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Anorexia nervosa – Diagnostik
und Therapie
Anzeichen früh zu erkennen ist wesentlich für die Prognose -- Autoren: M. Frey, I. Wermuth
Magersucht ist eine oft in der Adoleszenz beginnende langjährige psychische Erkrankung.
Das zentrale Kennzeichen ist der selbst herbeigeführte – manchmal lebensbedrohliche –
­Gewichtsverlust. Ein frühzeitiger Behandlungsbeginn mit Priorität auf einer Gewichts­zunahme
ist entscheidend für die Prognose. Dieser Beitrag unterstützt Sie dabei, erste Anzeichen zu
­erkennen, Symptome einzuordnen und rechtzeitig die Therapie einzuleiten.
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In Europa wird für eine Anorexia nervosa (AN) bei
Frauen eine Lebenszeitprävalenz von 1–4% angege­
ben. Männer leiden mit 0,3–0,7% deutlich seltener
an einer Essstörung [1]. Die AN gilt als die psychia­
trische Erkrankung mit der höchsten Mortalitäts­rate
(5,1/1.000 Personenjahre) v. a. bedingt durch die le­
bensbedrohlichen Folgen der Unterernährung und
durch Suizide [2]. Das größte Risiko für eine Erster­
krankung besteht in einem Alter zwischen 12–19
Jahren [3, 4]. Magersüchtige nehmen ihren ­eigenen
Körper verzerrt wahr. Weibliche Patienten folgen
insbesondere einem schlanken Idealtyp, während
männlichen meist ein definierter und muskulöser
Körper wichtig ist [5, 6].
MMW Fortschr Med. 2022; 164 (5)
Symptomatik
Es besteht ein für die Körpergröße und bei Minder­
jährigen zudem für das Alter zu niedriges Körper­
gewicht (ICD-11: BMI < 18,5 kg/m2 für Erwachsene
bzw. < 5. BMI-Perzentile für Minderjährige) oder ein
starker Gewichtsverlust (ICD-11: > 20% in 6 Mona­
ten). Eine AN kann sich schleichend entwickeln. Zu
Beginn werden häufig nur „ungesunde“ oder „fett­
machende“ Nahrungsmittel weggelassen und ver­
mehrt Sport betrieben. Bei der restriktiven Form der
AN stehen die verminderte Energiezufuhr und kör­
perliche Aktivität im Vordergrund. Beim Binge-­
Eating- bzw. Purging-Muster (ICD-10: aktiver Typ)
kommen weitere kompensatorische Maßnahmen wie
© KatarzynaBialasiewicz / Getty Images / iStock (Symbolbild mit Fotomodell)
Prof. Dr. med.
Michael Frey
Fakultät Angewandte
Gesundheitswissen­
schaften
Technische Hoch­
schule Deggendorf
FORTBILDUNG
Erbrechen oder Laxanzienabusus hinzu. Die Moti­
vation für die Gewichtsabnahme ist in der Regel eine
Unzufriedenheit mit dem eigenen Körper, die sich
bis hin zur überwertigen Idee „zu dick“ zu sein, im
Sinne einer Körperschemastörung entwickelt. Das
Resultat ist eine massive Gewichtsphobie. In der Fol­
ge kommt es zu einem suchtartigen Streben nach
­einem immer niedrigeren Körpergewicht.
Ätiologie
Die Ätiologie der AN ist multifaktoriell. Es besteht
eine Heritabilität von ca. 50–75% [7]. In vielen Stu­
dien konnte zudem als starker Einflussfaktor die Un­
zufriedenheit mit dem eigenen Körper identifiziert
werden [8, 9]. Häufig haben v. a. Mädchen mit einer
AN zu Beginn der Pubertät Schwierigkeiten bei der
Integration der körperlichen Veränderungen in das
Selbstbild. Das gesellschaftliche Körper­ideal sowie
die Medien spielen hier eine wichtige Rolle [10]. Zu­
dem weisen wissenschaftliche Befunde darauf hin,
dass u. a. eine Beeinträchtigung im Selbstwert sowie
zwanghafte oder ängstlich-vermeidende Persönlich­
keitszüge einen Risikofaktor darstellen [7].
Neurobiologisch gibt es Hinweise auf eine dopa­
minerge und serotonerge Dysregulation mit Einfluss
auf die Affektregulation und das Belohnungssystem
[7]. Ein Teil der Symptomatik ist bei deutlich unter­
gewichtigen Patienten auch durch das Untergewicht
und das Hungern selbst bedingt. Dazu zählen u. a.
