Chemie Ingenieur Technik 511 Research Article Beiwerte zur Berechnung maximal zulässiger Einzellasten an Stutzen in zylindrischen Behälterschalen und deren Vergleich mit DIN EN 13445-3 Klaus Benitz1,2,* DOI: 10.1002/cite.202000258 This is an open access article under the terms of the Creative Commons Attribution-NonCommercial-NoDerivs License, which permits use and distribution in any medium, provided the original work is properly cited, the use is non-commercial and no modifications or adaptations are made. Die Ergebnisse einer Parameterstudie werden vorgestellt, in der die Beanspruchungen im Verschneidungsbereich von Stutzen mit der Behälterschale infolge von Axialkraft und Momenten in Längs- und Umfangsrichtung mit der Finite-ElementeMethode (FEM) berechnet wurden. Durch den untersuchten Betrachtungsumfang wird ein weiter Bereich der in der Praxis vorkommenden Anwendungsfälle abgedeckt. Die Ergebnisse werden in Form von Spannungsbeiwerten dargestellt, die direkt vergleichbar sind mit den entsprechenden Berechnungsbeiwerten C1, C2 und C3 nach DIN EN 13445-3. Die Spannungsbeiwerte aus FEM-Berechnungen sind, bis auf Stutzen geringer Wanddicke, größer als die Werte nach den Kurven der DIN-Norm. Die Unterschiede zwischen den Spannungsbeiwerten werden auf die vereinfachenden Annahmen zur analytischen Berechnung der dimensionslosen Schnittlasten zurückgeführt, die den Spannungsbeiwerten der DIN EN 13445-3 zugrunde liegen. Schlagwörter: Nachweis Behälterstutzen, Spannungsbeiwerte, Stutzen in Zylinderschalen Eingegangen: 17. Dezember 2020; revidiert: 06. Juni 2021; akzeptiert: 21. Juni 2021 Coefficients for Calculating Maximum Permissible Single Loads on Nozzles in Cylindrical Shells and their Comparison with DIN EN 13445-3 The results of a parameter study are presented in which the stresses in the intersection area of nozzles with the vessel shell due to axial force and moments in the longitudinal and circumferential directions were calculated using the finite-element method (FEM). The scope of the study covers a wide range of practical applications. The results are presented in the form of stress coefficients that are directly comparable with the corresponding calculation coefficients C1, C2 and C3 according to DIN EN 13445-3. The stress coefficients from FEM calculations are – except nozzles with small wall thickness – larger than the values according to the curves of the DIN standard. The differences between the stress coefficients are attributed to the simplifying assumptions for the analytical calculation of the non-dimensional sectional loads, on which the stress coefficients of DIN EN 13445-3 are based. Keywords: Nozzles in cylindrical shells, Stress coefficients, Verification of vessel nozzles 1 Einleitung Durch Druck und am Stutzen angreifende Rohrleitungslasten ergeben sich, im Bereich der Verschneidung von Behälterschalen mit Stutzen, lokale Beanspruchungen. Je nach den Lagerbedingungen der anschließenden Rohrleitung und den Betriebszuständen in der Anlage sind Beanspruchungen möglich, die nicht mehr als vernachlässigbar betrachtet werden können. In solchen Fällen muss ein Nachweis zur Zulässigkeit geführt werden. Die lokalen Beanspruchungen im Verschneidungsbereich lassen sich analytisch nur mit einer Reihe vereinfachender Chem. Ing. Tech. 2022, 94, No. 4, 511–519 Annahmen berechnen. In den 1960er-Jahren wurden hierzu Arbeiten von Prof. P. P. Bijlaard von der Cornell University, USA, durchgeführt, die letztlich im Jahr 1965 im WRC Bulletin 107 [1] veröffentlicht wurden. In diesem Bulletin sind – 1 Klaus Benitz skbenitz@gmail.com Engineering Service & Consulting, Hauptstraße 126, 69518 Abtsteinach, Germany. 