Assessmentstufe BWL I Grundlagen des Marketing 1. Einheit Universität Zürich HS 2022 Prof. Dr. Martin Natter Professur für Marketing http://www.business.uzh.ch/en/professorships/marketing2.html BWL I Assessment – Marketing Unterstützende Kommentare zu den Folien der Vorlesung finden Sie in den Foliennotizen 0 1. Aufbau und Lernziele – Einheit 1 • Was ist Marketing? Klärung des Marketingbegriffs • Aufzeigen, wie ein Marketingsystem funktioniert • Lernen, was das Ziel des Marketing ist und welche Effekte es bewirkt • Lernen, welche Phasen es im Marketingprozess gibt und welche Entscheidungen in welcher Phase getroffen werden • Kennenlernen der wichtigsten Marketingbegriffe wie z.B. Bedürfnis, Wünsche, Nachfrage, Nutzen • Welche Arten von Marktdefinitionen gibt es? • Einblick in den Marktforschungsprozess erhalten • Ziele und Methoden der Marktforschung kennenlernen • Design der Marktforschung: Mit welcher Methode kann der Effekt von Einflussfaktoren gemessen werden? Welche Möglichkeiten der Stichprobenwahl stehen zur Verfügung und mit welchen Kriterien kann die Güte der Daten gemessen werden? 1 1 Klicker https://app.klicker.uzh.ch/join/tj1c0u 2 2 1. Was ist Marketing? Modell eines einfachen Marketingsystems Kommunikation der Anbieter zum Markt hin Eine Branche als Gesamtheit von Anbietern eines Produkts oder einer Dienstleistung Produkte und Dienstleistungen Geld und sonstige Zahlungsströme Der Absatzmarkt als die Gesamtheit aller Käufer und Kaufinteressenten Information Marketing besteht aus Handlungen, die Austauschbeziehungen zwischen Parteien ermöglichen und aufrecht erhalten. Quelle: Kotler et al. 2022, Grundlagen des Marketing, 8. aktualisierte Auflage, Pearson. 3 Was ist Marketing? Ganz allgemein kann man sagen, dass Marketing aus Aktivitäten besteht, die Austauschbeziehungen zwischen Parteien ermöglichen bzw. versucht, diese aufrecht zu erhalten. • Sie sehen hier bereits ein erstes einfaches Marketingsystem abgebildet. Es beinhaltet Anbieter (links) und Abnehmer (rechts) eines Produktes oder einer Dienstleistung (Service). Die Beziehung der beiden ist durch verschiedene Marketingaktivitäten charakterisiert, nämlich der Kommunikation zu den Abnehmern sowie die Gestaltung des Angebots von Produkten selbst. • In die andere Richtung sehen wir Geld oder andere Zahlungsströme fliessen wie beispielsweise die Akzeptanz von Cookies oder Werbeschaltungen sowie Information im Allgemeinen. 3 1. Beispiel von Ferrari’s Marketingsystem … … aber was passiert bei Störungen? 4 Marketingsysteme können sehr komplex sein: • Unternehmen sind sowohl Kunden ihrer Lieferanten, aber auch Anbieter gegenüber dem Handel oder Endkunden. • Marketingsysteme innerhalb eines grossen Unternehmens wie Ferrari, welches auf der Folie illustriert ist, erfordert daher in ihren Entscheidungen und Analysen oft Flexibilität in der Wahl der Perspektiven. • Auch Neuproduktteams berücksichtigen verschiedenste Perspektiven, indem sie neben Vertretern aus den Funktionen Marketing, Produktion, F&E oder Accounting beispielsweise auch oft Kunden, Lieferanten oder Logistikpartner etc. berücksichtigen. • Das Marketing ist gefragt, wenn es zu Störungen im System kommt. Wie kann ein Marketingsystem dazu beitragen, die Verluste in Grenzen zu halten? 4 1. Marketingsysteme: Probleme bei … Tagblatt St. Gallen14.10.2021 … Lieferkettenstörungen 5 Gründe für aktuelle Lieferengpässe lt. St.Gallener Tagblatt: https://www.tagblatt.ch/wirtschaft/rohstoffe-weltweite-lieferengpaesse-7gruende-dafuer-und-welche-produkte-betroffen-sind-ld.2201439 5 1. Marketingsysteme: Problem Lieferengpässe Lieferkettenprobleme führen oft zu: • Kostensteigerungen (z.B. aufgrund gestiegener Ölpreise) oder zu • geringeren oder gar keinen Liefermengen aufgrund limitierter Verfügbarkeit • Vorratskäufe oder zurückhaltende Verkäufe verstärken die Problematik Bsp. Schweiz: Heizölpreisentwicklung nach Bezugsmenge Quelle: Statista Klicker: Verzichten Sie auf den Bonus? Würden Sie als Unternehmensverantwortliche eine solche Strategie verfolgen, wenn sich Ihr Jahresbonus dadurch um 20,000 CHF erhöht? Quelle: Statista, Der Standard 6 Was könnte man tun um zu verhindern, dass Unternehmen Waren zurückhalten und Preise zusätzlich treiben? 6 1. Marketingsysteme: Wie kann das Marketing reagieren? 16.10.2021 Preisanpassungsreaktion Die Preisabsatzfunktion als Tool zur Bestimmung der Preisanpassung. Verlauf ist empirisch zu bestimmen. Falls mehr verkauft werden könnte als verfügbar ist, erfolgt eine Preisanpassung auf den Preis, der der verfügbaren Menge entspricht. Quelle: https://www.business-wissen.de/hb/preis-absatz-funktion-und-preiselastizitaet-fuer-das-preismanagement/ 7 Preisanpassungen sind eine Möglichkeit schnell auf Ungleichgewichte in Marketingsystemen zu reagieren. Zur Bestimmung der konkreten Anpassung können Preis-Absatz-Funktionen, die je nach Produkt und Branche sehr unterschiedliche Verläufe haben können, eingesetzt werden. Wenn ein Anbieter weniger Menge verfügbar hat, als beim aktuellen Preis nachgefragt werden würde, kann eine Preisanpassung nach oben durchgeführt werden, sodass nur die verfügbare Menge nachgefragt wird. Dadurch können Umsatzeinbussen abgedämpft werden. 