Bewegungsdrang, depressive Stimmungslage, affek­
tive Instabilität, Verlust der Libido, Konzentrations­
störungen und eine starke gedankliche Beschäf­t igung
mit Essen – was sich auch in Gesprächen zeigen kann
[11, 12]. Somit stellt das Untergewicht selbst einen Ri­
sikofaktor für das Fortschreiten der Erkrankung dar.
Komorbidität
Am häufigsten treten gleichzeitig Angststörungen
(> 50%), affektive Störungen (> 40%), Persönlich­
keitsstörungen (ca. 40%), selbstverletzendes Verhalten
(> 20%) sowie Substanzabusus (> 10%) auf [1, 13].
Diagnostik
Diagnosekriterien
Für die Diagnosestellung müssen die Kriterien der
ICD-10 bzw. künftig der ICD-11 erfüllt sein, wobei
letztere wesentliche Neuerungen beinhaltet. Die Ge­
wichtsgrenze für Erwachsene wurde von einem BMI
von 17,5 kg/m2 auf 18,5 kg/m2 angehoben, für Min­
derjährige wird mit der 5. BMI-Perzentile in der
ICD-11 eine sehr niedrige Gewichtsgrenze gesetzt.
Die S3-Leitlinie gibt die 10. BMI-Perzentile als Unter­
grenze an [7]. Die beiden in der ICD-10 aufgeführten
Sub­typen der AN (restriktiv vs. aktiv) bleiben er­
halten. Das Kriterium der endokrinen Störung mit
­ anifestation als Amenorrhö bei Frauen bzw. LibidoM
und Potenzverlust bei Männern entfällt.
Neu eingeführt wurde in der ICD-11 eine Subtypi­
sierung der AN hinsichtlich des Gewichts: Mit
­„signifikant niedrigem Körpergewicht“ (< 18,5 kg/m2
bzw. BMI < 5. Altersperzentile bei Minderjährigen)
und mit „gefährlich niedrigem Körpergewicht“ (BMI
< 14 kg/m2 bzw. BMI < 3. Altersperzentile bei Min­
derjährigen). Neu ist auch die Diagnose einer AN „in
Remission mit normalem Körpergewicht“, womit die
(intermittierenden) Remissionen im Krankheitsver­
lauf besser abgebildet werden können [14].
Diagnostik und Differenzialdiagnostik
In der Regel sind ein selbst herbeigeführter Gewichts­
verlust, eine Körperschemastörung sowie eine Ge­
wichtsphobie leitende Befunde, die eine Abgrenzung
zu einem Gewichtsverlust bei anderen psychiatrischen
(z. B. Depressionen oder Angststörungen) oder soma­
tischen Erkrankungen ermöglichen. Zahlreiche test­
psychologische Instrumente und v. a. spezielle Inven­
tare für Essstörungen wie z. B. das psychometrische
Selbstberichtsinstrument Eating Disorder Inventory
können bei der Diagnostik unterstützend eingesetzt
werden. Eine Übersicht bietet die S3-Leitlinie [7]. Den
somatischen Befunden kommt bei der Diagnostik
ebenfalls eine erhebliche Bedeutung zu (Tab. 1).
70%
der Patienten mit Ess­
störungen leiden zusätzlich
an anderen psychiatrischen
Erkrankungen.
Häufige Befunde der körperlichen Untersuchung
Der Grundumsatz wird durch das Untergewicht ge­
senkt. Körpertemperatur, Puls und Blutdruck sind
erniedrigt. Zudem fallen neben der ausgeprägten
­Kachexie mit fehlendem Unterhautfettgewebe und
Muskelatrophie häufig eine trockene Haut, ein
Haarverlust eine periphere Zyanose, brüchige Nä­
gel, eine Lanugo-Behaarung und ggf. Ödeme an
Tab. 1 Übersicht der in der S3-Leitlinie empfohlenen Untersuchungen
Empfohlene Untersuchungen [7]:
Anthropometrie
– Vitalzeichen, Körpergröße und -gewicht, Pubertätsstatus
(bei Minderjährigen)
Körperliche
Untersuchung
– Inklusive Inspektion der Körperperipherie (Durchblutung,
Ödeme), Mundhöhle und Speicheldrüsen
– Ggf. Orthostase-Test
Labor
– Differenzialblutbild, Blutkörperchensenkungsgeschwindigkeit,
­C-reaktives Protein, Elektrolyte, Glukose, Leberstatus (inklusive
­G erinnung), Nierenwerte, Thyreoidea-stimulierendes Hormon,
Amylase, Lipase
– Je nach Indikation ggf. weitere Parameter wie z. B. Eisen,
­Vitamine, Spurenelemente
– Urinstatus
Apparative
Unter­suchungen
– Sonografie Abdomen, Elektroradiogramm
– Ggf. Echokardiografie
MMW Fortschr Med. 2022; 164 (5)
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FORTBILDUNG
den Unterschenkeln auf [15]. Bei regelmäßigem
selbstindu­ziertem Erbrechen ist ggf. das Russel-Zei­
chen im Sinne einer Hyperkeratose am Handrücken
der zum Auslösen des Würgereizes verwendeten
Hand zu sehen.
