Louis Kürbis, EK2, Herr Rohdich 14. Oktober 2019 Probekursarbeit Sudan/Südsudan Nr.4 Wenn man an den Sudan sowie den Südsudan denkt, so kommen vermutlich zuerst Bilder der Armut, des Hungers und des Bürgerkrieges in den Kopf, typische Merkmale eines Landes des globalen Südens. Doch werden diese Bilder ebenfalls durch die Strukturdaten dieses Landes unterstützt? Zuerst einige grundlegende Daten: Im Sudan/Südsudan leben rund 39 Millionen Menschen auf einer Fläche von ungefähr 1,8 Millionen Quadratmetern. Dies sind ungefähr 21 pro Quadratkilometer. Der Großteil der Bevölkerung ist zwischen 1-19 Jahren sehr jung, wodurch das Bevölkerungsmodell eine Pagodenform annimmt. Das heißt, es besitzt eine sehr breite Basis die antiproportional mit dem Alter der Bevölkerung immer schmaler wird. In einem Satz: Je älter die Bevölkerung, desto höher die Sterblichkeit. Es folgt eine Bevölkerungsexplosion, die als typisches Merkmal eines Entwicklungslandes gilt. Die meisten dieser Menschen im Sudan/Südsudan leben noch auf dem Land. Waren es 1987 noch 18,64 Millionen Menschen, so leben dort 2006 21,57 Millionen. Obgleich die ländliche Bevölkerung aufgrund von Faktoren wie Tradition, Abhängigkeit von Subsistenzwirtschaft und auch dem Anbau von Cash Crops noch überwiegt, so geht der Trend definitiv zur Stadt über. Die städtische Bevölkerung durchging ein Wachstum von 5,85 Millionen (1987) auf 15,42 Millionen Menschen (2006). Es gibt eine Vielzahl an Gründen, die der ruralen Bevölkerung das Leben in den urbanen Gegenden sehr viel attraktiver scheinen lassen. Die Städte bieten Hoffnung auf ein moderneres, saubereres Leben in dem Bildung und Beruf eine reichere Zukunft, besonders für die Frau, versprechen. In der Realität hingegen bedeutet dies in den meisten Fällen ein Leben in sog. squatter settlements, also selbst gebauten, sporadischen Behausungen, die ein Leben am Existenzminimum zulassen. Nichtsdestotrotz hat die Verstädterung ein Wachstum des Bruttoinlandsproduktes zu Folge. Dieses lag im Jahre 2014 bei 73,8 Milliarden US-Dollar mit einem Zuwachs von 3,4%. Der essenzielle Anteil der Städte in dieser Statistik wird durch den Anteil von 50% des Dienstleistungssektors am BIP deutlich. 21% liegen bei der Industrie, was den geringen Grad an Industrialisierung unterstreicht, und mit 29% ein vergleichsweise geringer Wert bei der Landwirtschaft, obwohl der Großteil der Bevölkerung nach wie vor 1 von 5 auf dem Land von Subsitenz- und Cash Crop-Wirtschaft lebt. Wenn diese Werte auf den ersten Blick gar nicht so ernüchternd scheinen, so ist zu verdeutlichen, dass die Inflation 2014 bei 36,9% lag, das Geld somit einen äußerst geringen Wert hat. Dem kommt eine negative Handelsbilanz zu, da das Land gut 10,8 Milliarden US-Dollar für den Import von u.a Nahrungsmittel zahlt, dahingegen jedoch nur 4 Milliarden US-Dollar durch den Export von Gold, Erdöl und Cash Crops einnimmt. Dies setzt einen Fokus auf die schlechten Weltmarktbedingungen und die fehlende Industrie, welche beide zur Folge haben, dass das Land meist unverarbeitete Rohstoffe zu schwindend geringen Preisen an die Industrieländer verkaufen muss, um auch nur die geringen Devisen, auf die sie dringend angewiesen sind, zu verdienen. Die Wirtschaft lässt sich also insgesamt als schwach und unzureichend für die wachsende Bevölkerung charakterisieren. Ein weiterer negativer Faktor ist, dass das Land zwar faktisch demokratisch, jedoch in der Realität durch Korruption und undemokratische Politikführung geprägt ist. So ist der Staats- und Regierungschef al-Baschir seit 1989 wiedergewählt, finanziert jedoch mit rund 30% des BIP sein Militär und vernachlässigt eindeutig seine Bevölkerung, welche an vielen Stellen weitgehende infrastrukturelle und humanitäre Entwicklungen benötigt. Diese Aussage wird durch die große Vielfalt an Ethnien und Bevölkerungsgruppen unterstützt. So Leben im Sudan/Südsudan überwiegend arabisch-islamische Bevölkerungsgruppen, wobei dennoch auch viele