7 1. Marketingsysteme: Verknappung Preis (Markenpräferenz) Preisreaktion Im September 22 gab es eine Verknappung von Dijon Senf. Obwohl andere Senfmarken keine Knappheit hatten, wurde der Dijon Senf nun statt zum üblichen Preis von 1.60 EUR für ein Glas, zu einem Preis von 25 EUR angeboten. Speziell Köche in Frankreich haben teilweise eine sehr hohe Markenpräferenz für Dijon Senf, sodass sie Preissteigerungen von 1562.5% akzeptieren. Bei schwächeren Marken wäre das nicht zu erwarten, da Kunden dann auf alternative Angebote ausweichen würden. Klicker: Wieviel kostet ein Glas Dijon Senf? Wieviel würden Sie für ein Glas Dijon Senf maximal zahlen, wenn es einen Lieferengpass gibt? Bilderquelle: Watson, Migros 8 Im September 22 gab es eine Verknappung von Dijon Senf. Obwohl andere Senfmarken keine Knappheit hatten, wurde der Dijon Senf nun statt dem üblichen Preis von 1.60 EUR für ein Glas, zu einem Preis von 25 EUR feilgeboten. Speziell Köche in Frankreich haben teilweise eine sehr hohe Markenpräferenz für Dijon, sodass sie (zumindest temporär) Preissteigerungen von 1562.5% akzeptieren. Bei schwächeren Marken wäre das nicht zu erwarten, da Kunden dann auf alternative Angebote ausweichen würden. 8 1. Marketinginstrumente: Wo das Marketing ansetzt, … 13.10.2021 Markus Back Produkt / Design … um Austauschbeziehungen aufrecht zu erhalten 9 Gründe für aktuelle Lieferengpässe lt. St.Gallener Tagblatt: https://www.tagblatt.ch/wirtschaft/rohstoffe-weltweite-lieferengpaesse-7gruende-dafuer-und-welche-produkte-betroffen-sind-ld.2201439 9 1. Marketinginstrumente: Wo das Marketing ansetzt, … 13.10.2021 Markus Back Produkt / Logistik (Dual Sourcing) … um Austauschbeziehungen aufrecht zu erhalten 10 Gründe für aktuelle Lieferengpässe lt. St.Gallener Tagblatt: https://www.tagblatt.ch/wirtschaft/rohstoffe-weltweite-lieferengpaesse-7gruende-dafuer-und-welche-produkte-betroffen-sind-ld.2201439 10 1. Marketinginstrumente: Wo das Marketing ansetzt, … Kommunikation PR (Public Relations) / Logistik … um Austauschbeziehungen aufrecht zu erhalten. 11 Gründe für aktuelle Lieferengpässe lt. St.Gallener Tagblatt: https://www.tagblatt.ch/wirtschaft/rohstoffe-weltweite-lieferengpaesse-7gruende-dafuer-und-welche-produkte-betroffen-sind-ld.2201439 11 1. Das Ziel des Marketing ist es … • … wichtige Bedürfnisse und Wünsche • einer erreichbaren und wirtschaftlich attraktiven Zielgruppe • durch massgeschneiderte Produktangebote • mit relativ zur Konkurrenz bestem Nutzen • dauerhaft/wiederholt/nachhaltig zu bedienen Faires Verhalten & Beziehungsmanagement “Das Ziel des Marketing ist es, den Kunden und seine Bedürfnisse derart gut zu verstehen, dass das daraus entwickelte Produkt genau passt und sich daher von selbst verkauft.” Peter F. Drucker Quelle: Kotler et al. 2022. 12 Peter Ferdinand Drucker: ein US-amerikanischer Ökonom österreichischer Herkunft; Pionier der modernen Managementlehre; er veröffentlichte zahlreiche einflussreiche Werke über Theorie und Praxis des Managements; Quelle: https://de.wikipedia.org/wiki/Peter_Drucker 12 1. Erwünschte positive Effekte von Marketing • Geeignete Lösungen, Abwechslung und Variation für Kunden Allgemein: Steigerung des Produktnutzens bei Kunden • Reduktion der Floprate bei Neuprodukten, sodass weniger sinnlose Produkte teuer entwickelt und entsorgt werden (z.B. Ford Edsel: 250 Mio.$ Verlust) • Sorgsamer Umgang mit Ressourcen (Ausschluss ungeeigneter Zielgruppen, geringer Aufwand für unwichtige Produkteigenschaften, Foodwaste verhindern, Motivation zum Energiesparen) • Reduzierte Suche für Kunden nach geeigneten Produkten, da sie gezielt mit Informationen betreffend relevanter Produkte oder Produkteigenschaften angesprochen werden Gesteigerter Nutzen: E-Roller Flops: Rivella Gelb, Ford Edsel Reduziertes Sortiment: Denner Suche & Empfehlung Kostenführerschaftsstrategie 13 13 2. Der Marketingprozess Kundennutzen schaffen und -beziehungen aufbauen 14 2.a Marketingprozess: Kundenbedürfnisse Quelle: Kotler et al. 2022. 15 Marketing ist ein Prozess um profitable Kundenbeziehungen aufzubauen. Dazu ist die Erschaffung von Kundennutzen und die Erlangung eines Gegenwerts für das Unternehmen erforderlich. Die ersten vier Schritte im Prozess fokussieren sich auf die Nutzengenerierung für den Kunden, der fünfte Schritt auf die Erlangung eines Gegenwerts von den Kunden. Ein Gegenwert ist dann erfolgreich erzielbar, wenn ein überlegener Kundennutzen geschaffen wird. Wir schauen daher etwas genauer auf die ersten vier Schritte: • Im ersten Schritt erlangt das Unternehmen ein vollständiges Verständnis vom Markt durch die Erforschung von Kundenbedürfnissen und die Verarbeitung von Marketinginformationen. • Im zweiten Schritt geht es um die Gestaltung einer kundenorientierten Marketingstrategie. Es werden zwei Fragen beantwortet: Erstens: Welche Verbraucher wollen wir bedienen, welche nicht? Zweitens: Wie können anvisierte Kunden am besten bedient werden? Hier geht es also um die Positionierung und die Frage, welches Nutzenversprechen kommuniziert werden soll. • Im dritten Schritt geht es um die Erstellung eines integrierten Marketingprogramms. Die 4Ps werden festgelegt: Product, Price, Promotion, Place. • Im vierten Schritt geht es um den Aufbau einer profitablen Kundenbeziehung. Dies bedeutet oft den Aufbau einer langfristigen Kundenbeziehung. Hier geht es um eine gute Zusammenarbeit mit den Partnern im Marketingsystem. Denken Sie an einen Automobilhersteller und die Partnerwerkstätten. 