Nach aktuellem
Wissensstand
gibt es keine
medikamentöse
Behandlung für
die
Kernsymptomatik der
Anorexia
nervosa.
Häufige Laborveränderungen
In der Labordiagnostik sind oft erniedrigte Werte
des freien Trijodthyronins (fT3) sowie normale
Werte des Thyreoidea-stimulierenden Hormons
(TSH) zu sehen. Cave: Manche AN-Patienten nutzen
Thyroxin zur Gewichtsreduktion. Außerdem besteht
häufig eine Hypercholes­terinämie, eine Leukozyto­
penie und ggf. eine Anämie oder sogar eine Panzy­
topenie. Elektrolytveränderungen können durch
eine Polydipsie (um den Hunger zu stillen) oder
Wasserrestriktion verursacht sein, aber auch kom­
pensatorische Strategien wie Erbrechen oder Laxan­
zienabusus müssen ätiologisch mitbedacht werden.
Die Nierenfunktion kann bei AN-Patienten einge­
schränkt sein. Die Leberwerte sind oft moderat er­
höht [7].
Indikation für weitere Diagnostik/Interventionen
Anorexiepatienten sind meist erstaunlich gut an die
pathologischen Befunde adaptiert. Im Regelfall be­
dürfen die beschriebenen Befunde keiner Interven­
tion und normalisieren sich mit Realimentierung
und Gewichtszunahme. Eine chronische Hypokali­
ämie kann jedoch z. B. zusammen mit dem Substratund Volumenmangel Herzrhythmusstörungen verur­
sachen oder zur Entwicklung einer hypokaliämischen
Nephropathie führen. Hypokaliämien sollten daher
behandelt werden. P
­ athologische Nierenwerte oder
deutlich erhöhte Leberwerte erfordern eine weitere
Diagnostik. Bei einem erhöhten TSH-Wert sollte
eine Thyroxingabe nur bei eindeutiger Symptomatik
einer Hypothyreose und dann auch nur sehr vorsich­
tig erfolgen, um den Grundumsatz nicht zu erhöhen.
Ansonsten läuft man Gefahr, einer Gewichtszu­
nahme entgegenzuwirken [7]. Folgende Befunde
sollten zur Überprüfung der Notwendigkeit einer
statio­nären Behandlung führen [7]:
–Ausgeprägte Veränderung des Blutbilds
–Kaliumwert < 3,0 mmol/l (➔ EKG notwendig)
–Glukose < 60 mg/dl
–Bradykardie < 40 bpm, Tachykardie > 110 bpm
–Blutdruck < 90/60 mmHg
–Orthostase-Test: Blutdruckabfall > 20 mmHg oder
Herzfrequenzanstieg > 20 bpm
–Körpertemperatur < 36 °C
Therapie
Die wesentlichen Therapieziele sind [7]:
–Gewichtsrehabilitation
–Gesundes Essverhalten
–Veränderung der anorexiebezogenen Denk- und
Verhaltensmuster
–Behandlung der psychischen Ursachen und
­Begleitphänomene der Essstörung
–Soziale Integration und Bewältigung von Alltags­
anforderungen (Schule etc.)
