3:2. Bei entsprechender Kantengewichtung der Kanten {t3:p4} und {t4:p3} ist somit jedes ganzzahlige Verhältnis modellierbar. 12 Vgl. Kap. 6.2.7. 71 7. Das Straßennetz als Petri-Netz Analog zu Kapitel 6.1 mit Hilfe der in Kapitel 6.2 beschriebenen Elemente können weitestgehend beliebige Straßennetze modelliert werden. Im weiteren soll nunmehr ein städtisches Straßennetz, das wie in Abbildung 7.1 angegeben, 6 Kreuzungen vom Typ X enthält, als Petri-Netz dargestellt werden. Datenbezeichnung im verwendeten Verkehrsnetz 0 3 1 1 3 2 4 0 1 3 1 2 3 0 0 0 2 5 2 2 3 3 0 1 3 1 2 6 1 2 = Knoten = Stauraum Abbildung 7.1: Umsetzung eines Beispiel-Straßennetzes in das Modellierungskonzept 72 7. Das Straßennetz als Petri-Netz 7.1 Allgemeine Restriktionen Für die Modellierung der Stauräume werden die nachfolgenden Restriktionen getroffen. Diese Restriktionen sollen dazu dienen, das sehr komplexe Verkehrsgeschehen mit seinen vielen unterschiedlichen Komponenten durch bestimmte Einschränkungen möglichst verständlich und vor allem überschaubar darzustellen. 1. Für die Fahrzeuge wird ein Raster von 7m pro Fahrzeug zugrundegelegt (Aufstellbedarf oder Aufstellänge). In [36] wird dieser Aufstellbedarf zwar mit 6 m pro Fahrzeug angegeben, aber aus im folgenden zu ersehenden Gründen wurde die Aufstellänge von 7 m gewählt. 2. Der minimale Kreuzungsabstand beträgt 35 m, gemessen von der Haltelinie bis zum Ende des jeweiligen Stauraumes, und muß ein Vielfaches von 7 sein. 3. Es existiert nur ein Fahrstreifen pro Richtung; an Kreuzungen können getrennte Fahrstreifen für abbiegende Verkehrsströme mit einer jeweiligen Mindestlänge von 35 m vorhanden sein. Diese erscheinen in der Graphik nicht. 4. Die Taktzeit beträgt 1 Sekunde pro Takt. 5. Die maximale Geschwindigkeit v eines Fahrzeugs beträgt 50 km/h; dies entspricht ca. 14 m/sek und kann zur Darstellung der Anfahr- und Bremsvorgänge nur ganzzahlig verändert werden (0 ≤ v ≤ 14). 6. Jedes Fahrzeug verzögert mit max. 7 m/sek2 . 7. Jedes Fahrzeug beschleunigt linear mit 2 m/sek2 . 8. Fußgänger werden nicht angegeben. Warum wurde eine solche Modellierungsart gewählt? Im folgenden sind die Gründe hierfür erläutert. • Das Raster (von 7m) wurde gewählt, um darzustellen, daß ein Fahrzeug sich an einer bestimmten Stelle innerhalb des Stauraumes befindet. • Das Raster von 7m wird auf die Stauräume übertragen. Die Länge eines solchen Stauraumes muß demzufolge ein Vielfaches von 7 sein, um das Fahren der Fahrzeuge modellieren zu können. • Im städtischen Straßenverkehr beträgt die Höchstgeschwindigkeit 50 km/h. Umgerechnet in Metern entspricht dies ca. 14 m/sek. (genauer 13.88889 m/sek.). • Der Aufstellbedarf wurde mit 7 m gewählt, um damit die Bewegung der Fahrzeuge in den Stauräumen darzustellen; ein mit 50 km/h fahrendes Fahrzeug legt pro Zeittakt 2∗Aufstellänge zurück. • Um das Bremsen und Beschleunigen sowie verschiedene Geschwindigkeiten der Fahrzeuge darstellen zu können, ist es zweckmäßig, ein solches Raster von 7 m zu verwenden, um die Fortbewegung eines KFZ bei unterschiedlichen Geschwindigkeiten modellieren zu können. 73 7. Das Straßennetz als Petri-Netz 7.2 Stauräume Die Kreuzungen (Knoten) sind durch Straßen, im nachfolgenden Stauräume genannt, verbunden. Pro Knoten können maximal 4 Stauräume vorhanden sein. Die Stauräume, werden im Uhrzeigersinn, beginnend bei “12 Uhr”, bei 0 anfangend für jede Kreuzung neu ganzzahlig fortlaufend gezählt. Sie zeigen immer zu den entsprechenden Knoten. In Abbildung 7.1 bedeutet also Stauraum 3 des Knotens 2 die von West nach Ost auf den Knoten 2 zuführende Straße. Ein Stauraum hat die Fahrtrichtung zu einem Knoten hin; führt eine Einbahnstraße bzw. eine Fahrtrichtung von einem Knoten weg, so entspricht dies keinem Stauraum für diesen Knoten, sondern nur für den Knoten, zu dem die Straße hinführt. Gesonderte Fahrstreifen für Rechts- und/oder Linksabbieger an einer Kreuzung werden in der graphischen Darstellung des Netzes nicht gesondert aufgeführt. Eine Darstellung dieser Stauräume würde die Abbildung eines Straßennetzes unnötig verkomplizieren. Sie sind sehr wohl jedoch Bestandteil der Datenspezifikation des Knotens. Sie werden dort als Sonderstauräume bzw. Sonderfahrspuren bezeichnet. Abbildung 7.2 zeigt die entsprechende Darstellung für die verschiedenen möglichen Kreuzungsformen. Einfache Kreuzung Kreuzungstyp T 3 1 Stauraum 0 und Stauraum 2 existieren nicht 1 Stauraum 0 existiert nicht 3 2 0 Kreuzungstyp X 3 1 2 Abbildung 7.2: Beispiel für Stauräume an Kreuzungen 74 7. Das Straßennetz als Petri-Netz 7.3 Bewegung der Fahrzeuge Grundsätzlich befindet sich ein Fahrzeug, gleichgültig, ob es fährt oder steht, immer in einem Stauraum. Daraus ergibt sich, daß die Modellierung des Fahrens gleich der Modellierung der Stauräume ist. Jeder Platz innerhalb eines Stauraumes kann maximal eine Marke aufnehmen. Als erstes wird dargestellt, wie die Bewegung, das Fahren“, eines Fahrzeugs in den ” Stauräumen modelliert ist. Hierbei gilt, daß die Geschwindigkeit eines Fahrzeuges konstant ist. Im weiteren Verlaufe wird gezeigt werden, wie sich auch unterschiedliche Geschwindigkeiten von Fahrzeugen darstellen lassen. Dabei wird auch der Begriff des Vorgänger- und Nachfolgeplatzes bzw. Fahrzeugs verwendet werden. Mit Vorgänger bzw. Nachfolger ist im Gegensatz zur allgemeinen Graphentheorie der Platz oder das Fahrzeug gemeint, der/das von der Fahrtrichtung eines Fahrzeuges aus gesehen davor/dahinter gelegen ist. 7.3.1 Fahren der Fahrzeuge Die geographischen Verhältnisse eines Stauraumes werden als Petri-Netz dargestellt. Hierzu werden die Stauräume in 7 m lange Streckenabschnitte unterteilt. Die Stauräume werden in ihrer Gesamtlänge als zeitbewertete Transition dargestellt, da ein Fahrzeug eine bestimmte Zeit benötigt, um einen Stauraum zu befahren. In diesen Stauräumen wird ein Fahrzeug durch eine Marke repräsentiert. Die Fahrzeuge haben eine konstante Geschwindigkeit. Das Fahren der Fahrzeuge wird durch die ”Verschiebung” der Marken in den Stauräumen bewirkt. In den jeweiligen Streckenabschnitten kann sich jeweils gleichzeitig maximal ein Fahrzeug befinden (Abbildung 7.3). p0 0.5 t0 p1 0.5 t1 p2 p3 0.5 p4 0.5 p5 0.5 7m 14 m Abbildung 7.3: Modellierung des Stauraumes - Fahren mit 14 m/sek. Abbildung 7.3 zeigt als Beispiel einen 35 m langen Stauraum; er ist also in 5 gleichgroße Abschnitte von jeweils 7 m unterteilt. Die Taktzeit sei 1 Sekunde. Die Kanten, die von einem Platz zu einer Transition führen, sind zeitbewertet mit der Dauer von einer Sekunde. Die Transitionen sind nicht zeitbewertet. Jeder Platz kann maximal eine Marke aufnehmen. Die Markierung eines Platzes bedeutet, daß das Fahrzeug sich in diesem Abschnitt des Stauraumes befindet. Ein Fahrzeug befinde sich am linken Ende des Stauraumes auf dem Platz p0, daher ist dieser Platz markiert. Dieses Fahrzeug habe 75 7. Das Straßennetz als Petri-Netz eine konstante Geschwindigkeit von 14 m/sek. Somit wird es im nächsten Takt auf den Platz p2 verschoben (Abbildung 7.4). p0 0.5 t0 p1 0.5 t1 p2 p3 0.5 p4 0.5 p5 0.5 7m 14 m Abbildung 7.4: Modellierung des Stauraumes - Fahren mit 14 m/sek; ein Takt ist verstrichen In Abbildung 7.4 betrug die Geschwindigkeit des Fahrzeugs 14 m/sek. Hat das Fahrzeug eine Geschwindigkeit von 7 m/sek (dies entspricht ca. 25 km/h), dann legt es pro Takt 1 Streckenabschnitt (7 m) zurück. Dementsprechend beträgt die Zeitbewertung der Kanten nicht 0.5 Sekunden, sondern eine Sekunde. Abbildung 7.5 zeigt das Fahrzeug ganz links auf dem Platz p0, p0 1 t0 p1 1 t1 p2 p3 1 p4 1 p5 1 7m 14 m Abbildung 7.5: Modellierung des Stauraumes - Fahren mit 7 m/sek. Abbildung 7.6 zeigt es nach Ablauf eines Taktes. p0 1 t0 p1 1 t1 p2 p3 1 p4 1 p5 1 7m 14 m Abbildung 7.6: Modellierung des Stauraumes - Fahren mit 7 m/sek; ein Takt ist verstrichen Eine andere Situation zeigt Abbildung 7.7. Hier ist der Platz p1 durch ein Fahrzeug 76 7. Das Straßennetz als Petri-Netz belegt. Dieses Fahrzeug habe die Geschwindigkeit von 0 m/sek. Somit kann das Fahrzeug in p0 nicht nach p1 ”weiterfahren” (die Transition t0 kann nicht schalten), und das Fahrzeug in p0 bleibt auf seinem Platz stehen. p0 1 t0 p1 1 t1 p2 p3 1 p4 1 p5 1 7m 14 m Abbildung 7.7: Modellierung des Stauraumes - Fahren mit 7 m/sek.; der Vorgängerplatz p1 ist markiert Wie in der Modellierung ein ”realitätsnäheres” Fahren der Fahrzeuge (mit unterschiedlichen Geschwindigkeiten und Abständen untereinander) dargestellt werden kann, zeigen die folgenden Abschnitte. 7.3.2 Prädikats-/Transitionsnnetze Bei den bisherigen Darstellungen des “Fahrens der Fahrzeuge“ wurde immer davon ausgegangen, daß alle Fahrzeuge mit einer konstanten Geschwindigkeit fahren (alle Kanten, die von einem Platz zu einer Transition führen, sind mit der gleichen Zeitbewertung versehen). Die Fahrzeuge fahren jedoch nicht alle mit konstanter Geschwindigkeit; sie variiert (etwa bei Brems- und Beschleunigungsvorgängen). Dies ist mit den bisherigen Mitteln nicht darstellbar. In den verwendeten Petri-Netzen konnte zwar eine Aussage darüber getroffen werden, ob ein Streckenabschnitt mit einem Fahrzeug besetzt war (Abbildungen 7.3 bis 7.6); es konnte jedoch nichts über den Zustand dieses Fahrzeuges, z.B. dessen momentane Geschwindigkeit, ausgesagt werden. Für eine weitere Struktur ist daher die Erweiterung des bisher verwendeten Netzbegriffes erforderlich. Mit Hilfe weiterer Petri-Netz-Elemente kann man die individuellen Eigenschaften, die ein Fahrzeug hat, erfassen. Hierzu wird der Begriff der individuellen Marke eingeführt.1 Bisher diente eine Marke als alleinige Kennzeichnung dafür, daß in einem Platz eine Bedingung erfüllt war (ein Fahrzeug befindet sich in einem bestimmten Streckenabschnitt des Stauraumes); desweiteren waren diese Marken nicht unterscheidbar. Nunmehr gehören zu den Marken individuelle Eigenschaften, wie z. B. eine bestimmte Geschwindigkeit, die Beschleunigung und die Richtung. Hier nennt man die Marken Prädikate. Ein Prädikat entspricht einer Marke, die eine Reihe von Variablen besitzt, die bestimmte Werte annehmen können, beispielsweise ”KFZ 1 hat die Geschwindigkeit von 7 m/sek.”. Dargestellt werden die Eigenschaften einer Marke durch die entsprechende Angabe eines Zahlentupels in spitzen Klammern. 1 Vgl. [34, S. 57ff] und [33, S. 117ff]. 77 7. Das Straßennetz als Petri-Netz Bedingt durch unterschiedliche Geschwindigkeiten, die die Fahrzeuge haben können, legen sie auf der Straße auch pro Zeiteinheit unterschiedlich große Entfernungen zurück. Um dies in ein Petri-Netz abzubilden, wird der Begriff der Pfeilanschrift eingeführt. Mit Pfeilanschrift2 ist gemeint, daß an einer Kante eine Bedingung oder ein Ausdruck steht, nach dessen Prüfung die individuelle Marke über diese Kante dann zur entsprechenden Transition “transportiert“ wird, wenn die Eigenschaft (oder eine der Eigenschaften, falls die Marke mehrere besitzt) der Marke mit der Pfeilanschrift übereinstimmt. Ein derartiges Petri-Netz, bei dem es individuelle Marken sowie Kanten mit Pfeilanschriften gibt, bezeichnet man als Prädikat/Transitions-Netz oder kurz Pr/T-Netz. Im weiteren soll auf Pr/T-Netze nicht eingegangen werden, da andere Eigenschaften von Pr/T-Netzen nicht benötigt werden.3 In Pr/T-Netzen können die Plätze mehrere Prädikate aufnehmen; Transitionen können die Eigenschaften der Prädikate auch verändern.4 Für die Modellierung des Straßennetzes wird im weiteren folgende Einschränkung festgelegt: • Jede Marke kann maximal ein Prädikat aufnehmen. Diese Restriktion wurde schon in Kap. 7.3.1 genannt; da die Prädikate einzelne Fahrzeuge darstellen, dürfte es klar sein, daß sich in einem Streckenabschnitt eines Stauraumes gleichzeitig jeweils nicht mehr als ein Fahrzeug aufhalten kann. 7.3.3 Unterschiedliche Geschwindigkeiten der Fahrzeuge Zur Verdeutlichung des im vorigen Abschnitt Gesagten diene folgendes Beispiel: 7m t1 p0 <7> 7m t2 p1 v=7 1 p2 v=7 1 1 v = 14 t3 Abbildung 7.8: Modellierung des Fahrens der KFZ; Marken mit individuellen Eigenschaften, hier: Geschwindigkeit von 7 m/sek. Dies entspricht dem Ausschnitt einer Straße; die Kanten {p0:t1},{p1:t2}und {p0:t3} sind zeitbewertet mit dem Wert von 1 Zeiteinheit. Die Taktzeit beträgt eine Sekunde. 2 Dies ist keine Kantengewichtung, wie sie in Kapitel 6.2.7 beschrieben wurde. Weitere Literatur über Tr/P-Netze ist u.a. in [42], [34] und [33] zu finden. 4 Vgl. hierzu z. B. [33, S.118ff]. 3 78 7. Das Straßennetz als Petri-Netz Der Platz p0 ist mit einer Marke besetzt, ansonsten gibt es keine weiteren Marken. Die Marke in p0 hat als Eigenschaft die konstante Geschwindigkeit v = 7 (Markierung durch <7>). Die Kanten {p0:t1} bzw. {p0:t3} prüfen die Eigenschaften der Marke und ”transportieren” sie zur nächsten Transition, wenn die Bedingung erfüllt ist, die an der Kante angegeben wurde. Daher ”wandert” die Marke über die Kante {p0:t1} und die Transition t1 nach p1. Hätte in Abbildung 7.8 die Marke als Eigenschaft eine konstante Geschwindigkeit von 14 km/h, so würde sie über die Kante {p0:t3} und die Transition t3 nach p2 fließen. Bisher wurde die Bewegung der KFZ mit 7 m/sek. und mit 14 m/sek. dargestellt. Hat jedoch das Fahrzeug eine davon abweichende Geschwindigkeit von z. B. 3 m/sek., dann trifft die in Abbildung 7.8 an der Kante {p0:t1} und der Kante {p0:t3} gestellte Bedingung von v = 7 bzw. v = 14 nicht zu. Damit bliebe trotz fortschreitender Zeit und konstanter Geschwindigkeit von 3 m/sek. das KFZ auf Platz p0 stehen. Hier wird die Problematik deutlich, daß die Kontinuität der Zeit in einem solchen diskreten System wie der Modellierung des Verkehrsstromes auf einer Straße nicht genau so dargestellt werden kann, wie sie sich in der Realität verhält (siehe dazu auch Kap. 6.2.5, Seite 62). Um dieser Problematik zu begegnen, wird die Pfeilanschrift um eine zusätzliche Bedingung erweitert und dem Prädikat eine weitere Eigenschaft hinzugefügt. Die zusätzliche Eigenschaft des Prädikates ist die Variable s merk (im folgenden auch kurz s m genannt). Diese beinhaltet die zurückgelegte Wegstrecke, falls eine Verschiebung um einen oder zwei Plätze aufgrund der momentanen Geschwindigkeit nicht möglich ist. Hier kommt die Schwierigkeit der Modellierung von zeitbewerteten Petri-Netzen zum Ausdruck;5 da es sich bei solchen Netzen um diskrete Systeme handelt, sind die Zustände in einem solchen Netz nur nach Verstreichen eines Zeittaktes in einer Art ”Momentaufnahme” darstellbar, jedoch nicht kontinuierlich. Eine Möglichkeit bestünde darin, die Zeitschritte so klein zu wählen, daß eine Art ”Pseudokoninuität” sichtbar wird; dies ist jedoch mit einem sehr hohen Aufwand verbunden. Für die vorliegende Modellierung ist ein Zeittakt von einer Sekunde ausreichend. Die Variable s merk wird um einen bestimmten Wert verändert, wenn der Zeittakt abgeschlossen ist und ihr Wert im Prädikat gespeichert. Die Berechnung von s merk ist bei konstanter Geschwindigkeit und einer Taktzeit von einer Sekunde wie folgt, wobei • v der aktuelle Wert für die Geschwindigkeit des betreffenden Fahrzeugs, • AUFSTELLAENGE der Platzbedarf für das Fahrzeug im Stauraum (7 m) gem. Bedingung 1 (Kap. 7.1) und • s merk mit dem im Prädikat gespeicherten Wert initialisiert bedeutet: 5 Vgl. hierzu Kap. 6.2.5. 