24 ORIENTIERUNGEN Gattung-Form-Stil - rung und Darstellung nach sachlichen und lo- in der musikwissenschaftlichen Fachsprache der Terminus ,Gattung"'als Oberbegriffherausgebildet, außerdem wird noch zwischen,, Form gischen Gesichtspunkten, wie es sie zum Bei undStil" ditferenziert. spiel tur einzelne Naturwissenschaten gibt, ist auf die Musik nicht ohne Weiteres ubertragbar. Gattung Beispielsweise kennt die Biologie die grobe Un- Zu ,Gattungen" werden seit dem 19. Jahrhun- terteilung in Anthropologie. Zoologie, Bota- dert Musikwerke mit gemeinsamen übergeord- Kategorien in der Musik Eine Systematik, also eine planmäßige Gliede- nik und Mikrobiologie, zusätzlich weitere Un grund der Hüufigkeit ihres Vorkommens bzw Ordnungen, Klassen, Stänmme. der allgemeinen Wertschätzung Bedeutung er- gleichbar sind, gibt es Gattungen, die relativ klar definiert sind. In der Literatur sind es die drei großen Gat tungen Epik. Lyrik und Dramatik, in der bildenden Kunst werden u. a. Ma lerei, Grafik. Plastik oder Baukunst als Gattungen" bezeichnet. Saçes in der Rust - jenann Philipp Kimber Musik', 77 Die Musik kennt diese klar gegeneinander abgegrenzten Teilbereiche nicht. Eine grobe Unterscheidung von Instrumentalmusik und Vokalmusik ist zwar sinnvol, führt aber zu Uberschneidungen. In der Regel wird alle Musik mit Gesang, auch die mit Instrumentalbegleitung, zur Vokalmusik gezählt. Das gilt für Opern, Kantaten, Messen, Volkslieder, klavierbegleite auf die Besetzung, Auffuhrungsorte, aber auch auf Funktionen oder Formen beziehen. Beispiele: Sinfonie, Oper, Sonate, Kunstlied, Suite, Oratorium, Messe, Thema mit Variati- onen, Streichquartett Form Formen unterscheiden sich durch Bau und Struktur der Komposition. Formbildende Ele mente können z. B. Themen, Perioden, Sätze, Satzteile oder Motive sein. Beispicle: Fuge, Liedformen (einfache oder zusammengesetzte), Rondo, Sonatenform, Variation Zyklische Werke können Teile unterschiedlicher Formen enthalten, die Zusammensetzung wird auch als Großform bezeichnet. Diese ist meist te Sololieder ebenso wie für Songs der Popu- identisch mit einer Gattung So bestebt eine Sinfonie oft aus einem Satz in der Sonatenform (1.), zwei Sätzen in der Liedform (2./3.) und einem Satz in der Form des Rondos (4.). musik) und E-Musik (Ernste Musik) sind zwar gebräuchlich, doch ist die Funktion von Musik kein sehr brauchbares Unterscheidungskriterium. Die Serenaden (z.B. Eine kleine Nachtmu- sik) und Divertimenti W. A. MozaRTs sind pure Unterhaltungskompositio nen, gelten aber als ,E-Musik". Ande rerseits gibt es im Bereich der Populären Musik eine Reihe sehr ernster und tiefgründiger Songs. In der Populären Musik spricht man häufig von Heinrich Schutzens verschiedenen Musikrichtungen, im Jazz von in der Fosung seines Schulers Chnistoph Stilen, Bernhard" 1649 langt haben. Diese Kennzeichen können sich lären Musik. Die Begriffe U-Musik (Unterhaltungs Die Kompositionslehre neten Kennzeichen zusammengefasst, die auf tergliederungen in Arten, Gattungen, Familien, In der Literatur und der bildenden Kunst, die eher mit der Musik ver gET:Die Kunst des reinen Satzes in der Satz B. von New Orleans, Bebop oder Fusion, einer Mischung aus Jazz und Rock. Für die