andere vorzufinden sind, darunter Rasheids und Beja, Beggara, Fur oder Zaghawa. Mit einer solch großen Varietät an verschieden Bevölkerungsgruppen, damit auch Sprachen, Kulturen und Religionen, besteht natürlich auch ein großes Konfliktpotenzial. Das Fehlen einer starken Regierung, welche seine Devisen klug in die Entwicklung des Landes und der Bevölkerung einsetzt, beispielsweise durch den Ausbau von Schulen oder die Emanzipation der Frau, feuert ebensolche Konflikte natürlich nur noch weiter an, sodass es bereits zu einigen Aufständen gegen die R e g i e r u n g , a b e r a u c h a n d e r e n e t h n i s c h g e p r ä g t e n K o n fl i k t e n s o w i e Menschenrechtsverletzungen, darunter einer geplanten Massenvergewaltigung, kam. Laut Daten der UN gibt es so bereits 2,2 Millionen Binnenvertriebene. Dazu kommt, dass das Land nach einem Bürgerkrieg im Jahre 2005 mit einem Übergangsparlament und und einer Übergangsverfassung regiert, was nur die Spitze des Eisberges politischer Instabilität bildet. Ich ziehe nun also aufgrund der oben genannten Faktoren klar den Schluss, dass es sich beim Sudan/Südsudan eindeutig um ein Entwicklungsland handelt, welches in erster Linie durch die bad governance seiner Regierung im Entwicklungsprozess gen humanitäre und wirtschaftliche Fortschritte gebremst wird. 2 von 5 Nr.5 Beim Sudan/Südsudan handelt es sich um ein äußerst armes Land der dritten Welt, welches an vielen Stellen weitgehende Entwicklungen benötigt, um die wachsende Bevölkerung ernähren zu können und das Land in politische sowie gesellschaftliche Stabilität zu bringen. Doch wie lassen sich ebensolche Entwicklungsprognosen charakterisieren? Zu allererst ist die Desertifikation anzusprechen. Die Bevölkerung des Sudan und Südsudan betrieb lange Zeit sog. Nomadismus. Dies bedeutete, man zog mit seinem Vieh und Angehörigen dann weiter, wenn der Boden seine Gemeinschaft nicht mehr unterstützen konnte. Dieser konnte sich nun regenerieren und die Nomaden konnten an anderer Stelle weiter auf subsistenzwirtschaftlicher Basis ihren Lebensertrag gewinnen. Das durch die Kolonialzeit eingeführte westliche Wirtschafts- und monetäre System sorgte nun aber dafür, dass der Nomadismus nicht mehr ausreichte, den benötigten Unterhalt zu verdienen, da Steuern und Abgaben bezahlt werden müssen. Es folgt die Sesshaftigkeit. Die einstigen Nomaden müssen nun mehr Vieh anschaffen, um mehr Devisen zu verdienen. Der regenerative Kreislauf ist nun unterbrochen und der Boden kann sich nicht erholen. Die Tragfähigkeit der Erde ist nun durch Überweidung überzogen und es kommt zu Versalzung und Austrocknung. Auch die andere Alternative, der Anbau von Cash Crops zum Export, um Devisen zu verdienen, nutzt die Böden in dieser Weise aus. Es kommt zum Dualismus, da einerseits Cash Crops angebaut werden müssen, dies geschieht natürlich zu großen Teilen im fruchtbaren Bewässerungsland des Nils, ein großer Vorteil des Sudan/Südsudan in der sonst kaum fruchtbaren Sahelzone, da diese einzig und allein Devisen einbringen. Andererseits jedoch müssen auch Subsistenzkulturen angebaut werden, um die eigenen Grundbedürfnisse befriedigen zu können. Die Wüste breitet sich demzufolge aus und immer mehr Land wird für das Leben und den Anbau von Kulturen unbrauchbar: Desertifikation. Dieser Prozess wird im Laufe der Zeit mit der steigenden Bevölkerung nur verstärkt, sodass das Land immer trockener und unbrauchbarer für die agrarische Nutzung wird und dem Volk nichts anderes als die dürre Anökumene bleibt, sich zu versorgen. Ein weiteres Problem, welches durch die Bevölkerungsexplosion entsteht, ist der wachsende Energiebedarf der Menschen. Der Großteil des Energiebedarfes im Sudan/ Südsudan wird durch den Brennholzeinschlag gedeckt. Wenn nun jedoch immer mehr Vegetation für die eigene Energieerzeugung zerstört wird, so hat auch dies weitergehende negative Folgen auf die Umwelt. Dies lässt sich so erklären, dass die immer kahler 3 von 5 werdende