79 7. Das Straßennetz als Petri-Netz 1.Schritt: 2.Schritt: s_merk = s_merk + v if ( s_merk >= (2 * AUFSTELLAENGE) ) then s_merk = s_merk - (2 * AUFSTELLAENGE) Verschiebung um 2 Plaetze else if ( s_merk >= AUFSTELLAENGE ) then s_merk = s_merk - AUFSTELLAENGE Verschiebung um 1 Platz else Verschiebung um keinen Platz endif endif Ein Beispiel möge dies verdeutlichen (Abbildung 7.9). t [sec] Platz p0 Platz p1 4 Eigentlicher Fahrtverlauf des KFZ bei kontinuierlicher Betrachtung s_merk = } 2+3=5 3 s_merk = 6+3-7=2 } 2 s_merk = 3+3=6 1 s_merk von 2+3=5 m s_merk von 2 m Diskretisierung des Fahrtverlaufes s_merk = 3 3 s 6 9 12 15 18 [m] Abbildung 7.9: Berechnung von s merk bei konstanter Geschwindigkeit von v = 3 m/sek. In diesem Beispiel (Abbildung 7.9) ist horizontal der zurückgelegte Weg (m) und vertikal die verstrichene Zeit (t) abgetragen. Angenommen, ein KFZ fahre mit einer konstanten Geschwindigkeit von 3 m/sek. Dann hat es nach Ablauf der ersten Sekunde 3 m zurückgelegt (der von dem Fahrzeug zurückgelegte Weg sei durch die grau unterlegten Kästchen verdeutlicht); nach einer weiteren Sekunde 3 + 3 = 6 m, usw. Die Variable s merk wird jeweils um die zurückgelegte Strecke bei der gefahrenen Geschwindigkeit v, hier 3, erhöht und deren Wert als Eigenschaft in dem Prädikat gespeichert. Nach Ablauf der dritten Sekunde befindet sich das KFZ aber nicht mehr in p0, sondern in p1. Es hat mehr als 7 m zurückgelegt (genauer: 9 m) und wird daher auf Platz p1 verschoben. Die Variable s merk wird nach der Addition der zurückgelegten Strecke mit v = 3 um den Wert von AUFSTELLAENGE vermindert, hat also im Beispiel den Wert 2. Nach der vierten Sekunde steht das KFZ noch auf p1, und s merk hat inzwischen den Wert von 5. 80 7. Das Straßennetz als Petri-Netz Als weiteres Beispiel sei die Berechnung von s merk bei der Beschleunigung eines Fahrzeuges angeführt. Bei t = 0 hat das Fahrzeug in diesem Beispiel die Geschwindigkeit v = 0; die Variable s merk ist in diesem Fall auch = 0 (Abbildung 7.10): t 7m [sec] 7m 7m Eigentlicher Fahrtverlauf 7m 5 bei kontinuierlicher Betrachtung s_merk=2 4 s_merk=6 3 s_merk=5 2 Diskretisierung des Fahrtverlaufes s_merk=6 1 s_merk=2 s 2 4 6 8 10 12 14 16 18 20 22 24 26 28 30 [m] Abbildung 7.10: Berechnung von s merk bei variabler Geschwindigkeit [Beschleunigung] Hierzu die Wertetabelle für die Werte von t, v, s, s merk und die Anzahl der zu verschiebenden Plätze: t 0 1 2 3 4 5 6 7 v 0 2 4 6 8 10 12 14 s 0 2 6 12 20 30 42 56 s merk 0 2 6 5 6 2 0 0 Anzahl zu verschiebender Plätze 0 0 0 1 1 2 2 2 Tabelle 7.1: Tabelle der Berechnung von s merk 81 7. Das Straßennetz als Petri-Netz Das entsprechende Modell des Fahrens eines Fahrzeugs sieht damit folgendermaßen aus: t4 t0 0 p4 Konstruktion analog zu Platz p0 Ber.von s_merk 0) p0 <v> 1) <s_m> 0) 1 1 t1 p1 1 1) Ber.von s_merk 1 1 2) 2) 7m Kanten vom Vor-Knoten 1 t2 p2 Ber.von s_merk 7m Kanten zum Folgeknoten Ber.von s_merk t3 0) v+s_merk < AUFSTELLAENGE 1) v + s_merk >= AUFSTELLAENGE &&v + s_merk < 2 * AUFSTELLAENGE 2) v+s_merk >= 2 * AUFSTELLAENGE Abbildung 7.11: Modellieren des Fahrens der KFZ; Verschiebung in Abhängigkeit von s merk In diesem Beispiel (Abbildung 7.11) ist wiederum der Ausschnitt aus einem Stauraum dargestellt. Der Platz p0 ist mit einem KFZ belegt, welches neben der Eigenschaft v auch die Eigenschaft s merk hat. Die Berechnung von s merk geschieht in den Transitionen t0, t1 bzw. t3 nach obiger Vorschrift (Seite 79). Hat nun dieses KFZ beispielsweise im Platz p0 eine Geschwindigkeit v < 7 und s merk hat den Wert 0 (von der Vorgängertransition berechnet), dann sind die Bedingungen 1) und 2) beide nicht erfüllt, jedoch die Bedingung 0); d. h. für diesen Zeittakt erfolgt keine Verschiebung auf den nächsten Platz (Transition t1 bzw. t3 schalten nicht, wohl aber t0). s merk wird gem. der obigen Vorschrift neu berechnet und im Prädikat gespeichert. Beträgt die Geschwindigkeit des Fahrzeugs 9 m/sek und hat s merk den Wert 5, dann ist die Bedingung 2) erfüllt, und es erfolgt eine Veschiebung um 2 Plätze (Transition t3 schaltet). Man beachte, daß die Transition t4 mit einer Zeitverzögerung von 0 Sekunden schaltet. Ihre Bedeutung liegt darin, daß sie, um der formalen Schaltbarkeit6 zu genügen, vorhanden sein muß, wenn die entsprechende Bedingung erfüllt ist, die das Fahrzeug nicht weiter bewegt; das KFZ gelangt zwar im Netz formal auf einen Platz (p4), dies entspricht jedoch in der Wirklichkeit keiner Bewegung. 6 Vgl. hierzu ”Schleife im Petri-Netz”, Kap. 5.2 auf Seite 46. 82 7. Das Straßennetz als Petri-Netz 7.3.4 Abstände der Fahrzeuge Mit den bisher beschriebenen Schaltregeln der Petri-Netz-Theorie ist eine Bewegung von Fahrzeugen in Stauräumen darstellbar. Im realen Straßenverkehr fahren die Fahrzeuge mit wechselnden Geschwindigkeiten und halten einen bestimmten Sicherheitsabstand zu ihren jeweiligen vorausfahrenden Fahrzeugen ein. Dies wird nunmehr in der Modellierung des Fahrens berücksichtigt. Der Sicherheitsabstand in dieser Modellierung gibt an, daß die Fahrzeuge während des Fahrens eine bestimmte Anzahl von Streckenabschnitten (Plätzen) zwischen sich freilassen. Dies ist notwendig, da die Fahrzeuge eine bestimmte Zeit und Strecke zum Anhalten benötigen. Es ist beispielsweise physikalisch nicht möglich, daß ein Fahrzeug, welches eine momentane Geschwindigkeit von 14 m/sek hat, sofort und unmittelbar zum Stehen kommt. Bei optimalen Bedingungen7 hat allein der Bremsweg eine Länge von 12.165 m. Dies ist jedoch der reine Bremsweg. Daher verlängert sich der Weg, den das KFZ benötigt, um noch rechtzeitig zum Stehen zu kommmen, noch zusätzlich um einen Reaktionsweg. Im Modell wird festgelegt, daß ein mit 50 km/h fahrendes KFZ mindestens 21 m (dies entspricht 3 Plätzen) zum Anhalten benötigt. Diese Gegebenheiten im Modell zu berücksichtigen, bedeutet, daß die Fahrzeuge entsprechend weit “nach vorn vorausschauen” müssen, ob sich dort ein KFZ in einem Streckenabschnitt, also eine Marke auf einem Platz, befindet. Aus diesen Überlegungen resultiert auch das Fahrverhalten der KFZ. Um noch rechtzeitig zum Stehen zu kommen, halten die Fahrzeuge in Abhängigkeit von ihrer Geschwindigkeit einen entsprechenden Abstand zum vorausfahrenden Fahrzeug. Versuche, die in [25] angegebene Formel für die Berechnung des Sicherheitsabstandes8 zu verwenden, scheiterten, weil sich bei der Simulation herausstellte, daß es aufgrund der Diskretisierung der Platzverschiebung dann zu häufigen Unfällen kommen kann. Aus diesem Grunde wurde ein anderer Berechnungsalgorithmus zur Ermittlung des Sicherheitsabstandes entwickelt, der einen größeren Abstand zwischen den fahrenden Fahrzeugen bewirkt. Dieser Sicherheitsabstand, nachfolgend vorschaufelder genannt, wird nach folgendem Algorithmus berechnet, wobei • v die augenblickliche Geschwindigkeit, • AUFSTELLAENGE den Wert von 7m und • BRMAX die maximale Bremsverzögerung (7m/sek2 ) bedeuten (die Berechnung der Größe s merk wurde auf Seite 79 erläutert): 1. Schritt: 2. Schritt: 7 8 Ermittlung Hilfsvariable hilfv: hilfv = v + s_merk bremsweg = 0 Vgl. hierzu [27, S. 6]. Der Sicherheitsabstand s (in Metern) berechnet sich hiernach als s = 83 v 2 10 . 7. Das Straßennetz als Petri-Netz 3. Schritt: dowhile ( hilfv > 0 ) bremsweg = bremsweg + hilfv hilfv = hilfv - BRMAX enddo if ( v + s_merk > 0 ) then vorschaufelder = (bremsweg / AUFSTELLAENGE) + 2 else vorschaufelder = 1 endif Ein Beispiel möge den Zusammenhang veranschaulichen: v 0 2 4 6 8 10 12 14 s merk hilfv bremsweg vorschaufelder 0 0 0.0 1 2 -5 2.0 3 6 -1 6.0 3 5 -2 17.0 5 6 -1 19.0 5 2 -5 27.0 6 0 0 21.0 5 0 0 21.0 5 Tabelle 7.2: Zusammenhang zwischen der Geschwindigkeit und den Vorschaufeldern Das in Tabelle 7.2 dargestellte Beispiel zeigt die Anzahl der Plätze, die ein von 0 bis 14 m/sek beschleunigendes Fahrzeug “vorausschaut“.9 Daß der maximale Wert von Bremsweg und Vorschaufeldern bei einer Geschwindigkeit von 10 m/sek vorkommt, ist eine Folge der Diskretisierung und der damit entstehenden Ungenauigkeit. Mittels eines Petri-Netzes läßt sich dies folgendermaßen darstellen: 9 Zur Beschleunigung der Fahrzeuge siehe Seite 86. 84 7. Das Straßennetz als Petri-Netz p0 p1 p2 , , , . ..... , , c c c ..c.. v m - t1 - m - t2 - m 0.5 c c .c .c 0.5 , 0.5 .. .. . . , L LL ..... . L - p3 p4 p5 p6 @ @ t3 S - m0.5 t4 \ \ - m0.5 t5 @ - m0.5 t6 @ @ - m 14 m Abbildung 7.12: Sicherheitsabstand bei einer Geschwindigkeit von 14 m/sek Abgebildet sei ein Stauraum, Fahrtrichtung von links nach rechts. Als Zeittakt sei eine Sekunde pro Takt angegeben. Der Platz p0 ist markiert (ein Fahrzeug befindet sich auf der Straße an diesem Ort); weiterhin hat dieses Fahrzeug eine konstante Geschwindigkeit von 14 m/sek., und sämtliche Plätze vor dem Fahrzeug sind unmarkiert, das KFZ mithin allein auf dieser Straße. Die Zeitbewertung der Kanten betrage 0.5 sek (wo sie entspr. beschriftet sind), ansonsten sind die Kanten ohne Zeitbewertung. Das Fahren des Fahrzeuges, was der Wanderung der Marke entspricht, kann nur stattfinden, wenn sämtliche hier auf dieser Straße vorhandenen Plätze frei sind. Da dies im obigen Beispiel der Fall ist, wird die Marke vom Ausgangsplatz auf Platz p2 verschoben. Die Kanten zu den Transitionen t1 und t2 sind mit Ausnahme der Kanten {p0:t1} und {p1:t2} Inhibitorkanten, d.h., sie geben einer Transition dann Konzession, wenn ihre Plätze nicht markiert sind.10 Nach Verstreichen eines Zeittaktes ergibt sich somit folgendes Bild: p0 p1 p2 , , , . ..... , , c c c ..c.. m - t1 - m - t2 - v m0.5 c c .c .c 0.5 , 0.5 .. .. . . , L LL ..... . L - p3 p4 S - m0.5 \ \ - m0.5 p5 p6 @ @ t3 t4 t5 @ - m0.5 t6 @ @ - m 14 m Abbildung 7.13: Sicherheitsabstand bei einer Geschwindigkeit von 14 m/sek nach Ablauf eines Taktes Der besseren Übersichtlichkeit wegen wurde in den Abbildungen 7.12 und 7.13 nur die Netzstruktur für einen Zeitschritt angegeben, da sonst aufgrund der vielen Kanten ein Zusammenhang nicht mehr erkennbar ist. 10 Vgl. hierzu Kapitel 6.2.2. 85 7. Das Straßennetz als Petri-Netz 7.3.5 Beschleunigung und Bremsen der Fahrzeuge In den zugrundegelegten Restriktionen ist festgelegt, daß die Fahrzeuge linear mit 2 m/sek2 beschleunigen und mit maximal 7 m/sek2 verzögern. Für die Modellierung des Fahrens der Fahrzeuge bedeutet dieses, daß die Marken neben der Geschwindigkeit v eine weitere Eigenschaft erhalten (in diesem Falle den Wert der Beschleunigung b), die von den Transitionen in dem modellierten Stauraum während des Fahrens verändert werden kann. Grundsätzlich gilt für die Beschleunigung b: −7 ≤ b ≤ +2. Diese Grenzen für die Beschleunigung wie auch für das Bremsen sind realitätsnah und wurden deshalb so gewählt.11 Lichtsignalanlagen werden in der folgenden Betrachtung zunächst ausgespart. Der Beschleunigungsvorgang (b > 0) wird solange fortgesetzt, wie • die maximale Geschwindigkeit von 14 m/sek noch nicht erreicht ist und • sich innerhalb des (geschwindigkeitsabhängigen) Sicherheitsabstandes (siehe Abschnitt 60 Seite 83) kein anderes Fahrzeug befindet. Andererseits wird ein Bremsvorgang (b < 0) dann eingeleitet, wenn • sich im Sicherheitsabstand ein anderes Fahrzeug befindet. Die Beschleunigung 0 (b = 0) haben Fahrzeuge dann, wenn • die Maximalgeschwindigleit von 14 m/sek erreicht ist oder • sich unmittelbar vor einem Fahrzeug (1 Platz vorher) ein anderes Fahrzeug befindet, welches steht (v von dem stehenden Fahrzeug ist dann 0) oder • der Sicherheitsabstand zum vorausfahrenden Fahrzeug (dessen v > 0 ist) ein Beschleunigen nicht zuläßt, aber zum Bremsen kein Anlaß besteht. Dazu folgendes Beispiel (Abbildungen 7.14 und 7.15): p0 t1 p1 a t2 p2 b t3 p3 t4 p4 c Abbildung 7.14: Modellieren des Fahrens der KFZ; modellierter Ausschnitt eines Stauraumes 11 Vgl. [27, S. 5ff]. 