2 Klaus Benitz Duale Hochschule Baden-Württemberg (DHBW), Coblitzallee 1-9, 68163 Mannheim, Germany. ª 2021 The Authors. Chemie Ingenieur Technik published by Wiley-VCH GmbH www.cit-journal.com 512 Research Article für am Stutzen angreifende Längskräfte sowie Biegemomente in Längs- und Umfangsrichtung die Schnittkräfte und Schnittmomente in der Behälterschale als dimensionslose Kurven aufbereitet und ermöglichen eine Spannungsermittlung im Verschneidungsbereich. Die Vorgehensweise bei der Spannungsermittlung ist kochbuchartig durch Auswerteschemas vorgegeben. Im Jahr 1987 wurde eine erweiterte Fassung des Bulletins (WRCB 297) veröffentlicht [2]. Im Jahr 2010 wurde das WRC Bulletin 107 durch das WRC Bulletin 537 [3] mit einem erweiterten Anwendungsbereich abgelöst. Die dimensionslosen Kurven der Schnittgrößen werden in dieser Fassung dem Anwender auch in Form von Polynomen zur Verfügung gestellt. Bedingt durch die vereinfachenden Annahmen sind der Anwendungsbereich und die Genauigkeit der Ergebnisse nach den WRC-Bulletins eingeschränkt. Bei zylindrischen Behälterschalen wird z. B. der Einfluss der Wanddicke des Stutzens nicht berücksichtigt. Eine wesentliche Einschränkung in der Anwendung besteht auch darin, dass die dimensionslosen Kurven der Schnittgrößen nur Gültigkeit für die Behälterschale haben. In Fällen unverstärkter Stutzen können die maßgeblichen Spannungen jedoch im Stutzen auftreten [4]. DIN EN 13445-3, Abschn. 16.5 [5], beinhaltet ein Verfahren für die Berechnung von Zylinderschalen mit Stutzen unter lokalen Lasten und Innendruck. In Abschn. 16.5.5 werden Formeln angegeben zur Berechnung des höchstzulässigen Betriebsdrucks Pmax, der maximal zulässigen Axialkraft FZ,max, des maximal zulässigen Moments in Umfangsrichtung MX,max, und des maximal zulässigen Moments in Längsrichtung MY,max. Die Berechnung der höchstzulässigen Kräfte und Momente basiert auf den in [2] veröffentlichten Daten. In [7] wurden Finite-Elemente-Berechnungen mit einem 3D-Schalenmodell durchgeführt. Es erfolgten Berechnungen sowohl mit linear-elastischem Werkstoffverhalten als auch als Traglastnachweis mit idealelastisch-idealplastischem Werkstoffverhalten. Die Ergebnisse haben gezeigt, dass mit dem Verfahren nach DIN EN 13445-3, Abschn. 16.5, die Beanspruchungen infolge des Innendrucks mit guter Genauigkeit erfasst werden. Für die maximal zulässigen äußeren Lasten wurden jedoch deutliche Abweichungen zu den Berechnungen mit der Finite-Elemente-Methode festgestellt. Im vorliegenden Beitrag werden deshalb die Ergebnisse einer Parameterstudie vorgestellt, in der die Beanspruchungen im Verschneidungsbereich von Stutzen mit der Behälterschale infolge Axialkraft und Momenten in Längs- und Umfangsrichtung berechnet wurden. Die Ergebnisse werden in Form von Spannungsbeiwerten dargestellt, die direkt vergleichbar sind mit den entsprechenden Berechnungsbeiwerten C1, C2 und C3 nach DIN EN 13445-3, Abschn. 16.5. www.cit-journal.com 2 Chemie Ingenieur Technik Zulässige Einzellasten Der höchstzulässige Betriebsdruck nach DIN EN 13445-3 wird mithilfe des Flächenvergleichsverfahrens nach Abschn. 9 der Norm bestimmt. Das Verfahren beruht auf der Gleichgewichtsbedingung zwischen den Spannungen senkrecht zur tragenden Fläche und dem Produkt der druckbelasteten Fläche mit dem Innendruck. Der maximal zulässige Innendruck kann vereinfach durch Gl. (1) ausgedrückt werden: Pmax ¼ Af f Ap þ 0,5Af (1) Die maximal zulässige Axialkraft berechnet sich nach der Formel: FZ;max ¼ fe2c C1 (2) Die maximalen Momente berechnen sich nach Gl. (3) und (4): d MX;max ¼ fe2c C2 4 (3) d MY;max ¼ fe2c C3 4 (4) Für die Berechnungsbeiwerte C1, C2 und C3 werden in der Norm [5] Polynomansätze bereitgestellt. " ! # i¼4 X i C1 ¼ max ai lC ; 1,81 (5) i¼0 " C2 ¼ max i¼4 X ! ai liC # ; 4,90 (6) i¼0 " C3 ¼ max i¼4 X ! ai liC # ; 4,90 (7) i¼0 Die Koeffizienten ai in den Gln. (5) bis (7) wurden aus WRC Bulletin 297 [2] abgeleitet. Die zulässigen Lasten basieren auf einem maximalen Formfaktor von 2,25f. Nach DIN EN 13445-3, Abschn. C.7.3, muss die Vergleichsspannungsschwingbreite aufgrund der Änderung der Summe von Primär- und Sekundärspannungen zwischen zwei beliebigen normalen Betriebszuständen an allen Punkten die Gl. (8) Dseq PþQ £ 3 f (8) erfüllen. Dies bedeutet, dass die Polynomansätze für die Berechnungsbeiwerte C1, C2 und C3 aufgrund des Formfaktors (2,25) nur 75 % der Beanspruchungen im Vergleich zu einer detaillierten Analyse zulassen. ª 2021 The Authors. Chemie Ingenieur Technik published by Wiley-VCH GmbH Chem. Ing. Tech. 2022, 94, No. 4, 511–519 Chemie Ingenieur Technik 513 Research Article Die Anwendung des Verfahrens ist an folgende Bedingungen geknüpft: 0,001 £ ea £ 0,1 D (9) d lC ¼ pffiffiffiffiffiffiffiffi £ 10 DeC (10) Weiterhin muss pffiffiffiffiffiffiffiffider Abstand zu anderen lokalen Lasten mindestens DeC betragen pffiffiffiffiffiffiffi und die Stutzenwanddicke muss über die Länge l ‡ deb konstant sein. Für Kräfte in Längs- und Umfangsrichtung sowie für das Torsionsmoment werden in DIN EN 13445-3/A8 [6] Formeln zur Berechnung der Schubspannungen aus diesen Lasten angegeben. Die Berechnung der Beanspruchungen aus diesen Lasten erfolgt mit elementaren Formeln der Mechanik. Für die Wechselwirkung aller Lasten wird in Abschn. 16.5.6.4 eine Formel angegeben, die alle Belastungen an einem Stutzen erfassen. 3 Betrachtungsumfang der Studie Der Betrachtungsumfang der vorliegenden Studie umfasst insgesamt 416 verschiedene Geometrien. Der Außendurchmesser der Zylinderschale ist konstant D = 1000 mm. Die Wanddicke der Zylinderschale wurde variiert. Die kleinste Wanddicke beträgt ec = 5 mm, dann ec = 10 mm und dann jeweils um 10 mm dicker bis zu ec = 120 mm. Für jede dieser Geometrien wurden vier Wanddicken für die Stutzen berücksichtigt. Die Stutzenwanddicke eb, bezogen auf die Wanddicke der Zylinderschale, wurde mit eb/ec = 0,5, 1,0, 1,5 und 2,0 berücksichtigt. Der Außendurchmesser des Stutzens (d), bezogen auf den Außendurchmesser der Zylinderschale wurde zwischen d/D = 0,1 und d/D = 0,8 in 0,1-er Schritten variiert. Durch den so gewählten Betrachtungsumfang wird ein weiter Bereich der in der Praxis vorkommenden Anwendungsfälle abgedeckt. Geometrische Einschränkungen zu Stutzen-Geometrien der DIN EN 13445-3 werden nicht verletzt. Abb. 1 zeigt den untersuchten Betrachtungsumfang. 4 Abbildung 1. Betrachtungsumfang. Finite-Elemente-Modell Die Finite-Elemente-Berechnungen wurden mit dem Programmsystem ANSYS durchgeführt. Hierzu wurde das in Abb. 2 gezeigte 3D-Schalenmodell verwendet. Verwendete wurde ein Schalenelement mit vier Knoten, linearen Ansatzfunktionen und drei Integrationspunkten über die Schalendicke (Bezeichnung: SHELL 181). Durch die Vorgabe von drei Integrationspunkten über die Dicke wird auf der Ober- und Unterseite automatisch die Summe aus Membran- und Biegespannung sowie in der neutralen Faser die Membranspannung bestimmt. Chem. Ing. Tech. 2022, 94, No. 4, 511–519 Abbildung 2. Finite-Elemente-Modell. Verschiebung der Knotenpunkte am unteren Rand ux = uy = uz = 0. Das Modell hat bezüglich der Durchmesser und Wanddicken die im Betrachtungsumfang beschriebenen Abmessungen. Die Länge des Behälters beträgt 2000 mm, die Länge des Stutzens 600 mm. Die Behälterschale ist an beiden Enden mit einer Kugelschale verschlossen. Durch diese Abmessungen ist sichergestellt, dass die