Uploaded by maksim.walter

v178183

advertisement
Pädagogik
Anja Koßurok
Die Identitätstheorien nach G. H. Mead, E.
Goffman und L. Krappmann
Essay
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:
Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de/ abrufbar.
Dieses Werk sowie alle darin enthaltenen einzelnen Beiträge und Abbildungen
sind urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung, die nicht ausdrücklich vom
Urheberrechtsschutz zugelassen ist, bedarf der vorherigen Zustimmung des Verlages. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Bearbeitungen, Übersetzungen,
Mikroverfilmungen, Auswertungen durch Datenbanken und für die Einspeicherung
und Verarbeitung in elektronische Systeme. Alle Rechte, auch die des auszugsweisen
Nachdrucks, der fotomechanischen Wiedergabe (einschließlich Mikrokopie) sowie
der Auswertung durch Datenbanken oder ähnliche Einrichtungen, vorbehalten.
Impressum:
Copyright © 2010 GRIN Verlag
ISBN: 9783656002024
Dieses Buch bei GRIN:
https://www.grin.com/document/178183
Anja Koßurok
Die Identitätstheorien nach G. H. Mead, E. Goffman und
L. Krappmann
GRIN Verlag
GRIN - Your knowledge has value
Der GRIN Verlag publiziert seit 1998 wissenschaftliche Arbeiten von Studenten,
Hochschullehrern und anderen Akademikern als eBook und gedrucktes Buch. Die
Verlagswebsite www.grin.com ist die ideale Plattform zur Veröffentlichung von
Hausarbeiten, Abschlussarbeiten, wissenschaftlichen Aufsätzen, Dissertationen
und Fachbüchern.
Besuchen Sie uns im Internet:
http://www.grin.com/
http://www.facebook.com/grincom
http://www.twitter.com/grin_com
Abstract zum Scheinerwerb
Die Identitätstheorien nach
G.H.Mead, E. Goffman und L.
Krappmann
der
Verfasserin:
Anja Koßurok
Studiengang:
Pädagogik/Soziologie Magister
Seminar:
„Wer bin ich, und wenn ja, wie viele?“ – Eine Frage
Identität
Inhalt
1
2
Einleitung
3
1.1
Identitätstheorie nach George Herbert MEAD
3
1.2
Identitätstheorie nach Erving GOFFMAN
5
1.3
Identitätstheorie nach Lothar KRAPPMANN
7
Literaturverzeichnis
9
2
1
Einleitung
Möchte man sich der Frage von Identität annehmen, kann dies nicht ohne
Bezugnahme auf George Herbert Mead ("Geist, Identität, Gesellschaft", 1968)
geschehen. Er bietet zwar keine direkte Definition von Identität, jedoch versucht
er ihre Entstehung und ihr Wesen zu beschreiben. Ebenso wie Mead geht auch
Krappmann (1973) davon aus, dass Sprache als das Hauptinstrument bei der
Vermittlung
von
Identitäten
fungiert.
Da
Krappmann
wie
Mead
eien
dynamischen Identitätsbegriff vertritt, begreift er unbeschädigt Identität nicht als
eine Charaktereigenschaft, sondern als das Ergebnis von Handlungen, welche
in jeder Interaktionssituation neu erreicht werden muss. In gewissem Sinne
komplementär zu Krappmann, hat sich Erving Goffman (1967) mit der
Entstehung von Identität, insbesondere beschädigter Identitäten und den damit
verbundenen Verhaltensstrategien beschäftigt. Beschädigt Identität resultiert
aus
einer
Folge
von
Normabweichungen,
die
zu
gesellschaftlicher
Stigmatisierung führt. Da alle drei Identitätstheorien auf Grundlage des
symbolischen Interaktionismus erwachsen sind, stellt Sprache, Kommunikation
und Gesellschaft die Grundlage jeder dieser Theorien dar. Ich möchte im
Folgenden versuchen, die unterschiedlichen Herangehensweisen dieser drei
Theoretiker
zu
dokumentieren
und
auf
Zusammenhänge
unter
ihnen
einzugehen.
1.1
Identitätstheorie nach George Herbert MEAD
Mead´s Grundannahme stützt sich auf Betrachtungen zu Zeichen und Gesten.
Vor allem Gesten sind gesellschaftlich vereinbart, sie haben eine Bedeutung.