86 7. Das Straßennetz als Petri-Netz t31 b=vmax-v v=vmax-1 t11 t32 v =vmax b = 0 p20 t33 v < vmax b = 2 a bc t21 t12 <= vv p11 t34 subnet_1 v p21 t22 vv t35 b v <= 0 subnet_1 >v p22 abc bv > 0 t23 t36 b = 0 t37 subnet_1 t13 vv <= v p23 t38 p12 t01 >v v t24 abc Vorschau felder=3 b v <= 0 p24 bv > 0 subnet_1 t39 t47 b = 0 gesteuert = 1 p31 p01 t40 t25 vv = 0 subnet_1 vv != 0 subnet_2 bv < 0 b = 0 t41 p25 <v t42 vv p00 v t26 t14 bv = 0 p13 p26 t43 subnet_1 t44 bv > 0 b = 0 b v <= 0 subnet_1 vv > v ab c vv =v t45 t27 t46 p27 bv > 0 b = 0 Abbildung 7.15: Modellieren des Fahrens der KFZ; Realisation des Vorganges ”PrüfeBremsen/Beschleunigen” 87 p10 7. Das Straßennetz als Petri-Netz Dargestellt sei der Ausschnitt aus einem Stauraum (Abbildung 7.14) sowie eine Realisation des Vorganges ”Prüfe-Bremsen/Beschleunigen” (Abbildung 7.15). Abbildung 7.15 ist eine Verfeinerung der in 7.14 gestrichelt umrahmten Transition t1. Alle Transitionen schalten verzugslos. Sämtliche Kanten sind nicht zeitbewertet. Die Transitionen t11, t12, t13 und t14 bestimmen in Abhängikeit des Markierungszustandes der Plätze p1, p2 und p3 (in Abbildung 7.14), wohin die Marke von p01 ”wandert”. Diese Transitionen sind mittels Test- und Inhibitorkanten mit den Plätzen p1, p2 und p3 verbunden. Die Indices v bei den Pfeilanschriften bezeichnen Eigenschaften des Vorgängerfahrzeuges (Beschleunigung und Geschwindigkeit). Ganz links im Stauraum befinde sich ein Fahrzeug auf Platz p0 mit den drei Eigenschaften: • vorschaufelder = 3 • Geschwindigkeit v = 4 • Beschleunigung b = 0. In dem Bereich von 3 Vorschaufeldern ( = 3 Plätze voraus) befindet sich kein anderes Fahrzeug. Somit nimmt in dem Petri-Netz die Marke von p0 nach p1 den folgenden Weg (die Veränderung einzelner Eigenschaften, z. B der Beschleunigung b, wird in Klammern [ ] angegeben): p00 → t01 → p01 → t11 → p20 → t33[b = 2] → p10 . Die Transitionen t12, t13 sowie t14 können wegen der Test- und Inhibitorkanten zu den Plätzen p1, p2 und p3 (Abbildung 7.14) nicht schalten, daher schaltet t11, und die Marke nimmt den angegebenen Weg. Nun stehe ein Fahrzeug auf p0 mit den gleichen Eigenschaften wie oben, jedoch befindet sich auf p2 ein weiteres Fahrzeug mit diesen Eigenschaften: • vorschaufelder = 3 • Geschwindigkeit v = 2 • Beschleunigung b = 2 Dann bewirken die Test- und Inhibitorkanten der Transitionen t12, t13 und t14 sowie entsprechende Pfeilanschriften folgenden Markenverlauf: p00 → t01 → p01 → t13 → p12 → t23 → p23 → t37[b = -4] → p31 → t47[gesteuert = 1] → p10. Die Transitionen t11, t12 sowie t14 können jeweils nicht schalten, da die Plätze p1 und p3 unmarkiert sind, jedoch Platz p2 markiert ist; die Kante {p12:t24} prüft die Eigenschaft v (hier ist sie gleich dem Wert von vv ) und ”transportiert” die Marke über die Transition t23 nach p23. Im Teilnetz subnet 1 wird geprüft, ob die Geschwindigkeit des 88 7. Das Straßennetz als Petri-Netz untersuchten Fahrzeugs größer/gleich bzw. kleiner als die maximale Bremsverzögerung ist; ist dies der Fall (wie in diesem Beispiel), so wird mit der negativen augenblicklichen Geschwindigkeit gebremst. Durch Schalten der Transition t36, t39, t42, t44 oder t46 wird die Beschleunigung b auf 0 gesetzt; im realen Verkehrsgeschehen würde man ein solches Verhalten des Fahrzeugs als Fuß vom Gas nehmen und rollen“ bezeichnen. In der Transition t41 wird ein Schalter ” aktiviert, der anzeigt, daß an den Eigenschaften der Marke (bzw. des Fahrzeugs) etwas geändert wurde (gesteuert = 1). Die Kanten prüfen die Eigenschaften der Marken und verschieben“ die Marken zu den ” ihnen nachfolgenden Transitionen entsprechend ihren Pfeilanschriften. Einige Transitionen (t12, t13, t21,. . . ,t25 und t40) bewirken nur das ”Durchschieben” der Marke, ohne ihre Eigenschaften zu verändern. Die in Abbildung 7.14 als subnet 1 und subnet 2 bezeichneten Petri-Netze sind platzberandete Teilnetze. Je nachdem, welchen Wert die Geschwindigkeit v hat (Prüfung durch die Pfeilanschriften), wird die Beschleunigung auf BRMAX oder auf -v gesetzt. Damit wird die Höhe der Bremsbeschleunigung (entweder maximal oder auf den Wert der augenblicklichen Geschwindigkeit) gesetzt. In der Realität könnte man so die Stärke, ” mit der der Fahrer auf das Bremspedal tritt“, darstellen. Diese Teilnetze sehen wie in Abbildungen 7.16 und 7.17 angegeben aus. BRMAX hat den Wert von 7 m/sek2 . AX b=BRMAX RM -B >= v v< -B RM AX b = -v Abbildung 7.16: Platzberandetes Teilnetz subnet 1 AX b=-(v-v ) v RM B =- v- v -v vv v < >- BR M AX subnet_1 Abbildung 7.17: Platzberandetes Teilnetz subnet 2 7.3.6 Verteilung der abbiegenden Fahrzeuge In der Modellierung führen Stauräume zu Kreuzungen. An einer Kreuzung gibt es für dort ankommende Fahrzeuge verschiedene Fahrwege, z. B. Abbiegen oder Geradeausfahren. Bisher wurde das Abbiegen von Fahrzeugen an Kreuzungen außer Acht gelassen. 89 7. Das Straßennetz als Petri-Netz Die Schwierigkeit besteht darin, nach welchen Kriterien entschieden werden soll, wann ein Fahrzeug in welche Richtung abbiegt. Eine genaue Voraussage zu treffen, wann welches Fahrzeug abbiegt und ob es dies überhaupt tut, ist nicht möglich. Nur während eines bestimmten Beobachtungszeitraumes an einer Kreuzung, beispielsweise während einer Verkehrszählung, kann eine Aussage darüber getroffen werden, daß eine bestimmte Anzahl Fahrzeuge im Laufe dieses Zeitraumes in eine bestimmte Richtung abgebogen ist. In Kapitel 6.2.8 wurde die ”Weiche” vorgestellt. Mittels dieses Instrumentes kann aufgrund einer vorgegebenen Quote der ankommende Fahrzeugstrom an einer Kreuzung verteilt werden. Die Werte der Quote werden dem Strombelastungsplan entnommen, der die Basisdaten als Grundlage für diese Modellierung liefert. Bei der dort angesetzten Lösung fließen zuerst alle Fahrzeuge in eine Richtung, bevor sie in die andere Richtung abbiegen. Angelehnt an das Beispiel in Abbildung 6.26 auf Seite 70 bedeutet dies, daß vom ankommenden Verkehrsstrom die ersten drei Fahrzeuge nach links abbiegen, die nächsten beiden nach rechts, die nachfolgenden wieder nach links usw. Im realen Verkehrsgeschehen ist diese Situation nicht zu beobachten. Deshalb wird bei der Modellierung dieses starre bei der Weiche angegebene Konzept nicht verwendet; vielmehr wurde die ”Verteilung der Quote” der abbiegenden Fahrzeuge so angepaßt, daß die herannahenden Fahrzeuge im Wechsel nach ”oben” bzw. nach ”unten” verteilt werden. Dies bedeutet, daß beispielsweise bei einer Quotenverteilung von 3:2 das erste Fahrzeug nach links, das nächste nach rechts, das dritte wieder nach links usw. fährt. Nach Erfüllung der Quote einer Richtung fahren alle nachfolgenden Fahrzeuge solange in die Richtung, deren Quote noch nicht erfüllt ist. Sind alle Quoten aller Richtungen erfüllt, wird der Anfangszustand mit den ursprünglichen Werten der Quotenverteilung wieder hergestellt, und die Verteilung beginnt aufs Neue. Als eine Alternative zum gewählten Verteilungsmodus wäre auch eine Verteilung mittels Zufallszahlen nach folgendem Algorithmus denkbar: erzeuge eine reelle Zufallszahl zuf gleichverteilt zwischen [0 und 1] if zuf > 0.5 then biege nach links ab vermindere die Quote links um 1 else biege nach rechts ab vermindere die Quote rechts um 1 endif Eine derartige Steuerung, nachfolgend Quotenverteilung genannt, hat als Petri-Netz dargestellt folgendes Aussehen (Abbildung 7.18): 90 7. Das Straßennetz als Petri-Netz p1 t1 a 1 t3 p2 Quote1 b p3 fr=links t5 p10 t8 t7 p0 t0 p00 p11 p_a fr=rechts t6 p5 a Quote2 1 p6 b t4 t2 p7 Abbildung 7.18: Quotenverteilung Anhand einer beispielhaften Verteilung abbiegender Fahrzeuge soll das Schalten dieser Quotenverteilung erläutert werden. Alle Kanten mit Ausnahme der Kanten Quote1 und Quote2 verschieben maximal nur eine Marke. Der Wert von Quote1 beträgt in diesem Beispiel 5 und der von Quote2 3. Die Transitionen t0, t5 und t6 sind jeweils eine Vergröberung des Netzes aus Abbildung 7.14. Die Plätze p1, p7 und p11 sind mit jeweils einer Marke belegt. Der Platz p0 symbolisiert den unmittelbar vor der Kreuzung befindlichen Platz, p a den ersten Platz im Anschlusstauraum. Das Fließen der Marken wird durch den Regulationskreis {p11, t8, p10 und t7} sowie die beiden ”Quotenkreise” {p1, t1, p2, p3, t3} und {p7, t2, p6, p5, t4} übernommen. Die einzelnen Schaltzustände werden jeweils abgebildet (Abbildungen 7.19 - 7.23). 91 7. Das Straßennetz als Petri-Netz p1 t1 a 1 p1 t3 t1 a p2 5 1 t3 p2 5 b b p3 p3 fr=links fr=links t5 <KFZ> p0 t0 p00 p11 p5 p_a p0 t0 p00 fr=rechts t6 t6 p5 1 p_a p6 b t4 t2 p7 <KFZ> a 3 t4 t2 t8 p11 fr=rechts p6 b p10 t7 <KFZ> a 3 1 t8 t7 <KFZ> t5 p10 p7 Abbildung 7.19: Quotenverteilung; links vor der Verteilung, rechts nach dem Festlegen der Fahrtrichtung des ersten Fahrzeugs nach ”unten” p1 t1 a 1 p1 t3 t1 a p2 5 1 t3 p2 5 b b p3 p3 fr=links fr=links t5 <KFZ> p0 t0 p00 p11 p5 p_a fr=rechts t6 t6 p5 a 3 1 p6 b t4 t2 p7 t8 p11 fr=rechts t4 t2 p0 t0 p00 p6 b p10 t7 <KFZ> a 3 1 t8 t7 <KFZ> t5 p10 p7 Abbildung 7.20: Quotenverteilung; links Ankunft des nächsten KFZ, rechts nach dem Festlegen der Fahrtrichtung nach ”oben” 92 <KFZ> p_a 7. Das Straßennetz als Petri-Netz p1 t1 a 1 p1 t3 t1 a p2 5 1 t3 p2 5 b b p3 p3 fr=links fr=links t5 p0 t0 p00 p11 p5 p_a t8 p11 fr=rechts fr=rechts t6 t6 p5 1 p_a p6 b t4 t2 p7 <KFZ> a 3 t4 t2 p0 t0 p00 p6 b p10 t7 <KFZ> a 3 1 t8 t7 <KFZ> t5 p10 p7 Abbildung 7.21: Quotenverteilung; links Ankunft des nächsten Fahrzeugs, rechts nach Erfüllung der Quote ”unten” p1 t1 a 1 p1 t3 t1 a p2 5 1 t3 p2 5 b b p3 p3 fr=links fr=links t5 p0 t0 p00 p11 p5 p_a fr=rechts t6 t6 p5 a 3 1 p6 b t4 t2 p7 t8 p11 fr=rechts t4 t2 p0 t0 p00 p6 b p10 t7 <KFZ> a 3 1 t8 t7 <KFZ> t5 p10 p7 Abbildung 7.22: Quotenverteilung; links Schalten bei erfüllter Quote ”unten”, rechts Erfüllung der Quote ”oben” 93 <KFZ> p_a 7. Das Straßennetz als Petri-Netz p1 t1 a 1 p1 t3 t1 a p2 5 1 t3 p2 5 b b p3 p3 fr=links fr=links t5 p0 t0 p00 p11 p5 p_a fr=rechts t6 t6 p5 p6 b t4 t2 a 3 1 t4 t2 p7 t8 p11 fr=rechts p6 b p0 t0 p00 p10 t7 <KFZ> a 3 1 t8 t7 <KFZ> t5 p10 p7 Abbildung 7.23: Quotenverteilung; links Schalten bei beiden erfüllten Quoten, rechts Ausgangssituation Zur Quotenverteilung in Abbildung 7.18 sei folgendes angemerkt: • Die Quoten werden verteilt, während das Fahrzeug den Anschlußstauraum auf dem letzten Platz erreicht. • Alle Plätze außer p3 und p5 können jeweils nur eine Marke aufnehmen. • Die Verminderung einer Quote wird durch die abnehmende Anzahl von Marken in p3 bzw. p5 ausgedrückt. • Die Kanten {t1:p3} und {t2:p5} sind gewichtete Kanten. • Die Kanten prüfen die Eigenschaften der Marken nicht. • Die Transitionen ”schieben” die Marken nur auf ihren nächsten Platz, mit Ausnahme von t5 und t6, die die Eigenschaften der Marke, hier die neue Fahrtrichtung, festlegen und im Prädikat speichern. • Die Testkanten {p10:t5} bzw. {p11:t6} geben der Transition t5 resp. t6 dann Konzession, wenn sich auf p10 bzw. p11 eine Marke befindet. 7.4 Fahren der Fahrzeuge an Kreuzungen Die bisher gezeigte Modellierung beschrieb das Fahren der Fahrzeuge auf einer Straße, bei der es keine Kreuzungen gab. Zwar wurde im Kapitel 7.3.6 beschrieben, wohin Fahrzeuge 94 p_a 7. Das Straßennetz als Petri-Netz an einer Kreuzung fahren, aber nicht, wie sie sich dort verhalten. Das Fahrverhalten der Fahrzeuge an Kreuzungen soll nunmehr in das Modell einbezogen werden. 7.4.1 Fahrverhalten an einer einfachen Kreuzung K K F Fahrtrichtung der KFZ F F Fahrtrichtung der KFZ F K K Fußgängerübergang Lichtsignalanlage, F für Fußgänger, K für Fahrzeuge Abbildung 7.24: Eine signalisierte einfache Kreuzung Abbildung 7.24 zeigt den Straßenverlauf einer einfachen Kreuzung. a p_r <KFZ> t1 t3 t2 p_l t5 Modellierung des Stauraumes t6 t4 p3 Externe Anforderung p1 Steuerungskreis für die Lichtsignalanlagen a tx2 tx1 x1 p2 Abbildung 7.25: Modellierung des Fahrens – einfache Kreuzung Abbildung 7.25 zeigt die Modellierung einer einfachen Kreuzung mit Regelung durch eine Lichtsignalanlage. 95 7. Das Straßennetz als Petri-Netz In Abbildung 7.25 stellen die Transitionen t1,. . . ,t6 und die entsprechenden Plätze einen Stauraum dar, in dem die Fahrvorgänge12 stattfinden. Hinter diesen Transitionen verbergen sich Pr/T-Netze, wie sie in Kapitel 7.3 beschrieben worden sind. Es bedeuten weiterhin in diesem Modell: Platz/Transition p1 p2 p3 tx1 tx2 Bedeutung Fußgängerampel F zeigt ROT, die Ampel K für die KFZ GRÜN Fußgängerampel F zeigt GRÜN, die Ampel K für die KFZ ROT ein Fußgänger fordert Grünzeit an Die Ampel K für die KFZ wechselt von ROT auf GRÜN, die Fußgängeranlage F von GRÜN auf ROT Die Ampel K für die KFZ wechselt von GRÜN auf ROT, die Fußgängeranlage F von ROT auf GRÜN Tabelle 7.3: Bedeutung der Plätze und Transitionen bei einer einfachen Kreuzung Diese einfache Kreuzung ist als sog. Fußgängerampel ausgeführt, die erst auf Anforderung eines Fußgängers den Verkehr der Fahrzeuge auf der Straße sperrt und den Fußgängern x1 -Zeiteinheiten Freigabezeit gibt; ansonsten zeigen die Lichtsignalanlagen Dauergrün für die Fahrzeuge. Daher ist die Kante {p2:tx1} zeitbewertet mit dem Wert von x1 . Dieser Wert gibt die Dauer der Freigabezeit für die Fußgänger an. Zwischenzeiten sind in diesem Beispiel der Abbildung 7.24 nicht berücksichtigt worden. In der Ausgangssituation ist der Steuerungskreis für die Lichtsignalanlagen so geschaltet, daß die Fahrzeuge ”Dauergrün” bekommen (Platz p1 ist markiert und mittels einer Testkante mit den Transitionen t3 und t4 verbunden); erst durch die externe Anforderung (”Drücken des Knöpfchens an der Ampel”) wird Platz p3 markiert und die Transition tx2 kann schalten. Jetzt ist der Platz p2 markiert und die Plätze p1 sowie p3 sind unmarkiert. Da die Kanten {p1:t3} und {p1:t4} Testkanten sind, können die Transitionen t3 und t4 wegen der fehlenden Markierung von p1 nicht schalten. Dies bedeutet, daß sich evtl. auf den Plätzen p l und/oder p r befindende Fahrzeuge nicht weiterfahren können. Nach Ablauf der Zeit x1 schaltet tx1 (p1 ist markiert und p2 unmarkiert), sperrt den Fußgängerübergang und gibt den Fahrzeugen wiederum Freigabe (Transitionen t3 und t4 können schalten). Eine Möglichkeit der Modellierung der Lichtsignalsteuerung mit Zwischenzeiten für diese einfache Kreuzung zeigt Abbildung 7.26. 12 Vgl. Kap. 7.3.1. 