Landschaft (durch sowohl den Brennholzeinschlag als auch die Überweidung) eine erhöhte Albedo zur Folge hat, da es keinen/kaum noch Schatten gibt. Die nackte Erde kann sich nun immer weiter erhitzen, das Wasser verdampft und es kommt zur Versalzung. Des Weiteren kommt es zur Erosion durch Wasser und Deflation durch Wind, insgesamt breitet sich also die Wüste aus und immer mehr Menschen bleibt immer weniger Land, um sich zu versorgen. Die ohnehin scharfe Situation wird durch die allgemein schwierigen Umweltbedingungen in der Sahelzone nur weiter erschwert. Dieser Bereich südlich der Sahara weist nämlich eine unglaublich hohe Niderschlagsvariabilität auf, durch die es in einem Jahr zu äußert viel, im nächsten Jahr zu gar keinem Regenfall kommen kann. Eine auf Glücksspiel aufgebaute Adaption an die schwer erklärlichen und kaum vorhersehbaren Klimabedingungen fügt eine weitere Hürde zur Agrarnutzung im Sudan und Südsudan hinzu. Lösungsvorschläge gibt es einige, welche jedoch offensichtlich alle nicht einfach umzusetzen sind. So gibt es einerseits die Möglichkeit, sich vom Weltmarkt unabhängig(er) zu machen und somit wieder zurück zu den alten, traditionellen Lebensweisen zurückzukehren: Dem Nomadismus. Dieser ermöglicht es den Menschen, Nutzfläche für den Eigengebrauch zu verwenden, während der Boden genügend Zeit hat, sich zu regenerieren, also nicht zu desertifizieren. Dem entgegen stehen jedoch der große Grad an Verstädterung und das allgemein westliche Ideal, welches sich immer weiter verbreitet und der Tradition entgegensteht. Dazu kommt eine ungemein große Bevölkerung, welche durch die naturgegebenen und vom Menschen verschlechterten Bedingung ohnehin auf den Import von Nahrungsmitteln angewiesen ist, sodass das eigene Land nicht mehr selbst, zumindest nicht ohne Entwicklungshilfen, in der Lage ist, die (Süd)sudanesen zu ernähren. Ein weiterer Ansatz besteht darin, den wirtschaftlichen Haushaltsplan des Sudan/ Südsudan umzustrukturieren und somit mehr in die Entwicklung und den Fortschritt der Bevölkerung, besonders der Frau, zu investieren. Mehr Nahrungsmittel oder Bildung sorgen für eine gesündere Bevölkerung und mehr Potenzial zu Industrialisierung, um eine Wirtschaft zu entwickeln, die unabhängiger von ausländischen Devisen ist. Dem steht jedoch größtenteils die eigene Regierung entgegen, die in ihrer bad governance, die sich beispielsweise in 30% des BIP für Militärausgaben widerspiegelt, eine solche Entwicklung verhindert. Einem solch korrupten System entgegenzuwirken erweist sich natürlich als sehr schwierig, wenn die Bevölkerung zu großen Teilen nicht einmal ihre Grundbedürfnisse befriedigen kann und kaum politische Mitsprache besitzt. 4 von 5 Ein modernerer Lösungsansatz liegt in der Priorisierung sowie Investition in Solarenergie. Diese kann dem Kahlschlag ein Ende setzen und die schlechten natürlichen Gegebenheiten zum Vorteil der Menschen ausnutzen. Um dies jedoch umsetzen zu können, werden allerdings ein gewisses know-how sowie Unterstützung aus technologisch fortgeschritteneren Ländern benötigt. Beides Dinge, die durch die isolierende Außenpolitik des Sudan/Südsudan weitestgehend unmöglich werden. Demnach erneut eine direkte Folge der bad governance. Ich kann nun also die Schlussfolgerung ziehen, dass die Zukunftsperspektiven des Sudan und Südsudan äußerst kritisch zu betrachten sind. Sowohl die natürlichen Gegebenheiten, die durch den anthropogenen Einfluss weiterhin immer schlechter werden, als auch die sozialen und politischen Umstände, die durch die bad governance entstehen, setzen der Entwicklung und dem Fortschritt des Landes große Hürden in den Weg. Diese können nur überwunden werden, wenn sowohl In- als auch Ausland entschieden Schritte einleiten, welche dem jetzigen System ein Ende setzen und es durch eine innovativere, zukunftssicherere Alternative ersetzen. Leider ist eine solche Entwicklung aufgrund weltweit soziopolitischer Maßstäbe so gut wie ausgeschlossen. 5 von 5