Wenn Gesten über eine konkrete Situation hinausgehen und einen allgemeinen
Sinn haben, so nennt Mead sie Symbole. Gesten und Symbole müssen stets
neu interpretiert werden und sind nicht unmittelbar klar. Wenn trotz
Interpretation die Bedeutung eines Symbols in einer Gesellschaft gleich ist,
spricht Mead von signifikanten Symbolen, wobei das wichtigste signifikante
Symbol das der Sprache ist. Die Fähigkeit sich in andere hineinversetzen zu
können, bezeichnet Mead als Rollenübernahme (role taking). An dieser Stelle
setzt er die Notwendigkeit, die Erwartungen des anderen zu interpretieren und
3
seinen eigenen Erwartungen gerecht zu werden, gleich. Das heißt Mead
unterstellt ein allgemeines Interesse am Funktionieren der Gesellschaft, was
sich von Parsons her ableitet. Mead´s Identitätsbegriff bezieht sich nicht nur auf
Interaktion, sondern primär auf die Übernahme von Haltungen. Er unterstellt,
dass jedes Gesellschaftsmitglied das sein möchte, was von ihm erwartet wird,
das sich ein Jeder während seines Handelns mit den Augen der anderen sieht.
Diese Identität bezeichnet Mead als self. Zur Ausbildung des self bedarf es
jedoch Sozialisationsprozesse, die Mead im play und game sieht. Als play
bezeichnet er das kindliche Rollenspiel, welches die ihn umgebenden Personen
nachahmt und so nach und nach die Haltungen, dieser signifikanten Anderen,
internalisiert. Im späteren game lernt das Kind die organisierte Gemeinschaft,
also die generalisierten Anderen, kennen. Es lernt, die Haltungen der Anderen
und seine Eigene ihnen gegenüber zu einem Ganzen zu organisieren. Ohne
Empathie ist die Bildung dieses „verallgemeinerten Anderen“, nach Mead, nicht
möglich. Play und game bilden Sichtweisen auf die Welt, die Gesellschaft und
das System der Rollen. Der Mensch erlernt die Erwartungen der Gesellschaft
und geht auf diese, in Form von Interaktion,
ein. Er übernimmt die
Rollenerwartungen an ihn und bildet seine Identität. Gegenüber dem self, dem
Wunsch die Erwartungen der Gesellschaft gerecht zu werden, steht das
impulsive, unbewusste I. In ihm kommen sinnliche und körperliche Bedürfnisse
spontan zum Ausdruck und es ist nie vollständig sozialisierbar. Das I birgt die
Gefahr, die soziale Selbstdisziplinierung, die über die Internalisierung des
generalisierten Anderen erfolgte, aufzuheben. Gleichzeitig ist es aber auch
Zeichen von Spontanität und Persönlichkeit eines Gesellschaftsmitglieds. Die
dritte Facette menschlicher Identität bildet das Me, das reflektierte Ich, welches
das eigene Handeln in Relation zu den Erwartungen des generalisierten
Anderen, reflektiert. Aus der Differenz zwischen dem unreflektierten, spontanen
Handeln des I und der Reflexion der Handlung durch das Me, entwickelt sich
reflexives Bewusstsein. Ergebnis des reflexiven Bewusstseins ist die Synthese
der reflektierten Ichs im self, was nach Mead Identität darstellt. Sozialisation
dient bei Mead demnach dazu, dass das Individuum lernt, den Erwartungen der
4
anderen gerecht zu werden, wobei der andere im Verlauf der Zeit zunehmend
zur Gesellschaft insgesamt verallgemeinert wird.
1.2
Identitätstheorie nach Erving GOFFMAN
Auch
Goffman
bezieht
die
Entstehung
seines
Identitätsbegriffes
auf
Interaktionen, jedoch interessiert er sich für die Ausdrucksformen von
Individuen in sozialen Interaktionen. Goffman geht davon aus, dass
Interaktionen einer Ordnung unterliegen, die in jedem beliebigen, insbesondere
in der Alltagsinteraktion, beobachtbar ist. Die Akteure nehmen eine Identität, in
Form von Rollen, in Anspruch, die von anderen bestätigt oder verweigert
werden
kann.
Diese
Verweigerung
kann
in
ihrer
Konsequenz
zu
Identitätsbeschädigungen (Stigmatisierung) führen. Somit wird deutlich, dass
die Akteure die gesellschaftlichen Regeln beherrschen müssen, um als
kompetente Handelnde zu bestehen. Goffman bringt den Begriff der Rolle in
seine Theorie ein, welche im soziologischen Sinn, ein Bündel von
Verhaltenserwartungen beschreibt, die an bestimmte soziale Positionen
geknüpft sind. In seinem Buch "Wir alle spielen Theater" (1969) nutzt Goffman
die Theatermetaphorik, um zu beschreiben, wie sich der Einzelne darstellt und
den entworfenen Eindruck seiner selbst kontrolliert und lenkt. Die Darstellung
umfasst das Gesamtverhalten eines Einzelnen, welches er, in Gegenwart
anderer, an den Tag legt. Die Fassade bildet hierbei ein standardisiertes
Ausdrucksrepertoire, das der Einzelne im Verlauf seiner Darstellung bewusst
oder unbewusst anwendet. Das umfasst sowohl die räumliche Fassade, wie
das Bühnenbild, also der Ort der Interaktion, wie auch die persönliche Fassade,
wie
Erscheinung
und
Verhalten.