96 7. Das Straßennetz als Petri-Netz a p4 1 p1 tx41 p3 Externe Anforderung z1 tx34 tx2 z2 p31 p11 3 tx1 tx21 x1 p2 tx22 p22 2 Abbildung 7.26: Steuerungskreis für die Lichtsignalanlagen einer signalisierten einfachen Kreuzung mit Zwischenzeiten Es bedeuten in Abbildung 7.26 (K und F beziehen sich auf Abbildung 7.24): Der Markenfluß ist wie folgt, wobei als Taktzeit eine Sekunde angenommen wird: • Nach dem Markieren von p3 schaltet tx2, wonach p11 markiert und p1 sowie p3 unmarkiert sind. • Nun verbleibt dier Marke 3 Zeiteinheiten auf p11 (Dauer der Gelbphase für Lichtsignalanlage K). anschließend schaltet tx21 und nach Ablauf von 2 Sekunden tx22 (Dauer der Zwischenzeit, währenddessen alle Signale ROT zeigen). • Für die Dauer von x1 -Sekunden bekommen die Füsgänger nun Freigabezeit (Platz p2 markiert); nach Ablauf dieser Zeit zeigt die Fußgängerlichtzeichenanlage z2 Zeiteinheiten ROT (Platz p31 markiert); dies ist die Räumzeit13 . • Anschließend schaltet tx34, K zeigt eine Sekunde lang ROT-GELB (p4 markiert) und die Ausgangssituation ist weider erreicht. 13 Vgl. hierzu [36, S. 23f]. 97 7. Das Straßennetz als Petri-Netz Platz/Transition p1 p11 p22 p2 p3 p31 p4 tx1 tx2 tx21 tx22 tx34 Bedeutung Lichtsignalanlage K zeigt GRÜN, F ROT Lichtsignalanlage K zeigt GELB, F ROT Beide Lichtsignalanlagen zeigen ROT Lichtsignalanlage F zeigt GRÜN, K ROT Externe Anforderung durch einen Fußgänger Beide Lichtsignalanlagen zeigen ROT Lichtsignalanlage K zeigt ROT-GELB, F ROT Lichtsignalanlage F wechselt von GRÜN auf ROT Lichtsignalanlage K wechselt von GRÜN auf GELB Lichtsignalanlage K wechselt von GELB auf ROT Lichtsignalanlage F wechselt von ROT auf GRÜN Lichtsignalanlage K wechselt von ROT auf ROT-GELB Tabelle 7.4: Bedeutung der Plätze und Transitionen bei einer Steuerung einer einfachen Kreuzung mit Zwischenzeiten 7.4.2 Fahrverhalten an einer Kreuzung vom Typ T Die Abbildung 7.27 stellt beispielhaft eine Kreuzung vom Typ T dar. Zuerst wird die Modellierung des Fahrverhaltens mit ungesichert geführten Linksabbiegern, anschließend mit gesichert geführten Linksabbiegern gezeigt. In den seltensten Fällen werden auch die Rechtsabbieger sicher geführt14 ; daher erfolgt die Beschränkung in den nachfolgenden Beispielen nur auf gesichert bzw. ungesichert geführte Linksabbieger. 14 Vgl. hierzu [36, S. 19f]. 98 7. Das Straßennetz als Petri-Netz K1a K2a K2b K3b K1b K3a Lichtsignalanlage K1,...,K3 Fahrtrichtung der KFZ Abbildung 7.27: Eine signalisierte Kreuzung vom Typ T, ungesicherte Linksabbieger 7.4.2.1 Fahrverhalten an einer Kreuzung vom Typ T – ungesichert geführte Linksabbieger Die Abbildung 7.28 zeigt die Modellierung einer Kreuzung vom Typ T, bei der alle abbiegenden Fahrzeugströme ungesichert geführt werden. Die einzelnen Lichtsignalanlagen der entsprechenden Richtungen wurden zu Signalgruppen K1, K2 und K3 zusammengefaßt. Für die Steuerung der Lichtsignalanlagen ist eine Zwei-Phasen-Steuerung ausreichend: Phase 1: Der Verkehr fließt für die Dauer von x1-Zeiteinheiten von West nach Ost und umgekehrt sowie abbiegende Ströme (unter Beachtung des Gegenverkehrs) nach Norden ( Signalgruppen K1 und K3 zeigen GRÜN, Signalgruppe K2 ROT) Phase 2: Verkehrsfluß von Norden nach Osten bzw. Westen (Signalgruppen K1 und K3 zeigen ROT, K2 GRÜN). Zwischenzeiten werden aus Gründen einer übersichtlicheren Darstellung nicht berücksichtigt. 99 7. Das Straßennetz als Petri-Netz p4 fr=rechts p3 fr=links d e t5 t7 t6 f p7 t1 fr=rechts p8 p2 c fr=ger. t8 t3 t2 a <KFZ> p1 fr=links fr=ger. p5 t4 p6 b Abbildung 7.28: Modellierung des Fahrens – Kreuzung vom Typ T, ungesichert geführte Linksabbieger a b c f x1 px1 tx2 tx1 x2 px2 d x1 + x2 = Umlaufzeit e Abbildung 7.29: Modellierung des Fahrens – Kreuzung vom Typ T, ungesichert geführte Linksabbieger, Steuerungskreis für die Lichtsignalanlagen 100 7. Das Straßennetz als Petri-Netz Wie in Kapitel 7.3.6 beschrieben, erhalten die Fahrzeuge für die Kreuzungen, auf die sie zufahren, eine Fahrtrichtung. Die Kanten, die von den Plätzen p1, p4 und p5 wegführen, prüfen diese Fahrtrichtung (Angabe fr=rechts bzw. fr=links an den Kanten) des ankommenden Fahrzeuges ab und ”leiten” sie dementsprechend weiter. Die Plätze und Transitionen in den Abbildungen 7.28 und 7.29 haben folgende Bedeutung: Platz/Transition px1 px2 p1 p2, p3, p6 p4 p5 p7 p8 tx1 tx2 t1, t2, t3, t7, t5 t4 t6 t8 Bedeutung Signalgruppen K1 und K3 zeigen GRÜN, K2 ROT Signalgruppen K1, K3 zeigen ROT, K2 GRÜN Ein Fahrzeug befindet sich vor der Signalgruppe K1 Ein Fahrzeug hat den Kreuzungsbereich verlassen Ein Fahrzeug befindet sich vor der Signalgruppe K2 Ein Fahrzeug befindet sich vor der Signalgruppe K3 Ein Fahrzeug befindet sich im Kreuzungsbereich, unmittelbar hinter der Haltelinie der Lichtsignalanlage K1a Ein Fahrzeug befindet sich im Kreuzungsbereich, unmittelbar hinter der Haltelinie der Lichtsignalanlage K1b Die Signalgruppen K1 und K3 wechseln von GRÜN auf ROT, die Signalgruppe K2 von ROT auf GRÜN Die Signalgruppen K1 und K3 wechseln von ROT auf GRÜN, die Signalgruppe K2 von GRÜN auf ROT ein Fahrzeug biegt nach rechts ab ein Fahrzeug fährt geradeaus ein Fahrzeug biegt nach links ab ein Fahrzeug verläßt den Kreuzungsbereich Tabelle 7.5: Bedeutung der Plätze und Transitionen bei einer Kreuzung vom Typ T, ungesichert geführte Linksabbieger Mit der Zeitbewertung der Kanten {px1:tx1} durch den Wert x1 und {px2:tx2} durch den Wert x2 wird die jeweilige Freigabedauer repräsentiert. Die Summe von x1 und x2 ergeben die Umlaufzeit. Der Markenfluß ist nun folgender: Phase 1: Der Platz px1 ist für die Dauer von x1-Zeiteinheiten markiert. Somit zeigen die Signalgruppen K1 und K3 GRÜN und K2 ROT. Fahrzeugströme können von West nach Ost und umgekehrt fließen, da der Platz px1 mittels Testkanten15 mit den Transitionen t1, t2, t3 und t4 verbunden ist; t5 und t6 können wegen der fehlenden Markierung von px2 nicht schalten. Daher können aus Norden keine Fahrzeuge in den Kreuzungsbereich einfahren. Eine Sonderfunktion haben die Inhibitorkanten {p7:t3} und {p8:t3}: Sollte sich ein geradeausfahrendes (Platz p8 markiert) und/oder ein rechtsabbiegendes Fahrzeug (Platz p7 markiert) im Kreuzungsbereich befinden, kann die Transition t3 nicht schalten und damit kein Fahrzeug aus 15 Zur Bedeutung von Test– und Inhibitorkanten siehe Kapitel 6.2.1 und 6.2.2. 101 7. Das Straßennetz als Petri-Netz dieser Richtung in den Kreuzungsbereich einfahren. Dadurch wird das Beachten der Vorfahrt entgegenkommender Fahrzeuge durch die linksabbiegenden Ströme realisiert. Phase 2: Der Platz px1 wird nach Ablauf der Zeit x1 unmarkiert, Transition tx1 schaltet und Platz px2 wird markiert. Nunmehr zeigen die Signalgruppen K1 und K3 ROT und K2 GRÜN. Die aus Norden kommenden Fahrzeugströme können nach Westen oder nach Osten fließen, da aufgrund der Testkanten {px2:t5} und {px2:t6} t5 und t6 schalten können, nicht jedoch t1 bis t4. 7.4.2.2 Fahrverhalten an einer Kreuzung vom Typ T – gesichert geführte Linksabbieger Die Steuerung der Lichtsignalanlagen ist in diesem Beispiel als Drei-Phasen-Steuerung ausgelegt, da alle Linksabbieger gesichert geführt werden, wobei auch hier die Zwischenzeiten aus Gründen der Übersichtlichkeit nicht berücksichtigt wurden (Abbildung 7.30). K1 K5 K6 K4 K2 K3 Lichtsignalanlage K1,...,K6 Fahrtrichtung der KFZ Abbildung 7.30: Eine signalisierte Kreuzung vom Typ T, gesicherte Linksabbieger Folgende Phasenfolge wurde für diese Kreuzung festgelegt (nur die Richtungen, von denen der Verkehr fließt, sind angegeben; alle anderen Richtungen sind gesperrt): 102 7. Das Straßennetz als Petri-Netz Phase 1: Der Verkehr fließt von Westen nach Osten und umgekehrt sowie von Osten nach Norden (K1, K2 und K3 zeigen GRÜN, alle anderen ROT) Phase 2: Verkehrsfluß von Westen nach Osten, von Westen nach Norden sowie von Norden nach Westen (K3, K4 und K5 zeigen GRÜN, alle anderen ROT) Phase 3: In der letzten Phase erfolgt die Freigabe für die Richtungen von Norden nach Westen, Norden nach Osten sowie Osten nach Norden (K1, K5 und K6 zeigen GRÜN, alle anderen wiederum ROT). p4 fr=rechts p3 fr=links d e t5 t6 f t1 fr=rechts p2 c fr=ger. t3 t2 a <KFZ> p1 fr=links fr=ger. p5 b p6 t4 Abbildung 7.31: Modellierung des Fahrens – Kreuzung vom Typ T, gesichert geführte Linksabbieger 103 7. Das Straßennetz als Petri-Netz a f b x1 px1 tx3 tx1 x3 px2 b px3 x2 c d x1 + x2 + x3 = Umlaufzeit tx2 d e f Abbildung 7.32: Modellierung des Fahrens – Kreuzung vom Typ T, gesichert geführte Linksabbieger, Steuerungskreis für die Lichtsignalanlagen Die Bedeutung der Plätze und Transitionen zu den Abbildungen 7.31 und 7.32 ist hier aufgeführt: Es fällt im Gegensatz zu der Tabelle 7.5 auf Seite 101 auf, daß die Transitionen t7 und t8 sowie die Plätze p7 und p8 nicht existieren, da sie aufgrund der sicheren Führung der Linksabbieger in diesem Beispiel nicht benötigt werden. Somit ergibt sich nachfolgender Markenfluß: Phase 1: Platz px1 ist für die Daurer von x1 Zeiteinheiten markiert. Da die Transitionen t1, t2 und t4 mittels einer Testkanten mit px1 verbunden sind, können sie schalten. Alle anderen Transitionen können nicht schalten Phase 2: Nach Ablauf von x1 Zeiteinheiten schaltet tx1 und die Marke ”wandert” auf den Platz px2. Dadurch erhalten t3, t4 und t5 Konzession. Phase 3: Nach Verstreichen von x2 Zeiteinheiten schaltet nunmehr Transition tx3; die Marke befindet sich im Steuerungskreis auf dem Platz px3. Aufgrund der vorhandenen Testkanten können t1, t5 und t6 jetzt schalten. Wie im Beispiel des Kapitels 7.4.2.1 prüfen die Kanten an den Plätzen p1, p4 und p5, welche Eigenschaft f r (Fahrtrichtung) die jeweiligen Fahrzeuge haben und ”leiten” sie dementsprechend über die nachfolgenden Transitionen. Die von dem Steuerungsgskreis (Abbildung 7.32) ausgehenden Kanten sind Testkanten; sie erlauben, je nach dem, wie die Lichtsignalanlage geschaltet ist, das Einfahren in die Kreuzung. Die Summe der Werte für x1, x2 und x3 ergibt auch hier wieder die Umlaufzeit. 7.4.3 Fahrverhalten an einer Kreuzung vom Typ X Bei der Modellierung des Fahrverhaltens an einer Kreuzung vom Typ X wird unterschieden zwischen gesichert und ungesichert geführten Linksabbiegern. 104 7. Das Straßennetz als Petri-Netz Platz/Transition px1 px2 px3 p1 p2, p3, p6 p4 p5 tx1 tx2 tx3 t1, t5 t2, t4 t3, t6 Bedeutung Lichtsignalanlagen K1, K2 und K3 zeigen GRÜN, K4, K5 und K6 ROT Lichtsignalanlagen K3, K4 und K5 zeigen GRÜN, K1, K2 und K6 ROT Lichtsignalanlagen K1, K5 und K6 zeigen GRÜN, K2, K3 und K4 ROT Ein Fahrzeug befindet sich vor der Lichtsignalanlage K1, K2 Ein Fahrzeug hat den Kreuzungsbereich verlassen Ein Fahrzeug befindet sich vor der Lichtsignalanlage K5, K6 Ein Fahrzeug befindet sich vor der Lichtsignalanlage K3, K4 Die Lichtsignalanlagen K1, K2, K3 und K4 wechseln von GRÜN auf ROT, die Lichtsignalanlagen K5 und K6 von ROT auf GRÜN Die Lichtsignalanlagen K1, K2, K3 und K4 wechseln von ROT auf GRÜN, die Lichtsignalanlagen K5 und K6 von GRÜN auf ROT Die Lichtsignalanlagen K1, K5, K6 wechseln von ROT auf GRÜN, die Lichtsignalanlagen K2, K3 und K4 von GRÜN auf ROT ein Fahrzeug biegt nach rechts ab ein Fahrzeug fährt geradeaus ein Fahrzeug biegt nach links ab Tabelle 7.6: Bedeutung der Plätze und Transitionen bei einer Kreuzung vom Typ T, gesichert geführte Linksabbieger 7.4.3.1 Fahrverhalten an einer Kreuzung vom Typ X – ungesichert geführte Abbieger Ein möglicher Straßenverlauf mit den zugehörigen Lichtsignalanlagen zeigt Abbildung 7.33. Bei ungesichert geführten Linksabbiegern ist ein Steuerung mit zwei Phasen ausreichend: Phase 1: Verkehrsfluß von Ost nach West und umgekehrt (Signalgruppen K2 und K4 zeigen GRÜN, K1 und K3 ROT) Phase 2: Verkehrsfluß von Süd nach Nord und umgekehrt (Signalgruppen K1 und K3 zeigen GRÜN, K2 und K4 ROT). In Abbildung 7.34 ist ein Steuerkreis für die Lichtsignale (Plätze px1 und px2 sowie die Transitionen tx1 und tx2) dargestellt. Abbildung 7.35 zeigt eine Modellierung von Linksabbiegern, die alle ungesichert geführt sind, basierend auf dem Straßenverlauf der Abbildung 7.33. 105 7. Das Straßennetz als Petri-Netz K1a K1b K4b K2a K4a K2b K3a K3b Verkehrsströme Lichtsignalanlagen K1,...,K4 als Signalgruppen zusammengefaßt Abbildung 7.33: Eine signalisierte Kreuzung vom Typ X, ungesicherte Linksabbieger a x1 px1 tx2 tx1 px2 x2 b x1 + x2 = Umlaufzeit Abbildung 7.34: Modellierung des Fahrens – Kreuzung vom Typ X, ungesichert geführte Linksabbieger, Steuerungskreis für die Lichtsignale 106 7. Das Straßennetz als Petri-Netz p3 p8 fr=rechts fr=ger. fr=links t32 t36 a a t81 t33 t88 a d e t22 p32 c b p18 p34 t18 fr=rechts p2 g b t12 t21 t58 fr=links b f g p12 b f t14 p1 fr=links h b p56 p5 <KFZ> fr=ger. i t66 fr=ger. t56 fr=rechts b d i h t55 t76 p78 t34 p54 p76 e a a t72 t78 t77 a t44 c fr=links fr=ger. fr=rechts p7 p4 Abbildung 7.35: Modellierung des Fahrens – Kreuzung vom Typ X, ungesichert geführte Linksabbieger 107 p6 7. Das Straßennetz als Petri-Netz Es bedeuten in den Abbildungen 7.34 und 7.35: Bedeutung Platz/Transition px1 Signalgruppen K1 und K3 zeigen GRÜN, K2 und K4 ROT px2 Signalgruppen K1, K3 zeigen ROT, K2 und K4 GRÜN p1 Ein Fahrzeug befindet sich vor der Signalgruppe K2 p2, p4, p6, p8 Ein Fahrzeug hat den Kreuzungsbereich verlassen p3 Ein Fahrzeug befindet sich vor der Signalgruppe K1 p5 Ein Fahrzeug befindet sich vor der Signalgruppe K4 p7 Ein Fahrzeug befindet sich vor der Signalgruppe K3 p12,p18 Ein Fahrzeug befindet sich im Kreuzungsbereich, unmittelbar hinter der Haltelinie der Signalgruppe K2 p32,p34 Ein Fahrzeug befindet sich im Kreuzungsbereich, unmittelbar hinter der Haltelinie der Signalgruppe K1 p54,p56 Ein Fahrzeug befindet sich im Kreuzungsbereich, unmittelbar hinter der Haltelinie der Signalgruppe K4 p76,p78 Ein Fahrzeug befindet sich im Kreuzungsbereich, unmittelbar hinter der Haltelinie der Signalgruppe K3 tx1 Die Signalgruppen K1 und K3 wechseln von GRÜN auf ROT, die Signalgruppen K2 und K4 von ROT auf GRÜN tx2 Die Signalgruppen K1 und K3 wechseln von ROT auf GRÜN, die Signalgruppen K2 und K4 von GRÜN auf ROT t18, t32, t55, t77 ein Fahrzeug biegt nach rechts ab t12, t33, t56, t78 ein Fahrzeug fährt geradeaus t14, t36, t58, t72 ein Fahrzeug biegt nach links ab t21, t22, t34, t44, ein Fahrzeug verläßt den Kreuzungsbereich t66, t76, t81, t88 Tabelle 7.7: Bedeutung der Plätze und Transitionen bei einer Kreuzung vom Typ X, ungesichert geführte Linksabbieger Die Kanten {px1:tx1} und {px2:tx2} der Abbildung 7.34 sind jeweils um den Wert von x1 und x2 zeitbewertet, wobei die Summe aus beiden Werten die Umlaufzeit ergibt. Aus Vereinfachungs- und Darstellungsgründen wurde die Zwischenzeit nicht berücksichtigt. Bei Markierung des Platzes px1 ehalten die Fahrzeuge in Nord-Süd-Richtung und umgekehrt Freigabe; analog dazu, wenn der Platz px2 markiert ist, gilt dies für die aus Ost nach Westen und umgekehrt fahrenden Fahrzeuge. Die von den Plätzen p1, p3, p5 und p7 ausgehenden Kanten prüfen die Eigenschaft ”Fahrtrichtung” der Marken (siehe Kap. 7.3.6) und ”verschieben” diese entsprechend 108 7. Das Straßennetz als Petri-Netz ihrer Eigenschaft fr. Eine besondere Rolle spielen in Abbildung 7.35 auch hier wie in Kapitel 7.4.2.1 die Transitionen, die mittels Inhibitorkanten mit einigen Plätzen verbunden sind. Sie verhindern, daß in der Modellierung linksabbiegende Fahrzeuge, die gegenüber den entgegenkommenden Geradeausfahren und Rechtsabbiegern wartepflichtig sind, in die Kreuzung einfahren, wenn dieser Gegenverkehr vorhanden ist. So kann beispielsweise die Transition t58 (bei markiertem Platz p5 und Eigenschaft ”fr=links” der Marke) nur dann schalten, wenn 1. die Signalgruppe K4 GRÜN zeigt (Platz px1 markiert) und 2. kein entgegenkommender Geradeausfahrer aus östlicher Richtung herannaht (Platz p12 muß unmarkiert sein) und 3. ebenfalls Platz p18 (ein entgegenkommendes Fahrzeug aus Osten, das rechts abbiegt) nicht markiert ist. Analog gilt dies ebenfalls für die Transitionen t14, t36, t72 und den dazugehörenden Kanten. 