–Behandlung der durch die Essstörung bedingten
somatischen Folgeerkrankungen
Gewichtsrehabilitation
Das primäre Therapieziel ist die Gewichtsrehabili­
tation. Das Zielgewicht sollte bei Erwachsenen einem
BMI von ≥ 18,5kg/m2 bzw. von ≥ 25. BMI-Perzentile
bei Minderjährigen entsprechen [7]. Für die Gewichts­
zunahme werden 200–500 g/Woche im ambul­anten
und 500–1.000 g/Woche im statio­nären Rahmen
empfohlen [7]. AN-Patienten neigen insbesondere zu
Beginn der Realimentation, aufgrund von Elektrolyt­
verschiebungen, zur Ödembildung. Diese kann sich
in Form von einer Aszites oder Perikardergüssen äu­
ßern. Es sind daher eine Echokardiografie und eine
Sonografie des Abdomens indiziert. Durch die Ödem­
bildung erhöht sich das Gewicht und eine Zunahme
an struktureller Körpermasse wird vorgetäuscht, was
oft massive Ängste auslöst. Die Aufklärung über die
physiologischen Zusammenhänge ist hier wichtig.
Abb. 1 Behandlungssetting
ambulant
Indikation
Angestrebte
Gewichtszunahme
56
teilstationär
stationär
• Gute Motivation
• BMI >15 kg/m2 bzw. > 3. BMI-Altersperzentile
(Minderjährige)
• > 20% Gewichtsverlust in den letzten 6 Monaten
• BMI >15 kg/m2 bzw. > 3. BMI-Altersperzentile
(Minderjährige)
• Keine Gewichtszunahme im ambulanten oder
teilstationären Setting nach 3 Monaten
(Minderjährige früher)
• 200–500 g/Woche
• 500–1.000 g/Woche
MMW Fortschr Med. 2022; 164 (5)
FORTBILDUNG
Es gibt keine klare Empfehlung für die Kalorien­menge
zu Beginn der Realimentation [7, 16]. Sorge bereitet
v. a. das Risiko eines Refeeding-Syndroms, welches
mit Elektrolyt- und Flüssigkeitsverschiebungen ein­
hergeht. Zudem steigt der Phosphatverbrauch durch
die nach dem Hungern erneut anlaufende Glykolyse
an. Muskelschwäche bis hin zu Rhabdomyolyse
­können u. a. auf die Hypophosphatämie folgen. Ein
besonders hohes Risiko besteht bei einer Nahrungs­
karenz von > 15 Tagen, einem Gewichtsverlust > 20%
und einem BMI < 14 kg/m2 [17]. Bei stark unterge­
wichtigen P
­ atienten sollten im Rahmen der Reali­
mentation der Phosphat- sowie Kalium-Serumspie­
gel regelmäßig – v. a. zu Beginn der Realimentation
– kontrolliert und ggf. substituiert werden [7].
Behandlungssetting
Über die Wahl des Behandlungssettings entscheiden
zum einen die Motivationslage der Betroffenen und
zum anderen das Körpergewicht (siehe Abb. 1). Zu­
dem können somatische Komplikationen oder psy­
chiatrische Komorbiditäten wie z. B. Suizidalität eine
stationäre Behandlung erforderlich machen.
Psychotherapie
Psychotherapie ist die Therapieform der ersten Wahl.
Für verschiedene Psychotherapieverfahren liegen po­
sitive Befunde vor, u. a. für kognitiv-behaviorale und
psychodynamische Verfahren sowie bei Kindern und
Jugendlichen auch für familienbasierte Ansätze [7].
Behandlungsmotivation und Zwangsbehandlung
Der „Sucht“-Aspekt der AN ist nicht zu unterschät­
zen. Das Verhalten der Betroffenen ist angetrieben
von einer ausgeprägten Gewichtsphobie. Fehlein­
schätzungen der eigenen Kontrolle über die Ge­
wichtsentwicklung, Maßnahmen zur Verschleierung
von Nahrungsrestriktion und Gewichtsabnahme so­
wie fehlende Behandlungsbereitschaft sind die Folge.
Daher sind zum einen der Aufbau und die Aufrecht­
erhaltung einer Behandlungsmotivation sowie der
Übernahme von Eigenverantwortung und zum an­
deren das richtige Maß an Kontrolle erforderlich.
Sollte aufgrund der anhaltenden Nahrungsrestrik­
tion und des Untergewichts eine akute Selbstgefähr­
dung bestehen, ist ggf. eine geschlossen-stationäre
Behandlung gegen den Willen der Betroffenen not­
wendig. Die rechtliche Grundlage dafür besteht in den
Unterbringungsgesetzen bzw. Psychisch-KrankenHilfe-Gesetzen der Bundesländer bzw. bundesweit
in der zivilrechtlichen Unterbringung im Bürger­
lichen Gesetzbuch.