Ergebnisse im Verschneidungsbereich von Stutzen und Behälter nicht durch Randeinflüsse beeinflusst werden. Für die Lastfälle der Axialkraft und der Momente wurden die Knoten am unteren Rand des Modells in allen Richtungen fixiert. Die Verdrehungen der Knoten am unteren Rand wurden nicht vorgegeben. Die Einleitung der äußeren Lasten erfolgte über einen Knotenpunkt auf der Mittellinie des Stutzens (s. Abb. 3). Dieser Knoten ist mit steifen Balkenelementen mit dem Stutzenrand verbunden. Die Verbindung der Balkenelemente mit den Schalenelementen erfolgt über die Kopplung von Freiheitsgraden, so dass einerseits die Lasten in den Stutzen eingeleitet werden, andererseits die radiale Ausdehnung des Stutzens nicht behindert wird. ª 2021 The Authors. Chemie Ingenieur Technik published by Wiley-VCH GmbH www.cit-journal.com 514 Research Article Chemie Ingenieur Technik reich der Behälterschale bzw. des Stutzens treffen sich die Pfade an der Verschneidungslinie (s. Abb. 4). Pfad A Pfad D Stutzen Pfa dA r lte hä Be Stutzen dD r Pfa lte hä Be Abbildung 3. Lasteinleitung. Abbildung 4. Auswertepfade Zur Sicherstellung einer ausreichenden Genauigkeit der Spannungsergebnisse wurden in [7] linear-elastische Berechnungen mit unterschiedlichen Elementgrößen durchgeführt, um deren Einfluss zu ermitteln. Die kleinste Elementgröße betrug 5 mm. Die Elementgröße wurde schrittweise bis auf 40 mm erhöht und die maximalen Vergleichsspannungen nach der TRESCA-Hypothese mit den Ergebnissen der kleinsten Elementgröße verglichen. Je nach Belastung ergeben sich für die Elementgröße 40 mm Unterschiede zwischen 24 % und 36 %. Für die Elementgröße 10 mm liegen die Unterschiede zwischen 4,5 % und 7,5 %. Die in diesem Beitrag gezeigten Spannungsergebnisse basieren auf einer Elementgröße von 10 mm. Es sei an dieser Stelle darauf hingewiesen, dass sich das Koordinatensystem des Finite-Elemente-Modells vom Koordinatensystem nach DIN EN 13445-3, Abb. 16.5-1, unterscheidet. Die x-Richtung nach DIN entspricht der z-Richtung des FE-Modells, die y-Richtung nach DIN der x-Richtung des FE-Modells und die z-Richtung nach DIN entspricht der y-Richtung des FE-Modells. 5 Berechnung und Auswertung Für die im Betrachtungsumfang liegenden Geometrien wurden für jede Belastungsgröße, Axialkraft (Fy), Moment in Längsrichtung (Mx) und Moment in Umfangsrichtung (Mz), Rechenläufe mit linear-elastischem Werkstoffverhalten durchgeführt. Die Belastungen wurden so gewählt, dass im ungestörten Bereich des Stutzens die Spannung 10 N mm–2 beträgt. 2 da di2 p Fy ¼ 10 (11) 4 p da4 di4 (12) Mx ¼ Mz ¼ 10 32 da Zur Auswertung der Spannungen wurden vier Auswertepfade definiert. Jeweils ausgehend vom ungestörten Be- www.cit-journal.com 6 Berechnung eines Beispiels Die nachfolgenden Abbildungen zeigen Spannungsergebnisse, beispielhaft für einen Behälter mit dem Außendurchmesser 1000 mm, einer Behälterwanddicke von 50 mm, einem Außendurchmesser des Stutzens von 500 mm und einer Wanddicke des Stutzens von 50 mm. Die Spannungskonturplots (Abb. 5) geben einen ersten Hinweis auf die Größe der Spannungen und den Ort der maximalen Beanspruchung. Gezeigt werden die Vergleichsspannungen nach TRESCA unter den Belastung Axialkraft (Fy), Biegemoment in Längsrichtung (Mx) und Biegemoment in Umfangsrichtung (Mz). Im Fall der Belastung aus dem Moment in Längsrichtung MX tritt die größte Vergleichsspannung am Punkt A auf, in den Fällen der Axialkraft FY oder dem Moment in Umfangsrichtung MZ am Punkt D. Der Ort, an dem die größten Spannungen auftreten, ist abhängig von der Belastung und den Abmessungen. Die in der Beispielrechnung ermittelten Orte haben somit keine Allgemeingültigkeit. In jedem Fall müssen alle