109 7. Das Straßennetz als Petri-Netz 7.4.3.2 Fahrverhalten an einer Kreuzung vom Typ X – gesichert geführte Linksabbieger Abbildung 7.37 zeigt eine beispielhafte Modellierung bei gesichert geführten Linksabbiegern. Bei dieser Steuerungsart werden alle Linksabbieger sicher geführt. Zwischenzeiten werden hier ebenfalls nicht berücksichtigt. Abbildung 7.36 zeigt den Straßenverlauf und die Anordnung der Lichtsignalanlagen. Darin regeln folgende Lichtsignalanlagen die Richtungen: Regelt den Signalgruppe/Lichtsignal Signalgruppe K1 Verkehr aus Norden, Geradeausfahrer und Rechtsabbieger Lichtsignal K2 Linksabbieger aus Norden Signalgruppe K3 Verkehr aus Osten, Geradeausfahrer und Rechtsabbieger Lichtsignal K4 Linksabbieger aus Osten Signalgruppe K5 Verkehr aus Süden, Geradeausfahrer und Rechtsabbieger Lichtsignal K6 Linksabbieger aus Süden Signalgruppe K7 Verkehr aus Westen, Geradeausfahrer und Rechtsabbieger Lichtsignal K8 Linksabbieger aus Westen Tabelle 7.8: Bedeutung der Lichtsignale bei gesichert geführten Linksabbiegern an einer Kreuzung vom Typ X 110 7. Das Straßennetz als Petri-Netz K2 K1a K3a K1b K8 K3b K7b K4 K5b K7a K6 K5a Fahrtrichtung der KFZ Lichtsignalanlage K1,...,K8 Abbildung 7.36: Eine signalisierte Kreuzung vom Typ X, gesicherte Linksabbieger 111 7. Das Straßennetz als Petri-Netz p3 p8 fr=rechts fr=ger. fr=links f b t10 t12 t11 a e t1 fr=rechts p2 c t2 d d t9 fr=links t3 c fr=ger. p5 e t8 fr=ger. <KFZ> p1 fr=links p6 fr=rechts t7 a b t6 t5 t4 f fr=links p4 fr=ger. fr=rechts p7 Abbildung 7.37: Modellierung des Fahrens – Kreuzung vom Typ X, gesichert geführte Linksabbieger 112 7. Das Straßennetz als Petri-Netz f d a f tx4 px4 x4 px1 x1 tx3 tx1 x3 e px3 x2 px2 b tx2 c e x1 + x2 + x3 + x4 = Umlaufzeit Abbildung 7.38: Modellierung des Fahrens – Kreuzung vom Typ X, gesichert geführte Linksabbieger, Steuerkreis für die Lichtsignalanlagen Aufgrund der Verkehrsführung mit gesicherten Linksabbiegern ist in dem Beispiel der Abbildung 7.37 eine Schaltung mit vier Phasen erforderlich: Phase 1: Platz px1 markiert; Freigabe Nord-Süd und Süd-Nord sowie die jeweiligen Rechtsabbieger. Phase 2: Platz px2 markiert; Freigabe der Linksabbieger Nord-Ost sowie Süd-West. Parallel dazu die gegenläufigen verträglichen Rechtsabbieger. Phase 3: Platz px3 markiert; Freigabe für Ost-West und West-Ost Verkehr sowie die entsprechenden Rechtsabbieger. Phase 4: Platz px4 markiert; Freigabe der Linksabbieger West-Nord sowie Ost-Süd, zeitgleich mit den verträglichen Rechtsabbiegern. Die Plätze und Transitionen in den Abbildungen 7.37 und 7.38 haben folgende Bedeutung: 113 7. Das Straßennetz als Petri-Netz Platz/Transition px1 px2 px3 px4 p1 p2, p4, p6, p8 p3 p5 p7 tx1 tx2 tx3 tx4 t1, t4, t7, t10 t2, t5, t8, t11 t3, t9, t9, t12 Bedeutung Signalgruppen K1 und K5 zeigen GRÜN, alle anderen ROT Lichtsignale K2 und K6 zeigen GRÜN, alle anderen ROT Signalgruppen K3, K7 zeigen GRÜN, alle anderen ROT Lichtsignale K4 und K8 zeigen GRÜN, alle anderen ROT Ein Fahrzeug befindet sich vor der Signalgruppe K3a bzw. vor K4 Ein Fahrzeug hat den Kreuzungsbereich verlassen Ein Fahrzeug befindet sich vor der Signalgruppe K1 bzw. vor K2 Ein Fahrzeug befindet sich vor der Signalgruppe K7 bzw. vor K8 Ein Fahrzeug befindet sich vor der Signalgruppe K5 bzw. vor K6 Die Signalgruppen K1 und K5 wechseln von GRÜN auf ROT, die Lichtsignale K2 und K6 von ROT auf GRÜN, alle anderen bleiben unverändert Die Lichtsignale K2 und K6 wechseln von GRÜN auf ROT, die Signalgruppen K3 und K7 von ROT auf GRÜN, alle anderen bleiben unverändert Die Lichtsignale K2 und K6 wechseln von GRÜN auf ROT, die Signalgruppen K3 und K7 von ROT auf GRÜN, alle anderen bleiben unverändert Die Signalgruppen K3 und K7 wechseln von GRÜN auf ROT, die Lichtsignale K4 und K8 von ROT auf GRÜN, alle anderen bleiben unverändert ein Fahrzeug biegt nach rechts ab ein Fahrzeug fährt geradeaus ein Fahrzeug biegt nach links ab Tabelle 7.9: Bedeutung der Plätze und Transitionen bei einer Kreuzung vom Typ X, gesichert geführte Linksabbieger Der Markenfluß ist analog zu dem in Kap. 7.4.3.2 beschriebenen Fluß, jedoch mit dem Unterschied, daß die Transitionen, die den Verkehrsfluß der ungesichert geführten Linksabbiegern modelliert haben, nunmehr durch Transitionen ersetzt wurden, welche vom Steuerungskreis Konzession erhalten. 114 8. Optimale Steuerung von Lichtsignalanlagen Im Kapitel 4.2 wurden einige Ansätze zur Optimierung der Steuerung von Lichtsignalanlagen aufgezeigt. Der in dieser Arbeit verwendete Ansatz unterscheidet sich von dem dort geschilderten dahingehend, daß versucht werden soll, in einem Straßennetz eine bestmögliche Steuerung der Lichtsignale zu finden. Ziel ist es, die durchschnittliche Wartezeit der in einem Straßennetz fahrenden Fahrzeuge zu minimieren, um damit hauptsächlich die Reisezeiten zu verkürzen und den Verkehrsfluß möglichst flüssig ohne Stauungen zu gestalten. Hierzu wurden: • Die in Kapitel 7 vorgestellten Modelle des Fahrens der Fahrzeuge und der Schaltung der Lichtsignale an den verschiedenen Kreuzungstypen sowie ein bestimmtes Straßennetz in ein EDV-Programm umgesetzt; dieses liefert bestimmte Daten (diese werden im weiteren Verlauf beschrieben), die für die Koordinierung der Lichtsignalanlagen benötigt werden, und • basierend auf diesen Daten eine bessere Koordinierung der Lichtsignalanlagen mittels dieses Programmes berechnet. Bei dieser Möglichkeit einer optimalen Koordinierung werden • zuerst die Verkehrsstärken in den einzelnen Stauräumen ermittelt. Hierzu werden nach einer bestimmten Verteilung eine gewisse Anzahl von Fahrzeugen von außen durch sog. Randknoten unter Berücksichtigung einer empirisch ermittelten Vorgabe in ein Straßennetz eingespeist. Aufgrund einer vorhandenen, zufällig gewählten Grünzeitverteilung der Freigabezeiten an den signalisierten Kreuzungen fahren diese Fahrzeuge in diesem Straßennetz. Die dabei entstehenden Verkehrsstärken und Wartezeiten der Fahrzeuge werden vor jeder Kreuzung in jedem Stauraum ermittelt und gespeichert. • Anschließend werden diese Verkehrsstärken mittels sog. ”Prioritätsstrecken” als Basis für die Berechnung der Grünzeiten herangezogen; diese Prioritätsstrecken dienen als Basis für die Koordinierung der Lichtsignalanlagen. • Und schließlich werden die Lichtsignalanlagen anhand der ”Prioritätsstrecken” nach dem Prinzip der Grünen Welle zu koordinieren versucht; dies geschieht in einem iterativen Prozeß solange, bis eine gute Lösung, die die geringste durchschnittliche Wartezeit der Fahrzeuge erbringt, gefunden ist. 115 8. Optimale Steuerung von Lichtsignalanlagen 8.1 Aufbau des Verkehrsnetzes In Abbildung 7.1 auf Seite 72 wurde die dortige Datenbezeichnung eines Straßennetzes vorgestellt. Dieses Straßennetz wird auch für die nachfolgenden Ausführungen zugrundegelegt. Hierzu wird dieses Netz um weitere Knoten und Lichtsignalanlagen ergänzt (die in Abb. 8.1 fett umrandeten Knoten entsprechen den Knoten 1 bis 6 in Abb. 7.1). Somit hat es nunmehr folgendes Aussehen (Abbildung 8.1): Knotenbezeichnung im verwendeten Verkehrsnetz Stadtrand 70(10) 70(10) 0 70(10) 1 140(20) 140(20) 140(20) 2 140(20) 140(20) 140(20) 0 1 140(20) 70(10) 3 140(20) 210(30) 4 3 210(30) 2 Stadtmitte 175(25) 70(10) 8 5 105(15) 109(17) 175(25) 140(20) 105(15) 109(17) 9 175(25) 10 175(25) 280(40) 140(20) Stadtrand 14 70(10) 140(20) 11 140(20) 70(10) 12 140(20) 140(20) 280(40) 13 7 210(30) 175(25) 105(15) 140(20) 6 70(10) 210(30) 105(15) 140(20) 175(25) 70(10) 15 70(10) Stadtrand = Knoten = Stauraum Abbildung 8.1: Darstellung des modellierten Straßennetzes Dargestellt sei ein Ausschnitt aus einem städtischen Straßennetz, in dem 16 Knoten erfaßt wurden. Mit Lichtsignalanlagen signalisiert sind die fett umrandeten Knoten, die anderen Knoten sind nicht signalisiert. Betrachtet wird der morgendliche Berufs- 116 8. Optimale Steuerung von Lichtsignalanlagen verkehr. Die Hauptfahrtrichtung ist deshalb nach links in Richtung ”Stadtmitte” von den Richtungen ”Stadtrand” aus. Die Knoten 0, 1, 2, 3, 7, 8, 12, 13, 14 und 15 sind sog. Randknoten (Richtung ”Stadtrand”), von denen ein Großteil der Fahrzeuge in das Netz einfließt; über die Knoten 3 und 8 sowie 7 und 12 fließt der Verkehr in das weitere, hier nicht dargestellte Straßennetz. Zur Verdeutlichung ist am Knoten 4 die Bezeichnung der Stauräume angegeben.1 Weiterhin sind die Abstände zwischen den einzelnen Knoten an den Stauräumen angegeben (was in Klammern der Anzahl der Plätze entspricht). An allen Knoten werden die Linksabbieger ungesichert geführt. 8.2 Einspeisung der Fahrzeuge In dem in Abbildung 8.1 dargestellten Straßennetz fließen die Fahrzeuge aus den Randknoten nach einer bestimmten Vorgabe in das Netz ein; diese Vorgabe ergibt sich aus dem Strombelastungsplan der einzelnen Randknoten. Für jeden Randknoten existiert eine solche Vorgabe, die in einem Array gespeichert wird (Quotenarray). Aus Gründen der Übersichtlichkeit wird die Anzahl der Fahrzeuge im Netz auf eine bestimmte Anzahl limitiert (”Limit” der Fahrzeuge). Nach dem folgenden Algorithmus werden die Fahrzeuge eingespeist: Prüfe über alle Knoten des Straßennetzes: • ob die maximale Anzahl der Fahrzeuge im Netz erreicht ist; wenn nein, – ob es sich bei dem Knoten um einen Randknoten handelt; wenn ja, . ob die in dem sog. Quotenarray gespeicherte Vorgabe schon erfüllt ist; wenn nein, · Einspeisung eines Fahrzeuges in diesen Randknoten; vermindere die Quote dieses Knotens um eins; . wenn ja, tue gar nichts; – wenn nein, tue gar nichts; • wenn ja, tue gar nichts. Pro Zeiteinheit (hier eine Sekunde) wird maximal ein Fahrzeug über einen Randknoten eingespeist. Wenn die Einspeisungsquoten aller Randknoten den Wert 0 haben, werden diese Quoten auf ihren ursprünglichen Wert zurückgesetzt. 8.3 Ermitteln der Verkehrsstärke und der Wartezeit Die in das Netz eingespeisten Fahrzeuge fahren in dem Straßennetz solange, bis sie es an bestimmten Knoten wieder verlassen. Hierbei wird das im vorigen Abschnitt beschriebene ”Limit” der Anzahl der Fahrzeuge im Netz nicht überschritten. Um nun die Verkehrsstärke zu ermitteln, werden die Fahrzeuge, die einen Stauraum befahren, 1 Vgl. Abb. 7.2 auf S. 74. 117 8. Optimale Steuerung von Lichtsignalanlagen gezählt. Dies geschieht innerhalb einer bestimmten Zeitdauer. Als Zeitdauer wurde eine Stunde gewählt, da die Verkehrsstärke üblicherweise in Fahrzeugen pro Stunde angegeben wird.2 Hieraus ergibt sich die Verkehrsstärke in einem Stauraum, ausgedrückt als Fahrzeuge pro Stunde (Wert von λ). Auf ähnliche Weise geschieht das Ermitteln der Wartezeit. Für jedes sich im Netz befindliche Fahrzeug wird pro Takt geprüft, ob es die Geschwindigkeit 0 hat; falls dies zutrifft, wird die Wartezeit für dieses Fahrzeug um eins hochgezählt. Ein Beispiel möge die Zusammenhänge veranschaulichen. Die Grünzeiten an den signalisierten Knoten 4, 5, 6, 9, 10, und 11 wurde mit einer zufällig gewählten Grünzeitverteilung ermittelt; hierbei wurden von der Hauptflußrichtung des Verkehrs ausgehend (stadtauswärts) einfach bestimmte Werte willkürlich gewählt. Gemessen wurde die Verkehrsstärke während eines Beobachtungszeitraumes von einer Stunde (alle Angaben von Knoten und Stauraum beziehen sich auf Abbildung 8.1): Knoten Stauraum Anzahl KFZ 0 0 30 0 1 0 0 2 25 0 3 0 1 0 60 1 1 0 1 2 34 1 3 0 2 0 66 2 1 0 2 2 52 2 3 0 3 0 0 3 1 119 3 2 0 3 3 24 4 0 30 4 1 114 4 2 26 4 3 23 5 0 60 5 1 131 5 2 18 5 3 22 Gemessene Verkehrsstärken 2 Vgl. hierzu [36, Seite 88f]. 