15 2.a Bedürfnis, Kundenwünsche und … • Bedürfnis: Zustand, in dem ein Mangel empfunden wird (z.B. Hunger) • Wünsche: Bedürfnis plus Objektorientierung (z.B. Hunger + Käsefondue); sozial, kulturell und individuell geprägt • Nachfrage: Wünsche plus Kaufkraft • Produkte sind alle Angebote auf dem Markt zur Befriedigung von Wünschen und Bedürfnissen … Nachfrage nach Produkten Quelle: Kotler et al. 2022. 16 • Der Marketingprozess startet mit der zentralen Frage, was die Kundenbedürfnisse sind und wie daraus eine Nachfrage nach Produkten entsteht. • Bedürfnisse (engl. needs) entstehen aus einem Mangelzustand - wie z.B. Hunger. • Wir sprechen von Wünschen (engl. wants), wenn zum Bedürfnis eine Objektorientierung dazukommt. Bspw. fühlten sich vielleicht einige von Ihnen nicht ausreichend wach heute früh – der Mangelzustand – und haben sich deshalb – je nach kulturellem Background – vielleicht eine feine Tasse Kaffee gewünscht, um diesem Mangelzustand zu begegnen, um für diese Vorlesung ausreichend aktiviert zu sein. Wenn Sie etwas Geld dabei hatten, ist für die Cafeteria vor der Vorlesung möglicherweise eine gewisse Nachfrage entstanden. Wünsche plus Kaufkraft führen also zu einer Nachfrage. • Wie Sie hier an den Phasen des Marketingprozesses sehen können, ist für das Verstehen der Kundenbedürfnisse auch die Angebotsseite relevant. Wir verstehen in einem weiteren Sinne unter Produkten alle Angebote zur Befriedigung von Wünschen und Bedürfnissen. • Es gibt bei genauerer Betrachtung verschiedenste Produktarten, d.h. neben Sachgütern können auch Dienstleistungen, Erlebnisse oder Personen als Produkte fungieren. 16 2.a Kundenbedürfnisse: Die Bedürfnispyramide nach Maslow (1943) Beispielprodukte Reisen, Kunstwerke sammeln Beispielbedürfnis Selbstverwirklichung Yacht, Luxusuhr Kultur, Ästhetik, Selbstverwirklichung ICH Bedürfnisse Macht, Erfolg, Luxus, Statussymbole Soziale Bedürfnisse Freundschaft, soziale Kontakte, Zuwendung Drinks, Kleider Bsp. Verkauf von Luxusautos über Sicherheitsbedürfnisse (Dringlichkeit;sozialer Einfluss) Versicherung, Alarmanlage Sicherheitsbedürfnisse Sicherheit, Geborgenheit, Stabilität, Strukturen Medikamente, Einzelhandel, Wohnung Grundbedürfnisse Essen, Trinken, Schlafen, Sexualität, Wohnen 17 • Kundenbedürfnisse werden oft hierarchisch strukturiert. Hier sehen Sie die Bedürfnispyramide von Maslow, der diese in Defizitbedürfnisse und Wachstumsbedürfnisse einteilt. In dieser Hierarchie wird postuliert, dass die Wachstumsbedürfnisse erst in den Vordergrund rücken, wenn die Defizitbedürfnisse befriedigt sind. • Eine Marketingbotschaft, die Basisbedürfnisse (wie Sicherheit) anspricht, gibt den Verbrauchern ein Gefühl der Notwendigkeit oder Dringlichkeit. Moderne Luxusautohersteller sind besonders gut darin, die Sicherheitsmerkmale ihrer Fahrzeuge über die Ästhetik zu stellen. Im Kopf des Verbrauchers müssen sie das Geld für ein teures Luxusauto ausgeben, denn nur so können sie ihrer Familie angemessene Sicherheitsvorkehrungen treffen. • Die Maslow´sche Pyramide unterscheidet sich von Kultur zu Kultur und ist nicht allgemeingültig. Z.B. steht in der angelsächsischen Kultur Individualität und Selbstverwirklichung an oberster Stelle, in Japan und den deutschsprachigen Regionen ist das ästhetische Bedürfnis nach Ordnung und sozialer Zugehörigkeit besonders bedeutsam, in Spanien, Frankreich, Portugal und südamerikanischen Ländern sind die Bedürfnisse nach Sicherheit und Zugehörigkeit besonders wichtig. 17 2.a Beispiel: Arbeitssicherheitsschuhe Beispiel: Sicherheitsschuh • • • • Welches Bedürfnis wird angesprochen? Wie wird das Ziel des Marketing hier umgesetzt? Fehlen bestimmte Nutzenaspekte in Video 1? Was würden Sie ergänzen? (sh. Video 2) Bsp. Video 1 Sicherheitsschuh • Das Ziel von Marketing ist es, wichtige Bedürfnisse und Wünsche • einer erreichbaren und wirtschaftlich attraktiven Zielgruppe • durch massgeschneiderte Produktangebote • mit relativ zur Konkurrenz bestem Nutzen • dauerhaft/wiederholt/nachhaltig zu bedienen Video 1: https://www.youtube.com/watch?v=zi9YnI_g1mI Video 2: https://www.youtube.com/watch?v=TervMWPliAI Bsp. Video 2 18 18 2.a Kunden kaufen keine Produkte … • Nutzen ist individuell verschieden • Nutzen hängt vom wahrgenommenen Grad der Leistung relativ zur persönlichen Bedürfnisbefriedigung ab • Nutzen ist daher auch von Erwartungen abhängig • Kosten (monetär und nicht-monetär) werden oft als negativer Nutzen betrachtet: Kundennutzen = Individueller Wert des Produktes minus Kosten (vgl. Konsumentenrente in Mikroökonomie) • Zur Wettbewerberidentifikation ist der konvergente Produktnutzen geeignet: Verschiedene Produkte können Status oder Kundenimage ähnlich beeinflussen • Zur Verbesserung des Kundenverständnisses ist der divergente Produktnutzen wichtig: Welche Arten von Nutzen resultieren aus einem Produkt? – z.B. Auto (Fahrvergnügen, Transport, …) Klicker: Zielt Snoop Dogg und Martha Stewart’s BIC Werbung auf den konvergenten oder den divergenten Produktnutzen ab? Lösung: Divergenter Produktnutzen … sondern Nutzen 19 Quelle: Kotler et al. 2022. Eine zentrale Sichtweise im Marketing ist, dass Kunden eigentlich nicht Produkte, sondern Nutzen kaufen, der ihnen hilft, ein individuelles Bedürfnis zu stillen. Der Nutzen, der mit Produkten verbunden ist, ist individuell verschieden und hängt von der Nutzenbefriedigung relativ zum Bedürfnis ab. Küchenrollen werden nicht nur zum Aufwischen verwendet, manche Personen verwenden sie u.a. auch als Taschentuch etc. Der wahrgenommene Nutzen hängt nicht nur von der Performance des Produkts, sondern auch von den Erwartungen an das Produkt ab. Kosten sind ein negativer Teil des Nutzens. Kosten können monetär sein, aber auch als Aufwand anfallen. Beispielsweise ist das Ausschneiden eines Coupons als Aufwand (Kosten) zu sehen. Auch wenn Sie bei Onlineprodukten (z.B. Lesen einer Tageszeitung) Cookies zur Profilerstellung zustimmen, um gezielte Werbung zu erhalten, kann dies als Kostenfaktor betrachtet werden. Wir unterscheiden in der Folge konvergenten und divergenten Produktnutzen. 19 2.a Konvergenter & divergenter Produktnutzen Konvergenter Produktnutzen Divergenter Produktnutzen Transport Fahrvergnügen Flexibilität Statussymbol Statussymbol Wettbewerberidentifikation ausserhalb der Produktkategorie: Kernkonkurrenz Spartenkonkurrenz Mobilitätskonkurrenz Statussymbolkonkurrenz Zielgruppenidentifikation, Anwendungsoptionen, Kernkompetenzen identifizieren 20 Zur Beantwortung der Frage, mit wem ein Anbieter im Wettbewerb steht, ist die Betrachtung des konvergenten Produktnutzens geeignet. Verschiedenste Produktkategorien wie ein Sportwagen, eine Armbanduhr etc. können ein und dasselbe Bedürfnis befriedigen. Der Status einer Person kann etwa sowohl durch eine exklusive Armbanduhr als auch durch den Besitz eines tollen Autos oder eines tollen Hauses beeinflusst werden. Diese Produktkategorien stehen daher in Konkurrenz um die Budgets derselben Kunden. Zur Verbesserung des Kundenverständnisses und der Definition von Kundenzielgruppen ist die Betrachtung des divergenten Produktnutzens hilfreich. Hier wird analysiert, welche verschiedenen Bedürfnisse – bspw. Transport, Status, Fahrvergnügen – mit einem Produkt, hier einem PKW, gedeckt werden können. 20 2.a Marktdefinition: Produktmarkt- vs. Bedarfsmarktkonzept Definition des Marktes • Produktmarktkonzept: Marktdefinition anhand von Produktklassen (Uhren, Ski, Shampoo, Fahrrad…) • Bedarfsmarktkonzept: Marktdefinition anhand der Konsumentenbedürfnisse (etwas Erfrischendes, Mobilität, …) Klicker: In welcher der folgenden Marktbezeichnungen kommt das Bedarfsmarktkonzept zum Einsatz? A: Mobilitätsmarkt B: Markt für Langlaufski C: Biermarkt D: Markt für muntermachende Getränke Quelle: “Bedarfsmarktkonzept“ (2017). 21 • Die beiden Betrachtungsweisen konvergenter und divergenter Produktnutzen spielen also eine wichtige Rolle, wenn wir Märkte definieren. Die Marktdefinition ist von hoher praktischer Relevanz, geht sie doch praktisch jeder Marktstudie und Wettbewerbsanalyse voraus und wird basierend auf den Ergebnissen wieder angepasst. • Wir sprechen von Produktmarktkonzept, wenn die Marktdefinition anhand von Produktklassen erfolgt und von Bedarfsmarktkonzept, wenn diese anhand der Bedürfnisse/Bedarfe abgeleitet wird. Wenn Sie nach einer anstrengenden Sportaktivität müde sind, möchten Sie vielleicht etwas Erfrischendes trinken. Für diesen Bedarf stehen dann die verschiedenen Erfrischungsgetränke – eine Cola, Wasser, ein Milchshake etc. – im Wettbewerb zueinander, Ihren Durst zu löschen. 21 2.a Bsp. Marktdefinition: OOOps, Wettbewerber übersehen! • Ein Auto bringt den Fahrer bekanntlich von A nach B. Es wird als Transportmittel benutzt, das man selbst steuern kann. Diese alleinige Betrachtung der Grundfunktion wäre das Produktmarktkonzept. Beim Produktmarktkonzept besteht der Wettbewerb nur aus anderen Autoherstellern und die Zielgruppe aus allen Autofahrern. • Bei dem Bedarfskonzept geht die Betrachtung nun etwas weiter. Sie schaut auf alle Nutzenfunktionen und Bedürfnisse, die bedient werden. Es geht hierbei, etwas allgemeiner, um einen bequemen und schnellen Transport. Plötzlich sind nicht mehr nur andere Autohersteller eine Konkurrenz, sondern auch andere Transportdienstleister, wie z.B. die öffentlichen Verkehrsmittel oder Elektroroller. Je nachdem, wie man den Markt sachlich abgrenzt, hat man einen ganz anderen Blick auf mögliche Chancen oder Risiken. Die Konkurrenz und Zielgruppe kann sich in Abhängigkeit von der Markteinteilung stark ändern. https://www.scientific-economics.com/marktabgrenzung-den-relevanten-markt-finden-und-abgrenzen/ 22 22 2.a Bsp. Marktdefinition und Kommunikation … • Was würden Sie in der Kommunikation (Werbung) bei der Produktmarktdefinition für den BMW in den Vordergrund stellen? z.B. Einen besonders wirksamen Mikrofilter, den der BMW als einziger seiner Klasse anbietet • Was würden Sie in der Kommunikation (Werbung) bei der Bedarfsmarktdefinition für den BMW in den Vordergrund stellen? z.B. Uberfahrer/Taxifahrerin mit halb aufgesetzten Maske beim rumhüsteln vs. einer entspannten sicheren Fahrt alleine in einem BMW … Positionierung auf Basis der Marktdefinition 23 23 2.a Marketingprozess: Kunden und Märkte erforschen Quelle: Kotler et al. 2022. 