Psychopharmakologische Behandlung
Die Studienlage für die psychopharmakologische
Behandlung ist unzureichend. Aktuell ist davon aus­
zugehen, dass eine medikamentöse Behandlung der
Kernsymptomatik der AN nicht möglich ist. In der
Praxis werden bei starkem Bewegungsdrang Anti­
psychotika eingesetzt. Es gibt jedoch keine Evidenz
für eine bessere Gewichtsentwicklung. Für Olanza­
pin gibt es Hinweise, dass es Zwangssymptome und
Gedankenkreisen günstig beeinflussen kann [7].
Verlauf und Prognose
Der Verlauf der AN zieht sich durchschnittlich über
ca. sechs Jahre. Er ist geprägt von intermittierender
Remission und Rückfällen. Ca. 50% der Patienten
können eine Heilung erzielen, 30% erreichen eine
Teilremission und 20% zeigen einen chronischen
Verlauf. Ein jüngeres Erkrankungsalter scheint inte­
ressanterweise – anders als bei anderen psychia­
trischen Erkrankungen – mit einer besseren Prog­
nose einherzugehen. Therapieabbrüche und fehlende
psychotherapeutische Anbindung stellen hingegen
einen Risikofaktor für eine Chronifizierung dar.
Somatische Folgeschäden sind v. a. Osteopenie und
Osteoporose. Derzeit gibt es aufgrund unzureichen­
der Studien noch keine Empfehlung für eine medika­
mentöse Therapie zur Prävention der Osteopenie. Es
wird jedoch empfohlen, AN-Patienten von High-Im­
pact-Sportarten abzuraten. Aufgrund der endokrino­
logischen Folgestörungen durch das Untergewicht ist
die körperliche Entwicklung insgesamt zu überwa­
chen – v. a. das Größenwachstum, das bei einem chro­
nischen Verlauf beeinträchtigt sein kann [4, 7].
■
Literatur:
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17. Friedli N, Odermatt J, Reber E et al. Curr Opin Gastro. 2020;36:136–40
FAZIT FÜR DIE PRAXIS
1. Eine rechtzeitige und adäquate Behandlung der Anorexia
nervosa ist entscheidend, da das Untergewicht selbst zur
Ausprägung und Aufrechterhaltung der Symptomatik beiträgt.
2. Psychotherapie ist die Behandlung der ersten Wahl.
3. Die Erkrankung verläuft mehrheitlich über viele Jahre mit
einer Heilungsrate von ca. 50%.
Title:
Anorexia nervosa –
­diagnostics and therapy
Keywords:
Anorexia nervosa, refeeding
syndrome, adolescents,
­involuntary treatment, force
feeding
Autoren:
Prof. Dr. med.
Michael Frey
Fakultät Angewandte
­Gesundheitswissenschaften
Technische Hochschule
­Deggendorf
Dieter-Görlitz-Platz 1
D-94469 Deggendorf
E-Mail: michael.frey@thdeg.de
Dr. med. Inga Wermuth
Klinik für Kinder- und
­Jugendpsychiatrie, Psycho­
somatik und Psychotherapie
der LMU, München
Nußbaumstraße 5a
D-80336 München
E-Mail: inga.wermuth@med.
uni-muenchen.de
INTERESSENKONFLIKT
Der Autor und die Autorin erklären,
dass sie sich bei der Erstellung des
Beitrages von ­keinen wirtschaft­
lichen Inter­essen leiten ließen. Sie
legen folgende ­potenzielle Interes­
senkonflikte offen: Keine.
Der Verlag erklärt, dass die inhalt­
liche Qualität des Beitrags durch
zwei unabhängige Gutachten be­
stätigt wurde. Werbung in dieser
Zeitschriftenausgabe hat keinen
Bezug zur CME-Fortbildung.
Der Verlag garantiert, dass die
CME-Fortbildung sowie die CMEFragen frei sind von werblichen
Aussagen und keinerlei Produkt­
empfehlungen enthalten. Dies gilt
insbesondere für Präparate, die zur
Therapie des dargestellten Krank­
heitsbildes geeignet sind.
MMW Fortschr Med. 2022; 164 (5)
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CME-Fragebogen
Anorexia nervosa – Diagnostik und
Therapie
FIN gültig bis 06.04.2022:
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die FIN oder den Titel in das Suchfeld eingeben.