Die
Rolle
ist
ein
vorbestimmtes
Handlungsmuster, welches sich innerhalb einer Darstellung entfaltet und auch
bei anderen Gelegenheiten vorgeführt werden kann. In einem anderen Beitrag
setzt sich Goffman mit der Frage der Entstehung und Bewältigung beschädigter
Identitäten auseinander, also solcher, die von vollständiger sozialer Akzeptanz
ausgeschlossen sind ("Stigma.Über Technikern der Bewältigung beschädigter
Identität.", 1975). Zu Grunde liegt die Annahme, dass Identitäten nicht
identifiziert werden, sondern gesellschaftlich bereits definiert/konstruiert sind.
5
So
werden
den
Mitgliedern
einer
Gesellschaft
soziale
Identitäten
zugeschrieben. Die Individuen wissen um ihre soziale Zugehörigkeit und den
damit verbundenen Erwartungen. Goffman unterscheidet zwischen virtualer
sozialer Identität, also der gesellschaftlichen Annahme, wie jemand, den
Erfahrungen nach sein sollte, und der aktualen sozialen Identität, also der
Einordnung nach überprüfbaren sozialen Kategorien und den tatsächlich
vorhandenen Eigenschaften. Stigma bildet an dieser Stelle ein auffälliges,
negativ konnotiertes Merkmal einer Person, welches eben diese Person von
den
übrigen
Mitgliedern
einer
Gesellschaft
negativ
unterscheidet.
Stigmatisierung ist abhängig von den derzeitigen Normvorstellungen einer
Kultur und der damit verbundenen Annahme dessen, was „normal“ ist. Dieses
Normale fungiert als „phantom normalcy“, die Grundlage der Erwartungen an
eine Person, die jedoch nie vollends erfüllt werden können. Unter persönlicher
Identität versteht Goffman die positiven Kennzeichen einer Person, eine
Kombination
aller
Daten
ihrer
Lebensgeschichte.
Sie
ermöglicht
die
Differenzierung von anderen Individuen und besitzt die Möglichkeit des
Stigmatamanagements durch Informationskontrolle. Über bestimmte Techniken
(Täuschen/Kurvieren) ist es hier möglich einen spezifischen Eindruck über sich,
bei anderen hervorzurufen. Beide, soziale wie persönliche Identität, sind
gesellschaftlich zugeschriebene Identitäten. Die Ich-Identität hingegen, umfasst
eher ein subjektives Gefühl einer Person von sich selbst, was den Umgang mit
der, ihr zugeteilten, sozialen Identität impliziert. Diskreditierte müssen
permanent an der Vermittlung zwischen ihrem Selbstbild und dem sozialen Bild,
das die anderen zurückwerfen, arbeiten. Das heißt, sie müssen Korrekturen an
sich selbst vornehmen und sich der herrschenden Normalität anpassen,
gleichzeitig müssen sie aber auch ein Publikum finden, dass Korrekturen
akzeptiert und honoriert. Goffman beleuchtet also den symbolischen Charakter
sozialen Handelns und verdeutlicht den Stellenwert der Sinngebung im
Handeln.
6
1.3
Identitätstheorie nach Lothar KRAPPMANN
Als Bindeglied zwischen Mead und Goffman setzte sich auch Lothar
Krappmann
("Soziologische
Dimensionen
von
Identität:
Strukturelle
Bedingungen für die Teilnahme an Interaktionsprozessen", 1973) mit der Frage
der Ausbildung von Identität auseinander. Auch nach seinem Verständnis wird
Identität über Sprache vermittelt. Sie entsteht in Interaktionen immer wieder neu
und ist damit veränderbar. Innerhalb einer Interaktion tauschen die Partner über
Gestik, Mimik und Sprache Wünsche und Bedürfnisse aus. Nach Krappmann
erfüllt die Umgangssprache die Kriterien, die vorliegen müssen, um Identität
entstehen zu lassen. Sprache muss einerseits in der Lage sein, die
Erwartungen der anderen Interaktionspartner in der jeweiligen Situation, dem
Gegenüber zu vermitteln. Da allen Interaktionspartnern ein gemeinsames
Bedeutungssystem gemein ist, muss sie, zum Zweiten, den Informationsverlust
bei der Darstellung individueller Erfahrungen möglichst gering halten. Weiterhin
muss die Umgangssprache über einen differenzierten, begrifflichen Apparat
verfügen, der es ermöglicht, Problemlösungen zu finden. Hinzu kommt die
notwendige Funktion Überschussinformationen weitergeben zu können, also
solche, die der Sprecher nutzt, um mit verbalen oder nonverbalen Mitteln seine
besondere Einstellung zum Inhalt einer Mitteilung zu verdeutlichen. Innerhalb
dieser Interaktionsprozesse obliegt dem Individuum die Aufgabe, einen
Balanceakt, zwischen den normierten Erwartungen an bestimmte Rollen, und
der Erkenntnis, dass diese nie vollends erfüllt werden können, zu vollführen.