118 λ 0.008333 0.000000 0.006944 0.000000 0.016667 0.000000 0.009444 0.000000 0.018333 0.000000 0.014444 0.000000 0.000000 0.033056 0.000000 0.006667 0.008333 0.031667 0.007222 0.006389 0.016667 0.036389 0.005000 0.006111 8. Optimale Steuerung von Lichtsignalanlagen Knoten Stauraum Anzahl KFZ 6 0 66 6 1 153 6 2 16 6 3 10 7 0 0 7 1 156 7 2 0 7 3 12 8 0 0 8 1 320 8 2 0 8 3 66 9 0 26 9 1 278 9 2 69 9 3 65 10 0 72 10 1 203 10 2 44 10 3 83 11 0 49 11 1 148 11 2 65 11 3 95 12 0 0 12 1 151 12 2 0 12 3 118 13 0 7 13 1 0 13 2 69 13 3 0 14 0 7 14 1 0 14 2 44 14 3 0 15 0 7 15 1 0 Gemessene Verkehrsstärken 119 λ 0.018333 0.042500 0.004444 0.002778 0.000000 0.043333 0.000000 0.003333 0.000000 0.088889 0.000000 0.018333 0.007222 0.077222 0.019167 0.018056 0.020000 0.056389 0.012222 0.023056 0.013611 0.041111 0.018056 0.026389 0.000000 0.041944 0.000000 0.032778 0.001944 0.000000 0.019167 0.000000 0.001944 0.000000 0.012222 0.000000 0.001944 0.000000 8. Optimale Steuerung von Lichtsignalanlagen Knoten Stauraum Anzahl KFZ 15 2 65 15 3 0 λ 0.018056 0.000000 Gemessene Verkehrsstärken Tabelle 8.1: Tabelle der gemessenen Verkehrsstärken im Straßennetz während einer Stunde Es ist schon jetzt zu erkennen, daß die Knoten 8, 9 und 10 eine recht hohe Verkehrsbelastung aufweisen (Knoten 8 Stauraum 1 320, Knoten 9 Stauraum 1 278 und Knoten 10 Stauraum 1 203 Fahrzeuge). 8.4 Ermittlung der Prioritätsstrecken Eine besondere Bedeutung kommt der Ermittlung der Prioritätsstrecken zu. Unter einer Prioritätsstrecke ist die Strecke von einem bestimmten Randknoten zu einem anderen Randknoten (also ein Straßenzug) zu verstehen, die in ihrem Verlauf die höchste Verkehrsstärke (Wert von λ) aufweist. Die Prioritätsstrecken werden, beginnend bei dem Randknoten mit der höchsten Einspeisungsquote, aufsteigend sortiert. Diese Vorgehensweise wurde deshalb so gewählt, weil zu erwarten ist, daß aus den Randknoten mit der größten Einspeisungsquote auch das höchste Verkehrsaufkommen in das Straßennetz fließen wird. Die Koordinierung der Lichtsignalanlagen erfolgt nach Prioritäten geordnet entlang dieser Straßenzüge, wobei der Straßenzug mit der höchsten Verkehrsstärke die höchste Priorität bei der Koordinierung erhält. Ausgehend von den in Kap. 8.3 ermittelten Verkehrsstärken und den Einspeisungsquoten der Randknoten erfolgt nunmehr die Festlegung dieser Prioritätsstrecken. Der Algorithmus zu dieser Berechnung ist folgendermaßen angelegt: i = 0 dofor alle Randknoten ermittle den Randknoten mit der groessten Einspeisungsquote waehle aus den an diesem Knoten anliegenden Stauraeumen denjenigen mit der groessten Verkehrsstaerke speichere diesen Knoten und den Stauraum dowhile knoten_dieses_Stauraumes_ist_nicht_Randknoten gehe zu dem Knoten dieses Stauraumes und ermittle dort wieder den Stauraum mit der groessten Verkehrsstaerke speichere diesen Knoten und den Stauraum enddo speichere die ermittelten Knoten/Stauraeume als Prio-Strecke i ab 120 8. Optimale Steuerung von Lichtsignalanlagen i = i + 1 waehle den Randknoten mit der naechstkleineren Einspeisungsquote enddo Diese sind nach der Strecke mit der höchsten Verkehrsbelastung aufsteigend sortiert, wobei 0 die höchste Priorität darstellt (Tabelle 8.2). Es bedeuten weiterhin in Tabelle 8.2: Kürzel ⇒ K S Bedeutung von Knoten Stauraum Prioritaetsstrecke 0 : => K: 7 S: 1 => K: 6 S: 1 => K: 5 S: 1 => K: 4 S: 1 => K: 3 S: Prioritaetsstrecke 1 : => K: 12 S: 1 => K: 11 S: 1 => K: 10 S: 1 => K: 9 S: 1 => K: 8 Prioritaetsstrecke 2 : => K: 13 S: 2 => K: 9 S: 2 => K: 8 S: 1 Prioritaetsstrecke 3 : => K: 2 S: 0 => K: 6 S: 0 => K: 5 S: 1 => K: 4 S: 1 => K: 3 S: Prioritaetsstrecke 4 : => K: 8 S: 3 => K: 9 S: 3 => K: 10 S: 3 => K: 11 S: 3 => K: 12 Prioritaetsstrecke 5 : => K: 15 S: 2 => K: 11 S: 2 => K: 10 S: 1 => K: 9 S: 1 => K: 8 Prioritaetsstrecke 6 : => K: 1 S: 0 => K: 5 S: 0 => K: 4 S: 1 => K: 3 S: 1 Prioritaetsstrecke 7 : => K: 14 S: 2 => K: 10 S: 2 => K: 9 S: 1 => K: 8 S: 1 Prioritaetsstrecke 8 : => K: 0 S: 0 => K: 4 S: 0 => K: 3 S: 1 Prioritaetsstrecke 9 : => K: 3 S: 3 => K: 4 S: 3 => K: 9 S: 0 => K: 8 S: 1 1 S: 1 1 S: 3 S: 1 Tabelle 8.2: Liste der Prioritätsstrecken Bei Betrachtung der Tabelle 8.2 fällt auf, daß trotz der höheren Verkehrsstärke in den Knoten 8, 9 und 10 die Prioritätsstrecke 1 nicht als erste in der Liste auftaucht. Das liegt daran, daß im Knoten 7 die Anzahl der Fahrzeuge höher ist als im Knoten 12. Da im übrigen beide Prioritätsstrecken parallel zur Stadtmitte hinführen, ist dies nicht relevant. Im Gegensatz zu den meisten der in Kapitel 4.1 und 4.2 aufgezeigten Verfahren wurde bei der Koordinierung der Lichtsignalanlagen ein anderer Weg gewählt. Der Knoten, 121 8. Optimale Steuerung von Lichtsignalanlagen an dem die Koordinierung beginnt, liegt nicht am Anfang der Strecke, sondern in der Mitte dieser Strecke. Dies hat den Vorteil, daß, verglichen mit einer Koordinierung, die am Anfang eines Straßenzuges beginnt, auch der Verkehr, der in die Gegenrichtung fließt, mitberücksichtigt werden kann. Der mittlere Knoten einer Prioritätsstrecke wird dadurch gefunden, daß die Anzahl der Knoten mit ihren Bezeichnungen gezählt und anschließend die Anzahl der Knoten halbiert wird. Sollte die Anzahl ungerade sein, wird auf den ganzzahligen Wert der Division 1 zuaddiert; bei einer geraden Anzahl wird zwischen den beiden mittleren Knoten derjenige mit der höheren Verkehrsstärke ausgewählt. Es existiere zum Beispiel eine 9 Knoten lange Prioritätsstrecke mit den Knotenbezeichnungen 1,. . . ,9. Dann berechnet sich: 9 Knoten dividiert durch 2 ergibt 4.5, ganzzahliger Rest = 4 + 1 = 5, dies ist der mittlere Knoten. 8.5 Anpassung der Grünzeiten Im nächsten Schritt werden zunächst die Zeiten berechnet, die ein Fahrzeug braucht, wenn es von einem Knoten zum nächsten mit konstanter Geschwindigkeit (50 km/h oder 14 m/sek) fährt. Hierbei werden nur die Knoten berücksichtigt, die durch einen Stauraum miteinander verbunden sind. Diese Berechnung erfolgt deswegen, weil damit die Versatzzeit der nächsten Lichtsignalanlage ermittelt werden kann. Wenn ein Fahrzeug an einer signalisierten Kreuzung losfährt, dessen Lichtzeichenanlage gerade von ROT auf GRÜN gewechselt hat, dann braucht es bis zur nächsten signalisierten Kreuzung eine bestimmte Zeit. Um unnötige Wartezeiten und Anhaltvorgänge zu vermeiden, sollte diese nächste Lichtsignalanlage genau dann auf GRÜN wechseln, wenn dieses Fahrzeug die Kreuzung erreicht hat, d. h. die Zeit zum Durchfahren der Entfernung zwischen beiden Knoten verstrichen ist. Dies ist die Versatzzeit. Zu dem in Abbildung 8.1 dargestellten Straßennetz sei diese Matrix für eine Geschwindigkeit von 50 km/h hier angegeben (Tabelle 8.3): 122 8. Optimale Steuerung von Lichtsignalanlagen Abstandsmatrix der Knoten: 0 1 2 z 3 u 4 m 5 6 7 K 8 n 9 o 10 t 11 e 12 n 13 14 15 0 0 0 0 0 10 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 1 2 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 10 0 0 10 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 3 0 0 0 0 10 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 vom 4 5 10 0 0 10 0 0 10 0 0 15 15 0 0 7 0 0 0 0 12 0 0 8 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 Kn 6 0 0 10 0 0 7 0 12 0 0 0 15 0 0 0 0 oten 7 8 9 10 11 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 12 0 0 0 0 0 8 0 12 0 0 0 15 0 0 0 0 0 0 0 10 0 0 0 10 0 7 0 0 0 7 0 12 0 0 0 12 0 0 0 0 0 10 0 0 10 0 0 0 0 0 20 0 0 0 0 0 10 12 13 14 15 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 10 0 0 0 0 20 0 10 0 0 10 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 Tabelle 8.3: Zeitlicher Abstand zwischen den Knoten Diese Tabelle gibt an, welche Zeit in Sekunden ein mit 50 km/h fahrendes Fahrzeug vom Knoten oben zu dem Knoten links benötigt. Ist der angegebene Wert = 0, so besteht zwischen den Knoten keine Verbindung (z. B. von Knoten 0 zu Knoten 1); andernfalls ist die benötigte Zeit angegeben (z. B. von Knoten 5 zum Knoten 4: 15 Sekunden). Die anfangs zufällig bestimmte Grünzeitverteilung ist nicht auf die Verkehrsverhältnisse abgestimmt, sie ist ”schlecht”. Zwar liefert sie Ergebnisse, doch sind diese unbefriedigend; daher wird die Grünzeitverteilung verändert. Die Bestimmung der Freigabezeiten der Lichtsignalanlagen an den einzelnen Kreuzungen teilt sich in vier Schritte auf. Voraussetzung hierfür ist eine konstante und für alle Lichtsignalanlagen der signalisierten Knoten gleich große Umlaufzeit3 tu . 1. Zuerst wird eine ”lokale” Grünzeitverteilung für jeden einzelnen Knoten, basierend auf den gemessenen Verkehrsstärken, derart vorgenommen, daß für diese Knoten eine optimale Grünzeitverteilung ermittelt wird. 2. Im nächsten Schritt wird für alle Prioritätsstrecken der Knoten gesucht, der in der Mitte dieser Strecken liegt. 3 Vgl. hierzu [36, Seite 49]. 123 8. Optimale Steuerung von Lichtsignalanlagen 3. Nun erfolgt die Anpassung des Freigabezeitbeginns an den Zeitbedarf, der sich aus der Tabelle 8.3 ergibt (Berechnung des Versatzes durch ”Forward-” und ”Backtracking”). Weiterhin wird aufgrund der durchschnittlichen Verkehrsbelastung während des Beobachtungszeitraumes (Simulationszeit) für jeden Stauraum berechnet, wie lange es dauert, bis sich eine Fahrzeugkolonne vor ROT zeigenden Lichtsignalen abgebaut hat. Diese Zeitwerte gehen mit in die Berechnung des Versatzes ein. 4. Im letzten Schritt werden iterativ aufgrund der ermittelten Wartezeiten der Fahrzeuge, die kumuliert über einen bestimmten Zeitraum berechnet werden, die Grünzeiten der Lichtsignalanlagen der Prioritätsstrecke so verändert, daß die durchschnittlichen Wartezeiten der Fahrzeuge möglichst minimiert werden. Diese Schritte werden im folgenden näher erläutert. 8.5.1 Grünzeitverteilung nach den Verkehrsstärken Die Grünzeitverteilung an den einzelnen Knoten geschieht in Abhängigkeit von der an diesem Knoten gemessenen Verkehrsstärke. Vorausgesetzt werden: Umlaufzeit tu Zwischenzeit Mindestgrünzeit Zeit für ROT+GELB = = = = 90 Sekunden 2 Sekunden 10 Sekunden 1 Sekunde. Im folgenden soll darauf eingegangen werden, warum gerade diese Werte so ausgewählt wurden. Da in dem gewählten Straßennetz zwar gleichartige Kreuzungstypen vorhanden sind, diese jedoch von ihrer Art, den Verkehr zu regeln, unterschiedlich sind (gesichert und ungesichert geführte Abbieger), mußte ein Kompromiß gefunden werden, was die Wahl der Umlaufzeit anbelangt. Eine Regel besagt, daß mit der Zunahme der Umlaufzeit zwar die Dauer der Freigabezeit länger und somit auch der Durchfluß der Fahrzeuge höher ist, die Wartezeiten jedoch länger werden und die Anzahl der Halte steigt4 . Im allgemeinen werden Umlaufzeiten von 60, 75, 90 oder 120 Sekunden gewählt. Im vorliegenden Falle erschien die Wahl für die Umlaufzeit von 90 Sekunden ein guter Kompromiß, da sonst für eine Kreuzung vom Typ X mit gesichert geführten Linksabbiegern zuwenig Freigabezeit für die einzelnen Fahrstreifen zur Verfügung steht. In den vorigen Kapiteln wurde die Zwischenzeit bisher nicht berücksichtigt. Um jedoch in diesem Verkehrsmodell jetzt die Realitätsnähe zu vergrößern, wird sie einheitlich auf 2 Sekunden festgesetzt. Die Berechnung der Zwischenzeit ist von einer Reihe von Faktoren, z. B. Straßenführung an einer Kreuzung, Größe dieser Kreuzung, etc., abhängig, auf die aus Vereinfachungsgründen hier nicht eingegangen wird.5 Für Kraftfahrzeugströme sollte die Mindestfreigabezeit 10 Sekunden betragen.6 Eine geringere Mindestgrünzeit, z. B. fünf Sekunden läßt maximal zwei Fahrzeuge die so 4 Vgl. hierzu [39, Seite 21ff]. In [36] wird sehr ausführlich auf den Seiten 22 bis 27 die Berechnung der Zwischenzeiten dargestellt. 6 [36, Seite 28]. 5 124 8. Optimale Steuerung von Lichtsignalanlagen geregelte Kreuzung passieren. Durch die Wahl einer so kleinen Mindestfreigabezeit ist die Wahrscheinlichkeit sehr hoch, daß die Wartezeiten stark zunehmen. Die Zeit, in der eine Lichtsignalanlage ROT-GELB anzeigt, ist seit der neuen Ausgabe der Richtlinien für Lichtsignalanlagen von 1992 auf eine Sekunde festgelegt worden; daran halten sich auch diese Berechnungen.7 Am Beispiel eines Knotens (Kreuzung vom Typ X mit ungesichert geführten Linksabbiegern) wird der Algorithmus hierfür dargestellt. Da alle Abbieger ungesichert geführt werden, ist eine Schaltung mit zwei Phasen ausreichend. Daher brauchen auch nur die Grünzeiten für zwei unterschiedliche Richtungen (Nord ⇐⇒ Süd und West ⇐⇒ Ost) berechnet werden. Es bedeuten: vsti : tu : tgrmin : zz: rgzz: grundwert: hilf : hilf 1: hilf 2: daueri : tgrstarti : Verkehrsstärke des Stauraumes i Umlaufzeit Mindestgrünzeit Zwischenzeit Zwischenzeit für ROT-GELB Summe aller Verkehrsstärken Hilfsvariablen Grünzeitdauer für Stauraum i Beginn der Grünzeit für Stauraum i 1. Schritt: Ermitteln des Grundwertes: grundwert = 3 X vsti (1) i=0 2. Schritt: Berechnung der Hilfsvariable hilf hilf = vst0 + vst2 grundwert (2) 3. Schritt: Berechnung der Freigabedauer für Stauraum 0 bzw. 2: dauer0 = ((tu − (2 ∗ zz) − (2 ∗ tgrmin )) ∗ hilf ) + tgrmin dauer2 = dauer0 (3) (4) 4. Schritt: Berechnung der Freigabedauer für Stauraum 1 bzw. 3: hilf 2 = 1 − hilf dauer1 = ((tu − (2 ∗ zz) − (2 ∗ tgrmin )) ∗ hilf ) + tgrmin dauer3 = dauer1 7 Vgl. hierzu [36, Seite 22]. 125 (5) (6) (7) 8. Optimale Steuerung von Lichtsignalanlagen 5. Schritt: Festlegen des Grünzeitbeginns für Stauräume 0 bis 3: tgrstart0,2 = 1 tgrstart1,3 = tgrstart0 + zz + rgzz + dauer0 (8) (9) Ein Beispiel möge den Sachverhalt erläutern. Herausgenommen sei der Knoten 5. Dort liegt folgende Verkehrsstärke vor (gemessen im Zeitraum von 3600 Sekunden): Stauraum Anzahl KFZ 0 60 1 131 2 18 3 22 λ 0.016667 0.036389 0.005000 0.006111 Berechnet wurde die nachstehende Grünzeitverteilung für diesen Knoten: Schritt 1 und (1) ergeben: grundwert = 231 Schritt 2 und (2) berechnen: hilf = 0.33766234 Schritt 3 und (3) sowie (4) errechnen: dauer0 = 32 und dauer2 = 32 Schritt 4 sowie (5), (6) und (7) ergeben: dauer1 = 54 und dauer3 = 54. Schritt 5 errechnet sich aus (8) sowie (9): tgrstart0,2 = 1, tgrstart1,3 = 35. 