24 24 2.a Märkte und Kunden erforschen: Der Marktforschungsprozess Prozess der Marktforschung (Mafo) in vier Schritten: Definition von Problemstellung und Ziel der Marktforschungsstudie Entwicklung eines Untersuchungsplans Datenerhebung und Datenanalyse Interpretation und Kommunikation der Ergebnisse Problemstellung und Ziele: • Analyse und Prognose der Absatz- und Beschaffungsmärkte • Festlegung von Marketingzielen unter Berücksichtigung der Marktsituation oder auf Basis eines besseren Kundenverständnisses • Gestaltung und Prognose der Wirkung von Marketingmassnahmen und Marketingstrategien. Experimentelle Marktforschung (z.B. GfK Testmärkte, A/BTests, Conjoint Analyse) Beispiel – Was beeinflusst Kunden von Luxusmarken zu träumen? Gucci Polo shirt 750€ Quelle: Kotler et al. 2022. 25 Der Mafoprozess kann durch vier Phasen charakterisiert werden: • Festlegung des Mafoziels basierend auf der Problemstellung • Entwicklung eines Untersuchungsdesigns • Eigentliche Erhebung und Analyse • Ergebnisinterpretation und Kommunikation derselben Typische Ziele der Marktforschung sind: • Die Analyse und Prognose der Absatz- und Beschaffungsmärkte • Die Festlegung der Marketingziele aufgrund der Marktanalyse • Die Gestaltung und Auswahl alternativer Marketingmassnahmen basierend auf der prognostizierten Effektstärke • Als Beispiel für den Mafoprozess begleitet eine Fallstudie zu internationalen Luxusmarken die einzelnen Prozessstufen: Dubois, B., & Paternault, C. (1995). Observations: Understanding the world of international luxury brands: The "dream formula." Journal of Advertising Research, 35(4), 69–76. 25 MAFO - Case: Internationale Luxusmarken: Unter welchen Bedingungen entstehen "Träume" von Luxus? • MAFO-Ziel: Wie kann man den Zusammenhang zwischen dem Wunsch nach Luxusmarken («Dream», Traumwert), der Markenbekanntheit und Verkäufen beschreiben? • Theorie: Limitierte Käuferschicht ist wichtig: Der Wunsch nach Luxusmarken hängt von der Bekanntheit und der Verbreitung (tatsächlichen Verkäufen) ab. Definition von Problemstellung und Ziel der Marktforschungsstudie Entwicklung eines Untersuchungsplans Quelle: Dubois & Paternault 1995, Journal of Advertising Datenerhebung und Datenanalyse Interpretation und Kommunikation der Ergebnisse 26 26 2.a Mafo: Drei Arten von Zielen und Forschungsarten • Explorative Forschung: Falls wenige Vorinformationen und Kenntnisse über Forschungsproblem vorhanden; Sammlung grundlegender Informationen zum besseren Verständnis des Untersuchungsgegenstands und zur Ableitung erster Hypothesen • Deskriptive Forschung: Ziel ist die umfassende Beschreibung der Untersuchungsgegenstände z.B. Marktpotenzial für ein neues Produkt, Demographika und Einstellungen der Zielgruppe • Explikative Forschung (Ursachenforschung): Überprüfung von Hypothesen über UrsacheWirkungszusammenhänge (Kausalität) Häufig ist ein verbessertes Verständnis des Kaufentscheidungsprozesses im Mittelpunkt des Interesses der Mafo: Welche Faktoren und Produkteigenschaften sind für welche Zielgruppen kaufentscheidend? Quelle: Kotler et al. 2022. 27 Ein besseres Verständnis des Kaufverhaltensprozesses ist bei der Mafo im Vordergrund des Interesses. Beispielsweise die Frage, welche Produkteigenschaften für welche potentiellen Zielgruppen wie wichtig sind. Die folgenden drei Arten der Mafo werden unterschieden: • Explorative Studien, wenn der Untersuchungsgegenstand oder Markt weitgehend unerforscht ist. • Deskriptive Studien, die den Untersuchungsgegenstand umfassend charakterisieren sollen und ein konkretes Bild von Zielgruppen ermöglichen sollen oder beispielsweise die Berechnung von Marktpotentialen. • Ursachenforschung ist die dritte Gruppe von Marktforschungsaktivitäten. Es werden Ursache-Wirkungszusammenhänge – oft experimentell – untersucht oder Hypothesen zu solchen Zusammenhängen überprüft. 27 2.a Untersuchungsplan – Studiendesign – Methodischer Ansatz Definition von Problemstellung und Ziel der Marktforschungsstudie Entwicklung eines Untersuchungsplans Datenerhebung und Datenanalyse Interpretation und Kommunikation der Ergebnisse • Beobachtung: Datenerhebung durch Beobachtung von Personen, Situationen und Handlungen. Dies geschieht häufig mithilfe technischer Geräte oder Testumgebungen und liefert oftmals Informationen, die mittels anderer Erhebungsmethoden nicht zu generieren wären • Befragung: Methode der Marktforschung zur Ermittlung von deskriptiven Informationen. Die Befragung ist die am häufigsten angewandte und oftmals einzige Methode zur Primärdatenerhebung • Experiment: Versuchsanordnung in der Marktforschung zur empirischen Gewinnung von Information. Durch die unterschiedliche Behandlung von Testgruppe und Kontrollgruppe können aus deren unterschiedlichen Reaktionen Schlüsse über Ursache-Wirkungs-Zusammenhänge getroffen werden - Durchführung im Labor: Vorteil der Kontrolle der Manipulation (interne Validität) - Durchführung im Feld: Vorteil der Übertragbarkeit der Erkenntnisse (externe Validität) Quelle: Kotler et al. 2022. 