komponierte, werkbezogene Musik mit z. gleichen oder ähnlichen Kennzeichen hat sich Stil Der Begriff,Stil" bezeichnet die Art des Schreibens (oder im Jazz auch des Spielens) von Mu- sik. Der Begriff wird auf typische, relativ gleichbleibende und wiederkehrende Merkmale von Satztechniken (s. u.) bezogen. Man unterscheidet zwischen Personalstil, Zeit- oder Epochenstil, Nationalstil, zum Teil auch Gattungsstil; auch Kombinationen sind möglich. Gattungen bedienen sich bestimmter Formen; Werke einer Gattung können in unterschied lichen Stilen geschrieben sein. Der Stilbegriff ist der älteste dieser drei Begrif- fe, er entstand zu Beginn des 17.Jahrhunderts, als der monodische Stil den polyphonen Stil ab- GATTUNG FORM STIL SATZ 25 loste. Die Begriffe ,Gattung" und ,Form" haben sich erst im 18.Jahrhundert durchgesetzt. Johonn Matthesons Beispiele: Palestrina-Stil, Barock-Stil, Stil der Der vollkommene Kompositionslehre Capellmeister", 739 Wiener Klassik, Stil der französischen Grand Opéra E Satz Ein Komponist trifft mit jeder Note, die er auf- schreibt, eine Entscheidung. Beim ,Erfinden einer Melodie entscheidet er über Tonhöhen, Tondauern und Formverläufe. Weitere Ent- E scheidungen sind zu treffen, wenn es sich um komplexere musikalische Gebilde handelt. Sollen mehrere Stimmen zusammen erklingen? Soll eine führende, herausgehobene Stimme mit Akkorden unterlegt werden? Welche Ak korde sollen den harmonischen Verlauf erge- ben? Welche Instrumente sollen die Stimmen ausführen? Alle Faktoren können für eine be stimmte zeit- oder personaltypische Satztechnik (kurz: Satz) entscheidend sein. In allen Epochen hat es zeittypische Satztechniken gegeben. Zu einem späteren Zeitpunkt wurden diese oft in Traktaten oder zu einem Vom Himmel hoch (1) Johann Sebastian Bach (1685-1750) Regelwerk zusammengefasst. So ist zum Beispiel die Art des Komponierens von HeINRICH SCHUTZ in einer Kompositionslehre von seinem Schüler CHRISTOPH BERNHARD Veröffentlicht worden. Leicht zu hören ist der Unterschied zwischen polyphonem und homophonem Satz: Im poly phonen Satz (z. B. bei Fugen) sind die einzelnen Stimmen in Bezug auf den rhythmischen und den melodischen Verlauf eigenständig. Bis ins 16. Jahrhundert wurde überwiegend mit po lyphonen Satztechniken komponiert. Homophone Sätze sind gekennzeichnet durch eine Vom Himmel hoch (I) Johann Sebastian Bach (1685-175 E herz lem führende Oberstimme und durch eine rhyth- misch gleichlaufende Begleitung. Homophone Satztechniken waren beispielsweise in der Zeit der Klassik vorherrschend. den Sie bei den Musikausschnitten heraus, welche Gattungen es sich handelt. /23-28 walche Aussagen zu Form und Stil lassen sich machen? AufS. 24of. sind sechs Beispiele dargestelt. Erlutern Sie mithilfe dieser Beispiele die Begriffe,Gattung",.Form" und Stil". Bringen Sie eigene Beispiele mit, an denen Gattun Sie mindestens zwei verschiedene gen, Formen und Stile erlutern können. Die ersten Takte des von MARTIN LUTHER verfassten Liedes Vom Himmel hoch, da komm ich her sind in zwei Versionen .S. BACHS abgedruckt. Beschreiben Sie die Satztechniken. HB 1/29-30 Diese Version findet sich im 1.Teil von BaCHs Weihnachsoratorium und hat daber einen an deren Text als das Lied.