Pfade nach Abb. 4 ausgewertet werden. Auch gelten die gezeigten Ergebnisse nur für die jeweils gerechneten Einzellasten. Für eine vollständige Beurteilung der Beanspruchung müssen somit alle an einem Stutzen wirkenden Lasten betrachtet werden. Es müssen die maximal zulässigen Einzellasten, der Auslastungsgrad für die Einzellasten und die Wechselwirkung aus allen gleichzeitig wirkenden Lasten nach Formel 16.5.6.4 der Norm abgesichert werden. Durch die vier Auswertepfade nach Abb.4 werden die maßgeblichen Beanspruchungen sowohl in der Behälterschale als auch im Stutzen erfasst (s. hierzu Abb. 6). Entlang der Pfade werden die Vergleichsspannungen nach TRESCA in der Mitte als auch an der Innenseite und Außenseite der Schalenelemente erfasst. Die Spannung in der Mitte entspricht den Membranspannungen (sVm), die Spannungen an der Innenseite und der Außenseite den Membran- und Biegespannungen (sVm+b). ª 2021 The Authors. Chemie Ingenieur Technik published by Wiley-VCH GmbH Chem. Ing. Tech. 2022, 94, No. 4, 511–519 Chemie Ingenieur Technik 515 Research Article Im Falle der Belastung aus einem Moment in Umfangsrichtung (Mz) treten die größten Membranspannungen sowie die größten Membran- und Biegespannungen im Stutzen, Pfad-D, auf. In Tab. 1 sind die maximal auftretenden Spannungen aller Pfade zusammengefasst. a) Tabelle 1. Zusammenfassung der Spannungsergebnisse. Ort Behälter Pfad-A Behälter Pfad-D b) Stutzen Pfad-A Stutzen Pfad-D c) Abbildung 5. Spannungskonturplot der Vergleichsspannungen infolge a) Axialkraft Fy, b) Biegemoment in Längsrichtung Mx, c) Biegemoment in Umfangsrichtung Mz. Für jeden Belastungsfall (Fy, Mx, Mz) werden die Verläufe mit den größten Spannungen gezeigt. Im Falle der Belastung aus einer Axialkraft (Fy) treten die größten Membranspannungen als auch die größten Membran- und Biegespannungen im Stutzen, Pfad-D, auf. Im Falle der Belastung aus einem Moment in Längsrichtung (Mx) treten die größten Membranspannungen im Behälter, Pfad-D, auf. Die größten Membran- und Biegespannungen gibt es im Behälter, Pfad-A. Chem. Ing. Tech. 2022, 94, No. 4, 511–519 Vergleichsspannung Spannungen aus [N mm–2] Fy sVm 12,30 7,80 11,60 sVm+b 32,20 30,50 20,20 sVm 17,10 14,50 10,10 sVm+b 70,80 28,90 54,90 sVm 13,29 8,69 11,16 sVm+b 26,82 29,62 11,94 sVm 18,90 11,23 12,16 sVm+b 83,18 17,20 61,02 Mx Mz Im Falle einer Spannungsanalyse nach DIN EN 13445-3, Anhang C, müssten nun die maximal auftretenden Spannungen nach dem Verfahren der Spannungskategorien bewertet werden. Die Bewertungskriterien richten sich hierbei nach den erzeugenden Ursachen der Spannungen und ihren Auswirkungen auf das Festigkeitsverhalten des Bauteils. In diesem Sinne werden die Spannungen in primäre Spannungen, sekundäre Spannungen und Spannungsspitzen eingeteilt. Primäre Spannungen sind solche Spannungen, die das Gleichgewicht mit äußeren Lastgrößen herstellen. Sie werden unterschieden in allgemeine Primärspannungen (Pm), lokale Primärspannungen (PL) und Primärbiegespannungen (Pb). Ihr wesentliches Merkmal ist, dass bei einer unzulässigen großen Steigerung der äußeren Lasten die Verformungen nach vollständiger Plastifizierung des Querschnitts wesentlich zunehmen, ohne sich hierbei selbst zu begrenzen. Sekundärspannungen entstehen durch geometrische Störstellen, unterschiedliche Elastizitätsmoduln oder durch Behinderung der unterschiedlichen Wärmeausdehnung. Sie werden unterschieden in Sekundärmembranspannungen (Qm) und Sekundärbiegespannungen (Qb). Ihr wesentliches Merkmal ist, dass sie im Falle des Überschreitens der Fließgrenze beim Ausgleich der Verformungsdifferenzen plastische Verformungen bewirken, die sich selbst begrenzen, also nicht zu einem