28 Der Mafoprozess kann durch vier Phasen charakterisiert werden: • Festlegung des Mafoziels basierend auf der Problemstellung • Entwicklung eines Untersuchungsdesigns • Eigentliche Erhebung und Analyse • Ergebnisinterpretation und Kommunikation derselben • Beobachtungen sind oft gut geeignet, wenn der Mafocharakter explorativer Natur ist. • Befragungen werden vorzugsweise für deskriptive Studien gewählt. • Experimente sind schliesslich besonders für kausale Fragen, also Ursachenforschung, geeignet. • Bei den Experimenten unterscheiden wir Labor- von Feldexperimenten. Beide haben Vor- und Nachteile: der Vorteil des Labors ist die volle Kontrolle der Manipulation der Bedingungen. Der Vorteil des Feldexperiments ist die externe Validität (Messung dessen, was man messen wollte) aufgrund der realen Bedingungen, die eine Generalisierung der Erkenntnisse erleichtern. 28 MAFO - Case: Internationale Luxusmarken: Unter welchen Bedingungen entstehen "Träume" von Luxus? • Untersuchungsplan und Studien-Design: Befragung (Interviews) • Kategorien: Parfüm, Schmuck, Mode, Lederwaren, alkoholische Getränke, Hi- 34 Luxus-Marken: Fi-Anlagen, etc. Messung der Variablen (Fragebogenfragen): 1. Gestützte Bekanntheit (Awareness): Hier ist eine Liste von Luxusmarken. Bitte geben Sie an, welche Marken Sie zumindest dem Namen nach kennen. 2. Jüngster Kauf (Purchase): Bitte geben Sie an, bei welchen Marken Sie in den letzten zwei Jahren einen Artikel gekauft haben. 3. Traumwert (Dream): Stellen Sie sich vor, Sie haben die Möglichkeit, ein schönes Geschenk auszusuchen, weil Sie bei einem Preisausschreiben gewonnen haben. Welche sind die fünf Marken, die sie am liebsten hätten? Definition von Problemstellung und Ziel der Marktforschungsstudie Entwicklung eines Untersuchungsplans Quelle: Dubois & Paternault 1995, Journal of Advertising Datenerhebung und Datenanalyse Interpretation und Kommunikation der Ergebnisse 29 29 2.a Mafo – Datenerhebung: Stichprobe und Gütekriterien Stichprobe = Bildet eine in bestimmter Weise (z.B. durch ein Auswahlverfahren) ausgewählte Teilmenge der Grundgesamtheit Auswahl der Stichprobe muss so erfolgen, dass aus dem Ergebnis der Teilerhebung möglichst exakt auf die Verhältnisse der Grundgesamtheit geschlossen werden kann (repräsentativ) Entscheidungen - Wer soll befragt werden? - Grösse der Stichprobe? - Mit welchem Verfahren soll die Stichprobe gezogen werden? Gütekriterien • Objektivität: Messung ist unabhängig von messender Person • Reliabilität: Genauigkeit der Messung • Validität: Messung dessen, was man messen wollte Quelle: Kotler et al. 2022. 30 Selten macht es Sinn, eine Gesamtpopulation zu einem Thema zu befragen. Eine Stichprobe ist meist günstiger und effizienter. Für eine Verallgemeinerung der Resultate einer Mafostudie ist es jedoch wichtig, dass die Stichprobe repräsentativ für die Grundgesamtheit ist. • Die Festlegung der Stichprobenauswahl ist wichtig. Darunter werden Verfahren verstanden, die festlegen, wie Teilnehmer ausgesucht werden. Drei Entscheidungen sind hierbei zu treffen: o Wer soll befragt werden? o Wie viele Personen sollen befragt werden? o Mit welchem Verfahren soll die Stichprobe gezogen werden? • Die Qualität der Untersuchung / der Daten wird anhand von drei Dimensionen beurteilt, der Objektivität, der Reliabilität und der Validität. o Die Objektivität bezeichnet die Unabhängigkeit von der messenden Person. Wird ein vergleichbares Ergebnis erzielt, wenn jemand anders die Daten erhebt? Eine genaue Beschreibung der Experimentalprozedur erhöht die Objektivität. o Die Reliabilität ist ein Kriterium für die Genauigkeit der Messung. Kann z.B. über die wiederholte Messung des gleichen Objekts überprüft werden. Wieviel Prozent der Varianz wird durch tatsächliche Unterschiede im zu messenden Merkmal und nicht durch Messfehler erklärt? Im Marketing hat Cronbachs Alpha (auch tauäquivalente Reliabilität genannt) eine wichtige Bedeutung bei der Überprüfung von Konstrukten. o Die Validität ist ein Mass dafür, ob das gemessen wurde was beabsichtigt war. Dies ist insbesondere bei impliziter Messung oder der Verwendung von Indikatoren relevant. Die Validität kann anhand eines externen Kriteriums 30 überprüft werden. Beispiel: Messwiederholungen von Käufern des Produktes, wobei es Unterschiede beim Messen des Kaufs gegeben hat. Korrelationen zwischen den verschiedenen Messformen zeigen die Validität an. 30 2.a Mafo – Verfahren der Stichprobenwahl Zufallsorientierte Verfahren Einfache Zufallsauswahl Jedes Element der Grundgesamtheit hat eine bekannte und gleiche Chance, in die Stichprobe aufgenommen zu werden. Geschichtete Zufallsauswahl Die Grundgesamtheit wird in Schichten aufgeteilt, die sich gegenseitig ausschliessen (wie bspw. Altersklassen), und aus jeder Schicht wird dann eine Zufallsstichprobe gezogen. Flächenauswahlverfahren Die Grundgesamtheit wird in Gruppen aufgeteilt, die sich gegenseitig ausschliessen (wie bspw. Postleitzahlen-Gebiete), und eine Stichprobe wird aus den für die Untersuchung relevanten Gruppen gezogen. Nicht-zufallsorientierte Verfahren Willkürliche Auswahl Auswahl derjenigen Elemente der Grundgesamtheit, von denen Informationen am einfachsten zu bekommen sind (wie bspw. Personen in einer Fussgängerzone). Beurteilungsauswahl Auswahl derjenigen Elemente einer Grundgesamtheit, die nach Einschätzung des Marktforschers besonders aussichtsreich in Bezug auf den Erhalt genauer Informationen sind. Quota-Verfahren Der Marktforscher findet und befragt eine vorgegebene Anzahl an Probanden, die unterschiedliche Merkmale aufweisen und damit die Struktur der Grundgesamtheit abbilden. Quelle: Kotler et al. 2022. 