Alternativ können Sie auch mit der Option „­ Kurse
nach Zeitschriften“ zum Ziel n
­ avigieren oder den
QR‑Code links scannen.
? Sie stellen bei einer deutlich unterge­
? Was ist die Therapie der Wahl bei
Teilnehmen und Punkte sammeln können Sie
◯
◯
◯
◯
◯
wichtigen Anorexiepatientin ernie­
drigte Werte des freien Trijodthyronins
(fT3) sowie normale Werte des Thyre­
oidea-stimulierenden Hormons (TSH)
im Labor fest. Welche Maßnahme ist
richtig?
Eine wöchentliche fT3-Kontrolle.
Eine Thyroxin-Substitution.
Eine Überweisung zum Endokrinologen.
Eine Schilddrüsen-Sonografie.
Die Beobachtung der Schilddrüsenwerte während der Gewichtszunahme.
? Was ist in der aktuellen ICD-11 ein
◯
◯
◯
◯
◯
Diagnose­kriterium für die Anorexia
nervosa (AN)?
BMI < 17,5kg/m2
BMI < 18,5 kg/m2
Amenorrhö
< 10. BMI-Perzentile für Minderjährige
Gewichtsverlust > 15% in 6 Monaten
? Welcher Laborparameter sollte bei
◯
◯
◯
◯
◯
stark untergewichtigen Patienten bei
beginnender Realimentation regel­
mäßig kontrolliert werden?
Natrium
Glucose
Phosphat
TSH
Leukozyten
Dieser CME-Kurs wurde von der Bayerischen
­Landesärztekammer mit zwei Punkten in
der ­Kategorie I (tutoriell unterstützte Online-­
Maß­nahme) zur zertifizierten Fortbildung
­frei­gegeben und ist damit auch für andere
­Ärztekammern ­anerkennungsfähig.
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MMW Fortschr Med. 2022; 164 (5)
? Was ist das wichtigste Therapieziel
◯
◯
◯
◯
◯
bei der Anorexiebehandlung?
Soziale Integration
Gewichtsrehabilitation
Behandlung der Körperschemastörung
Abbau der sozialen Ängste
Gesundes Essverhalten
? Welches Gewichtsziel sollte in der
◯
◯
◯
◯
◯
Therapie von jugendlichen Patienten
mit AN in der Regel angestrebt
werden?
10. BMI-Perzentile
Individueller Set-Point
≥ 18,5 kg/m2
25. BMI-Perzentile
50. BMI-Perzentile
? Welches Symptom im Rahmen einer
◯
◯
◯
◯
◯
AN ist durch das Untergewicht mit­
bedingt?
Gewichtsphobie
Körperschemastörung
Depressionen
Zahnschäden
Emetophobie
? Wann ist das Risiko einer Erster­
◯
◯
◯
◯
◯
krankung an einer AN am höchsten?
Vor dem 8. Lebensjahr
Zwischen dem 12. und 19. Lebensjahr
Nach dem 20. Lebensjahr
Zwischen dem 8. und 10. Lebensjahr
Nach dem 25. Lebensjahr
Für eine erfolgreiche Teilnahme müssen 70 %
der Fragen richtig beantwortet werden. Pro Frage
ist jeweils nur eine Antwortmöglichkeit zutreffend. Bitte beachten Sie, dass Fragen wie auch
Antwortoptionen online abweichend vom Heft
in zufälliger Reihenfolge ausgespielt werden.
◯
◯
◯
◯
◯
­einer AN?
Olanzapin
Behandlung mit Antidepressiva
Psychotherapie
Habit-Reversal-Training
Expositionstraining
? Was führt gerade zu Beginn der
◯
◯
◯
◯
◯
R­ ealimentation oft zu einer raschen
Gewichtszunahme?
Ein erhöhter Grundumsatz.
Eine Ödembildung.
Ein starvationsbedingter gesteigerter
Appetit
Eine Hypothyreose.
Eine Polydipsie.
? In Ihrer Praxis stellt sich ein 17-jähriges
◯
◯
◯
◯
◯
Mädchen mit einem Gewicht auf der
4. BMI-Perzentile vor. Sie zeigt sich
therapiemotiviert. Welche Gewichts­
zunahme streben Sie im ambulanten
Setting an?
500–1.000 g/Woche
100 g/Woche
1.000–1.500 g/Woche
200–500 g/Woche
700 g/Woche
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