Wissens- und Technologietransfer von Academia in die Industrie 6. Berechnung des Werts von Schutzrechten „Patentbewertung“ W. Tröger 1 Disclaimer Diese Vorlesung zum „Wissens- und Technologietransfer von Academia in die Industrie“ gibt ausschließlich die persönliche Auffassung des Lesenden wieder und nicht die anderer Personen oder Institutionen, insbesondere nicht die der Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaft e.V., der Max-Planck-Innovation GmbH oder der Ludwigs-Maximilians-Universität. Weder kann eine Garantie für die inhaltliche Richtigkeit übernommen werden, noch soll eine ggf. notwendige Rechtsberatung im Einzelfall ersetzt werden. Verbindliche Auskünfte können nur offizielle Repräsentanten im Auftrag ihrer Institutionen oder Rechtsanwälte erteilen, die dann auch die Haftung für die Richtigkeit ihrer Ratschläge tragen. Eine Weitergabe des Vorlesungsmaterials an Dritte oder alle Formen einer Veröffentlichung sind nicht erlaubt! 2 6.1 Drei „prinzipielle Methoden“ 1. Kostenansatz Der Wert des Schutzrechts entspricht den Kosten, die zur Erlangung des Schutzrechts angefallen sind. 2. Ertragswertansatz Welche Einnahmen/Gewinne sind durch das Schutzrecht zu erwarten? 3. Marktwertansatz Der Wert des Schutzrechtes wird anhand einer ähnlichen, zuvor durchgeführten Transaktion ermittelt. 3 6.1 Der Kostenansatz Der Wert eines Schutzrechts entspricht der Addition aller Kosten, die das Schutzrecht (z. B. Patent) verursacht hat. Kosten für Forschung und Entwicklung + Kosten für das Schutzrecht (Patentanwalt, Amtsgebühren, ...) + Kosten für die Aufrechterhaltung des Schutzrechts (Jahresgebühren, Einspruchskosten, ...) + Kosten für das TechTransfer-Büro + ... S Wert des Schutzrechts Vorteil: Einfach! Nachteil: Wertlose Schutzrechte werden überbewertet – wertvolle Schutzrechte werden unterbewertet ! 4 6.2 Ertragswertansatz – Discounted Cash Flow (DCF) Daumenregel: ! " bis ! # „25%-Regel“ oder „25 Per Cent Rule“ oder „Knoppe-Formel“ Begründung: Risikoverteilung (siehe nächste Folie). der Bruttomarge eines Produktes stehen dem Lizenzgeber zu Bruttogewinnmarge Bruttoumsatzrendite = Umsatz - Herstellkosten Bruttomarge (%) = $%&'() * +,-&(,../0&(,1 $%&'() ×100 (also vor Vertriebs- und Verwaltungskosten und Steuern) Beispiel: Ein Produkt mit 35% Bruttomarge ! Lizenzgebühr = 0,35 × 0,25 = 0,0875 = 8,75% auf den Verkaufspreis „25%-Regel“ 5 6.2 Laufende Lizenzzahlungen – Running Royalties Umsatzabhängige Lizenzgebühren, weil 1. eindeutig messbar („steht auf Rechnung“); 2. frei von Verzerrungen (z.B. ineffiziente Verwaltung); 3. Lizenznehmer wollen nicht die Gewinn-/Kostenkalkulation offenlegen. Wesentliche Merkmale: 1. Fokus liegt auf den Ergebnissen des Lizenznehmers; 2. Nur die zukünftigen Ergebnisse zählen, vergangene Kosten („sunk costs“) zählen nicht; 3. Lizenzsatz soll sich auf eine Ergebnisgröße beziehen; 4. Langfristige Teilhabe am Gewinn. Lizenznehmer-Anteil ~75% > Lizenzgeber-Anteil ~25% Risiko – groß > Risiko – gering Vermarktung, Absatz, Personal, Beschaffung, Produktion • • Umsatzbezogene Lizenzgebühr generiert Zahlungen auch bei Verlusten des Lizenznehmers Keine adäquate Nutzung (Gegenmaßnahmen: • Anrechenbare Minimum-Lizenz, • Aktivitätsklausel mit Sonderkündigungsrecht.) 6 6.2.1 Discounted-Cash-Flow – Ansatz zur Berechnung des Wertes eines Patents Theorie VECO Patent Value 6 Cash Flow 5 Ökonomische Faktoren 4 Wirtschaftlicher Nutzen 3 Markteffekte Legale Faktoren 2 Verbietungsrecht 1 1b Technische Faktoren Patent 7 6.2.1 Discounted-Cash-Flow – Ansatz zur Berechnung des Wertes eines Patents Ökonomischer Wert des Patents, Summer aller Lizenzzahlungen Royalty rate &',-./01&2 345467/804- !!"# " = !′!"# " × &$% = ( ( Faktor für legale & technische Faktoren )"9! × * ) × &$% &'(, * … Annahme: Produktlebensdauer < Patentlebensdauer t ∈ ℕ (Jahre) Umsatz – Net Sales kumuliert p.a. – cumulated p.a.