31 • Die Ziehung der Stichprobe kann zufallsorientiert oder eine bewusste Auswahl sein. • Bei zufallsorientierten Verfahren hat jedes Mitglied aus der Grundgesamtheit eine bekannte Wahrscheinlichkeit, in die Stichprobe aufgenommen zu werden. Dies hat den Vorteil, dass der Forscher Konfidenzintervalle für den Stichprobenfehler berechnen kann. • Neben der einfachen Zufallsauswahl bieten sich die geschichtete Stichprobe und das Flächenauswahlverfahren an. • Bei der geschichteten Zufallsstichprobe wird die Grundgesamtheit nach bestimmten Kriterien in Schichten eingeteilt, z.B. nach dem Alter oder Geschlecht und dann wird für jede Schicht eine Zufallsstichprobe gezogen. Dadurch kann sichergestellt werden, dass die Gesamtstichprobe bezüglich des gewählten Kriteriums repräsentativ ist. • Beim Flächenauswahlverfahren wird die Grundgesamtheit in sich ausschliessende Gruppen wie typischerweise PLZ Gebiete aufgeteilt und dann wird aus den für die Befragung relevanten Gruppen eine Stichprobe gezogen. • Wenn die Kosten und/oder der Zeitaufwand für zufallsorientierte Verfahren zu hoch ist, greifen Marktforscher auf nicht-zufallsorientierte Verfahren zurück. • Bei den Auswahlverfahren ist die willkürliche Auswahl das einfachste Verfahren. Hier werden Probanden befragt, von denen Information am einfachsten zu erhalten ist. • Bei der Beurteilungsauswahl werden Probanden befragt, von denen erhofft wird, dass sie besonders genaue Informationen liefern können z.B. Lead-user. 31 • Beim Quota-Verfahren befragt man eine Anzahl an Probanden, die unterschiedliche Merkmale ausweisen und die Struktur der Gesamtpopulation widerspiegeln. Interviewer können so bei Bedarf leicht Ersatzpersonen mit den definierten Struktureigenschaften rekrutieren. • Der Nachteil bei den nicht-zufallsorientierten Verfahren ist, dass wir hier den Stichprobenfehler nicht bestimmen können und die Frage der Repräsentativität unbeantwortet bleibt. 31 2.a MAFO - Case: Internationale Luxusmarken: Unter welchen Bedingungen entstehen "Träume" von Luxus? • Art der Datenerhebung: Insgesamt Interviews mit 3000 Personen (persönliche und selbstausgefüllte) in USA zu Kaufgewohnheiten und Gefühle in Bezug auf 34 Luxusmarken (basierend auf Recall Test) • Stichprobe: Um die Repräsentativität der Stichprobe zu gewährleisten, wurde eine Zufallsstichprobe (Flächenauswahlverfahren) verwendet. (1) Zufallsauswahl von 200 PSUs (Primary Sampling Units), um eine ausgewogene geografische Streuung zu erhalten, und (2) zufällige Auswahl der Telefonnummerstartpunkte und Berechnung der Intervalle der Telefonnummern unter Berücksichtigung der Telefonnummerndichte in den Gebieten. Definition von Problemstellung und Ziel der Marktforschungsstudie Entwicklung eines Untersuchungsplans Quelle: Dubois & Paternault 1995, Journal of Advertising Datenerhebung und Datenanalyse Interpretation und Kommunikation der Ergebnisse 32 32 2.a MAFO – Case: Internationale Luxusmarken Datenanalyse – Visualisierung der Daten Definition von Problemstellung und Ziel der Marktforschungsstudie Entwicklung eines Untersuchungsplans Datenerhebung und Datenanalyse Interpretation und Kommunikation der Ergebnisse Quelle: Dubois & Paternault 1995, Journal of Advertising 33 Der Mafoprozess kann durch vier Phasen charakterisiert werden: • Festlegung des Mafoziels basierend auf der Problemstellung • Entwicklung eines Untersuchungsdesigns • Eigentliche Erhebung und Analyse • Ergebnisinterpretation und Kommunikation derselben Analyse: Abbildung 1 zeigt das Verhältnis von Markenbekanntheit und Kauf. Der Bekanntheitsgrad in den Vereinigten Staaten variiert von 5 Prozent (Daum) bis 92 Prozent (Revlon) und das Kaufniveau von 0,4 Prozent (Bulgari) bis 40,9 Prozent (Revlon). Wie erwartet, ist die Beziehung zwischen Bekanntheitsgrad und Kauf ziemlich stark. Nur wenige Menschen kaufen Luxusmarken, die sie nicht kennen und der Verbreitungsgrad einer Marke wird stark von ihrem Bekanntheitsgrad beeinflusst. Der Korrelationskoeffizient (79 Prozent) zeigt, dass 62 Prozent der Variation des Verbreitungsgrades auf die Bekanntheit zurückzuführen ist. 33 2.a MAFO – Case: Internationale Luxusmarken Visualisierung und Datenanalyse Quelle: Dubois & Paternault 1995, Journal of Advertising 34 Abbildung 2 zeigt den Zusammenhang zwischen Bekanntheitsgrad und dem Traumfaktor. Die Korrelation ist mit 0.84 sehr hoch; d.h., dass 71 Prozent der Variation des Traumwertes durch Bekanntheit erklärt werden kann. Der Zusammenhang zwischen Kauf und Traumfaktor ist jedoch etwas schwächer (25% Varianzerklärung). Da sowohl Kauf als auch der Traumwert durch den Bekanntheitsgrad beeinflusst sind, muss dieser herausgerechnet werden. Wenn für die Bekanntheit "kontrolliert" wird, wird die Beziehung negativ (Regressionskoeffizient = -0,5), was darauf hinweist, dass der Grad der Verbreitung einer Luxusmarke sich negativ auf den "Traum«, eine Luxusmarke zu besitzen, auswirkt. Diese Schlussfolgerung ist eine empirische Unterstützung für das bekannte "Raritätsprinzip«, das dem auffälligen Konsum zugrunde liegt (Veblen, 1899), wonach Luxusprodukte von den Verbrauchern als seltene Produkte wahrgenommen werden; wenn sie übermäßig verbreitet sind, verlieren sie allmählich ihren Luxus Charakter. 