Diese
Erwartungen
an
das
Individuum
stellen
die
gesellschaftlichen
Erwartungen an die soziale Identität dar. Erwartungen von außen an die
persönliche Identität sind solche, die eine individuelle, einzigartige Identität des
Einzelnen erwarten. Auch diese Erwartung kann jedoch nicht vollends erfüllt
werden, denn das Festhalten an Gemeinsamkeiten ist unabdingbar, um
Interaktion aufrecht zu erhalten. Das Individuum verknüpft seine Erfahrungen
aus früheren Interaktionen mit den Erwartungen der aktuellen Situation und
versucht nun seine besondere Identität zu präsentieren, und seine Bedürfnisse
und Wünsche dem Gegenüber zu vermitteln. Es muss also bei der Präsentation
seiner Individualität, die gesellschaftlichen Erwartungen berücksichtigen, um in
7
seiner persönlichen Besonderheit akzeptiert zu werden. Krappmann spricht von
einer gelungenen Identitätsbildung, wenn das Individuum die erworbenen
Erfahrungen verschiedenster Interaktionen zu einer möglichst konstanten
Biographie, einer beständigen Handlungsorientierung, ordnet. Es entwickelt
sich eine Identität, die sich von denen der anderen unterscheidet und doch die
gesellschaftlichen Erwartungen zu erfüllen sucht. Krappmann distanziert sich an
dieser Stelle vom Mead´schen I und Me, da er davon ausgeht, dass das
impulsive I mehr sein muss, als die Unvorhersehbarkeit im Verhalten einer
Person. Er bezieht sich zwar auf Mead´s Theorie des Self, weist jedoch darauf
hin, das ihm nicht klar sei, woher das I seine Kraft bezieht, die Erwartungen der
anderen so zu interpretieren, dass sich seine Einmaligkeit darin ausdrücken
kann.
Krappmann
sieht
in
diesen
sich
gegenseitig
ausschließenden
Anforderungen an die Individuen (Erwartungen erfüllen und gleichzeitig so zu
sein wie keine anderer) und dem sich daraus ergebenden Balanceakt, den das
Individuum vollführt, die Grundlage zur Bildung von Ich-Identität. Krappmann
stellt sich vor, dass Individuen die eigenen und sozialen Erwartungen
aufnehmen und dann Rollen- und Ambiguitätstoleranz entwickelt. Unter
Rollendistanz versteht er, dass das Individuum aus der Widersprüchlichkeit der
Rollenerwartungen eine Interpretationsbedürftigkeit konstatiert, und sich dann
davon distanziert. Es macht sich klar, wie es den Erwartungen nun situativ
gerecht werden kann. Rollendistanz wird damit zur Grundlage des „role taking“,
wie
wir
es
auch
schon
bei
Mead
und
Goffman
vorfinden.
Unter
Ambiguitätstoleranz versteht er wiederrum die Fähigkeit widersprüchliche
Bedürfnisse
auszuhalten.
Die
Errichtung
einer
Ich-Identität
somit
ist
unabdingbar an Konflikte und Ambiguitäten gebunden. Sie ermöglichen die
Ausbildung der Fähigkeit, besondere Stellungen angesichts spezifischer
Konflikte darzustellen.
8
2
Literaturverzeichnis
Goffman, E. (1975). "Stigma.Über Technikern der Bewältigung beschädigter
Identität.". suhrkamp verlag.
Goffman, E. (1969). "Wir alle spielen Theater". München: Piper Verlag GmbH.
Krappmann, L. (1973). "Soziologische Dimensionen von Identität:Strukturelle
Bedingungen für die Teilnahme an Interaktionsprozessen". Stuttgart: ErnstKlett-Verlag.
Mead, G. H. (1968). "Geist, Identität, Gesellschaft". Frankfurt/Main: Suhrkamp
Taschenbuch Verlag.
9
Download