globalen Versagen des Bauteils führen. Die Spitzenspannungen (F) sind der Anteil an den Spannungen, die, mit den Primär- bzw. Sekundärspannungen addiert, die Gesamtspannungen ergeben. Sie sind nur für Versagen durch Ermüdungs- oder Sprödbruch in ª 2021 The Authors. Chemie Ingenieur Technik published by Wiley-VCH GmbH www.cit-journal.com 516 Research Article a) 90,0 80,0 mie innen mie aussen 30,0 Spannung [N/mm2] aussen 70,0 60,0 50,0 40,0 18,9 30,0 28,9 25,0 20,0 0,0 0 innen mie aussen 75 150 225 300 375 450 525 Pfadkoordinate [mm] 70,0 30,5 60,0 Spannung [N/mm2] 30,0 Spannung [N/mm2] 375 d) 35,0 25,0 20,0 15,0 10,0 7,8 £3 f (14) erfüllen. Für die Ergebnisse der durchgeführten Berechnungen bedeutet dies, dass sich die Auslastungen für die Membran- und Biegespannungen nach Gl. (15) berechnen: 10,0 0,0 c) PþQ Amþb ¼ 5,0 10,0 75 150 225 300 Pfadkoordinate [mm] 14,5 15,0 20,0 0 Dseq 35,0 83,18 innen Spannung [N/mm2] b) Chemie Ingenieur Technik innen mie aussen 61,02 50,0 sV;mþb 3f (15) Entsprechend der Tabelle C-2 der Norm muss jedoch sichergestellt sein, dass während des ersten Belastungszyklus kleine Verformungen auftreten, die für den Behälter keinen Schaden darstellen. Die nachfolgende Herleitung der Spannungsbeiwerte aus den Finite-Elemente-Berechnungen wird unter Berücksichtigung der Bewertungskriterien nach Anhang C der Norm durchgeführt. 40,0 30,0 12,16 20,0 7 Berechnung der Spannungsbeiwerte Die Spannungsbeiwerte werden aus den Ergebnissen der Vergleichsspannungen aus den Finite0,0 0,0 Elemente-Berechnungen hergelei0 50 100 150 200 250 300 350 0 75 150 225 300 375 tet. Um die Bewertungskriterien Pfadkoordinate [mm] Pfadkoordinate [mm] nach Anhang C der Norm zu erfassen, wird sowohl die maximal Abbildung 6. Spannungsverlauf infolge a) Axialkraft Fy im Stutzen, Pfad-D, b) Biegemoment Mx im Behälter, Pfad-D, c) Biegemoment Mx im Behälter, Pfad-A, d) Biegemoment Mz im Stutberechnete Vergleichsspannung zen, Pfad-D. der Membranspannung (sV,m) als auch die maximal berechnete Vergleichsspannung der Membranund Biegespannungen (sV,m+b) zur Berechnung der SpanVerbindung mit Primär- und Sekundärspannungen von nungsbeiwerte verwendet. Bedeutung. Der Zusammenhang zwischen den BerechnungsergebnisNach Abschn. C.7.2 der Norm müssen lokale primäre sen und dem Spannungsbeiwert ist für die Axialkraft allgeMembranspannungen mit 1,5f abgesichert werden, d. h. die mein gegeben durch: Auslastung für die Membranspannungen ergeben sich aus der Formel Fy;max C1FEM ¼ (16) sV;m szul e2C (13) Am ¼ 1,5 f Für die Momente in Längs- und Umfangsrichtung durch: Nach Abschn. C.7.3 der Norm muss die Vergleichsspan4Mx;max nungsschwingbreite aufgrund der Änderung der Summe C2FEM ¼ (17) von Primär- und Sekundärspannungen zwischen zwei belieszul de2C bigen normalen Betriebszuständen an allen Punkten die Gl. (14) 5,0 www.cit-journal.com 10,0 ª 2021 The Authors. Chemie Ingenieur Technik published by Wiley-VCH GmbH Chem. Ing. Tech. 2022, 94, No. 4, 511–519 C3FEM ¼ 517 Research Article 4Mz;max szul de2C (18) Setzt man voraus, dass die berechneten Spannungen den Wert der zulässigen Spannungen erreicht haben, können in die Gln. (16) bis (18) die berechneten Vergleichsspannungen eingesetzt werden. Unter Berücksichtigung der unterschiedlichen Absicherung der Membran, bzw. der Membran- und Biegespannungen ergeben sich dann die Formeln zur Berechnung der Spannungsbeiwerte wie folgt: Fy;max 1,5 3 (19) C1FEM ¼ 2 min ; sV;m sV;mþb eC C2FEM ¼ C3FEM ¼ 4Mx;max 1,5 3 min ; sV;m sV;mþb de2C (20) 4Mz;max 1,5 3 min ; sV;m sV;mþb de2C (21) 35 30 FEM- 25 Ergebnisse 20 15 10 5 Für die Belastungen Fy,max, Mx,max und Mz,max werden in der Beispielberechnung die entsprechenden Belastungsdaten nach den Gln. (11) und (12) eingesetzt. Wendet man die Gln. (19) bis (21) für die Ergebnisse aus Tab. 1 an, ergeben sich folgende C-Faktoren: C1 =10,2, C2 = 12,7 und C3 = 25,3. 