126 8. Optimale Steuerung von Lichtsignalanlagen Damit sieht die vollständige Grünzeitverteilung für Knoten 5 folgendermaßen aus (Abbildung 8.2): Stauraum: Stauraum: Stauraum: 0; 0; 0; Start Dauer Ende GR: GR: GR: 1 32 33 Stauraum: Stauraum: Stauraum: 1; 1; 1; Start Dauer Ende GR: GR: GR: 35 54 89 Stauraum: Stauraum: Stauraum: 2; 2; 2; Start Dauer Ende GR: GR: GR: 1 32 33 Stauraum: Stauraum: Stauraum: 3; 3; 3; Start Dauer Ende GR: GR: GR: 35 54 89 Abbildung 8.2: Beispielhafte Grünzeitverteilung für eine Kreuzung vom Typ X, ungesichert geführte Linksabbieger Im vorliegenden Beispiel hat die Ost⇐⇒West Richtung eine Grünzeit von 54 Sekunden, die Nord⇐⇒Süd Richtung von 32 Sekunden. Da die gemessene Verkehrsstärke in Ost⇒West Richtung wesentlich größer ist als von Nord⇒Süd (131:60), muß auch mehr Freigabezeit für diesen Verkehrsstrom zur Verfügung stehen, um ihn zu bewältigen. Das Maximum einer Fahrtrichtung ist hier auschlaggebend für die Verteilung der Freigabezeiten. Für diesen Knoten zeigt Abbildung 8.3 beispielhaft den Signalzeitenplan für die oben angegebene Grünzeitverteilung. 127 8. Optimale Steuerung von Lichtsignalanlagen Signalzeitenplan; K1,...,K4: Lichtsignalanlage K1 K2 K3 K4 10 20 30 Rot 40 50 60 Umlaufzeit in Sekunden Grün 70 80 90 Gelb Rot + Gelb Abbildung 8.3: Beispielhafter Signalzeitenplan für die Kreuzung 5 In dieser Abbildung steht die Lichtsignalanlage K1 am Stauraum 0, K2 am Stauraum 1, K3 am Stauraum 2 und K4 am Stauraum 3. 8.6 Optimierung der Grünzeiten Im Abschnitt 8.5.1 wurde erläutert, wie die Dauer der Freigabezeit für die einzelnen Stauräume ermittelt wurde. Nun soll der Beginn der Freigabezeit für jeden Knoten der Prioritätsstrecke berechnet werden. Das auf Seite 124 angesprochene ”Forward-” und ”Backtracking” wird nunmehr erläutert. Nachdem in der Prioritätsstrecke der mittlere Knoten gefunden worden ist, wird von diesem Knoten ausgehend berechnet, wie lange die Fahrzeuge von ihm bis zum nächsten Knoten brauchen. Dies geschieht mittels der in der Tabelle 8.3 gespeicherten Werte. Diese Zeit wird auf den Beginn der Freigabezeit eines jeden Knotens aufaddiert bzw. subtrahiert. Dadurch verschieben sich die Anfangszeiten der Freigabezeit entlang der Prioritätsstrecke. Angenommen, eine Prioritätsstrecke bestehe aus sieben Knoten 1,. . . ,7 und sie beginne bei Knoten 1 und ende bei Knoten 7; dann ist der Knoten 4 der mittlere Knoten. Ausgehend von diesem Knoten wird nach Festlegen des Grünzeitbeginns bei Sekunde 1 die Zeitdauer bis zum Erreichen des nächsten Knotens (Knoten 5 in diesem Beispiel) der Abstandsmatrix entnommen und der Beginn der Freigabezeit dieses Knotens auf den Beginn der Freigabezeit des Knotens 4 aufaddiert; dadurch wird der Beginn der Grünzeit des Knotens 5 um diesen Betrag ”verspätet”. Beim Knoten 5 geschieht nun wieder das gleiche; aus der Abstandsmatrix wird der Zeitbedarf bis zum nächsten Knoten genommen, dieser dem Grünzeitbeginn des Knotens 6 zugeschlagen. Dies wird so lange durchgeführt, bis der Endknoten der Prioritätsstrecke erreicht ist. Dasselbe geschieht ”rückwärts”; hier wird, wieder ausgehend von dem mittleren Knoten, die Zeit 128 8. Optimale Steuerung von Lichtsignalanlagen bis zum Vorgängerknoten (Knoten 3) der Matrix entnommen und der Grünzeitbeginn vom Beginn des Knotens 4 abgezogen, somit der Freigabezeitbeginn vom Knoten 3 ”verfrüht”. Auch hier wird so lange fortgefahren, bis man am Anfang der Prioritätsstrecke angelangt ist. Die Dauer der Freigabezeit selbst wird nicht verändert, da diese für die Verkehrsverhältnisse einer jeden Kreuzung individuell ermittelt wurde. Die folgenden Tabellen 8.4 und 8.5 mögen das ”Forward-” und ”Backtracking”, welches im folgenden auch Versatz aufgrund der Knotenentfernung genannt wird, veranschaulichen; hierbei sei auf das im Text beschriebene Beispiel einer Prioritätsstrecke von sieben Knoten, die bei Knoten 1 beginnt und bei Knoten 7 endet, zurückgegriffen. Zunächst sei eine Abstandsmatrix für die sieben Knoten angegeben: Abstandsmatrix der Knoten: z K n u o t m e n 1 2 3 4 5 6 7 vom K 1 2 3 0 10 0 10 0 7 0 7 0 0 0 5 0 0 0 0 0 0 0 0 0 no 4 0 0 5 0 15 0 0 ten 5 6 0 0 0 0 0 0 15 0 0 20 20 0 0 13 7 0 0 0 0 0 13 0 Tabelle 8.4: Beispiel einer Abstandmatrix bei sieben Knoten Daraus ergeben sich nun folgende Beginne der Freigabezeiten, wobei Knoten 4 der mittlere Knoten sei mit dem Beginn der Freigabezeit bei Sekunde 1; die Umlaufzeit betrage 90 Sekunden. Sollte ein Wert nach einer Addition größer als die Umlaufzeit sein, so wird diese von dem Wert subtrahiert; analoges geschieht, wenn der Wert kleiner als 0 werden sollte; dann wird die Umlaufzeit hinzuaddiert. 129 8. Optimale Steuerung von Lichtsignalanlagen Knoten 1 2 3 4 5 6 7 Freigabezeitbeginn bei Sekunde 69 (79 - 10) 79 (86 - 7) 86 (1 - 5 =-4; -4 + 90 = 86) 1 16 (1 + 15) 36 (15 + 20) 49 (36 + 13) Tabelle 8.5: Beispiel einer Berechnung des ”Forward-” und ”Backtracking” bei sieben Knoten Ab dem Knoten 4 bis zum Knoten 7 findet das ”Forwardtracking”, vom Knoten 4 bis zum Knoten 1 das ”Backwardtracking” statt. Der eben beschriebene Versatz des Grünzeitbeginns der einzelnen Knoten ist jedoch nur dann ”brauchbar”, wenn sich vor der nächsten Kreuzung kein Fahrzeug befindet. Warten vor einer Kreuzung eine bestimmte Anzahl von Fahrzeugen, dann dauert es auch eine gewisse Zeit, bis das letzte Fahrzeug aus der wartenden Reihe die Haltelinie erreicht hat. Daher muß der Freigabezeitbeginn nochmals verändert werden. Deswegen geht außer den reinen Fahrzeiten in diese Berechnung mit ein, wie lange es dauert, bis sich das letzte dieser vor der Kreuzung befindlichen Fahrzeuge in Bewegung gesetzt und die Haltelinie erreicht hat (Berechnung der Versatzzeit wegen wartender Fahrzeuge). Diese Berechnung erfolgt nach folgendem Algorithmus:8 1. Ermittlung, wieviele Fahrzeuge in jedem Stauraum i warten (Mittelwert) Ergebnis: anzahl_wartender_fahrzeuge_im_stauraum 2. Berechnung, wie lange es dauert, diesen Stau abzubauen: dofor jeden Stauraum i in der Prioritaetsstrecke j if ( anzahl_wartender_fahrzeuge_in_stauraum[i] == 1 ) then versatz = 3; else if ( anzahl_wartender_fahrzeuge_in_stauraum[i] == 2 ) then versatz = 7; else if ( anzahl_wartender_fahrzeuge_in_stauraum[i] == 3 ) then versatz = 10; else 8 Hierfür wurde der in [39, S.13ff] verwendete Algorithmus dahingehend modifiziert, daß sich die Zeiten für GELB und ROT-GELB gemäß [36] verkürzt haben. Daher ergeben sich andere Zeiten (im Vergleich zu den in [39] ermittelten), bis die Kolonne wartender Fahrzeuge abgebaut ist. 130 8. Optimale Steuerung von Lichtsignalanlagen if ( anzahl_wartender_fahrzeuge_in_stauraum[i] == 4 ) then versatz = 13; else versatz = 7 + 2*anzahl_wartender_fahrzeuge_in_stauraum[i] endif endif endif endif enddo Es muß differenziert werden, ob vom mittleren Knoten ein ”Forwardtracking” oder ”Backwardtracking” stattfindet. Beim ersteren muß der ”Versatz wegen wartender Fahrzeuge” vom ”Versatz aufgrund der Knotenabstände” abgezogen werden, da der Freigabezeitbeginn um genau diesen Betrag früher beginnen muß, um die entstandene Kolonne abzubauen. Umgekehrt verhält es sich beim ”Backwardtracking”; hier wird die Versatzzeit aufgrund wartender KFZ des Vorgängerknotens auf den Freigabezeitbeginn des betrachteten Knotens addiert, da die Grünzeit hier später beginnen muß, um den wartenden Fahrzeuge des Vorgängerknotens abfließen zu lassen. 8.6.1 Beispiel eines Simulationslaufes Bezogen auf das in Abbildung 8.1 vorgestellte Straßennetz sei eine Beispielrechnung angegeben (der Übersichtlichtlichkeit wegen sind nur die Ergebnisse der ersten beiden Prioritätsstrecken angegeben). Es sei das Ziel noch einmal genannt: Minimierung der durchschnittlichen Wartezeiten der sich im Netz befindlichen Fahrzeuge. Im folgenden steht das Kürzel K für Knoten, S für Stauraum und GR für die Grünzeit. Es werden nur die signalisierten Knoten betrachtet, da nur hier eine Beeinflussung des Verkehrsflußes geschehen kann. Die Simulationsdauer beträgt 1800 Sekunden und es befinden sich maximal 30 Fahrzeuge in dem Straßennetz. Zuerst werden die Prioritätsstrecken festgelegt und die Wartezeiten der Fahrzeuge berechnet. Simulationsdauer: 1800 Sekunden. Lauf Nr.: 1 Prioritaetsstrecke 0 : => K: 7 S: 1 => K: 6 S: 1 => K: 5 S: 1 => K: 4 S: 1 => K: 3 S: 1 Prioritaetsstrecke 1 : => K: 12 S: 1 => K: 11 S: 1 => K: 10 S: 1 => K: 9 S: 1 => K: 8 S: 1 Wartezeit der KFZ in der Prioritaetsstrecke 0: 131 8. Optimale Steuerung von Lichtsignalanlagen K: 6; S: 1; Anz KFZ: 4; Ges. Wartezeit: K: 5; S: 1; Anz KFZ: 80; Ges. Wartezeit: K: 4; S: 1; Anz KFZ: 81; Ges. Wartezeit: Summe durchschnittlicher Wartezeit: 41 149; Durchschnitt: 37 192; Durchschnitt: 2 231; Durchschnitt: 2 Wartezeit der KFZ in der Prioritaetsstrecke 1: K: 11; S: 1; Anz KFZ: 3; Ges. Wartezeit: 114; Durchschnitt: 38 K: 10; S: 1; Anz KFZ: 15; Ges. Wartezeit: 1453; Durchschnitt: 96 K: 9; S: 1; Anz KFZ: 21; Ges. Wartezeit: 2375; Durchschnitt: 113 Summe durchschnittlicher Wartezeit: 288 Aus den berechneten Verkehrsstärken ergeben sich die Prioritätsstrecken 0 und 1: • Prioritätsstrecke 0: von Knoten 7 (nicht signalisiert) → Knoten 6 → Knoten 5 → Knoten 4 → Knoten 3 (nicht signalisiert). • Prioritätsstrecke 1: von Knoten 12 (nicht signalisiert) → Knoten 11 → Knoten 10 → Knoten 9 → Knoten 8 (nicht signalisiert). Die angebene Wartezeit der Fahrzeuge wird bei jedem Fahrzeug um eine Sekunde erhöht, wenn ein Fahrzeug die Geschwindigkeit von 0 hat. Der Wert von Ges. Wartzeit ergibt sich aus der Aufsummierung der Wartezeiten sämtlicher Fahrzeuge während der Simulationsdauer. Der Wert von Anz KFZ ist das Ergebnis, wieviele Fahrzeuge den Stauraum im Laufe der Simulationszeit befahren haben. Der Durchschnitt berechnet sich aus dem Quotienten zwischen Ges. Wartezeit und Anz KFZ. Nunmehr erfolgt die Angabe der Versatzzeiten. Mittlerer Knoten in Prioritaetsstrecke 0 = Knoten Knoten: 4; Stauraum: 1: Durchschn. Versatz Entf.( 5 => 4): 15, Versatz Knoten: 5; Stauraum: 1: Durchschn. Versatz Entf.( 6 => 5): 7, Versatz 5 Anzahl wart. KFZ: 1 wart. KFZ 3; Gesamtversatz: 12 Anzahl wart. KFZ: 1 wart. KFZ 3; Gesamtversatz: -4 Mittlerer Knoten in Prioritaetsstrecke 1 = Knoten 10 Knoten: 9; Stauraum: 1: Durchschn. Versatz Entf.(10 => 9): 7, Versatz Knoten: 10; Stauraum: 1: Durchschn. Versatz Entf.(11 =>10): 12, Versatz Anzahl wart. KFZ: 5 wart. KFZ 15; Gesamtversatz: -8 Anzahl wart. KFZ: 5 wart. KFZ 15; Gesamtversatz: 3 Die durchschnittliche Anzahl wartender KFZ ergibt sich aus der Summe der Anzahl wartender Fahrzeuge bezogen auf die Dauer der Simulationszeit. Weiterhin angegeben ist der Versatz in Sekunden für die Entfernung zwischen den Knoten (z. B. Versatz Entf.( 10 => 9): 7 für die zeitlichen Entfernung vom Knoten 10 zum Knoten 9 aus der Tabelle 8.3) und der Versatz aufgrund wartender Fahrzeuge (Versatz wart. KFZ 15 für 5 im 132 8. Optimale Steuerung von Lichtsignalanlagen Durchschnitt wartende KFZ). Daraus ergibt sich nun folgende Grünzeitverteilung für die signalisierten Knoten: 133 8. Optimale Steuerung von Lichtsignalanlagen Ausgabe der Gruenzeitverteilung: Prioritaetsstrecke 0 Prioritaetsstrecke 1 K: K: K: K: K: K: K: K: K: K: K: K: 4; 4; 4; 4; 4; 4; 4; 4; 4; 4; 4; 4; S: S: S: S: S: S: S: S: S: S: S: S: 0; 0; 0; 1; 1; 1; 2; 2; 2; 3; 3; 3; Start Dauer Ende Start Dauer Ende Start Dauer Ende Start Dauer Ende GR: GR: GR: GR: GR: GR: GR: GR: GR: GR: GR: GR: 71 29 10 13 55 68 71 29 10 13 55 68 K: K: K: K: K: K: K: K: K: K: K: K: 9; 9; 9; 9; 9; 9; 9; 9; 9; 9; 9; 9; S: S: S: S: S: S: S: S: S: S: S: S: 0; 0; 0; 1; 1; 1; 2; 2; 2; 3; 3; 3; Start Dauer Ende Start Dauer Ende Start Dauer Ende Start Dauer Ende GR: GR: GR: GR: GR: GR: GR: GR: GR: GR: GR: GR: 56 24 80 83 60 53 56 24 80 83 60 53 K: K: K: K: K: K: K: K: K: K: K: K: 5; 5; 5; 5; 5; 5; 5; 5; 5; 5; 5; 5; S: S: S: S: S: S: S: S: S: S: S: S: 0; 0; 0; 1; 1; 1; 2; 2; 2; 3; 3; 3; Start Dauer Ende Start Dauer Ende Start Dauer Ende Start Dauer Ende GR: GR: GR: GR: GR: GR: GR: GR: GR: GR: GR: GR: 57 32 89 1 53 54 57 32 89 1 53 54 K: K: K: K: K: K: K: K: K: K: K: K: 10; 10; 10; 10; 10; 10; 10; 10; 10; 10; 10; 10; S: S: S: S: S: S: S: S: S: S: S: S: 0; 0; 0; 1; 1; 1; 2; 2; 2; 3; 3; 3; Start Dauer Ende Start Dauer Ende Start Dauer Ende Start Dauer Ende GR: GR: GR: GR: GR: GR: GR: GR: GR: GR: GR: GR: 60 28 88 1 56 57 60 28 88 1 56 57 K: K: K: K: K: K: K: K: K: K: K: K: 6; 6; 6; 6; 6; 6; 6; 6; 6; 6; 6; 6; S: S: S: S: S: S: S: S: S: S: S: S: 0; 0; 0; 1; 1; 1; 2; 2; 2; 3; 3; 3; Start Dauer Ende Start Dauer Ende Start Dauer Ende Start Dauer Ende GR: GR: GR: GR: GR: GR: GR: GR: GR: GR: GR: GR: 53 31 84 87 53 50 53 31 84 87 53 50 K: K: K: K: K: K: K: K: K: K: K: K: 11; 11; 11; 11; 11; 11; 11; 11; 11; 11; 11; 11; S: S: S: S: S: S: S: S: S: S: S: S: 0; 0; 0; 1; 1; 1; 2; 2; 2; 3; 3; 3; Start Dauer Ende Start Dauer Ende Start Dauer Ende Start Dauer Ende GR: GR: GR: GR: GR: GR: GR: GR: GR: GR: GR: GR: 61 30 1 4 54 58 61 30 1 4 54 58 Tabelle 8.6: Auflistung der Grünzeitverteilungen nach dem ersten Durchlauf 134 8. Optimale Steuerung von Lichtsignalanlagen Beim zweiten Durchlauf ergibt sich aufgrund dieser Grünzeitverteilungen und den dadurch entstehenden Verkehrssituationen eine andere Reihenfolge der Prioritätsstrecken: Lauf Nr.: 2 Prioritaetsstrecke 0 : => K: 12 S: 1 => K: 11 S: 1 => K: 10 S: 1 => K: 9 S: 1 => K: 8 S: 1 Prioritaetsstrecke 1 : => K: 7 S: 1 => K: 6 S: 1 => K: 5 S: 1 => K: 4 S: 1 => K: 3 S: 1 Auch die Werte für die Wartezeiten sowie die Versatzzeiten ändern sich: Wartezeit der KFZ in der Prioritaetsstrecke 0: K: 11; S: 1; Anz KFZ: 3; Ges. Wartezeit: 37; Durchschnitt: 12 K: 10; S: 1; Anz KFZ: 7; Ges. Wartezeit: 179; Durchschnitt: 25 K: 9; S: 1; Anz KFZ: 12; Ges. Wartezeit: 449; Durchschnitt: 37 Summe durchschnittlicher Wartezeit: 74 Wartezeit der KFZ in der Prioritaetsstrecke 1: K: 6; S: 1; Anz KFZ: 4; Ges. Wartezeit: 82; Durchschnitt: 20 K: 5; S: 1; Anz KFZ: 82; Ges. Wartezeit: 551; Durchschnitt: 6 K: 4; S: 1; Anz KFZ: 85; Ges. Wartezeit: 643; Durchschnitt: 7 Summe durchschnittlicher Wartezeit: 107 Mittlerer Knoten in Prioritaetsstrecke 0 = Knoten 10 Knoten: 9; Stauraum: 1: Durchschn. Versatz Entf.(10 => 9): 7, Versatz Knoten: 10; Stauraum: 1: Durchschn. Versatz Entf.