* diskontiert – discounted geschätzt – estimated * p.a. = per anno, pro Jahr 8 6.2.1 Discounted-Cash-Flow – Ansatz zur Berechnung des Wertes eines Patents Diskontierungsfaktor, für Gewinne in der Zukunft Umsätze wie im Business-Plan „vorausgesagt“ für das Jahr t &2 = )"9! = ) " × &: " × &9 (") Risikofaktor, dass die tatsächlichen Umsätze geringer sind als vorausgesagt. Empirische Studien. Das Risiko wird von Jahr zu Jahr größer; der Risikofaktor kleiner. 1 1+) 3 Zinssatz mit dem die Zahlung abgezinst wird. Typisch 10% &2 &2 &2 &2 &2 &2 … &2 * * * * * * =0 =1 =2 =3 =4 =5 =1 = 0,91 = 0,82 = 0,75 = 0,68 = 0,62 * = 10 = 0,38 9 6.2.1 Discounted-Cash-Flow – Ansatz zur Berechnung des Wertes eines Patents ;! (=) ;"(=) 1 1.000 1 1.000 0,91 910 0,03 27,3 2 2.000 1 2.000 0,82 1640 0,03 49,2 3 4.000 0,95 3.800 0,75 2850 0,03 85,5 4 8.000 0,9 7.200 0,68 4896 0,03 146,88 5 8.000 0,85 6.800 0,62 4216 0,03 126,48 6 8.000 0,8 6.400 0,56 3584 0,03 107,52 7 6.000 0,7 4.200 0,59 2478 0,03 74,34 8 2.000 0,6 1.200 0,47 564 0,03 16,92 TOTAL 39.000 32.600 21.138 0,84 Lizenznehmer, Literatur Beratung r @′$#% = [T€] N(t) [T€] Mit einem Lizenzsatz von r = 3% ergibt das 1.170 T€ an Lizenzgebühren. Lizenznehmer, Business Plan, Woher kommen „sigmoidaler Verlauf“. diese Werte? risikobereinigte Umsätze ?#"$ (=) Jahr 0,64 0,016 Literatur Beratung 634,14 0,03 Lizenznehmer, Lizenzgeber, Literatur, Beratung, Schlichtung Wert des Patents jetzt! 10 6.2.1 Discounted-Cash-Flow – Ansatz Berücksichtigung der legalen (-technischen) Faktoren („Legal Risk Factor“ fLT) Status Anmeldung/Patent 0,3 Stärke Einspruch/Nichtigkeit überlebt 0,15 Eingentumsschaft Richtige Inanspruchnahme Anmelder/Erfinder 0,05 Freedom-to-Operate Gutachten 0,35 Umgehung Technisch schwierig/einfach 0,1 Durchsetzbarkeit Zuverlässigkeit des Rechtsystems der Anmeldung/Patent 0,05 Σ 1 Beispiel: Status EP-Patent, US+JP: Anmeldung 0,2 Stärke - 0 Eingentumsschaft 0,05 Freedom-to-Operate Vorhanden 0,35 Umgehung Nur schwer möglich 0,07 Durchsetzbarkeit EP ✓, US ✓, JP ✓ 0,05 Σ 0,72 Damit verringert sich der “Patentwert” um fast 30%: VECO = V’ECO x fLT = 634,14 T€ x 0,72 = 456,6 T€ 11 6.2.1 Vergleich: Jährlich Lizenzgebühren - Einmalzahlung Kumulierter Umsatz nach einem Zeitraum von 8 Jahren: 39.000.000 €. Bei einem Stück-Lizenzsatz von 3 % ergibt das: 1.170.000 € kumuliert nach 8 Jahren. Die sofortige Einmalzahlung beträgt: 634. 0000 € bzw. bei Berücksichtigung der legalen/technischen Faktoren 456.600 €. Also ungefähr die Hälfte! 12 6.2 Exkurs (I): Produktlebenszyklus Idealtypischer Produktlebenszyklus (5-Phasen-Zyklusmodell.) (aus: https://www.lernnetz24.de/bwl/hinweise/49.html) 13 6.2 Exkurs (II): Produktlebenszyklus - Sigmoidfunktion Sigmoidfunktion, Schwanenhalsfunktion oder S-Funktion: Mathematische Funktion mit einem S-förmigen Graphen !"# (%) = ! !"# !" = #" # " "! = ! ( $ % 1 + %+,ℎ $ (aus: https://de.wikipedia.org/wiki/Sigmoidfunktion) 14 6.3 Der Marktwertansatz (I) Der Wert eines Schutzrechts wird durch Vergleich ermittelt: Wurde ein ähnliches Schutzrecht verkauft, ist davon auszugehen, dass für das eigene Schutzrecht ein ähnlicher Preis erzielt werden kann/soll/muss. (Ähnliches Prinzip: Mietspiegel.) Vorteile: - Kein Prognose-Risiko. - Kein Problem bei der Bewertung von „Sperr-Patenten“. Nachteile: - Subjektive Auswahl der Vergleichsobjekte (Patente sind per Definition Unikate). - Oft findet man eine breite Verteilung des Wertes für „ähnliche“ Schutzrechte. 15 6.3 Der Marktwertansatz (II) Mietspiegel ⇒ „Lizenzspiegel“ Hellebrand / Rabe Lizenzsätze für technische Erfindungen Verlag Carl Heymanns Verlag ISBN 978-3-452-29628-3 Erscheinungstermin 10.11.2020 Auflage 6. Auflage 2020 Seitenzahl 1036 Einbandart gebunden 219,00 € inkl. MwSt. 16 6. Berechnung des Werts von Schutzrechten „Patentbewertung“ Ende 17 6. Berechnung des Werts von Schutzrechten „Patentbewertung“ - Literatur DIN 77100 - „Lehrbuchcharakter“ - Keine konkrete Anleitung Önorm A 6801 - Sehr konkret mit Beispielen - Für monetäre als auch für qualitative – firmeninterne - Bewertung 18