8 Abb. 8 zeigt die Ergebnisse für Momente in Umfangsrichtung, Abb. 9 die Ergebnisse für Momente in Längsrichtung. Die Spannungsbeiwerte C2FEM für Momente in Umfangsrichtungen liegen für lC < 2 unterhalb der Kurve nach DIN EN 13445-3, Abb. 16.5-3. Ein ähnliches Bild zeigt Abb. 9 für die Spannungsbeiwerte in Längsrichtung C3FEM, wobei in diesem Fall die Spannungsbeiwerte bis lC < 3,5 unterhalb der Kurve nach DIN EN 13445-3, Abb. 16.5-4, liegen. Spannung sbeiwert C2 [-] Chemie Ingenieur Technik 0 0,0 2,0 4,0 6,0 8,0 10,0 Abbildung 8. Vergleich der Spannungsbeiwerte für Momente in Umfangsrichtung. Ergebnisse und Diskussion 100 35 80 FEM- 70 Ergebnisse 60 50 40 30 20 10 30 FEM-Ergebnisse Spannungsbeiwert C1 [-] 90 Spannungsbeiwert C3 [-] Abb. 7 zeigt die mit den FEM-Analysen berechneten Spannungsbeiwerte für Axialkräfte im Vergleich mit den Werten nach der DIN EN 13445-3, Abb.16.5-2. Mit wenigen Ausnahmen liegen die C1FEM-Werte deutlich über der Kurve nach DIN EN 13445-3. Dies bedeutet, dass die maximal zulässigen Axialkräfte nach der DIN im Vergleich zu den FEM-Ergebnissen unterschätzt werden. 0 25 0,0 2,0 4,0 6,0 8,0 10,0 20 15 Abbildung 9. Vergleich der Spannungsbeiwerte für Momente in Längsrichtung. 10 5 0 0,0 2,0 4,0 6,0 8,0 10,0 Um einzugrenzen, welche Geometrien zu diesen Ergebnissen führen, werden Auswertungen für einzelne Wanddickenverhältnisse eb/ec durchgeführt. Es zeigt sich, dass in beiden Fällen die kleineren Spannungsbeiwerte auf das Wanddickenverhältnis eb/ec = 0,5 zurückzuführen sind (s. Abb. 10 und Abb. 11). Abbildung 7. Vergleich der Spannungsbeiwerte für Axialkräfte. Chem. Ing. Tech. 2022, 94, No. 4, 511–519 ª 2021 The Authors. Chemie Ingenieur Technik published by Wiley-VCH GmbH www.cit-journal.com 518 Research Article 9 35 Spannung sbeiwert C2 [-] 30 FEM- 25 Ergebnisse 20 15 10 5 0 0,0 2,0 4,0 6,0 8,0 10,0 Abbildung 10. Vergleich der Spannungsbeiwerte für Momente in Umfangsrichtung eb/ec = 0,5. 100 Spannungsbeiwert C3 [-] 90 80 70 Chemie Ingenieur Technik Zusammenfassung und Ausblick Im vorliegenden Beitrag wurden die Ergebnisse einer parametrisierten FEM-Studie zu senkrechten Stutzen in zylindrischen Behälterschalen vorgestellt. Der untersuchte Betrachtungsumfang deckt weitgehend die in der Praxis vorkommenden Anwendungsfälle ab. Die Ergebnisse zeigen, dass auf Basis der Finite-Elemente-Methode meist größere zulässige Einzellasten nachgewiesen werden können, als nach dem Verfahren der DIN EN 13445-3, Abschn. 16.5. Für die Anwender der Norm wäre es hilfreich, mit einem einfachen, kochbuchartigen Verfahren Ergebnisse zu erzielen, wie sie mithilfe der FEMethode nach dem Verfahren der Spannungskategorisierung erzielt werden. Erreichbar ist dies durch eine detaillierte Darstellung der vorliegenden Ergebnisse als Kurvenscharen, die dem Anwender in Verbindung mit einem regelkonformen Auswerteschema zur Verfügung gestellt werden. Ein solches Vorhaben sollte sinnvollerweise in die Weiterentwicklung der Norm eingebettet sein. Hierdurch wäre auch die notwendige Prüfung und Verifikation sichergestellt. Für die Anwender stünde dann eine einfache und genaue Methode zur Auslegung von senkrechten Stutzen in zylindrischen Behälterschalen zur Verfügung. 