(11 =>10): 12, Versatz Anzahl wart. KFZ: 4 wart. KFZ 13; Gesamtversatz: -6 Anzahl wart. KFZ: 4 wart. KFZ 13; Gesamtversatz: 1 Mittlerer Knoten in Prioritaetsstrecke 1 = Knoten Knoten: 4; Stauraum: 1: Durchschn. Versatz Entf.( 5 => 4): 15, Versatz Knoten: 5; Stauraum: 1: Durchschn. Versatz Entf.( 6 => 5): 7, Versatz 5 Anzahl wart. KFZ: 2 wart. KFZ 7; Gesamtversatz: Anzahl wart. KFZ: 2 wart. KFZ 7; Gesamtversatz: 8 0 Zwar hat sich die Wartezeit der Prioritätsstrecke 0 (vorher 1) verschlechtert (107 Sekunden zu 41 Sekunden), doch dem gegenüber ist die bei der Prioritätsstrecke 1 (vorher 0) deutlich geringer (74 zu 288). Im dritten Lauf sind die Verbesserungen nun noch größer: 135 8. Optimale Steuerung von Lichtsignalanlagen Lauf Nr.: 3 Prioritaetsstrecke 0 : => K: 7 S: 1 => K: 6 S: 1 => K: 5 S: 1 => K: 4 S: 1 => K: 3 S: 1 Prioritaetsstrecke 1 : => K: 12 S: 1 => K: 11 S: 1 => K: 10 S: 1 => K: 9 S: 1 => K: 8 S: 1 Wartezeit der KFZ in der Prioritaetsstrecke 0: K: 6; S: 1; Anz KFZ: 4; Ges. Wartezeit: 75; Durchschnitt: 18 K: 5; S: 1; Anz KFZ: 83; Ges. Wartezeit: 601; Durchschnitt: 7 K: 4; S: 1; Anz KFZ: 86; Ges. Wartezeit: 695; Durchschnitt: 8 Summe durchschnittlicher Wartezeit: 33 Wartezeit der KFZ in der Prioritaetsstrecke 1: K: 11; S: 1; Anz KFZ: 4; Ges. Wartezeit: 78; Durchschnitt: 19 K: 10; S: 1; Anz KFZ: 8; Ges. Wartezeit: 221; Durchschnitt: 27 K: 9; S: 1; Anz KFZ: 13; Ges. Wartezeit: 488; Durchschnitt: 37 Summe durchschnittlicher Wartezeit: 85 Mittlerer Knoten in Prioritaetsstrecke 0 = Knoten Knoten: 4; Stauraum: 1: Durchschn. Versatz Entf.( 5 => 4): 15, Versatz Knoten: 5; Stauraum: 1: Durchschn. Versatz Entf.( 6 => 5): 7, Versatz 5 Anzahl wart. KFZ: 2 wart. KFZ 7; Gesamtversatz: Anzahl wart. KFZ: 2 wart. KFZ 7; Gesamtversatz: 8 0 Mittlerer Knoten in Prioritaetsstrecke 1 = Knoten 10 Knoten: 9; Stauraum: 1: Durchschn. Versatz Entf.(10 => 9): 7, Versatz Knoten: 10; Stauraum: 1: Durchschn. Versatz Entf.(11 =>10): 12, Versatz Anzahl wart. KFZ: 4 wart. KFZ 13; Gesamtversatz: -6 Anzahl wart. KFZ: 4 wart. KFZ 13; Gesamtversatz: 1 Hier ist wieder ein Wechsel der Reihenfolge der Prioritätsstrecken zu beobachten. Dieser wirkt sich aber kaum aus, da beide Prioritätsstrecken in die Richtung ”Stadtmitte” koordiniert sind. Nach dem 14. Lauf ergaben sich keine Verbesserungen mehr. Der Vollständigkeit halber werden diese Ergebnisse hier dargestellt: 136 8. Optimale Steuerung von Lichtsignalanlagen Lauf Nr.: 14 Prioritaetsstrecke 0 : => K: 7 S: 1 => K: 6 S: 1 => K: 5 S: 1 => K: 4 S: 1 => K: 3 S: 1 Prioritaetsstrecke 1 : => K: 12 S: 1 => K: 11 S: 1 => K: 10 S: 1 => K: 9 S: 1 => K: 8 S: 1 Wartezeit der KFZ in der Prioritaetsstrecke 0: K: 6; S: 1; Anz KFZ: 5; Ges. Wartezeit: 54; Durchschnitt: 10 K: 5; S: 1; Anz KFZ: 83; Ges. Wartezeit: 478; Durchschnitt: 5 K: 4; S: 1; Anz KFZ: 86; Ges. Wartezeit: 548; Durchschnitt: 6 Summe durchschnittlicher Wartezeit: 21 Wartezeit der KFZ in der Prioritaetsstrecke 1: K: 11; S: 1; Anz KFZ: 3; Ges. Wartezeit: 34; Durchschnitt: 11 K: 10; S: 1; Anz KFZ: 7; Ges. Wartezeit: 130; Durchschnitt: 18 K: 9; S: 1; Anz KFZ: 12; Ges. Wartezeit: 431; Durchschnitt: 35 Summe durchschnittlicher Wartezeit: 85 Mittlerer Knoten in Prioritaetsstrecke 0 = Knoten Knoten: 4; Stauraum: 1: Durchschn. Versatz Entf.( 5 => 4): 15, Versatz Knoten: 5; Stauraum: 1: Durchschn. Versatz Entf.( 6 => 5): 7, Versatz 5 Anzahl wart. KFZ: 2 wart. KFZ 7; Gesamtversatz: Anzahl wart. KFZ: 3 wart. KFZ 10; Gesamtversatz: 8 3 Mittlerer Knoten in Prioritaetsstrecke 1 = Knoten 10 Knoten: 9; Stauraum: 1: Durchschn. Versatz Entf.(10 => 9): 7, Versatz Knoten: 10; Stauraum: 1: Durchschn. Versatz Entf.(11 =>10): 12, Versatz Anzahl wart. KFZ: 3 wart. KFZ 10; Gesamtversatz: -3 Anzahl wart. KFZ: 3 wart. KFZ 10; Gesamtversatz: -2 Ausgabe der Gruenzeitverteilung: Prioritaetsstrecke 0 K: K: K: K: K: K: 4; 4; 4; 4; 4; 4; S: S: S: S: S: S: 0; 0; 0; 1; 1; 1; Start Dauer Ende Start Dauer Ende GR: GR: GR: GR: GR: GR: Prioritaetsstrecke 1 72 24 6 9 60 69 K: K: K: K: K: K: 9; 9; 9; 9; 9; 9; 137 S: S: S: S: S: S: 0; 0; 0; 1; 1; 1; Start Dauer Ende Start Dauer Ende GR: GR: GR: GR: GR: GR: 66 19 85 88 65 63 8. Optimale Steuerung von Lichtsignalanlagen K: K: K: K: K: K: 4; 4; 4; 4; 4; 4; S: S: S: S: S: S: 2; 2; 2; 3; 3; 3; Start Dauer Ende Start Dauer Ende GR: GR: GR: GR: GR: GR: 72 24 6 9 60 69 K: K: K: K: K: K: 9; 9; 9; 9; 9; 9; S: S: S: S: S: S: 2; 2; 2; 3; 3; 3; Start Dauer Ende Start Dauer Ende GR: GR: GR: GR: GR: GR: 66 19 85 88 65 63 K: K: K: K: K: K: K: K: K: K: K: K: 5; 5; 5; 5; 5; 5; 5; 5; 5; 5; 5; 5; S: S: S: S: S: S: S: S: S: S: S: S: 0; 0; 0; 1; 1; 1; 2; 2; 2; 3; 3; 3; Start Dauer Ende Start Dauer Ende Start Dauer Ende Start Dauer Ende GR: GR: GR: GR: GR: GR: GR: GR: GR: GR: GR: GR: 56 32 88 1 52 53 56 32 88 1 52 53 K: K: K: K: K: K: K: K: K: K: K: K: 10; 10; 10; 10; 10; 10; 10; 10; 10; 10; 10; 10; S: S: S: S: S: S: S: S: S: S: S: S: 0; 0; 0; 1; 1; 1; 2; 2; 2; 3; 3; 3; Start Dauer Ende Start Dauer Ende Start Dauer Ende Start Dauer Ende GR: GR: GR: GR: GR: GR: GR: GR: GR: GR: GR: GR: 61 27 88 1 57 58 61 27 88 1 57 58 K: K: K: K: K: K: K: K: K: K: K: K: 6; 6; 6; 6; 6; 6; 6; 6; 6; 6; 6; 6; S: S: S: S: S: S: S: S: S: S: S: S: 0; 0; 0; 1; 1; 1; 2; 2; 2; 3; 3; 3; Start Dauer Ende Start Dauer Ende Start Dauer Ende Start Dauer Ende GR: GR: GR: GR: GR: GR: GR: GR: GR: GR: GR: GR: 61 30 1 4 54 58 61 30 1 4 54 58 K: K: K: K: K: K: K: K: K: K: K: K: 11; 11; 11; 11; 11; 11; 11; 11; 11; 11; 11; 11; S: S: S: S: S: S: S: S: S: S: S: S: 0; 0; 0; 1; 1; 1; 2; 2; 2; 3; 3; 3; Start Dauer Ende Start Dauer Ende Start Dauer Ende Start Dauer Ende GR: GR: GR: GR: GR: GR: GR: GR: GR: GR: GR: GR: 56 30 86 89 54 53 56 30 86 89 54 53 Zur Anmerkung sei gesagt, daß zur Ermittlung dieser Ergebnisse nur ca. 31 Sekunden Rechenzeit auf einer SPARCstation 10 (40 MHz) der Firma SUN benötigt wurden. 8.7 Bewertung der Ergebnisse Im vorangegangenen Abschnitt wurde eine Beispiel eines Simulationslaufes dargestellt. Dabei hatte das Straßennetz einen Umfang von 16 Knoten (siehe Abbildung 8.1); in diesem Netz befanden sich maximal 30 Fahrzeuge, die während der Simulationsdauer von 1800 Sekunden dort gefahren sind. Vergleicht man die Ergebniswerte des ersten Durchlaufes mit denen des 14. Laufes, so stellt man eine eindeutige Verbesserung der durchschnittlichen Wartezeit in der Ko- 138 8. Optimale Steuerung von Lichtsignalanlagen ordinierungsrichtung (Verlauf der Prioritätsstrecken) fest. Im ersten Lauf betrug die durchschnittliche Wartezeit in der Prioritätsstrecke 0 41 und in 1 288 Sekunden; am Ende wurde ein Ergebnis von 21 für die Strecke 0 und 85 für die Strecke 1 erreicht. Von der Koordinierung in Richtung ”Stadtmitte” profitieren jedoch auch die Fahrzeuge, die in die Gegenrichtung (Richtung ”Stadtrand”) fahren, da für diese Richtung die gleich lange Grünzeitdauer wie für die Richtung ”Stadtmitte” berechnet wurde. Selbst wenn ein Fahrzeug aus den Randknoten in das Netz einfließt, deren Einspeisungsquote gering ist (im Vergleich zu den Knoten 7 und 8), muß es maximal an einem Knoten eine längere Wartezeit in Kauf nehmen, wenn es in die Koordinierungsrichtung einbiegt. Kommt beispielsweise ein Fahrzeug aus Knoten 11 und will dieses über die Knoten 6, 5, 4 und 3 in Richtung ”Stadtmitte” fahren, so hat es wahrscheinlich am Knoten 6 beim Linksabbiegen eine Wartezeit; ansonsten kommt es ”in den Genuß” der Koordinierung ”Stadtmitte”. Im Hinblick auf die formulierten Ziele, nämlich der Minimierung der durchschnittlichen Wartezeit der in einem Straßennetz fahrenden Fahrzeuge, wurden diese somit erreicht. 139 9. Zusammenfassung und Ausblick In den vorigen Kapiteln wurde eine Möglichkeit vorgestellt, das Verkehrsgeschehen und dessen Regelungsmöglichkeiten mittels Lichtsignalanlagen möglichst realitätsnah zu simulieren (Kapitel 6 Entwicklung des Modells, in Kapitel 7 die Modellierung des Straßennetzes und der Verkerhrsvorgänge in diesem sowie in Kapitel 8 die Optimierung der Steuerung der Lichtsignalanlagen). Dadurch liefert die vorliegende Modellierung und Simulation Möglichkeiten, die eine Verkehrsplanung erleichtern können. Da reale Daten wie Werte aus dem Strombelastungsplan als Basisdaten verwendet werden, sind die Aussagen, die durch die Simulation ermittelt werden, durchaus wirklichkeitssnah. Es werden Ergebnisse geliefert, die • auf Schwachstellen der Lichtsignalsteuerung, beispielsweise durch zu kurze Umlauf– und/oder Freigabezeiten oder ungünstige Phasenfolgen und/oder -einteilungen, und • auf Schwächen der Verkehrsführung z. B. durch fehlende Abbiegespuren, wodurch sich Verkehrsbehinderungen wie Staus ergeben können, beispielsweise durch abbiegende Fahrzeuge, die damit die geradeausfahrenden wegen fehlender Abbiegespuren unnötig behindern, hinweisen. Dennoch bleibt der Verkehrsplaner nach wie vor gefragt, da • er entsprechendes Fachwissen und Erfahrung hat, • seine Kenntnisse in Kombination mit den Ergebnissen der Simulation dieser Arbeit aller Voraussicht nach eine gute Verkehrsplanung und Verkehrssteuerung ermöglichen und • sich durch die Verbindung von beidem ein Synergieeffekt ergeben kann. Eine Simulation kann in der Regel die realen Verhältnisse nur näherungsweise so abbilden und nachvollziehen, wie sie sich wirklich abspielen. Hierzu zählt auch die Diskretisierung der zeitlichen Abläufe im Modell; dies dürfte jedoch ein Problem sein, mit dem jede zeitbehaftete Simulation zu kämpfen hat und das die Grenzen der Modellierung zeigt. Andererseits ist das Verkehrsgeschehen eben so komplex, daß alle Zustände und Ereignisse, die in der Wirklichkeit stattfinden, unmöglich dargestellt werden können. Zwei Beispiele sollen dies verdeutlichen. 140 9. Zusammenfassung und Ausblick In dem Modell wurde pro Fahrtrichtung nur maximal ein Fahrstreifen vorgesehen. Das Hinzufügen eines weiteren (oder gar mehrerer) Fahrstreifen ist sicherlich realisierbar. Schwierigkeiten ergeben sich jedoch, wenn entschieden werden soll, • welches Fahrzeug auf welchem Fahrstreifen fährt, • welches die Kriterien für einen Fahrstreifenwechsel sind und • wann ein Fahrstreifenwechsel durchgeführt werden soll. Wenn man sich an der Wirklichkeit orientiert und das Verkehrsgeschehen beobachtet, kann man feststellen, daß es für einen Fahrstreifenwechsel meistens zwei Gründe gibt: 1. vor dem Fahrzeug, welches den Fahrstreifen wechseln will, fährt ein langsameres Fahrzeug, das überholt werden soll; 2. es befindet sich ein Hindernis im eigenen Fahrstreifen, was umfahren werden soll. Eine genauere Modellierung könnte darin bestehen, zu versuchen, alle die Tätigkeiten, die ein Autofahrer vor einem Spurwechsel durchführt, in das Modell miteinzubeziehen, z. B. • vor dem KFZ, das den Fahrstreifen wechseln will, fährt ein weiteres Fahrzeug in ausreichendem Sicherheitsabstand, • ist die eigene Geschwindigkeit ausreichend oder bremst der Vorausfahrende, so daß ein Wechsel der Fahrspur unmöglich ist, • erlaubt die augenblickliche Verkehrssituation wegen z. B. hoher Verkehrsdichte einen Fahrstreifenwechsel überhaupt? • werden durch den Fahrstreifenwechsel andere Fahrzeuge gefährdet und dadurch evtl. zum Bremsen gezwungen? Es ließen sich bei einer Modellierung mittels Petri-Netzen die ersten beiden Punkte realisieren (Prüfung des Sicherheitsabstandes hinter dem Fahrzeug, das die Spur wechseln will, durch Abfragen der Markeneigenschaften). Nur wird eine solche Modellierung durch die Abfragen und Bedingungen, die an die Kanten geknüpft werden müssen, so aufwendig, daß ein solches Petri-Netz aller Wahrscheinlichkeit nach sehr schnell sehr groß und unübersichtlich und damit schwer nachzuvollziehen sein wird. Man denke allein daran, wieviele Eigenschaften von Fahrzeugen (Marken), die sich in Bewegung befinden und damit ihre Eigenschaften ständig verändern, abgeprüft werden müssen, bevor entschieden werden kann, ob ein Fahrstreifenwechsel stattfinden kann. Als weiteren Punkt wurden in der Simulation Fußgänger (mit Ausnahme der Darstellung einer einfachen Kreuzung, die als Fußgängerampel fungiert), ÖPNV und andere Verkehrsteilnehmer nicht berücksichtigt. Auch solche Ereignisse, die im realen Verkehrsgeschehen auftreten, wie z. B. Baustellen oder unterschiedliche Witterungsverhältnisse, finden keinen Eingang in das Modell. Die Schwierigkeit liegt darin, daß derartige 141 9. Zusammenfassung und Ausblick Faktoren im Modell nicht erfaßt werden können. Man denke an das Wetter; wann werden bestimmte Witterungsbedingungen herrschen und wie sollen diese in das Modell eingehen? Wenn es beispielsweise schneit und die Straßen glatt sind, legen bestimmte Verkehrsteilnehmer ein völlig anderes Verhalten an den Tag als bei ”normalen” Witterungsverhältnissen. Alle diese Faktoren in eine Simulation einfließen zu lassen, erscheint zum jetzigen Zeitpunkt nicht realisierbar. Mit der hier vorgestellten Modellierung ist es jedoch trotz der oben genannten Schwachpunkte gelungen, den innerstädtischen Straßenverkehr und seine Steuerung mittels Lichtsignalanlagen gut abzubilden. Die Steuerung der Lichtsignale hat sich als brauchbar erwiesen, um das angestrebte Ziel, die durchschnittlichen Wartezeiten zu minimieren, zu erreichen. Dies zeigen die im Kapitel 8 errechneten Ergebnisse. Somit dürfte dem Verkehrsplaner ein nützliches Instrument zur Verfügung stehen, um den Verkehrsfluß, auch im Hinblick auf ein in der Zukunft zu erwartendes höheres Verkehrsaufkommen, zu bewältigen. 142 Literaturverzeichnis [1] Abel, Dirk: Petri-Netze für Ingenieure. Springer–Verlag, Berlin, Heidelberg, New York, London, Paris, 1990. [2] Androsch, Wolfgang: Untersuchungen zur Signalfolge an Knotenpunkten. Forschung Straßenbau und Straßenverkehrstechnik. Bundesminister für den Verkehr, Abteilung Straßenbau, Bonn - Bad Godesberg, 1976. 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