34 2.a Mafo - Case: Internationale Luxusmarkenstudie Interpretation und Kommunikation Definition von Problemstellung und Ziel der Marktforschungsstudie Entwicklung eines Untersuchungsplans Datenerhebung und Datenanalyse Interpretation und Kommunikation der Ergebnisse Bei der Marktstudie zu den internationalen Luxusmarken von Dubois und Paternault wurden die Ergebnisse in einem wissenschaftlichen Beitrag veröffentlicht (Journal of Advertising). Herzstück war die sogenannte „Dream-Formula“ als Ergebnis einer Regressionsrechnung: DREAM = 0,58*AWARENESS – 0,59*PURCHASE – 8,6 Varianzerklärung: 79% (korrigiertes r2=0.77) In der Welt der Luxusmarken heisst das, dass Awareness den Traum verstärkt, höhere Diffusion (Verkaufszahlen) zerstört den Traum aber wieder Balanceakt im Luxusmarkenmanagement Quelle: Kotler et al. 2022, Dubois and Paternault, 1995. 35 Der Mafoprozess kann durch vier Phasen charakterisiert werden: • Festlegung des Mafoziels basierend auf der Problemstellung • Entwicklung eines Untersuchungsdesigns • Eigentliche Erhebung und Analyse • Ergebnisinterpretation und Kommunikation derselben Wenn man bedenkt, dass das Traumpotenzial einer Marke durch die Bekanntheit (positiv) und die Verbreitung (negativ) beeinflusst wird, ergeben sich vier Situationen, die alle unterschiedliche Auswirkungen auf das Management haben. In einigen Fällen (Situation 1) ist der Wunsch nach der Marke begrenzt, weil der Bekanntheitsgrad gering ist. Viele Marken in unserer Stichprobe sind mit diesem Problem in den Vereinigten Staaten konfrontiert: z.B. Bulgari, Bang & Olufsen. In diesem Fall ist die Empfehlung für das Management klar: Der Bekanntheitsgrad muss zunächst gesteigert werden. Sponsoring-Aktivitäten, Prominenten-Werbung, sowie Eventmanagement könnten dabei helfen. In einigen anderen Fällen (Situation 2) ist der Bekanntheitsgrad gut, aber der Wunsch bleibt hinter den Erwartungen zurück, vor allem weil das Kaufniveau bereits hoch ist. In den Vereinigten Staaten scheint dies z.B. bei Yves Saint Laurent der Fall zu sein. In einer solchen Situation sollte man von einer übermäßigen Lizenzvergabe absehen und sehr selektive Vertriebskanäle pflegen, um den Markenwert zu schützen. Ein interessantes Beispiel für eine 35 solche straffe Strategie ist Louis Vuitton, dessen Politik darin besteht, den Vertrieb durch eigene Stores (oder 51 Prozent Joint Ventures) zu kontrollieren. Situation 3 beschreibt genau das gegenteilige Szenario. Der Bekanntheitsgrad ist, relativ gesehen, nicht unbedingt sehr hoch, aber das Kaufniveau ist niedrig genug, um Faszination auszulösen. Die Aussichten für Entwicklung sind gut, sofern eine sorgfältige Expansionsstrategie verfolgt wird. Schließlich beschreibt Situation 4 einen sehr starken Bekanntheitsgrad und sehr kontrollierte Verbreitung. Wie bereits erwähnt, ist Rolex ein Beispiel für diese Situation in den Vereinigten Staaten. Rolex hat gefährliche Diversifizierungsstrategien sorgfältig vermieden. Ein weiteres Beispiel für eine erfolgreiche Strategie des Diffusionsmanagements liefert De Beers. Durch die Begrenzung der Zahl der Käufer und die Entscheidung, weniger Rohdiamanten zu verkaufen, wenn die Preise sinken, und mehr, wenn sie steigen, ist das Unternehmen seit mehr als 60 Jahren in der Lage, das empfindliche Gleichgewicht zwischen Angebot und Nachfrage in der gesamten Diamantenindustrie zu managen. (sh. Dubois und Paternault, 1995). Weiterführende Literatur: Kapferer, Valette-Florence (2016). Is luxury sufficient to create brand desirability? A cross-cultural analysis of the relationship between luxury and dreams, Luxury Research J., Vol. 1, No. 2, 2016 35 MAFO - Case: Internationale Luxusmarken: Ist das heute noch von Bedeutung? Exklusivität für die Jungen «Durch die künstliche Verknappung schafft man Begehrlichkeit.» Neuere Generationen hätten ein ganz anderes Einkaufsverhalten, auch geprägt durch die sozialen Medien. «Besitzt man ein sehr exklusives Produkt und zeigt sich damit in den sozialen Medien, steigert das Begehrlichkeit in der g anzen Community und pusht den Brand» watson, 26.10.2021 Quelle: https://www.watson.ch/!425706645?utm_medium=social-user&utm_source=social_app 36 36 Klicker: 1.) Finden Sie solche Verknappungsstrategien von Luxusmarkenherstellern verwerflich? j/n 2.) Wenden Sie vergleichbare Strategie bei sich selbst gelegentlich an? Z.B. Sie gönnen sich einen bestimmten Luxus (z.B. Schokotraum) nur zu bestimmten festlichen Anlässen, um den «Traum» von Schokolade nicht zu verlieren? j/n Quelle: https://www.kochbar.de/rezept/455550/Schokotraum.html 37 Als Vorbereitung zur Übung lesen Sie bitte bis Dienstag den Case Mahalo AG! 38