60 FEMErgebnisse 50 Die vorliegende Arbeit wurde im Rahmen der Lehr- und Forschungstätigkeit an der Dualen Hochschule BadenWürttemberg in Mannheim durchgeführt. Open Access Veröffentlichung ermöglicht und organisiert durch Projekt DEAL. 40 30 20 10 0 0,0 2,0 4,0 6,0 8,0 10,0 Formelzeichen Abbildung 11. Vergleich der Spannungsbeiwerte für Momente in Längsrichtung eb/ec = 0,5. Für die Interpretation der Gesamtergebnisse bedeutet dies: – Die Spannungsbeiwerte aus FEM-Berechnungen sind überwiegend größer als die Werte nach den Kurven der DIN EN 13445-3. – Eine Ausnahme hiervon sind die Spannungsbeiwerte für Momente in Längs- und Umfangsrichtung für Geometrien mit einem Wanddickenverhältnis von eb/ec = 0,5. – Die Unterschiede zwischen den Spannungsbeiwerten aus den FEM-Berechnungen und den Werten nach DIN EN 13445-3 werden auf die vereinfachenden Annahmen zur analytischen Berechnung der dimensionslosen Schnittlasten in den WRC-Bulletins zurückgeführt. – Ein weiterer Grund ist der Formfaktor (2,25) zur Bildung der maximal zulässigen Lasten. www.cit-journal.com Af Am [mm2] [–] Am+b [–] Ap [mm2] ai C1 C2 C3 C1FEM [–] [–] [–] [–] [–] C2FEM [–] C3FEM [–] D [mm] ª 2021 The Authors. Chemie Ingenieur Technik published by Wiley-VCH GmbH Summe der tragenden Flächen Auslastung für die Membranspannung Auslastung für die Membran- und Biegespannung Summe der druckbelasteten Flächen Beiwerte der Polynome Berechnungsbeiwert nach DIN EN Berechnungsbeiwert nach DIN EN Berechnungsbeiwert nach DIN EN Berechnungsbeiwert aus FE-Berechnungen Berechnungsbeiwert aus FE-Berechnungen Berechnungsbeiwert aus FE-Berechnungen mittlerer Schalendurchmesser am Ausschnitt Chem. Ing. Tech. 2022, 94, No. 4, 511–519 Chemie Ingenieur Technik da di d ea [mm] [mm] [mm] [mm] eb [mm] ec 519 Research Article [mm] 2 f F Fy [Nmm ] [Nmm2] [N] Fy,max [N] FZ,max [N] Mx [Nmm] Mx,max [Nmm] MX,max [Nmm] My [Nmm] My,max [Nmm] MY,max [Nmm] Pb PL Pm [N mm–2] [N mm–2] [N mm–2] Pmax Qb Qm [Pa] [N mm–2] [N mm–2] Außendurchmesser des Stutzens Innendurchmesser des Stutzens mittlerer Stutzendurchmesser Berechnungswanddicke der Behälterschale Berechnungswanddicke des Stutzens Berechnungswanddicke von Schale und Verstärkungsplatte Berechnungsspannung Spitzenspannung Axialkraft am Stutzen in der FE-Berechnung maximal zulässige Axialkraft am Stutzen aus der FE-Berechnung höchstzulässige Axialkraft am Stutzen nach DIN EN Längsbiegemoment am Stutzen in der FE-Berechnung maximal zulässiges Längsbiegemoment am Stutzen aus der FE-Berechnung höchstzulässiges Umfangsmoment am Stutzen nach DIN EN Umfangsbiegemoment am Stutzen in der FE-Berechnung maximal zulässiges Umfangsbiegemoment am Stutzen aus der FE-Berechnung höchstzulässiges Längsmoment am Stutzen nach DIN EN Primärbiegespannung lokale Primärmembranspannung allgemeine Primärmembranspannung maximal zulässiger Betriebsdruck Sekundärbiegespannung Sekundärmembranspannung Chem. Ing. Tech. 2022, 94, No. 4, 511–519 Griechische Symbole lC [–] (Dseq)P+Q [N mm–2] sV,m [N mm–2] sV,m+b [N mm–2] szul [N mm–2] Beiwert für Stutzen in Zylinderschalen Summe von Primär- und Sekundärspannungen Vergleichsspannung der Membranspannungen Vergleichsspannung der Membranund Biegespannungen zulässige Spannungen Abkürzungen DIN EN FE FEM WRCB DIN EN 13445-3, Unbefeuerte Druckbehälter – Teil 3: Konstruktion Finite-Element Finite-Elemente-Methode Welding Research Council Bulletin Literatur [1] K. R. Wichman, A. G. Hopper, J. L. Mershon, WRC Bulletin 107: Local Stresses in Spherical and Cylindrical Shells due to External Loadings, Welding Research Council, Shaker Heights, OH 1965. [2] J. L. Mershon, K. Mokhtarian, G. V. Ranjan, E. C. Rodabaugh, WRC Bulletin 297: Local Stresses in Cylindrical Shells due to External Loading on Nozzles – Supplement to WRC No. 107, (Revision 1), Welding Research Council, Shaker Heights, OH 1984. [3] D. A. Osage, T. N. Chiasson, M. E. Buchheim, D. A. 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